15.04.2019 Aufrufe

Waldsiedlung Wildpark-West, Ausgabe #2 Frühling/Sommer 2019

Auf 192 Seiten gibt es wieder viel Kultur und Kunst, Informatives und Kritisches. Alles aus und um Wildpark-West. Diese Ausgabe brilliert mit wunderbaren Illustrationen von Georg Jarek, Cartoons von Olaf Thiede, eine handgezeichnete Karte von der Waldsiedlung Wildpark-West – exklusiv angefertigt von PakeTown! In dieser Ausgabe lesen Sie über vom Umgang mit Mündigen Bürgern, Erinnerungen an Schauspieler Werner Dissel, Eichhörnchen, Ente & Wolf - 15 Junge Seiten, Sieben neue Gesichter zur Kommunalwahl im Mai, Utopia Wildpark-West - Vision einer Waldsiedlung, die Handweberei in Alt-Geltow, was der Morgenstern mit den Galgenberg zu tun hat, wie wir bald mit dem Rad besser von Wildpark-West nach Werder kommen werden, über die Vögel in unserer Region und worüber sich Bienen freuen würden, vom Umgang mit Bäumen, das man auch ohne Wasser im Wald baden sollte, etwas vom höchsten Einfamilienhaus Potsdam und einem Bahnhof ohne halt und sehr viel mehr! Versäumen Sie nicht die wunderbare vielfallt unserer Region zu entdecken – wir zeigen Ihnen mehr von hier!

Auf 192 Seiten gibt es wieder viel Kultur und Kunst, Informatives und Kritisches. Alles aus und um Wildpark-West. Diese Ausgabe brilliert mit wunderbaren Illustrationen von Georg Jarek, Cartoons von Olaf Thiede, eine handgezeichnete Karte von der Waldsiedlung Wildpark-West – exklusiv angefertigt von PakeTown!
In dieser Ausgabe lesen Sie über vom Umgang mit Mündigen Bürgern, Erinnerungen an Schauspieler Werner Dissel, Eichhörnchen, Ente & Wolf - 15 Junge Seiten, Sieben neue Gesichter zur Kommunalwahl im Mai, Utopia Wildpark-West - Vision einer Waldsiedlung, die Handweberei in Alt-Geltow, was der Morgenstern mit den Galgenberg zu tun hat, wie wir bald mit dem Rad besser von Wildpark-West nach Werder kommen werden, über die Vögel in unserer Region und worüber sich Bienen freuen würden, vom Umgang mit Bäumen, das man auch ohne Wasser im Wald baden sollte, etwas vom höchsten Einfamilienhaus Potsdam und einem Bahnhof ohne halt und sehr viel mehr!
Versäumen Sie nicht die wunderbare vielfallt unserer Region zu entdecken – wir zeigen Ihnen mehr von hier!

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Hallo Nachbarn!<br />

Fast hätten wir ihn verpasst, zu<br />

sehr waren wir mit uns, der Familie<br />

oder der Arbeit beschäftigt.<br />

Und doch: Der <strong>Frühling</strong><br />

hat Einzug gehalten! Kraniche und<br />

Graugänse sind längst zurück und<br />

haben hinter der Siedlung am Graben<br />

für einige Zeit Rast gemacht. Auch<br />

die Singvögel zwitschern irgendwie<br />

fröhlicher als in den zurückliegenden<br />

grauen und stürmischen Wochen.<br />

Endlich können wir wieder mehr Zeit<br />

im Garten, im <strong>Wildpark</strong>, am Steg, der<br />

Badestelle, in oder auf dem Wasser<br />

verbringen.<br />

Mehr Kinder als früher spielen nun<br />

in unserem Ort. Alte gehen spazieren,<br />

Hunde bellen, Osterfeuer werden<br />

brennen und an den Wochenenden<br />

steigen die Grillpartys. Bäume und<br />

Sträucher haben ausgeschlagen, alles<br />

ist wie in jedem Jahr. Und doch wird<br />

etwas anders sein: Nachbarn sind ins<br />

Gespräch gekommen, erahnen oder<br />

haben erkannt, dass wir selber etwas<br />

tun müssen, um unser kleines Paradies<br />

zu erhalten.<br />

Lassen Sie uns bei all dem, was<br />

wir Leben nennen, etwas bewusster<br />

sein als im letzten Jahr. Mehr Rücksicht<br />

auf einander nehmen und nicht<br />

nur der Kinder wegen ein klein wenig<br />

langsamer durch Uferstraße und<br />

Fuchsweg fahren. Gönnen wir an den<br />

Wochenenden unseren Nachbarn<br />

die wohlverdiente Mittagsruhe ohne<br />

Rasenmäher, Laubpuster und Kettensäge.<br />

Versuchen wir einfach mal,<br />

durch gegenseitige Wertschätzung<br />

leiser und noch ein kleines bisschen<br />

freundlicher zueinander zu sein.<br />

Lassen Sie uns so gemeinsam unseren<br />

Ort jeden Tag noch ein Stückchen<br />

schöner und lebenswerter für<br />

alle machen. Wir wollen mit unserem<br />

Magazin, von unseren Einwohnern<br />

für Sie gemacht, einen kleinen Teil<br />

dazu beitragen. Lassen Sie sich mitnehmen<br />

in die Welt des Theaters und<br />

des Films, in Carla Schmidt‘s Rosengarten,<br />

in die Handweberei Geltow<br />

und ins Morgensternmuseum in Werder.<br />

Entdecken Sie, wie man im <strong>Wildpark</strong><br />

baden kann und welche Vögel<br />

sich in unserer <strong>Waldsiedlung</strong> heimisch<br />

fühlen.<br />

Erstmals kommen auch unsere<br />

Kinder und Jugendlichen auf ihren<br />

„Jungen Seiten“ zu Wort, erzählen eigene<br />

Geschichten, stellen Lieblingsbücher<br />

vor und wandeln auf historischen<br />

Pfaden.<br />

Also: Seien Sie neugierig und gespannt,<br />

wir sind es auch!<br />

ULLRICH TIETZE & CARSTEN SICORA<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> EDITORIAL 3


20<br />

WIESE GALLIN<br />

52 REPORTAGE<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> hat Geburtstag!<br />

In einer Urkunde vom 8. November des<br />

Jahres 1339 wird eine Wiese erwähnt, die<br />

der Insel Werder an der Havel gegenüber<br />

liegt. Die „Wiese Golyn“, das war der<br />

Platz, auf dem sich heute die <strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> befindet.<br />

Grüner Beton<br />

Ob <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> oder Alt-Geltow:<br />

Ohne gestalterische Vorgaben wurden<br />

die gewachsenen historischen Ortskerne<br />

ihrer Seele beraubt.<br />

24 PORTRÄT<br />

Nachts schlafen die Ratten<br />

Aus dem Leben von Werner Dissel.<br />

9. November 1989 - Premiere des<br />

DEFA-Streifens „coming out“ im Berliner<br />

Kino „International“. Nach der Premiere<br />

ist nichts mehr wie zuvor …<br />

56 REPORTAGE<br />

Das Land des Lächelns<br />

Schein und Sein.<br />

Vom Umgang mit mündigen<br />

Bürgern und Andersdenkenden.<br />

42<br />

AUF DURCHREISE<br />

62 REPORTAGE<br />

Die Poesie<br />

sichtbarer Abwesenheit<br />

Zeit. Raum. Licht.<br />

Über ein Kunstprojekt mit der Camera<br />

Obscura am Havelufer.<br />

Die Akte Schweizer Straße<br />

„Was sind das für Zeiten, wo ein<br />

Gespräch über Bäume fast ein<br />

Verbrechen ist, weil es ein<br />

Schweigen über so viele<br />

Untaten mit einschließt.“


70<br />

KOMMUNALWAHL <strong>2019</strong><br />

142 GARTENFREUND<br />

Neue Gesichter für<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Sieben <strong>Wildpark</strong>er wollen mit Ihrer Hilfe<br />

Kommunalpolitik für unseren Ort neu gestalten<br />

und die <strong>Waldsiedlung</strong> erhalten.<br />

Rosen – Carla<br />

Am Zaun, mitten im grünen Rasen, unter<br />

Bäumen, an der Terrasse, überall ragen<br />

kräftige Rosenstöcke und strebsame<br />

Kletterrosen üppig empor. Wie kleine<br />

Inseln verteilen sich die Rosenbeete<br />

über das Grundstück.<br />

82 REPORTAGE<br />

Utopia <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Über Sinn und Realität einer am<br />

Reißbrett geplanten Villenkolonie.<br />

152 ARCHITEKTUR<br />

Weitblick inklusive<br />

Jeder, der vom Kaiserbahnhof kommend,<br />

die asphaltierte Chausseestraße<br />

des <strong>Wildpark</strong>s nach Eiche, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

oder Geltow passiert, muss<br />

an ihm vorbei.<br />

116 REPORTAGE<br />

Das Gewissen<br />

unseres Wohlstandes<br />

Vom Umgang mit Bäumen.<br />

„Die Linde kommt 300 Jahre, steht 300<br />

Jahre und vergeht 300 Jahre.“<br />

Viele große Bäume erreichen nicht<br />

einmal ihre Reifephase.<br />

170<br />

JUNGE SEITEN<br />

Über das Eichhörnchen,<br />

die Ente und den Wolf<br />

Premiere: Auf 15 Seiten kommt unsere<br />

<strong>Wildpark</strong>er Jugendredaktion zu Wort.


DIE KARTE AUF SEITE 92/93<br />

... UND NOCH MEHR INHALT<br />

Die exklusive Karte<br />

Mit der gemeinsamen Leidenschaft<br />

für den Handball fing es an und<br />

künstlerisch ging es weiter. Die<br />

Potsdamer Michael Harnisch, Raik<br />

Dittrich und Pakertharan Jeyabalan<br />

haben sich zusammengetan und<br />

gründeten die PakeTown GmbH.<br />

Das Ziel war klar: Die Zeichnungen<br />

von „Paki“, kreativer Kopf<br />

des Unternehmens, sollten über<br />

den Freundeskreis hinaus, ihren<br />

Weg in die Öffentlichkeit finden.<br />

Handgezeichnet<br />

Was der junge Architekt zu Papier<br />

bringt, sind handgezeichnete<br />

Visualisierungen von aktuellen, zukünftigen<br />

und fiktiven städtischen<br />

Ansichten; filigran, detailverliebt<br />

und präzise dargestellt. Neben Motiven<br />

aus Potsdam, Berlin, Dresden<br />

und Magdeburg oder beispielsweise<br />

auch Paris, lässt Jeyabalan seiner<br />

Kreativität freien Lauf und zeichnet<br />

ebenso Fantasiestädte, die zum<br />

gedanklichen Verweilen einladen.<br />

Interesse geweckt?<br />

Ob Postkarten, individuell gestaltete<br />

Lampen, Drucke oder extra<br />

angefertigte Wunschmotive - bei<br />

PakeTown sind der Vorstellungskraft<br />

keine Grenzen gesetzt.<br />

Interesse geweckt? Dann kontaktieren<br />

Sie uns für Ihre PakeTown.<br />

13 FORUM<br />

19 IMPRESSUM<br />

32 REPORTAGE<br />

Frauen wollen mehr<br />

38 PORTRÄT<br />

Auf den Dächern der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

46 REPORTAGE<br />

Der Morgenstern<br />

auf dem Galgenberg<br />

75 REPORTAGE<br />

Der Kindergarten am Bruchwald<br />

80 REPORTAGE<br />

Wenn Kinder groß werden<br />

87 REPORTAGE<br />

Eine Vision wird Wirklichkeit<br />

92 DAS BESONDERE BILD<br />

94 NACHGEDACHT<br />

Heimkommen - Unser <strong>Wildpark</strong><br />

96 NATURFREUND<br />

Fast alle Vögel sind schon da<br />

104 GARTENFREUND<br />

Bienen würden Cornus pflanzen<br />

106 NATURFREUND<br />

Die Jakobsbuche im Fichtenweg<br />

108 WIESE GALLIN<br />

Historische Alleen in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

2. Teil: Eichenallee (Fuchsweg)<br />

126 INTERVIEW<br />

Der gemeine Baum<br />

130 WISSENSCHAFT<br />

Sport für Pflanzen<br />

134 KOMMENTAR<br />

Das geht uns alle an<br />

136 ESSAY<br />

Vermeiden. Verzichten. Verweigern!<br />

140 GARTENFREUND<br />

Torffreies Gärtnern<br />

146 SILVA HORTULANUS<br />

Sehr viel besser<br />

als sein Ruf - der Efeu<br />

148 MEDICUS SILVAM<br />

Ganzjährig baden im <strong>Wildpark</strong><br />

150 REPORTAGE<br />

Bis die Ärztin kommt<br />

151 HORTUS EXPERIENCES<br />

Glück<br />

158 ARCHITEKTUR<br />

Einen verwunschenen<br />

Ort wiederbelebt<br />

164 NACHGEDACHT<br />

Steine werfen vor der Taufe<br />

165 NACHGEDACHT<br />

Der verlorene Schuh<br />

168 WILDPARKER KOCHTÖPFE<br />

Lebuser Saure Eier<br />

183 RÄTSELSPASS<br />

185 SCHACHECKE<br />

Ein König in Bessarabien<br />

186 DES RÄTSELS LÖSUNG<br />

Aus der <strong>Ausgabe</strong> Herbst 2018<br />

188 KREUZWORTRÄTSEL<br />

190 EPILOG<br />

Eisenhartstraße 1, 14469 Potsdam<br />

email: info(at)paketown.de<br />

phone: +49 178 510 2509<br />

www.paketown.de<br />

UNSERER HEIMAT ALS POSTKARTE<br />

Diese Postkarte wird in limitierter Auflage<br />

von nur 1.000 Stück exklusiv zu erwerben sein.<br />

Diese können Sie bei der Redaktion bestellen oder einfach auf<br />

wildpark-west.de/shop<br />

kaufen. Der Preis beträgt für fünf Stück 5 Euro. Der Gewinn kommt<br />

der Nachpflanzaktion „Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018-2033 zugute.<br />

8 INHALT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


LESERBRIEFE<br />

FORUM<br />

Frau Dr. und Herr Dr. R. aus<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>:<br />

Wir leben seit über 30 Jahren im<br />

Ort, der sich in dieser Zeit sehr verändert<br />

hat. Veränderungen sind ein<br />

normaler Vorgang, aber nicht alle<br />

Auswirkungen sind erfreulich.<br />

Der Bürgerinitiative ist zu danken,<br />

dass die Erhaltung des Ortsbildes<br />

von den Einwohnern diskutiert wird.<br />

Nach unserer Auffassung liegt der<br />

Schwerpunkt aber zu sehr darauf, das<br />

Ortsbild durch übermäßige Reglementierung<br />

bei Fällgenehmigungen<br />

zu erhalten.<br />

Die das Ortsbild prägenden Gehölze<br />

müssen immer wieder verjüngt<br />

werden. Das ist in der Vergangenheit<br />

mit den Baumschutzsatzungen<br />

wegen ungenügender Kontrolle und<br />

zu laschen Vorgaben nicht gelungen.<br />

Nur wenn die Baumschutzsatzung<br />

Ersatzpflanzungen mit ortstypischen<br />

Gehölzen, die wesentlich größer als<br />

bisher gefordert sind, festlegt und<br />

pro gefälltem Baum eine Baumgruppe<br />

zu pflanzen ist, wird der Ortscharakter<br />

langfristig zu erhalten sein.<br />

Der große Aufwand der Verwaltung<br />

zur Erteilung von Fällgenehmigungen<br />

sollte besser zur Kontrolle der<br />

Nachpflanzungen verwendet werden.<br />

Bei Neubauten sollte es möglich sein,<br />

in der Baugenehmigung Auflagen zur<br />

Nachpflanzung unabhängig von Fällungen<br />

auszusprechen.<br />

Redaktion: „Stürmische Zeiten!“<br />

Die meisten Einwohner wollen, dass<br />

die Siedlung ihren Waldcharakter<br />

erhält. Nur über den Weg dahin<br />

gibt es unterschiedliche Meinungen,<br />

allerdings … mit vielen Schnittmengen.<br />

Was aber übereinstimmend<br />

immer wieder vorgebracht wird,<br />

ist, dass nachgepflanzt werden<br />

muss. Nachpflanzen und den Baumbestand<br />

verjüngen, das ist auch<br />

die übereinstimmende Meinung<br />

unserer Baumsachverständigen.<br />

Also, lassen Sie es uns gemeinsam<br />

anpacken!<br />

Christian Wessel, Caputh:<br />

Der Artikel „Auf dem Weg in die<br />

„Heißzeit?“ bringt es auf den Punkt –<br />

daher auch mein Anliegen, alles zu<br />

tun, was das Radfahren attraktiver<br />

macht.<br />

Redaktion: Was halten Sie denn<br />

von der neuen Fahrradwegbrücke<br />

über den Zernsee?<br />

Die Pläne dazu stellte unsere Redaktion<br />

am 8. Februar <strong>2019</strong> im Rahmen<br />

einer Informationsveranstaltung im<br />

Bürgerclub von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> vor.<br />

Auf Seite 87 finden Sie die Gedanken<br />

des Visionärs und Konstrukteurs<br />

Manfred Swoboda dazu.<br />

Andreas von Zadow, Caputh:<br />

Mit großer Begeisterung habe ich<br />

von eurer Familienzeitung gehört<br />

und diese auch digital durchgeblättert.<br />

Phantastisch, herzlichen Glückwunsch!!!<br />

Wie können wir hier eure<br />

Zeitung bekommen?<br />

Redaktion: Ganz einfach: In Caputh,<br />

Ferch, Geltow, Potsdam und Werder ist<br />

unser Magazin an zentralen Punkten<br />

erhältlich; so in Apotheken, Bibliotheken,<br />

Blumenläden, Heimatstuben,<br />

Kirchen oder Arztpraxen. Wenn es dort<br />

vergriffen ist, kontaktieren Sie am besten<br />

die Redaktion. Der sicherste Weg<br />

das Magazin zu bekommen, ist ein<br />

Abo abzuschließen. Damit unterstützen<br />

Sie zudem die Nachpflanzaktion<br />

„Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018-2033.<br />

In <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> gibt es<br />

das Magazin frei Haus.<br />

Prof. Dr. - Ing. Reinhard Ludes,<br />

Brandenburg/H.:<br />

Durch Zufall ist mir vor einigen<br />

Wochen Ihr aktuelles Heft in die Hände<br />

gefallen. Wirklich beeindruckend,<br />

mit welchem Engagement sich die<br />

Bürger hier für ihre eigene Sache einsetzen.<br />

Zudem, nebenbei bemerkt,<br />

alles aufbereitet in einer bis ins Detail<br />

professionellen Form, die eher an<br />

ein bundesweit vertriebenes Magazin<br />

von Greenpeace oder vom BUND<br />

denken lässt. Etwas belustigend<br />

empfand ich die ganzseitige Werbung<br />

für erschwingliche Allrad-SUVs<br />

aus Fernost, die nicht wie die „Großen“<br />

Vorbilder täglich die Berliner<br />

Innenstadt lahm legen, sondern mal<br />

so nebenbei, alternativ und ebenso<br />

sinnfrei durch den heimischen Forst<br />

gelenkt werden. Oder war’s doch nur<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> FORUM 13


LESERBRIEFE<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

in Fernost? Honi soit qui mal y pense*!<br />

Ansonsten: Weiter so!<br />

Redaktion: Greenpeace? BUND? *Beschämt<br />

sei der, der schlecht denkt.<br />

Aber – wir bemühen uns wenigstens!<br />

Frau Dr. B., Werder/H.:<br />

Es hilft doch, die Zeitung in Papierform<br />

in Händen zu halten, so<br />

kann man beim Frühstück gefahrlos<br />

darin blättern. Der erste Artikel<br />

legt eine interessante Fährte. Um die<br />

Preisfrage zu beantworten: Ich denke,<br />

Sie meinen den PA-Unterricht, auch<br />

„Produktive Arbeit“ genannt. Dieser<br />

war flankiert durch ESP und TZ, „Einführung<br />

in die Sozialistische Produktion“<br />

und „Technisches Zeichnen“. Für<br />

Caputher und Fercher bedeutete diese<br />

Unternehmung, über Jahre in aller<br />

Herrgottsfrühe in einen Schulbus ins<br />

Reichsbahnausbesserungswerk nach<br />

Neuseddin gefahren zu werden. Dort<br />

gab es Baracken zwischen den Gleisen.<br />

Diese Erfahrung gehört tatsächlich<br />

zu meinen einschneidendsten<br />

Erlebnissen der Schulzeit mit sehr<br />

nützlichen Lernerträgen in einigen<br />

handwerklichen Tätigkeiten und<br />

war Grundstein für eine Affinität zu<br />

schweren Maschinen.<br />

Ich bin schon gespannt auf die<br />

nächste Leserunde!<br />

Redaktion: Na, und wir erst!<br />

Frau Dr. und Herr Dr. Z.<br />

aus Wilhelmshorst:<br />

Mit großem Interesse haben<br />

wir Ihre Zeitschrift angeschaut und<br />

„durchstudiert“. Dazu ist zu sagen:<br />

Der erste optische Eindruck ist regelrecht<br />

erstaunlich, bewundernswert.<br />

Wir kennen keine vergleichbare<br />

Gemeindeveröffentlichung:<br />

Umfangreich – 130 Seiten! Gutes<br />

Papier, guter Farbdruck, lebendiges<br />

Layout mit z. T. erstaunlich großen<br />

farbigen Abbildungen. Die Thematik<br />

ist vielseitig, aber dem Titel gemäß<br />

auf <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> bezogen, vor allem<br />

auch politisch aktuelle Themen<br />

ansprechend und das bedeutet: Die<br />

Zeitschrift müsste im Prinzip alle Einwohner<br />

interessieren. Das Niveau der<br />

Beiträge ist als hoch einzustufen, darum<br />

stellt sich die Frage: Ob die Beiträge<br />

nicht zu wissenschaftlich sind.<br />

Es ist ja schließlich keine spezielle<br />

Fachzeitschrift. Vielmehr stehen die<br />

Namen der Mitarbeiter schon für eine<br />

gehobene (Aus)Bildung.<br />

Vorschläge unsererseits: Hin und<br />

wieder eine Bereicherung durch historische<br />

Stichworte, historische Persönlichkeiten,<br />

Rückgriffe aufs Ortsarchiv,<br />

Vorstellung von Dokumenten<br />

aus der Großgemeinde Schwielowsee.<br />

Interessant wäre sicherlich auch,<br />

einzelne Mitbewohner, die besondere<br />

Leistungen vollbracht haben vorzustellen<br />

… und damit zu würdigen.<br />

Redaktion: Es ist wahrhaftig<br />

eine Kunst, Schwieriges mit einfachen<br />

Worten zu erklären.<br />

Dipl.-Ing. Walter Peters, Priort:<br />

Diese massenhafte Baumfällung<br />

[auf den beiden Grundstücken<br />

Schweizer Straße] ist tatsächlich eine<br />

sehr fragwürdige Angelegenheit und<br />

hat für mich ein „Geschmäckle“. Fakt<br />

ist, dass die Untere Forstbehörde auf<br />

Antrag die Genehmigung zur Umwandlung<br />

von Wald in eine andere<br />

Nutzungsart erteilen kann. Diese<br />

Genehmigung erfordert jedoch die<br />

Beteiligung verschiedener Behörden<br />

und ist natürlich mit Ausgleichsmaßnahmen<br />

verbunden. Welche Behörden<br />

das im konkreten Fall sind, ist mir<br />

nicht bekannt. Mit Sicherheit kann<br />

aber die Forstbehörde alleine kein<br />

Baurecht erteilen. Es ist für mich un-<br />

14 FORUM WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


LESERBRIEFE<br />

denkbar, dass die Gemeinde, in der<br />

diese Flurstücke liegen, an diesem<br />

Genehmigungsverfahren nicht beteiligt<br />

wird.<br />

Es wäre also zu prüfen, wann der<br />

Eigentümer den Antrag auf Umwandlung<br />

in eine andere Nutzungsart gestellt<br />

hat, ob und wann die Gemeinde<br />

Schwielowsee beteiligt wurde und<br />

welche Auflagen die Gemeinde gefordert<br />

hat. Der Appell an den Eigentümer,<br />

„nicht alle Bäume fällen zu<br />

lassen …“ ist nach meiner Auffassung<br />

vollkommen dilettantisch, unzureichend<br />

und lächerlich. Wenn es tatsächlich<br />

nur einen mündlichen Appell<br />

gegeben haben sollte, dann sagt<br />

das eine Menge aus über das enorme<br />

Interesse der Verwaltungschefin am<br />

Erhalt des Waldcharakters. Sie wäre<br />

dann auch für dieses Amt ungeeignet!!<br />

Redaktion: Vielleicht bringt ja unser<br />

Beitrag „Die Akte Schweizer Straße“<br />

auf Seite 62 etwas Licht ins Dunkel?<br />

Dr. B., <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>:<br />

Meinen nachdrücklichen Wunsch<br />

für ein weiteres Gelingen der „<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>-Magazine“<br />

und ihre gute<br />

Resonanz. Das mir vorliegende Erstexemplar<br />

ist hervorragend gelungen,<br />

informativ, vielseitig, bestens in Aufmachung<br />

und Illustration; es wird gerne<br />

in der Familie und unter unseren<br />

Gästen herumgereicht.<br />

Redaktion: Ein bisschen<br />

Lob tut jedem gut.<br />

Fam. W., Potsdam/<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>:<br />

Auch wir haben die Zeitschrift<br />

über die <strong>Waldsiedlung</strong> erhalten<br />

und haben das dringende Bedürfnis,<br />

uns bei Ihnen für die niveauvollen<br />

aber auch heimatlich in warmen<br />

Worten verbundenen Beiträge<br />

zu bedanken.<br />

Wir ... schätzen sehr das hohe<br />

Niveau Ihrer Worte, deren Sie sich<br />

bedienen ... Auch bei den von mir<br />

gemeinten [Anm. d. R.: historischen]<br />

Beiträgen vermeiden Sie jede Art von<br />

gestylten Sprachgebrauch und, was<br />

noch viel besser ist, Sie nutzen nicht<br />

das unsere Sprache verunglimpfende<br />

sogenannte „NEUDEUTSCH“ … Wenn<br />

ich etwas aus dem Alltag der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

lese, dann möchte ich mich<br />

zu Hause und nicht in einem Seminar<br />

fühlen. Im Gegenteil: … [Das Magazin]<br />

ist lesbar für Hinz und Kunz, für Doktor<br />

oder Professor oder so einen alten<br />

Rentner mit drei Ing. Abschlüssen, der<br />

die Literatur und die deutsche Sprache<br />

liebt.<br />

Redaktion: Mit dem Inhalt ist<br />

es schon schwer genug …<br />

Maren Simon, Kloster Lehnin:<br />

In den PNN-Artikeln „Erneute<br />

Rodungen in <strong>Waldsiedlung</strong>“ vom<br />

28. Januar <strong>2019</strong> und „Werders CDU für<br />

Ausbaupläne“ vom 25. Januar <strong>2019</strong><br />

ist zum wiederholten Male davon die<br />

Rede, gesunde und alte Bäume zu fällen.<br />

Ich möchte mich zu der Tatsache<br />

äußern, dass immer häufiger stattliche<br />

Bäume aus ihrem Lebensraum<br />

entnommen werden, weil das angeblich<br />

… nicht anders ginge.<br />

Das bezweifle ich und setze stattdessen<br />

dagegen, dass der zunehmend<br />

unsensible Umgang mit Bäumen Auskunft<br />

über ein schwindendes moralisches<br />

Feingefühl gibt, das sich schleichend<br />

mehr und mehr auszubreiten<br />

scheint. Wer sich dagegen mokiert<br />

und Einwände vorbringt, wird als<br />

antiquierter „grüner“ Nörgler betitelt.<br />

In meinen Augen eine billige Ausrede<br />

und eine zu einfache Sicht der Dinge!<br />

Man sollte wesentlich subtiler über<br />

„Holz“ entscheiden, denn Bäume werden<br />

nun einmal älter als Menschen


LESERBRIEFE<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

und sie werden unter den zunehmend<br />

schlechten Umweltbedingungen<br />

vermehrt vor ihrer Zeit krank und<br />

müssen dann entsprechend unterstützend<br />

behandelt (zurechtgestutzt)<br />

und, in letzter Konsequenz, eventuell<br />

auch gefällt werden.<br />

Standfeste und starke Bäume zu<br />

fällen, die gesund sind, empfinde ich<br />

von daher als großen Frevel. Da sollte<br />

gezielt nach Lösungen gesucht werden,<br />

die den Erhalt favorisieren.<br />

Alleen „leben“ besonders eindrucksvoll<br />

von alten Bäumen! Das<br />

Bild Brandenburgs würde zerstört<br />

– was dann? Klar, dann würden sie<br />

von denselben Leuten, die vorher<br />

das zügige Abholzen begünstigt hatten,<br />

in den nächsten Jahren einfach<br />

„neu erfunden“ und diese Tatsache<br />

ließe sich dann, entsprechend wichtig<br />

beworben, sogar vermarkten! Die<br />

aufwendige Anpflanzung und Pflege<br />

dieser noch jungen Bäumchen könnte<br />

dann ordentlich subventioniert<br />

werden. Ist die vermehrte Abholzung<br />

somit womöglich nur eine versteckte<br />

Möglichkeit der Arbeitsbeschaffung<br />

für viele Tätigkeitsbereiche und<br />

diente vorrangig der Verschwendung<br />

finanzieller Mittel? Könnte man sie<br />

später sogar als besonders effektive<br />

„Maßnahme gegen zu heißes Klima“<br />

begründen und damit das „Rad“ neu<br />

erfinden?<br />

Bäume sind Kulturgut und wertvolle<br />

Lebensräume! Fährt man die B1<br />

mit offenen Augen ab, kann man auf<br />

vielen Bäumen so manches imposante<br />

Vogelnest entdecken. Die Baumkronen<br />

leben! Das ist wunderbar,<br />

finde ich, denn die lieben Tiere, sie<br />

bleiben uns treu, obwohl wir immer<br />

mehr Feinstaub produzieren und dafür<br />

die Insekten weniger werden und<br />

es zu Silvester zunehmend lauter und<br />

heftiger knallt. Der rücksichtslose,<br />

dusselige Mensch, dem jede Empathie<br />

und Vorstellungskraft zu fehlen<br />

scheint, ist sich des ewigen Kreislaufs<br />

der Natur, den er zu beherrschen<br />

glaubt, allzu sicher. Ein Baum mehr<br />

oder weniger, was macht das schon?<br />

Aber es werden jetzt in kürzeren<br />

Abständen immer mehr! Das bereitet<br />

mir große Sorge. Es kommt mir so vor,<br />

als hätte ein allgemeiner Abstumpfungsprozess<br />

eingesetzt, der vielen<br />

zu passe kommt.<br />

Müssen denn breitere Straßen tatsächlich<br />

sein? Reicht das Vorhandene<br />

nicht aus und wäre ein Tempolimit<br />

nicht durchaus möglich und auch zumutbar?<br />

Und was ist mit der Optik?<br />

Einen großen und alten Baum kann<br />

man doch durch nichts ersetzen! Zuerst<br />

der Mensch – dann die Natur.<br />

Wie lange wollen wir dieses veraltete<br />

Denkmodell denn noch durchhalten?<br />

Genau andersherum sollte es sein. Es<br />

sollte endlich vernunftbetont und<br />

rücksichtsvoller miteinander umgegangen<br />

werden.<br />

Also erst die Natur und dann, darauf<br />

abgestimmt, der Mensch!<br />

Bäume wehren sich nicht, sie<br />

schreien und gestikulieren nicht – sie<br />

geben nach und fallen dann einfach<br />

um. Die entstandene Lücke nimmt<br />

manch einer von uns gar nicht wahr,<br />

so jemand verspürt keinen Verlust.<br />

Aber es gibt auch andere! Und diejenigen,<br />

die genauer hinschauen und<br />

deren Auftrag es ist „Grün“ im Sinne<br />

der nächsten Generationen zu handeln<br />

– diese Menschen zu verprellen,<br />

das halte ich für sehr instinktlos und<br />

auch für nicht sehr klug. Natürlich ist<br />

es weitaus unbequemer, sich mit anderer<br />

Leute Meinungen auseinander<br />

setzen zu müssen, aber nur so funktioniert<br />

Demokratie, zumal doch jene,<br />

die das „C“ im Namen tragen, alles Lebendige<br />

schon allein deswegen subtiler<br />

betrachten müssten.<br />

Ich behaupte, alles ist eine Frage<br />

der Einstellung und des Wollens, auch<br />

Schönheit, sie ist eine Frage der Betrachtung<br />

und der Geschwindigkeit<br />

des Blicks! Es wäre wichtig, die Dinge<br />

ganz bewusst vom anderen Ende her<br />

zu durchdenken: Was sind wir ohne<br />

Natur, im speziellen Fall, ohne alte<br />

Bäume? Eine Gesellschaft, die lediglich<br />

Wert auf Äußerlichkeiten, Jugend<br />

16 FORUM WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


KLEINANZEIGEN<br />

Liebe <strong>Wildpark</strong>-Bewohner,<br />

wir möchten gern ein Grundstück in<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> kaufen bzw. ein Haus kaufen oder<br />

mieten.<br />

Wir sind ein bodenständiges, naturverbundenes<br />

Paar und suchen einen ruhigen Ort<br />

zum Noch-Älter-Werden.<br />

Bitte melden sie sich,<br />

wenn Sie ein Angebot oder einen Tipp haben.<br />

Telefon 015787343532 oder -33<br />

Neues Zuhause gesucht!<br />

Wegen Eigenbedarf unserer Vermieterin müssen meine Familie<br />

und ich Ende November <strong>2019</strong> aus unserem Häuschen<br />

in Werder ausziehen. Wir suchen nun ein neues Zuhause<br />

- ein Haus oder eine große Wohnung zur Miete.<br />

Wir sind bodenständig und naturverbunden. Am liebsten<br />

wäre uns ein älteres Haus mit Nebengelass und Grün in der<br />

Gemeinde Schwielowsee, Werder und Umgebung.<br />

Wir benötigen sechs Zimmer zum Wohnen und Arbeiten.<br />

Wir freuen uns über jeden Hinweis: 03327 569980<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

WILDPARK-WEST VERANSTALTUNGSKALENDER <strong>2019</strong><br />

10. April, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

Apothekengespräche<br />

mit Frau Dr. Welle<br />

17. April, 14:30 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

Modenschau, organisiert von<br />

der Volkssolidarität Geltow<br />

23. April, 9:00 Uhr Treff: Am Markt<br />

Tagesfahrt Tulipan – Britzer Garten<br />

Kosten 15,00 €<br />

15. Mai, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

22. Mai, 15:00 Uhr<br />

Besuch im Heimatmuseum Geltow<br />

29. Mai, 7:00 Uhr Treff: Am Markt<br />

Tagesfahrt Bad Muskau, Rhododendron<br />

– Blüte, Kosten 50,00 €<br />

19. Juni, 14:30 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

Australien – Vortrag, organisiert<br />

von der Volkssolidarität Geltow<br />

10. Juli, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee &Kuchen<br />

Frau Hein spricht zum<br />

Thema: „Patientenverfügung“<br />

Termin wird noch bekannt gegeben<br />

„Klatsch und Tratsch“ - Dampferfahrt<br />

mit Familie Kuhl, Kosten: 24,00 €<br />

26. Juli , 9:00 Uhr Treff: Am Markt<br />

Tages-Ausflug zur Landesgartenschau<br />

Wittstock/Dosse,<br />

Kosten: 35,00 €<br />

14. August, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

Bürgermeisterin Frau Hoppe<br />

informiert und beantwortet Fragen<br />

18. Sept., 7:00 Uhr Treff: Am Markt<br />

Tagesfahrt nach Naumburg und<br />

Freiburg, Kosten: 50,00 €<br />

23. Oktober, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

Spielenachmittag mit<br />

Frau Kellermann<br />

Termin wird noch bekannt gegeben<br />

Fahrt zum Kürbishof Klaistow<br />

14.–18. Oktober<br />

Eine „Fahrt ins Blaue“<br />

20. November 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

Arztvortrag von Herrn Dr. Skerra<br />

1. Dezember, 11–18 Uhr<br />

14. Weihnachtsmarkt <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Stand der Volkssolidarität,<br />

um Kuchenspenden wird gebeten<br />

12. Juni, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen,<br />

mit Kräuterhexe Frau Schneider<br />

10. Juni, 10:30 Uhr Treff: Am Markt<br />

Pfingstkonzert im <strong>Wildpark</strong>,<br />

mit Kutschenfahrt<br />

11. September, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee & Kuchen<br />

Pilzvortrag durch<br />

Fachfrau Dr. Hutter<br />

18. Dezember, 15:00 Uhr<br />

Im Club bei Kaffee, Kuchen &<br />

Abendbrot, die Weihnachtsfeier<br />

mit buntem Programm<br />

Der Bürger-Club in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Zum Birkengrund 7a, 14548 Schwielowsee<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> FORUM 17


LESERBRIEFE<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

und kühle Effekte legt, dabei jedem<br />

Wildwuchs mit Ablehnung begegnet<br />

und Außenseitern die Achtung versagt,<br />

verliert an natürlichem Charme. Das<br />

Touristenland Brandenburg lebt aber<br />

davon, denn: „Es kann so einfach sein“!<br />

Momentan hängen wir uns daran<br />

auf, wie viel Diesel eine Stadt verträgt,<br />

wir lamentieren herum, weil die<br />

Stickoxide und der Feinstaub zunehmen<br />

und die Pneumologen sich nicht<br />

einigen können, wie schlimm es denn<br />

tatsächlich ist, wir fahren und putzen<br />

aber weiterhin unsere SUVs und fliegen<br />

um die ganze Welt. Wir wollen<br />

mehr Wachstum, bekommen aber immer<br />

nur mehr Verkehr, weil es keine<br />

Definition dafür gibt, die bestimmt,<br />

was da wachsen soll. Die „Freunde“,<br />

die uns währenddessen still das Leben<br />

angenehmer machen, indem sie<br />

bei Hitze Schatten spenden und mit<br />

ihrem Grün lästiges CO2 absorbieren,<br />

dass wir selbst fleißig fabrizieren, die<br />

hacken wir gedankenlos um.<br />

Wir sägen nicht nur den dünnen<br />

Ast ab, auf dem wir sitzen, nein, wir<br />

bringen verlässlich den ganzen Baum<br />

zur Strecke.<br />

„Mein Freund der Baum“, mit diesem<br />

Lied aus dem Jahre 1968 bin ich<br />

aufgewachsen, schon als Kind hat<br />

es mich berührt, „Alexandra“ nannte<br />

sich die Sängerin, die unter merkwürdigen<br />

Umständen starb. Leider, so<br />

habe ich den Eindruck, gibt es eine<br />

zunehmende Tendenz zur Aggression<br />

gegen vieles, was sich still und<br />

wehrlos gibt und keine echte Lobby<br />

hat. Wer oder was auch immer gerade<br />

als „störend“ oder „nicht passend“<br />

und als „nicht dazugehörig“ oder als<br />

„belanglos“ empfunden wird und wenig<br />

Gegenwehr zu leisten in der Lage<br />

ist, darf rüde behandelt werden! Obdachlose,<br />

Tiere, Grünflächen, Unkraut<br />

und Studenten, Hartz IV und Sozialhilfeempfänger,<br />

mitunter auch Künstler<br />

und ja – auch Bäume!<br />

Ihre Widerstandslosigkeit macht<br />

es ganz leicht und darum, so scheint<br />

mir, wird die Fällung – als die vermeintlich<br />

billigste, schnellste und<br />

effektivste Lösung – wenn möglich<br />

rigoros, ohne jede Form von Mitgefühl,<br />

umgesetzt. Dann sind 100 Jahre<br />

Wachstum und mehr, mittels Kettensäge<br />

in kürzester Zeit Geschichte –<br />

ein „Fliegenschiss“ nur …<br />

Redaktion: Sprach da nicht letztens<br />

jemand sogar von „Baummördern“?!<br />

Einen interessanten Fachbeitrag<br />

finden Sie in unserem Heft<br />

auf Seite 116:<br />

„Das Gewissen unseres Wohlstandes“<br />

Einsender von Manuskripten, Briefen o.ä. erklären sich mit der redaktionellen Bearbeitung<br />

einverstanden. Keine Haftung für unverlangte Einsendungen. Alle Angaben ohne Gewähr.<br />

Die Redaktion behält sich aus Platzgründen vor, Briefe zu kürzen.<br />

Vollständig nachzulesen sind sie auf der Website der Bürgerinitiative<br />

www.bi-baumerhalt-wpw.de unter der Rubrik „Meinungen“.<br />

18 FORUM WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


IMPRESSUM<br />

Herausgeber Bürgerinitiative „<strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“<br />

und „Stiftung <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“<br />

Schweizer Straße 9, 14548 Schwielowsee<br />

Chefredaktion Carsten Sicora (V.i.S.d.P.)<br />

redaktion@wildpark-west.de<br />

Artdirektion Ralph Berek ralph.berek@wildpark-west.de<br />

An dieser <strong>Ausgabe</strong> wirkten mit:<br />

Amelie, Anna, Lars Augustin, Ralph Berek, Dr. Winnie Berlin,<br />

Ralf Blauert, Rene Braunsdorf, Britta, Charlotte, Angelika<br />

Dissel, Brigitta Ditkowski, Jan Eisenfeld, Elio, Emilia-Magaretha,<br />

Jana Fellenberg, Dr. Beate Gall, Gärtnermeister Roserich,<br />

Tatjana Gerber, Luca Giradini, Olaf Greulich, Freda Görrissen,<br />

Wolfgang Gruschke, Erika und Dr. Jürgen Harder, Georg Jarek,<br />

Daniel Jefsen, Friederike Kögler, Klaus Köhler, Nadine Küpfer,<br />

Carola Kuhl, Benjamin Maltry, Brit Merten, Ingo Müller, Manfred<br />

Pohl, Pakertharan Jeyabalan, Albin Pötzsch, Friedhelm Schmitz-<br />

Jersch, James L. Kent, Marianna v. Klinski-Wetzel, Margarete,<br />

Jürgen Raßbach, Rio Reiser, Mario Rietig, Lars Röper, Carla Schmidt,<br />

Jörg Schultz-Liebisch, Ulla Schünemann, Carolin Schwarzkopf,<br />

Carsten Sicora, Silke Steinborn, Wolfgang Steinborn,<br />

Annemarie und Madlen Strümpfler, Manfred Swoboda, Olaf Thiede,<br />

Toralf Tietze, Ullrich Tietze, Walddoktor, Waldgärtnerin,<br />

Bärbel Wendt, Elke Weißbach, Prof. Dr. Peter Wetzel,<br />

Dr. Hartmut Wiegemann, Katrin Wirth, Paul Evina-Ze,<br />

Mario Zeidler, Pfarrer Tobias Ziemann u.v.a.m.<br />

Alle Redakteure, Autoren, Grafiker, Illustratoren,<br />

Fotografen und die Jugendredaktion sind ehrenamtlich tätig.<br />

Anschrift Heimatzeitschrift „<strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“<br />

Schweizer Straße 9, 14548 Schwielowsee<br />

redaktion@wildpark-west.de<br />

Onlineredaktion Ralph Berek ralph.berek@wildpark-west.de<br />

Verlag<br />

BEREK Verlag Potsdam<br />

Ralph Berek, Hæckelstraße 13, 14471 Potsdam<br />

Telefon: +49 331 58258292 verlag@berek.de<br />

GLN 42 6063869 000 4<br />

Anzeigen Ralph Berek anzeigen@wildpark-west.de<br />

Aneigenpreise wildpark-west.de/mediadaten<br />

Erscheinung 2-mal jährlich<br />

Copypreis 4,80 € wildpark-west.de/shop<br />

Abonnement 9,60 € zzgl. Porto wildpark-west.de/abo<br />

Vertrieb Für alle Haushalte von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, sowie an<br />

ausgewählten Orten der Gemeinde<br />

Schwielowsee, Werder und Potsdam.<br />

Print ISSN 2628-085X<br />

Online ISSN 2628-1333<br />

Die Meinung der Autoren gibt nicht zwangsläufig die Ansicht der<br />

Redaktion wieder. Der Gewinn der Heimatzeitschrift kommt der<br />

Nachpflanzaktion „Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018–2033 zugute.<br />

Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags.<br />

Einsender von Manuskripten, Briefen o. ä. erklären sich mit<br />

der redaktionellen Bearbeitung einverstanden. Keine Haftung<br />

für unverlangte Einsendungen. Alle Angaben ohne Gewähr.<br />

Eine Publikation der<br />

Bürgerinitiative <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

und Stiftung <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Besonderer Dank gilt den Unternehmen, Personen und<br />

Vereinigungen, die mit Anzeigen den Druck der Zeitschrift<br />

ermöglicht haben und damit die Nachpflanzaktion<br />

„Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>“ 2018–2033 unterstützen:<br />

Autohaus Berger, Autohaus Biering, Autoservice Schröder, Helga Baer,<br />

Bianca Balzer, Dr. Berlin Hausarztpraxis Werder, BlauArt-Tagungshaus,<br />

Buchhandlung Viktoriagarten, Diki-Tours Floßvermietung,<br />

Bootswerft Görrissen, Jan Eisenfeld, ENKWO Die Küchenbauer,<br />

Foto-Utech, Gartencenter Geltow, Genna d‘Oro Goldschmiedecafé,<br />

Havelländische Baumschulen, Hotel Bayrisches Haus,<br />

Krentz-Immobilien, LEAP Digital Marketing, Landhotel Potsdam,<br />

Massagetherapie S. Graja, Möbelhaus C.H.R.I.S.T.,<br />

Naturschutzkonzepte Dr. Beate Gall, Radhaus Potsdam,<br />

Restaurant Zur Anglerklause <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

Restaurant Filterhaus Werder, Rosengut Langerwisch,<br />

Schweiger Design, Stadtführungen Erika Harder, Velind Aerosol GmbH<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> 19


In einer Urkunde vom 8. November des Jahres 1339 wird eine Wiese erwähnt,<br />

die der Insel Werder an der Havel gegenüber liegt. Die „Wiese Golyn“, das war der Platz,<br />

auf dem sich heute die <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> befindet. Bis zum Jahr 1928 trug<br />

der Ort an der Havel die Bezeichnung „Gallin“.<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> hat Geburtstag!<br />

VON MARIANNA VON KLINSKI-WETZEL<br />

Die Ersterwähnung der Wiese<br />

im Jahr 1339 bedeutet, dass<br />

sie im Jahr <strong>2019</strong> ganze 680<br />

Jahre alt wird. Wenn wir davon<br />

ausgehen, dass keine weitere und<br />

ältere Urkunde über den Gallin zu<br />

finden sein wird, ist die Urkunde aus<br />

dem Jahr 1339 die Geburtsurkunde<br />

des Gallin.<br />

680 Jahre <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Am 8. November <strong>2019</strong> könnten die<br />

heutigen Bewohner des Gallin, die<br />

Einwohner von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, den<br />

680. Geburtstag der Wiese feierlich<br />

begehen 1 . Die erste urkundliche Erwähnung<br />

der „Wiese Golyn“ führt uns<br />

in die Zeit alter Geschichte der Mark<br />

Brandenburg, in die erste Hälfte des<br />

14. Jahrhunderts. In der Urkunde von<br />

1339 entscheidet der markgräfliche<br />

Hofrichter Johann von Buch in der<br />

Streitsache der Adeligen Koppekinus<br />

und Kilian von der Groeben (Koppekinus<br />

et Kilian de Groben), des Helling<br />

von Gelt (Hellingus de Gelt, des in<br />

Gelt wohnenden Bruders von Koppekinus<br />

und Kilian), sowie ihrer Verwandten<br />

aus Spandau gegen den Abt<br />

Hermann und gegen die Mönche des<br />

Klosters zu Lehnin. Es handelt sich um<br />

den Besitz an der „Wiese Golyn“. Der<br />

markgräfliche Hofrichter spricht die<br />

Wiese dem Abt und den Mönchen des<br />

Klosters zu, geschehen in der Landstadt<br />

Nauen am 8. November 1339 2 .<br />

Der Name des Fleckens Gallin, der<br />

Die Erträge auf der<br />

Sandscholle Gallin<br />

können nur minimal<br />

gewesen sein.<br />

von „Galle“, von der Sandgalle herrührte,<br />

erscheint in der Schreibweise<br />

oder besser Sprechweise des Namens<br />

und vermutlich auch in ortsüblicher<br />

Mundart der deutschen Sprache der<br />

Mönche sowohl mit einem „o“ als<br />

auch mit einem „a“. Die Eigennamen<br />

Waldemar und Baldevinus zum Beispiel<br />

wurden in Mundart beim Diktieren<br />

der Texte häufig auch zu den<br />

Schreibweisen „Woldemar“ und „Boldevinus“.<br />

In einem Dokument des<br />

Jahres 1540 und in den Karten des<br />

Samuel de Suchodoletz (Kartograph<br />

am Hof des Großen Kurfürsten) aus<br />

dem Jahr 1680 erscheint der Flecken<br />

als „Gallin“ und nicht als „Golyn“, wie<br />

Suchodoletz es offensichtlich in alten<br />

Unterlagen fand.<br />

Zuerkannt und zugeschrieben<br />

Der lateinische Text des Dokuments<br />

von 1339 zählt in ausufernder<br />

Breite die Beteiligten an dieser Urkunde<br />

auf. Aber nur in einem einzigen<br />

Satz wird gesagt, und zwar ohne<br />

jede weitere Begründung, dass die<br />

Wiese dem Kloster Lehnin gehöre,<br />

weil sie sich diese Wiese „zuerkannt<br />

und zugeschrieben“ hätten und nun<br />

mal eben in deren körperlichem Besitz<br />

seien. Der Abt Hermann und seine<br />

Klosterbrüder hatten die Wiese<br />

sozusagen für sich „ersessen“ und<br />

aus dem Gewohnheitsrecht nun ein<br />

Eigentum gemacht.<br />

Dieses Gewohnheitsrecht, die<br />

Wiese Golyn zu nutzen, könnte aus<br />

einer Verleihung des Jahres 1242<br />

herrühren. Es hatte nämlich 97 Jahre<br />

vorher der vormalige Lehnsnehmer<br />

von Gelt (Geltt), der Ritter Baldevinus<br />

(Boldevinus) Trest, mit Zustimmung<br />

der askanischen Markgrafen Johann<br />

und Otto vier Hufen von Gelt (Geltt)<br />

zum Seelenheil seiner Gattin dem<br />

Kloster Lehnin zur Nutzung ausleihen<br />

dürfen. Diese vier Hufen waren<br />

ohne Frage die „Wiese Golyn“, Teil<br />

des Lehens des Grundherren von Gelt<br />

(Geltt). In dem lateinischen Regest<br />

(Kurzfassung einer Urkunde) heißt es<br />

übersetzt 3 :<br />

„In dem Ort Jelt (Gelt, Geltt)<br />

hat Baldevinus Trest, Ritter, 4<br />

Hufen mit allen seinen Einkünften<br />

verliehen an das Kloster in<br />

Lenyn für das Heil der Seele<br />

seiner Ehefrau, bestätigt durch<br />

Johann und Otto, Markgrafen,<br />

im Jahre des Herren 1242“.<br />

1) Autoren: M.v.Klinski-Wetzel und G.Mieth, „<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> a. d. Havel - Die Geschichte der Wiese Gallin“ 1. Aufl. S. 82;<br />

2. Aufl. S. 86; 2) Riedel, Codex dipl. Brandenburgensis, A X, S. 244; 3) Riedel, Codex dipl. Brandenburgensis, A X, S. 202<br />

20 WIESE GALLIN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Rastplatz auf der Durchreise<br />

Die zu erwirtschaftenden Erträge<br />

auf der Sandscholle Gallin können<br />

nur minimal gewesen sein, deshalb<br />

hat die Verleihung der Wiese im Jahr<br />

1242 an das Kloster Lehnin vermutlich<br />

nur einem Zweck gedient: Der<br />

Nutzung als Rastplatz auf der Durchreise<br />

zum Kloster Spandau und zum<br />

Handelsplatz Spandau.<br />

Der Verkehrsweg der Mönche<br />

über die Insel Werder, über die Havel,<br />

über den Gallin zum Mönchedamm<br />

(dem heutigen Werderschen Damm)<br />

und in Richtung Spandau (und Berlin)<br />

war für das Kloster Lehnin wichtig.<br />

Bei Baumgartenbrück nutzten Reisende<br />

bis zum Jahr 1674 (erster Bau<br />

einer Brücke) die Engstelle der Havel<br />

4) Warnatsch, Kloster Lehnin, S. 223<br />

für die Überfahrt. Man mußte sich von<br />

einem Fährmann zum anderen Ufer<br />

bringen lassen. Der Weg über Baumgartenbrück<br />

wäre für die Mönche<br />

fast um das Zehnfache länger gewesen,<br />

im Vergleich zum direkten Weg<br />

über die Havel. Zudem geriet man bei<br />

Baumgartenbrück auf das Gebiet der<br />

Grundherren von Gelt (Geltt), welche,<br />

wie festgestellt werden konnte, in<br />

heftigen Streitigkeiten mit dem Kloster<br />

lagen. Die Flussüberquerung oder<br />

die Inanspruchnahme des Fährmanns<br />

war entgeltpflichtig. Man bezahlte<br />

die Überfahrt oder Durchquerung<br />

der Furt meistens mit Naturalien (zum<br />

Beispiel Milch oder Getreide), die in<br />

einer „Gelte“ gemessen wurde. Eine<br />

Gelte faßte 100 Becherlein.<br />

Es kommt zu diesem Urteil des<br />

Johann von Buch im Sinne des Klosters<br />

und im Sinne des Abtes Hermann<br />

ein weiterer Aspekt hinzu: Das Kloster<br />

Lehnin und die Familie von der<br />

Groeben hatten seit dem Jahr 1321<br />

einen längeren Streit wegen des Ortes<br />

Töplitz. Bei Stephan Warnatsch in<br />

der „Geschichte des Klosters Lehnin<br />

1180–1542“ ist über die schlechten<br />

Beziehungen zwischen den beiden<br />

Parteien zu lesen 4 :<br />

„1318 und 1321 rundete das<br />

Kloster seine nun beherrschende<br />

Stellung an der Havel mit dem<br />

Kauf zunächst der Insel Töplitz und<br />

danach des gleichnamigen Dorfes<br />

ab. Für den bereits erwähnten<br />

Verkauf des Dorfes Töplitz (durch<br />

Quelle: Archiv v. Klinski-Wetzel<br />

Die Wiese Gallin gehörte vor 680 Jahren dem Abt des Klosters Lehnin und den Klosterbrüdern.<br />

In der Urkunde aus dem Jahr 1339 entscheidet dies der Landrichter Johann von Buch im Auftrag des Markgrafen.<br />

<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> WIESE GALLIN 21


Im Anschluss an dieses erste Gerichtsurteil des Jahres 1339 hat es in<br />

den folgenden rund 325 Jahren bis etwa zum Jahr 1663, als der<br />

Große Kurfürst das Lehnsverhältnis mit den Grundherren von Gelt (Geltt)<br />

aufhob, keinen Frieden mehr wegen der Wegnahme der Wiese Gallin gegeben.<br />

den Herzog Rudolf von Sachsen<br />

an das Kloster Lehnin, d. Verf.)<br />

blieb der Herzog die ausstehende<br />

Rekompensation (Ersatzleistung,<br />

d. Verf.) für die Herren von der<br />

Groeben seinerseits schuldig.“<br />

So kam es zu ständigen Reibereien,<br />

körperlichen Auseinandersetzungen<br />

und sogar zum Totschlag zwischen<br />

den Grundherren von der Groeben<br />

und den Angehörigen des Klosters.<br />

Die Gebrüder Koppekinus und Kilian<br />

von der Groeben sowie ihr Bruder<br />

Helling von Gelt waren im Jahr 1339<br />

Lehnsnehmer auf dem Gut und Dorf<br />

Gelt (Geltt, Geltow), ein Lehen, das sie<br />

von den vorigen Landesherren, den<br />

askanischen Markgrafen, empfangen<br />

hatten. Das Kloster Lehnin hatte sich zu<br />

dieser Zeit, im April 1317, bereits weit<br />

und breit die Fischereirechte an den<br />

Seen der Umgebung von Gelt (Geltt)<br />

vom Markgrafen schenken lassen bzw.<br />

sie käuflich erworben. Der Werderaner<br />

Friedrich Ludwig Schönemann schrieb<br />

1784 in seiner „Geschichtsbeschreibung<br />

von Werder“ dazu 5 :<br />

„Der Schwielower, der Glindower<br />

See, der Plesower, der Lienewitzer<br />

See und der See-Heyde Botzin,<br />

[…] Die Grenze, […], derselben<br />

überlaßenen Fischerey, wurde<br />

von der jetzigen Langen-Brücke<br />

zu Potsdam angenommen, und<br />

erstreckte sich bis an die Dörfer<br />

Paretz und Schorin. Markgraf<br />

Woldemar schenkte 1317 diese<br />

Wässer und die davon einkommenden<br />

Zinsen dem Kloster Lehnin.“<br />

Als sich im September des Jahres<br />

1317 die Eigentumsverhältnisse<br />

auf der Insel Werder änderten und<br />

Markgraf Waldemar (Woldemar) die<br />

Insel mit allen Rechten (auch der Fischereirechte)<br />

an das Kloster Lehnin<br />

verschenkte, hat das Kloster Lehnin,<br />

nach 75 Jahren Nutzungsrecht auf der<br />

Wiese Golyn, diese ganz offensichtlich<br />

ebenfalls zu ihrem Eigentum erklärt.<br />

Warum kam es denn nun erst nach<br />

22 Jahren, im Jahr 1339, zum Prozeß?<br />

Warum haben denn die Grundherren<br />

von Gelt nicht sofort im Jahr 1317 ihr<br />

Lehnsrecht in Bezug auf die Wiese<br />

Golyn bei ihrem Landesherren, dem<br />

askanischen Markgrafen Waldemar<br />

eingefordert? Eine solche Bitte, die<br />

alten Lehnsverhältnisse wieder zu bestätigen,<br />

ist von den Grundherren von<br />

Gelt (Geltt) sicher an den regierenden<br />

Markgrafen herangetragen worden.<br />

Eine Urkunde über eine erneute Bestätigung<br />

des gesamten Gutsumfanges<br />

von Gelt (Geltt) ist jedoch nicht<br />

erhalten. Im <strong>Sommer</strong> 1319, nach zwei<br />

Jahren Regierungszeit, ist Markgraf<br />

Waldemar verstorben. Auch von seinem<br />

Nachfolger, Heinrich dem Kind, ist<br />

in dessen einjähriger Regierungszeit<br />

eine Lehnsbestätigung für die Grundherren<br />

von Gelt (Geltt) nicht erfolgt.<br />

Es folgte in der Mark Brandenburg<br />

von 1320 bis zum Jahr 1324 eine Zeit<br />

des Übergangs – vier Jahre lang hatte<br />

die Mark keinen Landesherren. Jeder<br />

Fürst im Land, der irgendwie mit dem<br />

Haus der Askanier, das nun ausgestorben<br />

war, verwandt oder verschwägert<br />

war, verkaufte und verschenkte und<br />

bestätigte Rechte und Besitz nach<br />

eigenem Ermessen. Ab dem Jahr<br />

1324 war dann jedoch Ludwig I. aus<br />

dem Hause Wittelsbach zum Markgrafen<br />

in Brandenburg bestimmt worden.<br />

Erst ab diesem Zeitpunkt war es<br />

für die Grundherren von Gelt (Geltt)<br />

möglich, ihren Anspruch anzumelden.<br />

So dauerte es noch weitere 15 Jahre,<br />

bis es zum Prozeß zwischen den<br />

Lehnsnehmern von der Groeben und<br />

dem Kloster Lehnin kam. Die Familie<br />

von der Groeben verlor in dem Prozeß<br />

von 1339 nicht nur die sommerlichen<br />

Weidemöglichkeiten auf dem Gallin,<br />

sie verloren auch in diesem Bereich<br />

an der Havel die Fischereirechte.<br />

Im Anschluß an dieses erste Gerichtsurteil<br />

des Jahres 1339 hat es in<br />

den folgenden rund 325 Jahren bis<br />

etwa zum Jahr 1663, als der Große<br />

Kurfürst das Lehnsverhältnis mit den<br />

Grundherren von Gelt (Geltt) aufhob,<br />

keinen Frieden mehr wegen der Wegnahme<br />

der Wiese Gallin gegeben. Der<br />

Gallin wird als „Wiese Golyn“ oder<br />

auch „Gollyn“ in insgesamt vier Urkunden<br />

1339, 1352, 1355 und 1474<br />

bezeugt. In zwei weiteren gerichtlichen<br />

Verfahren aus den Jahren 1540<br />

und 1609 zeigt sich, dass die Wegnahme<br />

dieser Wiese Gallin mehrere<br />

Generationen und nach der Familie<br />

von der Groeben auch die Familie von<br />

Hake beschäftigt hatte.<br />

Marianna von Klinski-Wetzel wurde<br />

1939 geboren und verbrachte ihre<br />

Kindheit und Jugend in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Nach der Grundschule in Geltow und<br />

der Oberschule in Potsdam, Abitur<br />

und Studium in Berlin Charlottenburg.<br />

War als Lehrerin für Kunst<br />

und Werken tätig. Seit 2002 wieder<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> zu Hause. Sie ist<br />

verheiratet und hat drei Kinder.<br />

5) Schönemann, Werder, Abschn. 1, S. 8<br />

22 WIESE GALLIN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


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9. November 1989<br />

Premiere des DEFA-Streifens „coming out“ im Berliner Kino „International“.<br />

Der Besucheransturm ist so groß, dass zwei Vorstellungen gegeben werden müssen.<br />

Heiner Carows Film mutig – ein Tabubruch. Werner Dissels Rolle gravitätisch<br />

als „alter Mann im Taumel“ zwischen gesellschaftlichen Zwängen.<br />

Und obwohl zwischen Anfang und Ende der Aufführungen nur vier Stunden lagen,<br />

ist nach der Premiere nichts mehr wie zuvor …<br />

Nachts schlafen die Ratten<br />

VON RALPH BEREK<br />

Werner Dissel * 26. August 1912 in Köln; † 22. Januar 2003 in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Foto: Archiv Dissel


Foto: Archiv Dissel<br />

1988, mit Jung-Regisseur Andreas Dresen (links) und Emanuel Bzsowstowski in „Nachts schlafen die Ratten“<br />

Es gibt Tage, die haben sich unauslöschlich in das<br />

kollektive Gedächtnis einer Nation eingeprägt.<br />

So auch dieser kalte Donnerstag. Fast jeder von<br />

uns Älteren weiß noch genau, was er am Abend<br />

des 9. November 1989 getan hat. Angelika Dissel, studierte<br />

Arabistin und seit 1970 Ehefrau des in der DDR<br />

durch Film und Theater so bekannten Künstlers, erinnert<br />

sich natürlich auch noch genau daran. „Als wir das Kino<br />

verließen, war es schon dunkel, die Crew um die Darsteller<br />

Matthias Freihof, Dirk Kummer, Dagmar Manzel, Charlotte<br />

Lothar Berfelde und Michael Gwisdek wollte noch<br />

in die Schoppenstube zur Premierenfeier. Das Lokal war<br />

einer der Drehorte und befand sich auf der Schönhauser<br />

Allee, in unmittelbarer Nähe zum Grenzübergang Bornholmer<br />

Straße. Während Werner sich der fröhlichen<br />

Truppe anschloss, verabschiedete ich mich – es zog mich<br />

nach Hause, ich hatte einen langen Tag hinter mir. Auf<br />

meinem Weg Richtung Hackescher Markt wunderte ich<br />

mich nur über die vielen Menschen auf den Straßen, die<br />

noch unterwegs waren. Am nächsten Tag wusste ich natürlich,<br />

warum …“<br />

1955 als Questenberg in Schillers „Wallenstein“<br />

am Staatsschauspiel Dresden<br />

Foto: Archiv Dissel<br />

Einen Silberbären auf der Berlinale<br />

„Coming out“ war nicht nur zeitlich gesehen ein Meilenstein<br />

der DDR-Filmgeschichte. Als DEFA-Streifen erhielt<br />

er 1990 auf der Berlinale einen Silberbären, was<br />

Kritiker abwertend der politischen Situation zuschrieben.<br />

Doch der Inhalt des Films war brisanter, als es aus<br />

26 PORTRÄT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Archiv Dissel<br />

1980 mit Violetta Sudmann (Mitte) und Lotte Loebinger im Fünfteiler des DDR-Fernsehens „Das Mädchen Störtebeker“<br />

heutiger Sicht erscheint. Dissel bedeutete der Film viel,<br />

denn er behandelte erstmalig die Thematik der Homosexualität.<br />

„Als Heiner Carow mir die Rolle anbot, wollte<br />

ich wissen, was für eine Art von Film das wird, für oder<br />

gegen? Da es darum ging gegen – auch jetzt noch – behauptete<br />

Vorbehalte und die auf Ghetto-Lebensformen<br />

angewiesene Homosexuellenszene anzugehen, nahm<br />

ich gern an und war freudig überrascht, dass der Film inzwischen<br />

als Botschaft für Toleranz, Verständnisbereitschaft<br />

und Humanität verstanden wird, das eigentliche<br />

Thema weit überschreitend. Als Schauspieler fühle ich<br />

mich bestätigt, was mich an meinen Beruf bindet: Die<br />

Aufgabe dem Menschen den Menschen begreiflich zu<br />

machen ...“, sagte er nach der Preisverleihung.<br />

Nachdenklich und doch voller Energie<br />

Werner Dissel war Humanist und Marxist. Diese<br />

streitbaren Ideale verkörperte der 1912 in Kalk bei Köln<br />

als jüngstes von fünf Geschwistern geborene und in<br />

kleinbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene nicht<br />

nur in vielen seiner Rollen, sondern auch im täglichen<br />

Leben. Nachdenklich und doch voller Energie, galt der<br />

manchmal eigensinnig wirkende Mime, der jedoch immer<br />

umgänglich und freundlich war, besonders seinen<br />

jungen Kollegen ein Vorbild. Andreas Dresen, heute<br />

selbst anerkannter Regisseur, studierte im <strong>Sommer</strong><br />

1988 noch an der Hochschule für Film und Fernsehen<br />

und bat ihn für eine Komplexübung im zweiten Studien-<br />

Foto: Archiv Dissel<br />

1962,<br />

der böse Wolf<br />

im DEFA-Klassiker<br />

„Rotkäppchen“<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> PORTRÄT 27


Fotos: Archiv Dissel<br />

Der Mime war vielseitig begabt. Neben Bühnenbildern entwarf er in seiner<br />

Wiesbadener Zeit auch Gebrauchsgrafiken und figurine Kostüme<br />

Die Schauspielpädagogin Lilli Ackermann verhilft ihm mit der Bemerkung<br />

„dass er zu etwas tauge“ zu einer Anstellung beim großen Karlheinz Stroux.<br />

jahr, in einem seiner ersten Kurzfilme, die Hauptrolle zu<br />

übernehmen. Dissel spielt in „Nachts schlafen die Ratten“<br />

mit großem Einfühlungsvermögen einen heimgekehrten,<br />

nun Kaninchen züchtenden Soldaten, der einem allein<br />

gebliebenen Jungen den Sinn des Lebens in schier hoffnungsloser<br />

Situation zu erklären versucht. Einen Sinn, der<br />

sich auch in seinen persönlichen Ansichten wieder fand.<br />

„Werner Dissel wollte immer alles ganz genau wissen, alles<br />

erklärt haben. Und er hatte eine schöne, fast schon intime<br />

Stimme“, meinte der Regisseur später zu diesem kleinen<br />

Streifen. Dresen schätzte Dissel sehr, auch wenn dieser<br />

durchaus, wenn er von einer Sache überzeugt war, ein<br />

Dickkopf sein konnte; pingelig und textgenau.<br />

Journalist und Grafiker<br />

In seiner Jugend prägte besonders der Einfluss des<br />

Klassenleiters am Gymnasium sein späteres Leben: Dieser,<br />

ein Theaterkritiker ersten Ranges, weckte in ihm den<br />

Wunsch, selbst Theaterwissenschaft zu studieren und<br />

Schauspieler zu werden. Doch finanzielle Widrigkeiten<br />

verhinderten dies. Dissel musste eigenes Geld verdienen,<br />

kam als Volontär bei einem Zeitungsverlag unter und erwarb<br />

sich Fertigkeiten als Journalist und Grafiker. Sein Lehrer<br />

prägte aber auch seine politischen Ansichten, Dissel<br />

nannte ihn „Augen- und Ohrenöffner“. Seine Freundschaft<br />

mit dem Oberleutnant im Reichsluftfahrtministerium Harro<br />

Schulze-Boysen führte ihn Mitte der 1930er Jahre in<br />

den Widerstand, in die antifaschistische Gruppe der Roten<br />

Kapelle und des „Gegner“-Kreises, die sich im Umfeld<br />

der gleichnamigen Zeitschrift bewegte. Bis 1937 lebte er<br />

im Untergrund, ehe er durch die Gestapo verhaftet wurde.<br />

Der Kriegsbeginn rettete ihn nach 18 Monaten Haft vor<br />

Ärgerem, denn mit dem Vermerk „Frontbewährung“ durfte<br />

er nun dem deutschen Volke in erster Reihe dienen. Mit<br />

vier Verletzungen kehrt er 1946 aus der Kriegsgefangenschaft<br />

zurück und steht, wie so viele seiner Generation,<br />

vor einem Neubeginn. Ihn zieht es auf die Bretter: Die<br />

Schauspielpädagogin Lilli Ackermann verhilft ihm mit der<br />

Bemerkung „dass er zu etwas tauge“ zu einer Anstellung<br />

beim großen Karlheinz Stroux. So kam er als Bühnenbildassistent<br />

und Kabarettist nach Wiesbaden. Seine politischen<br />

Ansichten fand er aber eher im Ostteil Deutschlands<br />

vertreten, da er der bundesdeutschen Nachkriegspolitik<br />

nichts abgewinnen konnte. Nach seiner Übersiedlung<br />

1950 in die DDR wirkte er als Schauspieler, Regisseur und<br />

Dramaturg in Frankfurt/Oder, Weimar, Dresden, Potsdam<br />

und Berlin. Die Arbeit als Regisseur mochte er dabei besonders.<br />

Sie bot ihm die Möglichkeit, sich kritisch mit den<br />

28 PORTRÄT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Fotos: Archiv Dissel<br />

Genau bis ins Detail: Ob bei der Zeichnung eines Kastanienzweiges<br />

oder als Regisseur am Potsdamer Hans-Otto-Theater 1957<br />

Seine Auftritte auf der Bühne, im Film und später im Fernsehen<br />

verliehen auch vermeintlich kleinen Rollen Größe.<br />

gesellschaftlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.<br />

Auch wenn er in seiner Wiesbadener Zeit aus der KPD<br />

ausgetreten ist und Widersprüche hinterfragt, bezieht er<br />

klar Stellung zur DDR, die ihm auf Grund der antifaschistischen<br />

Ordnung stets näher stand als der westliche Teil<br />

Deutschlands. Mit Leidenschaft stellte er die Frage nach<br />

der „Qualität des Friedens“, setzte sich gegen Revanchismus<br />

und atomare Aufrüstung ein. „Ich stand immer wieder<br />

vor der Notwendigkeit meine eigene Haltung zu formulieren.“<br />

Dabei konnte er auf Erfahrungen zurückgreifen, die<br />

er selbst gemacht oder beobachtet hatte. 1959 ruft ihn<br />

ein Telegramm der Intendantin Helene Weigel nach Berlin:<br />

„Wir können Dich als Schauspieler gebrauchen!“ Die<br />

Stadt hat ihn geprägt, er bleibt von 1959 bis 1979 am Berliner<br />

Ensemble, ehe er sich freischaffenden Engagements<br />

widmen kann. Dissel spielte großartig, sein Publikum liebt<br />

ihn. Seine Auftritte auf der Bühne, im Film und später im<br />

Fernsehen verliehen auch vermeintlich kleinen Rollen<br />

Größe. Erst im Alter, als er es eigentlich niemanden mehr<br />

beweisen musste, startet er durch. Er fand Anerkennung<br />

nun auch in großen Rollen. Konnte Gestalten verkörpern,<br />

die er vorher nur vereinzelt übertragen bekam. Scherzhaft<br />

meinte er dazu, dass er sich „auf der untersten Stufe einer<br />

steilen Alterskarriere“ befände.<br />

Die <strong>Waldsiedlung</strong> war Rückzugsort und Heimat<br />

Seit 1952 war er in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> zuhause, wo er mit<br />

seiner damaligen Frau Ellen im Fuchsweg wohnte. Nachdem<br />

er die 35 Jahre jüngere Angelika kennen und lieben<br />

gelernt hatte, zog er zusammen mit ihr in die Waidmannspromenade<br />

und später dann in das Haus Am Ufer. 1970<br />

wurde ihr gemeinsamer Sohn Jan geboren. In der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

fühlte er sich wohl, sie war ihm Rückzugsort und<br />

Heimat geworden. Das Haus der Dissels stand Besuchern<br />

offen, hier wurde musiziert und diskutiert. Er empfing seine<br />

Freunde zu gemeinsamen Schachabenden oder musizierte<br />

auf dem Banjo, Akkordeon und Spinettino für den<br />

Hausgebrauch. Bei Rotwein, Nordhäuser Korn, Cognac und<br />

Bier wurden viel und laut Ansichten ausgetauscht. Oft war<br />

sein langjähriger Freund, der Theaterkritiker Jochen Gleis,<br />

zu Gast, auch der streitbare Balthasar Otto und Hans Coppi,<br />

dessen Eltern in Plötzensee hingerichtet wurden. Sie<br />

alle bereicherten sein künstlerisches Schaffen dabei ungemein,<br />

denn Dissel selbst war vielseitig begabt. Diese<br />

Vielseitigkeit ermöglichte ihm auch Rollen, die ihm möglicherweise<br />

sonst verwehrt geblieben wären. So spielte er<br />

am BE in Brechts und Weils gemeinsamem Werk, der Dreigroschenoper,<br />

den Moritatensänger, der auf dem Jahrmarkt<br />

von Soho die bekannte Ballade von Mackie Messer<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> PORTRÄT 29


Foto: Archiv Dissel<br />

1958, Neue Bühne Berlin: Uraufführung „Auf verlorenem Posten“.<br />

Dissel gibt Regieanweisungen für Ekkehard Schall (li.) und Willi Norloch (re.)<br />

„Und der Haifisch, der hat Zähne“ sang. Eine Paraderolle für<br />

ihn. Seine Stimme war markant, man hört sie unter hunderten<br />

heraus. Das wusste er und lebte deshalb diszipliniert.<br />

Hatte er sich früher gerne dem Rauchen von Pfeifen und<br />

Zigarren hingegeben, so hörte er eines Tages abrupt mit<br />

dem Rauchen auf, die Schonung seiner Stimmbänder ging<br />

ihm über alles. Seine Rollen gingen in die hunderte, doch<br />

die als Feldkurat in der „Der brave Soldat Schwejk“ schien<br />

ihm selbst die mit am besten gelungenste von allen zu<br />

sein. In der DDR war er als Schauspieler sehr angesehen,<br />

was ihm den Nationalpreis 3. Klasse einbrachte, zusätzlich<br />

aber – auch auf Grund seiner Rolle im Widerstand – durchaus<br />

auch Möglichkeiten der Artikulation bot, die anderen<br />

verwehrt geblieben sind. So schrieb er 1986 an Honecker<br />

einen Brief, in dem er fragte, warum sein junger Sohn<br />

und seine Frau und überhaupt die jungen Leute nicht in<br />

den <strong>West</strong>en fahren dürfen, um Stätten des Widerstands<br />

oder die Gedenkstätte in Plötzensee, Hinrichtungsstätte<br />

vieler Widerstandskämpfer wie Harro Schulze-Boysen<br />

und der Geschwister Coppi zu besuchen. Auch wenn im<br />

Ergebnis nicht die von ihm gewünschte Reisefreiheit für<br />

jedermann stand, so konnte doch zumindest seine Familie<br />

ein Visum als Teil der kleinen Reiseerleichterung für sich<br />

beanspruchen. Dennoch – er blieb ein streitbarer Geist.<br />

Seine kleine Freiheit waren ihm die Urlaube mit seiner Familie<br />

an der Ostsee. Zusammen mit seiner Frau Angelika<br />

und seinem Sohn Jan, der später erfolgreich eine Lehre<br />

zum Bootsbauer absolvierte und wohl das handwerkliche<br />

Geschick, die Sorgfalt und Genauigkeit von seinem Vater<br />

hat und noch heute in dem Metier arbeitet, sah man ihn<br />

oft mit seinem kleinen Motorboot „Wal“, einer kleinen<br />

Saga 20, auf der Havel.<br />

In <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> kulturell sehr aktiv<br />

Im Ort war „der Dissel“ beliebt und kulturell sehr aktiv.<br />

Nach der Wende organisierte er als aktives Clubratmitglied<br />

im Bürgerclub verschiedene Veranstaltungen,<br />

las Jankas „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“ und lud<br />

verschiedene bekannte Schauspieler zu Lesenachmittagen<br />

nach <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> ein. Auch in der Handweberei<br />

Geltow war er oft zu Gast, mit Henni Jaensch-Zeymer war<br />

er freundschaftlich verbunden. Auch wenn ihm im hohen<br />

Alter die Gesundheit zu schaffen machte, pflanzte er in<br />

seinem letzten Lebensjahr in Werder noch einen Birnenbaum<br />

und spielte mit dem Herrn von Ribbeck im Havelland<br />

seine letzte Rolle. Am 23. Januar 2003 verstarb Werner<br />

Dissel in seinem Haus in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Der Autor Ralph Berek, Jahrgang<br />

1966, geboren in Potsdam, hat<br />

einen Sohn und verbringt seit<br />

zehn Jahren die <strong>Sommer</strong>monate<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Er ist Grafik-Designer und<br />

Verleger dieses Magazins.<br />

30 PORTRÄT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Neben Modenschauen, Vorträgen, Lesungen und Ausstellungen spielte die Musik<br />

immer eine große Rolle in der Geltower Handweberei. Regelmäßig wird zu Konzerten<br />

mit unterschiedlichen Musikern eingeladen. Höhepunkt ist der jährliche „Jour“.<br />

Frauen wollen mehr<br />

VON JANA FELLENBERG<br />

Es wird nur noch wenige geben, die sich daran erinnern,<br />

dass in Alt-Geltow im Saal hinter dem kleinen, geduckten<br />

gelben Häuschen mit der blauen Eingangstüre,<br />

die schon lange nicht mehr als solche dient, gleich<br />

gegenüber der Kirche und neben dem Friedhof, einmal keine<br />

Webstühle standen. Denn das ist bereits 80 Jahre her.<br />

1939 zog Henni Jaensch-Zeymer in das damals leerstehende<br />

alte Gasthaus und machte aus ihm eine Handweberei,<br />

die heute eingetragenes technisches Denkmal ist.<br />

Ulla Schünemann, übernahm 1987 den Webhof<br />

Webstühle im Tanzsaal<br />

Thomann‘s Festsaal bot genug Raum, um die Werkstatt<br />

mit den großen Webstühlen einzurichten und vor allem<br />

auch zu erweitern, denn die Auftragslage war gut und so<br />

konnte der Webhof von anfangs zwei Webstühlen nach<br />

und nach auf zehn vergrößert werden, heute stehen hier<br />

sogar 16 der hand- und fußbetriebenen historischen Maschinen.<br />

Und auf allen, selbst den beiden mit ihren 300<br />

Jahren dienstältesten, wird noch gewebt.<br />

Damals wie heute wohnt die Meisterin im Haus – die<br />

ehemalige Bühne des Festsaales baute man zur Wohnung<br />

um. Blick in den weitläufigen Garten, der früher intensiv<br />

zur Eigenversorgung und Erholung genutzt wurde, inklusive.<br />

Im Vorderhaus, das heute Büro, „Leinenladen“ und<br />

Gastraum beherbergt, wohnten anfangs die Lehrlinge.<br />

Männer spielten in der langen Geschichte der Handweberei<br />

eher eine Nebenrolle. Selbstbewusst und selbstbestimmt<br />

füllten und füllen die Frauen mit ihrer Kraft und<br />

ihren Ideen den Raum, und wenn wirklich mal ein Mann<br />

gebraucht wurde, war früher in jedem <strong>Sommer</strong> im Monat<br />

August der Erich da. Der reparierte, spielte, fotografierte<br />

– Ulla Schünemann, die ihn oft begleitete, holte sich in<br />

diesen Ferien ihr handwerkliches Rüstzeug. Heute übernimmt<br />

ihr Ehemann die Reparaturen.<br />

Foto: Jim Kent<br />

Kunst des Weglassens<br />

Und immer noch sind es Frauen, die auf den alten Webstühlen<br />

schlichte, langlebige und wundervolle Stoffe erfinden<br />

und produzieren. Immer weiter im Stile Hennis, wie<br />

sie von allen genannt wurde. Sie, die Künstlerin, ließ sich<br />

Zeit ihres Lebens vom Bauhausgedanken inspirieren und<br />

entwarf getreu der „Kunst des Weglassens“ ihre Stoffe.<br />

Und auch heute noch wird genauso gewebt wie damals.<br />

Einziger Unterschied – die verwendeten Garne sind farbiger<br />

geworden, und öfter wird Leinen als Wolle verarbeitet.<br />

Fast 50 Jahre hielt Henni die Fäden in der Hand. Von<br />

1943 bis zu ihrem Tode 1983 immer an ihrer Seite Annemarie<br />

Schünemann. Ihre Tochter Ulla, auf dem Webhof<br />

Werner Dissel liest 1995 in der Handweberei aus Erwin<br />

Strittmatters „Vor der Verwandlung“<br />

Foto: Jim Kent<br />

32 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Jana Fellenberg<br />

Auf den 16 historischen Webstühlen im alten Festsaal, die<br />

bis zu 300 Jahre alt sind,werden noch heute Stoffe gewebt.


Foto: „Buch des Hauses“, um 1940<br />

Henni Jaensch-Zeymer schneidet Stoff für Flickerlteppiche klein<br />

... nach einem zweitägigen Kurs kann<br />

man sich bei fleißiger Arbeit ein<br />

Unikat eines Schals um den Hals<br />

legen und mit nach Hause nehmen.<br />

Foto: Jim Kent<br />

aufgewachsen und ebenfalls Meisterin ihres Handwerks<br />

führt seit über 30 Jahren die Geschicke. Wenn man ihr,<br />

die noch bei Henni gelernt hat, zuhört, wenn sie erzählt<br />

von alten und neuen, schweren und guten Zeiten, dann<br />

spürt man, sie ist die Seele des Webhofes und sie lebt<br />

ihn jede Sekunde. Nach der Übernahme der Handweberei<br />

1987, war ihr 1989 sofort klar: „Dit wart mit der Weberei“.<br />

Die Produktion ging von hundert auf Null, niemand<br />

kaufte mehr Altbewährtes, nicht mal, wenn es bereits bestellt<br />

und verschickt war – die Pakete kamen zurück mit<br />

der lapidaren Erklärung: „Aufgrund der Wirtschafts- und<br />

Währungsunion treten wir vom Vertrag zurück“. Nur der<br />

gerade eingestellte Lehrling konnte bleiben, für die acht<br />

Angestellten gab es keine Beschäftigung mehr und das<br />

rhythmische Klappern verebbte. Zwei Jahre vergingen bis<br />

mit der Idee eines „aktiven Museums“, der Webhof aus<br />

dem Dornröschenschlaf erweckt werden konnte, und sich<br />

der kleine Ort nun mit einem touristischen Ziel für Menschen,<br />

die aus aller Welt hierher kommen, schmücken<br />

kann.<br />

Heute lebt die Handweberei wieder vom Verkauf der<br />

gewebten und verarbeiteten Produkte, nur ein Zubrot die<br />

34 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: „Buch des Hauses“, um 1940.<br />

Die Handweberei in Frauenhand, die Kette wird geschlichtet und zum Trocknen aufgehängt<br />

Einnahmen aus dem Museum, auch wenn im Jahr etwa<br />

3.000 Besucher die Handweberei mehr oder weniger aktiv<br />

besichtigen. Während einige Besucher den drei Weberinnen<br />

nur über die Schulter schauen und ob der in vielerlei<br />

Hinsicht anspruchsvollen Arbeit staunen, wollen es<br />

andere selber einmal versuchen. Dazu werden Webkurse<br />

auf den kleineren Webstühlen angeboten – und nach einem<br />

zweitägigen Kurs kann man sich bei fleißiger Arbeit<br />

ein Unikat eines Schals um den Hals legen und mit nach<br />

Hause nehmen. Auch Spinnen kann man lernen.<br />

Laut ist es, sehr laut<br />

Nicht zum ersten Mal bin ich hier; betrete wie immer<br />

ehrfürchtig den großen Saal mit den vielen hölzernen Gerätschaften,<br />

wo neben Webstühlen auch diverse Spinnräder,<br />

Schärrahmen und Spulengestelle stehen.<br />

Laut ist es, wenn an den Webstühlen gearbeitet wird.<br />

Sehr laut. Die Frauen um Ulla Schünemann haben sich<br />

daran gewöhnt. Im Augenblick surrt nur die Spulmaschine.<br />

Bevor gewebt werden kann, müssen die auf großen<br />

Spulen gelieferten Garne umgespult werden. Erst dann<br />

können sie im Schützen durch das Fach geschossen die<br />

Kette kreuzen.<br />

Als begeisterte „Handarbeiterin“ komme ich immer<br />

gerne her, bewundere, wie das Tuch auf dem Webstuhl mit<br />

jedem Schuss akkurat Millimeter um Millimeter wächst,<br />

aus dem in der Schneiderei Hemden, Krawatten und Kleider<br />

werden. Neben Bekleidung entstehen auch Stoffe für<br />

Tischwäsche, Decken und Gardinen, auf Kundenwunsch<br />

Foto: Jim Kent<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 35


DIE CHRONIK<br />

1927 Gründung der Handweberei<br />

„Henni Jaensch-Zeymer“ in Gildenhall<br />

1939 Henni zieht mit ihrem Webhof nach Geltow<br />

1943 Annemarie Schünemann kommt nach Geltow<br />

1977 absolviert Ulla Schünemann erfolgreich<br />

ihre Ausbildung zur Handweberin und<br />

arbeitet seitdem im Webhof<br />

1985 Ulla Schünemann wird Meisterin<br />

1987 übernimmt Ulla Schünemann die Handweberei<br />

1990 das Aus für den Webhof<br />

1992 Eröffnung „Aktives Museum für<br />

Handweberei Henni Jaensch-Zeymer“<br />

1996 Eröffnung des kleinen Verkaufsladens<br />

1998 Henni verstirbt 94-jährig<br />

2008 Eröffnung des Cafés<br />

2018 Eintrag ins Goldene Buch der<br />

Gemeinde Schwielowsee<br />

<strong>2019</strong> 80 Jahre Handweberei<br />

ÖFFNUNGSZEITEN<br />

Museum & Leinenladen<br />

Februar bis etwa 21. Dezember <strong>2019</strong><br />

Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr<br />

Das Café<br />

März bis etwa 21. Dezember <strong>2019</strong><br />

Sammstag & Sonntag von 11 bis 17 Uhr<br />

April bis September <strong>2019</strong><br />

Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr<br />

Osterwochenende, sowie am 3. & 31. Oktober <strong>2019</strong><br />

geschlossen, am 1. Mai, Himmelfahrt<br />

und Pfingsten geöffnet.<br />

VERANSTALTUNGEN <strong>2019</strong><br />

18. Mai Vortrag gewebte Bilder,<br />

Ulla Schünemann<br />

25. Mai 23. Modenschau<br />

26. Oktober Feuer & Flamme für<br />

unsere Museen<br />

26. & 27. Oktober Design trifft Handwerk<br />

(Verkaufsausstellung)<br />

3. Advent Weihnachtsbasar<br />

KURSUS<br />

Web- und Spinnkurse<br />

Jeden 1. Dienstag und Mittwoch im Monat nach<br />

Voranmeldung oder nach individueller Absprache.<br />

Der Spinnkursus beansprucht einen Tag und kostet<br />

etwa 100 Euro, der Webkursus dauert zwei Tage und<br />

kostet ab 200 Euro (abhängig vom Material, inkl. des<br />

selbst gewebten Stoffes).<br />

Spannende Geburtstagsrunde<br />

Jeder Gast webt dem Jubilar ein Stückchen Tuch<br />

und damit entsteht ein ganz individuelles Geschenk.<br />

Endkontrolle des fertigen Tuches<br />

sogar aus selbst gesponnener Wolle und natürlich auf<br />

Maß gearbeitet. Gewebt wird so präzise, dass man kaum<br />

glauben mag, dass die im speziellen Gerstenkorn-Muster<br />

hergestellten Geschirrtücher handgewebt sind, so<br />

gerade ist die Webkante.<br />

Gefragter Drehort<br />

Natürlich gibt es auch in einem aktiven Museum viel<br />

Geschichtliches und Theoretisches zu erfahren – beim<br />

Blättern im reich bebilderten „Buch des Hauses“ und<br />

beim Betrachten der zahlreichen Schautafeln vergeht<br />

die Zeit wie im Fluge.<br />

Ein paar Fragen habe ich aber noch und während<br />

wir es uns an dem alten, gusseisernen Ofen gemütlich<br />

machen, interessiert mich, was denn im letzten Jahr<br />

hier gedreht wurde – da saß nämlich die Schauspielerin<br />

Anna Maria Mühe im Hof, von der kleinen Dorfstraße war<br />

unter den vielen Wagen vom Set kaum mehr etwas zu<br />

sehen, und wir kommen auf Filme, Besucher, Geschichte<br />

und Gegenwart zu sprechen.<br />

Schon mehrfach war der Webhof Filmkulisse – 1998<br />

wurde „Schwester Stephanie“ gedreht – die gelbe Farbe,<br />

mit der damals extra das Gebäude im Innenhof gestrichen<br />

wurde, hielt lange, fängt erst jetzt an, an einigen<br />

Stellen abzublättern.<br />

Auf Jung getrimmt<br />

Lachend erzählt Ulla Schünemann von notlandenden<br />

Flugzeugen, der Haustür, die eigentlich gar nicht aufgeht<br />

und strömendem Regen davor, wo doch das Wetter<br />

in Geltow eher recht beschaulich war. 2009 war es<br />

der Streifen „Frauen wollen mehr“ und letztes Jahr nun<br />

Arbeiten für die sechsteilige Serie „Die neue Zeit“ zum<br />

hundertjährigen Bauhausjubiläum fürs ZDF.<br />

Nur das betagte Arbeitsgerät verträgt sich nicht immer<br />

mit den Ideen von Regisseur und Requisite, die Bedienung<br />

der Webstühle muss gekonnt sein, schnell kann<br />

die Kette reißen und damit wochenlange Arbeit umsonst<br />

sein, denn solange dauert es, bis die geschärte Kette<br />

(bestehend aus hunderten Kettfäden) aufgebäumt und<br />

eingezogen ist und das eigentliche Weben beginnen<br />

kann. Also wurde statt der jungen hübschen Studentin<br />

Foto: „Buch des Hauses“, um 1940<br />

36 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


MEIN HEIMATDORF GELTOW<br />

Foto: Jim Kent, 1994<br />

Tief verwurzelt sind die Ureinwohner in ihrem Dorf –<br />

sie kennen noch den Geruch von frischer Erde und Torf.<br />

Heimaterde sicherte Familien ihren Lebensunterhalt,<br />

auf ihr wurden Menschen und Bäume alt.<br />

Duft von Vergissmeinnicht und frischem Rasen<br />

steckt noch in den Nasen.<br />

Freundschaftlich verbunden:<br />

Henni Jaensch und Werner Dissel<br />

lieber die nicht mehr zwanzigjährige Fachfrau auf jung<br />

getrimmt und für die Aufnahme an den Webstuhl gesetzt.<br />

Arbeitsstätte und Lebensgemeinschaft<br />

Ehe wir uns nun ganz in Erinnerungen an spannende<br />

Begegnungen mit Manfred Krug, Max Mohr und vielen<br />

anderen prominenten Besuchern verlieren, geht es noch<br />

in den kleinen Laden, in dem man alle im Haus gefertigten<br />

Sachen, wie auch Keramik von Hedwig Bollhagen,<br />

Gelbgießerprodukte der Wurzigers aus Geltow und vieles<br />

mehr erwerben kann.<br />

Durch die kleinen, niedrigen Fenster des Ladens<br />

schaut man direkt auf Gehweg und Straße und ist so mitten<br />

im Geltower Leben. Die Kirchenglocken läuten und<br />

während wir all die schönen Dinge begutachten, zieht<br />

draußen ein langer Zug schwarz gekleideter Menschen<br />

vorbei zum Friedhof. Viele vertraute Gesichter – wer war<br />

es wohl, der heute zu Grabe getragen wird und neben<br />

Werner Dissel, Henni Jaensch oder meiner Großmutter<br />

seine letzte Ruhe findet? Ulla Schünemann erzählt, dass<br />

sich inzwischen viele Trauergesellschaften nach der Beerdigung<br />

im kleinen Café zusammen finden und das es<br />

hier im Hof oder im alten Gastraum oft ein besonderer<br />

Abschied vom Verstorbenen wird.<br />

Mit der Eröffnung des Cafés vor elf Jahren durch<br />

Tochter Nadine sind die Frauen der Familie im Webhof<br />

vereint – denn auch Tochter Bianca arbeitet hier – als<br />

Weberin. So ist der Webhof weiter nicht nur Arbeitsstätte,<br />

sondern auch Lebensgemeinschaft.<br />

Kirchenglocken waren Zeitmaß, zählten die Stunden,<br />

als Gärtner und Rosenzüchter<br />

waren sie der heimatlichen Scholle verbunden.<br />

Welcher Boden gibt heutigen Generationen Nahrung,<br />

speist Erinnerung, nährt Erfahrung?<br />

Wer sucht und will, der findet,<br />

was an Scholle und Dorfgemeinschaft bindet.<br />

Manch zartes Pflänzchen erwartet Zuwendung und Pflege,<br />

braucht liebevolle Hege,<br />

will wachsen und gedeihen,<br />

von Alltagssorgen uns befreien.<br />

Freilich ist das Feld ein anderes –<br />

im Handwerk und Gewerbe fließt der Schweiß,<br />

bei Kultur, Gesang und Sport erkämpft man einen Preis.<br />

Gefeiert wird zu allen Jahreszeiten<br />

in Vereinen und beim Straßenfeste –<br />

unser Dorf erwartet viele Gäste.<br />

Drum pflegt es umsichtig und mit Liebe –<br />

es steht nun einmal fest,<br />

wir leben in einem grünen Gartendorf,<br />

das sich von Jahr zu Jahr verschönern lässt.<br />

Am Ende steht der Stolz, der verbindet –<br />

Garantie, dass auch heutige Generation<br />

in ihrer Erinnerung Bleibendes findet.<br />

Juni 2001<br />

Lyrik von Klaus Köhler, Jahrgang 1935,<br />

er lebt in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> und ist<br />

Mitglied im Heimatverein Geltow.<br />

Autorin Jana Fellenberg,<br />

1967 in Potsdam geboren,<br />

Dipl.-Informatikerin,<br />

verheiratet, lebt seit ihrer<br />

Kindheit in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 37


DER SCHORNSTEINFEGER<br />

Er kommt auf Rädern und auch mit Zylinder<br />

und macht mir meinen Schornstein wieder rein.<br />

Ich freuʼmich als Erwachsner wie die Kinder,<br />

dieweil man sagt, er bringe Glück ins Heim.<br />

Wenn er aufʼs Dach steigt, halt ich ihm die Leiter,<br />

denn falls er fällt, dann fällt das Glück auf mich,<br />

er springt hinauf, fast wie ein Teufelsreiter,<br />

den Blick durchs lichte Grün, wie wahr, den gönnt er sich!<br />

nach Hansgünter Walther<br />

Auf den Dächern der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

VON CARSTEN SICORA<br />

Elf Uhr, die beiden geben sich<br />

fast die Klinke in die Hand.<br />

Während der Jüngere nach<br />

dem Kehren der Schornsteine<br />

sein unentbehrliches Gerät – den<br />

stachligen Besen mit der aufgeschossenen<br />

Leine und der kleinen Kugel daran<br />

– im altgedienten Wagen mit dem<br />

Zeichen der Schornsteinfeger-Innung<br />

verstaut, kommt sein Chef schon vorgefahren:<br />

„Beschau der Feuerstätten“<br />

ist angesagt. Olaf Greulich (54) geht<br />

voran. Einer muss ja den Hut aufhaben!<br />

Doch statt eines Zylinders sitzt<br />

heute die modisch schwarze Strickmütze<br />

auf seinem Kopf. Seit 20 Jahren<br />

ist Greulich bevollmächtigter<br />

Schornsteinfegermeister. In seinem<br />

Einschreibbuch unterm Arm vermerkt<br />

er alles Wesentliche zu den Öfen und<br />

Kaminen. Das ist wichtig für die Protokollierung.<br />

Aber die meisten Daten hat er eh<br />

im Kopf. Er kennt sich hier aus, betreut<br />

die <strong>Waldsiedlung</strong> nun schon seit<br />

über 35 Jahren, noch unter den vorherigen<br />

Meistern Rudolf Hannemann,<br />

Erwin Fuchs und Ronald Schwarz. Genau<br />

erinnert er sich an seinen ersten<br />

Arbeitstag:<br />

„Es war im Spätherbst 1983 als ich<br />

das erste Mal in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> war.<br />

Wie lange ist das schon her! Damals<br />

wurde in der kalten Jahreszeit noch<br />

viel mit Kohle geheizt und auf den<br />

Dächern ein Film von schmierigem<br />

unsauberen Kohleabbrand und Ruß.<br />

Die Luft roch im Winter immer nach<br />

Kohle.“<br />

Die Luft roch<br />

im Winter immer<br />

nach Kohle.<br />

Heutzutage ist das völlig anders<br />

Den so typischen Kohlegeruch,<br />

der an trüben Nebeltagen schwer<br />

über dem Ort hing, kennen nur noch<br />

die Alten. Kohleöfen gehören der<br />

Vergangenheit an. Inzwischen sind<br />

Gas- und Ölheizungen in den meisten<br />

Wohn- und Wochenendhäusern<br />

verbaut. Mit Kohle heizt heute kaum<br />

einer mehr, das ist viel zu teuer und<br />

für die Umwelt auch nicht besonders<br />

gut. Viele der Einwohner haben für<br />

die gemütlichen Stunden im Herbst<br />

und Winter Kaminöfen, die alten Villen<br />

zum Teil auch noch sehr schöne<br />

offene Kamine, die gelegentlich zur<br />

Anwendung kommen. Auch stilvolle<br />

neue Kachel- oder Lehmöfen finden<br />

sich im Ort.<br />

„Da ist es natürlich besonders<br />

wichtig, dass saubere naturbelassene<br />

Holzscheite verwendet werden, um<br />

einen schadstoffarmen Abbrand zu<br />

garantieren. Anhand des Rußbildes<br />

können wir genau erkennen, ob der<br />

Abbrand tatsächlich funktioniert, ob<br />

z. B. ein Kaminofen genügend Zuluft<br />

bekommt, damit er bei guter Verbrennung<br />

und wenig Abgas ein optimales<br />

Heizergebnis erzielt.“<br />

Falsches Heizverhalten kann also<br />

ganz schnell ins Geld gehen und großen<br />

Schaden anrichten. Wichtig ist<br />

deshalb, dass die Herstellerangaben<br />

der Ofenbauer beachtet und die Öfen<br />

nicht überheizt werden.<br />

„Ich empfehle nur gut abgelagertes,<br />

stückiges und trockenes Holz zu<br />

verwenden. Dass kein Müll in irgendeiner<br />

Form verbrannt wird, sollte<br />

heutzutage eine Selbstverständlichkeit<br />

sein. Das schadet unserer Umwelt,<br />

würde aber auch dem Ofen und<br />

dem Schornstein ungemein zusetzen,<br />

die dafür gar nicht ausgelegt sind und<br />

für die Besitzer mit der Zeit deshalb<br />

eine teure Sache werden. Plastikmüll<br />

Foto: Carsten Sicora , <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2018<br />

38 PORTRÄT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Bekannte Gesichter, doch nur selten sieht man die beiden zusammen:<br />

Der bevollmächtigte Schornsteinfegermeister Olaf Greulich und sein Mitarbeiter Mario Wüstenhagen


Foto: Chronik Klaus Köhler<br />

Am Fleischstand im Konsum bekam man von Frau Seifert nicht nur ein Lächeln, sondern auch eine heiße Bockwurst.<br />

Meine Stullen, die in der Ledertasche am<br />

‚Star‘ hingen, waren nämlich tiefgefroren …<br />

gehört in den gelben Sack, Laub auf<br />

den Kompost!“<br />

Während Meister Greulich mit<br />

sachkundigem Blick den Kaminofen<br />

mustert und mittels Taschenlampe<br />

und Spiegel den Feuerraum inspiziert,<br />

erzählt er weiter:<br />

„Ich empfand und finde es auch<br />

heute noch immer wieder angenehm,<br />

hier draußen zu sein. Die Siedlung in<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> ist wirklich sehr schön<br />

und sollte in ihrer Art so erhalten<br />

bleiben. Vor allem die Lage direkt an<br />

der Havel unter den alten Bäumen<br />

macht den Ort für seine Einwohner<br />

so lebenswert. Die relativ saubere<br />

Luft und vor allem der wenige Autoverkehr<br />

– wo traut man sich den sonst<br />

noch so entspannt über die Straße zu<br />

gehen? Man merkt es ja den Leuten<br />

an, dass sie sich hier wohlfühlen. Und<br />

auch die neuen Einwohner wissen<br />

diese Lebensqualität zu schätzen. Wir<br />

‚Schwarzen‘ sind ja ebenfalls sehr naturverbunden,<br />

der Blick über die Dächer<br />

ins Grüne, der Gesang der Vögel<br />

in den Bäumen begeistert mich immer<br />

wieder. Und einen Sonnenuntergang<br />

über der Havelbrücke zu erleben ist<br />

wirklich einmalig!“<br />

Seit zehn Jahren gehört nun auch<br />

Mario Wüstenhagen mit zu ihm. Auch<br />

er hat einen Meisterabschluss und<br />

kennt praktisch jeden Haushalt, seine<br />

Bewohner und – nicht ganz unwichtig<br />

für seine Arbeit – jeden Hund im Ort.<br />

Kaffee und nette Gespräche<br />

Die zwei könnten mit ihren Erlebnissen<br />

wohl ganze Bücher füllen,<br />

doch Greulich, der erfahrenere der<br />

beiden, winkt bescheiden ab:<br />

„Manch einer wartete damals<br />

schon, um den Schornstein vor dem<br />

Winter wieder gereinigt zu bekommen,<br />

brühte dann eine Tasse Kaffee<br />

und führte nette Gespräche. Besonders<br />

gerne erinnere ich mich an<br />

Willi Neuenhahn, den bekannten<br />

DEFA-Schauspieler aus den siebziger<br />

und achtziger Jahren und seine<br />

außergewöhnliche und unkomplizierte<br />

Art. Auch die Generalität aus dem<br />

Birkengrund holte sich bei mir immer<br />

eine handvoll Glück auf ihrem morgendlichen<br />

Fußweg in die Kaserne.<br />

Einmal bin ich während der Kehrarbeiten<br />

in die Geburtstagsfeier eines<br />

Panzergenerals geraten, eine wirklich<br />

sehr lustige Truppe – aber natürlich<br />

konnte ich nur mit einem Glas Wasser<br />

auf die Gesundheit anstoßen …“<br />

Greulich wirkt nachdenklich, als er<br />

sagt: „Trotzdem denke ich in der heutigen<br />

Zeit auch gerne an früher zurück,<br />

als man mit dem Moped selbst im<br />

Winter bei strengen Minusgraden von<br />

Caputh aus über die Fähre in die <strong>Waldsiedlung</strong><br />

übersetzen musste. Bei Kaffee,<br />

einem Brötchen und einer heißen<br />

Bockwurst konnte man sich bei Frau<br />

Augenadel und ihrem Team im Konsum<br />

etwas aufwärmen. Meine Stullen,<br />

die in der Ledertasche am ‚Star‘<br />

hingen, waren nämlich tiefgefroren …<br />

Die damalige Postfrau Frau Schwarz,<br />

die Poststelle war gleich am Marktplatz,<br />

hat mir in meiner Anfangszeit<br />

viele hilfreiche Tipps zu den Örtlichkeiten<br />

gegeben, auch wer wann zu<br />

erreichen war. Heute hat sich unser<br />

40 PORTRÄT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Klaus Köhler, um 1992<br />

Historische Poststelle Amselweg 1 am Marktplatz. Hier hat der junge Schornsteinfeger von Frau Schwarz hilfreiche<br />

Tipps zu den örtlichen Gegebenheiten bekommen.<br />

Terminsystem über die Jahre bewährt<br />

und unser Besuch vor der Heizperiode<br />

gehört zu den kleinen Regelmäßigkeiten<br />

im Leben. Meist ist schon<br />

Anfang Herbst der bekannte kleine<br />

Zettel im Briefkasten, mit dem, was<br />

gemacht werden muss. Auf Grund<br />

der Weitläufigkeit – wir betreuen ja<br />

außer <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> auch noch die<br />

Ortschaften Glindow, Bliesendorf mit<br />

Resau im Wald, Petzow und Teile von<br />

Geltow – schlagen wir deshalb den<br />

Bewohnern einen Termin vor, um effektiv<br />

arbeiten zu können. Das klappt<br />

eigentlich ganz gut. Wenn wirklich<br />

mal was dazwischen kommt, können<br />

uns die Leute einfach anrufen, um einen<br />

anderen Termin zu vereinbaren“,<br />

erklärt er.<br />

Sicherheit ist wichtig<br />

„Wir kontrollieren entsprechend<br />

den gesetzlichen Bestimmungen<br />

natürlich turnusmäßig die Heizungsanlagen<br />

der Bewohner und deren<br />

Feuerstätten, damit nichts passieren<br />

kann. Sind die Scheiben und die<br />

Schamottesteine der Kaminöfen in<br />

Ordnung? Keine Risse? Sind Ofentüren<br />

und Ofenrohre dicht? Werden<br />

alle geforderten Parameter bei den<br />

Messungen der Gasheizungen und<br />

Ölfeuerungsanlagen erfüllt? Wie ist<br />

ihr technischer Zustand?“ Das sind<br />

nur einige von zahlreichen weiteren<br />

Punkten. „Natürlich kehren wir auch<br />

noch klassisch die Schornsteinzüge,“<br />

sagt Mario Wüstenhagen und sein<br />

Chef ergänzt: Das ist wichtig, um sicherzugehen<br />

dass die Feuerstätten<br />

guten Zug haben und die Rußablagerungen<br />

entfernt werden, um z. B. einem<br />

Schornsteinbrand vorzubeugen.<br />

Auf Grund des schlechten Brennstoffs<br />

zu DDR-Zeiten und den nicht lotrecht<br />

gemauerten, sondern gezogenen<br />

Schornsteinen, kam so etwas ab und<br />

zu vor, ist aber längst Geschichte, da<br />

moderne Heizsysteme in den Häusern<br />

Einzug gehalten haben.<br />

Tipps zum richtigen Heizen<br />

Wir beraten aber auch bei der<br />

Planung von Neuanlagen vor Anfang<br />

der Bautätigkeit. Dazu ist es am Besten,<br />

wenn sich der Bauherr mit seinen<br />

Unterlagen bei mir meldet. Wer Fragen<br />

hat oder sich einen neuen Kaminofen<br />

zulegen will, ist bei uns an der<br />

richtigen Adresse, da jede Änderung<br />

oder Erneuerung einer Feuerstätte<br />

beim zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister<br />

gemeldet werden<br />

muss. Während der Kehr- und Überprüfungsarbeiten<br />

gibt es bei Bedarf<br />

natürlich auch Tipps zum richtigen<br />

Heizen und Brennstoff durch meinen<br />

Mitarbeiter Herrn Wüstenhagen.“<br />

Ein bisschen Glück<br />

braucht jeder von uns<br />

Er klappt sein kleines Buch zu und<br />

zieht die Schuh-Überzieher wieder<br />

aus. Die beiden sind da sehr sorgfältig,<br />

denn wer will schon Schmutzspuren<br />

auf dem Teppich hinterlassen? Sie<br />

nicken mir freundlich zu. „Alles Bestens!<br />

Also bis zum nächsten Jahr!“ Ein<br />

Händedruck und schon sind sie wieder<br />

unterwegs, der Nachbar wartet<br />

in Sichtweite am Gartenzaun. Gerade<br />

noch so erwische ich eine Fingerspitze<br />

voll Ruß – man weiß ja nie wofür<br />

es gut sein kann – und ein bisschen<br />

Glück braucht jeder von uns …<br />

Autor Carsten Sicora, geboren<br />

1967 in Dresden, verheiratet, lebt<br />

seit 1989 in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> PORTRÄT 41


Zeit. Raum. Licht. Das sind Themen, mit denen ich mich seit einigen Jahren beschäftige.<br />

Dem Spannungsverhältnis von Licht und Dunkelheit, der Wechselwirkung von Licht<br />

und Schatten und der Wahrnehmung von Wirklichkeit – gekoppelt an Raum und Zeit.<br />

Die Poesie sichtbarer Abwesenheit<br />

VON ANNEMARIE STRÜMPFLER<br />

Das Prinzip ist einfach und alt<br />

bekannt: In eine dunkle Box<br />

fällt durch eine kleine Blendenöffnung<br />

das Licht in den<br />

Innenraum und projiziert dort spiegelverkehrt<br />

an Wänden, Boden und<br />

Decke das Außen.<br />

Sonne, Mond und Sterne<br />

Wissenschaftler wie Astronomen,<br />

Geologen und Mathematiker nutzten<br />

schon frühzeitig die Funktionsweise<br />

einer Lochkamera, um Erkenntnisse<br />

über Sonne, Mond und Sterne<br />

und – damit meist verbunden – über<br />

mathematisch-optische Gesetze zu<br />

erlangen. Auch Künstler entdeckten<br />

die Lochkamera, die Camera Obscura,<br />

als Hilfsmittel für ihre Arbeit. So<br />

diente sie Vermeer van Deelft, einem<br />

der bedeutendsten niederländischen<br />

Maler des 17. Jahrhunderts, als Hilfsmittel,<br />

um perspektivische Zeichnungen<br />

herzustellen. Schon Leonardo da<br />

Vinci beschrieb sie um 1500.<br />

Auch ich nutze die Camera Obscura<br />

(lat. dunkle Kammer) für mein künstlerisches<br />

Schaffen. Sie ist für mich Medium<br />

meiner Auseinandersetzung mit<br />

dem Spannungsverhältnis von Licht<br />

und Dunkelheit, der Wechselwirkung<br />

von Licht und Schatten und der Wahrnehmung<br />

von Wirklichkeit – gekoppelt<br />

an Raum und Zeit – geworden.<br />

Atelier wird begehbare Kamera<br />

Während meines Arbeitsstipendiums<br />

im Paul-Ernst-Wilke-Haus<br />

in Bremerhaven im März und April<br />

2015 wurde dabei das Atelier<br />

zu einer begehbaren Kamera und<br />

gleichzeitig zu einer Dunkelkammer<br />

umfunktioniert. Dieses erste<br />

Experiment, Kunststätten als<br />

Kamera zu nutzen, thematisierte<br />

das den Arbeitsraum umgebende,<br />

spezifische Milieu des Bremer Vorhafens<br />

und projizierte es in den Innenraum<br />

des Ateliers. Hier wurde<br />

es auf lichtempfindlichem Fotopapier<br />

in der Kamera abgebildet. Ein<br />

faszinierendes Feld!<br />

Seitdem arbeite ich an diversen<br />

Kunstorten und funktioniere<br />

diese zu einer Kamera um: Zu einer<br />

von der jeweiligen Umgebung und<br />

den Lichtverhältnissen abhängigen<br />

42 AUF DURCHREISE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


„Blick auf die Havel 2018“<br />

Durch das Auge der „Camera Obscura“,<br />

Belichtungszeit 2 Monate<br />

Licht-Raum-Installation. Daneben<br />

nutze ich auch andere Kameraformate,<br />

z. B. eine Streichholzschachtel, Dosen<br />

oder auch eine Mülltonne, die alle<br />

nach demselben Prinzip funktionieren,<br />

jedoch von ihrer Wirkungsweise<br />

unterschiedlich sind. Immer auch abhängig<br />

von Form und der Größe der<br />

Kamera, den Lichtverhältnissen und<br />

den Belichtungszeiten.<br />

Licht einzufangen, den jeweiligen<br />

Raum und die Zeit auf diese Art sichtbar<br />

zu machen, ist mein Anliegen. Dabei<br />

kann es Belichtungszeiten von bis<br />

zu einem Jahr geben, so geschehen<br />

im Kunstraum der GEH8 in Dresden,<br />

ein Projekt, welches insgesamt über<br />

zwei Jahre währte. Auch Dosenkameras,<br />

an Bäume und Dächer gehängt,<br />

fangen gleichsam als Zeitraffer den<br />

Sonnenorbit ein, machen sichtbar,<br />

was das menschliche Auge üblicherweise<br />

so nicht sieht – lassen jedoch<br />

auch vieles im vagen, verfremden.<br />

Während eines Spaziergangs im<br />

Spätherbst mit meinem kleinen Enkel<br />

durch <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> und inspiriert<br />

durch das, mich übrigens auch künstlerisch<br />

sehr ansprechende Magazin<br />

der <strong>Waldsiedlung</strong>, kam mir die Idee,<br />

auch hier einmal solch ein visuelles<br />

Experiment zu wagen.<br />

Welch eine Helligkeit!<br />

Dank meiner Kinder, die sich vor<br />

einigen Jahren diese romantische<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> als neuen Lebensmittelpunkt<br />

ausgewählt haben und der<br />

für mich damit verbundenen Besuche,<br />

konnte ich diesen Ort nun auch für<br />

mich entdecken. Besonders fasziniert<br />

bin ich von der noch relativ gut erhaltenen<br />

natürlichen Einbettung dieser<br />

Siedlung in die sie umgebende Landschaft<br />

und dem besonderen Licht,<br />

das bei schönem Wetter über der<br />

Havel und durch die bewaldete Siedlung<br />

erstrahlt. Welch eine Helligkeit!<br />

In einigen kleinen Zeichnungen hatte<br />

ich schon versucht, das Licht einzufangen.<br />

Mein Vorschlag, ein kleines<br />

Kunstprojekt „Camera Obscura“ hier<br />

im Ort zu installieren, stieß bei den<br />

Menschen, mit denen ich sprach, auf<br />

Neugier und Interesse. „Nachbarschaft“<br />

ist hier kein leeres Wort, sondern<br />

wird tatsächlich gelebt. Ich war<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> AUF DURCHREISE 43


LIMITED EDITION<br />

Die abgebildeten Original-Zeichnungen, sowie weitere<br />

im Internet auf www.wildpark-west.de dargestellte<br />

Zeichnungen können zum Preis von 25 Euro erworben<br />

werden. Der Erlös kommt zur Hälfte der Nachpflanzaktion<br />

„Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018-2033 zugute. Das<br />

Foto „Blick auf die Havel 2018“ der Lochbildkamera wird<br />

als Postkarte in limitierter Auflage von 100 Stück im<br />

Format DIN Lang zum Preis von 5 Euro angeboten.<br />

beeindruckt, innerhalb welch kurzer<br />

Zeit die passenden Orte für die kleinen<br />

Dosen-Kameras gefunden waren.<br />

Dabei galt jedoch, außer einigen fototechnischen<br />

Details folgendes zu bedenken:<br />

Lochkameras, auf Grund der<br />

von mir verwendeten Dosenform oft<br />

auch nur schwer als solche zu erkennen,<br />

können – gerade in der heutigen<br />

Zeit – bei Menschen, die unerwartet<br />

mit ihnen konfrontiert werden, Ängste<br />

oder Ablehnung hervorrufen. So ist<br />

es mir zum Jahresende 2015 im Umfeld<br />

der Galerie des <strong>West</strong>ens passiert,<br />

dass Experten der Polizei anrückten,<br />

die die Kameras für mit Sprengstoff<br />

gefüllte Behälter hielten und bei der<br />

„Entschärfung“ wertvolles Bildmaterial<br />

ungewollt unbrauchbar machten.<br />

Dass es sich dabei nur um visuellen<br />

Sprengstoff handelte, nämlich die<br />

eingefangene Lichtenergie der Sonne,<br />

konnten die Beamten natürlich<br />

nicht ahnen und so war im Polizeibericht<br />

später sinngemäß zu lesen:<br />

Während die Künstlerin im Vorfeld<br />

nicht den Zusammenhang der Dosen<br />

mit Sprengstoff verstanden hatte,<br />

verstanden wir nicht den Zusammenhang<br />

der Dosen mit einer Kamera ...<br />

Aus der Serie „<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, auf<br />

Durchreise 2018“<br />

Gefahr des Scheiterns<br />

Auch wenn mir diese Geschichte<br />

mehr öffentliche Aufmerksamkeit bescherte<br />

als ich beabsichtigt hatte, war<br />

für mich diese Episode natürlich auch<br />

sehr lehrreich. Deshalb platzierte ich<br />

die fünf Kameras in der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

zwischen November 2018 und Januar<br />

<strong>2019</strong> auf verschiedenen privaten<br />

Grundstücken. Von einem Fenster, auf<br />

einem Dach, in knorrigen alten Bäumen<br />

und auf einem Steg an der Havel<br />

wurde für zwei Monate das Licht eingefangen.<br />

Anders als es in der heutigen<br />

digitalen Welt selbstverständlich<br />

erscheint, birgt solch ein analoges<br />

Experiment natürlich auch die Gefahr<br />

des Scheiterns. Störende, vorher<br />

nicht bedachte Reflexionen, können<br />

das schönste Motiv zunichte machen.<br />

Dennoch gelangen drei dieser Langzeitaufnahmen<br />

und bilden nun – für<br />

das menschliche Auge im täglichen<br />

Ermessen nicht sichtbar – die Veränderlichkeit<br />

des Sonnenstandes ab.<br />

Durch die Umlaufbahn der Erde um<br />

die Sonne wird dem Betrachtenden<br />

die Ewigkeit des Lichts vor Augen<br />

geführt. Das, was dauerhaft im Bild<br />

dargestellt wird und das, was nur kurz<br />

auftaucht – wie ein Vogel – und deshalb<br />

nicht im Bild bleibt …<br />

Die Autorin Annemarie Strümpfler,<br />

geboren 1949 in Heilbronn,<br />

verheiratet, zwei Kinder und<br />

drei Enkel, studierte Romanistik,<br />

Anglistik und Freie Bildende Kunst<br />

in Heidelberg, Montpellier und<br />

Ottersberg. Ausstellungen u. a. in<br />

Bremen, München, Dresden, Ystad<br />

und Nienburg.<br />

Aus der Serie „<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, auf<br />

Durchreise 2018“<br />

VERLOSUNG<br />

Wie lässt sich mit einem einfachen<br />

Experiment die Rotation der Erde nachweisen?<br />

SONNTAG<br />

15<br />

SEPTEMBER<br />

Wer die Frage beantworten kann,<br />

schreibt bitte an redaktion@wildpark-west.de<br />

oder an die Postanschrift<br />

Schweizer Straße 9, 14548<br />

Schwielowsee, GT <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

Kennwort „Experiment“. Einsendeschluss<br />

ist der 15. September<br />

<strong>2019</strong>. Unter den richtigen Einsendungen<br />

verlosen wir eine Zeichnung<br />

der Künstlerin Annemarie<br />

Strümpfler. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

44 AUF DURCHREISE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


„O Greule, Greule, wüste Greule!<br />

Hört ihr den Huf der Silbergäule?<br />

Es schreit der Kauz: pardauz! pardauz!<br />

da tauts, da grauts, da brauts, da blauts!“<br />

Bundeslied der Galgenbrüder<br />

„Der Silbergaul“<br />

Linde/Acryl, 2012<br />

von Horst Halling,<br />

Wilhelmshorst<br />

46


Zum 100. Geburtstag des Dichters Christian Morgenstern im März 2014<br />

eröffnete das Literatur-Museum auf dem Galgenberg in Werder – dort wo<br />

die Idee einer dichterischen Vereinigung entstand.<br />

Der Morgenstern auf dem Galgenberg<br />

VON JÜRGEN RASSBACH<br />

Obst und Obstwein bestimmen<br />

das Image der Blütenstadt<br />

Werder. Daran kann<br />

und soll auch nicht gerüttelt<br />

werden. Andererseits ist nicht zu<br />

übersehen, dass sich nach der Wende<br />

auch in kultureller Hinsicht einiges<br />

entwickelt hat. Dazu muss auch die<br />

Wiedergewinnung der einst landesweit<br />

berühmten Höhengaststätte<br />

Bismarckhöhe gezählt werden, deren<br />

großzügige Restaurierung nicht nur<br />

dem Baumblütenfest und dem Karnevalstreiben<br />

neue Impulse verliehen,<br />

sondern auch einen ganz neuen kulturellen<br />

Ort geschaffen hat.<br />

Freundeskreis Bismarckhöhe<br />

Zu danken ist das zuvörderst dem<br />

2004 ins Leben gerufenen „Freundeskreis<br />

Bismarckhöhe“, dessen ehrenamtliche<br />

Mitglieder den Museumsturm<br />

neu- und umgestaltet haben.<br />

Neben dem sogenannten Altenkirchzimmer,<br />

das die wechselvolle Geschichte<br />

des Gebäudes dokumentiert,<br />

entstanden eine Kunstgalerie und ein<br />

Gedenkort für den weltberühmten<br />

Dichter und Denker Christian Morgenstern.<br />

Titelbild vom Buch „Galgenlieder“<br />

aus dem Verlag Bruno Cassirer<br />

CHRISTIAN OTTO JOSEF WOLFGANG MORGENSTERN<br />

Christian Morgenstern im Alter von 18 Jahren<br />

Geboren in Bayern<br />

Christian Otto Josef Wolfgang<br />

Morgenstern wurde am 6. Mai<br />

1871 in München geboren.<br />

Umzug nach Berlin<br />

Nach dem Besuch eines Gymnasiums<br />

in Breslau und in Sorau<br />

zog Morgenstern 1894 nach<br />

Berlin und fand eine Anstellung<br />

in der Nationalgalerie.<br />

Erstes Buch<br />

Er arbeitete für die Zeitschriften<br />

„Tägliche Rundschau“ und „Freie<br />

Bühne“ sowie „Der Kunstwart“ und<br />

„Der Zuschauer“. 1895 erschien<br />

dann sein erstes Buch, der Gedichtzyklus<br />

„In Phanta‘s Schloss“.<br />

Galgenlieder<br />

1905 erschienen Morgensterns<br />

„Galgenlieder“. Er hatte sie zuvor im<br />

Kreis seiner Freunde – den Galgenbrüdern<br />

auf dem Galgenberg in<br />

Werder an der Havel – vorgetragen.<br />

Zuerst wollte er die Humoresken<br />

nicht veröffentlichen, aber nach<br />

einer Lesung im Berliner Kabarett<br />

Überbrettl gab er die Gedichte<br />

zur Veröffentlichung frei. Sie<br />

wurden sein größter Erfolg.<br />

Früher Tod<br />

Am 31. März 1914 starb<br />

Morgenstern mit nur<br />

42 Jahren an Tuberkulose.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 47


Bild link: Margareta Gosebruch von<br />

Liechtenstern, Ölgemälde, Jahr und<br />

Maler unbekannt<br />

Bild rechts: In den vier Jahren der Ehe,<br />

die Margareta mit einem Schwerkranken<br />

eingegangen war, ist sie Christian<br />

nicht nur liebende Ehefrau und<br />

Glaubensschwester, auch Mitarbeiterin,<br />

Beraterin, Organisatorin des<br />

gemeinsamen Lebens und Reisens zu<br />

verschiedenen Kurorten und zunehmend<br />

Pflegerin.<br />

DIE KORFSCHE UHR<br />

Korf erfindet eine Uhr,<br />

die mit zwei Paar Zeigern kreist,<br />

und damit nach vorn nicht nur,<br />

sondern auch nach rückwärts weist.<br />

Zeigt sie zwei, - somit auch zehn;<br />

Zeigt sie drei, - somit auch neun,<br />

und man braucht nur hinzusehen,<br />

um die Zeit nicht mehr zu scheun.<br />

Denn auf dieser Uhr von Korfen,<br />

mit dem janushaften Lauf,<br />

(dazu ward sie so entworfen):<br />

Hebt die Zeit sich selber auf.<br />

Das weltweit einzige Museum<br />

Noch immer sind es wenige, die<br />

wissen, warum es gerade Werder ist,<br />

das das weltweit einzige Museum für<br />

Christian Morgenstern besitzt und<br />

seit 2018 sogar eine Morgensterngesellschaft.<br />

Es ist der Galgenberg, dem<br />

Werder diese Attraktion verdankt; sogar<br />

das Blütenfest spielt dabei eine<br />

Rolle. Am 5. Mai 1895 (das haben<br />

Recherchen ergeben), einem sogenannten<br />

„Goldenen Sonntag“, zog es<br />

wieder tausende Berliner in die Havelstadt.<br />

Darunter auch sechs jugendliche<br />

Künstler, Bohemiens, wie man<br />

damals abschätzig zu formulieren<br />

pflegte, angeführt von dem aufstrebenden<br />

Dichter Christian Morgenstern,<br />

der seinen 24. Geburtstag vorfeierte.<br />

Das wie alle vom Genuss des<br />

Obstweins froh beschwingte Sextett<br />

erstieg den Galgenberg und durchzechte<br />

die Nacht im fliederumrankten<br />

Garten, wo der Obstbauer Kassin<br />

einen Ausschank betrieb. In froher<br />

Runde wurde dort der Bund der Galgenbrüder<br />

begründet. Für diese Gemeinschaft<br />

(es kamen dann noch zwei<br />

dazu) schrieb Morgenstern die ersten<br />

Texte: Sie hießen „Galgenlieder“ und<br />

haben ihn später weltberühmt gemacht.<br />

Getroffen haben sich die Galgenbrüder<br />

allerdings nicht wieder auf<br />

dem Galgenberg, sondern in Berlin, in<br />

Hinterzimmern diverser Kneipen. Bei<br />

diesen Gelegenheiten (ein Spuk, der<br />

knapp zwei Jahre dauerte) entwickelte<br />

sich ein gespenstisches Ritual, ein<br />

fiktives Hinrichtungsspiel mit festen<br />

Regeln und unheimlichen Symbolen.<br />

Die acht Mitglieder trugen Decknamen:<br />

Morgenstern z. B. hieß Rabenaas,<br />

<br />

„Es war einmal<br />

ein Lattenzaun,<br />

mit Zwischenraum,<br />

hindurchzuschaun.“<br />

Der Lattenzaun<br />

CHRISTIAN MORGENSTERN LITERATURMUSEUM<br />

Geöffnet ist der Turm der Bismarckhöhe<br />

von März bis Oktober<br />

an jedem 2. und 4. Sonntag im Monat,<br />

von 14 Uhr bis 18 Uhr, dazu<br />

an Feiertagen und natürlich in<br />

der Blütenfestwoche. Individuelle<br />

Führungen können (besonders<br />

für Gruppen) telefonisch (03327<br />

71653 ) oder per E-Mail (vorsitzender@bismarckhoehe.de)<br />

vereinbart<br />

werden.<br />

Treffpunkt Galgenberg<br />

Jährlich dreimal treten Künstler<br />

oder Wissenschaftler auf, die das<br />

Werk Christian Morgensterns darstellen,<br />

oft mit musikalischen oder<br />

theatralischen Mitteln. Am letzten<br />

Wochenende im Oktober öffnet der<br />

Turm für die überregionale Veranstaltung<br />

„Feuer und Flamme für unsere<br />

Museen“ und lädt am Vorabend<br />

zum „Literarischen Salon“ ein.<br />

NÄCHSTER ÖFFNUNGSTAG<br />

07. April <strong>2019</strong>, 14-18 Uhr<br />

EINTRITT<br />

2,50 Euro, für Kinder frei<br />

ANSCHRIFT<br />

Hoher Weg 150 / Bismarckhöhe<br />

14542 Werder (Havel)<br />

WEB freundeskreis-bismarckhoehe.de<br />

48 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


„Und er kommt zu dem Ergebnis:<br />

Nur ein Traum war das Erlebnis.<br />

Weil, so schließt er messerscharf,<br />

nicht sein kann, was nicht sein darf.“<br />

<br />

Die unmögliche Tatsache<br />

sein bester Freund Friedrich Kayssler<br />

nannte sich Gurgeljochem. Alle Texte<br />

wurden gesungen und in einem hufeisenförmigen<br />

Bundesliederbuch gesammelt.<br />

Tiefsinniger Denker und Mystiker<br />

Wer es genau wissen will, dem<br />

sei der Besuch des 2014 eröffneten<br />

Christian Morgenstern Literatur-Museums<br />

empfohlen. Dort, im ersten<br />

Stockwerk des Aussichts- und Museumsturms<br />

der Bismarckhöhe, wird<br />

der Besucher umfassend über diesen<br />

weltberühmten Dichter informiert<br />

und erfährt z. B., dass er nicht nur humoristische<br />

Verse geschrieben hat,<br />

sondern ein tiefsinniger Denker und<br />

Mystiker war. Er kann sich über die<br />

spannende Entstehungsgeschichte<br />

des Museums informieren und sich<br />

einen Überblick über die regelmäßigen<br />

Veranstaltungen verschaffen.<br />

Wer sich direkt engagieren möchte,<br />

hat die Möglichkeit, Mitglied der<br />

2018 gegründeten Christian-Morgenstern-Gesellschaft<br />

e.V. zu werden. Auf<br />

einen besonderen Höhepunkt sei hier<br />

schon hingewiesen: die im Mai 2021<br />

stattfindenden zweitägigen Feierlichkeiten<br />

zum 150. Geburtstag des<br />

Dichters.<br />

Der Autor Jürgen Raßbach,<br />

Jahrgang 1944, geboren in<br />

Thüringen, Lehrer, verh., drei<br />

Töchter, lebt seit 1996 in Werder<br />

(Havel) und ist Museumsleiter<br />

sowie 1. Vorsitzender und<br />

Mitbegründer der Christian-<br />

Morgenstern-Gesellschaft e. V.


VOM IDYLLISCHEN KLEINOD ZUR VORHERSEHBAREN BAUSÜNDE<br />

Ob <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> oder Alt-Geltow: Ohne mögliche gestalterische Vorgaben<br />

und entgegen den Richtlinien des Textbebauungsplans hinsichtlich der vorhandenen<br />

Vegetation wurden die gewachsenen historischen Ortskerne in beiden<br />

Orten ihrer Seele beraubt. Die Verantwortung dafür trägt die Verwaltung der<br />

Gemeinde Schwielowsee und die Rathauskoalition in der Gemeindevertretung.<br />

Grüner Beton<br />

VON TATJANA GERBER<br />

Monatelang war quer über<br />

unseren Marktplatz in<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> ein großes<br />

Plakat gespannt, das mich<br />

aufforderte, 1025 Jahre Geltow zu<br />

feiern. Ich sollte eine Ortsgründung<br />

würdigen, die vor 1.000 Jahren und<br />

weiteren 25 geschah, während in wenigen<br />

Metern Entfernung zu diesem<br />

Plakat das historische Zentrum unseres<br />

Ortes zerstört wurde.<br />

Übermäßig dichte Bebauung<br />

Ganz klar – es geht um die massive<br />

und Natur zerstörende Bebauung<br />

eines Stück Landes, das einmal der<br />

Gründungsursprung unseres kleines<br />

Ortes an der Havel war. Nun stehen<br />

zwölf Bauten einer Bauträgerfirma,<br />

wo vorher Pferde grasten und die Geschichte<br />

der ersten Siedler erlebbar<br />

war.<br />

Andere Gemeinden erhalten ihre<br />

historische Substanz, legen großen<br />

Wert auf die Gestaltung ihrer Ortsmitte<br />

und hätten bestimmt aus einem<br />

alten Schaf- oder Pferdestall (die den<br />

Denkmalschutz wohl verdient hätten)<br />

eine behutsame, kreative und naturverträgliche<br />

Nachnutzung geschaffen.<br />

Die Gemeinde Schwielowsee<br />

konnte das bedauerlicherweise nicht.<br />

Eine solche Helma-Neubausiedlung<br />

könnte überall in Deutschland<br />

stehen. Nun steht sie auch in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

und ist unübersehbar, da<br />

die Bäume vor dieser Siedlung entweder<br />

stark vereinzelt oder komplett<br />

gerodet wurden. Prägend für unsere<br />

Ortsmitte ist nun eine übermäßig<br />

dichte Bebauung.<br />

Dass eine Baufirma nach maximalem<br />

Profit strebt, kann man ihr vorwerfen<br />

– es bringt allerdings nichts.<br />

Wachstum um jeden Preis<br />

Aber dass die Verwaltung und die<br />

Mehrheit unserer Gemeindevertreter<br />

in Schwielowsee sich dem beugt, sich<br />

nicht für ihre Gemeinde engagiert<br />

und jedem Groß-Bauvorhaben brav<br />

zustimmt, sollte man ihr vorwerfen –<br />

und das bringt auch etwas, denn viele<br />

Gemeindevertreter wollen im Mai<br />

diesen Jahres wieder gewählt werden.<br />

Es war völlig egal, dass sich engagierte<br />

Bürger seit über zehn Jahren<br />

um eine dem Ortsbild angepasste<br />

und behutsame Bebauung bemühten.<br />

Schriftstücke der Pioniere des <strong>Wildpark</strong><br />

e.V. zeugen davon. Aber vergeblich.<br />

Statt auf Gestaltung setzte die<br />

Gemeinde auf Wachstum um jeden<br />

Preis!<br />

Stolz verkündete Ortsbürgermeister<br />

Heinz Ofcsarik (BBS) im Beisein der<br />

Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU)<br />

auf der Ortsbeiratssitzung am 20. August<br />

2018, dass Geltow nun endlich<br />

die Schallmauer von 4.000 Einwohnern<br />

im Juli überschritten habe.<br />

Kein Erhalt des Ortsbildes<br />

Dabei hätte es durchaus die Option<br />

gegeben, dem Bauträger mit<br />

einer Gestaltungssatzung konkrete<br />

Vorgaben zu machen und darin auch<br />

besondere Regelungen vom Erhalt<br />

des Ortsbildes bis hin zum Erhalt von<br />

Bäumen zu treffen. Aber die Chance,<br />

das Areal nachhaltig und im Dialog<br />

mit den Bürgerinnen und Bürgern zu<br />

entwickeln, wurde vertan. Die Zerstörung<br />

von Historischem, von Natur,<br />

pflanzlicher Vielfalt und Artenreichtum<br />

wird eher achselzuckend hingenommen.<br />

Blick vom Marktplatz, kurz vor<br />

Beginn der Bautätigkeit<br />

Fotos: Jim Kent<br />

52 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Charme von grünem Beton<br />

Zurück zur Immobilienträgerfirma<br />

Helma, deren Werbung einem wie<br />

aus vergangenen Zeiten erscheint, als<br />

Klimawandel und Artensterben noch<br />

Fremdwörter waren. In ihren Prospekten<br />

für <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> sind die Häuser<br />

umgeben von kurz gehaltenem<br />

Rasen, der den Charme von grünem<br />

Beton verströmt. Sträucher oder gar<br />

Bäume findet man selten und wenn,<br />

dann handelt es sich nicht um einheimische<br />

Gehölze. Ich würde mich nicht<br />

wundern, wenn eine Flasche Glyphosat<br />

zum Einzuggeschenk der Firma<br />

gehören würde.<br />

Ein unerwartetes Zugeständnis<br />

soll die Firma laut Frau Simon vom<br />

Fachbereich Bauen der Gemeinde gemacht<br />

haben: Die Pflanzung jeweils<br />

eines Baumes an der Straßenseite der<br />

Grundstücke Am Ufer. Die Gemeindeverwaltung<br />

schien selbst verwundert<br />

über dieses Angebot, denn gefordert<br />

hat sie das nicht.<br />

Der Fachbereich Bauen/Ordnung/<br />

Sicherheit fordert auch sonst nicht<br />

einmal durchgängig die Einhaltung<br />

der eigenen Satzungen. In Gesprächen<br />

wird ständig der Eindruck vermittelt,<br />

zwischen widerstreitenden<br />

Interessen zerrieben zu werden. Da<br />

stellen Bürger einen Baumfällantrag<br />

oder eine Baufirma einen Bauantrag.<br />

Wieder andere beklagen übermäßige<br />

Baumfällungen oder nicht ortstypische<br />

Bebauungen. Man könne es<br />

nun mal nicht allen recht machen und<br />

eine Lösung gebe es nicht. Aber die<br />

Antwort darauf kann doch nur sein,<br />

erstens die gemeinsam festgelegten<br />

Regeln strikt einzuhalten und zweitens<br />

im besten Sinne des Wortes: Bürgerbeteiligung,<br />

bei der die Einwohner<br />

transparent bei der Gestaltung ihres<br />

Wohnortes mitgenommen werden. Ja,<br />

das ist vielleicht anstrengend, aber<br />

alle Mal die Mühe wert. Sich stattdessen<br />

über diejenigen aufzuregen, die<br />

das einfordern, führt dagegen in die<br />

Sackgasse.<br />

Keinen Einfluss auf Gestaltung<br />

Keine Schuld an der Entwicklung<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> tragen selbstverständlich<br />

die neuen Bewohner der<br />

Helma-Siedlung. Sie hatten vorab<br />

keinen Einfluss auf die Gestaltung<br />

des Areals und den Kahlschlag. Jetzt<br />

haben die neuen <strong>Wildpark</strong>er die Möglichkeit,<br />

ihre Grundstücke an den<br />

Waldcharakter unserer Siedlung anzupassen,<br />

die jetzt auch ihre ist. Die<br />

Bürgerinitiative <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> wird<br />

sie dabei gern unterstützen.<br />

Nachtrag<br />

Die 1.025 Jahre Geltow wollte ich<br />

dann auch nicht mitfeiern, denn direkt<br />

neben dem wirklich einmal schönen<br />

Alt-Geltow mit seiner Kirche, dem<br />

Handwebereimuseum und der alten<br />

Schule wurden ebenso Neubauten<br />

aus dem Boden gestampft, die das<br />

historische Ambiente weitestgehend<br />

zerstört haben.<br />

Die Autorin Tatjana Gerber,<br />

geboren 1972 in Leipzig, ist<br />

Diplom Politik-Wissenschaftlerin.<br />

Sie ist verheiratet und hat zwei<br />

Kinder. Seit 1990 lebt sie mit<br />

Unterbrechungen in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

„Verboten sind auch alle<br />

Einwirkungen auf den<br />

Wurzelbereich von<br />

geschützten Bäumen ...“<br />

<br />

§4 Baumschutzsatzung<br />

Ordnungswidrigkeiten<br />

können mit bis zu<br />

50.000 Euro<br />

geahndet werden.<br />

<br />

§8 Baumschutzsatzung<br />

Diese Robinie hat die Bautätigkeiten<br />

nicht überstanden, da ihre Wurzeln bei den<br />

Pflasterarbeiten einfach abgesägt wurden - zum<br />

großem Bedauern der neuen <strong>Wildpark</strong>er.<br />

Foto: Lars Augustin<br />

54 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


VOM UMGANG MIT MÜNDIGEN BÜRGERN<br />

Das Land des Lächelns<br />

So lautet der Titel einer 1929 uraufgeführten romantischen Operette<br />

von Franz Lehár, deren Handlung eigentlich im fernen Asien spielt.<br />

Doch gemeint war mit der Handlung nicht das wirkliche China,<br />

sondern eine Scheinwelt – verborgen hinter einer Maske ewigen Lächelns …<br />

VON CARSTEN SICORA<br />

sprechen mit der Bürgermeisterin!“,<br />

donnert<br />

ungefragt die Stimme des<br />

„Sie<br />

Abgeordneten Hüller (FDP)<br />

durch den Sitzungsraum und unterbricht<br />

in grober Weise die Ausführungen<br />

eines Einwohners, der es gewagt<br />

hatte, mit seiner durchaus höflich<br />

formulierten und sachlich vorgetragenen<br />

kritischen Anmerkung, die ihn<br />

scheinbar umgebende heile Welt in<br />

Frage zu stellen. Heiko Hüller gilt seit<br />

seinen Äußerungen auf der Sitzung<br />

der Gemeindevertretung im Juli 2018<br />

als nicht sehr bürgernah: „Ich lehne<br />

eine Beeinflussung durch einzelne<br />

Bürger oder Bürgerinitiativen ab. [ ... ]<br />

Die Meinungsbildung in Deutschland<br />

geschieht durch Parteien.“ Doch das<br />

sieht nicht jeder so. „Die Menschen<br />

wollen nicht belehrt, sondern gehört<br />

und beteiligt werden [ ... ] Demokratie<br />

ist nichts, was man bei Amazon<br />

bestellen kann und dann wartet bis<br />

es kommt oder nicht kommt und bei<br />

Nichtgefallen wieder zurückschickt.<br />

Ob Demokratie bestehen bleibt,<br />

hängt auch nicht von einzelnen Politikern<br />

ab, sondern davon, ob wir uns<br />

einmischen“, sagte unlängst Bundespräsident<br />

Frank-Walter Steinmeier<br />

in einer vielbeachteten Rede in Krefeld<br />

und schien damit genau den Nagel<br />

auf den Kopf getroffen zu haben:<br />

Warum ist es in der heutigen Zeit so<br />

schwer, kritische Meinungen Andersdenkender<br />

zu ertragen und sich sach-<br />

<br />

<br />

„Ich lehne eine<br />

Beeinflussung durch<br />

einzelne Bürger oder<br />

Bürgerinitiativen ab.“<br />

Heiko Hüller, FDP<br />

Heile Welt: Bürgermeisterin Kerstin<br />

Hoppe beim Neujahrsempfang Januar<br />

<strong>2019</strong> in Ferch<br />

lich mit ihren Argumenten auseinander<br />

zu setzen?<br />

Zwischen den Zeilen lesen<br />

Seien wir doch einmal ehrlich: Wer<br />

hat es schon gern, von jemand anderem<br />

ungefragt einen Spiegel vorgehalten<br />

zu bekommen, vielleicht noch<br />

einen matt gewordenen, mit einem<br />

von Rissen durchzogenen Abbild<br />

der Realität? Wer hat es schon gern,<br />

sich dann noch obendrein anhören<br />

zu müssen, dass Fragen über offensichtliche<br />

Missstände immer noch<br />

unbeantwortet sind oder, anders als<br />

es in den Protokollen nachzulesen ist,<br />

in der Sache unbeantwortet blieben.<br />

Überhaupt ist es mit der Wahrheit<br />

so eine Sache. Nur wer gewohnt ist,<br />

zwischen den Zeilen zu lesen, wird<br />

die tatsächlichen Zusammenhänge<br />

der gegebenen Antworten verstehen<br />

können. Ein Beispiel: Viele Einwohner<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> befürchten, dass<br />

auf dem Gelände des ehemaligen Ferienlagers<br />

Schweizer Straße ein zweiter,<br />

noch größerer Siedlungsbau als<br />

der am Markt entstehen könnte. Die<br />

Sorge scheint nicht ganz unbegründet,<br />

ist dieses Bauvorhaben doch in<br />

der verbindlichen Bauleitplanung der<br />

Gemeinde Schwielowsee verzeichnet.<br />

Bürgermeisterin und Ortsvorsteher,<br />

reagierten übernervös auf die Veröffentlichungen<br />

durch die Bürgerinitiative<br />

im 6. Info-Blatt, wiegelten ab und<br />

unterstellten in einer Stellungnahme,<br />

56 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


IM LAND DES LÄCHELNS<br />

Aus dem Paradies<br />

flog ein Traum mir zu,<br />

Kiefernduft am Havelstrand,<br />

dacht, hier find ich Ruhʼ.<br />

Deine Liebe, meine Liebe,<br />

die beiden sind mir gleich.<br />

Jeder Mensch hat nur ein Herz<br />

und ein Himmelreich.<br />

ganzseitig in der Gemeindezeitung<br />

abgedruckt, die Verbreitung von unrichtigen<br />

und unvollständigen Sachverhalten:<br />

„Soweit […] der Eindruck<br />

erweckt wird, dass für die Fläche des<br />

alten Ferienlagers unmittelbar eine<br />

Siedlungsbebauung ansteht, so ist<br />

auch dieser Eindruck unzutreffend.<br />

Die Bebauung dieser Fläche ist nur<br />

dann möglich, wenn die Gemeindevertretung<br />

der Gemeinde Schwielowsee<br />

einen Bebauungsplan aufstellt,<br />

der eine solche Bebauung zulässt.<br />

Dass die Gemeindevertretung der<br />

Gemeinde Schwielowsee einen Beschluss<br />

zur Aufstellung eines solchen<br />

Bebauungsplanes fassen möchte, ist<br />

derzeit nicht absehbar.“<br />

Die Wortmeldung<br />

„Nicht nur die Kinder speist man<br />

mit Märchen ab“, stellte schon vor<br />

250 Jahren der Schriftsteller und Kritiker<br />

Gotthold Ephraim Lessing fest.<br />

Nun, wenn man unter „unmittelbar“<br />

einen Zeitraum von ein bis zwei<br />

Jahren annimmt, mag diese Aussage<br />

durchaus belastbar sein. Doch was<br />

ist dann? Hat dann vielleicht die Gemeindevertretung<br />

inzwischen doch<br />

einen Beschluss zur Aufstellung eines<br />

Bebauungsplanes gefasst? Hatte<br />

nicht Matthias Fannrich (BBS) selbst,<br />

der in seiner „Wortmeldung“ an alle<br />

Einwohner von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> vom<br />

Erhalt der <strong>Waldsiedlung</strong> sprach, in<br />

der Sitzung der Gemeindevertretung<br />

<br />

<br />

<br />

„Die Menschen<br />

wollen nicht belehrt,<br />

sondern gehört und<br />

beteiligt werden.“<br />

Frank-Walter Steinmeier,<br />

Bundespräsident<br />

am 9. Mai 2018 für den verbindlichen<br />

Bauleitplan der Gemeinde Schwielowsee<br />

gestimmt und dafür gesorgt,<br />

dass in der Prioritätenliste dieses<br />

Gebiet mit Planungsbedarf auf der<br />

Grundlage des Flächennutzungsplanes<br />

der Gemeinde (ausgewiesen als<br />

Bauland) mit Planinhalt Wohngebiet<br />

verzeichnet ist? Hat er damit nicht<br />

auch die Grundlagen geschaffen, dass<br />

Baurecht zustande kommen kann?<br />

„Ehe das umgesetzt ist, vergehen<br />

noch mindestens zehn Jahre“, meinte<br />

er dazu im September 2018 zur<br />

Veranstaltung am Runden Tisch, zu<br />

der die Bürgerinitiative damals die<br />

Gemeindevertreter eingeladen hatte.<br />

Wenn man aber weiß, dass diese<br />

Bauvoranfrage seit 5 Jahren vorliegt,<br />

relativiert sich die Aussage deutlich.<br />

Und um einen Bebauungsplan aufzustellen<br />

braucht es nicht viel – es bedarf<br />

nur der nötigen Mehrheiten in<br />

der Gemeindevertretung.<br />

Wie wunderbar, wie wunderbar<br />

ist dein strahlendʼ Blick.<br />

Lächelst lügend alles weg<br />

nach uns bleibt nichts zurück.<br />

Was bleibt ist wertlos,<br />

nichts von Dauer<br />

Landschaft zerstört,<br />

das Grün nun grauer.<br />

Kein Hauch wird mehr<br />

durch Bäume fächeln,<br />

Der Vorhang fällt –<br />

verlorenes Lächeln.<br />

Ich hab geglaubt an<br />

Menschenglück,<br />

was habt ihr nur getan?<br />

Nie kehrt ein solcher Traum zurück,<br />

vorbei der Irren Wahn.<br />

Unsterblich habt ihr euch gemacht,<br />

die Namen sind eingebrannt.<br />

Damit man Dummheit nie vergisst<br />

im heißen Märkʼschen Sand.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 57


DES KAISERS NEUE KLEIDER<br />

Ei! Wie gut es kleidet, wie<br />

gut es sitzt, sagten alle.<br />

Welche Muster, welche Farben!<br />

Das ist eine köstliche Tracht!<br />

Sitzen sie nicht gut?,<br />

fragte der Kaiser und wendete<br />

sich nochmal dem Spiegel<br />

zu, denn es sollte scheinen,<br />

als ob er alles betrachte.<br />

Die Kammerherren griffen mit<br />

den Händen nach dem Boden,<br />

gerade als ob sie eine prächtige<br />

Schleppe aufhöben, sie gingen<br />

und taten, als ob sie etwas in der<br />

Luft hielten, sie wagten nicht, es<br />

sich merken zu lassen, dass sie<br />

nichts sehen konnten. So ging<br />

der Kaiser in Prozession unter<br />

dem prächtigen Thronhimmel<br />

und alle Menschen auf der<br />

Straße und in den Fenstern<br />

sprachen: „Wie sind des Kaisers<br />

neue Kleider unvergleichlich;<br />

welch Schleppe er am Kleide<br />

hat, wie schön alles sitzt!“<br />

Keiner wollte es sich merken<br />

lassen, dass er nichts sah, denn<br />

dann hätte er ja nicht zu seinem<br />

Amt getaugt oder wäre sehr<br />

dumm gewesen. Keine Kleider<br />

des Kaisers hatten solches<br />

Glück gemacht wie diese.<br />

„Aber er hat ja gar nichts an“,<br />

sagte endlich ein kleines Kind.<br />

„Aber er hat ja gar nichts an!“,<br />

rief zuletzt das ganze Volk.<br />

Das ergriff den Kaiser, denn es<br />

schien ihm, sie hatten recht; aber<br />

er dachte bei sich: „Nun muss<br />

ich die Prozession aushalten.“<br />

Und die Kammerherren gingen<br />

noch straffer und trugen die<br />

Schleppe, die gar nicht da war ...<br />

Ausweisung als Schutzwald<br />

Bauen um jeden Preis, das ist des<br />

Pudels Kern! Naturschutz oder Baumerhalt<br />

in einer <strong>Waldsiedlung</strong> ist dabei<br />

nur hinderlich und kritische Bürger<br />

erst recht. Am 11. März <strong>2019</strong> hatte<br />

die Bürgerinitiative ihre Bitte an den<br />

Ortsbeirat Geltow herangetragen, das<br />

Ferienlager aus der Bauleitplanung<br />

herauszunehmen, das Gebiet als<br />

Wald auszuweisen und unter Schutz<br />

des Waldgesetzes zu stellen. Die<br />

Abfuhr und die Aussagen zu diesem<br />

Thema von BBS, CDU und UBS waren<br />

deutlich. Auch Bürgermeisterin Kerstin<br />

Hoppe (CDU) erklärte prüfen zu<br />

lassen, ob sie überhaupt verpflichtet<br />

sei, auf solche Fragen von Bürgern<br />

zu antworten. Der von Friedhelm-<br />

Schmitz-Jersch (SPD) darauf hin eingebrachte<br />

Antrag, dass im Flächennutzungsplan<br />

als „Bebauungsfläche“<br />

ausgewiesene Areal in „Waldfläche“<br />

umzuwidmen, fand keine Mehrheit.<br />

BBS, UBS und CDU stimmten dagegen.<br />

Die Bürger hatten die Beruhigungspille,<br />

das angefragte Bauvorhaben<br />

stillschweigend zurückzustellen und<br />

aus der Prioritätenliste zu streichen,<br />

nicht geschluckt. Doch solch ein Antrag<br />

ging dann doch zu weit: „Weiß ich<br />

heute, ob nicht in zehn oder zwanzig<br />

Jahren, meine Nachfolger im Amt<br />

nicht doch dort bauen wollen?“, stellte<br />

Fleischermeister Bothe in seiner<br />

gewohnt offenen Art die Frage in die<br />

Runde der Ortsbeiratsmitglieder. Ja,<br />

genau darum ging es in dem Antrag:<br />

Eine Bebauung im Außenbereich der<br />

Siedlung dauerhaft zu verhindern.<br />

Doch zumindest sind damit die Linien<br />

klar abgesteckt: Wer im Mai zur Kommunalwahl<br />

seine Stimme den Kandidaten<br />

von BBS, CDU oder UBS gibt,<br />

weiß nun, dass er damit perspektivisch<br />

auch den neuen 1,3 Hektar großen<br />

Siedlungsneubau auf dem alten<br />

Ferienlagergelände unterstützt. Vielleicht<br />

ist ja genau das der springende<br />

Punkt, der in die Diskussion gebracht<br />

werden sollte: Welches Konzept verfolgt<br />

die Gemeinde Schwielowsee in<br />

ihrer weiteren Entwicklung? Behutsamer<br />

Ausbau unter Einbeziehung aller<br />

gesellschaftlichen Kräfte oder das<br />

rigorose Umsetzen von Bauvorhaben<br />

ohne Rücksicht auf die uns anvertraute<br />

Natur und Umwelt, auf die wir<br />

– wollen wir die Wohn- und Lebensqualität<br />

erhalten – mehr als angewiesen<br />

sind. Hier muss, bevor vollendete<br />

Tatsachen geschaffen werden, in den<br />

Dialog getreten und gemeinsam nach<br />

Lösungen gesucht werden. Wie ist es<br />

der Gemeinde möglich, den gesellschaftlichen<br />

und klimapolitischen Anforderungen,<br />

die natürlich auch bauliche<br />

Entwicklungen mit einschließen<br />

,und den Erhalt von Umwelt und Natur<br />

unter einen Hut zu bringen? Dabei<br />

gibt es mit dem Textbebauungsplan,<br />

der Baumschutzsatzung und dem<br />

Leitbild Energie und Klimaschutz der<br />

Gemeinde Schwielowsee 2030 bereits<br />

klare Vorgaben, die einfach nur<br />

umgesetzt werden müssten.<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

58 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


„Heute bin ich immer noch genauso motiviert wie zu<br />

Beginn und natürlich auch unheimlich stolz unsere<br />

schöne Gemeinde weiterhin führen zu dürfen“<br />

<br />

Nicht alles ist kontrollierbar<br />

Eigentlich könnte alles so einfach<br />

sein: Die mit einer demokratischen<br />

Mehrheit gewählte Bürgermeisterin<br />

hätte Zeit sich ihren, auch repräsentativen,<br />

Aufgaben zu widmen:<br />

Bürgernähe, Neujahrsempfang,<br />

Weißes Fest, Fährfest, Festveranstaltung<br />

680 Jahre Wiese Gallin, ein Lächeln<br />

hier – ein Lächeln da …<br />

„Heute bin ich immer noch genauso<br />

motiviert wie zu Beginn und natürlich<br />

auch unheimlich stolz unsere<br />

schöne Gemeinde weiterhin führen<br />

zu dürfen“, verkündete die Bürgermeisterin<br />

im Februar <strong>2019</strong> in der regionalen<br />

Tagespresse.<br />

Doch ganz so einfach ist es eben<br />

nicht, da in den letzten Jahrzehnten<br />

ein „Staat im Staate“ entstanden<br />

ist, eine Verwaltung, die nicht mehr<br />

kontrollierbar erscheint und tun und<br />

lassen kann, was sie will. „Ich habe<br />

keine andere Verwaltung“, gestand<br />

die Bürgermeisterin in dem bisher<br />

einzigen Gespräch mit der Bürgerinitiative<br />

im Vorfeld ihrer Wahl zur<br />

Bürgermeisterin ein. Spielte sie darauf<br />

an, dass gute Fachleute zur Zeit<br />

auf dem Arbeitsmarkt rar sind und bei<br />

der Besoldung vor die Wahl gestellt,<br />

natürlich lieber eine Stelle in der<br />

freien Wirtschaft vorziehen? Nein, im<br />

Fercher Rathaus arbeiten auch gute<br />

Leute. Dennoch ist es für die Bürgermeisterin<br />

ein Spagat, der auf lange<br />

Zeit nicht gut gehen kann, denn nicht<br />

alles ist kontrollierbar für sie. Und<br />

Kerstin Hoppe, Bürgermeisterin<br />

wenn mal wirklich etwas daneben<br />

geht und Prozesse, wie die Musterklagen<br />

des NABU im letzten Jahr, Verwaltungsversagen<br />

bloßstellen, so liegt<br />

es ja nicht an der Gemeinde, dass<br />

zusätzliche Kosten durch die „nicht<br />

erforderlichen Klagen des NABU verursacht<br />

worden sind.“ Denn schließlich<br />

hätte man ja wohl nicht beklagt<br />

werden müssen. „Wir haben da eine<br />

andere Rechtsauffassung“ – diese<br />

oft gehörte Formulierung schiebt die<br />

Forderung nach verwaltungsrechtlichem<br />

Handeln einfach so zur Seite.<br />

Was Recht ist, scheint die Verwaltung<br />

zu entscheiden und ihre mit unseren<br />

Steuergeldern finanzierte Rechtsabteilung.<br />

Vom Umgang mit der Realität<br />

Doch das wahre Leben sieht nun<br />

mal anders aus. Anders als im Havelboten,<br />

der von der Bürgermeisterin<br />

der Gemeinde Schwielowsee herausgegebenen<br />

Heimatzeitung, jeden<br />

Monat neu nachzulesen ist, gibt es<br />

in der Gemeinde gravierende Probleme<br />

im Umgang mit der Realität. Im<br />

Umgang mit der Wahrheit, der Transparenz<br />

und mündigen Bürgern, die es<br />

wagen, offen Missstände zu benennen,<br />

Verwaltungshandeln in Frage zu<br />

stellen und ehrliche Antworten einfordern<br />

– nachdem sie jahrelang mit<br />

Ausflüchten und Verharmlosungen<br />

hingehalten wurden. Dabei scheint<br />

es oberflächlich betrachtet völlig<br />

gleichgültig, weswegen sich Bürger<br />

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WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 59


BÜRGERMEISTERWAHL 2018 IN WILDPARK-WEST<br />

Wahlberechtigt: 646 Einwohner Wähler im Wahllokal: 331 (51,2 %)<br />

Hoppe (CDU)<br />

190 Stimmen<br />

29,4 %<br />

19,8 %<br />

Holstein (SPD)<br />

128 Stimmen<br />

Briefwähler<br />

und/oder<br />

Nichtwähler<br />

315 Stimmen*<br />

48,8 %<br />

Ungültige Stimmen<br />

13 Stimmen (2 %)<br />

<br />

Quelle: Gemeinde Schwielowsee<br />

* Die genaue Zahl der Briefwähler aus <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> ist nicht verifizierbar, da<br />

sie nicht veröffentlicht wurde. Es könnten ebenso gut 315 Nichtwähler sein.<br />

in die Kommunalpolitik einmischen.<br />

Ob freier Uferzugang neben der Villa<br />

Maurus, Sorge um sauberes Trinkwasser<br />

in Geltow, das Abholzen einer<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> oder abgehängte Bürger<br />

in Ferch-Flottstelle: Kritische Bürger<br />

scheinen unerwünscht; schon das<br />

Wort Interessengemeinschaft oder<br />

Bürgerinitiative ruft nicht nur im Fercher<br />

Rathaus Verstimmung hervor.<br />

Doch woran liegt das? Und wie ist auf<br />

der anderen Seite der Vertrauensverlust<br />

von großen Teilen der Einwohnerschaft<br />

gegenüber der Verwaltung<br />

entstanden?<br />

Die bröckelnde Fassade<br />

Oft geprägt von eigenen Erfahrungen<br />

der Vergangenheit können Bürger<br />

mittlerweile sehr wohl einschätzen,<br />

was es mit ständig wiederkehrenden<br />

Erfolgsmeldungen im Gemeindeblatt<br />

und in den vom Rathaus herausgegebenen<br />

Pressemitteilungen auf sich<br />

hat. Selbstlob, das kaum noch jemand<br />

ernst nimmt. Doch schaut man einmal<br />

hinter die Kulissen, ist man erstaunt,<br />

wie bröcklig die Fassade eigentlich<br />

ist. Glaubt man den von der Gemeinde<br />

veröffentlichten Berichten zur<br />

Kinderbetreuung, so wird fast jedes<br />

fünfte Kind, das in der Gemeinde<br />

Schwielowsee wohnt, außerhalb oder<br />

in Tagespflege betreut. Die Eltern<br />

wissen es also durchaus zu schätzen,<br />

dass nun endlich zwei neue Kitas entstehen<br />

sollen. Doch bei den Recherchen<br />

zum neuen Kindergarten vor der<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> musste die Redaktion<br />

erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass<br />

bis auf eine Absichtserklärung des<br />

freien Trägers eine Kita zu errichten,<br />

das Projekt Kindergarten eher auf der<br />

Stelle tritt. Während beim Neujahrsempfang<br />

der Bundeswehr Generalleutnant<br />

Pfeffer, Befehlshaber des<br />

Einsatzführungskommandos der Bundeswehr,<br />

und der Oberbürgermeister<br />

der Stadt Potsdam Mike Schubert in<br />

ihren Reden die Leuchtturmwirkung<br />

der über gemeindliche Strukturen<br />

funktionierenden Zusammenarbeit<br />

bei der Umsetzung des Kindergartenneubaus<br />

hervor hoben, zog es<br />

die Bürgermeisterin in Ferch vor, zu<br />

diesem Thema dezent zu schweigen.<br />

Auf der Sitzung der Gemeindevertretung<br />

im Dezember letzten Jahres<br />

forderte die Bürgermeisterin jedoch<br />

alle Gemeindevertreter auf, nach Argumenten<br />

zu suchen, um die durchaus<br />

ernst zu nehmenden Einwendungen<br />

der Naturschutzbehörde zu<br />

entkräften, auch um öffentliche Negativschlagzeilen<br />

zu vermeiden. Ihre<br />

zuständige Fachbereichsleiterin, in<br />

jahrzehntelanger Verwaltungsarbeit<br />

gewohnt, kleine Formfehler in der<br />

Planungsvorbereitung auszubügeln,<br />

sieht das eher unkompliziert, da dass<br />

Argument der Geltendmachung von<br />

„öffentlichem Interesse“, vermutlich<br />

60 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


jedes sachliche Argument der Behörde<br />

im Wasser der Sumpfwiesen versinken<br />

lässt. Längst wird auch kein<br />

Beifall mehr geklatscht, wenn die<br />

Bürgermeisterin berichtet, wie stolz<br />

sie auf den gut voranschreitenden<br />

Bau der Geltower Schule ist und wie<br />

dankbar sie für die tatkräftige Mithilfe<br />

bei der Einrichtung der Container<br />

sei. War denn die Schülerentwicklung<br />

nicht vorhersehbar?<br />

Warum wurde erst so spät mit den<br />

Planungen begonnen? Und basiert<br />

die Kostenexplosion tatsächlich nur<br />

auf dem einen unvorhersehbaren Regenfall<br />

im letzten <strong>Sommer</strong>?<br />

Vertrauen in die Verwaltung?<br />

Undurchsichtige Auftragsverteilung<br />

und für Außenstehende nicht<br />

nachvollziehbare Geldströme lassen<br />

zudem an der Transparenz der<br />

Arbeit der Verwaltung und der ihr<br />

vorstehenden Verwaltungsbeamtin<br />

zweifeln und beschädigen damit die<br />

Glaubwürdigkeit der mit den Vorgängen<br />

betrauten Personen.<br />

Glaubwürdigkeit und Vertrauen,<br />

sind aber die Grundpfeiler unserer<br />

Kommunalpolitik. Im Jahr 2017<br />

fragte ein Bürger, der in Ferch bauen<br />

wollte bei der Verwaltung an, ob<br />

im Umfeld seines geplanten Hauses<br />

Planungen bestehen, die den Wert<br />

seines Grundstücks und die Wohnqualität<br />

mindern könnten. Die gebührenpflichtige<br />

Auskunft ließ nicht<br />

lange auf sich warten, und die gewählten<br />

Formulierungen erweckten<br />

bei ihm den Eindruck, dass keine Gebäude<br />

vorgesehen waren, die sich<br />

nicht in die vorhandene Bebauung<br />

einfügten. Heute, nach Fertigstellung<br />

seines kleinen Traumhauses, ist<br />

seine Freude über die eigenen vier<br />

Wände in Resignation und Empörung<br />

umgeschlagen: Nur wenige Meter<br />

neben seinem Wohnzimmerfenster<br />

soll ein vierstöckiges Bauvorhaben<br />

mit 22 Wohnungen eines Investors<br />

umgesetzt werden ...<br />

Autor Carsten Sicora, geboren<br />

1967 in Dresden, verheiratet, lebt<br />

seit 1989 in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

WILDPARK-WEST IN ZAHLEN<br />

ALTER<br />

GESAMT<br />

0 bis 5 20 24 44<br />

6 bis 17 45 43 88<br />

18 bis 66 253 265 518<br />

65-79 77 64 141<br />

< 80 33 30 63<br />

Gesamt 428 426 854<br />

JAHR<br />

GEMELDETE EINWOHNER<br />

1938 160<br />

Januar 1945 230<br />

April 1945 mit Flüchtlingen 450<br />

Mai 1991 483<br />

mit Zweitwohnsitz ca. 600<br />

2007 670<br />

mit Zweitwohnsitz 771<br />

November 2018 mit Zweitwohnsitz 808<br />

Januar <strong>2019</strong> 777<br />

mit Zweitwohnsitz 854<br />

Quelle: Einwohnermeldeamt Gemeinde Schwielowsee<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 61


„Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch<br />

über Bäume fast ein Verbrechen ist,<br />

weil es ein Schweigen über so viele<br />

Untaten mit einschließt“<br />

<br />

Berthold Brecht<br />

Die Akte Schweizer Straße<br />

VON CARSTEN SICORA<br />

Ungläubig und fassungslos mussten nicht nur die unmittelbaren<br />

Anwohner an diesem nasskalten Januarmorgen mit ansehen,<br />

wie unserem Ort innerhalb kurzer Zeit eine weitere, wohl kaum<br />

mehr verheilende Wunde zugefügt wurde. Entgegen aller<br />

menschlichen Vernunft und möglicherweise auch entgegen<br />

den gesetzlichen Bestimmungen wurden innerhalb weniger<br />

Stunden die beiden letzten Grundstücke des kleinen<br />

Wäldchens im Ortszentrum völlig baumfrei gemacht.<br />

Ohne Rücksicht auf das Ortsbild<br />

einer ohnehin schon zerzausten<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> wurde ohne ersichtliche<br />

Notwendigkeit völlig<br />

gesunder Baumbestand gerodet, um „Baufreiheit“<br />

zu schaffen. Wie war so etwas<br />

möglich? Hatten nicht erst vor einigen Wochen<br />

die Gemeindevertreter durchgesetzt,<br />

dass konsequent die Bestimmungen der<br />

Baumschutzsatzung in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> eingehalten<br />

werden sollten? Wurde nicht sogar<br />

auf Vorschlag der Bürgerinitiative genau zu<br />

diesem Zweck ein externer Sachverständiger<br />

eingesetzt? Doch während auf den<br />

Nachbargrundstücken um jeden Baum gerungen,<br />

das schwierige Für und Wider der<br />

Standfestigkeit alter Bäume abgewogen<br />

wurde, ist hier mit wissentlicher Duldung<br />

der Bürgermeisterin und aktiver Beteiligung<br />

der Gemeindeverwaltung Kahlschlag vollzogen<br />

worden. 91 Bäume waren es diesmal,<br />

davon 35 Bäume, die unter die Baumschutzsatzung<br />

fielen. Nun dürfte auch der letzte<br />

Einwohner begriffen haben, wie ernst es<br />

um die <strong>Waldsiedlung</strong> bestellt ist. Die Worte<br />

von Frau Hoppe aus dem Frühjahr 2018<br />

dürften denjenigen, die sich seit Jahren<br />

ehrlichen Herzens für den Erhalt der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

einsetzen, wie Hohn in den Ohren<br />

klingen: „Seien Sie versichert, dass meinem<br />

Fachbereich Bauen, Ordnung und Sicherheit<br />

sowie auch mir der Schutz der Bäume in<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> ein großes Anliegen ist.“ In<br />

mehreren Pressemitteilungen und Stellungnahmen,<br />

so auch im Februarheft des von<br />

der Bürgermeisterin herausgegebenen Havelboten,<br />

versicherte die oberste Verwaltungsangestellte,<br />

dass die Gemeinde keine<br />

Einflussmöglichkeit gehabt habe. Doch lassen<br />

wir die Fakten sprechen:<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

62 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Lars Augustin<br />

27. Januar <strong>2019</strong>: Gemeinsamer Spaziergang von über 120 Bewohnern der <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

„Die Festsetzungen des Textbebauungsplanes<br />

„<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“ [ … ] , einschließlich seiner grünordnerischen<br />

Festsetzungen sind zu beachten und einzuhalten. […]<br />

Die Baumschutzsatzung der Gemeinde Schwielowsee ist zu beachten.“<br />

<br />

Auflagen zur Baugenehmigung Az-Nr.: 00063–18–20 der<br />

Unteren Bauaufsichtsbehörde vom 5. Dezember 2018<br />

16. Januar 2018<br />

Vor-Ort-Besichtigungstermin der<br />

Forst zur Feststellung, ob die Waldeigenschaft<br />

für das Grundstück 5a<br />

gegeben ist. Es wird festgestellt, dass<br />

die beiden Grundstücke Nr. 5a und 5b<br />

mit Forstpflanzen bestockt sind. Da<br />

die Fläche der beiden nebeneinander<br />

liegenden Grundstücke zu klein im<br />

Sinne des Waldgesetzes ist, wird zusätzlich<br />

noch das Grundstück Schweizer<br />

Straße 5c herangezogen, um die<br />

notwendige Flächengröße zur Waldfeststellung<br />

zu erreichen. Ein gängiges<br />

Verfahren aus Sicht der Forstbehörde.<br />

Zwar war das Grundstück 5c<br />

zum Zeitpunkt der Begehung nicht<br />

mehr mit Forstpflanzen bestockt<br />

und alle Bäume gefällt, doch „ ... Da<br />

die Flächengröße in der Gesamtbetrachtung<br />

größer als 2.000 Quadratmeter<br />

ist und die Ausprägung in Form<br />

einer geschlossenen Bestockung mit<br />

Forstpflanzen besteht, wird die Waldeigenschaft<br />

erfüllt.“<br />

31. Januar 2018<br />

Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde<br />

(UNB) zum Grundstück<br />

5a: „Die Baumschutzsatzung<br />

und das Bundesnaturschutzgesetz<br />

sind zu beachten.“<br />

1. Februar 2018<br />

In einer Stellungnahme der Gemeindeverwaltung<br />

zu den Baugrundstücken<br />

Nr. 5a und 5b der Schweizer<br />

Straße wird bestätigt, dass sich die<br />

Grundstücke im Bereich gemeindlicher<br />

Satzungen befinden, so etwa im<br />

Bereich der Baumschutzsatzung.<br />

5. Februar 2018<br />

Antrag des Bauherren auf Umwandlung<br />

von Wald in eine andere<br />

Nutzungsart für das Grundstück 5a,<br />

Grundstücksgröße: 813 Quadratmeter.<br />

21. Februar 2018<br />

Nachforderung der Forstbehörde<br />

zu Unterlagen der beantragten<br />

Waldumwandlung Grundstück 5a und<br />

Korrektur der zur Umwandlung bean-<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 63


„Der Textbebauungsplan soll ermöglichen,<br />

den Baumbestand zu schonen<br />

und bei einer Bebauung den Verlust<br />

einzelner Bäume gering zu halten.“<br />

<br />

Textbebauungsplan der Gemeinde Schwielowsee, Mai 2006<br />

tragten Gesamtfläche auf 788 Quadratmeter.<br />

Die Ersatzaufforstungsfläche<br />

befindet sich in der Gemarkung<br />

Niewitz.<br />

8. März 2018<br />

Eine Begehung zur Kontrolle auf<br />

Vorkommen besonders und streng<br />

geschützter Arten bewertet beide<br />

zur Bebauung vorgesehenen Grundstücke.<br />

Dabei wird festgestellt, dass<br />

besonders auf Brutvögel und Fledermäuse<br />

im Rahmen der Planungen zu<br />

achten ist. Zum damaligen Zeitpunkt<br />

wurden keine für Fledermäuse geeigneten<br />

Strukturen entdeckt. Fledermausbestand<br />

in nicht sichtbaren<br />

Spalten des alten Trafohauses wird<br />

jedoch nicht ausgeschlossen und<br />

auf eine besondere Vorgehensweise<br />

beim Abriss durch Baumaßnahmen<br />

hingewiesen.<br />

18. April 2018<br />

Stellungnahme der UNB für Nr. 5a:<br />

Die UNB hat keine naturschutzrechtlichen<br />

Bedenken gegen das Bauvorhaben,<br />

„sofern es keiner Festsetzung<br />

des Textbebauungsplans <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

widerspricht. Die Baumschutzsatzung<br />

ist zu beachten.“<br />

25. April 2018<br />

Die erst einige Tage alte Bürgerinitiative<br />

fragt, was die Gemeinde unternommen<br />

habe, um den Baumbestand<br />

auf den zur Bebauung vorgesehenen<br />

Privatgrundstücken Schweizer Straße<br />

im Sinne der Baumschutzsatzung zu<br />

schonen und völligen Kahlschlag zu<br />

verhindern.<br />

9. Mai 2018<br />

Die Gemeinde sei bezüglich einer<br />

erteilten Genehmigung auf Waldumwandlung<br />

der Grundstücke 5c bis<br />

5e nicht widerspruchsbefugt, weswegen<br />

kein Widerspruch eingelegt<br />

wurde, lautet sinngemäß die Antwort<br />

der Gemeindeverwaltung. Es sei versucht<br />

worden, mit den Eigentümern<br />

einvernehmliche Lösungen zu finden,<br />

jedoch hätten einige Eigentümer<br />

bereits alle Bäume gefällt, bevor<br />

die Gemeinde reagieren konnte. Die<br />

Bürgerinitiative stellt fest: Nicht alle<br />

Grundstückseigentümer haben Kahlschlag<br />

vollzogen.<br />

8. Juni 2018<br />

Forstrechtliche Stellungnahme<br />

zur Nr. 5a: Die Waldumwandlungsgenehmigung<br />

ist Bestandteil einer Baugenehmigung.<br />

Sie wird unbeschadet<br />

privater Rechte Dritter erteilt. Sie<br />

lässt auf Grund anderer Vorschriften<br />

bestehende Verpflichtungen zum<br />

Einholen von Genehmigungen und<br />

Zustimmungen unberührt.<br />

22. Oktober & 5. Dezember 2018<br />

Die Baugenehmigungen für die<br />

Grundstücke Schweizer Straße 5b<br />

und 5a werden durch die Untere Bauaufsichtsbehörde<br />

erteilt. Mit der Baugenehmigung<br />

ist bei beiden Grundstücken<br />

eine Umwandlung von Wald<br />

in Bauland möglich, die an die Auflage<br />

gebunden ist, die Baumschutzsatzung<br />

der Gemeinde Schwielowsee<br />

sowie den Textbebauungsplan mit<br />

seinen grünordnerischen Festsetzungen<br />

zu beachten und einzuhalten. Für<br />

das Beseitigen von geschützten Bäumen<br />

ist laut Genehmigungsbescheid<br />

die vorherige Genehmigung der Gemeinde<br />

notwendig. Zudem sind artenschutzrechtliche<br />

Bestimmungen<br />

einzuhalten. Gegen die Bescheide ist<br />

Widerspruch innerhalb eines Monats<br />

nach Zustellung der Unterlagen möglich.<br />

5. Januar <strong>2019</strong><br />

Bei einer Begehung des öffentlich<br />

zugänglichen Wäldchens wird durch<br />

Einwohner festgestellt, dass alle Bäume<br />

des nördlicheren Grundstücks<br />

bereits zur Fällung markiert sind. Daraufhin<br />

wird der Baumbestand von<br />

der Bürgerinitiative im Rahmen der<br />

Baumerhebung protokolliert.<br />

7. Januar <strong>2019</strong><br />

Die Bürgerinitiative äußert auf der<br />

Ortsbeiratssitzung in Geltow Zweifel<br />

an der Rechtmäßigkeit des bekannt<br />

gewordenen und sich abzeichnenden<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

64 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Mario Rietig<br />

„Die bereits bekannten Folgen des Klimawandels [...] sollen bei der Ortsentwicklung und beim Waldumbau zukünftig<br />

Berücksichtigung finden. Der Wald hat eine klimastabilisierende Funktion, die erhalten bzw. gestärkt werden soll.“<br />

Beschluss der Gemeindevertretung zum Leitbild Energie und Klimaschutz der Gemeinde Schwielowsee 2030, April 2014<br />

„Im Geltungsbereich von gemeindlichen Satzungen soll<br />

sich die Untere Forstbehörde mit der Gemeinde verständigen.“<br />

<br />

Erlass des Ministeriums für ländliche Entwicklung, Umwelt- und Verbraucherschutz<br />

zur Anwendung des §2 des Waldgesetzes des Landes Brandenburg, Mai 2005<br />

Kahlschlags. Im Beisein des Ortsvorstehers<br />

wird die Bürgermeisterin, in<br />

ihrer Abwesenheit die sie vertretende<br />

Fachbereichsleiterin, aufgefordert,<br />

den geplanten Kahlschlag durch<br />

kommunales Handeln sofort auszusetzen<br />

und zu prüfen, ob tatsächlich<br />

die rechtlichen Grundlagen für eine<br />

Komplettfällung vorliegen. Es ist zu<br />

befürchten, dass auch das Nachbargrundstück,<br />

die Nr. 5a, davon betroffen<br />

sein könnte. Die Fachbereichsleiterin<br />

sichert eine Prüfung zu. Was sie<br />

nicht erwähnt: Zu diesem Zeitpunkt<br />

waren beide Baugenehmigungen für<br />

diese Grundstücke bereits erteilt, aus<br />

denen hervorgeht, dass die Baumschutzsatzung<br />

anzuwenden ist. Laut<br />

Verteilerschlüssel hätten diese ihr<br />

vorliegen müssen.<br />

Nach dem 7. Januar<br />

Laut Gemeindeverwaltung wurde<br />

„unmittelbar“ mit einem Mitarbeiter<br />

der Forst telefonisch Kontakt aufgenommen<br />

und um Aufklärung des<br />

Sachverhalts gebeten. Dieser Mitarbeiter<br />

hat die Gemeinde mangels<br />

eigener Zuständigkeit an den Leiter<br />

der Revierförsterei Potsdam verwiesen<br />

und gebeten, eine schriftliche<br />

Anfrage zu stellen. In den nächsten<br />

zwei Wochen bis zum 22. Januar, so<br />

die Auskunft der Gemeindeverwaltung,<br />

sei der Leiter der Oberförsterei<br />

Potsdam telefonisch aber leider nicht<br />

zu erreichen gewesen.<br />

22. Januar <strong>2019</strong><br />

In den Morgenstunden werden<br />

alle Bäume der Schweizer Straße 5a<br />

zur Fällung gekennzeichnet und es<br />

wird sofort begonnen zu roden. Bis<br />

zum Abend sind bis auf acht große<br />

Kiefern alle Bäume bereits mittels<br />

Bagger herausgerissen oder gefällt<br />

worden.<br />

22. Januar vormittags, die Bürger-<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 65


„Für Flächen kleiner<br />

als 0,2 Hektar ist unter den brandenburgischen<br />

Bedingungen die Waldeigenschaft zu verneinen.“<br />

<br />

<br />

Erste Änderung des Erlasses des Ministeriums für Ländliche<br />

<br />

Entwicklung, Umwelt- und Verbraucherschutz<br />

<br />

zur Anwendung des §2 des Waldgesetzes<br />

des Landes Brandenburg, Juni 2006.<br />

initiative informiert telefonisch die<br />

UNB und fordert, die Fällungen auszusetzen,<br />

um die Vorgänge zu überprüfen.<br />

Doch nichts geschieht.<br />

Am Tage der Fällung fragt die Gemeindeverwaltung<br />

in einer Mail an<br />

die Forstbehörde nach, warum im<br />

Rahmen der Bauanträge die Waldumwandlung<br />

der Grundstücke genehmigt<br />

wurde.<br />

23. Januar <strong>2019</strong>, 0:53 Uhr<br />

Die Bürgerinitiative fordert die<br />

UNB als Sonderordnungsbehörde bis<br />

spätestens 9:00 Uhr zum Einschreiten<br />

auf, da offensichtlich Gesetze verletzt<br />

werden. Auf Nachfrage erklärt die<br />

Sachbearbeiterin: „Wir haben Wichtigeres<br />

zu tun, der Kauz und die Fledermaus<br />

können ja wegfliegen.“ Als<br />

die UNB nicht tätig wird, wendet sich<br />

die Bürgerinitiative um 11:09 Uhr an<br />

das Umweltministerium als oberste<br />

Naturschutzbehörde des Landes. Sie<br />

fordert erneut, sofort einzuschreiten,<br />

um wenigstens die restlichen Kiefern<br />

zu erhalten. Die Bürgerinitiative<br />

fordert die sofortige Einstellung der<br />

Arbeiten, da möglicherweise sowohl<br />

gegen das Naturschutzgesetz §44<br />

(Vernichtung von Lebensraum streng<br />

geschützter Arten) als auch gegen bestehende<br />

kommunale Satzungen verstoßen<br />

werde.<br />

23. Januar <strong>2019</strong>, 15:45 Uhr<br />

Das Umweltministerium fordert<br />

die UNB auf, notwendiges Verwaltungshandeln<br />

einzuleiten, zur „Vermeidung<br />

möglicherweise illegaler<br />

Handlungen“ gegen Arten- oder naturschutzrechtliche<br />

Verbote.<br />

17:00 Uhr<br />

Alle Bäume auf dem Grundstück<br />

sind gefällt, relevante Kiefernstämme<br />

werden noch am Abend verbracht.<br />

Es erfolgte keine artenschutzrechtliche<br />

Begleitung während der Rodung,<br />

trotz des Hinweises, dass in einer der<br />

verbleibenden Kiefern ein Kauz seine<br />

Höhlung besitze.<br />

24. Januar <strong>2019</strong><br />

Erklärung der Bürgerinitiative zum<br />

Kahlschlag Schweizer Straße: Bürgerinitiative<br />

kündigt Aufklärung und Veröffentlichung<br />

der Vorgänge an.<br />

Das Dach des Trafohäuschens<br />

wird ohne artenschutzrechtliche Begleitung<br />

abgerissen. Restarbeiten.<br />

25. Januar <strong>2019</strong><br />

Das Umweltministerium stellt<br />

nach der Stellungnahme der UNB fest,<br />

dass „keine Veranlassung daran bestehe,<br />

die Einschätzung der Fachbehörde<br />

anzuzweifeln“.<br />

29. Januar <strong>2019</strong><br />

Nach Prüfung aller vorliegenden<br />

Informationen stellt die Bürgerinitiative<br />

Anzeige gegen Unbekannt wegen<br />

Beihilfe zu einer möglichen Straftat<br />

durch pflichtwidriges Unterlassen und<br />

Anzeige auf Unterlassung durch Nichtanwendung<br />

gemeindlicher Satzungen<br />

gegen die Gemeinde Schwielowsee.<br />

30. Januar <strong>2019</strong><br />

Die Forst bestätigt der Gemeinde<br />

per E-Mail, dass zum Zeitpunkt der<br />

Waldumwandlung alle Vorschriften<br />

eingehalten wurden.<br />

1. Februar <strong>2019</strong><br />

Erste Aktenauskunft der Bürgerinitiative<br />

bei der Unteren Forstbehörde.<br />

13. Februar <strong>2019</strong><br />

Die Bürgerinitiative stellt im<br />

Hauptausschuss der Gemeinde<br />

Schwielowsee Fragen zur Vorgehensweise<br />

der Gemeinde, die nicht sofort<br />

beantwortet werden können.<br />

14. Februar <strong>2019</strong><br />

Der Gemeinde Schwielowsee geht<br />

ein Aktenvermerk einer Mitarbeiterin<br />

des Ministerium für Land- und Forstwirtschaft<br />

zu, der die rechtliche Prüfung<br />

aus Sicht der Forstbehörde beschreibt:<br />

Sie entspricht dem Wortlaut<br />

Illustrationen: Georg Jarek<br />

66 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


der forstrechtlichen grundstücksbezogenen<br />

Stellungnahmen.<br />

Antrag der Bürgerinitiative um<br />

Aufnahme des Themas zur Tagesordnung<br />

der Gemeindevertretung am<br />

27. Februar <strong>2019</strong>.<br />

15. Februar <strong>2019</strong><br />

Ablehnung des Antrags durch<br />

den Vorsitzenden der Gemeindevertretung<br />

und Verweis des Antrags in<br />

den Ausschuss für Infrastruktur am<br />

19. März <strong>2019</strong>.<br />

19. Februar <strong>2019</strong><br />

Bürgerinitiative nimmt umfangreiche<br />

Akteneinsicht bei der Unteren<br />

Bauaufsichtsbehörde.<br />

20. Februar <strong>2019</strong><br />

Die Gemeinde nimmt Stellung<br />

zur Anfrage der Bürgerinitiative vom<br />

13. Februar <strong>2019</strong> zu ihrer Vorgehensweise<br />

und bestätigt auf Nachfrage,<br />

im Rahmen der Baugenehmigungsverfahren<br />

an den Verfahren beteiligt<br />

gewesen zu sein.<br />

27. Februar <strong>2019</strong><br />

Die Bürgermeisterin erklärt in<br />

einer gemeinsamen Stellungnahme<br />

mit dem Ortsvorsteher Dr. Ofcsarik,<br />

dass die Gemeindeverwaltung<br />

keinen Einfluss auf die Fällung der<br />

Bäume auf den Grundstücken gehabt<br />

habe.<br />

5. März <strong>2019</strong><br />

Zweite Aktenauskunft der Bürgerinitiative<br />

bei der Unteren Forstbehörde.<br />

Die Forst bestätigt bei diesem Gespräch,<br />

dass eine Waldumwandlung<br />

nicht die Anwendung gemeindlicher<br />

Satzungen ausschließt und nicht<br />

zwingend mit einer Fällung aller Bäume<br />

verbunden ist.<br />

11. März <strong>2019</strong><br />

Die Bürgerinitiative fordert eine<br />

Stellungnahme der Verwaltung und<br />

stellt die Frage, was die Gemeinde<br />

konkret seit dem 7. Januar <strong>2019</strong> unternommen<br />

hat, um den Baumbestand<br />

zu schonen und warum gemeindliche<br />

Satzungen nicht angewandt wurden.<br />

13. März <strong>2019</strong><br />

Bürgerinitiative stellt auf der Ortsbeiratssitzung<br />

Geltow den Antrag, das<br />

möglicherweise zur Bebauung vorgesehene<br />

Gebiet des alten Ferienlagers<br />

von der Prioritätenliste der Bauleitplanung<br />

der Gemeinde zu streichen,<br />

das Gebiet im Flächennutzungsplan<br />

als Wald auszuweisen und den Wald<br />

unter Schutz stellen zu lassen.<br />

19. März <strong>2019</strong><br />

Nach Antrag der Bürgerinitiative<br />

soll das Thema nun als Tagesordnungspunkt<br />

im Ausschuss für Infrastruktur<br />

der Gemeinde Schwielowsee<br />

behandelt werden.<br />

Stand 14. März <strong>2019</strong><br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 67


OFFENER BRIEF<br />

Von: Bürgerinitiative „<strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“<br />

im Namen der unterzeichnenden Bürgerinnen und Bürger<br />

An: Bürgermeisterin der Gemeinde Schwielowsee<br />

Frau Kerstin Hoppe<br />

„<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> wird es in seiner jetzigen Form in Zukunft nicht mehr geben!“<br />

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,<br />

diese Aussage haben einige von uns so oder in ähnlichem Wortlaut nun schon<br />

des Öfteren von Mitarbeiterinnen Ihrer Gemeindeverwaltung gehört, auch<br />

mit dem Zusatz, dass wir uns daran schon mal gewöhnen sollen.<br />

Wir richten nun diesen Brief mit dem deutlichen Hinweis an Sie, dass es sich bei<br />

dem betroffenen Gemeindeteil um unsere Heimat handelt, in der wir uns wohl und<br />

geborgen fühlen, aufgewachsen sind oder in der wir uns aufgrund der Naturnähe<br />

und der damit verbundenen hohen Lebensqualität niedergelassen haben.<br />

Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, dass unsere Heimat zerstört wird!<br />

Müsste es nicht vielmehr Ihre Aufgabe sein, alles dafür zu tun,<br />

unsere Heimat zu erhalten, anstatt die Zerstörung hinzunehmen<br />

oder gar zu forcieren?<br />

Wann handeln Sie endlich?<br />

» » Verpflichten Sie Investoren dazu, Eingriffe in die Natur auf<br />

das geringstmögliche Maß zu begrenzen – keine weiteren<br />

den Waldcharakter zerstörenden Siedlungsprojekte!<br />

» » Verhindern Sie Kahlschläge durch Bauvorhaben! Nutzen Sie die<br />

Fachkompetenz eines externen Baumsachverständigen und lassen Sie<br />

seine Gutachten voll umfänglich in die Verwaltungsarbeit einfließen!<br />

Lassen Sie ausreichend nachpflanzen und – kontrollieren Sie dies!<br />

» » Positionieren Sie sich für ein gemeinsames Verkehrskonzept mit Potsdam und<br />

klar gegen den Bau der Umgehungsstraße (Havelspange) durch den <strong>Wildpark</strong>!<br />

» » Und vor allem, nehmen Sie uns als Bürger/-innen ernst, die<br />

nichts weiter wollen, als ihre Heimat zu bewahren.<br />

Für den Erhalt von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> als <strong>Waldsiedlung</strong>!<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Die Unterzeichner<br />

68 OFFENER BRIEF WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


KOMMENTAR<br />

DIE UNTERZEICHNER DES OFFENEN BRIEFS<br />

Nicht gegeneinander,<br />

miteinander!<br />

VON ULLRICH TIETZE<br />

Dieser Offene Brief ist ein Ruf<br />

all derer, die wollen, dass <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

als <strong>Waldsiedlung</strong> erhalten<br />

bleibt und die bereit sind, dafür<br />

auch ihre Stimme zu erheben. Ob<br />

dieser Ruf zu laut oder zu leise durch<br />

die <strong>Waldsiedlung</strong> schallt, mag jeder<br />

aus seiner Perspektive anders bewerten.<br />

Doch es nützt nichts, Andersdenkende<br />

zu diskreditieren, ihnen<br />

Falsch- oder Fehlinformationen vorzuwerfen<br />

und nicht mehr auf ihre berechtigten<br />

Fragen antworten zu wollen.<br />

Allen Unterzeichnern geht es nur um<br />

die Sache. Deshalb laden wir Sie, sehr<br />

geehrte Frau Bürgermeisterin, erneut<br />

ein, mit uns in den Dialog zu treten.<br />

Kommen Sie nach <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

machen sie sich vor Ort ein Bild und<br />

lassen sie uns gemeinsam nach Lösungen<br />

suchen, wie wir die <strong>Waldsiedlung</strong><br />

erhalten können. Noch ist es nicht zu<br />

spät! Wir laden Sie ein, sich an unserer<br />

Nachpflanzaktion „Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>!“<br />

2018–2033 zu beteiligen.<br />

Setzen sie sich gemeinsam mit uns<br />

dafür ein, dass das zur Bebauung<br />

vorgesehene Gebiet des alten Ferienlagers<br />

im Flächennutzungsplan der<br />

Gemeinde Schwielowsee als Wald<br />

ausgewiesen und unter Schutz des<br />

Waldgesetzes gestellt wird.<br />

Man wird Sie später daran messen,<br />

was Sie für unsere <strong>Waldsiedlung</strong> getan<br />

haben. Deshalb schlagen Sie bitte unser<br />

Angebot nicht aus, sondern setzen<br />

Sie ein Zeichen! Wir laden Sie recht<br />

herzlich ein, mit uns zusammen am<br />

2. Aktionstag am 7. April <strong>2019</strong> in der<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> einen Baum zu pflanzen,<br />

wir würden uns über Ihr Kommen sehr<br />

freuen!<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> 69


KOMMUNALWAHL AM 26. MAI <strong>2019</strong><br />

Neue Gesichter für <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich in unserem Gemeindeteil <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

sehr viel getan. Aus einer kleinen Gruppe unnachgiebig nachfragender Bürger hat sich eine<br />

Initiative gegründet, die eine beachtliche Anzahl an Unterstützern vereint, die alle ein<br />

gemeinsames Ziel haben – den Erhalt von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> als <strong>Waldsiedlung</strong>.<br />

70 KOMMUNALWAHL <strong>2019</strong>


SONNTAG<br />

26<br />

MAI<br />

Dabei hat sich eine offene Gemeinschaft entwickelt,<br />

die sich durch solche tollen Ergebnisse<br />

wie unsere Heimatzeitschrift „<strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“, unsere Arbeitsgemeinschaft<br />

„Junge Naturfreunde“ oder auch kulturelle Ereignisse<br />

wie die Weihnachtsmatinee oder den kürzlich aufgetretenen<br />

Froschkönig für unsere Kleinsten auszeichnet.<br />

Leider scheint das Engagement der Bürgerinnen und<br />

Bürger von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> vor allem in der Gemeindeverwaltung<br />

und auch bei einigen Gemeindevertretern<br />

in der Gemeinde Schwielowsee eher als Störung anzukommen,<br />

was wir neben den persönlichen Erlebnisberichten<br />

der Beteiligten zuletzt auch sehr öffentlichkeitswirksam<br />

in unseren Briefkästen zu lesen bekamen.<br />

Doch wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, um unsere<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> zu erhalten, müssen wir selber mitgestalten.<br />

Deshalb haben wir uns sehr kurzfristig als<br />

eigene Wählergruppe für die bevorstehende Kommunalwahl<br />

am 26. Mai <strong>2019</strong> zusammengeschlossen. Bei<br />

den Aufgaben, die in den nächsten Jahren anstehen, ist<br />

es uns wichtig, dass wir sie gemeinsam mit allen interessierten<br />

Bürgern und Bürgerinnen, mit den gewählten<br />

Vertretern und den Mitarbeitern der Verwaltung angehen.<br />

Wir wollen an den Entscheidungen beteiligt werden<br />

und mitbestimmen, wie sich unser Ort entwickeln<br />

soll. Auch für die SPD und für Bündnis90/Die Grünen<br />

stellen sich zwei neue Gesichter aus <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> zur<br />

Wahl für den Ortsbeirat Geltow.<br />

Foto: Lars Augustin<br />

KOMMUNALWAHL <strong>2019</strong> 71


SONNTAG<br />

26<br />

MAI<br />

KOMMUNALWAHL <strong>2019</strong><br />

Bündnis 90/Die Grünen SPD Bürger_innen für <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Tatjana<br />

Lars<br />

Gerber<br />

X X X<br />

Augustin X X X<br />

Rene<br />

Brausdorf<br />

X X X Ullrich<br />

Tietze<br />

X X X<br />

Jana<br />

Fellenberg<br />

X X X<br />

Elke<br />

Weißbach X X X<br />

Carolin<br />

Schwarzkopf<br />

X X X<br />

Tatjana Gerber, 46, parteilos,<br />

kandidiert auf der Liste von Bündnis<br />

90/Die Grünen.<br />

Ich wohne seit 1990 mit einer mehrjährigen<br />

Unterbrechung in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

und erkenne meine schöne<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> mitunter nicht mehr<br />

wieder. Ein malerischer Ortsteil, zum<br />

Teil versteckt hinter hohen Bäumen<br />

und Sträuchern, weicht einer dichten<br />

Bebauung.<br />

Ich werde mich deshalb im Falle meiner<br />

Wahl für den Erhalt des naturnahen<br />

Charakters von Geltow und <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

einsetzen. Ich werde mich<br />

dafür stark machen, dass sich die Bewohnerinnen<br />

und Bewohner und die<br />

Gäste hier wohl fühlen.<br />

Sichere und nachhaltige Mobilität:<br />

Ob Schüler, Pendler oder Gäste – Geltow<br />

braucht einen besseren ÖPNV.<br />

Auch beim Thema sichere Fuß- und<br />

Radwege gibt es viel zu tun.<br />

Bürgerbeteiligung als Bereicherung:<br />

Die Bürgerinnen und Bürger haben<br />

Ideen, oft auch Expertenwissen und<br />

wollen nicht nur am Wahltag mitentscheiden.<br />

Leider habe ich schon oft erlebt,<br />

dass es dafür kaum Verständnis bei<br />

der Mehrheit im Ortsbeirat gibt. Ich will<br />

dazu beitragen, dass sich das ändert.<br />

Entwicklungskonzept für Geltow und<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>:<br />

Die Baumaßnahmen der letzten Jahre<br />

bringen es immer deutlicher ans<br />

Tageslicht: Für Geltow und <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

gibt es kein visionäres<br />

Entwicklungskonzept. Doch gerade<br />

jetzt stellt sich die Frage, welche Entwicklung<br />

Geltow und <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

in den nächsten 10 bis 15 Jahren einschlagen<br />

wollen? Ich will dazu beitragen,<br />

dass dieses Konzept in Angriff<br />

genommen wird.<br />

Tatjana Gerber ist verheiratet, hat<br />

zwei Kinder und arbeitet als Lehrerin.<br />

Rene Braunsdorf, 54, parteilos,<br />

kandidiert auf der Liste der SPD, verheiratet,<br />

hat eine Tochter und arbeitet<br />

als Unternehmer.<br />

Wir alle haben uns hier einen kleinen<br />

Traum erfüllt und das Glück erhalten,<br />

an diesem wunderschönen und<br />

friedlichen Ort leben zu dürfen. Er<br />

wird sich weiter entwickeln, weitere<br />

Häuser werden gebaut, neue Nachbarn<br />

werden unsere Gemeinschaft<br />

stärken und bereichern. Auch wenn<br />

unser Ort grundsätzlich auf einem<br />

guten Weg ist, werden aber aus meiner<br />

Sicht eine Reihe von Problemen<br />

durch die Gemeindeführung derzeit<br />

nicht wahrgenommen oder nicht mit<br />

der notwendigen Sorgfalt bearbeitet,<br />

der Abstand zu uns Bürgern wird immer<br />

größer.<br />

Ich werde mich dafür einsetzen, dass<br />

Ihre Fragen ernst genommen werden,<br />

werde Lösungen suchen, oder in so<br />

manch einem Fall auch Kompromisse<br />

finden, die unser nachbarschaftliches<br />

Zusammenleben befördern und verbinden.<br />

Ich setze mich ein: für nachhaltige<br />

und vorausschauende Planung,<br />

z. B. eine weiterführende Schule in<br />

unserer Gemeinde, breitere Konzepte<br />

für die öffentliche Mobilität, faire<br />

Chancen für alle Betriebe in unserer<br />

Gemeinde bei Vergaben durch die<br />

Gemeindeverwaltung, Stärkung, Anerkennung<br />

und Unterstützung der<br />

Feuerwehren und des Ehrenamtes,<br />

Stopp der weiteren Nutzung von<br />

Schutzgebieten für gewerbliche Zwecke<br />

in Geltow und der Verschmutzung<br />

unseres Grundwassers, Erhalt<br />

und Erweiterung des Lärmschutzwaldes<br />

zwischen Bahndamm und der<br />

Siedlung <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, beginnend<br />

ab dem „alten Ferienlager“.<br />

Aktiv für uns alle mitgestalten, eine<br />

starke, unabhängige Vertretung unserer<br />

Einwohnerschaft im Ortsbeirat<br />

und der Gemeindevertretung zu sein,<br />

dieser Aufgabe werde ich mich mit all<br />

meiner Kraft widmen.<br />

Herzliche Grüße, Ihr Rene Braunsdorf,<br />

parteiloser Kandidat auf der Liste der<br />

SPD für Geltow & <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

72 KOMMUNALWAHL <strong>2019</strong> WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


ZIELE DER WÄHLERGRUPPE „BÜRGER_INNEN FÜR WILDPARK-WEST“<br />

Wir wollen den naturnahen Ortscharakter<br />

mit seiner hohen Wohn- und<br />

Lebensqualität für alle Einwohner und<br />

Gäste bewahren. Lassen Sie uns <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

behutsam gestalten, das für Mensch und Tier<br />

schützen, was wir erhalten können. Keine Zerstörung weiterer<br />

Lebensräume durch großflächige Siedlungsprojekte<br />

oder die Havelspange. Es gibt Alternativen. Wir setzen uns<br />

ein für mehr kulturelles und soziales Miteinander. Alle Generationen<br />

sollen unseren Ort als ihr Zuhause empfinden,<br />

sich darin wohl fühlen.<br />

Es leben immer mehr<br />

SONNTAG<br />

26<br />

MAI<br />

Kinder hier. Für sie muss es neben der<br />

Schule die Möglichkeit geben, sich vor<br />

Ort zu treffen, zu spielen und auch Sport zu treiben. Wir<br />

laden Sie ein, Bürgerinnen und Bürger von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

bringen Sie sich mit Ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten ein.<br />

Wir alle haben diesen Ort zum Leben gewählt und das ist<br />

auch eine Verpflichtung. Nutzen wir den Neubeginn für das<br />

Verbindende - unseren Ort, unsere Heimat.<br />

Elke Weißbach, 68, Rentnerin<br />

Ich möchte für Sie Ansprechpartner<br />

für konkrete Angebote und Fragen zur<br />

Zusammenarbeit sein.<br />

Ullrich Tietze, 67, Rentner<br />

Wenn ich zurückblicke, sehe ich auf<br />

67 Jahre Leben in <strong>Wildpark</strong>. Als Kind<br />

Am Teich, dann im Amselweg. Da ging<br />

es noch quer durch freie bewaldete<br />

Grundstücke zum alten Kindergarten.<br />

Nun schon über 30 Jahre im Eigenheim,<br />

im Fichtenweg, mit der Familie<br />

und den Kindern. Angelverein und<br />

Stammtisch in <strong>Wildpark</strong>, Segelclub in<br />

Geltow. Nun als Rentner habe ich ein<br />

deutlich größeres Blickfeld für <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

welches in den letzten<br />

Jahren eine rasante Entwicklung erfahren<br />

hat, die ich vielfach hinterfragt<br />

habe. Doch ich musste die Erfahrung<br />

machen, dass Nachfragen nicht ausreicht.<br />

Durch Sacharbeit muss die<br />

bisherige Konzept- und Interessenlosigkeit<br />

überwunden werden. Da heißt<br />

es für mich Qualität vor Quantität. Behutsamer<br />

Zuzug, keine wirtschaftlich<br />

orientierte Vermarktung von Filetstücken.<br />

Die Vorarbeit zum Radweg nach<br />

Werder muss weiter begleitet werden.<br />

Der Strand an der Havel braucht nach<br />

der Siedlungsentwicklung ein neues<br />

Konzept, wie auch der Havelweg in<br />

Alt-Geltow und der Weg an der Villa<br />

Maurus. Mit einer, mit meiner Stimme<br />

bei der Gemeindeverwaltung Gehör<br />

verschaffen. Dafür setze ich mich ein.<br />

Jana Fellenberg<br />

51, Dipl.-Informatikerin<br />

seit 50 Jahren in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, immer<br />

der Einmaligkeit dieses Fleckchens<br />

Erde bewusst, ob im <strong>Wildpark</strong>,<br />

auf der Havel oder über die Felder<br />

nach Geltow, meist mit dem Rad und<br />

auch mal zu Fuß.<br />

Für den nachhaltigen Schutz und Erhalt<br />

der Natur werde ich mich einsetzen<br />

und die Gemeinschaft im Ort<br />

stärken. Konkret bin ich weiter bei der<br />

Arbeit an unserer Heimatzeitschrift<br />

dabei und engagiere mich in der<br />

Arbeitsgemeinschaft „Junge Naturfreunde“,<br />

um die Kinder für die Natur<br />

zu begeistern und zu sensibilisieren.<br />

Lars Augustin<br />

39, Dipl.-Betriebswirt (BA)<br />

Ich lebe nun auch schon im 16. Jahr<br />

in der <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

und fühle mich mit meiner Familie im<br />

Ortsteil Geltow sehr wohl.<br />

Wir mögen die vielen neuen Bekanntschaften<br />

über die Meusebach-Grundschule,<br />

die SG Geltow und unsere große<br />

Nachbarschaft in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Wir genießen die tägliche Heimkehr<br />

in unsere <strong>Waldsiedlung</strong>.<br />

Die besondere Ruhe gibt uns den<br />

erforderlichen Ausgleich zum hektischen<br />

Arbeitsalltag.<br />

Carolin Schwarzkopf<br />

53, Verwaltungsfachangestellte<br />

Mir ist es wichtig, diesen Ort in seiner<br />

Einmaligkeit zu erhalten.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> KOMMUNALWAHL <strong>2019</strong> 73


Die Kitas in der Gemeinde Schwielowsee platzen aus allen Nähten. Die Wartelisten<br />

sind voll, ein Handeln der Gemeinde ist überfällig. Zwei geplante Kindergartenprojekte<br />

lassen nun viele Eltern hoffen, dass zukünftig auch ihre Sprösslinge gut betreut werden<br />

können und sie so Job und Kinderbetreuung unter einen Hut bekommen.<br />

Der Kindergarten am Bruchwald<br />

VON DR. BEATE GALL


Ein leichtes Aufatmen war zu<br />

vernehmen, als 2017 bekannt<br />

wurde, dass die Gemeinde<br />

Schwielowsee in Kooperation<br />

mit der nahegelegenen Bundeswehr<br />

einen Kita-Neubau direkt<br />

am Werderschen Damm, nahe <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

plant. Neben den Kindern<br />

von Bundeswehrangehörigen sollen<br />

selbstverständlich auch Kinder aus<br />

der Gemeinde Schwielowsee aufgenommen<br />

werden. Das ist ein Lichtschimmer,<br />

denn der Zuzug nach Geltow<br />

wird wohl in den kommenden<br />

Jahren nicht abreißen. Und jeder von<br />

uns Eltern ist froh, wenn er einen<br />

Kitaplatz bekommt. Mit dem Neubau<br />

einer zweiten Kita im Ortsteil Geltow<br />

kommt auch die Gemeinde ihrer gesetzlichen<br />

Pflicht nach, den Rechtsanspruch<br />

der Eltern auf einen Kitaplatz<br />

zu erfüllen.<br />

Foto: Carsten Sicora<br />

Standortauswahl<br />

Im vergangenen Jahr stellte sich<br />

deshalb die Frage, wo genau denn<br />

eigentlich der Kindergarten gebaut<br />

werden soll. In diesem Zusammenhang<br />

schauten sich Redakteure der<br />

Heimatzeitschrift, selbst Einwohner<br />

von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, und ich mir die<br />

Unterlagen genauer an – soweit sie<br />

der Öffentlichkeit zugänglich sind. In<br />

diesem Beitrag möchte ich über den<br />

aktuellen Sach- und Planungsstand<br />

informieren und zugleich einige Fragen<br />

beleuchten, die sich uns stellten.<br />

REPORTAGE 75


BETREUUNG VON 582 KINDERN AUS SCHWIELOWSEE<br />

Geltow<br />

163 Kinder<br />

28 %<br />

21 %<br />

Außerhalb oder Tagespflege<br />

121 Kinder<br />

Ferch<br />

105 Kinder<br />

18 % 33 %<br />

Caputh<br />

193 Kinder<br />

Stand: Dezember 2018<br />

Eine Kita mit 80 Plätzen, davon zwölf Plätze für eine 24 Stunden-Betreuung.<br />

Fördermittel des Bundes in Höhe von 1.000.000 Euro stehen bereit.<br />

Den Unterlagen (unter anderem<br />

Beschlussvorlagen der Gemeinde,<br />

Gutachten und vorhandene Pläne) ist<br />

zu entnehmen, dass das Vorhaben, alle<br />

Voraussetzungen für die Errichtung<br />

der Kita auf dem Bundeswehrgelände<br />

zu schaffen, durch alle Beteiligten<br />

der zu diesem Zweck geschaffenen<br />

Arbeitsgruppe engagiert und zügig<br />

vorangebracht wurde. Die Verfahren<br />

zur Standortklärung, Auswahl eines<br />

freien Trägers, Grundstücksicherung<br />

und Planung liefen fast zeitgleich ab.<br />

Grundstück zum Vorzugspreis<br />

Zu Beginn war die Frage nach<br />

dem Standort zu klären. Sieben Flächen,<br />

die sich im Eigentum des Bundes<br />

befinden, wurden geprüft. Als<br />

geeignet erschien der Parkplatz A1<br />

der Henning-von-Tresckow-Kaserne<br />

zwischen dem Werderschen Damm<br />

und dem Fuchsweg, welcher zum<br />

damaligen Zeitpunkt der Stadt Potsdam<br />

gehörte. Ursprünglich war vorgesehen,<br />

dass der in einem transparenten<br />

Verfahren ausgewählte freie<br />

Träger mit der Bundeswehr einen<br />

Vertrag zum Grundstück abschließt.<br />

Im Januar 2018 erklärte die favorisierte<br />

FRÖBEL Bildung & Erziehung<br />

gGmbH ihre Absicht, unter den Rahmenbedingungen<br />

des Ministeriums<br />

für Verteidigung die Kita zu errichten.<br />

Das Bundesamt für Infrastruktur,<br />

Umweltschutz und Dienstleistungen<br />

der Bundeswehr stellte Mitte März<br />

2018 die Rahmenbedingungen, die<br />

zeitliche Vorstellung zur Realisierung<br />

und die Kosten des Kitaneubaus vor.<br />

Trennstück<br />

ca. 3.736m 2<br />

Bild: geobasis-bb, 2018 / Grafik: Ralph Berek<br />

Blick auf die geplante Baufläche von 3.736 Quadratmeter<br />

76 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Die abgestorbenen Ulmen bieten<br />

Lebensraum für geschützte Insekten<br />

und Kleinsäuger des Waldes.<br />

Foto: Carsten Sicora<br />

Ende März wurde die Entscheidung<br />

bekannt gegeben, dass der Bau der<br />

Kita durch die Bundeswehr auf Kosten<br />

des Trägers nicht realisierbar sei,<br />

da die Kosten weit über dem ortsüblichen<br />

Durchschnitt lägen. Um das<br />

Vorhaben nicht scheitern zu lassen,<br />

schien es nur eine Lösung zu geben:<br />

Die Gemeinde Schwielowsee kauft<br />

das Grundstück zu einem Vorzugspreis<br />

und gibt es über einen Erbbaurechtsvertrag<br />

an den freien Träger<br />

weiter. Dieser beabsichtigt, eine Kita<br />

mit 80 Plätzen, davon zwölf Plätze für<br />

eine 24 Stunden-Betreuung, zu bauen.<br />

Fördermittel des Bundes in Höhe<br />

von 1.000.000 Euro stehen bereit.<br />

Gebietstausch vereinbart<br />

Bei der vorgesehenen Fläche für<br />

den Kita-Neubau handelt es sich um<br />

einen bestehenden Parkplatz, an den<br />

westlich ein Scherrasen sowie ein<br />

feuchter Ulmenlaubwald anschließt.<br />

Circa 40 Ulmen unterschiedlichen<br />

Alters befinden sich auf dem nordwestlichen<br />

Teil des Areals, dessen<br />

Gesamtfläche 3.736 Quadratmeter<br />

beträgt. Davon entfallen etwa 1.645<br />

Quadratmeter auf den bestehenden<br />

Parkplatz. Das Bild links veranschaulicht<br />

die Lage des Teilstücks, das aus<br />

dem Flurstück 246 der Flur 4 der Gemarkung<br />

Golm für den Kitaneubau<br />

abgetrennt werden soll. Die Stadt<br />

Potsdam und die Gemeinde Schwielowsee<br />

vereinbarten zu diesem<br />

Zweck einen Flächentausch. Dieser<br />

Gebietsänderungsvertrag wurde im<br />

Amtsblatt der Gemeinde Schwielowsee<br />

Nr. 11 im Oktober 2018 bekannt<br />

gegeben. Zeitnah soll dieses Teilstück<br />

in die Flur 5 der Gemarkung Geltow<br />

überführt werden.<br />

Stauwasser bis weit ins Frühjahr<br />

Geologisch betrachtet wird die<br />

Fläche von Talsanden gebildet, die<br />

nach <strong>West</strong>en und Süden in humusreiche<br />

bis torfige Sedimente der vermoorten<br />

Havelniederung übergehen.<br />

Der Untergrund von Parkplatz und<br />

Scherrasen besteht aus Schmelzwassersedimenten<br />

(Sanden), die oberflächlich<br />

anthropogen mit Sand und<br />

Beimengungen von Bauschutt aufgefüllt<br />

sind. Laut Angaben eines Baugrundgutachtens<br />

bewegt sich das Höhenrelief<br />

der potenziellen Baufläche<br />

zwischen 30,7 und 31,4 Meter über<br />

HN. Am südlichen und westlichen<br />

Rand fällt die Geländehöhe abrupt<br />

auf unter 30 bis 29 Meter über HN<br />

ab, was die künstliche Aufhöhung des<br />

Geländes im Bereich des Parkplatzes<br />

bestätigt. Zwei Bohrungen zur Voruntersuchung<br />

der Tragfähigkeit des<br />

Bodens belegen am Untersuchungstag<br />

19. Juli 2018 einen Grundwasserflurabstand<br />

von 2,50 Meter (= 28,45<br />

Meter über HN).<br />

Das vororientierende Baugrund-Gutachten<br />

bescheinigt eine<br />

ausreichende Tragfähigkeit für ein<br />

Gebäude ohne Keller im Bereich der<br />

versiegelten Parkplatzfläche. Für den<br />

Ulmenwald im westlichen Flächenteil<br />

und dem daran angrenzenden<br />

vermoorten Erlenbruchwald ist diese<br />

nicht gegeben. Je nach Witterungslage<br />

kann der Bruchwald bis in das<br />

Die Autorin bei der Aufnahme des<br />

Baumbestands Foto: Carsten Sicora<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 77


„Eine Zustimmung ist hier bereits deshalb ausgeschlossen, da für die<br />

Verwirklichung der mit dem Bauleitplan verfolgten Planungsabsicht<br />

offensichtliche Alternativstandorte außerhalb des LSG bestehen.“<br />

<br />

<br />

Aus dem Schreiben des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft<br />

vom 13. Dezember 2018 an die Gemeinde Schwielowsee<br />

späte Frühjahr hinein von hoch anstehendem<br />

Grund- und/oder Stauwasser<br />

überstaut sein. In einigen Planungsunterlagen<br />

ist niedergeschrieben,<br />

dass es sich bei den Waldflächen um<br />

Kieferforst handelt. Dem ist nicht so.<br />

Vergrabener Hausmüll<br />

Sie werden sich sicher fragen, warum<br />

mich die angrenzenden Waldflächen<br />

interessieren. Das hat mehrere<br />

Gründe. Aus den bisherigen Unterlagen<br />

geht nicht klar hervor, ob die<br />

Errichtung des Gebäudes nur auf die<br />

bisher versiegelte Fläche beschränkt<br />

ist und der Spielplatz im Bereich der<br />

Scherrasenfläche errichtet werden<br />

soll. Wenn dem so sei, dann wäre es<br />

sicher in Ordnung. Wenn die Fläche<br />

zu klein ist, dann wäre anzunehmen,<br />

dass auch der westliche Abschnitt<br />

des Grundstücks beansprucht werden<br />

soll. Dieser wird aktuell von<br />

einem Laubwald, hauptsächlich aus<br />

Ulmen bestehend, bewachsen. Dieser<br />

Waldabschnitt ist von menschlicher<br />

Handlung nicht ganz unbeeinflusst.<br />

Beim Durchlaufen und bei<br />

einem Blick auf die vermessenen<br />

und markierten Eckpunkte zeigt sich<br />

viel Hausmüll, der zu Zeiten der DDR<br />

häufig in siedlungsnahen Gruben entsorgt<br />

wurde. Ein Bodenaustausch in<br />

diesem grundwassernahen Bereich<br />

als auch auf der Scherrasenfläche<br />

wäre bei Einrichtung der Spielfläche<br />

also zwingend erforderlich. Sollte<br />

gar die Bebauung bis in diesen Bereich<br />

hineingezogen werden, müsste<br />

der Ulmenwald weichen und „ … tiefgründige<br />

Ertüchtigungsmaßnahmen<br />

stattfinden und besondere Anforderungen<br />

an die Materialien gestellt<br />

werden, da die Fläche in der Trinkwasserschutzzone<br />

IIIb liegt.“ (Auszug<br />

aus dem Baugrund-Gutachten, Dölling<br />

2018). Die Voranfrage der Gemeinde<br />

an die Untere Wasserbehörde<br />

des Landkreises Potsdam Mittelmark<br />

wurde wie folgt beantwortet: „Aus<br />

wasserschutzrechtlicher Sicht ist es<br />

prinzipiell möglich, für den Bau der<br />

Kita eine Befreiung von dem Waldumwandlungsverbot<br />

(WSG-VO Potsdam-<strong>Wildpark</strong>,<br />

§ 3 Nr. 15) zu erteilen.“<br />

Wäre hier herauszulesen, dass der<br />

Baumbestand gefällt werden soll? Zur<br />

Vermeidung unnötiger Spekulationen<br />

ist es zielführend, zeitnah seitens der<br />

Gemeinde über die aktuellen Pläne<br />

informiert zu werden. Die Untere Naturschutzbehörde<br />

ging zumindest im<br />

Juli 2018 davon aus, dass die Kita auf<br />

dem versiegelten Parkplatz und der<br />

Spielplatz auf der Kulturrasenfläche<br />

entstehen und keine weiteren Lebensräume<br />

beansprucht werden.<br />

Alternativen außerhalb des<br />

Landschaftsschutzgebietes<br />

Im Zuge der Anpassung des Flächennutzungsplanes<br />

(FNP) und<br />

des Landschaftsplanes stellte die<br />

Gemeinde Schwielowsee als Planungsträgerin<br />

eine Voranfrage auf<br />

Zustimmung zu den Änderungsentwürfen,<br />

um das gesamte Flurstück<br />

246 der Flur 4 der Gemarkung Golm<br />

mit einer Größe von 1,01 Hektar aus<br />

dem Landschaftsschutzgebiet „Potsdamer<br />

Wald- und Havelseengebiet“<br />

auszugliedern. Diese Fläche ist größer<br />

als das erworbene Teilstück, was<br />

wohl darauf zurückzuführen ist, dass<br />

nur ganze Flurstücke ausgegliedert<br />

werden können und der Antrag vor<br />

dem besiegelten Flächentausch gestellt<br />

worden war. In der Begründung<br />

des Antragsschreibens vom 26. März<br />

2018 wird dazu ausgeführt, dass insbesondere<br />

im Zusammenhang mit<br />

dem Bundeswehrstandort eine Tagesbetreuung<br />

in unmittelbarer Nähe<br />

benötigt werde, weswegen keine<br />

anderen Standortalternativen in Betracht<br />

kommen. Ein erster Abstimmungstermin<br />

zu den Anträgen auf<br />

Inaussichtstellung einer möglichen<br />

Ausgliederung aus dem Landschaftsschutzgebiet<br />

fand am 16. August<br />

2018 statt, wobei die Argumente der<br />

Gemeinde die Behörde offensichtlich<br />

nicht überzeugten: Das Ministerium<br />

für Ländliche Entwicklung,<br />

Umwelt und Landwirtschaft stimmte<br />

am 13. Dezember 2018 der Voranfrage<br />

mit folgender Begründung nicht<br />

zu: „Eine Zustimmung ist hier bereits<br />

deshalb ausgeschlossen, da für die<br />

Verwirklichung der mit dem Bauleitplan<br />

verfolgten Planungsabsicht<br />

offensichtliche Alternativstandorte<br />

außerhalb des Landschaftsschutzgebiet<br />

(LSG) bestehen. Eine Inanspruchnahme<br />

von Schutzgebietsflächen<br />

kommt nur in Betracht, wenn<br />

zumutbare Alternativen zum Standort<br />

fehlen. Das mit der vorgelegten<br />

Planung beabsichtigte Ziel kann<br />

im Gemeindegebiet auch erreicht<br />

werden, indem beispielsweise eine<br />

Fläche auf der gegenüberliegenden<br />

Seite des Werderschen Damms, die<br />

im Flächennutzungsplan (FNP) bereits<br />

als Sondergebiet ‚Bund‘ dargestellt<br />

ist und aus dem LSG ausgegliedert<br />

wurde, in Anspruch genommen<br />

wird.“ Hier stellt sich tatsächlich<br />

die Frage, warum die Kita nicht auf<br />

der gegenüberliegenden Fläche errichtet<br />

werden könnte. Wurde diese<br />

Variante geprüft? Während die Fachbereichsleiterin<br />

Bauen, Ordnung und<br />

Sicherheit am 15. Januar <strong>2019</strong> auf<br />

Nachfrage mitteilte, dass eine Bebaubarkeit<br />

im Landschaftsschutzgebiet<br />

möglich ist, da die Untere Naturschutzbehörde<br />

eine Befreiung der<br />

Fläche auf Grund von „öffentlichem<br />

Interesse“ in Aussicht gestellt hat,<br />

richtete die Bürgermeisterin persönlich<br />

in der ersten Sitzungsfolge des<br />

Jahres einen Appell an alle Fraktionen<br />

nach Argumenten zu suchen, die<br />

eine Ausgliederung aus dem LSG<br />

ermöglichen. Soweit zum Stand der<br />

Dinge.<br />

78 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Carsten Sicora<br />

Hinterlassenschaften: Der Hausmüll reicht bis in tiefere Schichten des Erdbodens<br />

Jährliche Mückenplage<br />

Bei allen offenen Fragen zur<br />

Standort- und Planungssicherheit sowie<br />

zum Umwelt- und Naturschutz<br />

sticht jedoch eine Frage hervor, die<br />

wir uns als erstes im Hinblick auf die<br />

Standortwahl gestellt haben. Hat jemand<br />

an die Mücken gedacht? Bruchwälder,<br />

Feuchtwiesen und Teiche<br />

beherbergen von Frühjahr bis zum<br />

Herbst Millionen von Mücken. Nicht<br />

nur die Bewohner des anliegenden<br />

alten Entenfängerhauses, sondern<br />

auch die Einwohner im südöstlichen<br />

Teil der <strong>Wildpark</strong>siedlung berichteten<br />

jährlich von der „Mückenplage“. Die<br />

sumpfigen Wiesen mit ihrem alten<br />

Baumbestand, welche an den Kindergarten<br />

anschließen, stehen häufig bis<br />

in den <strong>Sommer</strong> hinein unter Wasser,<br />

und gelten deshalb auch als wichtiges<br />

Jagdgebiet der unter strengem Schutz<br />

stehenden Fledermäuse, die im Gebiet<br />

heimisch sind. Der Einsatz eines<br />

Insektizids verbietet sich von selbst.<br />

Noch keine Planungen<br />

Die Pressesprecherin der Fröbel<br />

gGmbH Beatrice Strübing erklärte<br />

gegenüber der Redaktion, dass es aus<br />

ihrer Sicht zu früh für umfassende<br />

Informationen sei. „Wir haben aktuell<br />

eine Absichtserklärung mit dem<br />

Landkreis Potsdam-Mittelmark unterzeichnet,<br />

am Standort Schwielowsee<br />

eine Kita mit bis zu 80 Plätzen in Kooperation<br />

mit der Bundeswehr zu errichten.<br />

Momentan befinden wir uns<br />

in den Verhandlungen, wie und in<br />

welcher Form das Projekt ausgestaltet<br />

werden soll.<br />

Sobald konkrete Verträge dazu<br />

vorliegen, stehen wir Ihnen sehr gern<br />

für ein ausführlicheres Interview zur<br />

Verfügung.“ Auch Frau Murin von der<br />

Verwaltung bestätigte am 15. Januar<br />

auf Nachfrage, dass „derzeit noch<br />

keine Planung für das Grundstück<br />

vorliegt“. So sieht es wohl auch die<br />

Bürgermeisterin, die auf eine Anfrage<br />

der SPD-Fraktion nach dem Stand<br />

der Dinge einräumen musste, „dass<br />

es derzeit überhaupt keinen neuen<br />

Stand der Dinge gebe ...“<br />

Die Autorin Dr. rer. nat. Beate Gall,<br />

Dipl.-Ing. Landschaftsnutzung<br />

und Naturschutz, geboren 1977 in<br />

Neubrandenburg. Lebt seit 2016<br />

mit ihrem Partner und ihren zwei<br />

Kindern in Werder/Havel. Zuvor war<br />

sie zwölf Jahre in Geltow zuhause.<br />

Sie ist NABU-Mitglied und gärtnert<br />

in einem torffreien<br />

Garten in Geltow<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 79


Während besonders für die jungen Eltern der Neubau eines Kindergartens ein interessantes<br />

Gesprächsthema darstellt, erinnern sich die älteren Einwohner der <strong>Waldsiedlung</strong> gerne daran,<br />

dass es über vierzig Jahre, bis 1996, in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> schon einmal einen Kindergarten gab ...<br />

Carola Kuhl, die letzte Leiterin, nimmt uns auf eine Reise in die Vergangenheit mit.<br />

Wenn Kinder groß werden<br />

VON CARSTEN SICORA<br />

Auf dem Stubentisch liegt<br />

das weiße Plaste-Schild mit<br />

der Aufschrift: Kindergarten<br />

„Clara Zetkin“. Viele Jahre<br />

hing es im Eingangsbereich, gleich<br />

neben den herrschaftlichen Treppenstufen<br />

an der Wand. Heute ist es ein<br />

Andenken an längst vergangene, aber<br />

immer noch lebendige Zeiten. Neben<br />

dem Schild, aufgeschlagen, ein dickes<br />

Album mit den visuellen Erinnerungen<br />

aus 36 Jahren Berufstätigkeit.<br />

Oder sollte man bei einer Kindergärtnerin<br />

nicht besser von einer Berufung<br />

sprechen? „Ja, für die Arbeit mit den<br />

Kindern muss man schon geboren<br />

sein“, stimmt mir die schlanke Frau<br />

mit den langen schwarzen Haaren<br />

zu. „Vor allem aber ist es eine gesellschaftlich<br />

wichtige und schöne Aufgabe,<br />

Kinder zu erziehen“, ergänzt sie.<br />

Betrachtet man die Fotos auf den Seiten<br />

im Album genauer, kommen manche<br />

der Kinderaugen selbst mir, der<br />

erst seit Ende der 1980er Jahre in der<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> lebt, merkwürdig bekannt<br />

vor. Natürlich, dass ist doch … !?<br />

Carola Kuhl nickt zustimmend, ein<br />

Lächeln umspielt ihren Mund. „Es ist<br />

schon ein gutes Gefühl, wenn man<br />

jetzt die Kinder der Kinder betreut,<br />

die bei mir vor Jahren im Kindergarten<br />

hier in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> aufgewachsen<br />

sind.“ Nachdenklich und sich erinnernd<br />

schlägt sie eine Seite um.<br />

Es fehlte damals an nichts<br />

„Wenn ich zurückblicke, kann ich<br />

für mich sagen, dass es eine gute und<br />

erfüllte Zeit war. Es fehlte damals an<br />

nichts. Als ich 1987 die Leitung des<br />

Kindergartens übernahm, waren wir<br />

zu fünft und Frau Krebs („Tante Lieselotte“)<br />

als pädagogische Hilfskraft<br />

unterstützte uns. Vor mir hatte u.a.<br />

Frau Mieth den Kindergarten geleitet,<br />

der vorher eigentlich ein Wochenheim<br />

für die Kinder war, deren Eltern<br />

außerhalb arbeiteten.<br />

Milchreis und Königsberger Klopse<br />

Der Kindergarten war für damalige<br />

Verhältnisse sehr gut ausgestattet<br />

und wir kochten für die Kinder selber.<br />

Es gab einen wunderschönen Spielplatz<br />

zwischen den Bäumen, den wir<br />

mit Hilfe der Eltern selbst gebaut<br />

hatten. Es war wie eine große Familie.<br />

Kindertag oder Fasching feierten<br />

wir zuerst mit den Kindern und ließen<br />

dann zusammen mit den Eltern den<br />

Abend ausklingen. Jeder kannte noch<br />

jeden. Wir unternahmen mit den Kindern<br />

Waldspaziergänge, fuhren mit<br />

der Kutsche, sangen, spielten und<br />

gingen gemeinsam mit den Kleinen<br />

im <strong>Sommer</strong> an der Badestelle baden.<br />

Das war wirklich schön und hat den<br />

Kindern viel Spaß bereitet. Wir Erzieherinnen<br />

gingen dabei immer mit<br />

ins Wasser und ab Bauchhöhe hieß es<br />

dann: Bis hierhin und nicht weiter! Wir<br />

hatten alle Unterstützung, die man<br />

sich vorstellen konnte und die Brigade<br />

des „Konsums“ war unsere Patenbrigade,<br />

die uns regelmäßig besuchte.<br />

Frau Schröder, Frau Sigurd und Frau<br />

Seifert hatten jahrelang selbst im<br />

Konsum gearbeitet und Frau Augenadel<br />

kannte ja sowieso jeder im Ort.<br />

Artikel aus einer Potsdamer Tageszeitung, 1965<br />

Große Villa direkt am Wasser<br />

Die Kinder konnten in Gruppen<br />

mit uns einfach so durch den Ort laufen,<br />

denn <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> war ja früher<br />

sozusagen fast autofrei. Erst unmittelbar<br />

bevor die Kinder in die Schule<br />

kamen, mussten wir sie auf den Verkehr<br />

vorbereiten, so dass sie dann<br />

80 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Kindergarten, Ansicht von der Wasserseite<br />

Fasching 1958, mit der späteren Leiterin Frau Mieth<br />

Hand in Hand in der Gruppe gingen.“<br />

Viele der älteren Einwohner werden<br />

sich noch an die Bilder dieser fröhlichen<br />

Kinderschar erinnern, wenn sie<br />

durch den Ort zog. Der Kindergarten<br />

selbst war in einer alten großen Villa<br />

unweit der Bootswerft Görrissen,<br />

direkt am Wasser gelegen, untergebracht.<br />

Die Kehrseite dieses schönen<br />

alten Hauses zeigte sich dann nach<br />

der Wende: Wie bei vielen anderen<br />

Grundstücken auch gab es Rückübertragungsansprüche<br />

der Alteigentümer.<br />

Hier war es ein älteres Ehepaar,<br />

das uns dann auch einmal besuchte,<br />

aber die Villa verkaufen wollte. Zu<br />

dieser Zeit gab es im Kindergarten<br />

noch 21 Kinder aus Geltow und <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Für uns und die Kinder bedeutete<br />

das Jahr 1996 das „Aus“ und<br />

ich zog mit ihnen in den Kindergarten<br />

nach Geltow, wo ich erst zwei Jahre<br />

als Erzieherin arbeitete, dann die<br />

kommissarische Leitung innehatte<br />

und später die Leitung der Kindertagesstätte<br />

übernahm. Inzwischen bin<br />

ich nun schon fast 20 Jahre in dieser<br />

Einrichtung und werde deshalb selbst<br />

in dem Wissen, dass vielleicht einmal<br />

ein neuer Kindergarten vor den Toren<br />

von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> entstehen wird,<br />

natürlich dortbleiben. Zusammen mit<br />

meinen Erzieherinnen bin ich zur Zeit<br />

für über 165 Kinder, von denen 45 in<br />

diesem Jahr in die Schule kommen<br />

können, verantwortlich. Natürlich<br />

sind alle Kindergärten in der Gemeinde<br />

auf Grund der gewachsenen<br />

Kinderzahlen überbelegt, deshalb<br />

begrüße ich sehr, dass die Gemeinde,<br />

egal wo, einen neuen Kindergarten<br />

bauen will. Ein neuer Kindergarten<br />

ist unbedingt notwendig! Ich halte<br />

den Platz hier vor <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

eigentlich für gut und denke, dass<br />

alle Voraussetzungen dafür geschaffen<br />

werden, dass sich die Kinder dort<br />

wohlfühlen können. Natürlich gibt es<br />

in diesem Gebiet auch Mücken, das ist<br />

hier nun mal so, aber ich glaube nicht,<br />

dass das zum Problem wird. Auch früher<br />

sind die Kinder unbeschadet hier<br />

groß geworden. Ob damals von Geltow<br />

aus oder heute: Die Gemeinde<br />

kümmerte und kümmert sich immer<br />

um unsere Kinder. Alle von uns beantragten<br />

Mittel werden ohne Wenn<br />

und Aber genehmigt. Die heute stehenden<br />

zusätzlichen Container sind<br />

perfekt ausgestattet und die Kleinen<br />

kommen auch nicht mit den Schulkindern<br />

zusammen, sondern sind unter<br />

sich. Einzelne Kinder aus dieser Gruppe<br />

kommen ja auch aus unserem Ort<br />

und deshalb ist es schon seit Jahren<br />

eine gute Tradition, dass die ältesten<br />

Kinder unsere Rentner während der<br />

Weihnachtsfeier mit einer selbst gestalteten<br />

Programmvorführung überraschen.<br />

Und wenn die Eltern und<br />

größeren oder kleineren Geschwister<br />

sich die Darbietungen dann mit anschauen<br />

und ich in die stolzen Gesichter<br />

meiner inzwischen zu Eltern<br />

gewordenen Kindern schaue, weiß<br />

ich, dass wir in den letzten Jahrzehnten<br />

etwas Gutes gemacht haben.“<br />

Fotos: Archiv Toralf Tietze<br />

1. Juni, Kindertag<br />

Autor Carsten Sicora, geboren<br />

1967 in Dresden, verheiratet, lebt<br />

seit 1989 in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 81


IM SPIEGEL VON ZUKUNFTSVISIONEN<br />

Um das Besondere unserer <strong>Waldsiedlung</strong> in ihrer heutigen Ausdehnung und<br />

der gewachsenen Bevölkerungsstruktur besser verstehen zu können, ist es<br />

erforderlich, sich mit Planspielen verschiedener Generationen und deren<br />

Verwirklichung – oder auch Nichtumsetzung – zu beschäftigen.<br />

Utopia <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

1. TEIL<br />

VON PROF. DR. PETER R. WETZEL<br />

Die heutige <strong>Waldsiedlung</strong><br />

entstand – über viele Jahrzehnte<br />

behutsam wachsend<br />

– auf dem Gebiet der<br />

Wiese Gallin und liegt mitten im<br />

Landschaftsschutzgebiet „Potsdamer<br />

Wald- und Havelseengebiet.“ Teile<br />

des Ortes – so der Uferstreifen der<br />

Havel oder die Randgebiete – liegen<br />

bereits im Landschaftsschutzgebiet<br />

bzw. unterliegen den noch strengeren<br />

Bestimmungen eines FFH-Gebietes*.<br />

Vereinfacht dargestellt wird die<br />

Siedlung im Norden vom Wäldchen<br />

hinterm Tannenweg mit anschließendem<br />

Bahndamm und Golmer Bruch<br />

(umgangssprachlich auch Golmer<br />

Luch), im <strong>West</strong>en durch die Havel, im<br />

Südosten durch den Werderschen<br />

Damm mit den Torfstichteichen und<br />

im Nordosten – im weitesten Sinne<br />

– durch den angrenzenden <strong>Wildpark</strong><br />

begrenzt.<br />

Hohe Lebensqualität<br />

Damit ist ihre flächenmäßige Ausdehnung<br />

durch die vorliegenden<br />

Verhältnisse vorgegeben. Eine Ausweitung<br />

durch zusätzliche Bebauung<br />

würde eine unweigerliche Zerstörung<br />

der die Siedlung umgebenden Natur<br />

nach sich ziehen. Genau diese umgebende<br />

Natur und der über Jahrzehnte,<br />

zum Teil Jahrhunderte gewachsene<br />

Baumbestand in und in der Umgebung<br />

der Siedlung, macht diesen Ort<br />

so einmalig und ermöglicht seinen<br />

Bewohnern eine Lebensqualität, wie<br />

man sie in ähnlichen Siedlungen, nur<br />

wenige Kilometer entfernt vom Großraum<br />

Berlin, nicht mehr findet. Andere<br />

vergleichbare Siedlungen wie<br />

es etwa Kleinmachnow oder andere<br />

<strong>Waldsiedlung</strong>en wie Fichtenwalde<br />

oder Wilhelmshorst sind, können in<br />

Bezug auf Lebensqualität mit <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

an der Havel nicht mithalten.<br />

Die Siedlung vereint die Vorzüge<br />

von Natur und Wohnen gleichermaßen<br />

– zumal auf Grund der geografische<br />

Lage der Autoverkehr auf Siedlungsbewohner<br />

und deren Besucher<br />

beschränkt bleibt.<br />

Heute, im Jahr <strong>2019</strong>, ist <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

eine <strong>Waldsiedlung</strong> mit<br />

etwa 860 Einwohnern, die im Jahre<br />

1928 im Auftrag des Hauses Hohenzollern<br />

auf dem Reißbrett als „Villenkolonie<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“ konzipiert<br />

<br />

<br />

„Prognosen sind<br />

dann besonders<br />

schwierig, wenn<br />

sie sich auf die<br />

Zukunft beziehen.“<br />

Mark Twain<br />

wurde. Der Gallin, wie das Gebiet<br />

damals hieß, war das Privateigentum<br />

des vormaligen Königshauses.<br />

1933, Bau der ersten Wohnhäuser<br />

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs<br />

wurde das „Krongut Bornstedt-Gallin“<br />

im November 1918<br />

von der Weimarer Regierung unter<br />

Zwangsverwaltung durch das Finanzministerium<br />

gestellt. Erst ab Oktober<br />

1926 hatte das vormalige Königshaus<br />

wieder die volle Verfügungsgewalt<br />

über ihr Eigentum. Weil die<br />

Beschlagnahme von dringend benötigtem<br />

Siedlungsgelände durch den<br />

Staat auch dem großen Gut „Bornstedt-Gallin“<br />

drohte, entschloss sich<br />

das Haus Hohenzollern, den Gallin<br />

abzutrennen, als Siedlungsgebiet<br />

auszuweisen, in bebaubare Parzellen<br />

einzuteilen und durch eine Siedlungsgesellschaft<br />

vermarkten zu lassen.<br />

Gemäß der ersten Planung aus<br />

dem Jahre 1928 und dem Plan von<br />

1931/32 entstanden im Jahr 1933<br />

die ersten beiden Wohnhäuser in<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Das unvollendete Projekt<br />

Mit dem Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkrieges im Jahr 1939 waren auf<br />

Grund der wirtschaftlichen und politischen<br />

Situation die Pläne für viele<br />

Kaufinteressenten zunehmend nicht<br />

mehr umsetzbar. So blieb das Projekt<br />

„Villensiedlung <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“ un-<br />

* FFH-Gebiete sind spezielle europäische Schutzgebiete in Natur- und Landschaftsschutz, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie<br />

ausgewiesen wurden und dem Schutz von Pflanzen (Flora), Tieren (Fauna) und Lebensraumtypen (Habitaten)<br />

dienen, die in mehreren Anhängen zur FFH-Richtlinie aufgelistet sind. Die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung<br />

der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen<br />

Union. Sie wird umgangssprachlich auch als Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie oder Habitatrichtlinie bezeichnet.<br />

82 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Quelle: Archiv v. Klinski-Wetzel<br />

Von W. Wolff unter architektonischer Mitarbeit von R. Nicklau projektierte Gaststätte mit Hotel am Weißen Steg.<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> Terrainverwertungsgesellschaft m.b.H., um 1932.<br />

„Eine der seltsamsten Lücken in der Entwicklung der menschlichen<br />

Kultur ist das mangelnde Verständnis der Beziehung des Menschen<br />

zu seiner physischen Umwelt.“<br />

William Vogt in „Road to Survial“, New York 1950<br />

vollendet. Die Straßenbezeichnungen<br />

„An der Kirche“ und „Schulstraße“<br />

zeugen noch heute von weitergehenden<br />

Plänen. Die in den 1920er Jahren<br />

erstellte Prognose, die vorhergesagte<br />

zukünftige Entwicklung, ist in der<br />

Wirklichkeit also nicht eingetreten.<br />

Die Problematik zwischen Prognose<br />

und Realität zeigt sich aber auch in<br />

vielen anderen Bereichen.<br />

Szenarien erarbeiten<br />

Der amerikanische Autor Mark<br />

Twain (1815–1910) hat einmal scherzhaft<br />

geschrieben: „Prognosen sind<br />

dann besonders schwierig, wenn sie<br />

sich auf die Zukunft beziehen“. Das<br />

ist auch schon das ganze Dilemma,<br />

wir können nicht wissen, was auf uns<br />

zukommt. Wir können aber versuchen,<br />

uns darauf vorzubereiten, indem wir<br />

Szenarien erarbeiten:<br />

» » um Problem-Simulationen durchzuführen,<br />

» » um Annahmen und Modellvorstellungen<br />

in Frage zu stellen,<br />

» » um Strategien zu entwickeln und<br />

Pläne zu erproben,<br />

» » nicht um Prognosen oder Vorhersagen<br />

zu machen.<br />

Szenarien anpassen<br />

Das Unternehmen Shell veröffentlicht<br />

jährlich immer wieder neu<br />

angepasste Szenarien für mögliche<br />

alternative „Zukünfte“. Arie de Geus,<br />

lange Jahre der Chef von Shell’s strategischer<br />

Planungsgruppe, schrieb<br />

dazu: „Die einzig relevanten Fragen<br />

zur Zukunft sind diejenigen, bei denen<br />

es uns gelingt, den Schwerpunkt<br />

der Fragestellung davon, ob etwas<br />

passiert, darauf zu verlagern, was wir<br />

tun würden, wenn etwas passiert.“<br />

Visionäre in der Geschichte<br />

Zukunftsseher hat es in der Vergangenheit<br />

immer wieder gegeben:<br />

» » Weissagen und Prophezeiungen<br />

von Priestern im Altertum,<br />

» » Thomas Morus (1478–1535) „Utopia“,<br />

Roman von der Vision eines<br />

besseren Staates,<br />

» » Nostradamus (1503–1566) „Centuries“,<br />

Prophezeiungen bis 3.000<br />

Jahre n. Chr.,<br />

» » Jules Verne (1828–1905) schrieb<br />

über 90 Zukunftsromane,<br />

» » Erik Jan Hanussen (1889–1933),<br />

Hellseher und Magier,<br />

» » Dennis Meadows (*1942) „Die<br />

Grenzen des Wachstums“, Bericht<br />

an den Club of Rome,<br />

» » sowie diverse Science-Fiction-Autoren<br />

wie Asimov, Lem, Galouye<br />

usw.<br />

Keine Prognose wurde Realität<br />

Dabei haben diese Ausblicke in<br />

die Zukunft fast nie mit den späteren<br />

Realitäten übereingestimmt. Ich habe<br />

einmal die <strong>Ausgabe</strong> einer deutschen<br />

großen Tageszeitung vom 1. Januar<br />

1900 in die Hand bekommen, in<br />

der versucht wurde, die Umwelt des<br />

Jahres 2000 vorherzusagen. Keine<br />

einzige dieser Prognosen ist Realität<br />

geworden, etwa die: „Die reicheren<br />

Familien wohnen Tag und Nacht<br />

1.000 bis 2.000 Meter hoch in verankerten<br />

Lufthäusern“.<br />

Irrtümer der Zeitgeschichte<br />

Dass selbst die Vertreter der Eliten<br />

(die Macht ausübende Klasse der Gesellschaft)<br />

keine zuverlässigeren Visionen<br />

haben, zeigen diese Beispiele:<br />

» » R. B. Hayes, 19. Präsident der USA,<br />

zum Telefon 1876 „Das ist eine bewundernswerte<br />

Neuheit, aber wer<br />

wird die jemals nutzen wollen?“<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 83


84 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 85


WILDPARK-WEST-KARTE AUF DER VORSEITE, 1928<br />

Utopie einer Villenkolonie<br />

Kirche, Ortszentrum mit Kreisel, Gaststätte mit<br />

Hotel, Schule mit Wasserturm und Stadion,<br />

Bahnhof mit Zentralgaragen und Handelsgärtnerei,<br />

Sportanlagen mit Fußballplätzen, Eislaufund<br />

Spielwiesen, Badeanstalt und Dampferanlegestelle,<br />

Segel- und Motorbootstände sowie eine Meierei mit<br />

Weidewirtschaft: Der von Walter Wolff ausgeführte<br />

Planungsentwurf sah eine große Villenkolonie mit ausgebauter<br />

Infrastruktur vor.<br />

Bei dem Projektentwurf fanden, trotz der Bedenken<br />

des damaligen Baurats Dr. Wallbrecht, die überplanten<br />

Sumpfwiesen keine Berücksichtigung, was pedologisch<br />

bedenklich schien. Als im März 1939 Kronprinz Wilhelm<br />

sein Erbe an der parzellierten Fläche antrat, schien sich<br />

sein Interesse nicht an einer großen Siedlung auszurichten,<br />

vielmehr dürfte eine Wochenendsiedlung mit<br />

möglichst wenig Dauerbewohnern und Wassersport<br />

treibenden und Erholung suchenden Berlinern seine<br />

Idealvorstellung gewesen sein. Zudem zeigten wirtschaftliche<br />

Gründe und der heraufziehende Krieg die<br />

Unrealisierbarkeit des Vorhabens deutlich auf.<br />

<br />

Karte, Quelle: Archiv v. Klinski-Wetzel<br />

» » H. Warner, Vorstandsvorsitzender<br />

der Mediengruppe Warner Brother<br />

Pictures, zum Tonfilm 1927 „Wer<br />

zum Teufel will die Stimme der<br />

Schauspieler hören?“<br />

» » T. J. Watson, Vorstandsvorsitzender<br />

von IBM 1943 „Ich denke, es gibt<br />

einen Weltmarkt von etwa fünf<br />

Computern.“<br />

» » K. Olson, Gründer der Computerfirma<br />

DELL 1977 „Es gibt keinen<br />

Grund für die Menschen, einen<br />

Computer bei sich zu Hause zu<br />

haben.“<br />

Die Delphi-Methode<br />

Die Industrienationen versuchen,<br />

über großangelegte, teure Studien zu<br />

verlässlichen Prognosen zu kommen.<br />

Ein Beispiel ist die Delphi-Methode<br />

(benannt nach dem Orakel von Delphi<br />

im Altertum), bei der Experten unterschiedlicher<br />

Fachgebiete nach einem<br />

festgelegten Schema befragt werden.<br />

Nach dem Vorliegen der Zwischenergebnisse<br />

einer ersten Runde werden<br />

in einer zweiten Runde Stellungnahmen<br />

abgefragt. Die Vorgänge werden<br />

wiederholt, bis hinreichend homogene<br />

Gruppenmeinungen entstanden<br />

sind. Nachteile sind der Zeit- und<br />

Dokumentationsaufwand, die Kosten<br />

und die Reduzierung auf einen kleinsten<br />

gemeinsamen Nenner. Eine Studie<br />

der deutschen Bundesregierung<br />

wurde 1998 durchgeführt, für Japan<br />

gibt es bereits sechs Delphi-Studien.<br />

Beispiele für Megatrends der deutschen<br />

Studie:<br />

» » Alterung der deutschen Bevölkerung<br />

(Demographie-Problem),<br />

» » Technischer Fortschritt und nationale/globale<br />

Umverteilung der<br />

Arbeitsplätze,<br />

» » Übergang von der Industrie- in die<br />

Dienstleistungs-Gesellschaft,<br />

» » Anwachsen der Erdbevölkerung<br />

auf bald zehn Milliarden Menschen,<br />

» » Deutschland als Investitionsstandort?<br />

» » Führungspositionen für Frauen in<br />

Deutschland?<br />

Extrem schwer<br />

Für einige Bereiche sind Prognosen<br />

extrem schwer bis gar nicht möglich:<br />

» » Große Erdbeben, obwohl die Früherkennung<br />

Fortschritte macht.<br />

» » Mögliche große Vulkanausbrüche,<br />

wie bei dem schlummernden Vulkan<br />

unter dem Yellowstone-Nationalpark<br />

der USA.<br />

» » Einschlag eines großem Himmelskörpers,<br />

der nahezu alles Leben<br />

auslöschen könnte.<br />

» » Politische Verwerfungen, die zum<br />

Ausbruch eines Dritten Weltkriegs<br />

führen könnten.<br />

Drei Gruppen<br />

Mögliche Prognosen im wirtschaftlichen<br />

und technologischen Bereich<br />

lassen sich in drei Gruppen einteilen:<br />

» » Ein kurzfristiger Zeitraum von bis<br />

zu fünf Jahren. In diesem Rahmen<br />

sind kaum Fortschrittssprünge zu<br />

erwarten, die Entwicklung ist evolutionär,<br />

vorhandenes Wissen wird<br />

weiterentwickelt.<br />

» » Ein mittelfristiger Zeitraum von<br />

fünf bis 50 Jahren. Für diesen Zeitraum<br />

gibt es oft schon eine wissensbasierte<br />

Vorausschau. Bestenfalls<br />

ist heute schon Grundwissen<br />

vorhanden, Technologiesprünge<br />

sind wahrscheinlich.<br />

» » Ein langfristiger Zeitraum von über<br />

50 Jahren. Basis sind Phantasien<br />

und Zukunftsromane (Science-Fiction).<br />

Die Entwicklung ist mit heutigem<br />

Wissen kaum bis gar nicht<br />

erfassbar. Sehr große Technologiesprünge<br />

sind wahrscheinlich. Eine<br />

realistische Prognose ist nahezu<br />

unmöglich.<br />

<br />

<br />

Fortsetzung folgt.<br />

Der Autor Prof. Dr. phil.<br />

Peter R. Wetzel, Dipl.-Ing.<br />

Elektrotechnik,<br />

Jahrgang 1934, aufgewachsen<br />

in Potsdam, lebt seit 2002 in<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Er ist verheiratet und hat<br />

drei Kinder und sechs Enkel.<br />

86 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Irgendwann wollten wir, meine Frau und ich,<br />

uns einmal <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> anschauen,<br />

und dachten, die <strong>Waldsiedlung</strong> wäre ein Zoo!<br />

Dass wir bereits wenige Jahre später selbst<br />

zu den dort lebenden „Tieren“ zählen würden,<br />

konnten wir zum damaligen Zeitpunkt nicht ahnen.<br />

Eine Vision wird<br />

Wirklichkeit<br />

VON MANFRED SWOBODA<br />

Luftbild<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Quelle: geobasis-bb, 2018


Meine Frau hatte bereits in<br />

unserem Berliner Domizil<br />

die Vision vom Leben<br />

in der Natur! Die Wasserlandschaft<br />

rund um den Schwielowsee<br />

schien die wahre Welt für<br />

unsere Glückseligkeit! Wir tuckerten<br />

vom Müggelsee mit unserem Segelboot<br />

„Marwin“ zum Petzinsee, wo<br />

wir die Datsche mit Bootssteg für<br />

einen Freund hüteten. Wasser und<br />

Wald, das war es, was uns gefiel! Zu<br />

der Zeit sang ich als Tenor im „TAZ-<br />

Chor“. Eines Tages fragte mich eine<br />

neue Mitsängerin, ob ich denn nicht<br />

ihr Nachbar werden wollte, denn sie<br />

plante ein Grundstück in der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

zu kaufen. Dies machte mich<br />

neugierig, denn <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> wollte<br />

ich schon lange kennenlernen – der<br />

Freizeitwert schien verlockend!<br />

Einfach Magisch<br />

Statt des erwarteten Wildgeheges,<br />

wurde es dennoch ein spannender<br />

Spaziergang. Obwohl uns kein<br />

kapitales Tier über den Weg lief und<br />

auch der Biber noch nicht gesiedelt<br />

hatte, fanden wir den Charakter der<br />

Siedlung einfach magisch! Geprägt<br />

durch eigenwillig gekrönte Kiefern,<br />

eine bunte Vogelwelt, einer Datschen-<br />

Vielfalt aus Asbestzement und plötzlich<br />

– überraschend – geschmackvoll<br />

gestaltete Wohnhäuser unterschiedlichster<br />

Stile.<br />

<br />

„Hier müsste<br />

ein Fahrrad- und<br />

Fußgängerübergang<br />

mit Aussichtsplattform<br />

und Blick zur Insel<br />

Werder hin!“<br />

Renate Kaiser-Swoboda<br />

Ich war elektrisiert!<br />

Plötzlich standen wir vor einem<br />

zum Verkauf stehenden Grundstück<br />

und schauten uns verdutzt an …<br />

Silvester 2003 übernachteten wir<br />

bereits in der eiskalten, frisch erworbenen<br />

Datsche. So kehrten wir nicht<br />

nur dem Jahr 2003 den Rücken, sondern<br />

auch Berlin!<br />

Ein überwältigender Blick<br />

Am Neujahrsmorgen 2004 machten<br />

wir einen ersten Spaziergang an<br />

der Havel Richtung Werder, entlang<br />

eines offensichtlich oft benutzten<br />

Trampelpfads, hin zur Bahnbrücke.<br />

Der Brückenzugang führte über 27<br />

vereiste Treppenstufen, belohnte uns<br />

aber mit einem überwältigenden Blick<br />

auf die Wasserlandschaft. Auf dem<br />

Weg zurück sagte meine Frau, als wir<br />

die glatten Stufen wieder Richtung<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> hinabstiegen: „Dieser<br />

Brückenaufgang ist wirklich sehr gefährlich<br />

und nicht mehr zeitgemäß!“<br />

Ganz Unrecht hatte sie nicht, denn<br />

Ein erster Entwurf der geplanten<br />

Radwegbrücke über den Zernsee<br />

(VIC Planen+Beraten GmbH)<br />

88 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


der Übergang an der Bahnbrücke ist<br />

nicht nur im Winter ein Abenteuer!<br />

Ausflügler und Gruppen von Radlern<br />

Über die „Schmalspur“ von 140<br />

Zentimetern und über eine Brückenlänge<br />

von etwa 100 Meter verläuft<br />

eine Sturz gefährliche Metallkante<br />

von 1–2 Zentimetern Höhe. Sie gehört<br />

zum Kabelkanal, der seit vielen Jahren<br />

leer ist, da die Stromkabel unterhalb<br />

des Flussbettes geführt sind.<br />

An warmen Wochenenden stauen<br />

sich an dem Bahnübergang Anwohner,<br />

Ausflügler und Gruppen von Radlern,<br />

so dass eine Brückenüberquerung<br />

manchmal viel Zeit und<br />

auch Nerven kostet, was häufig<br />

eine Herausforderung darstellt!<br />

Genau die richtige Zeit<br />

Renate meinte: „Hier müsste ein<br />

Fahrrad- und Fußgängerübergang mit<br />

Aussichtsplattform und Blick zur Insel<br />

Werder hin!“<br />

Warum eigentlich nicht? Ihre Vision<br />

ließ mich nicht mehr los! Nur wie


sollte das realisiert werden? Eines<br />

Morgens fiel es mir beim Unterqueren<br />

der Bahnbrücke wie Schuppen von<br />

den Augen: Hier war doch ein überlanger<br />

Brückenkopf, auf dem eine separate<br />

Brücke liegen könnte!<br />

Mit den Skizzen einer 117 Meter<br />

langen „Radlerbrücke“ verabredete<br />

ich mich mit dem damaligen Vorsitzende<br />

des „<strong>Wildpark</strong> e. V.“, der mich<br />

darin bestärkte, meine Entwürfe Entscheidungsträgern<br />

der Region vorzustellen.<br />

Eine spannende Idee in einer<br />

spannenden Zeit! Damals wie heute<br />

ist die so genannte „Havelspange“ ein<br />

großes Thema, was letztlich sogar zur<br />

Gründung des „<strong>Wildpark</strong> e. V.“ führte.<br />

Es geht darum, dass am Bahndamm<br />

nördlich der <strong>Waldsiedlung</strong>, eine<br />

mehrspurige Schnellstraße entlang<br />

führen sollte. Quer durch den ganzen<br />

<strong>Wildpark</strong> bis hinüber nach Phöben!<br />

Doch Ende August 2004 berichtete<br />

die Tageszeitung Potsdamer Neueste<br />

Nachrichten überraschend: „Havelspange<br />

soll vorerst ausgeklammert<br />

werden“. War das Geld ausgegangen?<br />

Genau der richtige Zeitpunkt für eine<br />

Fahrradwegbrücke …<br />

Auf dem Gelände der Grabow-Werft<br />

lud ich deshalb engagierte<br />

Bürger und den damaligen Fahrradbeauftragten<br />

von Potsdam, Axel<br />

Dörrie dazu ein, meine Pläne zu begutachten<br />

und sich vor Ort selbst ein<br />

Bild von meiner Vision zu machen.<br />

Alles sprach dafür, dieses Projekt zu<br />

realisieren! Also machte ich mich in<br />

meiner Freizeit an die Arbeit!<br />

Der Autor Manfred Swoboda, geboren<br />

1954 in Bremen, lebt seit<br />

2004 mit seiner Familie in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Er ist Dipl.-Ing. für<br />

Feinwerktechnik-Konstruktion und<br />

pendelt täglich zum Fritz-Haber<br />

Institut der Max-Planck-<br />

Gesellschaft nach Berlin.<br />

DAS BAUPROJEKT<br />

Rad- und Fußwegbrücke über den großen Zernsee<br />

Potsdam beabsichtigt gemeinsam mit Werder (Havel)<br />

eine neue Rad- und Fußwegbrücke über den großen<br />

Zernsee bei <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> zu bauen. Die Brücke soll<br />

parallel auf der Südseite der Bahnbrücke verlaufen<br />

und den jetzigen Gangsteg auf der nördlichen Seite<br />

ersetzen. Bestandteil der Bauarbeiten sind auch die<br />

Weganbindung nach Werder und die Anbindung des<br />

Fahrradweges nach <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

» » Es ist geplant, den Geh- und Radweg im Zweirichtungsverkehr<br />

in drei Metern Breite behindertengerecht<br />

auszubauen. Auf der Brücke soll die Breite vier<br />

Meter betragen.<br />

» » Der nach <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> führende Wegabschnitt<br />

verläuft weiter auf dem Bahndamm, um nach Passieren<br />

der Bootshalle an der Werft nach Süden zu<br />

schwenken und weiter am Fuß des Bahndamms bis in<br />

die Höhe der geplanten Anbindung an der Kreuzung<br />

Uferweg und Seesteig zu verlaufen.<br />

» » Die bauliche Umsetzung ist in 16 Monaten von 2020<br />

bis 2021 geplant. Die Brücke selbst soll in 9 Monaten<br />

errichtet sein. Während der gesamten Baumaßnahmen<br />

soll eine Vollsperrung des Geh- und Radwegs<br />

erfolgen.<br />

» » Die wesentliche Baustellenanbindung soll aus Richtung<br />

Golm über den Galliner Damm erfolgen.<br />

» » Als erste bauvorbereitende Maßnahme sollen über<br />

150 Bäume gefällt werden.<br />

» » Die alten Brückenwiderlager sowie die Pfeiler müssen<br />

zurück- und neugebaut werden.<br />

» » Bauwerk und Rampen werden indirekt mit LEDs beleuchtet.<br />

» » Die veranschlagten Gesamtkosten für die Brücke<br />

und die Zuwegung werden derzeit mit etwa 5,6 Millionen<br />

Euro angegeben.<br />

» » Brückenlänge der Stahlbrücke ca. 110,4 Meter, Gesamtflächenbedarf<br />

7.000 Quadratmeter.<br />

» » Auf der Brücke werden zwei Aussichtskanzeln mit<br />

Sitzgelegenheit und Blick auf Werder angebracht.<br />

» » Die zu erhaltenden Solitärbäume sollen geschützt<br />

werden, ebenso soll auf den Biber in seiner Biberburg<br />

und auf Zauneidechsen Rücksicht genommen<br />

werden. Durch den Verlust von Altbäumen mit Fledermaushöhlungen<br />

macht es sich notwendig zwölf<br />

künstliche Ersatzquartiere zu schaffen. Die nur noch<br />

teilweise vitalen Pappeln im südlichen Bereich des<br />

östlichen Brückenwiderlagers bieten Lebensraum<br />

für viele Totholz bewohnende Arten. Zusätzlich<br />

wurde auf den Schutz der jungen Solitäreiche („Ole<br />

Görrissen Eiche“) verwiesen, die eine besondere Herausforderung<br />

bei der Umsetzung des Bau-Projektes<br />

darstellt.<br />

90 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


2005<br />

Anfrage beim Fachbereich Verkehrsund<br />

Grünflächen der Stadt Potsdam<br />

nach einem Planungsentwurf.<br />

Erstentwurf Präsentation in einer<br />

Bürgersprechstunde der Landespolitikin<br />

Saskia Ludwig.<br />

2006<br />

Präsentation der Vision mit<br />

Entwürfen der „Radlerbrücke“<br />

beim Regionalbereichsleiter in<br />

Potsdam der Deutsche Bahn AG.<br />

Dr.-Ing. Joachim Trettin<br />

entscheidet sich für eine<br />

Zusage und gewährt Zugang zum<br />

Archiv der Deutsche Bahn AG.<br />

Erstellung der Entwurfsplanung.<br />

Bekanntgabe der Visionsentwürfe<br />

den Anrainern von Werder,<br />

Schwielowsee sowie dem<br />

neuen Potsdamer<br />

Fahrradbeauftragten.<br />

2007<br />

Die Vision der „Radlerbrücke“<br />

wird der regionalen Presse<br />

bekannt gegeben.<br />

CHRONOLOGIE<br />

zur Zusammenführung<br />

von Land und Stadt“<br />

2014<br />

Pressebeiträge: Potsdam-TV<br />

und RBB berichten.<br />

2015<br />

Machbarkeitsstudie der<br />

Stadtverwaltung Potsdam<br />

www.mobil-potsdam.de/de/<br />

fahrrad/radverkehrskonzept<br />

2016<br />

Planungsgespräch in der<br />

Stadtverwaltung Potsdam.<br />

2017<br />

SUW-Umsetzungsprogramm:<br />

„Radlerbrücke“ steht auf Platz 1 von<br />

13 bewilligten Projekten, so dass Mittel<br />

in Höhe von etwa drei Millionen Euro<br />

für die Erstellung bewilligt werden!<br />

2018<br />

Planungs- und Projektierungsbüros<br />

erstellen Gutachten und Pläne.<br />

<strong>2019</strong><br />

Im Rahmen der Bürgerbeteiligung<br />

führt die Redaktion unserer<br />

Heimatzeitschrift „<strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“ im Februar eine<br />

Informationsveranstaltung im<br />

Bürgerclub <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> durch.<br />

Zahlreiche Anregungen durch die<br />

Bürger. Auch die Stadt Potsdam<br />

entschließt sich daraufhin mit<br />

den beteiligten Gemeinden zu<br />

einer solchen Veranstaltung,<br />

die nun voraussichtlich im<br />

April <strong>2019</strong> stattfinden soll.<br />

2010<br />

Erstellung einer Machbarkeitsstudie:<br />

Regionalpark-Fahrradroute.<br />

Ortstermin mit dem damaligem<br />

Verkehrsminister Vogelsänger<br />

und Susanne Melior. Absprachen mit<br />

Ingenieuren der Deutsche Bahn AG.<br />

2011<br />

Erstellung eines Entwurfes durch<br />

ein Ingenieurbüro für Brückenbau.<br />

Präsentationsvortrag in Potsdam<br />

im Fachbereich Stadtplanung-Bauordnung,<br />

Stadtentwicklung-<br />

und Verkehrsentwicklung.<br />

2013<br />

Präsentationen beim ADFC-Potsdam,<br />

Ortstermine mit Landes- und Gemeindevertretern.<br />

Auf der Golmer Website,<br />

den Tageszeitungen Märkische<br />

Allgemeine Zeitung und Potsdamer<br />

Neueste Nachrichten, dem ADFC-Magazin<br />

und bei Antenne Brandenburg<br />

wird berichtet, Werder-Live<br />

sendet einen Filmbeitrag.<br />

Teilnahme am EU-Planungswettbewerb<br />

RPW 2013 „Maßnahmen<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


DIE WALDSIEDLUNG WILDPARK-WEST<br />

92 DAS BESONDERE BILD WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> DAS BESONDERE BILD 93


Wer kennt nicht auch das schöne Gefühl, von der Arbeit<br />

oder einer Reise zu kommen und sich auf zu Hause zu freuen?<br />

Heimkommen - Unser <strong>Wildpark</strong><br />

VON ELKE WEISSBACH<br />

Von Potsdam rechts ab mit<br />

dem Bus, mit dem Auto, mit<br />

dem Fahrrad – unter dem<br />

Tunnel des Kaiserbahnhofs<br />

hindurch, und schon grüßen die <strong>Wildpark</strong>er<br />

Originale – die großen bronzenen<br />

Hirsche am Eingang des <strong>Wildpark</strong>s.<br />

Ein sichtbares Zeichen der Arbeit<br />

des <strong>Wildpark</strong>-Vereins, der mit seinen<br />

Aktivitäten den identitätsstiftenden<br />

Zusammenhalt der „alten“ und „neuen“<br />

<strong>Wildpark</strong>erInnen sichtbar werden<br />

lässt. Denken Sie auch noch manchmal<br />

an Ihre ersten Eindrücke vom<br />

<strong>Wildpark</strong> und unserer <strong>Waldsiedlung</strong><br />

zurück? Ich schon.<br />

… Grün, Wasser, Ruhe, schöne Gärten,<br />

freundliche Menschen und … Vogelstimmen.<br />

Die Eichhörnchen, der<br />

Pferdehof von Herrn Zinnow, … die<br />

Schwanenfamilie auf dem Werderschen<br />

Damm. Die Anlege- und die<br />

Badestelle … aber auch die Fäkalienabfuhr.<br />

Wir sind stolz auf unsere Natur,<br />

jeden einzelnen Tag bei Sonne und<br />

bei Regen, mit Schnee und wenn es<br />

stürmt. Denken wir an Lenné, der diesen<br />

herrlichen großen Garten für uns<br />

geschaffen hat, mit Sinn, fachlichem<br />

Können, Verstand und einem Gefühl<br />

für’s Ganze. Denken wir an die vielen<br />

Menschen, die den <strong>Wildpark</strong> zu dem<br />

gemacht haben, was wir sehen können.<br />

Damit das so bleibt, brauchen wir<br />

alle unseren Verstand und unser Herz.<br />

Menschen und Natur sind auch in<br />

der heutigen Zeit eine Einheit – obwohl<br />

sich „die Zeiten“ geändert haben.<br />

Auch für unseren <strong>Wildpark</strong>. Kinder<br />

sollen auch in Zukunft hier sicher<br />

und unbeschwert aufwachsen können.<br />

Und es sind viele Kinder inzwischen,<br />

die in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> und um<br />

den <strong>Wildpark</strong> zu Hause sind. Die Senioren<br />

spazieren gern, auch mit Hund,<br />

die Radler sind munter und froh unterwegs,<br />

die Soldaten machen ihre<br />

Übungen und alles ist im Einklang mit<br />

der Natur.<br />

Wenn die Bewohner von der Arbeit<br />

kommen, freuen sie sich auf ihr<br />

Zuhause, den Feierabend. In diese Gedanken,<br />

beim Heimkommen, mischt<br />

sich eine leise Sorge.<br />

Eine Sorge, die lauter wird<br />

Seit Jahren ist, beginnend mit<br />

einer offiziellen Umleitung, der individuelle<br />

Fahrzeugverkehr zu einer<br />

Gefahr für Mensch und Tier geworden.<br />

Seit der Fahrbahneinengung auf<br />

der Zeppelinstraße ist es eine Katastrophe,<br />

von der Havelpromenade auf<br />

den Werderschen Damm einbiegen<br />

zu wollen. Unsere Schwanenfamilie<br />

hat seit Jahren keine Kinder mehr aufgezogen.<br />

Pendler haben uns hier als<br />

Abkürzung kennengelernt und sehen<br />

nicht die Allee und das Refugium. Sie<br />

sehen bei ihren Geschwindigkeiten<br />

natürlich auch nicht das Schild vom<br />

Landschaftsschutzgebiet das rechts<br />

vom Weg steht, gleich nach dem<br />

Parkplatz der Kaserne am Beginn der<br />

Allee. Es gibt Gesetze und Verordnungen,<br />

die etwas zum Gegenstand und<br />

Inhalt eines Schutzgebietes sagen.<br />

Einfache und bequeme<br />

Lösung für andere<br />

Wir müssen uns informieren und<br />

darauf bestehen, dass alles nach<br />

Recht und Ordnung geschieht. Umleitungen<br />

sind darin sicher nicht vorgesehen,<br />

auch wenn es eine einfache<br />

und bequeme Lösung für andere ist.<br />

Doch wer kennt sich damit aus? Wie<br />

können wir erreichen, dass aus dieser<br />

mittlerweile stark frequentierten<br />

Straße, unserer Allee, eine „Anliegerstraße“<br />

wird? Das bedeutet natürlich<br />

auch für uns als Anlieger, dass wir<br />

über unseren Individualverkehr nachdenken<br />

müssen. Die Busanbindung<br />

nach Potsdam ist besser geworden<br />

und wir sollten sie mehr nutzen, damit<br />

sie uns nicht wieder abhanden<br />

kommt - auch wenn die elektronische<br />

Anzeige noch ein wenig üben musste.<br />

Sind Fahrgemeinschaften nicht<br />

auch mal eine nette Möglichkeit mit<br />

den Nachbarn ins Gespräch zu kommen?<br />

Wie können wir vielleicht einen<br />

beleuchteten Fahrradweg bis zum<br />

Ortseingang Potsdam bekommen? In<br />

der anderen Richtung nach Geltow<br />

besteht durchaus auch Bedarf.<br />

Diese Gedanken wollte ich mit Ihnen<br />

teilen und hoffe, dass wir darüber<br />

ins Gespräch und ins Tun kommen.<br />

Unsere Gemeindevertreter frage ich,<br />

ob es für sie einen Weg gibt, diese<br />

Anregungen in die nächsten Gespräche<br />

mit der Verwaltung aufzunehmen.<br />

Es ist für mich als <strong>Wildpark</strong>er wichtig,<br />

nicht zwischen den Zuständigkeiten<br />

von Potsdam, Schwielowsee und<br />

Geltow unterzugehen. Ich möchte<br />

immer wieder die Freude empfinden<br />

heim zu kommen – in den <strong>Wildpark</strong>,<br />

nach <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Die Autorin Elke Weißbach, Jahrgang<br />

1951, verheiratet, zwei<br />

erwachsene Töchter, lebt seit 2000<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, mehr als zehn<br />

Jahre als Geschäftsführerin im<br />

evangelischen Damenstift Kloster<br />

Stift zum Heiligengrabe.<br />

94 NACHGEDACHT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Nadine Küpfer<br />

DER WERDERSCHE DAMM<br />

Quelle: Kordonerhebung Potsdam und Potsdam-Mittelmark<br />

Bis 1937 war der KFZ-Verkehr auf<br />

dem Werderschen Damm zwischen<br />

Kuhfort und Fährhaus untersagt.<br />

Der gesamte Verkehr zum entstehenden<br />

Siedlungsgebiet <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

verlief über Geltow und<br />

die Straße Am Anger, über Kuhfort<br />

am Forsthaus und am Alten Entenfang-See<br />

vorbei durch die Eichenallee<br />

sowie über Golm und den<br />

Galliner Damm. Nach der Fertigstellung<br />

der ersten Gebäude der neuen<br />

Luftkriegsschule im <strong>Wildpark</strong> 1936<br />

verstärkte sich aber der Verkehr<br />

dermaßen, dass nach Möglichkeiten<br />

gesucht wurde, diesem Übel zu begegnen.<br />

Nachdem die Eichenallee<br />

auf Grund ihrer schlechten Fahrbahn<br />

für den Autoverkehr bereits<br />

kurzfristig gesperrt werden musste,<br />

ist der Werdersche Damm 1937 für<br />

den Verkehr freigegeben worden.<br />

Im Jahr 2016 betrug die Anzahl der<br />

täglich über den Damm fahrenden<br />

Kraftfahrzeuge 4.820.<br />

Ursprünglich führten vier Wege zum<br />

Privatwald auf dem Gallin. Mit kleinen<br />

Schildern und Schlagbäumen<br />

wurde auf den Privatbesitz aufmerksam<br />

gemacht. Diese Zufahrtswege<br />

befanden sich an der Einmündung<br />

des Werderschen Damms an der Havel,<br />

vor dem Forsthaus Entenfang an<br />

der <strong>Wildpark</strong>er Chaussee durch die<br />

Eichenallee (dem heutigen Fuchsweg),<br />

am Beginn der <strong>Wildpark</strong>er<br />

Chaussee bei Kuhfort in Richtung<br />

Gallin bzw. Kastanienallee (dem heutigen<br />

Amselweg) sowie am Bahnwärterhäuschen<br />

am Bahnübergang nach<br />

Golm am Ende der Pappelallee, wo<br />

sich eine Schranke befand. (heutiger<br />

Endpunkt Schweizer Straße).<br />

LITERATUR<br />

„Kleiner <strong>Wildpark</strong>führer“<br />

von Adolf Kaschube<br />

Herausgeber: <strong>Wildpark</strong><br />

e.V. 2005<br />

WICHTIGER HINWEIS<br />

In den Osterferien (15. bis 26. April<br />

<strong>2019</strong>) wird der Fahrbahnbelag der<br />

Bundesstraße 1 zwischen Geltow<br />

und Potsdam auf der Zeppelinstraße<br />

durch den Landesbetrieb Straßenwesen<br />

eine Woche lang komplett<br />

erneuert. Dabei ist eine Vollsperrung<br />

der Straße zwischen 22 Uhr<br />

und 6 Uhr geplant. Die Umleitung<br />

wird über die Forststraße und den<br />

Werderschen Damm geführt.<br />

Werdersche Damm<br />

halbseitig gesperrt<br />

Der Werdersche Damm selbst wird<br />

in der Zeit ab 29. April <strong>2019</strong> für vier<br />

Wochen halbseitig gesperrt, da die<br />

Stadtwerke eine Gasleitung verlegen<br />

wollen. Ab Oktober soll dann<br />

noch eine Regenleitung verlegt<br />

werden, was ebenfalls zu halbseitigen<br />

Einschränkungen führt. Aktuelle<br />

Informationen entnehmen Sie<br />

bitte der regionalen Tagespresse.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> NACHGEDACHT 95


Unsere Singvögel brauchen unsere Hilfe. Die jahrelange Abholzung von<br />

Großgehölzen in der <strong>Waldsiedlung</strong> ohne entsprechenden Ersatz und<br />

das Vernichten von Rückzugsorten wie Hecken oder Unterholz, setzt<br />

unseren kleinen Sängern mächtig zu. Doch was können wir tun?<br />

Fast alle Vögel sind schon da<br />

VON MANFRED POHL<br />

Im September des Jahres 2018 verweilte<br />

ich auf einen kurzen Abstecher<br />

in der NABU-Geschäftsstelle<br />

des Landesverbandes Brandenburg<br />

in der Potsdamer Lindenstraße 34. Es<br />

war wieder ein heißer Tag und ich blätterte<br />

in einem mir bis dahin unbekannten<br />

Magazin, welches auf dem Tisch lag, als<br />

ich auf einen interessanten Artikel über<br />

Fledermäuse stieß. Verfasst hatte ihn die<br />

Geschäftsführerin des NABU Brandenburg<br />

Christiane Schröder, die gleichzeitig<br />

auch Fachgruppenleiterin Säugetiere<br />

beim NABU-Kreisvorstand Potsdam ist.<br />

Die Erstausgabe der Zeitschrift <strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> war hochinteressant<br />

und machte mich neugierig. Ich<br />

selbst leite in Potsdam die Fachgruppe<br />

Ornithologie vom NABU-Kreisverband<br />

und es reizte mich im Herbst aufzubrechen<br />

um die Vogelwelt in dem beschriebenen<br />

Gebiet einer <strong>Waldsiedlung</strong> zu<br />

erfassen. Zu diesem Zeitpunkt sind die<br />

Zugvögel natürlich längst über „alle Ber-<br />

»klar, flötend« - Misteldrossel<br />

Aus den hohen Kieferkronen erklingt ab April der laute,<br />

anhaltend einförmige Gesang. Mit schnellem, flatterndem<br />

Fluge eilt der scheue Vogel durch sein Areal oder<br />

hüpft über den Waldboden, um Würmer, Schnecken<br />

und Beeren zu suchen. Durch das Vertilgen von Misteln<br />

trägt er zu deren Verbreitung bei. Deren Kerne fallen<br />

im Gewöll in die Baumrinden und beginnen dann<br />

dort zu keimen. Das Nest ist hoch in den Bäumen.<br />

»klü-klü-klü-klü« - Grünspecht<br />

Die Lieblingsspeise sind Ameisen. Deshalb findet man<br />

den Grünrock so häufig wie keine andere Spechtart am<br />

Erdboden am Rande des <strong>Wildpark</strong>s. Um ein ergiebiges<br />

Mahl zu erhalten, sticht er mit dem Schnabel mehrmals<br />

in den Haufen, worauf die Ameisen beginnen auszuschwärmen.<br />

Diesen Zeitpunkt nutzend, leimt er sie an<br />

seine, mit einem klebrigen Speichel versehene, vorgestreckte<br />

Zunge. Seine Eier legt er in Baumhöhlen ab.<br />

Acht kleine Abbildungen: Carl Ernst Poeschel (1874-1944), aus „Deutschlands Vogelwelt“, Leipzig 1936<br />

96 NATURFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Wenn die <strong>Frühling</strong>ssonne hinter den Kiefernstämmen<br />

feurig rot ihren Tageslauf abschließt, und die Farben<br />

der Landschaft langsam schwinden, ertönt aus dem<br />

düsteren Unterholz ein schwermütiges, doch silberhelles<br />

gezwitschertes Lied. Ein zierliches Rotkehlchen<br />

huscht unter tiefen Bücklingen von Zweig zu Zweig und<br />

betrachtet uns mit seinen großen glänzenden Augen<br />

ohne Scheu. Das Nest steht gut versteckt, meist unmittelbar<br />

auf dem Boden unter Böschungen, Wurzeln oder<br />

Steinen. Jeder Wald mit dichtem Unterholz gewährt<br />

ihm Herberge und in seiner Neugier besucht es jedes<br />

Gebüsch und jede Hecke. Gern zeigt es sich auf dem Boden,<br />

nur ungern fliegt es in großer Höhe. Den Menschen<br />

fürchtet es kaum, kennt aber sehr wohl seine Feinde.<br />

Foto: Rio Reiser, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2018


»zicks« - Kernbeißer: Wie ein dickköpfiger großer Sperling<br />

mutet dieser interessante und selten gewordene<br />

Finkenvogel an. Aus dem Unterholz einer Fichte oder<br />

den dichtbelaubten Bäumen trägt er zur <strong>Frühling</strong>szeit<br />

seinen unscheinbaren heiseren Gesang vor. Meist sitzt er<br />

aber in Baumkronen, leise zwitschernd – sein Nest steht<br />

hoch im Wipfel der Bäume. Doch erst zur Kirschernte sehen<br />

wir den sonst so bescheidenen Vogel eine seltsame<br />

Tätigkeit entfalten. Er besucht dann die Kirschbäume,<br />

schält das Fleisch von den Früchten und knackt die Kerne<br />

mit lautem Krachen, um den bitteren Inhalt zu sich zu<br />

nehmen. Am Fuß eines von ihm geplünderten Kirschbaumes<br />

sieht es nachher aus, als ob alles von Blut bespritzt<br />

ist: Hier hat ein Kernbeißer ganze Arbeit geleistet! Doch<br />

der Dickkopf gilt als nützlich: Er vertilgt große Mengen<br />

von schadhaften Kerbtieren und deren Larven.


Der Text wurde 1835 von Hoffmann von Fallersleben geschrieben. Mit der heute gebräuchlichen Melodie<br />

wurde das Lied erstmals 1844 unter dem Titel <strong>Frühling</strong>slied veröffentlicht. Der Komponist ist unbekannt.<br />

ge“ und in südlichere Gefilde bis weit<br />

nach Afrika hin aufgebrochen, doch<br />

mein Interesse war geweckt!<br />

Wohl keiner bleibt<br />

ungerührt und ist davon<br />

angetan, wenn er auf<br />

seinem Grundstück<br />

das erste mal im Freien<br />

sitzend oder während<br />

eines Spazierganges auf<br />

unsere gefiederten<br />

Freunde trifft.<br />

Exkursion nach <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Anfang November 2018 schwang<br />

ich mich auf mein Rennrad und wollte<br />

– ausgerüstet mit einem Fernglas und<br />

einer Liste – eine Erfassung der dort<br />

zu diesem Zeitpunkt zu erwartenden<br />

Vögel vornehmen. Ich war mehrere<br />

Stunden sowohl in der <strong>Waldsiedlung</strong>,<br />

als auch im angrenzenden Wald bis<br />

zur Bahntrasse, in den Feuchtwiesen,<br />

entlang der Entenfängerteiche, bis<br />

zum Ufer der Havel unterwegs. In alphabetischer<br />

Reihenfolge konnte ich<br />

dabei folgende Arten feststellen:<br />

Amsel, Blässhuhn, Blaumeise,<br />

Buchfink, Buntspecht, Eichelhäher,<br />

Erlenzeisig, Feldsperling, Graureiher,<br />

Grünfink, Grünspecht, Haubenmeise,<br />

Haussperling, Kleiber, Kohlmeise,<br />

Kolkrabe, Kormoran, Lachmöwe, Mäusebussard,<br />

Misteldrossel, Nebelkrähe,<br />

Ringeltaube, Rotkehlchen, Stockente,<br />

Sumpfmeise, Tannenmeise und den<br />

Zaunkönig. Mein Kommen hatte sich<br />

gelohnt!<br />

Zu diesem Zeitpunkt fehlten<br />

noch die im Winter hereinbrechenden<br />

Gäste aus Nord und Osteuropa<br />

Foto links: Carsten Sicora, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2018<br />

»zizibäh zizibäh« - Kohlmeise<br />

Die kleinen geselligen Kohlmeisen sind immer<br />

auf der Suche nach einer leckeren Raupe, einer<br />

Larve oder einem Samenkorn. Mit erstaunlicher<br />

Gewandtheit holen sie mit ihrem nadelspitzen<br />

Schnabel aus Ritzen und Spalten ein Insekt. Sie<br />

brüten 1-2 mal jährlich in den Höhlen unserer<br />

alten Bäume, aber auch in Nist- und behelfsweise<br />

auch in Briefkästen.<br />

»zizi gürrrrrr« - Haubenmeise<br />

Ihre Vorliebe zum Nadelwald bekundet die kleine<br />

Haubenmeise bereits schon im Januar mit ihrem<br />

zirpenden Zwitschern. Als Höhlenbrüter nutzt sie<br />

häufig Spechthöhlen und Baumlöcher für ihren<br />

Nestbau, den sie sehr sorgfältig gestaltet. Jedes<br />

Zweiglein nach Nahrung absuchend, ist sie dem<br />

Forstmann zudem ein treuer Helfer im natürlichen<br />

Kampf gegen Insektenschädlinge.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> NATURFREUND 99


wie Bergfink, Birkenzeisig, Blessgans,<br />

Gänsesäger, Saatgans, Saatkrähe, Seidenschwanz,<br />

Wacholderdrossel und<br />

der Zwergsäger.<br />

Keiner bleibt davon ungerührt<br />

Jetzt, ab Mitte März erwacht allmählich<br />

wieder das Vogelleben mit<br />

dem Eintreffen der ersten Kurzstreckenzieher<br />

wie Hausrotschwanz,<br />

Mönchsgrasmücke und Zilpzalp, die<br />

mit ihren ersten Gesängen nicht<br />

nur die Herzen der Fachleute höher<br />

schlagen lassen, sondern auch den<br />

„Ungeübten“ die Trübsal des Winters<br />

vergessen machen. Wohl keiner<br />

Jeder sollte bei<br />

sich im eigenen<br />

Ort anfangen.<br />

bleibt davon ungerührt und ist davon<br />

angetan, wenn er auf seinem Grundstück<br />

das erste mal im Freien sitzend<br />

oder während eines Spazierganges<br />

auf unsere gefiederten Freunde trifft.<br />

Stellt sich nun die Frage, wer denn der<br />

größte Feind unserer „gefiederten<br />

Freunde“ ist? Die Antwort ist verblüffend<br />

einfach: Der Mensch! Ich denke<br />

da vor allem an die Landwirtschaft<br />

mit ihren überdimensionalen Maisfeldern,<br />

in dem kein Bodenbrüter eine<br />

Brut hochziehen kann und kein Greifvogel<br />

mehr Nahrung findet. Felder,<br />

die dann auch noch in ungeahnten<br />

Größenordnungen mit Insektiziden<br />

und Pestiziden überzogen werden.<br />

Das rottet die Ackerwildkräuter aus.<br />

Gab es von diesen vor einem Vierteljahrhundert<br />

noch etwa 30 Arten, sind<br />

es jetzt nur noch unter zehn. Bedenkt<br />

man, dass jedes Insekt sich nur an<br />

einem bestimmten Ackerwildkraut<br />

entwickeln kann, so kommt es damit<br />

»pistjü« - Sumpfmeise<br />

Weniger gesellig als andere Meisen findet man sie<br />

hinter der Siedlung im unterholzreichen Bereich<br />

am Entengraben, der von Schilf, Erlen und Weiden<br />

umgeben ist. In alten Weidenstämmen findet man<br />

ihr kunstlos aus Moos, Halmen und Wolle errichtetes<br />

Nest. Sie ist etwas kleiner als ein Sperling,<br />

ernährt sich im <strong>Sommer</strong> von Insekten und Larven,<br />

im Winter mehr von Sämereien.<br />

»rä grä grä-krää, kräähh« - Lachmöwe<br />

Wenn wir über den Havelseen eine zierliche Möwe<br />

gewandt dahin schweben sehen, handelt es sich<br />

dabei um die Lachmöwe. Im Gegensatz zu ihrer<br />

Schönheit steht die krächzende Stimme. Durch den<br />

Verzehr toter und kranker Fische macht sie sich<br />

sehr nützlich. Zwischen den drei Vorderzehen hat<br />

sie Schwimmhäute, damit kann sie sich problemlos<br />

auf dem Wasser fortbewegen.<br />

100 NATURFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


unweigerlich auch zur Ausrottung<br />

der Insekten. Doch diese benötigen<br />

die Vögel zum Aufziehen ihrer Jungen!<br />

Durch intensive Landwirtschaft<br />

sind in den letzten 30 Jahren 75%<br />

der Insekten verschwunden. Das „Allheilmittel“<br />

Glyphosat, in Massen auf<br />

die Felder gesprüht, ist hochgradig<br />

Krebserregend. Und trotzdem kommt<br />

es weiter zur Anwendung!<br />

Als Delikatesse angeboten<br />

Noch ein Beispiel warum der Artenschwund<br />

bei den Vögeln drastisch<br />

immer weiter voranschreitet: Nur wenige<br />

von uns wissen, dass fast die<br />

komplette Küste Ägyptens mit Netzen<br />

versehen ist. Doch nicht etwa wie die<br />

Ornithologen es bei uns machen, um<br />

die Vögel zu fangen und mit einem<br />

Ring zu versehen um somit ihre Zugwege,<br />

ihr Alter oder z.B. ihre Überwinterungsgebiete<br />

ausfindig zu machen<br />

Nein! Dort fahren - wie in Fernsehaufnahmen<br />

des ZDF und auf Arte zu<br />

sehen war - Beduinen in weiß gekleideten<br />

Gewändern in einem Mercedes<br />

vor, um die von uns gehegten und<br />

gepflegten Vögel, die gerade erfolgreich<br />

die Strapazen eines Fluges über<br />

das Mittelmeer überstanden hatten,<br />

aus den Netzen zu ziehen. Doch nicht<br />

um sie aus Hunger zu essen – nein!<br />

Sie werden in Restaurants als Delikatesse<br />

angeboten … Abscheulich!<br />

2012 hatte der NABU eine Petition<br />

dazu verfasst und es wurden über<br />

100.000 Unterschriften gesammelt<br />

und der Botschaft Ägyptens in Berlin<br />

übergeben. Ähnlich sieht es in <strong>West</strong><br />

und Südeuropa aus. Für mich gilt deshalb:<br />

„Keinen Urlaub dort, wo Vogelmord!“<br />

Fassen wir uns an die eigene<br />

Nase. Jeder sollte bei sich im eigenen<br />

Ort anfangen. Wie schon im Bericht<br />

bei den Fledermäusen zu lesen war,<br />

ist es auch für die Vogelwelt schlecht<br />

bestellt, wenn überdurchschnittlich<br />

»kök« »pix« - Blässhuhn<br />

Vor neugierigen Blicken verborgen hat es am Havelufer<br />

sein Nest, das von Röhricht, Kolbenschilf und Binsen<br />

umstanden ist. Der melodische Ruf ist der Wasserstimmung<br />

reizvoll angepasst. Gewöhnlich schwimmen die<br />

dunklen Vögel mit dem weißen Stirnfeld auf der Wasserfläche<br />

auf der Suche nach Fisch. In strengen Wintern<br />

leiden sie bittere Not und man sieht sie dann unter der<br />

Eisenbahnbrücke an den Wasserlöchern stehen.<br />

»wak wak wak« - Stockente<br />

Kinder des <strong>Frühling</strong>s sind die Stockenten, wenn sie an<br />

schönen März- und Aprilabenden in kleinen Flügen und<br />

mit pfeifendem Geräusch durch die Dämmerung über die<br />

Havel streichen. Der Erpel hat jetzt sein Hochzeitskleid<br />

angelegt und verfolgt seine Auserwählte in erregtem<br />

Liebesspiel hoch in der Luft. Früher oft bejagt, galt die<br />

Stockente lange Zeit als Wetterprophetin und wurde mit<br />

Hexerei in Verbindung gebracht.<br />

102 NATURFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


viele Bäume ohne gutachterliche Zustimmung<br />

so dramatisch dezimiert<br />

werden. Bieten Sie den Vögeln Nistkästen,<br />

Nisthilfen ganz gleich welcher<br />

Art an und tragen Sie damit zu einem<br />

wirksamen Schutz bei.<br />

Hitze und Trockenheit<br />

Doch es gibt weitere Feinde unserer<br />

Vögel, das sind die Prädatoren. Darunter<br />

versteht man die, die es schon<br />

immer gab wie Fuchs, Dachs, Marder,<br />

Iltis etc. Seit einigen Jahren zählen<br />

Waschbär, Mink, Marderhund und<br />

weitere dazu, die zum Teil aus Zuchtstationen<br />

absichtlich in die Freiheit<br />

gelangten und den Vögeln unglaublich<br />

zusetzen. Auch andere Faktoren<br />

wirken sich nachteilig aus: Die durch<br />

den Klimawandel bedingte Hitze und<br />

Trockenheit des letzten Jahres führte<br />

dazu, dass beispielsweise die Meisen<br />

nur noch eine Brut hervorbrachten –<br />

normal sind derer aber zwei. Insekten<br />

benötigen eben auch feuchtes Wetter,<br />

um sich entwickeln zu können …<br />

VERANSTALTUNG<br />

Stunde der Gartenvögel<br />

Doch nun freuen Sie sich auf den<br />

erwachenden <strong>Frühling</strong> und auf die<br />

Rückkehr der Zugvögel! Im Mai beabsichtige<br />

ich zur „Stunde der Gartenvögel“<br />

noch einmal vorbeizukommen.<br />

Vielleicht kreuzen sich ja unsere<br />

Wege und man trifft sich zu einer kleinen<br />

Vogelstimmenexkursion?<br />

Autor Manfred Pohl, geboren 1953 bei Wernigerode im<br />

Harz, lebt heute mit seiner Familie in Potsdam. Er ist<br />

verheiratet und hat zwei Kinder. Der Ornithologe gilt<br />

als ausgewiesener Fachmann und verfasst Fachbeiträge.<br />

Seit 2005 ist er Leiter der Fachgruppe Ornithologie<br />

des NABU-Kreisverbandes Potsdam und setzt sich für<br />

die bedrohte Großvogelart Weißstorch unter der Federführung<br />

des Landesumweltamtes Potsdam ein.<br />

SAMSTAG<br />

11<br />

MAI<br />

Exkursion „Bestimmen von Singvögeln durch Erkennen von Vogelstimmen“<br />

am 11. Mai <strong>2019</strong>. Treffpunkt ist um 8.30 Uhr am Bürgerclub <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

Zum Birkengrund 7a. Dauer ca. zwei Stunden, Ferngläser nicht<br />

vergessen! Die Teilnahme ist kostenfrei, um eine kleine Spende für den<br />

NABU wird gebeten.


Sie sind klein, leisten aber Großes: Wildbienen sind wichtig für die Bestäubung.<br />

Sie überwintern im Totholz, wenn der <strong>Frühling</strong> erwacht, zählen sie zu den Ersten, die mit den<br />

wärmenden Sonnenstrahlen ihre Erkundungsflüge unternehmen. In der <strong>Waldsiedlung</strong> sind<br />

sie selten geworden. Dabei wären ohne sie Wiesen nicht bunt, im <strong>Sommer</strong> gäbe es keinen<br />

Eisbecher mit Erdbeeren und im Herbst würde kein Obst an den Bäumen hängen.<br />

Bienen würden Cornus pflanzen<br />

VON BÄRBEL WENDT<br />

Die Kornelkirsche gehört zur<br />

großen Familie der cornaceaen,<br />

den Hartriegelgewächsen.<br />

Ursprünglich stammt<br />

sie aus Kleinasien und Südeuropa.<br />

Schließlich hat sie sich auch Standorte<br />

in Mitteleuropa erobert, wildwachsend<br />

oder wieder verwildert. In Kultur<br />

war sie fester Bestandteil der Klostergärten.<br />

Schon Hildegard von Bingen<br />

wendete sie medizinisch gegen Gicht<br />

und Magenbeschwerden an. Nicht<br />

auszuschließen, dass sie auch zur<br />

Herstellung von Marmeladen, Säften<br />

und Wein diente. Dass die Früchte bekannt<br />

gewesen sein müssen, deuten<br />

ihre volkstümlichen Namen „Herlitze“<br />

und „Dürlitze“ an.<br />

Zierwert und Nutzen<br />

für die Tierwelt<br />

In späteren Jahrhunderten geriet<br />

das Gewächs mehr und mehr in Vergessenheit.<br />

Heute, endlich, besinnt<br />

man sich wieder auf ihren Zierwert<br />

und den Nutzen für die Tierwelt. Als<br />

eine der frühesten Blühpflanzen des<br />

Jahres, spielt sie eine wichtige Rolle<br />

für die Bienen und Schmetterlinge.<br />

Je nach Witterung und lange vor den<br />

Blättern, blüht sie im März, manchmal<br />

schon Ende Februar. Ihre kleinen<br />

goldgelben Dolden wachsen dicht an<br />

dicht an zweijährigen Trieben und<br />

hüllen Baum oder Strauch in einen<br />

zart duftenden Schleier, den unzählige<br />

Bienen als eine ihrer ersten Weiden<br />

ansteuern.<br />

Reich an Vitamin C<br />

Aus den winzigen Einzelblüten<br />

entwickeln sich über acht Monate aus<br />

hellgrünen Winzlingen, die ab August<br />

langsam erröten, etwa zwei mal<br />

eineinhalb Zentimeter große kräftig<br />

rote Früchte, meist in Büscheln, mit<br />

sehr hartem Kern (Bot. Steinbeeren).<br />

Cornus mas ist im Oktober, Cornus<br />

off im November vollreif. Die Früchte<br />

sind reich an Vitamin C. Das Fallen<br />

zieht sich häufig über vier Wochen<br />

hin. Im vollreifen Zustand sind sie,<br />

süß-säuerlich, gut zu essen. Zu früh<br />

gepflückt, sind sie aber sehr hart<br />

und herb. Kommt jedoch früher Frost,<br />

schmecken sie noch besser. Sie werden<br />

auch heute noch zu Marmeladen,<br />

Kompott, Saft und Likör verarbeitet.<br />

Um zu gedeihen stellt Cornus keine<br />

großen Ansprüche. Normaler Gartenboden<br />

und etwas Kalk genügen ihm.<br />

Allerdings braucht er Sonne.<br />

Beliebtes Drechselholz<br />

An heißen Tagen besonders, ist er<br />

auch für Wasser dankbar, obwohl er<br />

sogar in Trockenwäldern anzutreffen<br />

ist. Die meist gepflanzte Sorte ist Cornus<br />

mas, wobei mas (lat.) als männlich,<br />

hart, rauh steht und auf das sehr harte<br />

Holz verweist. Es war ein beliebtes<br />

Drechselholz und diente der Herstellung<br />

von Spazierstöcken, im Altertum<br />

auch von Lanzenschäften. Die etwas<br />

grazilere japanische Schwester, Cornus<br />

offizinalis verweist auf ihre Essbarkeit,<br />

wobei alle essbar sind.<br />

Standorte der Kornelkirsche<br />

In Auwäldern, an Flussufern, in<br />

Trockenwäldern, zwischen trockenen<br />

Gebüschen und in Laubwäldern<br />

sowie in Garten- und Parkanlagen.<br />

Cornus sind Relikte nachweislicher<br />

Wärmephasen und<br />

zählen zu den Obstgehölzen. Sie<br />

werden vorwiegend durch Vögel<br />

verbreitet.<br />

Schnittverträglich und resistent<br />

Eine Kornelkirsche kann sehr ausladend<br />

wachsen. Ein Solitärstrauch<br />

wird zwei bis fünf Meter, ein Baum<br />

bringt es auf sechs Meter Höhe. Sie<br />

ist aber auch, bei entsprechendem<br />

Schnitt, hervorragend als Hecke geeignet.<br />

Cornus ist ein sehr resistentes<br />

Gehölz. Es widersteht sehr tiefen<br />

Temperaturen bis –30 Grad Celsius,<br />

ist stadtverträglich, und zwar rauchfest<br />

und nicht für Ungeziefer anfällig.<br />

Die fünf bis zehn Centimeter großen<br />

Blätter sind elliptisch mit ausgezogener<br />

Spitze, in jungem Stadium leuchtend<br />

grün. Inzwischen hat man auch<br />

schon kleinere Sorten gezüchtet, mit<br />

größeren Früchten. Wenn die Früchte<br />

fallen, sollte man schwarze Fliegengaze<br />

über der Erde ausbreiten, dass<br />

erleichtert das Aufsammeln. Die<br />

großen Nordischen Drosseln, die auf<br />

ihrem Zug nach Süden gern von den<br />

Früchten genascht haben, bleiben<br />

seit Jahren aus, sehr schade.<br />

Die Autorin Bärbel Wendt,<br />

Jahrgang 1931, lebt in Potsdam,<br />

direkt am <strong>Wildpark</strong>. Sie ist<br />

geschieden, hat zwei Söhne und<br />

arbeitete bis zu ihrer Pensionierung<br />

als Dipl.-Chemikerin im Institut<br />

für Ernährungswissenschaften<br />

Rehbrücke. Seit Anbeginn<br />

unterstützt sie das Anliegen der<br />

Bürgerschaft um den Erhalt der<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Foto: Jana Fellenberg , <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2018<br />

104 GARTENFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Die Wildbiene - geht ihnen ob der versiegelten Flächen<br />

und ebenen Rollrasenflächen der Lebensraum aus?


Die 650 Jahre alte<br />

Hubertuseiche im<br />

<strong>Wildpark</strong> könnte<br />

sehr viel erzählen.


„Ordre an die Mittel-Märkische Amts-Cammer, daß die jungen Ehe-Leute<br />

Bäume pflantzen, und ehender nicht copulieret werden sollen.“<br />

Anweisungen zur Anpflanzung von Bäumen von Kurfürst Friedrich III.,<br />

König in Preußen, Friedrich I. aus dem Jahr 1709<br />

Die Jakobsbuche im Fichtenweg<br />

VON ULLRICH TIETZE<br />

Fotos: Ullrich Tietze, <strong>Wildpark</strong> <strong>2019</strong><br />

Wann war ich eigentlich<br />

das letzte Mal an der alten<br />

„Hubertuseiche“ im<br />

<strong>Wildpark</strong>? Muss schon<br />

eine Weile her sein.<br />

An die 650 Jahre Erfahrungen<br />

Ist der alte Baum nach dem Blitzschlag<br />

noch kräftig genug, um mir<br />

weitere Geschichten erzählen zu können?<br />

An die 650 Jahre Erfahrungen,<br />

was hat er nicht alles erlebt.<br />

Wenn man sich zu der Eiche setzt<br />

und sich Zeit nimmt, erfährt man<br />

von den Bäumen in unserem <strong>Wildpark</strong>.<br />

Man erfährt, von Ochsenkarren<br />

die durch den Wald zogen. Rad und<br />

Deichsel waren noch aus dem Holz<br />

des Waldes gemacht, dessen Eicheln<br />

der Ochse genüsslich verspeiste. Später,<br />

als man mit Pferd und Reisekutsche<br />

durch den <strong>Wildpark</strong> fuhr, waren<br />

sie als Reisetruhen aufgeschnallt.<br />

Und noch später, als die ersten Züge<br />

auf den Gleisen von Berlin nach Magdeburg<br />

am Waldesrand vorbei fuhren,<br />

dienten sie mit ihrem Holz als Futter<br />

für die Lokomotive, um für die Fahrt<br />

ordentlich Dampf zu erzeugen. Und<br />

heute, frage ich? Wo kann ich dich<br />

in der Blechkarosse, die hier auf der<br />

Straße vorbeirasen, erkennen? Die Eiche<br />

erzählt mir von ihren Vätern und<br />

dessen Vätern, die heute als Öl unsere<br />

Motoren schmieren.<br />

„Jakobsbuche“ & „Gretakastanie“<br />

Ja, das alles hat die Eiche mit erlebt<br />

in diesem wunderbaren Wald, hier im<br />

<strong>Wildpark</strong>. Oft bin ich schon durch<br />

den <strong>Wildpark</strong> gelaufen, habe Pilze<br />

gesammelt oder von den Beeren genascht,<br />

ich möchte, dass dies weiterhin<br />

so bleibt. Ich frage die Eiche, was<br />

ich für sie tun kann nach dem Blitzschlag.<br />

Aber sie antwortet mir: „Für<br />

mich nichts mehr, ich bin getroffen“.<br />

Rad und Deichsel<br />

waren noch aus dem<br />

Holz des Waldes<br />

gemacht, dessen<br />

Eicheln der Ochse<br />

genüsslich verspeiste<br />

Die Stelen an der Eiche im <strong>Wildpark</strong><br />

zeigen dem aufmerksamen Spaziergänger<br />

den Ort der Hubertuseiche<br />

Nach Minuten der Besinnung ging es<br />

zurück mit dem Rad, vorbei an einem<br />

von Menschenhand gemachten Blitzschlag<br />

in der Schweizer Straße. Zu<br />

Hause angekommen sehe ich, dass<br />

ich schon längst etwas getan habe. In<br />

unserem Garten, die Buche, gepflanzt<br />

zur Geburt unseres ersten Enkelkindes.<br />

Sie gedeiht prächtig, eben eine<br />

richtige „Jakobsbuche“. Und dann<br />

die „Gretakastanie“, erst zwei Jahre<br />

alt und noch nicht sehr groß, aber das<br />

wird noch.<br />

Pflanzt Bäume für jedes Kind<br />

Ich denke, das wird der Hubertuseiche<br />

im <strong>Wildpark</strong> gefallen. Deshalb<br />

rufe ich Euch, liebe <strong>Wildpark</strong>er auf,<br />

pflanzt für jedes Kind und Enkelkind<br />

hier in unserer schönen <strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> einen Baum. Geht mit<br />

ihnen zu der alten, vom Blitz getroffenen<br />

Eiche und erzählt ihr davon. Sie<br />

wartet auf Euch.<br />

Der Autor Ullrich Tietze,<br />

Jahrgang 1951, aufgewachsen<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, Dipl.-Ing. für<br />

Tiefbau, verheiratet, zwei Kinder,<br />

zwei Enkel. Mitinitiator der<br />

Nachpflanzaktion „Rettet die<br />

<strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018-2033.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> NATURFREUND 107


Vermutlich erst um 1905 wurde der ‚Weg von Bornstädt‘ zwischen dem Entenfänger-<br />

Etablissement und dem Vorwerk Gallin in einer Nachpflanzaktion erneut mit Eichen<br />

in eine Allee verwandelt. Im Situationsplan zur Besiedlung des Vorwerks Gallin vom<br />

24. Oktober 1928 tauchten erstmals die Namen von vier Straßen in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> auf.<br />

Das waren die Pappelallee, die Kastanienallee, die Eichenallee und die Havelpromenade.<br />

Historische Alleen in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

2. TEIL: EICHENALLEE (FUCHSWEG)<br />

VON MARIANNA VON KLINSKI-WETZEL


Die Entstehungsgeschichte der<br />

historischen Alleen in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

wird hier im zweiten Teil mit der Geschichte<br />

der Eichenallee, die heute den Namen<br />

Fuchsweg trägt, fortgesetzt.<br />

Aus der Zeit der Erbpacht von Äckern, Wiesen,<br />

Weiden und Feldern einiger Werderaner Bürger,<br />

die auf dem Gallin ihre ‚Kaveln‘ (auch Kabeln<br />

geschrieben, das sind mittels Verlosung zur<br />

Pacht zugeteilte Parzellen) bearbeiteten, konnten bis<br />

zum Jahr 1685 keine Namen für Wege auf dem Gallin<br />

aufgefunden werden.<br />

Postkarte der Eichenallee, etwa 1970<br />

Foto: Archiv K. Köhler


„Die Brautpaare sollten entweder die erforderlichen Bäume pflanzen<br />

oder eine festgelegte Gebühr bezahlen. Die Ortsobrigkeiten<br />

und die Prediger werden aufgefordert, Strenge walten zu lassen.“<br />

1685<br />

Erst zur Zeit der Ansiedlung der<br />

Schweizer Kolonisten wurden von<br />

dem Potsdamer Domänenamt befestigte<br />

Wege zum Gallin angelegt. Wie<br />

bereits im Artikel zur Geschichte der<br />

Kastanienallee beschrieben wurde,<br />

war für die Schweizer Kolonisten auf<br />

dem Gallin ein Dreiseithof entstanden.<br />

Von diesem Dreiseithof aus erreichte<br />

man über einen Weg die weiteren<br />

Schweizer Siedlungsgebiete<br />

im ‚Golmer Bruch‘, das ‚Einhaus‘ und<br />

dann die ‚Vier Häuser‘ (Natte Werder).<br />

Eine Bezeichnung dieses Weges in<br />

Richtung Golmer Bruch konnte in den<br />

alten Akten nicht gefunden werden.<br />

Vermutlich hieß er ‚Weg nach dem<br />

Golmer Bruch‘. Über den daran anschließenden,<br />

später ‚Galliner Damm‘<br />

genannten Weg gelangte man auch<br />

in das alte Dorf Golm.<br />

Die heute und auch schon in alter<br />

Zeit wichtigste und in ihrer Funktion<br />

im Zusammenhang mit der Besiedlung<br />

durch Schweizer Kolonisten älteste<br />

Zufahrtsmöglichkeit aus Richtung<br />

Osten zum Gallin war der Weg,<br />

den wir heute als Eichenallee kennen.<br />

Der Gallin war im Jahr 1685 durch<br />

den Großen Kurfürsten (reg. 1640 bis<br />

1688) aus dem Amt Lehnin herausgelöst<br />

und in das kurfürstlich-königliche<br />

Domänen-Territorium eingegliedert<br />

worden. Er wurde von der Berliner<br />

‚Königlich Churmärkischen Kriegsund<br />

Domainen Cammer‘ als oberste<br />

Instanz verwaltet. Das Amt Potsdam<br />

war ein Unteramt der Berliner ‚Kriegsund<br />

Domainen Cammer‘. Auch zu dieser<br />

Zeit ist ein Name für den Weg von<br />

Potsdam durch den <strong>Wildpark</strong> nach<br />

Kuhfort, am späteren Kleinen Entenfang<br />

See vorbei direkt an das Ufer der<br />

Havel, wo der Dreiseithof entstanden<br />

war, nicht bekannt.<br />

1691<br />

Der Sohn des Großen Kurfürsten,<br />

Kurfürst Friedrich III., ‚Marggraff zu<br />

Brandenburg‘ (reg. 1688 bis 1713),<br />

erließ am 19. März 1691 ein Edikt, in<br />

dem er seine Landeskinder anwies,<br />

Bäume anzupflanzen. Die wichtigsten<br />

Passagen in diesem Edikt teilten<br />

das Folgende mit:<br />

[Ch. O. Mylius, Corpus Constitutionum<br />

Marchicarum, Ediktensammlung,<br />

Berlin/Halle 1737, 1.<br />

Theil, 2. Abt., Spalte 111/112]<br />

„1. Daß hinfort ein jeder Unterthan<br />

und Einwohner in den kleinen<br />

Städten und Flecken, sonderlich<br />

aber auf den Dörffern, und sonsten<br />

aufm Lande, hinter seinem Wohnhause,<br />

wenn er die Gelegenheit<br />

dazu findet, ihm einen gewissen<br />

Platz abhegen, solchen in zwei<br />

Theile theilen, und den einen Theil<br />

zu Pflantzung allerhand Frucht-tragender<br />

Obstbäume, den anderen<br />

aber zu einem Eichel-Kamp und<br />

Zeugung Mast-tragender Eichen-Bäume<br />

gebrauchen solle, worüber<br />

dann, und daß solches also<br />

zu Werke gerichtet, die Plätze auch<br />

behöriger massen darzu aptiret<br />

(zurechtmachen) und beflantzet<br />

Foto: Archiv K. Köhler<br />

Foto: Archiv v. Klinski-Wetzel<br />

Foto: Archiv v. Klinski-Wetzel<br />

Eichenallee (Fuchsweg)<br />

im <strong>Sommer</strong> 1992<br />

Eichenallee (Fuchweg)<br />

im Herbst 2008<br />

Blick durch die Eichenallee<br />

in der Villenkolonie, 1932<br />

110 WIESE GALLIN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


werden mögen, die Gerichts-Obrigkeit<br />

jedes Orts gebührend zu<br />

halten, und die Ungehorsame<br />

durch zureichende Zwangs-Mittel<br />

dahin anzuweisen hat.“ [Der Kamp<br />

ist ein eingehegtes Stück Feld.]<br />

In weiteren Passagen (es sind insgesamt<br />

13 Anordnungen) heißt es,<br />

dass auch bei jedem „Gute in den<br />

Amtsdörfern“ der Anfang mit solchen<br />

Pflanzungen gemacht werden soll.<br />

Allen Pfarrern in den Ämtern und<br />

Domänen wurde aufgetragen, dass<br />

keine Trauung vorgenommen werden<br />

darf, bevor das Brautpaar nicht ein<br />

schriftliches Zeugnis (von der Amtsobrigkeit<br />

ausgestellt) vorlegen kann,<br />

dass man sechs Obstbäume (z. B. Äpfel<br />

und Birnen) und sechs junge Eichen<br />

„an einem bequemen Ort gepflantzet<br />

hat“. Die jungen Pflanzen sollten mit<br />

Fleiß und Umsicht „in die Erde gestecket“<br />

werden, reichlich mit Wasser<br />

angefrischet und stets gegossen werden.<br />

Zum Schutz gegen Wild und Vieh<br />

soll die Pflanzung eingezäunt und mit<br />

Pfählen „verwahret“ werden.<br />

Es dürfen von den jungen Eichen<br />

keinesfalls Ruten für Peitschenstöcke<br />

oder stärkere Triebe abgeschnitten<br />

werden, weil das dem Wachstum des<br />

Baumes Schaden zufügt. Die Pfarrer<br />

und Beamten und Gerichtsobrigkeiten<br />

werden mit ernsthafter Strafe<br />

bedroht, wenn sie ihre Aufsicht nicht<br />

ordnungsgemäß wahrnehmen würden.<br />

Hart bestraft würden diejenigen<br />

Brautpaare, die ihren Pflichten nicht<br />

nachkämen. Die Brautpaare könnten,<br />

wenn bereits genügend Eichen vorhanden<br />

wären, notfalls auch Rüstern,<br />

Linden, Weiden oder Espen pflanzen.<br />

Die Pflanzung von Eichen jedoch war<br />

das Hauptziel.<br />

Bereits im Jahr 1691 wurde die<br />

enorme Wichtigkeit des Erhalts der<br />

Wälder für die Bewohner des Landes<br />

erkannt. Der Erhalt der Wälder<br />

und die Neupflanzung von Bäumen<br />

musste bereits zu dieser Zeit, auch<br />

notfalls unter Androhung heftiger<br />

Strafen bei Nichtbefolgung, durch<br />

die Obrigkeit angeordnet werden.<br />

Es ging um die Schweinemast mit<br />

Eicheln, es ging um das gute Bauholz<br />

der Eichen, es ging um den Schutz<br />

der kleinen Häuser vor Stürmen oder<br />

starkem Wind.<br />

Die Pflanzung von Bäumen, im<br />

Interesse der Viehmast, nahm in den<br />

vergangenen Jahrhunderten einen<br />

hohen Stellenwert ein. Der Begriff<br />

der „Mast-tragenden Eichen-Bäume“<br />

weist gleich zu Beginn, in der ersten<br />

Anordnung des Edikts, darauf hin,<br />

wie wichtig die Pflanzung bestimmter<br />

Bäume für die Viehwirtschaft und<br />

damit auch für die Ernährung der Bevölkerung<br />

war.<br />

In der ‚Oeconomischen Encyclopädie‘<br />

des Autoren J. G. Krünitz im<br />

Band 85 aus dem Jahr 1802 finden<br />

sich unter dem Stichwort ‚Mast‘ die<br />

folgenden Erklärungen:<br />

„Die Speise, der Fraß der wilden<br />

Schweine heißt bey den Jägern die<br />

Mast. Noch häufiger wird derjenige<br />

Fraß, wovon die zahmen<br />

Schweine in den Wäldern fett<br />

werden, die Mast oder Mastung<br />

genannt. Zur Holzmast (oder<br />

Waldmast) gehören die Eichelmast,<br />

Buchmast, Kasten oder Kastanienmast<br />

und Nußmast, d. h. Eicheln,<br />

Bucheicheln, Kastanien und<br />

Nüsse, sofern sie die Schweine fett<br />

machen. Die Benutzung der Mast<br />

geschieht in den Königl. Preuß.<br />

Staaten, auf welche hier vorzüglich<br />

Rücksicht genommen wird<br />

auf zweyerley Art: entweder durch<br />

‚Administration der Fehme‘ (die<br />

Verwaltung der zur Mast verwendeten<br />

Eicheln und Bucheckern)<br />

oder durch eine ‚ein-, sechs- oder<br />

zwölfjährige Verpachtung‘.“<br />

Foto: Archiv v. Klinski-Wetzel<br />

Aus dem Werbeprospekt der „<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“ Terrainverwertungsgesellschaft, 1932<br />

WILDPARK <strong>2019</strong> WIESE GALLIN WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> WIESE GALLIN 111


Foto: K. Köhler<br />

Zu Beginn des Jahres 1994 wurden die Ortsschilder in Geltow und <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> erneuert. Von nun an auch auf den<br />

Schildern die Zuordnung zum Kreis Potsdam-Mittelmark. Damals noch auf der rechten Straßenseite unbebaut.<br />

Aus diesen Berichten des 17. und 18.<br />

Jahrhunderts können wir heute schließen,<br />

dass die Anpflanzung von Eichen<br />

in Form von Wäldern und Alleen<br />

eine vom Landesherren angeordnete<br />

Pflicht für die Landeskinder war.<br />

1694<br />

Kurfürst Friedrich III., Markgraf von<br />

Brandenburg, ließ an diesem Weg von<br />

Potsdam durch den <strong>Wildpark</strong> bis zum<br />

Ufer der Havel im Jahr 1694 bereits<br />

zahlreiche Eichen pflanzen. Der Kleine<br />

(Alte) Entenfang See wurde angelegt,<br />

um für den Hof in Potsdam schrotfreien<br />

Wildentenbraten angeliefert zu<br />

bekommen. Der künstliche See und<br />

der Verbindungsweg zum Kienwerder<br />

(Kienhorst mit dem heutigen Fliederweg)<br />

wurde mit Eichen umpflanzt. Der<br />

Weg zum Vorwerk Gallin hatte vermutlich<br />

schon im Jahr 1694 den Charakter<br />

einer Eichenallee bekommen.<br />

Ein Name für diesen Weg ließ sich in<br />

den Urkunden nicht finden, aber man<br />

bezeichnete zur damaligen Zeit solche<br />

Verkehrsverbindungen z. B. als ‚Weg<br />

zum Vorwerk‘ oder ‚Weg vom Gallin‘.<br />

1708<br />

Kurfürst Friedrich III., der sich im<br />

Jahr 1700 in Preußen zum ‚König in<br />

Preußen, Friedrich I.‘ krönen ließ, erneuerte<br />

im Jahr 1709 seine Anweisungen<br />

zur Anpflanzung von Bäumen:<br />

„Ordre an die Mittel-Märkische<br />

Amts-Cammer, daß die jungen<br />

Ehe-Leute Bäume pflantzen,<br />

und ehender nicht copulieret<br />

werden sollen.“<br />

König Friedrich I. stellte offenbar fest,<br />

dass seine Anweisungen zur Baumpflanzung<br />

nur sehr unzureichend befolgt<br />

wurden. Er stellte nochmals klar,<br />

dass ohne Baumpflanzung niemand<br />

heiraten dürfe.<br />

1716<br />

König Friedrichs I. Sohn, Friedrich<br />

Wilhelm der Soldatenkönig (reg.<br />

1713 bis 1740), erließ am 14. März<br />

1716 zu Berlin das „Rescript, daß die<br />

Prediger denen wegen Pflanzung<br />

der Bäume von jungen Ehe-Leuten<br />

publicirten Edictis besser nachleben<br />

solle.“ [Mylius, Ediktensammlung,<br />

Berlin/Halle 1737, 1. Theil, 2.<br />

Abt., Spalte 201/202] Die Brautpaare<br />

sollten entweder die erforderlichen<br />

Bäume pflanzen oder eine festgelegte<br />

Gebühr bezahlen. Die Ortsobrigkeiten<br />

und die Prediger werden aufgefordert,<br />

Strenge walten zu lassen.<br />

Die Abnahme des Holzes sei merklich<br />

gestiegen und die Menge der<br />

Obstbäume müsse dringend vergrößert<br />

werden. Von dem Geld sollten<br />

Bäume gepflanzt werden.<br />

1719<br />

Der Soldatenkönig lässt am 21.<br />

Juni 1719 wieder eine Anordnung<br />

veröffentlichen: „Renovatio Edicti,<br />

wegen Pflantzung der Eichen und<br />

Obstbäume.“ Die Ortsobrigkeiten, die<br />

Prediger, die Ober-Forst-Meister haben<br />

ihre Aufgaben nicht erfüllt. Der<br />

König lässt sie ermahnen.<br />

1721<br />

Am 9. April 1721 lässt der König<br />

wiederholen: „Declaration des Edicts<br />

vom 21. Juni 1719 wegen Pflantzung<br />

der Eichen und der Obst-Bäume!“<br />

112 WIESE GALLIN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Der Soldatenkönig lässt am 21. Juni 1719 wieder eine Anordnung veröffentlichen:<br />

„Renovatio Edicti, wegen Pflantzung der Eichen und Obstbäume.“<br />

Die Ortsobrigkeiten, die Prediger, die Ober-Forst-Meister<br />

haben ihre Aufgaben nicht erfüllt. Der König lässt sie ermahnen.<br />

1722<br />

Am 15. August 1722 erlässt der<br />

König ein Edikt: „worinn das Abschneiden<br />

junger Eichen verbothen<br />

wird.“<br />

1731<br />

Am 8. Oktober 1731 erlässt der<br />

König das Edikt, dass bei höchster<br />

Strafe sich niemand unterstehen soll,<br />

die gepflanzten Weyden, Maulbeer-,<br />

Linden und andere nutzbare Bäume<br />

zu beschädigen.<br />

1739<br />

Der Soldatenkönig lässt ein verschärftes<br />

Edikt veröffentlichen, worin<br />

es heißt, dass das Abschneiden, Abhauen<br />

und die Beschädigung der jungen<br />

anwachsenden Eichen bei harter<br />

Strafe verboten ist.<br />

[Mylius, Corpus Constitutionum<br />

Marchicarum, Ediktensammlung,<br />

Berlin/Halle 1755]<br />

1743 / 1745<br />

Der junge König Friedrich II. (reg.<br />

1740 bis 1786) veröffentlichte für seine<br />

Landeskinder einen Rundbrief (Circular),<br />

in dem er verlangt, dass junge<br />

Bäume gepflanzt werden sollen. Zwei<br />

Jahre später lässt er mitteilen, dass<br />

derjenige hart bestraft wird, der „Plantagen<br />

boshafter Weise“ beschädigt.<br />

Diese vielen Edikte und Circulare,<br />

die die Landesherren verfassen ließen,<br />

sprechen eine deutliche Sprache:<br />

die Bevölkerung hielt sich nicht<br />

an die Gesetze, zum Teil wohl aus Not,<br />

zum Teil wohl auch aus Uneinsichtigkeit.<br />

Die Prediger, die Obrigkeiten und<br />

die Förster haben ihre nötige Aufsicht<br />

oder Arbeit nicht gemacht, und so<br />

manches Stück Holz ist ‚in dunklen<br />

Kanälen‘ verschwunden.<br />

1748 / 1750<br />

Die Zeit der zahlreichen Pächter<br />

auf dem Vorwerk Gallin war im Jahr<br />

1748 beendet. In einem Erbpachtvertrag<br />

mit dem Waisenhausdirektorium<br />

bzw. mit dem ‚Amt Bornstädt‘ wurden<br />

die beiden Vorwerke Geltow und Gallin<br />

aus dem Amt Potsdam herausgenommen<br />

und an das ‚Amt Bornstädt‘<br />

überwiesen. Von diesen Vorwerken<br />

sollten Lebensmittel für die Kinder<br />

im Potsdamer Waisenhaus angeliefert<br />

werden. Die endgültige Erbpacht<br />

begann im Jahr 1750 und dauerte bis<br />

zum Jahr 1803. Interessant in dem<br />

Vertrag ist die folgende Passage, die<br />

die besondere Bedeutung des Waldes<br />

in Geltow und auf dem Gallin hervorhebt,<br />

der im Erbpachtvertrag offensichtlich<br />

nicht auch an Bornstedt<br />

übergeben worden war:<br />

[<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> a. d. Havel, Die<br />

Geschichte der Wiese Gallin, 1.<br />

Aufl. S. 192; 2. Aufl. S. 199]<br />

„Weiter ist zu lesen, daß dem Vorwerk<br />

(Gallin) von der Kurmärkischen<br />

Kammer (in Berlin) bzw. vom<br />

Amt Potsdam das Holz für »Ackergeräth<br />

und Unterhaltung der Gehege<br />

und Zäune die erforderlichen<br />

Stangen zu bewilligen sind«, und<br />

zwar 40 Fuhren Kiehn- und Brennholz,<br />

fünf Fuhren Eichenholz und<br />

eine halbe Fuhre Birken-Nutzholz.“<br />

Die knapp bemessene Zuteilung von<br />

Holz für das Vorwerk zeigt deutlich,<br />

dass alle königlichen Anordnungen<br />

den Baumbestand des Landes in keiner<br />

Weise hat schützen können. Interessant<br />

ist an diesem Dokument, dass<br />

für den Bereich des Gallin nur diese<br />

drei Baumarten zur Bewirtschaftung<br />

angegeben werden: Kiefern, Eichen<br />

und Birken. Der befestigte Weg, der<br />

nun auch von Bornstedt über Kuhfort,<br />

am Kleinen Entenfang See vorbei<br />

zum Havelufer und dem Vorwerk Gallin<br />

führte, trug nun die Bezeichnung<br />

‚Weg von Bornstädt‘.<br />

1765 / 17 70<br />

In zwei Edikten dieser Jahre wurde<br />

mitgeteilt, was in Bezug auf die Anpflanzung<br />

der wilden Bäume und der<br />

Obst-Bäume im Königreich Preußen<br />

zu beachten ist. Und es wurde erneut<br />

und verschärft darauf hingewiesen,<br />

dass das Abschneiden der jungen<br />

Eichen und der Gebrauch der dar-<br />

DIE EICHENALLEE<br />

Die historische Eichenallee (zum<br />

größten Teil der heutige Fuchsweg)<br />

verläuft beginnend von westlicher<br />

in östlicher Richtung vom „Haus<br />

Gallin“ (Havelpromenade 1) über<br />

den Marktplatz bis zum Ortsausgang<br />

über den Melorationsgraben<br />

in einem nordwestlichen Bogen bis<br />

zum Entenfang-Etablissement.<br />

Die Allee ist 1,5 Kilometer lang<br />

und hat insgesamt 314 Bäume,<br />

davon viele über einhundertjährige<br />

Eichen. Während sich in der<br />

Siedlung die Eichen in einem befriedigenden<br />

bis mäßigen Zustand<br />

befinden, ist der Baumbestand<br />

außerhalb der Ortschaft in einem<br />

sehr schlechten Zustand. Ab 1993<br />

treten in den Baumreihen die ersten<br />

abgestorbenen Exemplare<br />

auf. Im Februar 1994 werden die<br />

Eichen durch eine Firma erstmalig<br />

ausgeschnitten. 2012 und 2015<br />

wurden im Ort einzelne Bäume<br />

durch Einwohner und der Gemeinde<br />

nachgesetzt. Ein Großteil der<br />

nicht angewachsenen Bäume (acht<br />

von zehn) der 2015er Pflanzung<br />

wurden durch die Gemeinde im<br />

Februar <strong>2019</strong> nachgesetzt. Eichenprozessionsspinner<br />

(2017) und Hitzestress<br />

(2003, 2018) setzten den<br />

Bäumen stark zu. Im Vorjahr kam<br />

es in Höhe der Grundstücke 7 und<br />

36 zu Grünholzabbrüchen infolge<br />

Trockenheit.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> WIESE GALLIN 113


Foto: Ralph Berek, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2018<br />

Blick vom Marktplatz<br />

1928 tauchten erstmals die Namen von vier Straßen<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> auf. Das waren die Pappelallee,<br />

die Kastanienallee, die Eichenallee und die Havelpromenade<br />

aus gefertigten Peitschenstöcke bei<br />

strengster Strafe verboten ist. [Mylius,<br />

Corpus Constitutionum Marchicarum,<br />

Ediktensammlung, Berlin/Halle 1755]<br />

1803<br />

Über lange Zeit ist in den Dokumenten<br />

zum Gallin über die Holzwirtschaft<br />

keine Notiz zu finden gewesen.<br />

Nach der Beendigung der<br />

Erbpacht des Waisenhauses und des<br />

‚Amtes Bornstädt‘ im Jahr 1803 wurde<br />

in Berichten festgestellt, dass die<br />

Vorwerksgebäude und die landwirtschaftlichen<br />

Flächen auf dem Gallin<br />

in einem äußerst bedauernswerten<br />

Zustand waren. Das ist auch von den<br />

Wegebepflanzungen anzunehmen.<br />

Wenn man aus dem Jahr um 1700<br />

umfangreiche Eichenpflanzungen<br />

und Eichenalleen zu pflegen hatte,<br />

waren diese nach 100 Jahren vermutlich<br />

kaum noch vorhanden. Mit dem<br />

‚Schlächtergewerk Potsdam‘ wurde<br />

nun ein neuer Erbpachtvertrag abgeschlossen.<br />

Der Gallin wurde Zwischenweideplatz<br />

für das Potsdamer<br />

Schlachtvieh. Vieles auf dem Gallin<br />

musste repariert und in Ordnung gebracht<br />

werden. Die Landschaft des<br />

Vorwerks zumindest sollte wieder<br />

in guten Zustand gebracht werden.<br />

Unter anderem war das Vorwerk mit<br />

Weiden zu bepflanzen. Ob auch der<br />

‚Weg von Bornstädt‘ zum Vorwerk,<br />

von dem man annehmen kann, dass er<br />

noch mit Resten von Eichen aus alter<br />

Zeit bestanden war, mit Hilfe neuer<br />

Eichenanpflanzungen repariert wurde,<br />

kann nicht nachgewiesen werden.<br />

[<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> a. d. Havel, Die<br />

Geschichte der Wiese Gallin, 1.<br />

Aufl. S. 222; 2. Aufl. S. 229]<br />

1854<br />

Als sich König Friedrich Wilhelm<br />

IV. (reg. 1840 bis 1861) im Jahr 1854<br />

einen bepflanzten Fahrweg vom Werderschen<br />

Damm an der Havel entlang,<br />

über die ‚Goldene Aussicht‘, über den<br />

Weg zum ‚Golmer Bruch‘ und zum Galliner<br />

Damm anlegen ließ, wurde auch<br />

die ziemlich baumlose nächste Umgebung<br />

der Vorwerksgebäude durch<br />

umfangreiche Birkenanpflanzungen<br />

wesentlich verschönert.<br />

1864<br />

Das Königshaus der Hohenzollern<br />

erwarb im Jahr 1864 den Gallin<br />

114 WIESE GALLIN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


vom Schlächtergewerk als Privatbesitz<br />

und überließ diesen ‚Königl.<br />

Gutsbezirk Gallin‘ bis zum Jahr 1877<br />

einem Pächter. Das Kronprinzenpaar<br />

Friedrich III. (*1831, †1888) und<br />

seine englische Gemahlin Victoria<br />

(*1840, †1901) betrieb ab dem Jahr<br />

1867 auf dem Krongut Bornstedt eine<br />

kleine Landwirtschaft. Sie erhielten<br />

ab dem Jahr 1877 den Gallin hinzu,<br />

der nun als Teil des ‚Krongutes Bornstädt-Gallin‘<br />

bezeichnet wurde. Der<br />

Hofgärtner Hermann Sello (*1800 in<br />

Caputh, †1876 in Potsdam), Spross<br />

aus der preußischen Hofgärtner-Dynastie<br />

Sello, wurde bereits im Jahr<br />

1872 vom königlichen Hof damit beauftragt,<br />

einen Plan zu entwerfen,<br />

wie der Gallin für den Anbau von<br />

Obst und Gemüse im Sinne eines ‚Regelmäßigen<br />

Gutsgartens‘ vom Kronprinzenpaar<br />

bewirtschaftet werden<br />

könnte. Auf seinem Plan ist eine Allee<br />

zwischen dem Entenfänger-Etablissement<br />

und dem Vorwerk Gallin an der<br />

Havel nicht zu sehen. Daraus wäre zu<br />

schließen, dass es eine solche, aus<br />

Eichen bestehende Allee zum Ende<br />

des 19. Jahrhunderts nicht mehr gegeben<br />

hat.<br />

1885<br />

Ab 1885 wurde der Gallin landschaftlich<br />

verändert. Ein neu entstehender<br />

Kiefernwald sollte offensichtlich<br />

mit Hilfe von Alleen und<br />

verschiedenen Laubbaumarealen<br />

parkähnlich gestaltet werden. Im Besonderen<br />

wurde das Augenmerk auf<br />

die Verbindung vom Bornstedter Gut<br />

zum Entenfang-Etablissement und<br />

von dort aus auf zwei landschaftlich<br />

attraktiv ausgestaltete Alleen zum<br />

Ufer an der Havel gelegt.<br />

Schon ab 1876 gelangte man<br />

vom Entenfängerhaus durch eine mit<br />

Eichen bestandene Allee zum Kleinen<br />

Entenfang See und weiter durch<br />

eine ebenfalls mit Eichen bestandene<br />

Allee zum Kienwerder (Kienhorst),<br />

auf dem ein mit Eichen bestandener<br />

Wegestern angelegt worden war. Einige<br />

wenige Rieseneichen sind dort<br />

am Wegestern noch zu bewundern.<br />

[Farbfotos in: ‚<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

a. d. Havel, Die Geschichte<br />

der Wiese Gallin‘, 2007/2008,<br />

Bilder X bis XIV]<br />

Vermutlich erst um 1905 wurde der<br />

‚Weg von Bornstädt‘ zwischen dem<br />

Entenfänger-Etablissement und dem<br />

Vorwerk Gallin in einer Nachpflanzaktion<br />

erneut mit Eichen in eine Allee<br />

verwandelt. Im Situationsplan zur<br />

Besiedlung des Vorwerks Gallin vom<br />

24. Oktober 1928 tauchten erstmals<br />

die Namen von vier Straßen in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

auf. Das waren die Pappelallee,<br />

die Kastanienallee, die Eichenallee<br />

und die Havelpromenade.<br />

[‚<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> a. d. Havel, Die<br />

Geschichte der Wiese Gallin‘, 1.<br />

Aufl. S. 267; 2. Aufl. S. 275]<br />

Um eine Verwechslung mit der Eichenallee<br />

in Potsdam zu vermeiden, bekam<br />

im Jahr 1947 die Eichenallee in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

den Namen ‚Fuchsweg‘.<br />

Marianna von Klinski-Wetzel wurde<br />

1939 geboren und verbrachte ihre<br />

Kindheit und Jugend in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Nach der Grundschule in Geltow und<br />

der Oberschule in Potsdam, Abitur<br />

und Studium in Berlin Charlottenburg.<br />

War als Lehrerin für Kunst<br />

und Werken tätig. Seit 2002 wieder<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> zu Hause. Sie ist<br />

verheiratet und hat drei Kinder.


VOM UMGANG MIT BÄUMEN<br />

„Die Linde kommt 300 Jahre, steht 300 Jahre und vergeht 300 Jahre.“<br />

Im prosperierenden Geltow, in Werder (Havel) und auch in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> erleben<br />

viele große Bäume nicht einmal ihre Reifephase oder werden verstümmelt!<br />

Das Gewissen unseres Wohlstandes<br />

VON JAN EISENFELD<br />

Die beiden etwa 250 Jahre alten<br />

Linden am Tor der Kirche<br />

in Alt-Geltow waren zu stattlichen<br />

Bäumen herangewachsen.<br />

Sie wurden in einer Zeit gepflanzt,<br />

als Ortsbilder noch mit einem<br />

ausgeprägten Bewusstsein für eine<br />

regionale Identität im Sinne eines<br />

kulturellen Erbes geplant und gestaltet<br />

wurden. Neben der Architektur gehörte<br />

die traditionelle Gestaltung mit<br />

heimischen Gehölzen und Stauden,<br />

ob auf Kirchengelände, kommunalen<br />

Flächen oder in privaten Vorgärten,<br />

selbstverständlich dazu. Sicherlich<br />

hat man die zukünftige ökologische<br />

Dimension dieser weitsichtigen Geisteshaltung<br />

nicht geplant – aber vielleicht<br />

geahnt. Ihr verdanken wir heute<br />

unsere Vorstellung von Heimat und<br />

Identität. Dazu kommt die naturräumliche<br />

Lage in einer attraktiven Flussregion<br />

– ein Geschenk der Natur an<br />

uns Menschen. Wir selbst und unsere<br />

heutigen Kommunalverwaltungen<br />

haben dazu nichts beigetragen, doch<br />

ziehen wir aber wirtschaftlichen Nutzen<br />

daraus; sei es durch den Tourismus,<br />

die Gewinnung von Bauland<br />

oder die Schaffung von Freizeit- und<br />

Erholungsangeboten. Dagegen wäre<br />

nichts an sich einzuwenden, wenn die<br />

Verwaltungen in Schwielowsee und<br />

Werder auch in naturschutzfachliche<br />

Strategien und Aufgaben bzw. das<br />

Gemeinwohl gleichermaßen investieren<br />

würden, wie in ihre ökonomischen<br />

Interessen. Doch es werden Bebauungs-<br />

und Flächennutzungspläne<br />

aufgestellt, die in der Hauptsache<br />

nur dem kurzfristigen Investitionsdruck<br />

privatwirtschaftlicher Belange<br />

genügen. Dringender Handlungsbedarf<br />

zu Fragen des Natur- und Artenschutzes<br />

– nennen wir es ruhig Heimatschutz<br />

– wird ausgesessen oder<br />

aufgeschoben. Entsprechend beschränkt<br />

sich die notwendige Öffentlichkeitsarbeit<br />

der Verwaltungen zu<br />

Schutz und Umgang mit unserer Natur,<br />

wenn überhaupt, auf die gesetzlichen<br />

Mindestanforderungen. Viele<br />

Orte oder Ortsteile bilden heute nur<br />

noch die vorübergehenden ökonomischen<br />

Befriedigungen der Menschen<br />

ab, vor allem in den sogenannten<br />

Entwicklungsgebieten. Ich vermisse<br />

in unseren Verwaltungen Demut und<br />

Dankbarkeit im Umgang mit dem anvertrauten<br />

Erbe.<br />

Ich vermisse in<br />

unseren Verwaltungen<br />

Demut und Dankbarkeit<br />

im Umgang mit dem<br />

anvertrauten Erbe.<br />

Baumgutachten & Baumfällungen<br />

Im November 2016 wurden in Geltow<br />

die beiden Kirchenlinden durch<br />

eine massive Kronenkappung auf<br />

etwa acht Meter zurückgeschnitten.<br />

Dafür muss es weitere Gründe gegeben<br />

haben, als einzelne Pilzkörper<br />

unterhalb früher gekappter Starkäste<br />

an einer der Linden. Ohne die Notwendigkeit<br />

dieser Maßnahme an dieser<br />

Stelle hinterfragen zu wollen, gilt<br />

grundsätzlich, dass durch massive<br />

Kronenkappungen zwar für eine Weile<br />

die Verkehrssicherheit gewährleistet<br />

wird, mittel- und langfristig sind<br />

derartig gekappte Bäume aber nicht<br />

selten teurer im Unterhalt und vor allem<br />

kurzlebiger als Bäume, die über<br />

Jahre fachmännisch gepflegt wurden.<br />

Nicht jeder „Baumservice“ gibt diese<br />

Information an seine Kunden weiter.<br />

Wenn ein „Dienstleister“ Baumgutachten<br />

und Baumfällungen gleichzeitig<br />

anbietet, ist das mehr als zweifelhaft<br />

und widerspricht seriösem<br />

Geschäftsgebaren. Solange Bürger<br />

und ihre Verwaltungen dabei keinen<br />

Interessenkonflikt erkennen wollen,<br />

kann an unseren alten Bäumen nach<br />

Belieben herum geschnitten werden.<br />

Die Folgekosten und die irreversiblen,<br />

ökologischen Schäden trägt die Allgemeinheit.<br />

Ortsteil Geltow: Die beiden Linden<br />

am Tor der Kirche vor dem Eingriff<br />

am 22. November 2016.<br />

116 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Ortsteil Geltow, 25. November 2016:<br />

Die beiden Kirchen-Linden nach den massiven<br />

Kronenkappungen von Starkästen durch ein<br />

Kooperationsunternehmen der Gemeinde<br />

Schwielowsee. Dabei wurde die Krone des<br />

vitaleren rechten Baumes aus ästhetischen<br />

Gründen ebenfalls stark eingekürzt.<br />

Fotos: Jan Eisenfeld<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 117


Falsche Behandlung<br />

Durch die Kronenkappungen werden<br />

die „erst“ ca. 250 Jahre alten<br />

Linden in 20 oder 30 Jahren keinen<br />

Schatten mehr spenden. Schon heute<br />

ist im <strong>Frühling</strong> das Summen der<br />

Bienen am Kirchentor nicht mehr zu<br />

hören. Aufgrund von massiven Schäden<br />

wird zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit<br />

die vorzeitige Fällung<br />

der Linden notwendig werden. Dann<br />

wird sich nach über 200 Jahren an<br />

dieser Stelle das Ortsbild verändern.<br />

Nicht allen Bewohnern von Alt-Geltow<br />

wird das auffallen. Zuvor wird<br />

den Bäumen vielleicht der rote Punkt<br />

aufgesprüht. Derartige Markierungen<br />

sind in vielen Fällen die Folge falscher<br />

Behandlung eines Baumes in<br />

der Vergangenheit.<br />

Verlust für das Ortsbild<br />

Die zwei Linden an der Kirche in<br />

Alt-Geltow stehen symbolisch für unzählige<br />

andere Großbäume in Schwielowsee<br />

und Werder (Havel), die über<br />

Jahrzehnte falsch behandelt oder<br />

illegal gerodet wurden. Abgesehen<br />

vom Verlust für das Ortsbild, könnten<br />

selbst zwanzig nachgepflanzte Jungbäume<br />

den ökologischen Schaden an<br />

den gekappten Geltower Linden nicht<br />

ausgleichen, sollen aber das Gewissen<br />

der meisten Bürger beruhigen.<br />

Und solche Nachpflanzungen genügen<br />

der aktuellen Gesetzgebung.<br />

Auch <strong>2019</strong> wird dieser Umgang mit<br />

Bäumen weiter praktiziert.<br />

Sperrige Formulierung<br />

Leicht lassen wir uns von den austreibenden<br />

kräftigen Reisern gekappter<br />

Bäume über ihren Sterbeprozess<br />

hinwegtäuschen. Ihr Überlebenswillen<br />

reicht nicht selten für Jahrzehnte,<br />

nachdem ihnen Kronen oder Starkäste<br />

genommen wurden. Auch im Falle<br />

der Kirchenlinden sind die aktuell<br />

austreibenden Reiser nur die Notreaktion<br />

zur Verarbeitung des gespeicherten<br />

Nährstoffvorrates. Sie haben<br />

wenig mit blütenbildenden Kronenästen<br />

gemeinsam! Ein Merkmal sind<br />

die „unnatürlich“ großen Blätter der<br />

Reiser. Die zeitliche Dimension dieses<br />

Sterbens ist für unseren auf Schnelllebigkeit<br />

konditionierten Verstand<br />

unfassbar. Selbst die auf Fakten angewiesene<br />

Rechtsprechung legt sich<br />

nicht auf ein mögliches Höchstalter<br />

von Bäumen in Jahren fest, wenn<br />

es um Schadenersatzleistungen für<br />

geschädigte Großbäume geht. Hier<br />

hat man sich auf die Formel „Dieser<br />

Baum wird aufgrund der Schädigung<br />

nicht so alt, wie er hätte werden können,<br />

hätte man ihn nicht geschädigt“,<br />

verständigt. Diese sperrige Formulierung<br />

markiert einen Meilenstein im<br />

Naturschutz unserer Zeit.<br />

Ich gehöre zu den Menschen, die<br />

Bäumen ein wie auch immer geartetes<br />

Bewusstsein zusprechen. Schließlich<br />

beruht ihre Existenz, wie die unsere,<br />

in der Hauptsache auf den Elementen<br />

Kohlenstoff und Wasser, sichtlich in<br />

unterschiedlicher Anordnung. Bäume<br />

reagieren wie wir auf Verletzungen,<br />

versuchen sich dem Klimawandel anzupassen<br />

und haben einen faszinierenden<br />

Gleichgewichtssinn.<br />

Gleich unseren Kindern gehören<br />

Bäume zuerst sich selbst. Der Umgang<br />

mit unseren Bäumen ist Ausdruck davon,<br />

wie viel selbstbestimmtes Leben<br />

wir neben uns in Zukunft überhaupt<br />

noch zulassen. Für mich haben Bäu-<br />

Schon heute ist im<br />

<strong>Frühling</strong> das Summen<br />

der Bienen am<br />

Kirchentor nicht<br />

mehr zu hören.<br />

Baumschau und Sägen in einer Hand?<br />

Baumservice und Gemeindeverwaltung<br />

arbeiten seit Jahren eng<br />

zusammen. Über die Art und Weise<br />

der Auftragsvergabe hüllt sich die<br />

Bürgermeisterin aus „datenschutzrechtlichen<br />

Gründen“ in Schweigen.<br />

Schnittflächen der Stamm- und<br />

Astabschnitte der beiden Geltower<br />

Kirchenlinden.<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>, November 2018.<br />

Eine Kastanie wurde im Baufeld der<br />

„Helma-Siedlung“ zur Schaffung von<br />

Baufreiheit hergerichtet. Zudem<br />

wurde der Wurzelraum mit schwerem<br />

Baumaterial und Technik zugestellt.<br />

Der Baum leidet unter Bodenverdichtung<br />

und ist nicht eingeschalt. Hier<br />

wurde gleich gegen mehrere Gesetze<br />

und Satzungen verstoßen.<br />

Fotos: Jan Eisenfeld<br />

118 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Im Naturschutzgesetz findet man die Formulierung,<br />

dass Natur auf Grund ihres eigenen Wertes schutzwürdig sei,<br />

so wie „die Würde des Menschen unantastbar ist“.<br />

me einen ihnen selbst gehörenden<br />

Wert, außerhalb wirtschaftlicher Verwertung<br />

und ökologischer Funktionen.<br />

Doch dieser Aspekt überfordert<br />

die Rechtsprechung der wichtigsten<br />

Gesetzbücher unseres Landes. Dass<br />

allein Nutzen, Verwertung und Funktion<br />

bzw. deren Wiederherstellungen<br />

monetär fassbare Gegenwerte besitzen<br />

und zusammen mit dem Begriff<br />

„Eigentum“ für uns Menschen<br />

die entscheidende Rolle spielen,<br />

zeigt unseren archaischen, geistigen<br />

Entwicklungsstand. Im Naturschutzgesetz<br />

findet man die Formulierung,<br />

dass Natur auf Grund ihres eigenen<br />

Wertes schutzwürdig sei, so wie „die<br />

Würde des Menschen unantastbar<br />

ist“. Beides sind vage und vieldeutige<br />

Formulierungen, die erst einmal keinerlei<br />

Verbindlichkeiten einfordern.<br />

Auch im Falle des Naturschutzgesetzes<br />

mag der o. g. Passus für uns Bürger<br />

zukunftsweisend klingen, doch<br />

in der Auslegung ist damit eine fragwürdige<br />

Praxis verbunden. Die sogenannte<br />

„Eingriffsregelung“, die sich<br />

aus dem Naturschutzgesetz ableitet<br />

und Eingriffe in Natur und Landschaft<br />

prüft und entsprechende Maßnahmen<br />

verlangt, impliziert u. a. die „Vermeidung“<br />

von Eingriffen in die Natur.<br />

Doch tatsächlich liegt die Anzahl an<br />

Bescheiden mit „Vermeidung“ eines<br />

Eingriffs in Natur und Landschaft,<br />

nicht nur für Schwielowsee und Werder,<br />

im homöopathischen Bereich. Sie<br />

kommt in der Praxis so gut wie nicht<br />

vor. Die Eingriffsregelung ist nahezu<br />

ausschließlich mit den Instrumenten<br />

„Ersatz“ (Ersatzzahlungen) und „Ausgleich“<br />

von Eingriffen beschäftigt.<br />

Dabei ist die „Ersatzzahlung“ zum<br />

Standard in den auf Wachstum sensibilisierten<br />

Kommunen und ihren Planungsbüros<br />

geworden. Das mit einer<br />

Ersatzzahlung auch unsinnige Projekte<br />

finanziert werden können, liegt im<br />

Wesen des Systems. Auch lässt sich<br />

die zeitliche Dimension, die zur Bildung<br />

unserer Böden, der Entstehung<br />

von Mooren und dem Heranwachsen<br />

von Bäumen nötig ist, nicht ersetzen.<br />

Fruchtbare Böden haben 10.000 Jahre<br />

Entwicklung hinter sich! Zerstört<br />

werden sie trotzdem. Und doch müssen<br />

wir über das Instrument der Eingriffsregelung<br />

froh sein, auch wenn<br />

sie in Teilen unwirksam ist, was das<br />

übergeordnete Schutzziel betrifft.<br />

Nur so ist es erklärbar, dass durch Anmeldung<br />

wirtschaftlicher Interessen<br />

die weitere Versiegelung von Böden,<br />

die Schadstoffeinträge in Äcker und<br />

Gewässer, das Insektensterben, der<br />

Rückgang der Vogelarten und das Beschneiden<br />

und Roden alter Bäume<br />

möglich sind. Ressourcen und Natur<br />

werden trotz besseren Wissens weiter<br />

verbraucht, nur dass unsere Verwaltungen<br />

mit dem Naturschutzgesetz<br />

Rechtssicherheit bekommen haben<br />

Fotos: Jan Eisenfeld<br />

Ortsteil Geltow, Am Wasser 2, 23.<br />

November 2016. Nach Jahren falscher<br />

Behandlung dieser Kastanie ist Pilzbefall<br />

(Fruchtkörper am Stamm oben<br />

im Bild) vorprogrammiert. Inzwischen<br />

wurde dieser Baum entfernt.<br />

„Auenland in Beton“, naturnahe Uferlandschaft<br />

als Graffiti! Werder lebt<br />

sehr gut von der endgültigen wirtschaftlichen<br />

Überprägung eines auf<br />

anthropozentrische Bedarfsbefriedigung<br />

reduzierten Feuchtgebietes,<br />

wobei der Name „Havelauen“ unter<br />

marktstrategischen Gesichtspunkten<br />

beibehalten wird.<br />

Gleichzeitig verfallen seit Jahrzehnten<br />

die, vermutlich mit öffentlichen<br />

Mitteln eingerichteten, Wanderwege<br />

durch die einzigartigen Glindower<br />

Alpen. Das vom „Boom“ profitierende<br />

Gewerbe sieht hier keinen Investitionsbedarf.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 119


und sich mit diesem ökologischen<br />

Ablasshandel beschäftigen müssen.<br />

Ökonomische Profilierung<br />

unserer Landesregierung<br />

Sicherlich gibt es Erfolge beim<br />

Artenschutz und dem Schutz von einzelnen<br />

Gebieten oder Bäumen. Doch<br />

vom Erfolg eines angeblich fortschrittlichen<br />

Gesetzes sind wir meilenweit<br />

entfernt, während die Ökonomie<br />

in ihrer Maßlosigkeit bereits<br />

von einer Überregulierung durch den<br />

Naturschutz spricht. Es ist die selbe<br />

Ökonomie, die vom festgeschriebenen<br />

Schutz natürlicher Ressourcen<br />

am Ende am meisten profitiert. Trotzdem<br />

fragen wir uns, wie wir unsere<br />

Industrie erhalten können, ohne uns<br />

zu fragen, welche Ressourcen unsere<br />

Industrie erhalten. Wir führen sinnlose<br />

„Leitkulturdebatten“, während uns<br />

Insekten und Vögel wegsterben.<br />

1996 wurde ich zusammen mit 53<br />

anderen Studenten vom Präsidenten<br />

des damaligen Landesumweltamtes<br />

Brandenburg, Prof. Dr. Matthias Freude,<br />

auf mein naturschutzfachliches<br />

Studium an der FH Eberswalde, heute<br />

HNE Eberswalde, eingestimmt. „Leute<br />

wie sie, werden in den kommenden<br />

Jahren händeringend gebraucht.<br />

Dafür werden sie hier optimal ausgebildet“.<br />

Ich bin heute noch überzeugt,<br />

dass dies tatsächlich der Vorstellung<br />

unserer Professoren entsprach, die in<br />

Eberswalde unverzichtbare Zukunftsarbeit<br />

geleistet haben und noch leisten.<br />

Wir Studenten konnten uns in<br />

Anbetracht zunehmender Umweltprobleme<br />

zukünftig die Berücksichtigung<br />

der ökologischen Dimension<br />

in allen politischen Entscheidungen<br />

vorstellen. Doch schon bald hatte<br />

ich das Gefühl, dass der Bedarf an<br />

professionell aufgestellten Naturschutzexperten<br />

auf der Ebene von<br />

„Entscheidern“ ausgebremst wurde,<br />

im Wissen um ein Naturschutzgesetz<br />

vorzugsweise inoffiziell. Der<br />

ökonomischen Profilierung unserer<br />

Wir führen sinnlose<br />

„Leitkulturdebatten“,<br />

während uns Insekten<br />

und Vögel wegsterben.<br />

brandenburgischen Landesregierung<br />

nach der Wende durfte und darf bis<br />

heute nichts im Weg stehen.<br />

Nach Ende meines Studiums 2002<br />

waren in den Kommunen und Städten<br />

die Fachbereiche für Naturschutz und<br />

für Bauangelegenheiten noch zwei<br />

verschiedene Instanzen. Später wurden<br />

im Land überall die Fachbereiche<br />

Bauangelegenheiten und Naturschutz<br />

in einem Fachdienst oder -bereich zusammengelegt.<br />

Noch 1996 konnten<br />

sich unsere Professoren bei der Erarbeitung<br />

unseres Lehrplanes kaum vorstellen,<br />

dass die Fächer Landschaftsökologie,<br />

Ökosystemlehre, Bodenkunde,<br />

Pflanzen- und Tierökologie, Gewässernutzung,<br />

Ökotoxikologie, Land- und<br />

Forstwirtschaftliche Nutzung, Praktischer<br />

Naturschutz, Raum- und Landschaftsplanung,<br />

Siedlungsplanung,<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung, BWL,<br />

Umweltpolitik, Sozialökologie, Beratungswesen<br />

und Öffentlichkeitsarbeit<br />

uns heute nicht für einen Job in einer<br />

Kommunalverwaltung qualifizieren<br />

würden. Fehlen uns doch die Fächer<br />

Hoch- und Tiefbau, Straßensanierung,<br />

Baulandangelegenheiten, öffentliche<br />

Ordnung und Sicherheit.<br />

„Eiche Nr. 77“: Ausgerechnet im<br />

Dürrejahr 2018, während die Bäume<br />

stark unter Trockenstress litten,<br />

wurden durch massive Einkürzungen<br />

von Starkästen vielen Altbäumen der<br />

Berliner Chaussee zwischen Strengfeldbrücke<br />

und Holländermühle<br />

große Wundflächen zugefügt. Solche<br />

Eingriffe schaden ausgerechnet<br />

denen, die auch in Zukunft Ökosystemleistungen<br />

erbringen und zum<br />

Klimaschutz beitragen sollen.<br />

Berliner Chaussee, 10. Oktober 2018.<br />

Bereits vom Boden und bei voller<br />

Belaubung der Eiche sind die zahlreichen<br />

Kappungen von Starkästen zu<br />

erkennen. Auch im Rahmen der Verkehrssicherung<br />

sind solche massiven<br />

Eingriffe unzulässig.<br />

Mehr Lobbyisten als Beamte<br />

Wichtiger noch ist für mich die<br />

Gewissensfrage. Ich selbst könnte<br />

unter der Prämisse „Entscheide stets<br />

so, dass Du dem Primat des Ökonomischen<br />

und den Ideen seiner Anstifter<br />

heute und in Zukunft keine<br />

Steine in den Weg legst! Alles andere<br />

wächst wieder nach!“ in keiner Verwaltung<br />

arbeiten. Ich müsste in mir<br />

zwei ungleiche Persönlichkeiten vereinen<br />

können. Anderen scheint es<br />

zu gelingen, für naturschutzfachlich<br />

zweifelhafte Vorhaben die Anträge<br />

auf Weisung zu genehmigen, sei es<br />

aus Überlegungen zur eigenen Bürokarriere<br />

oder naturschutzfachlicher<br />

Ahnungslosigkeit, weil man für den<br />

Fachdienst Naturschutz eingeteilt<br />

ist, aber vielleicht Hoch- und Tiefbau<br />

studiert hat. Dabei möchte ich<br />

keinem Mitarbeiter in den Verwaltungen<br />

von Schwielowsee und Werder<br />

eine fehlende Begeisterung oder<br />

Handlungsbereitschaft für den Natur-<br />

Fotos: Jan Eisenfeld<br />

120 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Fotos: Jan Eisenfeld<br />

schutz unterstellen. Doch das allein<br />

reicht aktuell kaum für eine Schadensbegrenzung,<br />

sondern verzögert<br />

lediglich den zerstörerischen Eingriff<br />

in Natur und Landschaft. In den meisten<br />

brandenburgischen Gemeinden<br />

und Städten sind die Vertreter ökonomischer<br />

Interessen ungleich professioneller<br />

aufgestellt. Doch auch den<br />

Kommunen mangelt es nicht an finanziellen<br />

Mitteln für eine effektive Naturschutzstrategie.<br />

Es fehlt vielmehr<br />

am Willen, sie dafür bereitzustellen.<br />

Wie schon erwähnt, sollen naturschutzfachlich<br />

begründete Bedenken<br />

die Vision fortdauernder Prosperität<br />

von Städten und Gemeinden nicht<br />

behindern. Dieses simple Denkmuster<br />

ist eng mit den Viten von Entscheidern<br />

verbunden. Von den Mitgliedern<br />

in Gemeinde- oder Ortsbeiräten abgesehen,<br />

wird man feststellen, dass<br />

auf jeder höheren Ebene bis hin zur<br />

EU-Verwaltung, der Anteil von Juristen<br />

zunimmt, denen es an ökologischer<br />

Allgemeinbildung zu mangeln<br />

scheint. Die Vorstellung von uns<br />

Wählern, dass diese Entscheider im<br />

Sinne von Sachverstand und dem Gemeinwohl<br />

kommender Generationen<br />

entscheiden, ist ein folgenschwerer<br />

Irrtum. Das zeigen die zunehmenden<br />

Umweltprobleme trotz der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisfortschritte<br />

und des dringenden Handlungsbedarfs.<br />

Solange die Mehrheit unserer<br />

Entscheider das Maß der Ökologisierung<br />

unserer Gesellschaft erst festlegt,<br />

nachdem sie dieses Maß mit<br />

den Interessen der Partei bzw. den<br />

Vorstellungen nahestehender Wirtschaftslobbyisten<br />

und mit eigenen<br />

Interessen abgeglichen hat, steuern<br />

wir (alle!) auf die ökologische Katastrophe<br />

zu. Im Übrigen arbeiten in<br />

Brüssel ungleich mehr Lobbyisten<br />

als Beamte und dieses Missverhältnis<br />

lässt sich bis auf die kommunale Ebene<br />

herunterbrechen. Die von Umweltämtern,<br />

Instituten und wissenschaftlichen<br />

Fachbeiräten immer wieder<br />

vorgetragene Dringlichkeit in Sachen<br />

Ökologisierung ist nutzlos, da sich der<br />

forschende Teil dieses zweifelhaften<br />

Systems mit der Finanzierung seiner<br />

Arbeit und seiner technologischen<br />

Zunehmende<br />

Umweltprobleme trotz<br />

der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisfortschritte<br />

und des dringenden<br />

Handlungsbedarfs.<br />

Stadt Werder (Havel), Brandenburger<br />

Straße, Oktober 2018. Linden<br />

Nr. 18,16 und 14 (v.l.) mit langer<br />

Leidensgeschichte! Starke Kroneneinkürzungen,<br />

Bodenverdichtung und<br />

Versiegelung und 2018 Rohrverlegung<br />

durch den Wurzelraum. Obwohl<br />

Handschachtung vorgeschrieben ist,<br />

wurde hier auch mit Baggern gearbeitet.<br />

Im Bodenaushub waren armdicke<br />

Wurzelstücke zu erkennen.<br />

Ideen „ruhig stellen lässt“, während<br />

die praktische Umsetzung von Erkenntnissen<br />

zum Umwelt- und Naturschutz<br />

mehr als schleppend verläuft.<br />

Im Natur- und Klimaschutz haben wir<br />

heute weniger ein Defizit an Wissen,<br />

als vielmehr ein Umsetzungsdefizit<br />

von gesicherten Erkenntnissen.<br />

Grund sind der fehlende Willen der<br />

verantwortlichen Entscheidungsträger<br />

und der Wirtschaftslobby. Immer<br />

wieder wird hier die Sinnhaftigkeit<br />

formulierter Schutzziele öffentlichkeitswirksam<br />

angezweifelt, weil die<br />

Vision andauernden Wirtschaftswachstums<br />

unter der Zielsetzung des<br />

Umwelt- und Naturschutzes weniger<br />

prosperieren könnte.<br />

Kommen wir zurück zu den Bäumen.<br />

Einst waren stattliche Hausbäume<br />

der Stolz und die Visitenkarte<br />

ihrer Besitzer und Vorgärten wurden<br />

attraktiv hergerichtet - Laub harken<br />

war damals noch keine Zumutung.<br />

Heute sind Scher-Rasen, umringt<br />

von habitatfreien Thujahecken, Betonpflaster<br />

und neuerdings flächendeckend<br />

auch Grobkies in Vorgärten<br />

und Einfahrten immer häufiger<br />

zu sehen. Irgendwo steht noch ein<br />

Baum. In Geltow, so muss man annehmen,<br />

hat die Gemeindeverwaltung<br />

dem Unternehmen „Town & Country“<br />

gleich die ganze Verantwortung für<br />

das Ortsbild still übertragen, zu dem<br />

maßgeblich die Vorgärten gehör(t)en.<br />

Wie lange Schwielowsee das Thema<br />

Natur- und Baumschutz noch aussitzen<br />

möchte, ist unklar. Solange bleibt<br />

als Ersatzpflanzung von gerodeten<br />

Großbäumen ein mickriger Rotdorn<br />

(Crataegus laevigata, Kulturform) im<br />

Angebot – blüht schön, macht wenig<br />

Laub und ist einheimisch. Doch bietet<br />

ein Rotdorn für andere Arten nur<br />

einen Bruchteil an Lebensräumen<br />

gegenüber einer Esche oder Linde.<br />

Damit soll nicht die Verwendung<br />

von Rotdorn im besiedelten Bereich<br />

Stadt Werder (Havel), Plantagenplatz,<br />

1. Oktober 2018. Linde mit Kroneneinkürzung<br />

und Kappung von<br />

Starkästen. Auch hier wird in der<br />

nächsten Vegetationsperiode<br />

erkennbar sein, ob die Hauptäste<br />

bereits zurücksterben.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 121


grundsätzlich in Frage stehen. Doch<br />

werden die Innenbereiche zukünftig<br />

eine bedeutende Rolle im Arten- und<br />

Klimaschutz spielen. Schwielowsee<br />

und Werder interessiert das noch<br />

nicht. Den „anerkannten Erholungsort“<br />

verdankt Geltow allein der naturräumlichen<br />

Lage und wirtschaftspolitischem<br />

Filz.<br />

Die Pflege von Altbäumen<br />

Was 2012 öffentlichkeitswirksam<br />

als „Grünes Leitbild der Stadt Werder<br />

(Havel)“ bekanntgegeben wurde, ist<br />

lediglich eine Liste an bevorzugt zu<br />

pflanzenden Gehölzen, die sich aber<br />

in der Realität bis heute nur in Ausnahmen<br />

wiederfindet, wie der vereinzelten<br />

Pflanzung von Hainbuchenhecken<br />

auf Grundstücksgrenzen. Doch<br />

wenn ich mir Vorgärten und öffentliche<br />

Freiräume in Werder anschaue,<br />

insbesondere in den sogenannten<br />

Entwicklungsgebieten, so habe ich<br />

den Eindruck, dass es im Werderaner<br />

Rathaus offensichtlich selbst nach<br />

sieben Jahren niemanden gibt, der<br />

sich mit der Umsetzung der Liste intensiver<br />

befasst. Anreize für Bürger<br />

oder Investoren, die sich mit ihren<br />

Flächen am Grünen Leitbild beteiligen<br />

könnten, gibt es meines Wissens<br />

nicht. Vermutlich haben die meisten<br />

noch nie von diesem Leitbild gehört.<br />

Die Pflege von Altbäumen bei<br />

gleichzeitiger Herstellung der Verkehrssicherung<br />

verlangt viel Professionalität<br />

und Abwägung. Bei dem<br />

Eingriff im Frühjahr 2018 an der Berliner<br />

Chaussee (B1) zwischen Strengfeld<br />

und der Baumgartenbrücke hatte<br />

der Erhalt der Bäume mutmaßlich nur<br />

wenig Gewicht. An verschiedenen<br />

Altbäumen (Eichen, Eschen, Ahorne)<br />

wurden die Kronen mehr als notwendig<br />

eingekürzt und Starkäste gekappt,<br />

um auf lange Sicht der Verkehrssicherungspflicht<br />

zu genügen. In der<br />

* ZTV Baumpflege ist das Standardregelwerk in der Baumpflege. Hier sind<br />

Leistungen und Anforderungen für eine fachgerechte Baumpflege definiert.<br />

Das Regelwerk ist Bestandteil einer seriösen Auftragsvergabe und -ausführung<br />

in der Gehölzpflege.<br />

professionellen Baumpflege sind Eingriffe<br />

„auf Vorrat“ nicht umsonst unzulässig,<br />

auch im sicherungspflichtigen<br />

Bereich (vgl. ZTV 2017 *).<br />

Anfälligkeit der Bäume<br />

Mit den Sturmereignissen wie im<br />

Januar 2018 („Orkantief Friederike“)<br />

hatte man in den Verwaltungen eine<br />

Begründung für massive Eingriffe in<br />

ältere Straßenbäume gefunden, obwohl<br />

das schon vorher aus Kostengründen<br />

jahrelange Praxis war, die<br />

oft erst zur Anfälligkeit der Bäume für<br />

Sturmschäden beigetragen hat. Eine<br />

Gelegenheit, die auch private Grundstücksbesitzer<br />

erkannt haben, die<br />

sich ihrer großen Bäume entledigen<br />

wollen. Der mit der Witterung korrelierende<br />

Stoffwechsel der Bäume<br />

kann bei extremer Trockenheit nur<br />

ungenügend reagieren und Schaderreger<br />

können ungehindert eindringen.<br />

Aufgrund des physiologischen<br />

Ungleichgewichts fördern solche Eingriffe<br />

zudem den Pilzbefall im Wurzelbereich.<br />

Im Übrigen finanzieren wir<br />

alle den Umgang mit Straßenbäumen<br />

durch unsere Steuergelder, auch den<br />

falschen. Beispiele gibt es in Schwielowsee<br />

und im gesamten Stadtgebiet<br />

von Werder in besorgniserregendem<br />

Umfang.<br />

Werder (Havel), Oktober 2018. Selbst<br />

weniger baumkundige Menschen werden<br />

beim Anblick der Bäume auf der<br />

Werderaner Friedrichshöhe und ihrer<br />

Zuwegung feststellen, dass es sich<br />

hierbei um außerordentliches Unvermögen<br />

in der Gehölzpflege oder<br />

wahrscheinlicher um die billigend<br />

in Kauf genommene Schädigung von<br />

über 50 Großbäumen handelt.<br />

Stadt Werder (Havel), Zuwegung Friedrichshöhe,<br />

11. Oktober 2018.<br />

Ahorn, alle Starkäste auf etwa 7 Meter<br />

aufgeastet.<br />

Friedrichshöhe hatte<br />

eine großartige Kulisse<br />

Länger als 100 Jahre waren die<br />

Bäume auf der Friedrichshöhe für<br />

eine großartige Kulisse gut, wovon<br />

Stadt und Bürger bei all den Veranstaltungen<br />

profitiert haben. Das sich<br />

nach dem neuerlichen Verkauf des<br />

denkmalgeschützten Areals mit seinem<br />

Baumbestand mutmaßlich niemand<br />

für die Gehölze interessiert,<br />

stimmt mich traurig. Die rücksichtslosen<br />

Kappungen von Starkästen an<br />

Ahornen, Kastanien und Linden in der<br />

Reifephase und deren Aufastung haben<br />

den Bäumen massiven Schaden<br />

zugefügt. Dabei ist die Standfestigkeit<br />

bei den meisten Bäumen unproblematisch.<br />

Der entstandene Schaden<br />

an über 50 Großbäumen dürfte im<br />

sechsstelligen Bereich liegen.<br />

Fotos: Jan Eisenfeld<br />

122 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Kirschlorbeer und Thuja-Hecken<br />

Das Unternehmen Dolphin Trust<br />

GmbH aus Langenhagen bei Hannover,<br />

aktueller Besitzer der Flächen,<br />

will hier „rund 58 Mio. Euro in den Bau<br />

einer Wohnanlage investieren.“ (www.<br />

thomas-daily.de, 05.11.2018). Diese<br />

Absichtserklärung scheint Werder zu<br />

genügen, der Angelegenheit nicht<br />

weiter nachzugehen. Dass es keinen<br />

festgeschriebenen Gehölzschutz<br />

gibt, der eine Prüfung in der Sache<br />

verlangt, gehört zur strategischen<br />

Ausrichtung der Stadtverwaltung.<br />

Unter dem Slogan “Nur eine Stadt die<br />

baut, blüht auf“ werden nicht nur in<br />

den Entwicklungsgebieten bevorzugt<br />

fremdländischer Kirschlorbeer und<br />

blickdichte Thuja-Hecken gepflanzt,<br />

heimische Gehölze dagegen äußerst<br />

selten. 2012 wurde auf einer Stadtverordnetenversammlung<br />

in Werder<br />

eine Baumschutzsatzung mit folgenden<br />

Wortbeiträgen abgelehnt:<br />

„Es wird in Werder gar<br />

keiner mehr Bäume<br />

pflanzen, wenn er sie<br />

nicht auch wieder<br />

absägen darf.“<br />

W. Gäding, CDU<br />

„Wenn man vom<br />

Weinberg runterschaut,<br />

sieht man keine Häuserzeile<br />

mehr. Es gebe<br />

keinen Grund,<br />

regulierend einzugreifen.“<br />

B. Martin, Freie Bürger<br />

Donnerwetter! Da schaut einer<br />

vom Ufer auf´s Meer und behauptet,<br />

er sehe, dass es Fischen und Korallen<br />

gut geht.<br />

Es ist erschreckend, welchen Mangel<br />

an Sachverstand erkorene Mitglieder<br />

in Ausschüssen, Beiräten und<br />

Gremien offenbaren, wenn sie von<br />

der Materie keine Ahnung haben, aber<br />

angesichts ihrer eigenen Interessen<br />

Quelle: Brandenburgisches Landeshauptarchiv,<br />

Rep. 3B Regierung Frankfurt, I Hb, Nr. 863, datiert 28.08.1912<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 123


und ihres Parteibuchs glauben, etwas<br />

dazu sagen zu müssen. Damit sind<br />

wir wieder bei den zuvor erwähnten<br />

simplen Denkmustern der vom ewigen<br />

Wirtschaftswachstum überzeugten<br />

Bürger und „Entscheider“.<br />

Vielleicht müssen wir, der Rest<br />

ganzheitlich denkender Menschen<br />

mit ökologischem und sogar genügend<br />

ökonomischem Sachverstand,<br />

die Generation der Unbelehrbaren<br />

einfach aussitzen und unter erschwerten<br />

Bedingungen eine lebenswerte<br />

Zukunft unserer Kinder vorbereiten.<br />

Dass es eine Zeitenwende geben wird,<br />

bei der sich Wirtschaftsvisionen bedingungslos<br />

ökologischen Vorbehalten<br />

und Verhältnissen unterordnen<br />

müssen, gilt als sicher. Aktuell sieht<br />

man in den Verwaltungen in Schwielowsee<br />

und Werder leider noch keinen<br />

besonderen Handlungsbedarf.<br />

Im Umgang mit dem Naturschutz und<br />

mit „Baumschützern“ muss man taktieren,<br />

da eine nachhaltige Strategie<br />

fehlt. Man lässt die Bürger lieber in<br />

dem Irrglauben, dass der Naturschutz<br />

unseren Wohlstand gefährdet!<br />

Dringender denn je<br />

Gewissen und Mitgefühl werden<br />

jedem von uns in die Wiege gelegt.<br />

Aber moralische Urteilsfähigkeit und<br />

entsprechendes Handeln bedürfen<br />

des lebenslangen Lernens. Dafür<br />

brauchen wir Vorbilder, insbesondere<br />

in den Reihen der Entscheider,<br />

die ein Mindestmaß an ökologischer<br />

Allgemeinbildung und Begeisterungsfähigkeit<br />

für Natur mitbringen,<br />

um Prosperität in eine enkeltaugliche<br />

Verhältnismäßigkeit zum Naturschutzgedanken<br />

zu bringen. Wichtiger<br />

als sanfter Tourismus ist sanftes<br />

Wirtschaftswachstum.<br />

Jeder Anstifter von maßloser Prosperität<br />

sollte einmal in seinem Leben<br />

eine 300-jährige Eiche umarmt haben.<br />

Dringender denn je müssen wir<br />

uns die Gewissensfrage im Umgang<br />

mit unserer Natur stellen. Wenn wir<br />

selbst Naturschutz wieder ernst nehmen,<br />

werden unsere Verwaltungen<br />

reagieren müssen und auch der ökologischen<br />

Bedeutung fachgerechter<br />

Baumpflege einen entsprechenden<br />

Stellenwert einräumen. Es geht um<br />

nichts weniger als den Erhalt von<br />

lebendiger Heimat. Der „günstigste<br />

Anbieter“ ist da erfahrungsgemäß ungeeignet.<br />

Die meisten unserer Kinder kennen<br />

jeden Hersteller von Spielkonsolen<br />

und glauben den Versprechungen<br />

der Industrie zur neuesten Androidversion,<br />

können aber eine Eiche nicht<br />

von einer Linde unterscheiden. Solange<br />

wir dabei nur zuschauen, täuschen<br />

wir unsere Kinder in der Entdeckung<br />

ihrer wahren Bedürfnisse und am<br />

Ende uns selbst. Auch wenn Bäume<br />

sich ungefragt auf unser Bauland gestellt<br />

haben und Äste und Blätter auf<br />

unser Eigentum werfen, sind sie doch<br />

großartige Lebewesen und für den<br />

Klimaschutz unverzichtbar. Solange<br />

wir der Industrie unsere Bereitschaft<br />

signalisieren, dass wir lieber auf unsere<br />

Bäume verzichten, als auf Smartphones,<br />

Erlebnisküchen, schicke SUVs<br />

und tabulose TV-Events, sind wir am<br />

Ende für die Natur verzichtbar. Bis dahin<br />

können wir dem Artensterben auf<br />

unseren Curved-TVs zusehen, doch<br />

Aussterben wird auch durch 8K-Auflösung<br />

nicht schöner. Zeit, um lange<br />

darüber nachzudenken, haben wir<br />

nicht mehr.<br />

Olaf Thiede<br />

Der Autor Jan Eisenfeld, geboren<br />

1966 in Dresden, lebte 12 Jahre in<br />

Geltow, bevor er und seine Familie<br />

2016 nach Werder (Havel) zogen.<br />

Nachdem er zehn Jahre als<br />

Elefantenpfleger im Berliner Zoo<br />

tätig war, studierte er in den 90er<br />

Jahren Naturschutz in Eberswalde.<br />

Heute arbeitet er als Grafikdesigner<br />

für den Naturschutz und als<br />

künstlerischer Fotograf.<br />

124 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


FLUCH UND SEGEN DER WALDSIEDLUNG<br />

<br />

<br />

Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird,<br />

hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.<br />

Der gemeine Baum<br />

Rabindranath Tagore<br />

VON TATJANA GERBER & JANA FELLENBERG<br />

Haben Sie schon einmal im Herbst eines Mastjahres<br />

unter einer alten Eiche vor ihrem Grundstück<br />

Laub und Eicheln zusammen geharkt? Tagelang,<br />

bis der Rücken schmerzt mit Eicheln, deren Größe<br />

jeden Kieselstein erblassen lassen? Kennen<br />

sie das Trommelfeuer der Kastanien des Nachts<br />

bei Herbstwind auf den Carportdächern? Die<br />

Schütte der Kiefern, Tannen und Fichten, deren<br />

Nadeln die Abläufe der Regenrinnen verstopfen?<br />

Birken und Kiefern, deren gelber Staub dass<br />

im ersten <strong>Frühling</strong>slicht geputzte Fenster wieder<br />

blind und klebrig zur Milchglasscheibe mutieren<br />

lässt? Erlen, deren Früchte im Herbst auf den<br />

edlen weißen Decks der Boote am Havelufer,<br />

schwarze Zeichnungen ihrer selbst hinterlassen?<br />

Äste knorriger Eichen, die nach den trockenen<br />

und heißen <strong>Sommer</strong>n ohne jede Vorwarnung herab<br />

brechen und die hin und wieder im Frühjahr<br />

von Prozessionen ganzer Völker Spinnfaltern erklommen<br />

werden, dass manchem von uns die<br />

Luft wegbleibt? Kennen sie das Geräusch brechender<br />

Bäume in einem Jahrhundert-Sturm?<br />

Nein? Das alles kennen sie nicht?<br />

Dann brauchen sie nicht weiter lesen, denn<br />

dann berührt sie die Thematik vermutlich kaum.<br />

126 INTERVIEW WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


INTERVIEW<br />

Hallo Herr Zeidler, wie man der Niederschrift der Sitzung der<br />

Gemeindevertretung vom 26. September 2018 entnehmen kann,<br />

haben die Fraktionen der Gemeindevertretung Sie als externen<br />

Baumsachverständigen, mit 20 Ja-Stimmen, bei nur einer Stimmenenthaltung,<br />

beauftragt, ab 1. Oktober 2018 für den Zeitraum von sechs Monaten „unbeeinflusst<br />

und unabhängig die zur Fällung genehmigten Bäume zu kontrollieren<br />

(Baumschau, Artenschutz, Nachpflanzung)“.<br />

Kurz vor Ablauf dieser sechs Monate,<br />

Hand aufs Herz Herr Zeidler:<br />

Wie war der Zustand der von Ihnen begutachteten<br />

Bäume?<br />

Die meisten Bäume waren gesund<br />

und standsicher. Gerade die Kiefern<br />

sind häufiger schon in der Alterungsphase<br />

und haben ab und zu schon einen<br />

Pilzbefall. Diese Kiefern müssen<br />

dann entnommen werden. Betrachtet<br />

man den Baumbestand als Ganzes, ist<br />

er überaltert und schon sehr lückenhaft<br />

geworden. Stürme, Fällungen, unnötige<br />

„Angst-Fällungen“, Bauvorhaben<br />

und zu wenige Nachpflanzungen<br />

setzen dem Gesamtbestand stark zu.<br />

Welche Kriterien ziehen Sie zu Rate um<br />

festzustellen, ob ein Baum standsicher<br />

ist oder nicht?<br />

Wichtige Kriterien für die Standsicherheit<br />

eines Baumes sind: Gibt es<br />

Schadsymptome an der Wurzel, am<br />

Stammfuß, am Stamm oder in der Krone?<br />

Mit der Zusammenfassung aller<br />

Schadsymptome wird der Baum auf<br />

die Bruch- und Standsicherheit bewertet<br />

und folglich Handlungsempfehlungen<br />

abgeleitet.<br />

Der Redakteur des Havelboten<br />

berichtete in seiner Januar-<strong>Ausgabe</strong><br />

über einen Vor-Ort-Termin, bei dem<br />

zur Fällung beantragte Bäume<br />

gemeinsam mit Mitarbeiterinnen<br />

der Verwaltung begutachtet wurden.<br />

Wenn man den Beitrag unvoreingenommen<br />

liest, gewinnt man den<br />

Eindruck, dass die verantwortlichen<br />

Mitarbeiterinnen, zusammen mit Ihnen,<br />

den Baumerhalt sehr ernst<br />

nehmen. Teilen Sie diese Meinung?<br />

Ich beantworte die Frage mit ja, aber.<br />

Ich arbeite mit verschiedenen Gemeinden<br />

und Städten zusammen und<br />

muss immer wieder feststellen, wie<br />

unterschiedlich die Einstellungen<br />

der Baumschutzbeauftragten sind.<br />

Das reicht von sehr lax bis extrem<br />

baumschützerisch. In der aktuellen<br />

schnelllebigen Zeit, wo schnell und<br />

viel gebaut wird und wenig Augenmerk<br />

auf das Landschaftsbild gelegt<br />

wird, würde ich mir etwas mehr Baumund<br />

Naturschutz wünschen. Bauvorhaben,<br />

die Bäume oder Grünflächen<br />

einfach wegplanen, heiße ich nicht<br />

für gut. Bäume, Baumgruppen, Grünund<br />

Weideflächen, Hecken, Säume<br />

und andere prägende Strukturen der<br />

Landschaft sollten immer mit in die<br />

Bauplanungen einbezogen werden.<br />

Und diesbezüglich könnte von der<br />

Gemeinde Schwielowsee noch etwas<br />

mehr Kampfgeist für die Erhaltung<br />

der <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> aufgebracht<br />

werden.<br />

Sie sind ein erfahrener Baumkontrolleur,<br />

der in der Vergangenheit<br />

schon tausende Bäume für Potsdam,<br />

Berlin und Gemeinden im Umland<br />

begutachtet hat.<br />

Wie schwer wiegt in der Entscheidungsfindung<br />

Ihr Wort? Werden die<br />

von Ihnen gemachten<br />

Empfehlungen von der Gemeinde<br />

in den Bescheiden umgesetzt?<br />

Bei den gemeinsamen Vor-Ort-Terminen<br />

mit der Gemeinde war man<br />

sich bisher immer einig. Bei schon genehmigten<br />

Bauvorhaben sind Bäume<br />

schon weg geplant und somit liegt es<br />

nicht mehr in meiner Hand auch gesunde<br />

Bäume zu erhalten.<br />

Bei einem der Fällbescheide wurden<br />

neun Bäume auf Grund eines<br />

Bauvorhabens zur Fällung beantragt.<br />

Zwei Kiefern waren außerhalb des<br />

Baufeldes und durften stehen bleiben,<br />

ein Baum stand zu seinem Glück auf<br />

dem Nachbargrundstück. Inwieweit<br />

haben Sie auf den Baumschutz bei<br />

Bauvorhaben Einfluss?<br />

Mein Einfluss ist recht begrenzt.<br />

Wenn ein Baum zufällig am Rand<br />

des Bauvorhabens steht, dann kann<br />

dieser Baum häufig erhalten bleiben.<br />

Wenn jedoch eine Baumgruppe gerade<br />

dort steht, wo ein Carport nach<br />

Bebauungsplan schon genehmigt<br />

wurde, habe ich keinen Einfluss.<br />

Haben Sie Einfluss, was die Art, den<br />

Ort und die Anzahl von Nachpflanzungen<br />

für zur Fällung vorgesehene<br />

Bäume auf den betreffenden Grundstücken<br />

betrifft?<br />

Nein.<br />

In manch Baumhöhlung oder Kobel in<br />

einer Kieferkrone versteckt sich, von<br />

uns oft unbemerkt, der eine oder andere<br />

kleine tierische Waldbewohner. Vor<br />

allem die Fledermäuse in der Winterstarre<br />

haben keine Chance wegzufliegen<br />

und fallen unter Umständen der<br />

Kettensäge zum Opfer.<br />

Inwieweit wird bei den Vor-Ort-Termi-<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> INTERVIEW 127


nen auf den Artenschutz eingegangen?<br />

Können Sie die betreffenden Einwohner<br />

in dieser Hinsicht beraten? Was<br />

passiert, wenn in einem Stamm eines<br />

nicht mehr standsicheren Baums eine<br />

Spechtfamilie wohnt? Muss sie ausziehen?<br />

Beratungen und Empfehlungen<br />

finden immer statt. Wenn ein Baum<br />

nicht mehr standsicher ist, er jedoch<br />

Höhlungen mit artenschutzrechtlicher<br />

Relevanz aufweist, wird der<br />

Baum nicht komplett gefällt. Es wird<br />

ein entsprechend hoher Reststamm<br />

stehen gelassen, um so die möglichen<br />

Höhlenbewohner zu schützen.<br />

Worauf sollten die Einwohner beim<br />

Umgang mit Ihren Bäumen besonders<br />

achten? Können Sie da ein paar Tipps<br />

geben?<br />

In regelmäßigen Abständen nach<br />

Totholz, Astrissen oder Pilzfruchtkörpern<br />

am Baum Ausschau halten. Verletzungen<br />

an Wurzel oder Stamm gilt<br />

es immer zu vermeiden. Sei es durch<br />

Bauarbeiten in Wurzel- oder Stammnähe<br />

oder z. B. durch unsachgemäßes<br />

Anbringen von Hängematten durch<br />

Nägel oder Haken.<br />

Warum sollten Grundstückseigentümer<br />

regelmäßig eine Baumschau<br />

durchführen lassen? Welche Sicherheit<br />

gibt den Grundstückseigentümern ein<br />

Gutachten?<br />

Aufgrund der Gefahrenabwehr ist<br />

eine Baumschau oder ein Gutachten<br />

immer nützlich. Das Schadensrisiko<br />

durch herunterfallendes Totholz,<br />

durch abreißende Astgabelungen<br />

oder eines kranken Baumes kann dadurch<br />

reduziert werden.<br />

Die Bürgerinitiative hat im April<br />

letzten Jahres die Nachpflanzaktion<br />

„Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018–2033<br />

ins Leben gerufen, die unter der<br />

Schirmherrschaft des NABU steht. Was<br />

meinen Sie: Ist die <strong>Waldsiedlung</strong> noch<br />

zu retten?<br />

Schön wäre es. Dazu müssten alle<br />

an einem Strang ziehen. Die Planer,<br />

die Entscheider und die Schützer.<br />

Und es sollten Kiefern gepflanzt werden.<br />

Kiefern, Kiefern, Kiefern.<br />

Herzlichen Dank für die<br />

Beantwortung der Fragen<br />

und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!<br />

Stein des Anstoßes: Für mehrere der vom NABU Brandenburg in<br />

Musterprozessen beklagten Fällbescheide begutachtet Mario Zeidler<br />

als externer Sachverständiger die betreffenden Kiefern. Nach seiner<br />

Einschätzung konnten etwa in diesem Fall drei der sechs ursprünglich<br />

von der Gemeindeverwaltung zur Fällung genehmigten Kiefern<br />

erhalten werden. Die vierte, mit einer Fledermaushöhlung versehen,<br />

sollte eigentlich aus Artenschutzgründen als neun Meter hoher<br />

Biotop-Stamm stehen bleiben, wurde aber zwischenzeitlich gefällt.<br />

Foto: Jana Fellenberg<br />

Im Januar <strong>2019</strong> nahmen fünf Gemeindevertreter<br />

zusammen mit<br />

sechs Vertretern der Bürgerinitiative<br />

Akteneinsicht in alle im Zusammenhang<br />

mit der Baumschutzsatzung<br />

seit Oktober 2018 ergangenen Bescheide<br />

der Gemeinde für <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Die Bürgerinitiative hatte<br />

diese Akteneinsicht beantragt,<br />

um zu überprüfen, ob die Beschlüsse<br />

der Gemeindevertretung von<br />

September 2018 umgesetzt wurden.<br />

Das Fazit<br />

Auch wenn es in der Protokollierung<br />

noch immer ernste Mängel gab und<br />

der externe Sachverständige nicht<br />

an Festlegungen zu Nachpflanzungen<br />

beteiligt wurde, ist doch eine<br />

deutliche Verbesserung der Aktenführung<br />

erkennbar gewesen.<br />

Was auffiel<br />

Die Anzahl der Beantragungen hat<br />

sich im Vergleich zu den beiden Vorjahren<br />

erheblich verringert und die<br />

genehmigten Fällungen sind auffallend<br />

drastisch zurückgegangen. Elf<br />

von 19 zur Fällung beantragte Bäume<br />

wurden nach Einschätzung des<br />

externen Baumsachverständigen<br />

als standsicher eingeschätzt, die<br />

Fällanträge dieser Bäume wurden<br />

abgelehnt.<br />

Von den acht zur Fällung beschiedenen<br />

Bäumen, waren nur zwei<br />

Bäume krank, sechs Bäume fallen<br />

wegen eines Bauvorhabens.<br />

128 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


DOKTOR WALD<br />

Wenn ich an Kopfweh<br />

leide und Neurose,<br />

mich unverstanden fühle<br />

oder alt,<br />

dann konsultiere ich<br />

den Doktor Wald.<br />

Waldkiefer richtig pflanzen<br />

Standort und Boden<br />

Kiefern sind schnellwüchsig, äußerst<br />

frosthart, windfest und hitzetolerant,<br />

brauchen aber einen vollsonnigen<br />

Standort.<br />

Was den Boden betrifft, sind die Ansprüche<br />

hingegen nicht besonders<br />

hoch: Kiefern wachsen selbst auf armen,<br />

mäßig trockenen Sandböden<br />

noch gut.<br />

Pflanzung<br />

Die beste Pflanzzeit liegt in der Vegetationspause<br />

von September bis April<br />

und sollte bei frostfreiem Wetter erfolgen.<br />

Wenn ausreichend gegossen<br />

wird, kann auch im <strong>Sommer</strong> gepflanzt<br />

werden.<br />

Eine besondere Bodenvorbereitung<br />

ist nicht nötig. Nur sehr schwere, verdichtete<br />

Böden sollten tiefgründig<br />

gelockert und mit Sand oder Humus<br />

gemischt werden.<br />

Pflege<br />

Kiefern sind nach dem Einwurzeln<br />

äußerst pflegeleicht und genügsam.<br />

Sie kommen ohne Dünger und zusätzliche<br />

Bewässerung aus. Mit einer<br />

Kompostgabe im Frühjahr können Sie<br />

das Wachstum jüngerer Pflanzen aber<br />

etwas beschleunigen.<br />

Waldkiefer (Pinus silvéstris).<br />

Familie: Pinaceen. Blütezeit: Mai<br />

1 Männliches Blütenkätzchen. 2, 3<br />

WeiblichesBlütenzäpfchen. 4, 5<br />

Fruchtzapfen in verschiedenem<br />

Reifezustand. 6 Samen mit Flügel.<br />

Tipps zum Pflanzen<br />

» » Pflanztermin für Kiefern: frostfreie<br />

Perioden im Herbst oder <strong>Frühling</strong><br />

» » am besten vorgezogene Jungkiefern<br />

pflanzen<br />

» » Boden vor der Pflanzung tiefgründig<br />

auflockern<br />

» » ergänzend Grunddüngung aus Humus<br />

und Kompost untermischen<br />

» » Pflanzloch von doppelter Größe<br />

des Wurzelballens ausheben<br />

» » Jungkiefer zunächst ins Wasser<br />

stellen, danach ins Pflanzloch einsetzen<br />

» » mit Aushub auffüllen und Erde vorsichtig<br />

festtreten<br />

» » abschließend Gießrand anlegen<br />

und Kiefer kräftig angießen<br />

Tipps zum Gießen und Düngen<br />

» » in jungen Jahren und bei anhaltender<br />

Trockenheit Kiefern regelmäßig<br />

gießen<br />

» » Mulchschicht im Wurzelbereich<br />

schützt die Kiefern vor Austrocknung<br />

» » Düngung erfolgt im <strong>Frühling</strong> und<br />

<strong>Sommer</strong><br />

» » Hornspäne und Kompost sind hierfür<br />

am besten geeignet<br />

Quellen: www.gartenanlegen.net,<br />

www.mein-schoener-garten.de, www.wikipedia.de,<br />

www.pinterest.fr<br />

Er wohnt ganz nah,<br />

gleich nebenan.<br />

Er ist mein Augenarzt und<br />

mein Psychiater,<br />

mein Orthopäde und<br />

mein Internist.<br />

Er hilft mir sicher<br />

über jeden Kater,<br />

ob er aus Kummer<br />

oder Kognak ist.<br />

Er hält nicht viel von<br />

Pülverchen und Pille,<br />

doch umso mehr von Luft<br />

und Sonnenschein!<br />

Ist meine Praxis auch<br />

sehr überlaufen,<br />

in seiner Obhut läuft<br />

man sich gesund.<br />

Er bringt uns immer<br />

wieder auf die Beine,<br />

verhindert Fettansatz<br />

und Gallensteine.<br />

Den Blutdruck regelt er<br />

und das Gewicht –<br />

nur Hausbesuche macht<br />

er leider nicht.<br />

Förster Helmut Dagenbach,<br />

1986<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 129


Ohne Wasser … merkt Euch das,<br />

wär` unsre Welt ein leeres Fass!<br />

So ließ der italienische Komponist Luigi Cherubini um<br />

1800 den Wasserträger in seiner berühmten Opern-<br />

Arie singen, als dieser seine Armut bitter beklagte.<br />

Doch ist es wirklich so?<br />

Sport für Pflanzen<br />

VON FRIEDERIKE KÖGLER<br />

rastet, der rostet“<br />

heißt es im Volksmund;<br />

körperliche Betätigung<br />

„Wer<br />

wird grundsätzlich als<br />

positiv für die menschliche Gesundheit<br />

gewertet. Im (Leistungs-) Sport<br />

wird dieses Prinzip der „positiven“ Belastung<br />

gezielt genutzt, um die Leistungsfähigkeit<br />

zu steigern. Geht man<br />

beispielsweise in ein Fitness-Studio,<br />

erhält man direkt Hinweise zu einem<br />

gezielten Training einzelner Muskelgruppen<br />

und für die speziellen<br />

Eigenschaften der Muskeln, wie Ausdauer<br />

oder Schnellkraft. Die Theorie<br />

dahinter basiert auf der Beobachtung,<br />

dass ein gezielter Belastungsreiz (beispielshalber<br />

Gewichte heben) von<br />

den Muskeln wahrgenommen und<br />

diese Information für eine begrenzte<br />

Zeit gespeichert wird. Wiederholt<br />

man den selben Belastungsreiz innerhalb<br />

einer bestimmten Frist, kann der<br />

Muskel die vorhandene Information<br />

hierzu abrufen und besser auf die erneute<br />

Belastung reagieren, so dass es<br />

zu einer Leistungssteigerung kommt.<br />

Man kann also ein größeres Gewicht<br />

heben. Das ist die Grundlage für körperliches<br />

Training. Ebenso bekannt<br />

ist allerdings, dass diese Information<br />

In den Versuchen<br />

wurden Pflanzen<br />

gezielt mildem<br />

Wassermangel<br />

ausgesetzt.<br />

in den Muskeln nicht unbegrenzt gespeichert<br />

wird. Wiederholt man den<br />

selben Reiz also nicht innerhalb der<br />

erforderlichen Frist, wird die Information<br />

zu diesem Reiz wieder „vergessen“.<br />

Wie genau die Speicherung der<br />

Information innerhalb der Muskeln<br />

erfolgt, ist noch nicht abschließend<br />

geklärt. Eine Leistungssteigerung ist<br />

zudem nicht unbegrenzt möglich: Je<br />

nach Individuum und Belastung kann<br />

eine maximale Leistungssteigerung<br />

nicht übertroffen werden.<br />

Pflanzen verhalten sich ähnlich<br />

In einem Forschungsprojekt der<br />

Universität Duisburg-Essen wurde<br />

nun eine ähnliche Verhaltensweise<br />

auch für Pflanzen ermittelt. Was<br />

eigentlich auch jedem Hobby-Gärtner<br />

intuitiv klar ist: auch eine Pflanze<br />

kann durch positive Belastung eine<br />

Leistungssteigerung erreichen. In<br />

den Versuchen am Lehrstuhl für Steuerung,<br />

Regelung und Systemdynamik<br />

wurden Pflanzen gezielt mildem<br />

Wassermangel ausgesetzt und das<br />

Pflanzenwachstum gemessen (Blattwachstum).<br />

Der Versuchsaufbau bestand<br />

aus jeweils vier Gruppen von<br />

je fünf Pflanzen, die unter Laborbedingungen<br />

jeweils unterschiedliche<br />

Wassermengen erhielten. Gemessen<br />

wurde dann das Blattwachstum, das<br />

sich aufgrund unterschiedlicher Bewässerung<br />

unterschied. Ein erster,<br />

milder Wassermangel, der zu keinen<br />

sichtbaren Welkesymptomen führte,<br />

resultierte in einer durchschnittlichen<br />

Verminderung des Blattwachstums<br />

um etwa zehn Prozent. Die<br />

Pflanze passt sich im Wachstum also<br />

der vorhandenen Wassermenge an.<br />

Eine Wiederbewässerung nach dem<br />

ersten Wassermangel führt zu einer<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

130 WISSENSCHAFT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Welche Auswirkungen hat der Wassermangel von heißen<br />

<strong>Sommer</strong>n wie 2018 auf unsere Umwelt? Sind Pflanzen<br />

und Bäume nicht doch in der Lage, sich den verändernden<br />

klimatischen Bedingungen anzupassen?<br />

Überkompensation des verringerten<br />

Wachstums mit einer Wachstumsrate,<br />

die fast 50 Prozent höher ist, als unter<br />

nicht-trainierten, vollbewässerten<br />

Bedingungen. Wiederholt man<br />

den gleichen milden Wassermangel<br />

innerhalb von etwa drei Tagen, wurde<br />

keine Wachstumsverringerung<br />

gemessen. Die Pflanze kann also offenbar<br />

die Information über den ersten<br />

erfolgten Wassermangel abrufen<br />

und ihr Wachstum entsprechend effizienter<br />

gestalten. Erfolgte jedoch<br />

der gleiche milde Wassermangel<br />

erst nach Ablauf der ermittelten Gedächtnisdauer<br />

von etwa drei Tagen,<br />

reagierten die Pflanzen ähnlich wie<br />

die untrainierten Vergleichsgruppen,<br />

es lag also keine Erinnerung an die<br />

Belastung mehr vor. Die Ergebnisse<br />

zeigen also, ähnlich wie bei der Erinnerungsfähigkeit<br />

von Muskeln, dass<br />

pflanzliche Strukturen Informationen<br />

über Belastungen, wie Wassermangel,<br />

für eine gewisse Zeit speichern<br />

können. Diese Informationen können<br />

das Verhalten der Pflanzen auf erneute<br />

Belastungen desselben Typs<br />

beeinflussen und zu einer Leistungssteigerung<br />

führen: eben Sport für<br />

Pflanzen. Auch hier sind die physiologischen<br />

Grundlagen für die Speicherung<br />

und das Abrufen der Informationen<br />

noch nicht geklärt, ebenso<br />

wie die genauen Zeiten für die Erinnerungsfähigkeit.


Enorme Einsparungen im Wasserverbrauch<br />

sind möglich<br />

Die Untersuchung zeigt jedoch<br />

das große Potenzial, das eine gezielte<br />

Steuerung dieser Trainierbarkeit von<br />

Pflanzen hat: Weltweit werden 70 Prozent<br />

des Frischwassers für die Bewässerung<br />

von landwirtschaftlichen<br />

Flächen genutzt. Gleichzeitig erfolgt<br />

40 Prozent der landwirtschaftlichen<br />

Produktion im Bewässerungslandbau,<br />

auf lediglich 20 Prozent der Flächen.<br />

Hier sind also enorme Einsparungen<br />

im Wasserverbrauch möglich. Dies<br />

ist vor allem bei zunehmenden Trockenheiten<br />

und einer wachsenden<br />

Weltbevölkerung von Bedeutung.<br />

Die beschriebene Forschungsarbeit<br />

reiht sich ein in eine Serie anderer<br />

Forschungsvorhaben, in denen auch<br />

die Erinnerungsfähigkeit für andere<br />

Belastungen untersucht werden<br />

(wie Kälte, Infektionen). Hier zeigt<br />

sich, dass die pflanzlichen Mechanismen<br />

von den unseren möglicherweise<br />

doch nicht so weit entfernt<br />

sind, wie vielleicht gedacht. Neben<br />

den beschriebenen, kurzfristigen Erinnerungsfähigkeiten,<br />

ist in der Forschung<br />

aber auch eine langfristige<br />

Erinnerungsfähigkeit (beispielsweise<br />

über sogenannte epigenetische Veränderungen)<br />

bekannt, die eine Änderung<br />

des Verhaltens oder der Strukturen<br />

bewirkt, die dauerhaft ist und<br />

teils auch auf folgende Generationen<br />

übertragen wird (ohne Mutation oder<br />

Rekombination von Genen).<br />

Ergebnisse übertragbar<br />

Diese „Erinnerungsfähigkeiten“<br />

sind dann zusätzlich auch für Pflanzen<br />

relevant, die nicht nur einen <strong>Sommer</strong><br />

auf dem Feld stehen, sondern<br />

Jahre oder Jahrzehnte leben.<br />

Die Ergebnisse der vorgestellten<br />

Arbeit sind auf andere Pflanzenarten<br />

übertragbar und stellen daher auch<br />

für Bäume eine wichtige Fähigkeit zur<br />

Überwindung unvorteilhafter Umgebungsbedingungen<br />

dar. Ein Training<br />

mit leichten Wassermangelsituationen<br />

kann Bäume dazu anregen, tiefere<br />

Wurzeln auszubilden und damit<br />

tiefere Wasservorkommen zu erreichen.<br />

Zu starke Wassermangelsituationen,<br />

wie beispielsweise im Jahr<br />

2018, sind allerdings auch mit bestem<br />

Training für viele Arten nicht mehr zu<br />

bewältigen.<br />

Die Autorin Friederike Kögler,<br />

Jahrgang 1969, lebt in Velbert bei<br />

Wuppertal. Sie ist Dipl.-Agrar-Ing.,<br />

Dipl.-Wirtsch.-Ing. und Dr.-Ing.<br />

cand., verheiratet und hat 2 Kinder.<br />

Ihre Eltern leben in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Mit dem Zukunftspreis ausgezeichnet<br />

Der Vortrag zu dieser Forschungsarbeit<br />

wurde im September 2018<br />

mit dem „Ernst-Klapp-Zukunftspreis“<br />

der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften<br />

ausgezeichnet.<br />

Der Preis wird an Nachwuchswissenschaftler/innen<br />

verliehen,<br />

um herausragende wissenschaftliche<br />

Qualität zu honorieren und die<br />

Bedeutung aktueller pflanzenbauwissenschaftlicher<br />

Themen einer<br />

breiteren Öffentlichkeit näher zu<br />

bringen. Zur Preisverleihung 2018<br />

132 WISSENSCHAFT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Im Gemeindeteil <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> setzen sich zahlreiche Einwohner für den Erhalt<br />

des Waldcharakters ihrer Siedlung ein. Sachliche Argumentation und die<br />

Benennung von Missständen über unbefriedigendes Verwaltungshandeln<br />

sind kein Populismus – sondern gelebte Demokratie!<br />

Das geht uns alle an<br />

VON FRIEDHELM SCHMITZ-JERSCH<br />

Im Havelboten vom November<br />

letzten Jahres mahnte der Ortsvorsteher<br />

von Geltow zu Zusammenarbeit<br />

und Sachlichkeit.<br />

„Gegenseitige Schuldzuweisungen,<br />

Klagen oder gar Strafandrohungen<br />

bringen uns nicht weiter“, sagte er<br />

dem Havelboten auf Anfrage. Die<br />

Bürgerinitiative „<strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“<br />

und der NABU, der gegen<br />

Baumfällgenehmigungen geklagt hat,<br />

sind keine Querulanten. Sie setzen<br />

sich gegen Fehlverhalten der Gemeinde<br />

zur Wehr, für den Erhalt der <strong>Waldsiedlung</strong>.<br />

Dazu ist eine gehörige Portion<br />

Hartnäckigkeit erforderlich. Ohne<br />

diesen Einsatz würden wohl munter<br />

wie zuvor von der Gemeinde Baumfällgenehmigungen<br />

erteilt.<br />

Eklatante Rechtsfehler<br />

Wie für den Havelboten üblich,<br />

wird in dem Artikel besonders die<br />

Sichtweise der Verwaltung wiedergegeben.<br />

Die Ausführungen der Bürgermeisterin<br />

sind bemerkenswert.<br />

Es wurden „auch bereits erlassene<br />

Baumfällgenehmigungen noch einmal<br />

in den Blick genommen“. In den<br />

Fällen „in denen sich ein ursprünglich<br />

angenommener Gefahrentatbestand<br />

durch einen Baum über einen<br />

längeren Zeitraum nicht verwirklicht“,<br />

könne auch mit Einverständnis des<br />

Grundstückeigentümers eine Baumfällgenehmigung<br />

aufgehoben werden.<br />

Der NABU hatte zunächst musterhaft<br />

gegen eine Baumfällgenehmigung<br />

geklagt, weil die Voraussetzungen<br />

der Baumschutzsatzung nach seiner<br />

Auffassung in eklatanter Weise verletzt<br />

worden waren. Nachdem die Gemeinde<br />

diese Genehmigung von sich<br />

aus aufgehoben hatte, hat der NABU<br />

exemplarisch gegen zwei weitere<br />

Baumfällgenehmigungen Klage erhoben.<br />

Auch diese beiden Genehmigungen<br />

hat die Gemeinde nach Klageerhebung<br />

aufgehoben. Um Ihnen die<br />

Dimensionen zu verdeutlichen: Von<br />

November 2016 bis September 2018<br />

wurden über 310 Baumfällgenehmigungen<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> erteilt, allein<br />

davon von November 2017 bis<br />

Ende Februar 2018 mindestens 160.<br />

Keine ausreichende Verpflichtung<br />

In einem der drei musterhaft beklagten<br />

Fälle ging es etwa um eine gesunde<br />

Kiefer, die nur einen geringen,<br />

für Kiefern typischen Schrägstand<br />

aufwies. Nach Ansicht des Rechtsanwaltes<br />

des NABU waren die beklagten<br />

Baumfällgenehmigungen derart<br />

fehlerhaft, dass die Gemeinde schnell<br />

den Rückzug angetreten hat. Mehr<br />

oder weniger leiden die vielen anderen<br />

Baumfällgenehmigungen an demselben<br />

Rechtsfehler, insbesondere<br />

keine ordnungsgemäße Erfassung des<br />

Zustandes der Bäume und keine ausreichende<br />

Verpflichtung zum Nachpflanzen.<br />

In einem weiteren Fall konnte<br />

durch ein Widerspruchsverfahren<br />

erreicht werden, dass ein Fällbescheid<br />

über sieben Kiefern aufgehoben wurde.<br />

Es ist aber nicht bekannt - und<br />

wohl auch nicht geschehen – dass<br />

über diese vier Fälle hinaus weitere<br />

Genehmigungen durch die Gemeinde<br />

aufgehoben worden sind. Gegen<br />

diese kann der NABU nunmehr nicht<br />

gerichtlich vorgehen, die Klagefristen<br />

sind inzwischen abgelaufen. Die Gemeinde<br />

hat es durch die Aufhebung<br />

der vier Genehmigungen geschafft,<br />

dass ihre Baumfällgenehmigungen<br />

nicht mehr durch das Verwaltunggericht<br />

überprüft werden können!<br />

Eine gesetzliche Änderung muss her<br />

Neues Unheil für die <strong>Waldsiedlung</strong><br />

bedeutet der vollständige Kahlschlag<br />

an der Schweizer Straße für<br />

eine Neubebauung. Forstbehörde,<br />

Landkreis und Gemeindeverwaltung<br />

schieben sich gegenseitig die Verantwortung<br />

zu. Die Forstbehörde<br />

genehmigte eine Waldumwandlung,<br />

die den Kahlschlag ermöglichte und<br />

behauptet, die Gemeinde könne die<br />

Belange des Baumerhalts in das Baugenehmigungsverfahren<br />

einbringen.<br />

Es ist zu ermitteln, ob der Landkreis<br />

die Gemeinde beteiligt und wie die<br />

134 KOMMENTAR WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Die beklagten<br />

Baumfällgenehmigungen<br />

waren derart fehlerhaft,<br />

dass die Gemeinde<br />

schnell den Rückzug<br />

angetreten hat<br />

Von Bürgern für Bürger gemacht.<br />

Gemeinde reagiert hat. Das gesamte<br />

Verfahren ist aber mehr als unbefriedigend.<br />

Im Landtag liegen Beschwerdeschreiben<br />

von Initiativen aus dem<br />

Land vor, die von einer ähnlichen Situation<br />

betroffen sind. Eine gesetzliche<br />

Änderung muss her, die für solche innerörtlichen<br />

Waldlagen einen klaren<br />

Vorrang des Baumerhalts festlegt.<br />

Die Bedeutung des Waldes<br />

Ein noch größerer Schaden für die<br />

<strong>Waldsiedlung</strong> wäre die Bebauung des<br />

ehemaligen Ferienlagers im weiteren<br />

Verlauf der Schweizer Straße. Wenn<br />

dieses Gelände mit 14.000 Quadratmeter<br />

Grundfläche ebenfalls für eine<br />

Bebauung freigemacht würde, wäre<br />

dies ein besonders schwerwiegender<br />

Verlust. Die Aufstellung eines Bebauungsplanes<br />

für diese Wohnbebauung<br />

muss deshalb verhindert werden. Wer<br />

die Bedeutung des Waldes für die<br />

Menschen, für Klimaschutz und Erholung<br />

ernst nimmt, muss der weiteren<br />

Waldvernichtung in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

entgegen treten.<br />

Informativ. Kreativ. Unterhaltsam.<br />

• Zwei <strong>Ausgabe</strong>n im Jahr für nur 9,60 €**<br />

• Helfen Sie den Erhalt der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> zu verwirklichen*<br />

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* Wir setzen uns für den Erhalt und die Wiederaufforstung der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> ein und fördern zusammen mit anderen Vereinigungen das<br />

kulturelle und soziale Zusammenleben in der Region.<br />

** <strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> erscheint im <strong>Frühling</strong> und Herbst.<br />

Bei Postversand zzgl. Porto.<br />

Der zum Jahresende 2018 zum<br />

Vorsitzenden des NABU Brandenburg<br />

wiedergewählte Friedhelm Schmitz-<br />

Jersch ist studierter Jurist. Er ist Jahrgang<br />

1947, verheiratet und hat einen<br />

Sohn. Er lebt in Geltow, wo er Mitglied<br />

des Ortsausschusses ist. Als NABU-<br />

Vorsitzender hat er die Schirmherrschaft<br />

über die von der Bürgerschaft<br />

initiierte Nachpflanzaktion „Rettet die<br />

<strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018–2033<br />

übernommen.<br />

wildpark-west.de/abo<br />

BEREK Verlag Potsdam<br />

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Hæckelstraße 13, 14471 Potsdam • TELEFON 0331 58258292 • E-MAIL abo@wildpark-west.de<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


KOMPLETTE KEHRTWENDE CONTRA KLIMA-CHAOS<br />

Das ist es nun, das Dilemma unserer Zeit, die solange fortschrittsgläubig und<br />

beseelt von der Idee war, dass „immer mehr“, „immer schneller“ und „immer<br />

besser“ das Nonplusultra, die alternativlose Lösung unserer Probleme sei.<br />

Doch wenn der Fortschritt nur noch ein Voranschreiten, aber eben in die<br />

falsche Richtung, ist, dann sollte man über eine kleine Kehrtwende nachdenken.<br />

Vermeiden. Verzichten. Verweigern!<br />

VON ERIKA UND DR. JÜRGEN HARDER<br />

Na ja, vielleicht nicht komplett,<br />

aber zumindest kreativ…<br />

Wie in der Erstausgabe in<br />

unserem Beitrag „Es rauscht<br />

im Blätterwald“ angedeutet, soll heute<br />

in loser – wohl aber nicht sinnloser<br />

– Folge und zuweilen auch etwas skurril<br />

anmutend beleuchtet werden, was<br />

Mann und Frau so unterlassen kann,<br />

um den uns bevorstehenden Klimawandel<br />

nicht noch zu befördern.<br />

Und<br />

was man<br />

nicht ausgibt,<br />

braucht man<br />

nicht zu<br />

verdienen!<br />

Nichts Bahnbrechendes beschlossen<br />

Schon die vorletzte Weltklimakonferenz<br />

in Paris hat eine Änderung<br />

unseres Lebensstils als wichtigste<br />

Maßnahme zum Klimaschutz gefordert.<br />

Doch dann haben wir gemerkt,<br />

dass zum gleichen Thema in Katowice<br />

wieder nichts Bahnbrechendes beschlossen<br />

wurde. Zu viele scheinbar<br />

national und global wirtschaftliche<br />

Interessen standen dem offenbar wieder<br />

im Wege und somit steuern wir<br />

unaufhaltsam auf die Klima – Katastrophe<br />

zu, die dazu führen kann, dass<br />

noch zu Lebzeiten unserer Kinder und<br />

Enkel unser blauer Planet immer unwirtlicher,<br />

gefährlicher und lebensfeindlicher<br />

werden wird. Wollen wir<br />

das nicht hinnehmen, sollten wir das<br />

scheinbar Unmögliche in Angriff nehmen,<br />

um wenigstens das Mögliche zu<br />

erreichen. Denn so war es schon immer:<br />

Zu erreichen ist nur etwas, wenn<br />

man es trotz aller Bedenken auch anstrebt.<br />

Zielgerichtet und beharrlich,<br />

ohne Aussicht auf schnellen Erfolg<br />

zwar, aber mit einem Vertrauensvorschuss<br />

in die Zukunft. Wir, die Bürgerinnen<br />

und Bürger sind gefordert,<br />

kreativ zu sein und zwar so, dass wir<br />

alle gemeinsam unseren ganz privaten<br />

Alltag von dem befreien, was<br />

überflüssig ist und unsere Umwelt belastet.<br />

Durch Vermeiden, Verzichten<br />

und Verweigern kann jeder Einzelne<br />

dazu beitragen, all das zu reduzieren,<br />

was unserer Welt so schadet.<br />

Nähen, Stricken und Reparieren<br />

Fangen wir also an, und zwar bei<br />

unserer äußeren Erscheinung:<br />

„Die Verpackung muss wechseln,<br />

wenn der Inhalt interessant bleiben<br />

soll“, meinte schon Coco Chanel zum<br />

Thema Frauen und Mode. Stimmt<br />

so sicher, doch sollte unsere Verpackung<br />

– liebe Damen – von hoher<br />

Haltbarkeit, guter Qualität und deshalb<br />

also langlebig sein. Erstens<br />

sieht Frau in guten Sachen nicht nur<br />

besser aus, sondern muss diese auch<br />

nicht so oft waschen wie minderwertige<br />

Ware und braucht bei geschickter<br />

Auswahl mit kleinem Aufwand<br />

nur ab und an neu zu kombinieren<br />

und variieren. Sie erspart sich zudem<br />

Zeit und Geld für Neukäufe. Auch<br />

secondhand ist zu empfehlen, wenn<br />

man denn nahe Potsdam wohnt.<br />

Dank der dortigen Anwesenheit von<br />

Schönen und Reichen bekommt man<br />

eine großzügige Auswahl von kaum<br />

Getragenen in den einschlägigen Läden.<br />

Selbermachen ist dagegen eine<br />

andere Möglichkeit: Nähen, Stricken<br />

und Reparieren kann man lernen<br />

und dabei merken, wie entspannend<br />

Handarbeit oder basteln nach einem<br />

stressigen Tag ist und wie kommunikativ,<br />

wenn man sich dabei mit Freundinnen<br />

oder Freunden zusammentut.<br />

Ist auch billiger, als sich immer nur in<br />

einer „Kneipe“ oder einem gediegenen<br />

Restaurant zu treffen.<br />

Und was man nicht ausgibt, braucht<br />

man nicht zu verdienen! Das gilt natürlich<br />

auch für das umweltbewusste Waschen<br />

unserer nun hoffentlich klimaschonend<br />

ausgewählten Klamotten.<br />

136 ESSAY WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


„Die Verpackung muss wechseln,<br />

wenn der Inhalt interessant bleiben soll“<br />

Coco Chanel<br />

Nicht nur die indischen Waschnüsse<br />

machen schmutzige Wäsche sauber,<br />

sondern auch unsere heimischen Rosskastanien<br />

und sogar Efeu, was z. T. an<br />

unseren Kiefern empor rankt. Also googeln<br />

Sie mal, wie es geht! Es ist übrigens<br />

auch überraschend einfach – und<br />

den Weichspüler spart man sich auch<br />

gleich und damit Chemie und Plastikmüll.<br />

Dabei schleppt man weniger Flaschen<br />

und das entlastet zugleich noch<br />

den Rücken.<br />

Echte Alternative<br />

Unser Äußeres ist uns wichtig und<br />

lieb – teuer muss es uns aber nur ab<br />

und zu sein, zum Beispiel wenn wir<br />

gelegentlich einen Frisör oder ein<br />

Kosmetikstudio besuchen, ansonsten<br />

können wir getrost auf vieles verzichten.<br />

Besonders wenn es sich in<br />

bunten oder gar schwarzen Plastikflaschen<br />

befindet und die gute alte Seife<br />

im Stück oder die Creme im Glastiegel<br />

eine echte Alternative ist. Weil<br />

wir aber nicht asketisch und lustlos<br />

sparen sollten, sondern eher lustvoll,<br />

darf es dann auch sehr gutes Parfüm<br />

sein, anstatt ein billiges Deo aus der<br />

Dose.<br />

Essen hält bekanntlich Leib und<br />

Seele zusammen, bringt viele von<br />

uns aber zunehmend aus der Fassung,<br />

oder besser aus der Form. Dabei haben<br />

wir all das, was sich zunehmend<br />

den Winter über auf unseren Leib<br />

gelegt hat, teuer bezahlt und nun<br />

sollen wir vielleicht wieder bezahlen<br />

und zwar für´s Abnehmen? Nein, das<br />

muss nicht sein! Haben sie einfach<br />

viel Geduld und starten sie selbstbewusst<br />

und gut gelaunt Ihre neue<br />

Ernährungsstrategie: Kaufen Sie möglichst<br />

unverpackt (Korb und viele<br />

Baumwollbeutel immer dabei) und<br />

lokal produziert ein, besuchen Sie die<br />

Frische-Theke und ignorieren Sie das<br />

Kühlregal mit seinen verpackten Angeboten.<br />

Verpackung gleich im<br />

Supermarkt entsorgen<br />

Einen „Coffee to go“ brauchen Sie<br />

beim Einkaufen auch nicht, er ist nur<br />

hinderlich und absolut nicht umweltbewusst.<br />

Kochen Sie selbst, natürlich<br />

mit Hilfe der Familie. Das mögen die<br />

Kids anfangs uncool finden, aber bald<br />

merken, dass es toll ist, gemeinsam<br />

Olaf Thiede<br />

zu kochen und zu essen …; man kann<br />

dabei plaudern, planen und auch den<br />

Schulkram durchgehen. Bewältigen<br />

Sie beim Einkaufen eventuell auftretende<br />

Probleme lässig und zwar<br />

dergestalt, dass Sie zum Beispiel<br />

überflüssige Verpackung gleich mal<br />

im Supermarkt entsorgen und die<br />

Marktleitung mit Fragen nach unver-<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> ESSAY 137


Je reinlicher<br />

es drinnen ist,<br />

umso schmutziger<br />

wird es draußen;<br />

jedenfalls dann,<br />

wenn viel Chemie<br />

zum Einsatz kommt.<br />

packtem und individuell einpackbarem<br />

Gemüse „belästigen“. Vielleicht<br />

folgen auch andere Ihrem Beispiel<br />

und möglicherweise ändern dann<br />

auch unsere Discounter peu à peu<br />

ihre Einkaufs – und Verkaufsstrategie.<br />

Besonders, wenn die Schule<br />

Ihrer lieben Kleinen diesbezügliche<br />

Projekttage direkt vor Ort durchführt,<br />

die Sie sich ausgedacht haben. Vermeiden<br />

Sie all das zu kaufen, wovon<br />

Sie glauben, dass Sie es nicht wirklich<br />

brauchen und verzichten Sie mit<br />

einem Augenzwinkern insbesondere<br />

auf das, an das Sie – fast umsonst –<br />

auch bequemer kommen können, als<br />

durch einen Einkauf im Supermarkt.<br />

Mit Bier geht das natürlich nur schwer,<br />

da kauft man am Besten das Gute<br />

aus dem Brandenburgischen. Aber<br />

wie wir seit der Herbstausgabe dieses<br />

Magazins wissen, kommt Wasser<br />

in bester Qualität aus dem Hahn. Bei<br />

uns in Deutschland ist es das am besten<br />

untersuchte Lebensmittel, wozu<br />

es also schleppen? Vielleicht können<br />

Sie, liebe Hausfrau bzw. lieber Hausmann<br />

– weil es ja nun schon ein etwas<br />

kleinerer Einkauf als üblich sei könnte,<br />

auch gleich klimaschonend selbigen<br />

per Rad transportieren und dabei<br />

sich noch sportlich betätigen?<br />

Muss aber nicht unbedingt sein,<br />

wenn es regnet, macht ja keinen Spaß!<br />

Es sei denn Sie sind Freak und ohnehin<br />

nicht auf´s Gemütliche bedacht.<br />

Du darfst jetzt auffegen<br />

Nun sind wir also schon mal gut<br />

angezogen und gepflegt und ernährt<br />

und wenden uns dem Wohnumfeld zu.<br />

Dazu dürfen und können wir eigentlich<br />

gar nichts sagen, denn das<br />

wäre – ja nun wirklich – unverschämt!<br />

Sie wissen ja selbst, wie und womit<br />

Sie wohnen möchten. Doch eines<br />

möchten wir Ihnen zu bedenken geben:<br />

Je reinlicher es drinnen ist, umso<br />

schmutziger wird es draußen; jedenfalls<br />

dann, wenn viel Chemie zum<br />

Einsatz kommt, um Ihr Heim zu pflegen.<br />

Weniger ist hier mehr: Essigreiniger<br />

und einfaches Spülmittel, Bürste<br />

und Kernseife und schrubb, schrubb<br />

… hurra, macht auch weg, den Dreck;<br />

und dann gibt es ja noch Besen,<br />

Handfeger und Müllschippe. Reicht<br />

zwischendurch völlig, macht keinen<br />

Lärm, verbraucht keinen Strom und<br />

wenn Sie Ihre kleinen, am besten<br />

schon die sehr kleinen, Lieblinge daran<br />

gewöhnt haben, Schippe und Feger<br />

als nettes Spielzeug zu betrachten,<br />

müssen Sie sich nicht mal selbst<br />

bücken. Mutter hat so etwas sehr früh<br />

„erlaubt“ und zwar mit den Worten:<br />

„Du darfst jetzt auffegen.“ Später wurde<br />

daraus mehr … Überhaupt müssen<br />

Sie nicht alle Nase lang den Putzteufel<br />

spielen, sondern können bei schmutzigen<br />

Dachfenstern auch getrost auf<br />

den nächsten Regen warten, was<br />

beim Auto natürlich auch geht, denn<br />

wozu durch die Waschanlage fahren,<br />

wenn Starkregen angesagt ist? Da<br />

reicht es doch völlig, das gute Stück<br />

aus der Garage heraus zu fahren und<br />

zwar dorthin, wo gerade kein (!) Baum<br />

darübersteht, dessen Nadeln sich<br />

Olaf Thiede<br />

138 ESSAY WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


so gern dort festsetzen, wo man sie<br />

kaum wieder weg bekommt. Manch<br />

einer mag dass für übertrieben halten,<br />

bitte, aber uns macht es einfach Spaß,<br />

solche Sachen zu machen. Natürlich<br />

haben wir das nicht selbst erfunden,<br />

sondern von anderen Leuten erzählt<br />

bekommen. Besonders die Holländer<br />

sind im umweltbewussten Sparen<br />

sehr kreativ: Sie wissen, dass Haarwaschmittel<br />

sanft reinigen. Deshalb<br />

waschen einige von Ihnen ihre teuren<br />

Pullover gern im aufgefangenen Wasser<br />

vom Haarewaschen und wischen<br />

zum Schluss mit dem nachhaltig genutzten<br />

Wasser noch den Fußboden.<br />

Man muss es ja nicht gleich übertreiben<br />

mit der Doppel- und Dreifachnutzung,<br />

aber es funktioniert tatsächlich<br />

und für den Pullover braucht man<br />

dann auch keinen Weichspüler mehr.<br />

Wie auch immer man sein trautes<br />

Heim sauber hält und wie man sich<br />

einrichtet, eigentlich ist die Kardinalfrage<br />

nicht, wie man wohnt, sondern<br />

mit wem. Auch unser Freizeitverhalten<br />

zählt zum Konsumverhalten<br />

und ist somit klimarelevant und das<br />

sogar in besonderem Maße, wenn<br />

man bedenkt, dass z. B. die großen<br />

Kreuzfahrtschiffe besonders viele<br />

klimaschädliche Emissionen verursachen.<br />

Nicht nur durch den enormen<br />

Schwerölverbrauchs während des<br />

Törns, sondern vor allem durch die<br />

auch im Hafen stets laufenden Hilfsdiesel,<br />

was die Anwohner von Warnemünde-Hohe<br />

Düne ebenso, wie die in<br />

anderen Häfen besonders betroffen<br />

macht, denn bei ungünstigem Wind<br />

können sie selbst bei tropischen Temperaturen<br />

die Fenster nicht öffnen.<br />

Wer also unbedingt dem Urlaubstrend<br />

schlechthin folgen möchte, na<br />

ja, der kann ja vielleicht noch mal kurz<br />

nachdenken<br />

Wagen Sie mal was<br />

Vielfliegerei ist ja auch nicht gut.<br />

Doch ja – was soll man denn im wohlverdienten<br />

und jedes Jahr heiß ersehnten<br />

Urlaub bloß machen? Vielleicht<br />

ist hier weniger auch mehr? Wie<br />

auch immer Sie, verehrte Leser, sich<br />

entscheiden werden: Lassen Sie sich<br />

auch mal von ungewöhnlichen Ideen<br />

inspirieren. Wagen Sie mal das, was<br />

niemand sonst in Ihrer Nachbarschaft<br />

probiert hat und verschaffen Sie sich<br />

so Urlaubserlebnisse, um die Sie<br />

mancher Massentourist heimlich beneidet.<br />

Das Netz ist voller guter Ideen,<br />

wie man nachhaltigen Urlaub gestalten<br />

kann; mit Kreativität, Spaß, tollem<br />

Erholungseffekt und vergleichsweise<br />

geringem Geldeinsatz.<br />

Autorin Erika Harder, geboren 1956<br />

in Potsdam, verheiratet, eine Tochter,<br />

lebt mit ihrer Familie seit ihrer<br />

Kindheit in Potsdam. Sie ist studierte<br />

Pädagogin für Geschichte und<br />

Germanistik und beschäftigte sich<br />

im Rahmen ihrer Tätigkeit bereits<br />

beim Meteorologischen Dienst in<br />

Potsdam mit der Klimaproblematik.<br />

URLAUBSTIPPS<br />

Hier eine kleine Auswahl ungewöhnlicher,<br />

manchmal auch „tierisch“<br />

guter Ideen für den <strong>Sommer</strong>:<br />

» » Mit 1 PS und Planwagen durch<br />

Deutschland.<br />

» » Mit Eseln oder Lamas auf Wanderung<br />

durch Brandenburg.<br />

» » Mit dem Boot, Kanu oder Floss<br />

auf blauen Wasserwegen unterwegs.<br />

» » Mit dem Rad auf dem Netz der<br />

Fernradwege ziemlich weit weg<br />

… oder „Kanal-Radeln“ in Brandenburg,<br />

ganz nah.<br />

Und nun noch für den Winter,<br />

in dem man nicht nur in den<br />

sonnigen Süden fliegen, sondern<br />

auch in Skandinavien in´s<br />

Schwitzen kommen kann:<br />

» » Mit Schlittenhunden oder Rentieren<br />

auf Tour.<br />

» » Mit Schneeschuhen tags<br />

durch´s Sami-Land und abends<br />

in die Sauna.<br />

» » Mit dem Eissegler auf zugefrorenen<br />

Seen rasant dahin<br />

flitzen, kann man in manchen<br />

Winter sogar auf der Havel …<br />

Wenn Sie übrigens - und dieses<br />

ist ganzjährig problemlos möglich<br />

– einfach nur faulenzen<br />

mögen, dann machen Sie in<br />

Hinblick auf den Klimaschutz<br />

keinen Fehler, denn „Wer nichts<br />

macht, macht nichts verkehrt.“<br />

Autor Dr. Jürgen Harder, geboren<br />

1943 in Rostock, verheiratet drei<br />

Kinder, lebt mit seiner Familie seit<br />

1988 in Potsdam. Er ist promovierter<br />

Hochschullehrer für Geografie<br />

und Sport.<br />

„Die Klimaproblematik“<br />

von Prof. Dr.<br />

Wolfgang<br />

Böhme, Erika<br />

Harder und<br />

Uwe Feister<br />

Herausgegeben<br />

vom Meteorologischen Dienst der<br />

DDR, Potsdam 1989<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> ESSAY 139


Die ersten warmen Sonnenstrahlen lassen uns ungeduldig werden,<br />

die neue Gartensaison steht vor der Tür! Wohl dem, der einen kleinen<br />

Garten mit eigenem Komposthaufen nutzen kann.<br />

Doch was machen all die anderen, die keine Komposterde haben?<br />

Torffreies Gärtnern<br />

VON DR. BEATE GALL<br />

Heute früh begrüßten mich<br />

die ersten zwei Winterlinge<br />

im Garten. Es geht los! Ich<br />

freue mich auf den <strong>Frühling</strong>,<br />

seine Farben, sein Licht und die<br />

Kraft, die zu strömen beginnen. Bald<br />

werden viele von uns wieder täglich<br />

in ihren Garten gehen und auch<br />

den Gärtnereien und Gartencentern<br />

mehrere Besuche abstatten. Es gibt<br />

reichlich zu tun. Da wären die ersten<br />

Anzuchtschalen und Beete herzurichten,<br />

die Stauden- und Rosenrabatten<br />

sowie die Balkonkästen und<br />

ersten Kübel zu bepflanzen.<br />

Moore sind wie Schwämme<br />

Für viele dieser Tätigkeiten wird<br />

Erde gebraucht. Wer keine eigene<br />

Komposterde hat, kauft sich Erde.<br />

Diese wird für alle möglichen Pflanzen<br />

angeboten: für Jungpflanzen, für<br />

Balkonpflanzen, Beet-, Stauden- und<br />

Gemüsepflanzen. Wussten Sie aber,<br />

dass die meisten der angebotenen<br />

Erden Torf enthalten? Ein Großteil<br />

des Torfs wird aus dem Baltikum<br />

importiert, wodurch dort wertvolle<br />

Moore zerstört werden.<br />

Torf besteht aus Pflanzenresten<br />

(zum Beispiel Schilf, Seggen und Torfmoos),<br />

die sich in dauerhaft nassen<br />

Mooren anreichern. Die hohe Wassersättigung<br />

und der Sauerstoffmangel<br />

verlangsamen die Zersetzung der<br />

Pflanzenreste durch Bakterien und<br />

Pilze. Über viele Jahrhunderte bis<br />

Jahrtausende können mächtige Torfschichten<br />

aufwachsen.<br />

Naturnahe Moore sind wie<br />

Schwämme. Sie speichern Unmengen<br />

Wasser und bieten zahlreichen<br />

Tier- und Pflanzenarten wertvollen<br />

Lebensraum. Moore sind die größten<br />

terrestrischen Kohlenstoffspeicher.<br />

Werden Moore entwässert, sei es<br />

für die landwirtschaftliche Nutzung<br />

oder wie beim Torfabbau für die gärtnerische<br />

Nutzung, entweichen große<br />

Mengen klimaschädlicher Gase wie<br />

Kohlendioxid, Lachgas und Methan.<br />

Zudem gehen Wasserspeicher und<br />

Lebensräume verloren!<br />

Werden Sie zum Moor- und Klimaschützer!<br />

Entscheiden Sie sich bei<br />

ihrem nächsten Einkauf für torffreie<br />

Erde. Achten Sie auf den Hinweis<br />

„torffrei“. Im Handel ist „Bio“-Erde zu<br />

finden, die auch Torf enthalten kann.<br />

Haben sie Platz im Garten, legen Sie<br />

unbedingt einen Komposthaufen an.<br />

So können Sie Pflanzerde ganz leicht<br />

selbst herstellen. Reden Sie mit Ihren<br />

Gartennachbarn, Freunden und Bekannten<br />

und genießen Sie zusammen<br />

den <strong>Frühling</strong>, am besten „torffrei“.<br />

Pflanzerde selbst herstellen<br />

Es ist einfacher als sie denken. Wie<br />

das geht, zeigt Ihnen zum Beispiel der<br />

NABU auf seiner Website:<br />

www.nabu.de/natur-und-landschaft/<br />

aktionen-und-projekte/torffrei-gaertnern<br />

Die Autorin Dr. rer. nat. Beate Gall,<br />

Dipl.-Ing. Landschaftsnutzung und<br />

Naturschutz, geboren 1977 in<br />

Neubrandenburg. Lebt seit 2016<br />

mit ihrem Partner und ihren zwei<br />

Kindern in Werder/Havel. Zuvor<br />

war sie zwölf Jahre in Geltow<br />

zuhause. Sie ist NABU-Mitglied<br />

und gärtnert in einem torffreien<br />

Garten in Geltow<br />

Fotos: B. Gall<br />

Illustration: Olaf Thiede<br />

Moorklappsonde: sehr gering zersetzter Braunmoorstorf<br />

Proben von Schilftorf: schwach und mittel zersetzt<br />

140 GARTENFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


iersch gehört zur Gattung der Doldengewächse. Seinen Blättern, die an<br />

einen Z iegenfuß erinnern, verdankt er den Namen Geißblatt. Einmal im<br />

Garten verwurzelt, lässt sich Giersch wegen seiner unterirdischen Triebe kaum<br />

mehr vertreiben. Man kann ihn aber als würziges und gesundes Wildkraut genießen.<br />

Sein hoher Vitamin C und Eisengehalt machen ihn zur gesunden Ergänzung im Salat<br />

oder auf der Pizza. Allerdings sollte man ihn sicher bestimmen können – da er mit<br />

giftigen Pflanzen verwechselt werden kann – sein dreikantiger Stiel und der Geruch<br />

nach Petersilie, den er beim Z erreiben verströmt, sind seine Alleinstellungsmerkmale.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> GARTENFREUND 141


SCHÖNE GÄRTEN VORGESTELLT: FUCHSWEG 11A<br />

Am Zaun, mitten im grünen Rasen, unter Bäumen, an der Terrasse,<br />

überall ragen kräftige Rosenstöcke und strebsame Kletterrosen üppig empor.<br />

Wie kleine Inseln verteilen sich die Rosenbeete über das Grundstück.<br />

Rosen – Carla<br />

VON GÄRTNERMEISTER ROSERICH<br />

Die 170 Rosenstöcke, umgeben<br />

von großen Kiefern, das<br />

wollten wir uns anschauen<br />

und trafen uns mit Carla<br />

Schmidt im Fuchsweg. Der Rosengarten<br />

ist eine „Institution“ in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

und wird von Frau Schmidt,<br />

die in diesem Jahr ihren neunzigsten<br />

Geburtstag feierte, mit viel Hingabe<br />

und Sachverstand gepflegt. Anfang<br />

der 1990er Jahre begann sie, die ersten<br />

Rosen in ihren Garten zu setzen.<br />

„Anfangs war es gar nicht so einfach,<br />

an Rosenpflanzen zu kommen“, sagt<br />

sie, „ich habe die Angebote von den<br />

Discountern studiert, kaufe inzwischen<br />

aber hochwertige Pflanzen in<br />

der Gärtnerei.“<br />

Da muss Luft ran<br />

Am Zaun, mitten im grünen Rasen,<br />

unter Bäumen, an der Terrasse, überall<br />

ragen kräftige Rosenstöcke und<br />

strebsame Kletterrosen üppig empor.<br />

Wie kleine Inseln verteilen sich die<br />

Rosenbeete über das Grundstück. „An<br />

die Wurzeln muss Luft ran“, sagt Frau<br />

Schmidt, deshalb lockert sie den Boden<br />

unter den Rosen regelmäßig auf<br />

und hält ihn unkrautfrei. Früher hat<br />

sie die Rosen noch angehäufelt, aber<br />

bei den zunehmend milden Wintern<br />

ist das kaum noch nötig. „Dies erspart<br />

„Aber auch<br />

für das Alter<br />

ist es wichtig,<br />

eine Aufgabe<br />

zu haben.“<br />

mir einiges an Arbeit“, bemerkt sie<br />

augenzwinkernd. Das Frühjahr nutzt<br />

Frau Schmidt, um die letzten kranken<br />

Blätter aus dem Vorjahr zu entfernen<br />

und Rinderpellets als Dünger einzuharken.<br />

Etwa acht Hände voll Pellets<br />

pro Rose ist die Faustregel. Auch der<br />

Zeitpunkt des Rosenschnitts hat sich<br />

mittlerweile nach vorn verschoben,<br />

man muss nicht immer bis zur Forsythienblüte<br />

warten, wie man es früher<br />

getan hat. Für starke Stiele gibt sie<br />

ihren Lieblingen eine Kalium-Magnesium-Mischung.<br />

Viele Blüten sind<br />

groß und schwer, da müssen die Stiele<br />

kräftig sein, sonst hängen sie traurig<br />

herunter.<br />

Tägliche Wassergabe<br />

Mit Rückblick auf den letzten<br />

<strong>Sommer</strong> erzählt sie: „Rosen brauchen<br />

viel Sonne, aber im letzten Jahr, war<br />

es doch ganz gut, dass einige Kiefern<br />

etwas Schatten gespendet haben.<br />

Dort wo kein Schatten hinkam, sind<br />

die Blätter regelrecht verbrannt“.<br />

Die Rosen mussten fast täglich gewässert<br />

werden. Das Wässern, den<br />

Schnitt und das Rasenmähen macht<br />

„Rosen-Carla“, wie man sie auch gerne<br />

nennt, weitestgehend noch selbst,<br />

nur auf eine Leiter möchte sie nicht<br />

mehr klettern. Dafür findet sich aber<br />

immer eine helfende Hand.<br />

Betörende Düfte<br />

Etwa 60 Prozent der Rosen duften,<br />

erzählt die Seniorin stolz. So<br />

beeindruckende Namen wie „Pariser<br />

Charme“, „Big Purple“ oder „Imperatrice<br />

Farah“ verstärken das Dufterlebnis<br />

noch. Von tiefrot-samtig, über<br />

orange-roséfarbig bis hin zu leuchtendem<br />

Weiß findet sich eine beeindruckende<br />

Farbenvielfalt unter ihren<br />

Schützlingen. Aber die Weißen sind<br />

ihr die Liebsten, sagt Frau Schmidt<br />

und strahlt dabei wie um die Wette<br />

mit ihren Blüten.<br />

Die Gartenarbeit lieben und mit<br />

Herz und Hand dabei sein, ist ihre<br />

Devise. „Aber auch für das Alter ist es<br />

wichtig, eine Aufgabe zu haben und<br />

nicht nur vor dem Fernseher zu sit-<br />

Fotos: Jana Fellenberg<br />

142 GARTENFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Carla Schmidt in ihrem Rosengarten,<br />

90 Jahre und kein bisschen leise.


Foto: Jim Kent<br />

KANN ES GLÜCK SEIN,<br />

wenn der betörende<br />

Gesang der Nachtigall<br />

durch die Lüfte schwingt,<br />

wenn das Wasser des Flusses<br />

sich leicht kräuselnd<br />

vor dir ausbreitet,<br />

wenn eine blühende <strong>Sommer</strong>wiese<br />

die Sinne berauscht,<br />

wenn ein warmer Regen<br />

wohltuend über dein Gesicht rinnt,<br />

wenn ein majestätischer Vogel<br />

am sonnenklaren Himmel kreist,<br />

wenn die erste kleine Meise<br />

vorsichtig ins Freie lugt,<br />

wenn wohlige Wärme<br />

zu einem guten Buch einlädt,<br />

wenn man in<br />

altehrwürdigen Gemäuern<br />

die Vergangenheit spürt,<br />

wenn mit guten Freunden<br />

gelacht und geweint werden kann?<br />

Ich dachte, ich hätte es gespürt.<br />

<br />

Brigitta Ditkowski<br />

<br />

aus <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

„Man muss den negativen Tendenzen der heutigen<br />

Zeit bewusst etwas Schönes entgegensetzen.“<br />

zen“, erzählt sie. Sehr am Herzen liegt<br />

ihr auch ihr Ortsteil <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Die engagierte Seniorin sprudelt vor<br />

Ideen, was man für die Bürgerinnen<br />

und Bürger in unserer schönen <strong>Waldsiedlung</strong><br />

Gutes tun könnte. Für die älteren<br />

Bewohner wünscht sie sich zum<br />

Beispiel Unterstützung bei der Laubabfuhr<br />

und für die Mütter und Kinder<br />

eine eigene Arztsprechstunde im Ort.<br />

„Vielleicht kann ich über die Begeisterung<br />

zu den Rosen erreichen, dass die<br />

Menschen miteinander ins Gespräch<br />

kommen und einander kennenlernen“,<br />

sinniert sie. Auch der Erhalt des<br />

Waldcharakters der Siedlung ist ihr<br />

ein großes Anliegen. Sie freut sich<br />

„TAG DER OFFENEN WALDGÄRTEN“ IN WILDPARK-WEST<br />

über das wachsende Engagement im<br />

Ort und die Tatsache, dass mehr und<br />

mehr nachgepflanzt wird. So bat sie<br />

ihre Geburtstagsgäste, statt üppiger<br />

Geschenke, um eine kleine Spende<br />

für die Nachpflanzaktion „Rettet die<br />

<strong>Waldsiedlung</strong>!“ 2018-2033. So wird<br />

also eines der im Frühjahr im Birkengrund<br />

geplanten und neu zu pflanzenden<br />

Bäumchen von ihr sein. „Man<br />

muss den negativen Tendenzen der<br />

heutigen Zeit bewusst etwas Schönes<br />

entgegensetzen, das findet meine<br />

volle Unterstützung.“<br />

SAMSTAG<br />

1<br />

JUNI<br />

Jeder Garten ist dann schön, wenn<br />

es etwas in ihm zu entdecken gibt.<br />

Eine üppig blühende Staude, ein<br />

alter Rosenstock, duftende Kräuter,<br />

knorrige Bäume oder kleine und<br />

große Kunstobjekte ...<br />

Jedes Auge, ob geübt oder ungeübt,<br />

wird irgendwo verweilen und<br />

feststellen: Das ist für mich ein<br />

schöner Garten!<br />

Wenn Sie finden, dass es in Ihrem<br />

Garten etwas zu entdecken gibt,<br />

an dem fremde Augen gerne hängenbleiben<br />

dürfen; wenn Sie sich<br />

mit anderen Gartenfreunden austauschen<br />

oder fachsimpeln möchten,<br />

dann sind Sie genau richtig<br />

bei unserem „Tag der Offenen<br />

Waldgärten“ von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Wir planen bei Interesse von Gartenfreunden,<br />

diesen Tag von und<br />

für <strong>Wildpark</strong>er erstmals am 1. Juni<br />

<strong>2019</strong> ins Leben zu rufen. Frau<br />

Schmidt wird mit ihrem Rosengarten<br />

auch dabei sein.<br />

Möchten Sie Ihren Garten für<br />

interessierte Besucher öffnen?<br />

Dann schreiben Sie uns, an:<br />

redaktion@wildpark-west.de<br />

144 GARTENFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Kräuterwanderungen<br />

MIT DR. BEATE GALL<br />

BOTANISCHE AUSFLÜGE<br />

Die in der Herbstausgabe 2018 der Heimatzeitschrift<br />

angekündigten botanischen Ausflüge<br />

und Kräuterwanderungen mit Frau Dr. Gall rücken<br />

nun in greifbare Nähe.<br />

Auf Wanderungen über Wiesen, Weiden und durch<br />

Wälder in und um Geltow, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> und Werder<br />

möchte ich Ihnen die Pflanzenwelt näher bringen und Wissenswertes<br />

vermitteln. Die Wanderungen finden sonntags<br />

Vormittag statt und werden etwa drei Stunden dauern. Bei<br />

schlechter Wetterlage wird der Termin verschoben. Treffpunkt<br />

und Uhrzeit werden rechtzeitig bekanntgegeben.<br />

14. April <strong>2019</strong> Wildkräuter für Salat und Smoothie<br />

26. Mai <strong>2019</strong> Bunte Wiesen<br />

23. Juni <strong>2019</strong>Johannikräuter<br />

22. September <strong>2019</strong> Beeren- und Wurzelzeit<br />

27. Oktober <strong>2019</strong> Räuchern mit heimischen Kräutern<br />

Teilnahmegebühr pro Person: 5 Euro<br />

Anmeldungen bitte an: kontakt@naturschutzkonzepte.de<br />

oder telefonisch unter 03327 5670214


SILVA HORTULANUS<br />

Sehr viel besser als<br />

sein Ruf - der Efeu<br />

Schauen Sie mal, sagte der junge Mann von der Baumpflege-Firma,<br />

in dem Loch kann ich meine Säge versenken und sprach dabei von<br />

unserer rund 120 Jahre alten Kiefer, die er zu begutachten hatte.<br />

Das Loch befand sich in etwa<br />

sieben Metern Höhe und<br />

stellte aus Sicht des Experten<br />

beim nächsten Sturm<br />

eine Sollbruchstelle dar. Schweren<br />

Herzens wurde beschlossen, den<br />

Baum in Höhe des Loches kappen zu<br />

lassen. Nur meinem, sagen wir mal<br />

sehr energischen Auftreten war es<br />

zu verdanken, dass der Baum nicht<br />

komplett gefällt wurde. Meine Vehemenz<br />

lag darin begründet, dass zwar<br />

der Baum erkrankt war, aber der den<br />

Stamm umrankende, mindestens 90<br />

Jahre alte Efeu nicht.<br />

Bis zu 450 Jahre alt<br />

Der gewöhnliche Efeu, Hedera<br />

helix ist eine Kletter- und Aufsitzerpflanze.<br />

Diese wächst mit Hilfe ihrer<br />

Haftwurzeln an Gestein und Stämmen<br />

bis zu einer Höhe von 20 Meter<br />

empor und kann bis zu 450 Jahre alt<br />

werden. Die Sprossachsen, an denen<br />

sich die Wurzeln befinden, beginnen<br />

sich nach einigen Jahren zu verholzen<br />

und sind später im Erwachsenenalter,<br />

ab etwa 20 Jahren wurzellos.<br />

Verholzte Stämme können einen<br />

Durchmesser von bis zu 30 Zentimeter<br />

erreichen. Das Dickenwachstum<br />

erfolgt sehr langsam, zehn Zentimeter<br />

dicke Stämme haben oft schon<br />

ein Alter von über 100 Jahren.<br />

Ein einzigartiges Biotop<br />

Die weit verbreitete Ansicht, der<br />

Efeu erdrückt und schädigt den<br />

Baum, wird von Fachleuten nicht<br />

bestätigt. Man kann ihn getrost am<br />

Diese jungen Früchte müssen noch ein paar Wochen reifen bis sie dann als<br />

Winter- und <strong>Frühling</strong>snahrung für die Vögel dienen.<br />

Stamm entlang ranken lassen. Nur in<br />

die Baumkronen sollte er nicht wachsen.<br />

Dies erhöht die Last der Krone<br />

und Baumpfleger können mögliche<br />

Schäden an der Krone nur schwer<br />

entdecken. Baum und Efeu bilden ein<br />

einzigartiges Biotop, welches über<br />

Jahre Bestand hat, ohne dass einer<br />

von beiden Schaden nimmt.<br />

Nektarreiches Insektenparadies<br />

Der Efeu blüht erst ab einem Alter<br />

von zehn Jahren. Die Blütezeit ist<br />

der Spätsommer bis Herbst. Gerade<br />

alte üppige Gewächse sind über und<br />

über mit duftenden grün-gelben fünf<br />

Millimeter großen nektarreichen Blüten<br />

besetzt. Diese ziehen eine große<br />

Zahl verschiedenster Insekten an, die<br />

solch eine späte Nahrungsgabe vor<br />

dem nahenden Winter sehr zu schätzen<br />

wissen. Im zeitigen Frühjahr liefert<br />

der Efeu den Vögeln die ersten<br />

frischen, reifen Früchte des Jahres in<br />

Form von dunkelblauen bis schwarzen<br />

acht bis zehn Millimeter dicken<br />

Beeren. Diese werden insbesondere<br />

von unseren Amseln, aber auch<br />

den Rotkehlchen gern gefressen.<br />

Mit Beginn der Brutzeit suchen sich<br />

unsere gefiederten Freunde im dichten<br />

Gewirr der Ranken und unter einem<br />

schützenden immergrünen Blätterdach<br />

eine Nistmöglichkeit.<br />

Lebensraum im Garten<br />

Unser sieben Meter hohes Efeugewächs<br />

lässt kaum noch erkennen,<br />

dass einst eine Kiefer ihm Halt gegeben<br />

hat. Die Ranken haben mittler-<br />

Fotos: Die Waldgärtnerin, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2018<br />

146 GARTENFREUND WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Dieser Stamm misst zehn<br />

Zentimeter und ist über<br />

100 Jahre alt, verholzte<br />

Stämme können einen<br />

Durchmesser von bis zu<br />

30 Zentimeter erreichen.<br />

Der Efeu wurde zur<br />

Arzneipflanze des<br />

Jahres 2010 gekürt<br />

weile einen imposanten Durchmesser<br />

von zehn Zentimetern und wirken<br />

sehr dekorativ. Das Totholz wiederum<br />

bildet einen ganz neuen Lebensraum<br />

im Garten. Verschiedene Insektenlarven<br />

zum Beispiel lässt sich der Specht<br />

nur allzu gern schmecken. Pilze beginnen<br />

das Holz zu zersetzen und bilden<br />

attraktive, teils essbare Fruchtkörper.<br />

Bis das Holz nun vollständig<br />

abgebaut ist, werden etwa 30 bis 50<br />

Jahre vergehen.<br />

Pflegeleicht und naturnah<br />

Unterhalb des Efeus kann man<br />

schattenliebende Pflanzen ansiedeln,<br />

wie zum Beispiel die Funkie oder verschiedene<br />

Farne. Pflege benötigt der<br />

Efeu nicht, ist also für pflegeleichte<br />

Gärten, die gleichzeitig naturnah sein<br />

sollen, bestens geeignet.<br />

Behandlung von Husten<br />

Sämtliche Pflanzenteile des gemeinen<br />

Efeus sind giftig. Frischer<br />

Pflanzensaft kann Allergien auslösen.<br />

Efeu wurde zur Arzneipflanze des<br />

Jahres 2010 gekürt, ein Extrakt aus<br />

Efeublättern wird in niedrigen Dosen<br />

zur Behandlung von Husten in Apotheken<br />

angeboten.<br />

Und noch ein kleiner Tipp (die Kinder<br />

hören besser weg), der Osterhase<br />

hat bei üppig rankendem Efeu leichtes<br />

Spiel bei der Verstecksuche.<br />

Ihre Waldgärtnerin<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> GARTENFREUND 147


MEDICUS SILVAM<br />

Der an die <strong>Waldsiedlung</strong> und Geltow angrenzende <strong>Wildpark</strong>,<br />

Potsdams grüne Lunge, ist wie geschaffen, um Ruhe und<br />

Entspannung zu finden. Und: Er fördert unsere Gesundheit!<br />

Ganzjährig baden im <strong>Wildpark</strong><br />

Dass uns der Aufenthalt und<br />

die Bewegung im Wald Körper<br />

und Seele gut tut, hat<br />

jeder schon erfahren, der<br />

sich im Wald aufhält. Welch enge<br />

Verbindung der Mensch zum Wald,<br />

zur Natur und allem Lebendigen im<br />

Laufe der Evolution entwickelt hat,<br />

wurde schon in den achtziger Jahren<br />

von dem Evolutionsbiologen Edward<br />

O. Wilson mit dem Begriff „Biophilia“<br />

umschrieben – die Natur zu lieben,<br />

liegt quasi schon in unseren Genen<br />

verankert. Die Bedeutung des Waldes<br />

(wenn vielleicht auch nicht immer<br />

nur zur Gesunderhaltung) schienen<br />

schon unsere Vorfahren erkannt<br />

zu haben. So spielte die Erhaltung<br />

und Pflege des Waldes schon bei den<br />

preußischen Königen eine wichtige<br />

Rolle (siehe Artikel S. 108). Wussten<br />

Sie schon, dass eine 150-jährige Buche<br />

pro Tag bis zu 24 Kilogramm CO2<br />

aufnimmt, so viel wie ein Kleinwagen<br />

im Durchschnitt auf 150 Kilometer<br />

in die Luft pustet, sie filtert Schadstoffe<br />

wie Bakterien, Pilzsporen und<br />

Staub aus der Luft und produziert<br />

täglich rund 11.000 Liter Sauerstoff,<br />

was etwa 26 Menschen zum Atmen<br />

benötigen. In der Vergangenheit haben<br />

wir den Wald nicht nur als Wirtschaftsfaktor,<br />

sondern eben auch als<br />

Naturliebhaber in unterschiedlichen<br />

Formen kultiviert und bei vielen Aktivitäten<br />

wie Wandern, Sport oder<br />

auch bei der Jagd erlebt. Und nun<br />

taucht also im 21. Jahrhundert das<br />

„Waldbaden“ als neuer Trend inklusive<br />

der dazu gehörenden „Waldbademeister“<br />

auf. So verständlich die<br />

berechtigte Skepsis gegenüber solch<br />

„neuer“ Gesundheitstrends auch ist,<br />

so interessant ist es aber dennoch etwas<br />

genauer hinzuschauen, was hinter<br />

dem Begriff „Waldbaden“ und den<br />

hiermit verbundenen Gesundheitseffekten<br />

steckt. Denn die Bäume<br />

haben eine Fülle von Möglichkeiten<br />

entwickelt, um sich und alle, die sich<br />

im Wald aufhalten, möglichst gesund<br />

zu erhalten oder bei Erkrankungen zu<br />

heilen.<br />

Waldbaden als<br />

Medizin bei<br />

verschiedenen<br />

Erkrankungen<br />

Wunderbar und gesund<br />

So ist unbestritten ein Spaziergang<br />

oder auch sportliche Bewegung<br />

im Wald wunderbar und gesund –<br />

beim Waldbaden geht es jedoch darum,<br />

ähnlich wie auch beim Baden im<br />

Wasser in diesen speziellen Lebensraum<br />

mit allen Sinnen einzutauchen,<br />

sich von der wunderbaren Vielfalt<br />

des Waldes berühren und verführen<br />

zu lassen und – zu verweilen. Körper<br />

und Geist werden auf angenehme<br />

und ganz unterschiedliche Weise stimuliert<br />

und die Seele hat einen Platz,<br />

wo sie etwas Ruhe und Frieden finden<br />

kann.<br />

Shinrin-yoku<br />

Die hierdurch zu erzielenden gesundheitlichen<br />

Effekte wurden in<br />

Deutschland in der Vergangenheit<br />

kaum wissenschaftlich erforscht<br />

und detaillierte Kenntnisse über<br />

therapeutische Möglichkeiten haben<br />

weder in der Ausbildung noch<br />

im Praxisalltag von Medizinern einen<br />

Platz. International findet das<br />

Thema jedoch seit Jahren wissenschaftlich-medizinisch<br />

deutlich mehr<br />

Beachtung – wie in Südkorea und<br />

insbesondere in Japan, wo sich hinter<br />

dem japanischen Begriff „Shinrin-yoku“<br />

für Wald(luft)bad viel mehr als<br />

nur eine fernöstliche Tradition, sondern<br />

ein moderner naturheilkundlicher<br />

Ansatz zur Vorbeugung und<br />

Therapie einer Vielzahl von Erkrankungen<br />

verbirgt. Hier wurden bereits<br />

seit den achtziger Jahren durch das<br />

japanische Landwirtschaftsministerium<br />

mit großem finanziellem Aufwand<br />

Forschungsprojekte betrieben,<br />

um die Heilkraft der Bäume und des<br />

Waldes systematisch zu erforschen<br />

und deren Wirksamkeit zu belegen.<br />

Der Umweltimmunologe Prof. Qing<br />

Li von der Nippon Medical School gilt<br />

hierzu als die weltweit führende Kapazität.<br />

In seinen wissenschaftlichen<br />

Arbeiten spielen die Botenstoffe mit<br />

denen Bäume untereinander kommunizieren<br />

und auch z.B. schädliche<br />

Insekten abwehren eine zentrale Rolle.<br />

Diese so genannten Terpene (etwa<br />

8.000 verschiedene ätherische Öle/<br />

sekundäre Pflanzenstoffe – ganz besonders<br />

von Kiefern, Fichten, Tannen<br />

und anderen Nadelbäumen!) werden<br />

nach Qing Li über die Schleimhäute<br />

und die Haut von uns aufgenommen<br />

und sind für die unterschiedlichen<br />

Effekte beim Menschen verantwortlich.<br />

Atmen wir diese aus der Waldluft<br />

ein, so reagiert beispielsweise<br />

unser Immunsystem sowohl mit einer<br />

Vermehrung der natürlichen Killer-<br />

148 DER WALDDOKTOR WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Illustration: Georg Jarek<br />

Die Seele hat einen Platz, wo sie<br />

etwas Ruhe und Frieden finden kann<br />

zellen und auch der drei wichtigsten<br />

Anti-Krebs-Proteine. In seiner Publikation<br />

„Die Heilkraft des Waldes<br />

– Der Beitrag der Waldmedizin zur<br />

Naturtherapie“ von 2016 werden die<br />

folgenden vielfältigen und positiven<br />

gesundheitlichen Auswirkungen<br />

beim Menschen beschrieben/nachgewiesen:<br />

1. Verbesserung der Immunabwehr<br />

und eine vorbeugende Wirkung<br />

bei Krebserkrankungen<br />

2. Verbesserung des vegetativen<br />

Nervensystems mit der Senkung<br />

von Stress und Stresshormonen,<br />

Blutdruck und Herzschlag und<br />

somit vorbeugender Wirkung<br />

bei Herz-Kreislauferkrankungen<br />

3. Verbesserung des Stoffwechsels<br />

und vorbeugende Wirkung<br />

bei Typ-2 Diabetes, Adipositas<br />

und metabolischem Syndrom<br />

4. Positive Wirkung auf die Psyche<br />

Auch wenn die beobachteten<br />

psychoneuroendokrinoimmunologischen<br />

Effekte sicherlich multifaktoriell<br />

sind (sogar schon der Blick<br />

in den Wald hat nachweisbar positive<br />

Wirkung) und die Terpene hier<br />

wahrscheinlich nur einen von vielen<br />

Faktoren darstellen bzw. auch eine<br />

Übertragbarkeit der Ergebnisse auf<br />

unsere heimischen Wälder noch zu<br />

untersuchen ist, so deuten diese<br />

wissenschaftlichen Daten doch darauf<br />

hin, dass die Waldtherapie bei<br />

unterschiedlichen Erkrankungen sowohl<br />

in der Vorbeugung/Prävention<br />

positive Effekte zeigt und somit eine<br />

wertvolle und gezielt einsetzbare<br />

Ergänzung in der medizinischen<br />

Versorgung darstellen kann. Daher<br />

bieten japanische Universitäten inzwischen<br />

sogar eine fachärztliche<br />

Spezialisierung in „Waldmedizin“ an.<br />

Im Raum Berlin/Brandenburg plant<br />

das zur Charité gehörende Immanuel-Krankenhaus<br />

offenbar auch einen<br />

Waldbadepfad direkt am Berliner<br />

Wannsee.<br />

Schutz bietender Raum<br />

Also: Der Wald lädt uns über das<br />

ganze Jahr zum „baden“ ein – einfach<br />

mal ohne irgendwelche besonderen<br />

Aktivitäten in diesem speziellen,<br />

vom hektischen Alltag Schutz bietenden<br />

Raum zu sein und achtsam in<br />

ihm zu verweilen. Hierzu braucht es<br />

aber nicht unbedingt einer Anleitung<br />

durch einen „Wald-Bademeister“ – es<br />

reicht einfach alle Sinne zu öffnen<br />

und den Wald mit seiner ganzen Vielfalt<br />

fast wie früher als Kind schlendernd<br />

und ohne bestimmtes Ziel immer<br />

ein Stück mehr zu entdecken und<br />

zu genießen.<br />

Der Wald als Heilort – ohne Risiken<br />

aber mit vielen positiven Nebenwirkungen,<br />

fragen Sie Ihren Arzt<br />

oder Apotheker – und wer in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

wohnt, lebt mitten drin.<br />

Eine wunderschöne<br />

Badesaison wünscht Ihnen<br />

Ihr Walddoktor!<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> DER WALDDOKTOR 149


WAS IST EIGENTLICH EINE HAUSÄRZTIN?<br />

Früher gab es auch in den kleinen Ortsteilen für die Einwohner die Möglichkeit, sich medizinisch<br />

behandeln zu lassen. Zu DDR-Zeiten gab es in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> im alten Konsum eine eigene Praxis,<br />

in der an bestimmten Tagen in der Woche kleine Wehwehchen behandelt oder der schmerzende<br />

Zahn ruhig gestellt wurde. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Heute muss man nach Geltow,<br />

Werder oder Potsdam fahren, um ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können.<br />

Doch welche Ärztin ist eigentlich die Richtige?<br />

Bis die Ärztin kommt<br />

VON DR. WINNIE BERLIN<br />

klar, das ist die Ärztin<br />

im Dorf. Die macht erst<br />

mal alles.“ – So habe ich<br />

„Ganz<br />

es erfahren. Meine erste<br />

Hausärztin, Dr. Inge Singemann in Caputh,<br />

war Kinderärztin und praktische<br />

Ärztin und eine äußerst couragierte<br />

Frau, die gelegentlich zu Nadel und<br />

Faden griff und selbstverständlich<br />

auch mal eine Platzwunde versorgte.<br />

Ihren Raum für chirurgische Eingriffe<br />

rieche ich noch heute in der Praxis<br />

Teichmann.<br />

Sie besuchen<br />

also die Leute<br />

stets zu Hause?<br />

Als ich nun meine eigene pädiatrisch-allgemeinmedizinische<br />

Hausarztpraxis<br />

in Werder gründete, war<br />

ich doch erstaunt, welche Schwierigkeiten<br />

die Menschen mit dem Begriff<br />

der Hausärztin hatten. „Sie besuchen<br />

also die Leute stets zu Hause? Ist es<br />

nicht total langweilig, als Allgemeinmedizinerin<br />

nur Überweisungen an<br />

Spezialisten zu schreiben? Als Allgemeinarzt<br />

dürfen Sie keine Kinder<br />

behandeln bzw. abrechnen.“ – Weit<br />

gefehlt!<br />

kann man sich – theoretisch – um<br />

eine kassenärztliche Niederlassung<br />

bewerben. Viele Ärztinnen brauchen<br />

viel länger oder stoßen als Quereinsteiger<br />

aus anderen Fachgebieten zur<br />

Allgemeinmedizin. Hier müssen sie<br />

aber in jedem Fall eine Äquivalenz<br />

ihrer Berufserfahrung nachweisen<br />

bzw. fehlende Erfahrungen in Bezug<br />

auf die Allgemeinmedizin nachholen.<br />

Solche Quereinsteiger bringen oft Erfahrungen<br />

in Spezialgebieten mit, die<br />

auch in der Hausarztpraxis nützlich<br />

sein können.<br />

Breit aufgestellt<br />

Inhaltlich ist das Fach sehr breit<br />

aufgestellt. In der Weiterbildung (etwas<br />

unterschiedlich nach Bundesland)<br />

arbeitet man als Ärztin in ganz<br />

verschiedenen medizinischen Fachgebieten.<br />

Innere Medizin/Altenmedizin<br />

und Chirurgie/Unfallchirurgie<br />

und einige Monate in der Anästhesie/<br />

Rettungsstelle sind Pflicht. Neben<br />

der Arbeit in Krankenhäusern ist auch<br />

mehr als ein Jahr in ambulanten Einrichtungen,<br />

einschließlich der Hausarztpraxis,<br />

obligat. Für weitere Jahre<br />

kann man interessengeleitet weitere<br />

Erfahrungen sammeln, so zum Beispiel<br />

in der Kinderheilkunde, der Naturheilkunde,<br />

Chirotherapie oder Psychotherapie.<br />

Erster Ansprechpartner<br />

Ziel der sehr vielseitigen Ausbildung<br />

ist es, als Grundversorger in der<br />

Nachbarschaft seiner Patienten bei<br />

ziemlich allen gesundheitlichen Fragen<br />

erster Ansprechpartner zu sein.<br />

Dabei kommt es regelmäßig darauf<br />

an, leichtere Leiden, die in der eigenen<br />

Praxis behandelt werden können,<br />

von solchen zu unterscheiden, die<br />

die Aufmerksamkeit des Spezialisten<br />

oder sogar eine Krankenhausbehandlung<br />

benötigen. Die Möglichkeit,<br />

Allgemeinmedizin & Spezialgebiete<br />

Meist ist eine Hausärztin heute<br />

eine Fachärztin für Allgemeinmedizin.<br />

Nach sechs Jahren Medizinstudium<br />

und nochmals fünf Jahren Weiterbildungszeit<br />

in der Allgemeinmedizin<br />

Dr. Winnie Berlin mit ihrer früheren<br />

Kunstlehrerin, der Werderaner Künstlerin<br />

Oda Schielicke, <strong>Sommer</strong> 2018.<br />

Der Vierjahreszeitenbaum von<br />

Oda Schielicke schmückt das<br />

Wartezimmer der Praxis.<br />

Fotos :Privat<br />

150 REPORTAGE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


HORTUS EXPERIENCES<br />

innerhalb einer Sprechstunde zwischen<br />

einem jungen Mann mit grippalem<br />

Infekt, zu einer älteren Dame<br />

mit Schlafstörungen oder Schwindel,<br />

einem Schulschwänzer, einem Kleinkind<br />

mit Durchfall und plötzlich zu<br />

einem akut luftnötigen Patienten, der<br />

gerade einen Herzinfarkt erlebt, zu<br />

wechseln – macht den besonderen<br />

Reiz, die Herausforderung und Ehrfurcht<br />

vor dem Fach aus. Ein Wechsel<br />

des Behandlungsortes, ein Hausbesuch<br />

oder der Besuch im Seniorenheim,<br />

die Betreuung einer Sportveranstaltung<br />

oder das Angebot von<br />

Schulungen für Patienten, das Schreiben<br />

von Gutachten und vieles mehr<br />

machen eine abwechslungsreiche<br />

Arbeitswoche aus.<br />

WAS TUN, WENN SCHNELLE HILFE NOTWENDIG IST?<br />

Ausbildung wird vernachlässigt<br />

Kinder in der Hausarztpraxis sind<br />

in Brandenburg eher eine Seltenheit<br />

und die Ausbildung in der Kindermedizin<br />

wird von der Weiterbildungsordnung<br />

zur Fachärztin für Allgemeinmedizin<br />

sehr vernachlässigt.<br />

Nicht einmal ein 80h-Stunden-Kurs<br />

oder eine sechsmonatige Arbeitserfahrung<br />

in der Kinderheilkunde, wie<br />

etwa in der Weiterbildungsordnung<br />

im Land Berlin vorgeschrieben, ist<br />

hier verpflichtend. Die Hausärztin der<br />

Kinder sei doch die Kinderärztin! Viele<br />

Kolleginnen haben sich daher auf<br />

die Erwachsenen – naturgemäß ältere<br />

– fokussiert. Aber das ist nicht die<br />

Norm in ganz Deutschland und auch<br />

nicht in unseren europäischen Nachbarländern.<br />

Dort fehlt es an Kinderärzten<br />

und der Allgemeinarzt „hilft<br />

aus“ oder das Gesundheitssystem<br />

sieht gar keine Kinderspezialisten in<br />

der Grundversorgung vor, bildet seine<br />

Hausärzte selbstverständlich auch<br />

ausreichend in der Kindermedizin aus<br />

und lässt sie bei Problemen an die<br />

Spezialistin für die Kinder, die Pädiaterin,<br />

überweisen. Gerade in einem<br />

Flächenland wie Brandenburg machte<br />

es durchaus Sinn, die Kindermedizin<br />

innerhalb der Allgemeinmedizin zu<br />

stärken. In Deutschland jedenfalls ist<br />

es nach wie vor erlaubt und gelegentlich<br />

absolut notwendig als Allgemeinmedizinerin,<br />

Kinder aller Altersstufen<br />

zusammen mit Ihren Familienangehörigen<br />

zu behandeln. Wie so oft, beachte<br />

man die spezifische Qualifikation<br />

der einzelnen Ärztin.<br />

Die Autorin, Dr. Winnie Berlin,<br />

dritte Generation Ostdeutschland,<br />

ist Fachärztin für Allgemeinmedizin,<br />

Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin<br />

und niedergelassene<br />

Kassenärztin in eigener hausärztlicher<br />

Praxis in Werder seit<br />

September 2018. Sie ist verheiratet<br />

und hat zwei Kinder.<br />

Es kommt immer überraschend, denn die ersten Symptome hat man zumeist<br />

übersehen oder nicht ernst genommen. Doch plötzlich bleibt die<br />

Luft weg, der Arm schmerzt bis zum Herzen, kalter Schweiß bricht aus<br />

und vor lauter Übelkeit kann kein klarer Gedanke mehr gefasst werden.<br />

In lebensbedrohlichen Fällen hilft nur schnelle<br />

Hilfe über den Rettungsdienst<br />

112<br />

Zum Glück ist es nicht immer so schlimm, doch von Freitag Nachmittag<br />

bis zum Montag früh kann es lang werden, wenn man sich nicht fühlt.<br />

Der ärztliche Bereitschaftsdienst hilft,<br />

wenn Ihre Hausarztpraxis geschlossen hat<br />

116 117<br />

Glück<br />

„Wir haben nur noch Elstern und<br />

ein paar Spatzen“, höre ich oft, wenn<br />

ich mit Freunden in unserem Garten<br />

sitze und wir die fröhliche Vogelschar<br />

beobachten, die sich an Futterhaus<br />

und Wasserschale vergnügt. Einmal<br />

mehr wird mir bewusst, welches Glück<br />

wir haben, in solch einer artenreichen<br />

Umgebung zu wohnen. Welches Glück<br />

es ist, bei der Küchenarbeit aus dem<br />

Fenster zu schauen und eine Schwanzmeisen-Familie<br />

beim Gezänk um die<br />

letzten Krümel des Meisenknödels<br />

zu beobachten. Mit der Familie beim<br />

Abendbrot auf der Terrasse zu sitzen<br />

und sich daran zu erfreuen, wie sich<br />

der Igel raschelnd aus dem Gebüsch<br />

schält, um sich ebenfalls sein Abendbrot<br />

zu suchen, während aus dem<br />

Baum über uns Schalen von Nüssen<br />

herabrieseln, die dem Eichhörnchen<br />

als Abendspeise dienen. Schließen Sie<br />

einmal in einem Moment der Ruhe die<br />

Augen und nehmen die Vielzahl der<br />

Vogelstimmen wahr, die durch den<br />

Garten klingen. Viel zu oft haben wir<br />

verlernt, zwischen den Alltagsgeräuschen<br />

um uns herum den Gesang der<br />

Natur und das Rauschen der Bäume<br />

wahrzunehmen. Im hektischen Alltag<br />

gehen die kleinen Wunder der Natur<br />

oft unter, dabei haben wir hier in<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> das Glück, einfach die<br />

Terrassentür zu öffnen und ihnen unmittelbar<br />

zu begegnen.<br />

Bei all den Privilegien, die wir genießen,<br />

dürfen wir nicht müde werden,<br />

durch den Erhalt der Bäume, das<br />

Pflanzen von heimischen Sträuchern<br />

und bienenfreundlichen Stauden, das<br />

Anlegen von ein paar unaufgeräumten,<br />

wilden Ecken im Garten als Rückzugsmöglichkeit<br />

, …. die uns umgebende<br />

Natur zu bewahren. Das zurückliegende<br />

Jahr der Trockenheit macht uns einmal<br />

mehr bewusst, dass wir etwas tun<br />

müssen. Fangen wir doch im Kleinen<br />

an und geben der Natur in unseren<br />

Gärten mehr Raum. Ein naturnaher<br />

Garten macht weniger Arbeit als Sie<br />

denken und setzt dem Klimawandel<br />

ein kleines Zeichen entgegen.<br />

Ihre Waldgärtnerin<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> REPORTAGE 151


POTSDAMS HÖCHSTES EINFAMILIENHAUS<br />

Jeder, der vom Kaiserbahnhof kommend, die asphaltierte Chausseestraße des<br />

<strong>Wildpark</strong>s nach Eiche, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> oder Geltow passiert, muss an ihm vorbei.<br />

Doch die wenigsten wissen um seine historisch-technische Bedeutung oder haben<br />

je seine 91 Treppenstufen erklommen. Dabei lohnt sich die Mühe des Aufstieg durchaus ...<br />

Weitblick inklusive<br />

VON KATRIN WIRTH<br />

Viele der „<strong>Wildpark</strong>ler“ fahren häufig an ihm vorbei<br />

und haben die Veränderungen der letzten<br />

Jahre beobachtet: Der alte Wasserturm wurde<br />

zu neuem Leben erweckt.<br />

Früher diente der Turm den Dampfloks, welche er mit<br />

Wasser versorgte. Gebaut wurde er vermutlich um 1910.<br />

Zu dieser Zeit war gerade der neue Kaiserbahnhof fertiggestellt<br />

worden und ein Ausbau des Bahnknotenpunktes<br />

<strong>Wildpark</strong> sowie eine Erweiterung des Güterbahnhofs fanden<br />

statt. Atypisch ist die Lage des Wasserturms, da er<br />

recht weit von den Gleisen entfernt steht. Von der Pumpe<br />

ist heute nichts mehr zu sehen, wo sich diese genau befand,<br />

ist unbekannt. Der Wasserturm verlor seine Nutzung<br />

Anfang der 1980er Jahre mit der Umstellung der<br />

Dampf- auf Diesel- und Elektroloks.<br />

Das kleine Häuschen neben dem Turm war in den 60er<br />

und 70er Jahren bewohnt. In den letzten Jahrzehnten<br />

stand es wie der Wasserturm leer.<br />

Einer geplanten Sprengung entging der Wasserturm<br />

nur knapp. Diese wurde glücklicherweise nicht durchgeführt,<br />

da eine Gefährdung des Werderschen Damms<br />

bestand. Über die Jahre verfiel der Turm mehr und mehr.<br />

Als wir, ein deutsch-spanisches Architektenpaar, ihn 2014<br />

kauften, war die Wand um den Wasserbehälter bereits<br />

halb herunter gebrochen und mit Netzen gesichert. Das<br />

Dach war größtenteils abgedeckt, die Ziegel lagen im<br />

Wassertank. Wind und Wetter hatten vor allem den Stahlbauteilen<br />

zugesetzt und zu Korrosionsschäden geführt.<br />

Das Mauerwerk hingegen hatte die Jahrzehnte besser<br />

überstanden.<br />

Offensichtlich hatten<br />

wir eine Ruine gekauft.<br />

Der alte Wasserturm, um 1910 erbaut, verlor seine<br />

Funktion Anfang der 1980er Jahre und war bis 2014 dem<br />

Verfall preisgegeben. Das Turmwärterhäuschen war bis<br />

in d1e 1970er Jahre bewohnt.<br />

Foto: Wirth Alonso<br />

Foto: Wirth Alonso<br />

152 ARCHITEKTUR WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Erstrahlt in neuem Glanz: Der Wassertum<br />

mit Turmwärterhäuschen. Die Sanierung<br />

wurde in einem relativ kurzen Zeitraum<br />

von nur 13 Monaten umgesetzt und der<br />

straffe Kostenrahmen eingehalten.<br />

Foto: Luca Girardini


Foto: Luca Girardini<br />

Der Wasserbehälter beherbergt nun das Wohnzimmer mit großem Panoramafenster in der genieteten Wand,<br />

welches den Blick über den <strong>Wildpark</strong> frei gibt.<br />

UNESCO Weltkulturerbe<br />

Park Sanssouci und <strong>Wildpark</strong><br />

Offensichtlich hatten wir eine Ruine gekauft, aber wir<br />

zweifelten keinen Moment daran, dass der Turm erhaltenswert<br />

war und viel Potential hatte. Mit einem alten Gemäuer<br />

zu arbeiten, ist eine wunderbare Aufgabe. So stand für uns<br />

von Anfang an fest, dass wir so viel wie möglich erhalten<br />

wollten. Der Wasserturm steht nicht unter Denkmalschutz,<br />

jedoch unter Umgebungsschutz aufgrund der Nähe zum<br />

UNESCO Weltkulturerbe Park Sanssouci und <strong>Wildpark</strong>. Genau<br />

diese Lage macht das ohnehin außergewöhnliche Gebäude<br />

zu einem ganz besonderen Ort. Nicht zu nah an den<br />

Gleisen und mit dem <strong>Wildpark</strong> direkt vor der Tür schien uns<br />

der Turm für die Umnutzung zu einer Wohnung bestens geeignet.<br />

Querschnitt des Wasserturms<br />

mit sechs Wohnebenen.<br />

In der Planungsphase<br />

wurden nicht nur<br />

Zeichnungen erstellt,<br />

wegen der runden Grundform<br />

und der schrägen<br />

Wände wurden auch<br />

dreidimensionale Pläne<br />

angefertigt.<br />

Alles dreidimensional geplant<br />

Es begann eine ausführliche Planungsphase, in der der<br />

Umbau erst in unseren Köpfen und dann in gezeichneten<br />

Plänen Gestalt annahm. Die runden und zugleich schrägen<br />

Wände waren eine Herausforderung, weshalb alles dreidimensional<br />

geplant werden musste. Der Planungs- und<br />

Genehmigungsprozess nahm zwei Jahre in Anspruch. Die<br />

Sanierung selbst konnte jedoch in einem relativ kurzen<br />

Zeitraum von nur 13 Monaten umgesetzt und der straffe<br />

Kostenrahmen eingehalten werden. Dies war möglich, da<br />

wir fast täglich selbst auf der Baustelle waren, Entscheidungen<br />

mit den Firmen direkt vor Ort treffen konnten und<br />

auch teilweise Eigenleistung erbrachten.<br />

154 ARCHITEKTUR WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Wirth Alonso<br />

An dem großen Esstisch in der Küche im Erdgeschoss finden bequem acht Personen Platz.<br />

Die alte Stahltreppe wurde aufgearbeitet und führt in die darüber liegenden Ebenen.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> ARCHITEKTUR 155


Foto: Wirth Alonso<br />

In einer der zwei neuen Ebenen befindet sich ein Schlafbereich mit angrenzendem Bad.<br />

91 Stufen bis zur Dachterrasse<br />

So schritten die Arbeiten auf der Baustelle schnell<br />

voran: die Reste der Tankummantelung und des Daches<br />

wurden entfernt, alle Stahlbauteile wurden sandgestrahlt<br />

und erhielten einen Korrosionsschutz, zwei neue<br />

Holzebenen und drei Bäder wurden eingebaut. Zwei<br />

neue Fenster erfüllen nun die Brandschutzrichtlinien<br />

und bringen zusätzlich Licht in den Turm, ohne die Ansicht<br />

von der Straßenseite zu modifizieren.<br />

Die größte Veränderung betraf wohl den Turmkopf<br />

selbst. Er bekam eine neue Verkleidung aus Trapezlochblech,<br />

welches gleich mehrere Aufgaben erfüllt. Es<br />

erhält die ursprüngliche Volumetrie des Turms, dient<br />

als Sonnen- und Witterungsschutz und lässt durch die<br />

leicht transparente Wirkung das Stahlskelett des alten<br />

Daches durchschimmern. Wer die 91 Stufen überwindet,<br />

steht nun auf der Dachterrasse mit Rundumblick über<br />

den <strong>Wildpark</strong> und Park Sanssouci, während die Stahlkonstruktion<br />

des ehemaligen Daches ein Schattenspiel<br />

auf den Boden malt.<br />

Drei Bäder wurden im Turm neu geplant und eingebaut.<br />

Nur die Bäder haben Türen. So bleibt die runde Form<br />

überall spürbar.<br />

Foto: Wirth Alonso<br />

Räumliches Erlebnis<br />

Schwerpunkt des Entwurfs war es, den Aufstieg zu<br />

einem räumlichen Erlebnis zu machen. Jeder Raum ist<br />

wie ein eigenes kleines Projekt und unterscheidet sich<br />

in Höhe, Materialität, Nutzung und Belichtung. Im Erdgeschoss<br />

befindet sich unter der gemauerten Kuppel die<br />

Küche. Eine eigens für diesen Raum angefertigte runde<br />

Pendelleuchte erhellt den Raum mit warmem Licht. Die<br />

156 ARCHITEKTUR WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Foto: Luca Girardini<br />

Im Erdgeschoss befindet sich unter der gemauerten Kuppel die Küche. Eine eigens für diesen Raum angefertigte<br />

runde Pendelleuchte erhellt den Raum mit warmem Licht.<br />

Rundumblick<br />

über den <strong>Wildpark</strong><br />

und Park Sanssouci.<br />

alte Stahltreppe wurde aufgearbeitet<br />

und führt in die darüber liegenden<br />

Ebenen. Alle Räume sind offen gehalten,<br />

nur die Bäder haben Türen. So<br />

bleibt die runde Form überall spürbar.<br />

Der Wasserbehälter beherbergt nun<br />

das Wohnzimmer mit großem Panoramafenster<br />

in der genieteten Wand,<br />

welches den Blick über den <strong>Wildpark</strong><br />

frei gibt. Im Raum der Turmgeschichte<br />

direkt unter dem Wasserbehälter<br />

kann man nicht nur die alten Abfüllregler<br />

sehen, sondern sich auch über<br />

die Baugeschichte informieren und<br />

ein paar Fundstücke betrachten.<br />

Keine alten Pläne und kaum Fotos<br />

Es ist schade, dass es vom Wasserturm<br />

keine alten Pläne und kaum<br />

Fotos gibt. Sollten Sie Aufnahmen des<br />

Turms besitzen, würden wir uns sehr<br />

freuen, diese sehen zu dürfen.<br />

Vor allem in den <strong>Sommer</strong>monaten<br />

sind wir an den Wochenenden im<br />

Turmwärterhäuschen und im Garten<br />

anzutreffen. Schon während der Bauphase<br />

haben immer wieder Leute am<br />

Gartenzaun angehalten und sich nach<br />

dem Projekt erkundigt. Wenn es die<br />

Zeit zulässt, freuen wir uns über jedes<br />

angeregte Gespräch und zeigen den<br />

Turm interessierten Nachbarn auch<br />

gerne von innen.<br />

Die Autorin Katrin Wirth, Jahrgang<br />

1982 wurde in Limburg an der Lahn<br />

geboren. Sie ist verheiratet und hat<br />

zwei Kinder.<br />

Sie studierte wie auch ihr Mann<br />

Architektur und arbeitet heute als<br />

freie Architektin. Sie ist Mitglied der<br />

Architektenkammer Berlin.<br />

WASSERTURM<br />

Sanierung & Umnutzung<br />

Erbaut um 1910<br />

Sanierung2016-2017<br />

Gesamthöhe ca. 22 Meter<br />

Wohnfläche ca. 130 qm<br />

Etagen 6 Wohnebenen<br />

Dachterrasse in ca. 20 Metern<br />

Höhe mit Blick zum <strong>Wildpark</strong><br />

und neuem Palais.<br />

Volumen des ehm. Wassertanks:<br />

ca. 100 Kubikmeter.<br />

Im Nebengebäude, das heute<br />

Wohngebäude ist, befand sich<br />

eventuell früher das Pumpwerk,<br />

welches Grundwasser direkt in<br />

den Turmbehälter förderte.<br />

Vor zwei Jahren wurde der<br />

Umbau des Wasserturms<br />

fertiggestellt und steht nun<br />

für Urlaubsgäste als Ferienwohnung<br />

zur Verfügung. Informationen<br />

und mehr unter<br />

www.wasserturm.holiday<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> ARCHITEKTUR 157


Als Simone und Ralf Blauert den alten Güterbahnhof, unweit des Wasserturmes am Rande<br />

des <strong>Wildpark</strong>s, zum ersten Mal betraten, waren sie verzaubert. Es war im Frühjahr 2007,<br />

das Gelände lag seit Jahren ungenutzt brach, die Fenster des Hauses waren eingeschlagen,<br />

die Wände mit Graffiti beschmiert, Schutt lag in den Räumen. Damals saßen die beiden auf<br />

einer der Rampen, schauten auf die Gleise und beschlossen, den Bahnhof zu kaufen ...<br />

Einen verwunschenen Ort wiederbelebt<br />

VON JANA FELLENBERG<br />

Foto: xxxx<br />

Foto: Ralf Blauert


Zwölf Jahre später sind die<br />

Schuttberge verschwunden,<br />

das Gebäude längst aus seinem<br />

Dornröschenschlaf erwacht.<br />

Der ehemalige Güterbahnhof ist<br />

ein Ort mit über 100-jähriger Geschichte,<br />

die nur lückenhaft dokumentiert<br />

ist. Was ist Wahrheit, was<br />

Legende? Erkenntnisse des bekannten<br />

Chronisten und Autors Adolf Kaschube,<br />

der mit Zeitzeugen gesprochen<br />

und ihre Aussagen gesammelt<br />

hat sowie das Studium alter Potsdamer<br />

Tageszeitungen bringen etwas<br />

Licht ins Dunkel.<br />

Bahnhof mit hölzernen Gebäuden<br />

Schon seit 1846 durchläuft die<br />

Eisenbahnstrecke von Potsdam nach<br />

Magdeburg das kurfürstliche Waldgebiet<br />

bei Potsdam. Nachdem 1847 zuerst<br />

ein Haltepunkt für die königliche<br />

Familie eingerichtet wurde, entstand<br />

1858 am Endpunkt zur Verbindung<br />

nach dem Neuen Palais ein Bahnhof<br />

mit hölzernen Gebäuden, dessen<br />

Gaststätte später auch gern von Berliner<br />

Ausflüglern genutzt wurde. Der<br />

Güterbahnhof, der erst 1910 in seiner<br />

jetzigen Form erbaut wurde, war<br />

einst wichtiger Warenumschlagplatz<br />

für die Brandenburger Vorstadt und<br />

gehörte zum Verbund der drei königlichen<br />

Bahnhöfe, zu dem auch der<br />

nahe und bereits erwähnte Kaiserbahnhof<br />

(heute DB-Akademie) und<br />

der daneben gelegene Bürgerbahnhof<br />

(heute Bahnhof Potsdam Park<br />

Sanssouci, erbaut 1868/69) gehörten.<br />

1906 erfolgte ein Umbau der bis dahin<br />

bestehenden Bahnhofsstationen,<br />

der dem Bahnhof <strong>Wildpark</strong> durch<br />

die Höherlegung der Ferngleise ein<br />

völlig verändertes Aussehen verlieh.<br />

Simone und Ralf Blauert leben<br />

seit 2001 in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

„Wir fühlen uns<br />

mit dem Ort einfach<br />

sehr verbunden.“<br />

So wurde der hölzerne Pavillon abgerissen<br />

und musste einem monumentalen<br />

Neubau weichen, wobei die<br />

Haltestation für den königlichen Hof<br />

an die Stelle des alten und zu klein<br />

gewordenen Güterbahnhofs verlegt<br />

wurde. So konnte, während sich ein<br />

Hofzug im Bahnhof aufhielt, der sonstige<br />

Verkehr unbehindert auf den<br />

Nachbargleisen abgewickelt werden.<br />

Graue Reiter des<br />

Garde-du-Corps-Regiments<br />

Mehrmals standen die drei Bahnhöfe<br />

im Rampenlicht preußischer<br />

Geschichte, so als im August 1914<br />

auf der dunklen Chausseestraße des<br />

<strong>Wildpark</strong>s die „grauen Reiter des<br />

Garde-du-Corps-Regiments“ in den<br />

ersten Weltkrieg zogen und auch als<br />

im April 1921 der Sarg der im Exil verstorbenen<br />

Kaiserin Auguste Viktoria<br />

im Spalier von über 60.000 Menschen<br />

in den Antikentempel überführt<br />

wurde.<br />

Gleis zum unterirdischen Bunker<br />

In den Jahren vor und während<br />

des 2. Weltkrieges wurde dann Baumaterial<br />

unter anderem für den<br />

Kasernenneubau und den Umbau<br />

angeliefert. So führte ein Anschlussgleis<br />

vom Bahnhof <strong>Wildpark</strong> zu einem<br />

unterirdischen Bunker oder Bunker-<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> ARCHITEKTUR 159


Dem <strong>Wildpark</strong> zugewandt: Die langgestreckte Fensterfront nach Süden<br />

bahnhof der Kaserne. Dieser Gleisanschluss<br />

wurde auch für den sogenannten<br />

Göringschen-Robinsonzug<br />

genutzt, ein als Befehlszug zu den<br />

Fronten verkehrender Kommandozug.<br />

Ab 1945 empfing dann die Sowjetarmee<br />

ihre Militärlieferungen auf den<br />

Gleisen des Güterbahnhofs, wobei<br />

mit der Verlegung der Kommandantur<br />

1952 nach Wünsdorf das Bahnhofs-Ensemble<br />

völlig an Bedeutung<br />

verlor. Erst im August 1991, als die<br />

Särge von König Wilhelm Friedrich I.<br />

und Friedrich II. nach Potsdam zurück<br />

überführt werden sollten, wurden<br />

die nutzbaren Gleise des Güterbahnhofs<br />

wieder benötigt, da der Kaiserbahnhof<br />

wegen seines schlechten<br />

Zustandes gesperrt war. Die königlichen<br />

Überreste wurden deshalb zum<br />

Güterbahnhof <strong>Wildpark</strong> transportiert<br />

und von dort aus auf einer Kutsche<br />

zur letzten Ruhestätte im Park Sanssouci<br />

gefahren. Dabei wurden mit bemerkenswertem<br />

Aufwand potemkinsche<br />

Dörfer, ähnlich der Babelsberger<br />

Filmstadt, erbaut, so dass die Filmaufnahmen<br />

nicht das heruntergekommene<br />

Gebiet um Güterbahnhof und Wasserturm<br />

zeigen mussten. 1994 wurde<br />

der Bahnhof schließlich weitgehend<br />

stillgelegt und verkam ...<br />

2001 waren Simone und Ralf Blauert<br />

zusammen mit ihren Kindern in<br />

die <strong>Waldsiedlung</strong> gezogen. Dabei hat-<br />

ten sie auf ihr Bauchgefühl vertraut.<br />

„Wir haben immer in Potsdam-<strong>West</strong><br />

gelebt“, erzählt Simone Blauert, „und<br />

als wir das Bauland in der Siedlung<br />

betreten haben, wussten wir sofort:<br />

Das ist es.“ Und Ralf Blauert ergänzt:<br />

„Wir fühlen uns mit dem Ort einfach<br />

sehr verbunden.“ 1994 hatte das Ehepaar<br />

auf Hermannswerder ein Catering-<br />

und Veranstaltungsunternehmen<br />

gegründet, war anfangs für die<br />

Schulverpflegung des Gymnasiums<br />

verantwortlich und richtete in einem<br />

gepachteten Haus Events aus.<br />

Dass Familie Blauert beim Güterbahnhof<br />

landete, ist dem Zufall zu<br />

verdanken, sagen sie. Als 2007 ihr<br />

Pachtvertrag auf Hermannswerder<br />

auslief, waren sie wochenlang in Potsdam<br />

und Umgebung unterwegs und<br />

hielten Ausschau nach leerstehenden<br />

Objekten. Keines konnte sie richtig<br />

BUCHEMPFEHLUNG<br />

Der Kaiserbahnhof<br />

<strong>Wildpark</strong> in Potsdam<br />

Barbara Eggers<br />

Verlag J. Strauss<br />

140 Seiten<br />

ISBN:<br />

3929748177<br />

überzeugen, bis sie eines Nachmittags,<br />

auf dem Weg nach Hause in<br />

die <strong>Waldsiedlung</strong>, den alten Bahnhof<br />

wiederentdeckten, der so zugewachsen<br />

war, dass man ihn von der Straße<br />

aus nicht mehr sehen konnte.<br />

Zwei Millionen Euro investiert<br />

So standen Blauerts vor dem verwilderten<br />

Gebäude. „Es war ein verwunschener<br />

Ort“, erzählt Ralf Blauert.<br />

„Wir waren verzückt“, ergänzt seine<br />

Frau. Der Güterbahnhof gehörte zu<br />

der Zeit der Deutschen Bahn. „Wir<br />

haben ungefähr ein Jahr lang mit der<br />

Bahn verhandelt“, erinnert sie sich,<br />

„am 8. März 2012 haben wir dann den<br />

Vertrag unterschrieben.“<br />

DONNERSTAG<br />

20<br />

JUNI<br />

SOMMERFEST<br />

Am 20. Juni <strong>2019</strong> feiert BlauArt<br />

Catering und Tagungshaus sein<br />

25-jähriges Bestehen mit einem<br />

großen <strong>Sommer</strong>fest, bei dem neben<br />

Kunden und Geschäftspartnern auch<br />

Nachbarn und <strong>Wildpark</strong>-Anwohner<br />

mit ihren Familien willkommen sind.<br />

Wer dabei sein will, meldet sich bitte<br />

per E-Mail unter kontakt@blauart.de<br />

160 ARCHITEKTUR WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Fotos: Ralf Blauert<br />

Der große Saal: Ideal für Veranstaltungen<br />

Freundlich gestaltet: Der Eingangsbereich<br />

Zwei Millionen Euro hat das Ehepaar<br />

seitdem in die Sanierung investiert,<br />

der Dachstuhl musste erneuert,<br />

die Infrastruktur für Wasser, Abwasser,<br />

Strom und Telefon neu angelegt<br />

werden. Es sei eine Herausforderung<br />

gewesen, aus einer kaputten, leeren<br />

Halle ein funktionierendes Tagungshaus<br />

zu machen. „Das ganze Gelände<br />

war stark verfallen. Eigentlich hätte<br />

man abreißen und alles neu bauen<br />

müssen“, sagt Ralf Blauert, „doch wir<br />

wollten so viel wie möglich von der<br />

Substanz erhalten.“ Die originalen<br />

Backsteinmauern erstrahlen heute<br />

wieder in rot und weiß. An einigen<br />

Mauerstücken sind noch kyrillische<br />

Schriftzeichen zu erkennen. „Wir respektieren<br />

die Geschichte dieses<br />

Ortes und schreiben sie behutsam<br />

weiter.“ 2014 war es dann endlich soweit:<br />

Das Paar eröffnete sein eigenes<br />

Tagungshaus am <strong>Wildpark</strong>. Und man<br />

kann sagen, dass Mühe und Aufwand<br />

der Restaurierung sich wirklich gelohnt<br />

haben.<br />

Die Räume des Tagungshauses<br />

sind hell und mit moderner Technik<br />

ausgestattet, mit hohen Decken und<br />

direktem Zugang zur umlaufenden<br />

Terrasse, es gibt ein Foyer für Empfänge<br />

und ein weitläufiges Außenareal.<br />

Aus den Fenstern blickt man<br />

auf Bäume, der <strong>Wildpark</strong> liegt gleich<br />

gegenüber. Das Haus ist für gewerbliche<br />

Veranstaltungen – Firmenpräsentationen<br />

und Konferenzen etwa<br />

– ideal ausgestattet, erfreut sich aber<br />

besonders bei Hochzeitsgesellschaften<br />

immer größerer Beliebtheit. „Mit<br />

der großen Nachfrage nach Hochzeitsfeiern<br />

hatten wir gar nicht gerechnet“,<br />

erzählt Simone Blauert.<br />

„Wer in der Hochsaison hier feiern<br />

will, muss zwei Jahre vorher buchen.“<br />

Mittlerweile blicken Simone und Ralf<br />

Blauert auf viele Jahre Erfahrung zurück,<br />

ihre Transporter sind im Stadtbild<br />

gut bekannt; das Unternehmen<br />

liefert täglich 4.000 Mittagessen an<br />

Potsdamer Schulen aus.<br />

Autorin Jana Fellenberg, 1967 in<br />

Potsdam geboren, Dipl. Informatikerin,<br />

verheiratet, lebt seit ihrer<br />

Kindheit in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Das alte Bahnhofsgebäude<br />

erstrahlt in neuem Glanz<br />

Foto: Benjamin Maltry<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> ARCHITEKTUR 161


„Am Anfang müssen alle zusammen große Steine ins Wasser werfen.<br />

Dann steige ich zuerst in den Fluss“, erzählt Oliver Gara den Konfirmandinnen<br />

und Konfirmanden in meiner früheren Gemeinde. Die Jugendlichen hören ihm mit<br />

offenen Mündern zu. Oliver Gara ist Pastor in Simbabwe, er kommt aus einer<br />

Partnergemeinde. An diesem Nachmittag geht es um die Taufe.<br />

Steine werfen vor der Taufe<br />

VON TOBIAS ZIEMANN<br />

Gerade haben wir uns das viele hundert<br />

Jahre alte Taufbecken der Gemeinde angesehen<br />

und über den Taufritus gesprochen,<br />

wie er häufig bei uns stattfindet: Da stehen<br />

Eltern und Paten mit dem Täufling um den Taufstein<br />

herum. Es werden Texte aus der Bibel vorgelesen.<br />

Aus einer Kanne wird Wasser in die Taufschale gegossen.<br />

Und schließlich nimmt der Pfarrer Wasser<br />

und schöpft es mit den Händen über den Kopf des<br />

Täuflings. Dabei spricht er die uralte Formel „Ich taufe<br />

dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des<br />

Heiligen Geistes.“<br />

Es sind dieselben Worte, die Oliver Gara in Simbabwe<br />

bei der Taufe spricht. Es ist ja auch dieselbe<br />

Taufe – eben nur ganz anders: Der Gottesdienst beginnt<br />

in der Kirche. Es wird lange gesungen, gebetet,<br />

in der Bibel gelesen. Und irgendwann setzt sich die<br />

Taufgesellschaft in Bewegung: „Runter zum Fluss!“<br />

Nur kurze Zeit im Jahr, am Ende der Regenzeit,<br />

können hier draußen Taufen stattfinden. Dann, wenn<br />

der Fluss genügend Wasser führt, um hineinzusteigen,<br />

und man trotzdem noch die Krokodile sehen kann, die<br />

sich am Ufer verstecken. Darum nämlich auch die großen<br />

Steine, die ins Wasser geworfen werden:<br />

„Erst wenn ich sicher bin, dass keine Krokodile im<br />

Wasser sind, gehe ich als erster rein“, erzählt Oliver.<br />

„Wie tief?“, fragen die Jugendlichen, die endlich mal<br />

ihr Schulenglisch ausprobieren können. Oliver zeigt<br />

auf seinen Bauch: „So weit“. Die Gemeinde steht am<br />

Ufer, betet und singt Lieder. Ein Helfer steht neben<br />

dem Pastor, wenn der erste der Täuflinge ins Wasser<br />

steigt. Sie sind ungefähr so alt wie unsere Jugendlichen,<br />

13 oder 14. Und im Gespräch mit ihnen hat<br />

Oliver beschlossen: „Ihr seid soweit! Ihr könnt in diesem<br />

Jahr getauft werden.“<br />

„Halt dir die Nase zu!“, fordert er sie dann auf –<br />

und taucht sie rückwärts in den Fluss. Der ganze Körper<br />

muss unter Wasser sein. „Wir wollen das natürlich<br />

nicht zweimal machen“, erzählt Oliver. „Aber wenn<br />

die Füße beim Untertauchen versehentlich aus dem<br />

Wasser ragen, dann hilft nichts, dann wiederholen<br />

wir die Taufe. Der ganze Mensch muss untertauchen<br />

und neu geboren werden.“ „Ist jemand in Christus, so<br />

ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe,<br />

Neues ist geworden.“ So steht es in der Bibel. Natürlich<br />

kennt der Pfarrer aus Simbabwe dieses Wort von<br />

Paulus. Es gilt für Christen hier und in Afrika. Und die<br />

Jugendlichen verstehen intuitiv, was Paulus meinte:<br />

Der ganze Mensch taucht unter – und ist nach dem<br />

Auftauchen ein neues Geschöpf. Das wird bei der<br />

Taufe im Fluss in Simbabwe noch spürbarer als bei<br />

„unserer“ Art der Taufe: Mit der Taufe beginnt nicht<br />

nur ein neuer Lebensabschnitt – es beginnt ein neues<br />

Leben. Taufe bleibt Taufe – egal ob hier bei uns<br />

oder in Simbabwe. Aber in einem Fluss ist die Performance<br />

eindeutig stärker und näher an dem, was<br />

Taufe zur Zeit Jesu bedeutete. Jesus stieg ja auch in<br />

den Jordan und ließ sich von Johannes dem Täufer<br />

ganz untertauchen.<br />

In der Geltower Kirchengemeinde wird das seit<br />

einigen Jahren auch getan, beim großen Tauffest für<br />

die ganze Region. Wie in Simbabwe beginnt der Gottesdienst<br />

in der Kirche und nach einiger Zeit setzt<br />

sich die Gesellschaft in Bewegung runter zum Fluss.<br />

Bis zur Hüfte stehen die Pfarrerin oder der Pfarrer<br />

dann in der Havel – und einige Täuflinge suchen sich<br />

sogar aus, ganz unterzutauchen. Ein neuer Mensch<br />

kommt schließlich aus dem Wasser, ein Mensch mit<br />

einer unzertrennlichen Verbindung zu Gott.<br />

Ich freue mich schon sehr auf das nächste Tauffest<br />

am 19. Mai <strong>2019</strong>. Anmeldungen zur Taufe nehmen<br />

wir gerne entgegen, sowohl von Kindern als<br />

auch von Jugendlichen und Erwachsenen. Und es<br />

gibt auch einen kleinen Unterschied zur Taufe in<br />

Simbabwe: In der Havel leben keine Krokodile. Steine<br />

werfen müssen wir nicht.<br />

Ihr Pfarrer<br />

Tobias Ziemann<br />

Tobias Ziemann, 1983 in<br />

Berlin-Mitte geboren,<br />

Studium der Evangelischen<br />

Religionspädagogik in Berlin,<br />

Vikar in Potsdam-Drewitz,<br />

erste Pfarrstelle ab 2010<br />

im Löwenberger Land, seit<br />

November 2017 Pfarrer im<br />

Sprengel Potsdam-Erlöser,<br />

verheiratet, zwei Söhne.<br />

164 NACHGEDACHT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Sie neigte sich vor dem Königssohn und streckte ihm ihren<br />

entblößten Fuß entgegen. Er sah sie an, zog den goldenen Schuh<br />

aus seinem Wams, und siehe da – er passte wie angegossen!<br />

<br />

Aus „Aschenputtel“<br />

Der verlorene Schuh<br />

VON DANIEL JEFSEN<br />

Es war einer dieser trockenen Winter der<br />

letzten Jahre mit wenig Schnee. An diesem<br />

Abend aber fing es in Geltow an zu schneien<br />

und mir war klar, dass ich meine Kinder am<br />

nächsten Morgen mit dem Schlitten zur KITA und zur<br />

Schule fahren werden müsse – egal wie dünn die<br />

Schneedecke auch ist ...<br />

Im Licht der Straßenlaternen<br />

Doch noch schneite es, und eine erste weiße<br />

Schicht auf den Wegen und Straßen, Bäumen<br />

und Dächern tauchte den Ort in eine winterliche<br />

Atmosphäre. Nur wenige Menschen waren an diesem<br />

Abend unterwegs, so wie Frau Altstädter, die<br />

in Alt-Geltow im Licht der Straßenlaternen auf dem<br />

Weg nach Hause war und wir, die wir Altglas zum<br />

Container brachten.<br />

Frau Altstädter querte gerade die Einmündung<br />

einer kleineren Nebenstraße, als sie von einer<br />

schwarzen Limousine erfasst wurde, die trotz der<br />

besonderen Witterung sehr schnell unterwegs war.<br />

Noch heute können meine Frau und ich uns an ihren<br />

kurzen Aufschrei erinnern – wir waren nur 20 Meter<br />

vom Geschehen entfernt. Wir eilten zum Unfallort<br />

und stellten zu unserer großen Erleichterung fest,<br />

dass niemand ernsthaft verletzt worden war. Die<br />

gestürzte alte Frau war inzwischen wieder mühsam<br />

aufgestanden und wir erkannten Frau Altstädter,<br />

deren Wohnung sich in unserer Nachbarschaft befand.<br />

Der Fahrer des Autos, Herr Staupitz, war sichtlich<br />

erleichtert über den glimpflichen Ausgang des<br />

Vorfalls. Er hatte Frau Altstädter schlicht übersehen,<br />

wie er selbst sagte.<br />

Ein ramponierter Damenschuh<br />

Herr Staupitz und auch wir boten Frau Altstädter<br />

an, sie ins Krankenhaus oder nach Hause zu fahren.<br />

Doch Frau Altstädter, gewiss noch unter Schock, hielt<br />

das erst einmal für unnötig. So war der Schaden zunächst<br />

klein, nur ein ramponierter Damenschuh von<br />

Frau Altstädter. Auf dem Heimweg sprachen meine<br />

Frau und ich noch länger über den Vorfall. Uns war<br />

klar, dass so etwas jedem Autofahrer passieren kann,<br />

gerade bei solchem Wetter. Später erzählte mir Frau<br />

Otate et aut anis quibus netur,<br />

simolor eprore etur, voluptam lab<br />

is dolor moluptatisi si qui ditae<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> NACHGEDACHT 165


Altstädter, Knie und Fuß haben nach<br />

dem Unfall noch lange wehgetan und<br />

waren geschwollen.<br />

Auch der kaputte Schuh war ärgerlich,<br />

aber eben nicht zu ändern. Ich<br />

versprach ihr, mit Herrn Staupitz, der<br />

in Geltow nicht unbekannt ist, noch<br />

einmal über den Vorfall zu sprechen.<br />

Das tat ich und bat dabei Herrn Staupitz,<br />

die ältere Dame doch noch einmal<br />

aufzusuchen und mit ihr über das<br />

Geschehene zu sprechen. Entschuldigt<br />

hatte sich Herr Staupitz schon<br />

am Unfallort.<br />

Viele Monate verstrichen, aber<br />

nichts passierte. Ich erinnerte Herrn<br />

Staupitz auf einer Veranstaltung noch<br />

ein zweites Mal an den Vorfall. Schon<br />

hier hatte ich das Gefühl, die Angelegenheit<br />

war für ihn erledigt. Bis heute,<br />

mehr als zwei Jahre nach dem Vorfall,<br />

hat Frau Altstädter nichts von Herrn<br />

Staupitz gehört. Frau Altstädter sagte<br />

mir einige Wochen nach dem Vorfall,<br />

sie wäre mit 25 Euro für neue Schuhe<br />

einverstanden gewesen. Sicherlich<br />

hätte sie sich auch über einen<br />

Blumenstrauß gefreut. Sie gehört zu<br />

den Menschen, denen es niemals in<br />

den Sinn kommen würde, aus solchen<br />

Vorfällen einen monetären Nutzen zu<br />

ziehen. Obwohl die Sache mit dem<br />

Knie, wenn sie öffentlich gemacht<br />

worden wäre, ganz bestimmt die<br />

mickrige Rente von Frau Altstädter für<br />

lange Zeit deutlich aufgestockt hätte.<br />

Viele Monate<br />

verstrichen, aber<br />

nichts passierte<br />

Aber sie wäre eben auch mit 25 Euro<br />

und einem Blumenstrauß einverstanden<br />

gewesen. Doch am Ende geht es<br />

in dieser kleinen Geschichte aus Geltow<br />

nicht ums Geld. Vielmehr sind es<br />

ethische und moralische Grundsätze<br />

menschlichen Zusammenlebens, die<br />

im besonderen Entscheidungsträger<br />

in ihrer Vorbildfunktion besonders<br />

ernst nehmen sollten. Hier geht es vor<br />

allem darum, dass wir diese Grundsätze<br />

vor unseren Kindern auch leben<br />

und sie an kommende Generationen<br />

weitergeben. Soviel ich weiß ist Herr<br />

Staupitz selbst Vater von mehreren<br />

Kindern.<br />

Wäre ich Herr Staupitz, würde<br />

mich noch etwas anderes beunruhigen.<br />

Auch als konfessionsloser und<br />

einigermaßen aufgeklärter Zeitgenosse<br />

kann ich mir nicht sicher sein,<br />

ob es am Ende nicht doch eine höhere<br />

Gerichtsbarkeit gibt. Dort wird dann<br />

für Herrn Staupitz der Name von Frau<br />

Gefährdungshaftung<br />

Die Erkenntnis, dass der Betrieb<br />

eines Kraftfahrzeugs auch erhöhte<br />

Gefahren mit sich bringt, führte<br />

zur – als Gefährdungshaftung<br />

konzipierten – allgemeinen Straßenverkehrshaftung,<br />

die im Straßenverkehrsgesetz<br />

(StVG) festgeschrieben<br />

ist.<br />

§7 des StVG<br />

So regelt §7 des StVG die Frage der<br />

Haftung: „Wird beim Betrieb eines<br />

Kraftfahrzeugs … die Gesundheit<br />

eines Menschen verletzt oder eine<br />

Sache beschädigt, so ist der Halter<br />

verpflichtet, den daraus entstandenen<br />

Schaden zu ersetzen.“ Wobei<br />

auch die Schuld des Fahrers<br />

berücksichtigt wird und die Höhe<br />

der Haftung sich nach seinem<br />

Verschulden richtetet (§ 18 StVG).<br />

Immaterielle Schäden bei Unfällen<br />

können durch Zahlung eines<br />

Schmerzensgeldes ausgeglichen<br />

werden (§ 11 StVG).<br />

166 NACHGEDACHT WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Altstädter zu hören sein – ein Name,<br />

an den sich Herr Staupitz dann vermutlich<br />

wieder erinnert. Weiter wird<br />

festgestellt werden, dass ein solcher<br />

Unfall jedem passieren kann. Diese<br />

Erkenntnis wird in der einen Waagschale<br />

liegen. In der anderen liegt das<br />

Gewissen von Herrn Staupitz. Und<br />

diese Schale ist deutlich schwerer!<br />

Frau Altstädter ist in all den Jahren<br />

seit dem Unfall älter geworden, Herr<br />

Altstädter ist inzwischen verstorben.<br />

Und die Zeit für Herrn Staupitz, seine<br />

Waagschale in dieser Angelegenheit<br />

ins Gleichgewicht zu bringen, ist nicht<br />

unbegrenzt!<br />

Ende gut - alles gut?<br />

Wir alle, aber besonders unsere<br />

Kinder, hoffen auf ein gutes Ende von<br />

Geschichten, auch wenn sie – wie diese<br />

– leider wahr sind. Aber vielleicht<br />

soll auch diese Geschichte ihr gutes<br />

Ende bekommen, was sich in der folgenden<br />

Abfassung dann doch wie ein<br />

Märchen anhört: Herr Staupitz hatte<br />

Frau Altstädter nach langer Zeit noch<br />

einmal besucht. Bei einer Tasse Kaffee<br />

sprachen sie über den Vorfall im<br />

Winter 2016. Frau Altstädter erzählte<br />

Herrn Staupitz, dass sie bis heute Probleme<br />

mit dem „Unfallfuß“ hat. Dann<br />

packte Herr Staupitz ein paar neue<br />

Schuhe für Frau Altstädter auf den<br />

Tisch. Doch erst als er gesagt hatte,<br />

wie leid es ihm tut, und dass er hätte<br />

eher kommen müssen, hat sich die<br />

schwere Waagschale von Herrn Staupitz<br />

hörbar gehoben und er fühlte<br />

sich ungewohnt leicht. Auch Frau Altstädter<br />

fühlte sich gut, was bestimmt<br />

nicht nur an den neuen Schuhen lag,<br />

die ein bisschen teurer waren als 25<br />

Euro. Und so verabschiedeten sich<br />

beide in freundschaftlicher Atmosphäre.<br />

Ihre Meinung ist gefragt:<br />

Was meinen Sie, verehrte Leser?<br />

Hat sich Herr Staupitz nach dem<br />

Unfall korrekt verhalten? Oder<br />

hätte er mit dem späteren Wissen,<br />

dass doch ein Schaden entstanden<br />

ist, anders handeln müssen?<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Um Frau Altstädter und Herr Staupitz,<br />

der noch heute hohe Ämter<br />

im Ort bekleidet, nicht in ihrem<br />

Ansehen zu beschädigen, hat sich<br />

die Redaktion entschlossen, alle<br />

Namen der an der Geschichte<br />

beteiligten Personen zu ändern.


BLICK IN WILDPARKER KOCHTÖPFE<br />

Im Jahr 2007 veröffentlichte der hiesige <strong>Wildpark</strong> e. V. ein<br />

vielbeachtetes kleines Büchlein, in dem dutzende Einwohner<br />

der <strong>Waldsiedlung</strong> ihre ganz privaten Koch-, Back- und<br />

Bratgeheimnisse lüfteten.<br />

Das Büchlein verfolgte einen guten Zweck:<br />

Die Einnahmen kamen dem <strong>Wildpark</strong> zugute,<br />

damals noch Lennés vergessenem Garten.<br />

Lebuser Saure Eier<br />

EIN REZEPT VON IRMCHEN GRUSCHKE †<br />

Zutaten<br />

» » 3 Päckchen gewürfelter Schinken<br />

» » 1 Esslöffel Mehl<br />

» » 1 Zwiebel<br />

» » 2–3 Eier pro Person<br />

» » Zucker<br />

» » Salz<br />

» » 2–3 Esslöffel roter<br />

Johannisbeer-Gelee<br />

» » Öl, Essig event. zum Abschmecken<br />

(die Sauce sollte süß sauer sein)<br />

Zubereitung<br />

Speck, Zwiebel und Mehl in Öl anschmoren,<br />

bis das Mehl gut gebräunt<br />

ist. Den Zucker dazu geben, unter<br />

Rühren gut bräunen lassen, die Sauce<br />

soll recht dunkel werden.<br />

Mit Kartoffelwasser ablöschen, Sauce<br />

nicht zu dick werden lassen. Johannisbeer-Gelee<br />

dazu geben. Sauce zum<br />

Kochen bringen, Herdkochfeld herunterschalten<br />

und die entsprechende<br />

Anzahl von Eiern nach und nach über<br />

einen großen Löffel hineingleiten und<br />

stocken lassen.<br />

Tipp<br />

Eine große Pfanne eignet sich sehr<br />

gut - die Eier garen besser. Salzkartoffeln<br />

passen sehr gut, das Kartoffelwasser<br />

gut aufheben - beachten Sie<br />

aber bitte beim Würzen, dass das Kartoffelwasser<br />

schon gesalzen ist.<br />

Fotos: Ralph Berek<br />

168 WILDPARKER KOCHTÖPFE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Gewürfelter Schinken Johannisbeer-Gelee Kartoffeln und Zwiebeln


HILFE ZUM FREIWILLIGENDIENST<br />

Liebe Leserin,<br />

Lieber Leser,<br />

mein Name ist Freda Görrissen und ich<br />

wohne in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> seit ich denken<br />

kann. Dieses kleine, wunderschöne Örtchen<br />

ist für mich der Inbegriff von Heimat.<br />

Vielleicht kennen Sie mich vom Sehen<br />

her, oder sogar persönlich. Ich wohne ganz<br />

am Ortsende, am Wasser, und meiner Familie<br />

gehört die Bootswerft Görrissen.<br />

Zurzeit mache ich an der Voltaireschule<br />

in Potsdam mein Abitur und werde dieses,<br />

hoffentlich erfolgreich, im Mai <strong>2019</strong> abschließen.<br />

So sehr ich <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> auch liebe,<br />

so stark ist ebenso der Wunsch ein Jahr im<br />

Ausland zu verbringen. Nach langer Suche<br />

habe ich dafür in den Evangelischen<br />

Freiwilligendiensten eine Organisation<br />

gefunden, die zu mir passt und die mich<br />

gern entsenden möchte. Mein Ziel: Die Metropole<br />

Athen in Griechenland. Dort möchte<br />

ich einen zehnmonatigen Freiwilligendienst<br />

in einem Wohnheim für psychisch<br />

kranke Personen und in einer deutschen<br />

Gemeinde vor Ort leisten. Vielleicht stellt<br />

sich nun dem einen oder anderen die Frage:<br />

Warum nicht gleich nach der Schule ein<br />

Studium oder eine Ausbildung beginnen?<br />

Nun, ich möchte in diesem Jahr meine<br />

Fähigkeiten einsetzen, um Menschen am<br />

Rande der Gesellschaft zu helfen und soziale<br />

Berufe zu erkunden. Dies erscheint<br />

mir momentan richtiger, als sofort eine<br />

Ausbildung oder ein Studium zu beginnen,<br />

bei dem ich dann vielleicht merke,<br />

dass es mir gar nicht gefällt. Vom „Diakonischen<br />

Jahr im Ausland“ erwarte ich,<br />

dass ich lebenspraktische Erfahrungen<br />

sammeln kann und diese nach dem Freiwilligendienst<br />

auch an andere Menschen<br />

in meinem privaten Umfeld, der Gemeinde,<br />

meiner ehemaligen Schule und für<br />

neue Freiwillige weitergeben kann.<br />

Ich möchte gern einen anderen Teil der<br />

Welt sehen, neue Menschen kennenlernen<br />

und eine andere Kultur erfahren. Außerdem<br />

interessiert mich, wie Menschen anderswo<br />

leben und ihren Alltag meistern.<br />

Ich würde gern etwas an die Menschen<br />

zurückgeben, die es vielleicht dringender<br />

benötigen als ich.<br />

Mein Freiwilligendienst wird zum<br />

Großteil über das Förderprogramm „Internationaler<br />

Jugendfreiwilligendienst“ finanziert.<br />

Ein Freiwilliger kostet die Organisation<br />

etwa 12.900 Euro. Es bleibt jedoch<br />

ein Defizit von etwa 3.000 Euro, der nicht<br />

durch das Förderprogramm getragen werden<br />

kann. Dabei handelt es sich um einen<br />

sogenannten Solidaritätsbeitrag, mit dem<br />

die Evangelischen Freiwilligendienste<br />

auch zukünftig junge Leute in fast alle<br />

Länder der Welt entsenden können.<br />

Um dies zu finanzieren, frage ich vor<br />

allem meine Familie, meine Freunde und<br />

Bekannte. Jedoch versuche ich auch, mir<br />

einen sogenannten Spenderkreis aufzubauen,<br />

der meinen Freiwilligendienst gern<br />

unterstützen möchte. Ich erwarte dabei keine<br />

riesigen Spenden und werde die Menschen,<br />

die mich finanziell unterstützen<br />

möchten, mit monatlichen Berichten auf<br />

dem Laufenden halten.<br />

Falls Sie noch nicht ganz überzeugt<br />

sind, ob das gespendete Geld auch gut<br />

angelegt ist, so kann ich Ihnen nur versichern,<br />

dass ich dort keinen zehnmonatigen<br />

Urlaub machen werde, sondern mit<br />

meiner Arbeit die oben genannten sozialen<br />

Projekte unterstützen werde.<br />

Der Evangelischen Freiwilligendienst<br />

ist außerdem bereit, jedem Spender eine<br />

Spendenquittung auszustellen, sofern<br />

dies gewünscht wird.<br />

Herzlichen Dank<br />

für Ihre Unterstützung!<br />

Für Fragen stehe ich zur Verfügung, sehr gern auch in einem persönlichen Gespräch.<br />

Schreiben Sie einfach an redaktion@wildpark-west.de, Stichwort: „Fredas Freiwilligendienst“<br />

170 JUNGE SEITEN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Illustration: Georg Jarek<br />

Hallo allerseits!<br />

Ich bin das Eichhörnchen und<br />

möchte Euch ab jetzt begleiten,<br />

im <strong>Wildpark</strong>-Heft auf Euren Seiten!<br />

Viele lustige Geschichten<br />

will ich Euch erzählen, aber auch<br />

Dinge, die mich richtig quälen. Zum<br />

Beispiel habe ich beobachtet, dass<br />

unsere schönen Bäume in <strong>Wildpark</strong><br />

zappzarapp abgesägt werden! Gerade<br />

sucht meine Käuzchen-Freundin<br />

aus der Schweizer Straße dringend<br />

ein neues Zuhause. Ihren Baum hat`s<br />

auch erwischt. Und morgen vielleicht<br />

meine alte Kiefer – oh je! Das tut richtig<br />

weh! Habt Ihr vielleicht eine Idee,<br />

was wir zusammen machen können?<br />

Ich freue mich über zahlreiche Post<br />

von Euch!<br />

Mmh – aber an wen könnt Ihr Sie<br />

senden? Ich habe ja noch keinen<br />

Namen – hätte aber so gerne einen!<br />

Helft Ihr mir dabei? Dann könnte<br />

mein Freund Heinzi, der Kater, auch<br />

nach mir rufen. Wir zwei spielen oft<br />

den ganzen Tag zusammen. Mal sind<br />

wir hier, mal sind wir da – na vielleicht<br />

begegnen wir uns ja demnächst auch<br />

einmal! Nun denn: Habt Ihr einen<br />

Namen für mich, dann schreibt ganz<br />

schnell – da freuʼ ich mich!<br />

Schreibt an:<br />

redaktion@wildpark-west.de<br />

Bis dahin und lasst es Euch gut gehen!<br />

EUER EICHHÖRNCHEN<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> JUNGE SEITEN 171


TIERE DER WALDSIEDLUNG<br />

Sciurus vulgaris –<br />

Unser Eichhörnchen<br />

VON EMILIA-MAGARETHA<br />

Eichhörnchen werden ohne<br />

Fell und mit geschlossenen<br />

Augen geboren und öffnen<br />

diese erst nach ein paar Tagen.<br />

Eichhörnchen sind mit den in<br />

Finnland und Nordrussland lebenden<br />

Flug-/Gleithörnchen verwandt.<br />

Das Eichhörnchen zählt zu den 28<br />

Hörnchenarten. Weitere Arten wären<br />

das Rothörnchen, kleinstes Baumhörnchen<br />

(Vereinigte Staaten), sein<br />

Fell ist rötlich-braun (das Eichhörnchen<br />

hat mehr rot im Fell und längere<br />

Haarbüschel an den Ohren und einen<br />

buschigeren Schwanz); Grauhörnchen,<br />

stammt aus Nordamerika, eingeführt<br />

in England und Irland, es ist<br />

größer als das Eichhörnchen und hat<br />

graues Fell.<br />

Eichhörnchen waren schon<br />

immer beliebte Tiere<br />

In Schnitzarbeiten und Mosaiken<br />

asiatischer und römischer Kultur fanden<br />

Forscher Abbildungen von Eichhörnchen.<br />

Das Eichhörnchen baut sich ein<br />

Nest, Kobel genannt, in einem Baum.<br />

Dieses besteht aus Zweigen und Blättern<br />

als Gerüst und Blättern, Moos<br />

und Bast als weiches Polster. Im Winter<br />

kann es sein, dass sich mehrere<br />

Eichhörnchen einen Kobel teilen, um<br />

sich gegenseitig zu wärmen.<br />

Für den harten Winter legt das<br />

Eichhörnchen Futterverstecke an<br />

und besucht auch gerne Futterstellen,<br />

wenn das richtige Futter für sie<br />

ausliegt.<br />

Die flinken Nager sind auch kleine<br />

Nesträuber und plündern gerne die<br />

Nester der Vögel, um an deren Eier<br />

zukommen.<br />

Bei Förstern sind Eichhörnchen<br />

nicht so beliebt, denn sie schädigen<br />

Bäume, wenn sie diese ringförmig abnagen.<br />

Art: Säugetier, Nagetier, Hörnchen<br />

Kopf-Rumpf-Länge: 21–25cm<br />

Gewicht: 250–460g<br />

Paarungszeit: zwischen Dezember<br />

und Anfang Juli<br />

Junge: nach 38 Tagen, 1–6 Junge,<br />

1–2 Würfe pro Jahr<br />

Lebensraum: Wald, Bäume<br />

Lebensweise: eher Einzelgänger,<br />

bauen sich Nester „Kobel“ in Bäumen<br />

Nahrung: Nadelbaumpflanzen,<br />

Rinde, Pflanzensäfte, Bucheckern,<br />

Nüsse, Pilze, Insekten, Eier<br />

Erkennungsmerkmale: rotes Fell<br />

(im Winter dichter und dunkler),<br />

buschiger Schwanz (Gleichgewichtshilfe)<br />

Vorkommen: quer durch<br />

ganz Europa und Asien<br />

Artenschutz: genug Lebensraum<br />

lassen, nicht alle Bäume<br />

fällen. Bedroht nicht nur durch<br />

wenig Platz, sondern auch<br />

durch das eingeschleppte<br />

dominantere Grauhörnchen<br />

Das Eichhörnchen mag:<br />

» » unterholzreiche Wälder, wo es sich<br />

gut vor Feinden verstecken kann<br />

und genügend Nahrung findet.<br />

» Tannenzapfen »<br />

abknabbern<br />

(Erkennung: unordentlich<br />

abgenagter Zapfen mit Schupf<br />

von Schuppen an der Spitze).<br />

» » große, verzweigte Bäume,<br />

wo es herum klettern und<br />

springen kann.<br />

Emilia-Magaretha (18) lebt mit<br />

ihren Eltern in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Foto: Rio Reiser, <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2018<br />

172 JUNGE SEITEN


Das Eichhörnchen<br />

VON MARGARETE<br />

Es war einmal ein Eichhörnchen.<br />

Das lebte in einer dicken<br />

Eiche. Als ein Sturm den<br />

Baum umschmiss, war das<br />

Eichhörnchen sehr traurig. Es hatte<br />

sogar schon Eicheln gesammelt. Und<br />

sie in den Blättern unter dem Baum<br />

versteckt. Leider fiel der Baum direkt<br />

auf das Eichellager. Ein Kater namens<br />

Heinzi bemerkte es, als er gerade<br />

seine Runden drehte und lief herbei.<br />

„Alles gut?“, fragte er. „Nein, so<br />

gar nicht!“, jammerte das Eichhörnchen.<br />

„Der Sturm schmiss meinen<br />

Baum um und das Eichellager ist auch<br />

dahin.“ Heinzi sah, dass es nicht gut<br />

war und schlug vor: „Komm mit mir in<br />

die Waidmannspromenade. Da gibt es<br />

auch noch eine dicke Eiche und mein<br />

Frauchen hat sogar für Eichhörnchen<br />

Eicheln und Haselnüsse gesammelt.“<br />

Das Eichhörnchen gab sich zufrieden.<br />

Ein wenig betrübt nahm es Abschied<br />

von seiner alten Behausung und lief<br />

dem Kater hinterher. Wenig später gelangten<br />

sie zu einer wunderschönen<br />

großen und knorrigen alten Eiche. Das<br />

Eichhörnchen sprang hinauf, hangelte<br />

sich übermütig von Ast zu Ast und zog<br />

glücklich ein in sein neues Heim.<br />

Bewaffnet mit Kochtopf und Keule<br />

Nach einigen Jahren im Herbst<br />

kamen Wildschweine und rochen die<br />

Eicheln und Haselnüsse. Sie schnüffelten<br />

und wühlten in der Erde und<br />

rannten immer wieder gegen die Eiche.<br />

Das Eichhörnchen hatte große<br />

Angst und verkroch sich in sein Nest,<br />

wo auch die Eicheln und Haselnüsse<br />

lagen. Die Wildschweine gaben nicht<br />

auf und stießen immer heftiger gegen<br />

den Baum. Die Äste am Baum erzitterten<br />

und die Erde bebte. Heinzi schlief<br />

derweil auf der Fensterbank im Garten<br />

seines Frauchens und ließ sich<br />

die wärmende Herbstsonne auf den<br />

Bauch scheinen. Plötzlich schreckte<br />

er hoch. „Was war das?“, grübelte er,<br />

„ein Gewitter, ein Wolkenbruch, ein<br />

Erdbeben?“ Sein Schwänzlein bog<br />

sich zu einem Besen und in Windeseile<br />

flog er dem Donnern entgegen.<br />

Ahjuuuhhh und schon saß er oben<br />

auf der Eiche und schaute den Wildschweinen<br />

frech ins Gesicht. „Hey<br />

ihr da? Was wollt ihr? Was wünscht<br />

ihr? Und können wir euch helfen?“,<br />

fragt Heinzi aus sicherer Entfernung.<br />

Keiner bemerkt, dass seine Ohren<br />

bereits anliegen und sein Buckel immer<br />

runder wird. „Wir riechen Futter<br />

und wir sind sehr hungrig!“, grunzen<br />

die Schweine im Chor. Mit einem Satz<br />

springt der Kater mutig ins Kartoffelbeet<br />

und preist die herrlichen Früchte.<br />

Er wühlt die schönsten und leckersten<br />

Kartoffeln aus der Erde und wirft<br />

sie den Schweinen vor die Füße. Genüsslich<br />

beginnt das große Schmatzen.<br />

Aus dem Haus tritt das Frauchen.<br />

Laut schreit es auf, als sie sieht, was<br />

mit ihrem Beet geschieht. Bewaffnet<br />

mit Kochtopf und Keule zieht sie gegen<br />

die Bande zu Felde und trommelt,<br />

dass sich die Äste biegen. Der Kater<br />

und die Schweine nehmen Reißaus,<br />

Heinzi in die eine, die Schweine aber<br />

in eine andere Richtung - weit weg<br />

von <strong>Wildpark</strong> <strong>West</strong>.<br />

Best friends forever<br />

Endlich kehrt wieder Ruhe ein.<br />

Ganz oben in der alten knorrigen Eiche<br />

sieht man das kleine Eichhörnchen<br />

zwischen Eichenblättern und<br />

Ästen hervor lugen. Es war froh und<br />

glücklich, so einen guten Freund zu<br />

haben. Als der Kater nach einiger Zeit<br />

nach Hause zurückkehrte, freute das<br />

Eichhörnchen sich sehr. BFF - Best<br />

friends forever, das haben sich die<br />

beiden geschworen und bis zum heutigen<br />

Tag sieht man sie gemeinsam<br />

durch den <strong>Wildpark</strong> streifen. Manchmal<br />

spielen sie auch Pferd und Reiter<br />

… und wenn sie nicht gestorben sind,<br />

dann spielen sie noch weiter.<br />

Die Autorin Margarete ist neun<br />

Jahre und lebt zusammen mit ihren<br />

Eltern in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Illustration: Georg Jarek<br />

174 JUNGE SEITEN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER<strong>2019</strong>


ZWISCHEN DEN BUCHDECKELN<br />

Die Schule der<br />

Magischen Tiere:<br />

Endlich Ferien!<br />

Rabbat und Ida<br />

JUHU!!! Endlich Ferien! Ida und ihr magischer<br />

Fuchs Rabbat freuen sich auf die Ferien im<br />

Hotel Azzuro. Der Prospekt sieht so schön aus!<br />

Aber dann kam die große Enttäuschung:<br />

Das Hotel wirkte irgentwie trostlos, auch am ersten<br />

Morgen, als Ida von ihrem Papa geweckt wurde.<br />

Sie hatte gar nicht gut geschlafen. Als sie mit<br />

ihren Eltern in die Frühstückshalle kam,<br />

steuerten sie auf einen Tisch zu, an<br />

dem bereits eine andere Familie saß. So<br />

war man wenigstens nicht allein.<br />

Später am Tag will Ida ihrer besten Freundin<br />

Miriam einen Brief schreiben. Leider hat sie keine<br />

Briefmarken dabei. Also geht sie nach unten zu<br />

Herrn Rossi am Empfang und kauft sich welche.<br />

Aber was ist das? Er hat seine Silberhaarperücke<br />

nicht auf. Was ist passiert? Warum trägt er<br />

seine Perücke nicht? Das und andere geheimnisvolle<br />

Dinge erfahrt ihr in dem Buch.<br />

Mir gefällt das Buch, weil es sich rund um<br />

Detektive dreht. Es ist spannend und<br />

lustig zugleich. Ich empfehle das<br />

Buch Kindern ab acht Jahren.<br />

Die Autorin Charlotte ist zehn Jahre alt und ist<br />

gerne bei ihren Großeltern in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Carlsen Verlag<br />

Autoren: Margit Auer, Nina<br />

Dulleck<br />

Größe: 14,80 x 21,00 cm<br />

Seiten: 224<br />

ISBN: 978-3-551-65331-4<br />

Preis: 12,00 € (Hardcover)<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> 175


Große Augen gibt es jeden Donnerstag in der Meusebach-Grundschule<br />

in Geltow – Lehrer und Schüler staunen, wenn eine kleine fröhliche<br />

Schar „Junge Naturfreunde“ von der Schule zum Schulbus zieht,<br />

um nach <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> zur Arbeitsgemeinschaft zu fahren.<br />

Aber auch aus Babelsberg und Werder kommen die Kids.<br />

Rotkäppchen und der Wolf<br />

VON BRIT MERTEN UND MARGARETE<br />

Rund um den Bürgerclub dreht sich einmal pro<br />

Woche alles um das Entdecken und Begreifen<br />

der Natur. Und die liegt hier ja zum Glück autofrei<br />

direkt vor der Tür! Über 20 gemeinsame und<br />

erlebnisreiche AG-Nachmittage liegen hinter uns, hier<br />

ein kleiner Rückblick auf unsere bisherigen Unternehmungen.<br />

Natur erleben<br />

Da uns das Wetter immer wohl gesonnen war, gab es<br />

bisher keinen Tag, an dem wir nicht hinaus konnten. So<br />

nutzten wir den Spätsommer zu einem Paddelbootausflug<br />

auf der Havel, einer Radtour ins Golmer Luch und für<br />

eine lange Wanderung von der Schule durch den <strong>Wildpark</strong><br />

bis zum Bürgerclub. Angenehmes mit Nützlichem zu<br />

verbinden macht dabei den Reiz unserer kleinen Expeditionen<br />

aus. So verbanden wir eine kleine Lehrstunde am<br />

von Einwohnern neu errichteten Amphibienzaun, um auf<br />

dem Weg dahin in einer <strong>Frühling</strong>s-Müllsammelaktion den<br />

Wald vor unserer Siedlung vom Unrat zu befreien. Zurück<br />

ging es gemeinsam auf dem Hänger des Traktors! Aber<br />

auch die kleinen Ausflüge, wo es immer viel zu entdecken<br />

gab, wie die herbstlichen Früchte und Blüten des Waldes,<br />

oder das Sammeln von Maulwurfserde fürs Schulbeet<br />

und vieles mehr haben uns gefallen.<br />

Heimische Vogelwelt<br />

Mit dem Thema heimische Vogelwelt haben wir uns<br />

intensiv beschäftigt. Auf unseren zahlreichen Ausflügen<br />

war immer ein Fernglas im Rucksack, so dass wir gut<br />

beobachten konnten, welche Vögel hier leben. Bei der<br />

Stunde der Wintervögel des NABU haben wir an verschiedenen<br />

Stationen fleißig mitgezählt und konnten eine erstaunliche<br />

Vielfalt erleben und so sehen, wer denn auch<br />

im Winter hier bleibt. Einige Arten waren leider sehr wenig<br />

vertreten und so haben wir überlegt, wie wir sie unterstützen<br />

können. Darum haben wir unter fachkundiger<br />

Anleitung Nistkästen und Futterhäuschen selbst gebaut,<br />

Wassertränken getöpfert und auch Vogelfutter selbst<br />

Fotos: Jana Fellenberg, Jim Kent, Carsten Sicora, Brit Merten<br />

176 JUNGE SEITEN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


herstellt. Unser großes Futterhaus im Garten des Bürgerclubs<br />

wird gut besucht und so ist die erste Aufgabe am<br />

Donnerstag immer das Füttern, welches mit großem Eifer<br />

erledigt wird. Und vielleicht haben wir Glück, dass in den<br />

Nistkasten, den wir im Februar aufgehängt haben sogar<br />

jemand einzieht. Das wäre toll!<br />

Ein Insektenhotel<br />

Besonders um die Insekten haben wir uns Gedanken<br />

gemacht. Warum brauchen wir sie, warum sind sie gefährdet<br />

und wie können wir ihnen helfen? Mit großer Begeisterung<br />

haben wir Pläne gezeichnet, wie denn unser Insektenhotel<br />

überhaupt aussehen soll und haben ganz viel<br />

Material gesammelt, um das Hotel auch komfortabel auszurüsten.<br />

Mit Überstunden und Feuereifer ist es dann an<br />

einem Nachmittag gelungen, das wirklich stattliche Insektenhotel<br />

zu bauen, einzurichten und anzubringen. Einmalig<br />

ist sicher das auf vielfachen Kinderwunsch integrierte<br />

Fledermaus-Appartement. Nun müssen wir nur noch den<br />

Hotelgästen ein umfängliches Buffet bieten. Eine Wildbienenwiese<br />

ist dafür genau das Richtige! Mit den Vorbereitungen<br />

haben wir bereits vor ein paar Wochen begonnen<br />

und sicher werden auch die Pflanzen in unseren Schulbeeten<br />

vom Appetit der Insekten profitieren.<br />

Bäume<br />

Ein spannendes Thema in der <strong>Waldsiedlung</strong> sind natürlich<br />

immer die Bäume. Wie alt, wie dick, wie hoch sind<br />

sie? Im <strong>Sommer</strong> waren sie ja leicht zu bestimmen, doch<br />

im Herbst ohne Belaubung bei unserer Schnitzeljagd am<br />

Nikolaustag war das schon recht kniffelig. Aber am Ende<br />

hatten es alle Gruppen geschafft, das Lösungswort zu<br />

finden und so konnte jedes Kind einen Naturkalender als<br />

Preis mit nach Hause nehmen.<br />

Für die beim Waldtag im April 2018 von den damaligen<br />

Klassen 4a und 4b der Meusebach-Grundschule gepflanzten<br />

jungen Kiefern haben wir die Baumpatenschaft<br />

übernommen, schließlich waren einige von uns bei der<br />

Pflanzung selbst mit dabei und so haben sie den ganzen<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> JUNGE SEITEN 177


trockenen <strong>Sommer</strong> lang immer genug Wasser bekommen.<br />

Ein bisschen sind sie sogar schon gewachsen.<br />

Forscherdrang<br />

Unterm Mikroskop haben wir unsere Fundstücke erforscht,<br />

in dicken Büchern nach Vögeln, Fröschen, Insekten<br />

und Pflanzen gesucht, wenn wir sie noch nicht<br />

kannten, gezeichnet, fotografiert oder beschrieben. Besonders<br />

spannend war der große Koffer, den uns die NAJU<br />

zur Verfügung stellte – denn Schlangenleder, Krokodilshaut,<br />

echtes Elfenbein und eine Kobra sieht man ja nicht<br />

jeden Tag und so konnten wir viel über den Artenschutz<br />

lernen. Auch einen Wolfsschädel und Spuren vom Wolf<br />

gab es anzufassen und zu Bestaunen. Dass er wirklich das<br />

Rotkäppchen im Ganzen verschlungen hat, scheint ob<br />

seiner Größe doch sehr erstaunlich.<br />

Weihnachtsbasteln<br />

Natürlich haben wir auch gebastelt, so gab es kleine<br />

Weihnachtgestecke für unsere Eltern – logisch natürlich<br />

nur mit Naturmaterialien. So sind schöne Dinge zum Verschenken<br />

oder den heimischen Garten sind entstanden.<br />

Deutschlandradio zu Besuch<br />

Und wir haben Radio gemacht – zum Thema Mumien.<br />

Anfangs ein bisschen gruselig, war es für uns alle ein unvergessener<br />

Nachmittag mit Radiomacher Klaus. Entstanden<br />

ist ein toller Beitrag, welchen wir uns dann natürlich<br />

schon zusammen einen Tag bevor es im Radio kam, angehört<br />

haben.<br />

Trotzdem: Reporter Klaus war ganz schön neugierig!<br />

Brot backen mit dem Jäger<br />

Abenteuerlich ging es auch beim gemeinsamen Brot<br />

backen zu. Draußen war es bitter kalt, während wir uns<br />

am warmen Ofen in der Zeit des Backens den Sinn der<br />

Tierhege in unseren Wäldern fachkundig erklären ließen.<br />

Überhaupt unterstützen uns sehr viele Einwohner aus<br />

Fotos: Jana Fellenberg, Jim Kent, Carsten Sicora, Brit Merten<br />

178 JUNGE SEITEN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


unserem Ort einfach so, weil sie die Arbeitsgemeinschaft<br />

gut finden. Danke dafür!<br />

Zusammenhalt<br />

Auch wenn wir aus unterschiedlichen Schulen unserer<br />

Gemeinde kommen, so haben wir hier einmal wöchentlich<br />

die Möglichkeit uns besser kennenzulernen, denn fast<br />

alle unserer zwölf Kinder kommen aus <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Unterstützung Willkommen<br />

Wer interessiert daran ist, mit unseren Kindern die<br />

Natur zu erleben und zu erforschen, den laden wir herzlich<br />

ein, uns beim Betreuen der Kinder oder mit Ideen und<br />

Materialien zu helfen. Trotz tatkräftiger Unterstützung all<br />

unserer Kooperationspartner ist der logistische und finanzielle<br />

Aufwand nicht zu unterschätzen. Fünf bis zwölf<br />

Erwachsene sind regelmäßig mit dabei, uns abwechslungsreiche<br />

Nachmittage zu bieten und die kleineren Kinder<br />

aus den Schulen abzuholen. Auch die Gemeinde ist<br />

uns behilflich, indem sie uns den Bürgerclub zur kostenfreien<br />

Nutzung am Donnerstag Nachmittag überlässt und<br />

sich an den laufenden Kosten der AG beteiligt. Auch die<br />

Geltower Schule sowie die NAJU Potsdam unterstützen<br />

uns sehr. Danke! So haben wir einmal pro Woche in der<br />

Schulzeit nachmittags eine spannende Freizeitbeschäftigung<br />

und lernen zudem viel Neues, was wir in unserem<br />

späteren Leben beim Umgang mit der Natur bestimmt gut<br />

gebrauchen können. Und für die Kinder des Jahres 2069<br />

haben wir eine Botschaft in die Zukunft geschrieben und<br />

sie an einem geheimen Ort vergraben: Sie mögen doch<br />

bitte, wie wir es auch schon versuchen, auf unser schönes<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> aufpassen und pfleglich mit unserer Natur<br />

umgehen!<br />

Auch wenn nach den Ausflügen in die nahe Umgebung<br />

die Schuhe manchmal etwas schmutzig waren - der Bürgerclub<br />

wird danach immer blitzeblank geputzt, damit<br />

die nachfolgenden „Rotkäppchen“ ihn sauber übergeben<br />

bekommen.<br />

Die Autorin Brit Merten,<br />

Jahrgang 1965, ist in Rathenow<br />

und in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

aufgewachsen, Bürokauffrau,<br />

hat drei Kinder und einen<br />

Enkel und ist in der Leitung der<br />

Arbeitsgemeinschaft „Junge<br />

Naturfreunde“ aktiv.<br />

Die Autorin Margarete ist<br />

neun Jahre alt, aktives Mitglied<br />

der Arbeitsgemeinschaft<br />

und lebt mit ihren Eltern<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

AG „Junge Naturfreunde“<br />

Jeden Donnerstag von 14:15 bis circa 16:15 Uhr<br />

Für Kinder der Klassenstufen 1 bis 5<br />

Kontakt über E-Mail:<br />

naturfreunde-wildpark-west@email.de<br />

Anmeldung erforderlich.<br />

Die Teilnahme ist kostenfrei.<br />

Eine Kooperation von Bürgerinitiative „<strong>Waldsiedlung</strong><br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“, Meusebach-Grundschule<br />

Geltow, Naturschutzkonzepte Dr. Gall Werder,<br />

NAJU Brandenburg.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> JUNGE SEITEN 179


Viele der Bewohner <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>`s wissen nicht, dass es hier einmal einen Jugendclub<br />

und zahlreiche Aktivitäten für junge Menschen gegeben hat. Über diese und deren<br />

Bedeutung für die Jugend möchten wir Sie an dieser Stelle informieren.<br />

Die Ente in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

VON AMELIE, BRITTA & ANNA<br />

Mit ungefähr 15 bis 20<br />

Jugendlichen in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

entstand die<br />

Idee eines eigenen Jugendclubs<br />

erstmalig im Jahre 1972.<br />

Bis dahin war es meist die Bushaltestelle<br />

am Marktplatz oder der Badestrand,<br />

die als Treffpunkt der Jugendlichen<br />

dienten. Unter Leitung<br />

von Dieter Lerch und Ingo Müller<br />

organisierten sich die Jugendlichen<br />

und meldeten den Jugendclub offiziell<br />

an. Frau Marianne Kuhl und ihr<br />

Mann Manfred stellten den Jugendlichen<br />

den Hinterraum der ehemaligen<br />

Gaststätte „Am Entenfang“ zur<br />

Verfügung und boten ihnen somit die<br />

erste Räumlichkeit. Der Club wurde<br />

vom Wirt der „Ente“, Manfred Kuhl,<br />

tatkräftig unterstützt und im Rahmen<br />

der Aktivitäten, die in der Gaststätte<br />

stattfanden, auch beaufsichtigt. Dieser<br />

erteilte - wenn nötig - manchmal<br />

auch ein Gaststättenverbot als kleine<br />

erzieherische Maßnahme.<br />

Holz spalten<br />

und einkaufen<br />

für die Rentner.<br />

Am Sonnabend in die Disco<br />

Die „Ente“ wurde zunächst für<br />

sämtliche Veranstaltungen und Clubversammlungen<br />

genutzt, wobei einmal<br />

pro Monat am Sonnabend die<br />

Disco stattfand. Das Eintrittsgeld<br />

wurde aufgrund der Nutzung privater<br />

Ausrüstung, wie z. B. Tonbandgeräten,<br />

Verstärker, Mischpult und Lichtanlage<br />

zu gleichen Teilen zwischen den DJ’s<br />

und dem Club aufgeteilt. Um weiteres<br />

Geld für clubinterne Veranstaltungen<br />

zu beschaffen, absolvierten die Jugendlichen<br />

Arbeiten für die Gemeinde.<br />

Diese umfassten zum Beispiel<br />

das Graben von Kabelgräben in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

oder die Bepflanzung des<br />

Umfeldes der damaligen Kaufhalle<br />

an der Ecke Am Ufer/Schweizer Straße.<br />

Die Hecke und die großen Fichten<br />

kann man dort heute noch sehen.<br />

Gemeinschaftsgedanke<br />

stand im Mittelpunkt<br />

Außerdem wurden noch weitere<br />

Arbeiten, wie etwa Holz hacken und<br />

einkaufen, für die Rentner erledigt,<br />

wobei dabei ausschließlich der Gemeinschaftsgedanke<br />

im Mittelpunkt<br />

stand. Gefreut hat man sich natürlich<br />

trotzdem über ein kleines symbolisches<br />

Taschengeld. Die Jugendlichen<br />

waren auch an weiteren Gemeinschaftsprojekten<br />

des Ortes beteiligt.<br />

Es war selbstverständlich, sich an<br />

dem zentral organisierten Frühjahrs-<br />

Fotos: Ingo Müller<br />

Arbeitseinsatz zur Gestaltung des Umfeldes der ehemaligen<br />

Kaufhalle: Martin Pratsch (Mitte) Bernd Wittkowski<br />

(hinten).<br />

Arbeitspause; Ralf Köhler, Axel Schmidt und Martin<br />

Pratsch.<br />

180 JUNGE SEITEN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


Lange Jahre dienten<br />

die Räumlichkeiten der<br />

Gaststätte „Am Entenfang“<br />

den Jugendlichen<br />

als Domizil.<br />

Foto: Klaus Köhler, um 1992<br />

Im Jahre 1974 wurde der Club als<br />

„Bester Jugendclub des Landkreises Potsdam“ ausgezeichnet.<br />

und Herbstputz zu beteiligen. Hier<br />

war es stets der Badestrand, der von<br />

Laub und Unrat befreit wurde. Auch<br />

bei den DDR-Meisterschaften im Angeln<br />

unterstützten die Jugendlichen<br />

die Erwachsenen des Anglervereins<br />

bei der Organisation und Durchführung.<br />

Beim sich anschließenden Anglerfest<br />

waren die DJ’s des Clubs für<br />

die musikalische Umrahmung und die<br />

Disco verantwortlich. Es war damals<br />

nicht einfach, es sowohl den Jungen,<br />

den Alten und den ganz Alten recht zu<br />

machen, zu unterschiedlich waren die<br />

musikalischen Geschmäcker.<br />

Während die Jugend auf Hardrock<br />

von Deep Purple, Black Sabbath, Led<br />

Zeppelin oder auf den sogenannten<br />

Glam Rock von Bands wie Sweet, Slade<br />

oder T. Rex standen, wollten die<br />

etwas Älteren die Musik von ABBA<br />

oder von beliebten DDR-Bands wie<br />

den Puhdys, City oder Karat hören<br />

und die noch älteren Besucher bevorzugten<br />

den deutschen Schlager, egal<br />

ob aus Ost oder <strong>West</strong>.<br />

URANIA Vorträge<br />

Darüber hinaus wurden in den<br />

<strong>Sommer</strong>ferien auch Diskotheken im<br />

Kinderferienlager der HO (Handelsorganisation<br />

der DDR) durchgeführt.<br />

Es gab aber auch weitere, selbst organisierte<br />

Freizeitangebote. So wurden<br />

in regelmäßigen Abständen über die<br />

URANIA interessante Vorträge zu Themen<br />

wie: „Raumfahrt“, „Fremde Kontinente“<br />

und „Sport“ organisiert. Der<br />

selbst hergerichtete Fußballplatz am<br />

Birkengrund, der sehr gern zum Spielen<br />

genutzt wurde, fiel leider ersatzlos<br />

den Baumaßnahmen für die sogenannten<br />

„Generalssiedlung“ zum<br />

Opfer.<br />

Der <strong>Wildpark</strong>er Jugendclub wurde<br />

in den Folgejahren immer bekannter<br />

und zog auch Jugendliche aus Potsdam,<br />

Ferch, Michendorf und Werder<br />

an. Im Jahre 1974 wurde er als „Bester<br />

Jugendclub des Landkreises Potsdam“<br />

ausgezeichnet. Der Preis war eine Rei-<br />

Musik vom Tonband und vom Dach der heutigen Anglerklause,<br />

an den Reglern: Ingo Müller<br />

Anglerfest auf dem Gelände der heutigen Anglerklause.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> JUNGE SEITEN 181


Nachdem die Nutzung der Räumlichkeiten<br />

im „Entenfang“ nicht<br />

mehr möglich war, wurde eine<br />

Baracke neben dem Grundstück<br />

des Angelvereins als Clubhaus<br />

errichtet.<br />

Foto: Klaus Köhler, um 1992<br />

se mit dem „Freundschaftszug“ in die<br />

damalige Sowjetunion, die Ingo Müller<br />

als Vorsitzender, stellvertretend<br />

für den gesamten Club, antreten durfte.<br />

„Und durch diese Zusammenarbeit<br />

mit den Kindern und Jugendlichen<br />

hat sich auch mein Berufswunsch<br />

Lehrer zu werden gefestigt“, erklärte<br />

Ingo Müller bei unserem Interview.<br />

Anfang der 80er Jahre wurde dann<br />

der Jugendclub von Karsten Stein und<br />

Ralf Köhler weitergeführt. Die Nutzung<br />

der Räumlichkeiten im „Entenfang“<br />

war nicht mehr in dem Maße<br />

möglich, wie es den Wünschen und<br />

Vorstellungen der Jugendlichen entsprach.<br />

Schließlich entschlossen sich<br />

die Verantwortlichen der Gemeinde<br />

Geltow, dem Jugendclub, neben dem<br />

Grundstück des Angelvereins, eine<br />

massive Baracke als Clubhaus zu errichten.<br />

Verwaltet wurde der Club<br />

dann von den Jugendlichen. Die gewünschte<br />

Technik wurde teilweise<br />

von der Gemeinde finanziert und so<br />

war es wieder möglich, gemeinsam<br />

Musik zu hören, sich zu unterhalten<br />

und Spaß beim Kartenspiel zu haben.<br />

Toralf Teschner kann sich auch<br />

noch gut daran erinnern, dass diese<br />

Veranstaltung, wenn im Winter möglich,<br />

mit sämtlichen technischen Geräten<br />

aufs Eis verlegt wurde. Leider<br />

fehlten aber die finanziellen Mittel<br />

für die Innenausstattung. In Eigeninitiative<br />

wurden viele Einrichtungsgegenstände<br />

organisiert bzw. selbst<br />

gebaut. Da der Club gleichzeitig aber<br />

auch als Bürgerclub und vor allem als<br />

Wahllokal dienen sollte, kam es zu<br />

Interessenskonflikten zwischen den<br />

verschiedenen Nutzern.<br />

Gesellschaftliche Veränderungen<br />

machten in den Folgejahren auch vor<br />

<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> nicht halt. Das Verhalten<br />

der Jugendlichen veränderte sich<br />

– nicht immer zum Besseren.<br />

Schließlich brannte das, nach Abriss<br />

der Baracke, als Treffpunkt der<br />

Jugendlichen genutzte Gebäude des<br />

Ferienlagers im Jahre 1989 ab. Nach<br />

dem Brand sind die Aktivitäten der<br />

Jugendlichen dann auch erloschen.<br />

Da heutzutage wieder mehr Jugendliche<br />

in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> wohnen, könnte<br />

man bei entsprechendem Interesse<br />

den Bürgerclub als Jugendclub<br />

nutzen. Über Anregungen würden wir<br />

uns freuen.<br />

Die Autorinnen Amelie (14),<br />

Britta (14) und Anna (15) leben mit<br />

ihren Familien in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Zeichnung: Ullrich Tietze, Januar 1988.<br />

DDR-Meisterschaft im Angeln auf der Schäferwiese.<br />

Mitte der 1970er Jahre<br />

Die Jugendlichen entwarfen, bauten und gestalteten die<br />

Baracke und das Umfeld um den Jugendclub selbst und<br />

mit Unterstützung der Gemeinde.<br />

182 JUNGE SEITEN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


RÄTSELSPASS<br />

Schnitzeljagd durch unseren Ort<br />

VON ELIO<br />

Auch diesmal lotse ich Euch durch die <strong>Waldsiedlung</strong>.<br />

Gesucht wird wieder ein Lösungswort.<br />

Einen kleinen Tipp will ich Euch geben:<br />

Es ist das Ziel vieler Einwohner in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>.<br />

Elio (12) lebt mit seiner<br />

Familie in <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

1. und 2. Buchstabe<br />

Startet am Marktplatz. Auf ihm befindet<br />

sich eine Bushaltestelle. Wie<br />

heißt die Firma, deren Bus zu dieser<br />

Haltestelle fährt? Nehmt den 6. Buchstaben<br />

als ersten Lösungsbuchstaben.<br />

Der zweite Lösungsbuchstabe<br />

ist einer der Vokale, der im Namen der<br />

Firma nicht vorkommt.<br />

3. und 4. Buchstabe<br />

Lauft nun bis zum Ortsausgangsschild<br />

Amselweg. Oben auf dem Schild stehen<br />

drei Wörter. Nehmt vom ersten<br />

und vom dritten Wort den jeweils<br />

zweiten Buchstaben.<br />

5. Buchstabe<br />

Lauft zurück bis an eine Stelle, an der<br />

sich viele Straßen treffen. Wenn Ihr<br />

Euch in die Mitte der Straße stellt, in<br />

wie viele Richtungen könnt Ihr dann<br />

gehen? Ordnet die Zahl entsprechend<br />

zu:<br />

A B C ... Z<br />

1. Straße 2. Straße 3. Straße 26. Straße<br />

6. Buchstabe<br />

Schaut in Richtung Marktplatz und<br />

dann nach links. Dort seht Ihr (eine)<br />

Straße(n). Lauft in die Straße, die nur<br />

aus einem Wort besteht. Nehmt den<br />

3. Buchstaben des Straßennamens.<br />

7. und 8. Buchstabe<br />

Lauft soweit in die Straße hinein, bis<br />

Ihr einen Gullideckel auf dem Boden<br />

seht. Sucht nach dem Namen der Firma<br />

und nehmt den 6. und 7. Buchstaben.<br />

9. Buchstaben<br />

Lauft die Straße entlang, bis Ihr zu<br />

einer Kreuzung kommt.<br />

Geht nach rechts zum Marktplatz. Sofort,<br />

wenn Ihr angekommen seid, seht<br />

Ihr rechts von Euch einen Stromkasten<br />

(eigentlich einen Telefonverteiler)<br />

von der Seite. Was seht Ihr unten auf<br />

der Seite des Stromkastens?<br />

Kleiner Tipp: Bestimmt das was Ihr<br />

seht, so genau, wie möglich. Gesucht<br />

wird der einzige Konsonant, der zweimal<br />

vorkommt.<br />

10. Buchstabe<br />

Schaut in Richtung Ufer. Etwa dort, wo<br />

die Havelpromenade beginnt, steht<br />

ein Schild mit Werbung. Gesucht<br />

wird der letzte Buchstabe vom ersten<br />

Wort ganz oben auf dem Schild.<br />

DAS LÖSUNGSWORT<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

FINDEN & GEWINNEN<br />

Um welches Ziel handelt es sich?<br />

Na, habt ihr auf Eurer „Schnitzeljagd“ alle beschriebenen<br />

Orte gefunden, die richtigen Buchstaben erkannt<br />

und das Lösungswort vollständig herausbekommen?<br />

Prima! Dann schickt die Lösung zusammen mit der des<br />

„Logicals“ und der „Anagramme“ an die Jugendredaktion<br />

unseres Magazins. Sollten mehrere richtige Lösungen<br />

eingegangen sein, entscheidet die Anzahl der<br />

richtigen Lösungen, ist auch hier Gleichstand, so muss<br />

das Eichhörnchen entscheiden: Wie oft hat es sich in<br />

SONNTAG<br />

15<br />

SEPTEMBER<br />

unserem Magazin in Fotos, Bild oder im Text versteckt?<br />

Der Gewinnerin oder dem Gewinner winkt ein Büchergutschein<br />

in Höhe von 25 Euro.<br />

Schreibt bitte an redaktion@wildpark-west.de<br />

Kennwort: Rätselspaß mit Elio. Und nicht vergessen:<br />

Wir suchen für das Eichhörnchen noch einen Namen ...<br />

Die Auflösung der Rätsel und den Namen der Gewinnerin<br />

oder des Gewinners findet Ihr dann in der nächsten<br />

<strong>Ausgabe</strong> unseres Magazins.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> JUNGE SEITEN 183


RÄTSELSPASS<br />

LOGICAL<br />

Wer hat lilafarbene Schuhe? Vier Personen warten an<br />

der Bushaltestelle „<strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> am Wasserwerk“. Alle<br />

machen verschiedene Dinge und haben verschiedene<br />

Jacken, Mützen und Schuhfarben<br />

1. Die Person mit der grünen Jacke sitzt neben<br />

der Person mit der blauen Jacke.<br />

2. Eine Person trägt eine weiße Jacke und<br />

hat keine grauen Schuhe.<br />

3. Eine Person isst ein Brötchen und hat eine<br />

gelbe Mütze.<br />

4. Die Person ganz links hat schwarze Schuhe<br />

und liest Zeitung.<br />

5. Die Person mit der blauen Jacke sitzt zwischen<br />

der Person, die Zeitung liest und<br />

der Person, die sich mit ihr unterhält.<br />

6. Die Person mit einer blauen Mütze und<br />

weißen Schuhen sitzt zwischen der Person<br />

mit der gelben Mütze und der Person<br />

mit der grünen Mütze.<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

7. Eine Person, die am Rand sitzt, hat eine<br />

schwarze Mütze.<br />

8. Eine Person, die nicht am Rand sitzt, hat<br />

eine graue Jacke.<br />

9. Wer also hat lila Schuhe?<br />

Anagramme<br />

Bringt die Buchstaben in die richtige Reihenfolge und Ihr erhaltet tierische Bewohner von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

ILEG<br />

WASCHN<br />

HÖRICHNECHEN<br />

PENBUSCHTT<br />

ALMES<br />

LEISEBAUM<br />

SUCHF<br />

NOTSTECKE<br />

184 JUNGE SEITEN WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


SCHACHECKE<br />

Daniel Willard Fiske (1831–1904) war zusammen mit Paul Morphy (1837–1884), einem der stärksten Schachmeister<br />

seiner Zeit, Herausgeber des New Yorker „Chess Monthly“, und machte Anfang 1858 seinem jugendlichen<br />

Problem-Mitarbeiter Sam Loyd den Vorschlag, zu einigen poetischen Ergüssen aus seiner Feder geeignete Schachaufgaben<br />

zu konstruieren. Auf diese Weise entstand bald eine Reihe von Geschichten wie „Die Sünde der Nonnen“ oder<br />

„Schachleben im Harem“. Eine dieser Erzählungen geht zurück auf eine Episode aus dem 18. Jahrhundert:<br />

Ein König in Bessarabien<br />

Der schwedische Soldatenkönig<br />

Karl XII. war 1709 nach<br />

der verlorenen Schlacht von<br />

Poltawa in die osmanische<br />

Stadt Bender geflüchtet und wurde<br />

dort von den Janitscharen des Sultans<br />

belagert. Das hinderte ihn jedoch<br />

nicht daran, im Quartier mit seinem<br />

Minister Grothusen Schach zu spielen,<br />

während ihnen feindliche Kugeln um<br />

die Ohren sausten. In der abgebildeten<br />

Position kündigte der Schwedenkönig,<br />

der die weiße Streitmacht<br />

führte, seinem Gegner gerade ein<br />

Matt in drei Zügen an, als eine türkische<br />

Kugel übers Brett pfiff und<br />

den Springer auf E1 zertrümmerte.<br />

Karl sah sich bereits nach einem<br />

neuen Springer um, hielt aber inne<br />

und meinte lächelnd: „Es geht auch<br />

ohne diese Figur, denn ich benötige<br />

sie nicht, um jetzt in vier Zügen<br />

mattzusetzen!“ Kaum hatte er den<br />

Satz beendet, als erneut eine Kugel<br />

heranschwirrte und den Bauern auf<br />

H2 wegfegte. Der Minister zuckte zusammen,<br />

doch Majestät meinte munter:<br />

„Sie stehen offensichtlich mit den<br />

Türken im Bunde, aber es hilft ihnen<br />

nicht: Jetzt setze ich ihren König in<br />

fünf Zügen matt!“<br />

Grothusen hatte offenbar genug<br />

von diesem nervtötenden Spiel, denn<br />

er floh am nächsten Tag aus dem<br />

schwedischen Lager und schloss sich<br />

der Gegenpartei an.<br />

Der Autor Albin Pötzsch,<br />

Jahrgang 1935, wurde<br />

südlich von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>,<br />

im brandenburgischen Kölsa<br />

geboren. Er ist verheiratet und<br />

hat zwei erwachsene Kinder.<br />

Der Diplomgermanist ist einer<br />

der populärsten Schachkolumnisten<br />

im deutschsprachigen<br />

Raum und veröffentlichte im<br />

Laufe von über 60 Jahren<br />

hunderte Anekdoten rund<br />

um das königliche Spiel.<br />

Als Cineast hob er in den<br />

1970er Jahren in Dresdens<br />

berühmten Rundkino<br />

„Die kleine Filmakademie“<br />

aus der Taufe.<br />

Der Berek Verlag Potsdam würdigt das Lebenswerk<br />

von Albin Pötzsch mit der Herausgabe einer Sammlung<br />

seiner schönsten Anekdoten aus den letzten zwanzig<br />

Jahren. Interessierte Leser können das Buch direkt<br />

über unsere Zeitschrift beziehen oder sogar mit etwas<br />

Glück gewinnen, wenn Sie die Lösung der drei in der<br />

Geschichte verborgenen Aufgaben finden.<br />

Einsendeschluss: 15. September <strong>2019</strong>. Lösung an Berek<br />

Verlag, Haeckelstraße 13, 14471 Potsdam,<br />

oder E-Mail: redaktion@wildpark-west.de.<br />

Bei mehreren richtigen Einsendungen entscheidet<br />

das Los, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Begebenheiten am<br />

Schachbrett, von Schach-<br />

Idioten und geklonten<br />

Großmeistern, inklusive<br />

„Besuch im Wiesengrund<br />

– Aus dem Leben<br />

des Albin Pötzsch,<br />

Herausgeber Carsten Sicora<br />

und Steffen Hoffmann.<br />

<strong>2019</strong>, 160 Seiten Hardcover,<br />

Berek Verlag Potsdam,<br />

Preis 14,00 €.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> SCHACHECKE 185


DIE RÄTSEL-LÖSUNGEN AUS DER HERBSTAUSGABE<br />

Schach, Seite 124<br />

Kreuzworträtsel, Seite 123<br />

A) Weiß am Zug gewinnt, doch nicht mit dem vermeintlich<br />

einfachen 1.Dxf6+?, wonach es nicht so recht weitergeht,<br />

sondern es entscheidet der Läuferausfall 1.Lh6!!,<br />

wonach die schwarze Festung löchrig wie ein Schweizer<br />

Käse wird. Gegen die Drohung 2.Dxf6 oder 2.Lxg7 gibt es<br />

keine befriedigende Antwort mehr.<br />

B) Auch diese Aufgabe in der rechten Spalte hatte es in<br />

sich: Matt in vier Zügen: Wäre Schwarz am Zug, würde das<br />

Läuferschach 1. … Lg6+ mittels 2.Sxg6 matt beantwortet<br />

werden. Deshalb … 1.Sd7! Unter Ausnutzung der Zwangslage<br />

des Nachziehenden setzt sich der weiße Monarch<br />

freiwillig den Schachgeboten des Läufers aus. Nichts<br />

bringt 1.c7? Wegen 1. … Se4! 1. .. Lg6+ Sämtliche Springer-<br />

sowie andere Läuferzüge führen durch 2.Tf3 ebenso<br />

zum Matt wie 1. ... g3 durch 2.Te4. 2.Kc4 2.Kc3? Se4!+<br />

2. … Lf7+ 2. … Lxc2 3.Tf3+ Ke4 4.Tf4 matt. 2. … Ld3+ 3.Txd3+<br />

Ke4 4.Tf3 matt. Auf alle anderen Züge entscheiden die<br />

gleichen Mattmotive wie einen Zug vorher: 2. ... Springer/<br />

Läufer beliebig 3.Tf3 matt. 2. ... g3 3.Te4 matt. 3.Kb4! g3<br />

4.Te4 matt. Auf alle anderen Züge folgt z. B. wieder 4.Tf3<br />

matt.<br />

Gewinner<br />

Schachgöttin Caissa entschied sich für einen Schüler aus<br />

dem Ortsteil Caputh, Lennhardt kann sich in den nächsten<br />

Tagen über die versprochene DVD freuen.<br />

Sudoku, Seite 125<br />

1 4 9 7 2 5 6 8 3<br />

2 3 5 6 4 8 1 9 7<br />

6 7 8 3 9 1 2 4 5<br />

5 6 1 9 7 2 4 3 8<br />

8 9 4 5 3 6 7 1 2<br />

7 2 3 8 1 4 5 6 9<br />

3 1 6 2 5 9 8 7 4<br />

4 5 7 1 8 3 9 2 6<br />

9 8 2 4 6 7 3 5 1<br />

9 3 1 4 5 8 7 2 6<br />

5 2 7 6 9 3 4 1 8<br />

6 4 8 2 1 7 9 5 3<br />

2 5 4 9 7 6 8 3 1<br />

7 6 3 8 4 1 5 9 2<br />

1 8 9 5 3 2 6 7 4<br />

4 9 6 3 2 5 1 8 7<br />

8 7 2 1 6 9 3 4 5<br />

3 1 5 7 8 4 2 6 9<br />

mittel schwer<br />

W I E K H A F E N<br />

A N G L E R K L A U S E L<br />

I E I E F T L E H M<br />

D I L L E T F R A M D P I<br />

M A T T E R A B E R<br />

A K T K I E F E R R E<br />

N E F I N N A M I T<br />

N A G E L S U A C<br />

A L Ä R C H E U H U<br />

L G E O I S E T<br />

W A L D S I E D L U N G N O<br />

W I E E R K A P<br />

K O N S U M L N O L I<br />

I E F U C H S W E G O L E<br />

T R E E T I G I A E<br />

Z U R P D I S S E L<br />

N A C H P F L A N Z A K T I O N<br />

Gewinner<br />

Mehrere richtige Lösungen gab es zum „Großen <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Kreuzworträtsels“ in der Herbstausgabe<br />

2018. Unter den richtigen Einsendungen wurde Martin<br />

Buchholz aus <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> als Gewinner ermittelt. Er<br />

darf sich in den nächsten Tagen über das Buch von Marianna<br />

von Klinski-Wetzel „Zur Geschichte des Schwielowsees<br />

und der drei Orte Caputh, Ferch und Geltow“<br />

freuen.<br />

Die Frage zum PA-Unterricht im Beitrag über Prof. Klingberg<br />

konnte Frau Dr. B. aus Werder (Havel) richtig beantworten.<br />

An sie geht in den nächsten Tagen ein Exemplar<br />

„Unterrichtstoff und didaktische Fragestellung“ des großen<br />

Gelehrten.<br />

Ganze Gruppen von Jugendlichen nahmen an der<br />

Schnitzeljagd von Elio teil. Hier entschied das Los für<br />

eine Schülerin aus Geltow: Tilda darf sich über einen<br />

Büchergutschein in Höhe von 25 Euro freuen.<br />

HIER<br />

könnte Ihre private Kleinanzeige stehen.<br />

Sie wollen etwas verkaufen, verschenken<br />

oder suchen etwas? Dann sind Sie hier richtig.<br />

Mit einer Kleinanzeige bei uns werden Sie<br />

ganze sechs Monate in der Gemeinde Schwielowsee,<br />

Werder und in Potsdam gelesen.<br />

Und das schon ab 15 Euro für 8 Zeilen Text.<br />

Fotoanzeigen kosten 25 Euro.<br />

Kontaktieren sie uns:<br />

E-Mail: anzeigen@wildpark-west.de<br />

Stichwort „Kleinanzeigen“<br />

186 WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


SUDOKU<br />

Die unten stehenden Diagramme sind mit den<br />

Zahlen von 1 bis 9 aufzufüllen. Jede Zahl darf in<br />

jeder Zeile, jeder Spalte und jedem 3 x 3-Feld<br />

nur einmal vorkommen.<br />

9 4 1<br />

7 3<br />

6 7 9 3 4<br />

6 2 9 4<br />

2 5 7<br />

4 1 8 6<br />

8 3 6 7 5<br />

4 5<br />

1 8 9<br />

Fortgeschritten<br />

2 6 7 5<br />

8 3 2<br />

1 8<br />

7 6 4<br />

5 8 4 7<br />

3 2 5<br />

9 6<br />

2 7 8<br />

8 3 6 2<br />

Profi


RÄTSELSPASS<br />

Das große <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

Kreuzworträtsel<br />

<br />

A7<br />

<br />

A8<br />

<br />

A9<br />

<br />

A10<br />

<br />

A11<br />

<br />

B4<br />

<br />

B6<br />

<br />

A8<br />

<br />

B12<br />

<br />

B13<br />

<br />

D2<br />

<br />

C3<br />

<br />

C5<br />

<br />

C7<br />

<br />

E8<br />

<br />

D9<br />

<br />

E10<br />

2<br />

<br />

D11<br />

<br />

C12<br />

1<br />

<br />

E13<br />

<br />

E14<br />

<br />

D15<br />

<br />

F3<br />

<br />

F7<br />

<br />

F9<br />

<br />

F13<br />

<br />

G1<br />

<br />

G2<br />

<br />

H2<br />

3<br />

<br />

H4<br />

<br />

H5<br />

<br />

G6<br />

<br />

H14<br />

<br />

G15<br />

<br />

G16<br />

<br />

I1<br />

<br />

I8<br />

<br />

I13<br />

<br />

I15<br />

<br />

J9<br />

<br />

J12<br />

<br />

J15<br />

4<br />

<br />

K1<br />

<br />

K2<br />

<br />

K7<br />

<br />

K14<br />

<br />

L1<br />

<br />

M1<br />

<br />

N1<br />

<br />

M6<br />

<br />

N6<br />

5<br />

6<br />

<br />

L9<br />

<br />

L10<br />

<br />

L11<br />

<br />

N12<br />

<br />

L13<br />

<br />

N14<br />

<br />

L15<br />

<br />

M15<br />

<br />

O5<br />

<br />

O8<br />

<br />

O11<br />

<br />

O15<br />

<br />

P1<br />

<br />

P2<br />

<br />

Q5<br />

<br />

Q8<br />

7<br />

<br />

Q11<br />

<br />

P12<br />

<br />

Q14<br />

<br />

P15<br />

<br />

R1<br />

<br />

T1<br />

<br />

S2<br />

8<br />

<br />

R3<br />

<br />

R4<br />

<br />

T5<br />

10<br />

<br />

U4<br />

9<br />

<br />

S8<br />

<br />

U8<br />

<br />

R9<br />

<br />

U10<br />

<br />

T11<br />

<br />

U12<br />

<br />

T13<br />

<br />

T15<br />

<br />

V3<br />

<br />

V7<br />

<br />

W7<br />

<br />

X5<br />

<br />

Y5<br />

11<br />

<br />

X7<br />

<br />

X10<br />

<br />

Y10<br />

DAS LÖSUNGSWORT<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11<br />

<br />

X12<br />

Illustration: Georg Jarek<br />

188 KREUZWORTRÄTSEL WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>


RÄTSELSPASS<br />

SENKRECHT<br />

A 8 Ausruf des Bedauerns oder Erstaunens<br />

A 9 Kraftfahrzeugkennzeichen für Unstrut-<br />

Hainich-Kreis (Mühlhausen/Thüringen)<br />

A 10 Gebäck mit „Jahresringen“<br />

A 11 frz.: im<br />

B 4 Kurzhaarschnitt beim Schaf<br />

B 6 gut kletternder Allesfresser<br />

B 12 englisches obergäriges Bier<br />

B 13 Stöpsel aus der Rinde eines Laubbaumes<br />

C 3 chem. Zeichen für Scandium<br />

C 5 Check up für den PKW<br />

C 7 chem. Zeichen für Cäsium<br />

D 2 Richtungsangabe<br />

D 11 Mitglied des Ortsbeirates von Geltow<br />

D 15 kleines, aber wichtiges Bauwerk im Ort<br />

E 8 Insekt, welches gewebeartige Nester baut<br />

E 14 Präposition<br />

F 3 Märchen, welches im März als Puppenspiel<br />

im Bürgerclub aufgeführt wurde<br />

F 7 Abk.: Gebietsentwicklungsplan oder<br />

Gemeinschaftswerk der Evangelischen<br />

Publizistik<br />

F 9 tschechischer Maler u. Grafiker (1860-1939)<br />

G 2 Abk.: Fräulein<br />

G 16 Stufenfolge von Windstärken<br />

H 4 Spur bei Modelleisenbahnen<br />

H 5 Stadt in Nordrhein-<strong>West</strong>falen<br />

H 14 frz. Artikel<br />

I 1 eigenwillige Handlung<br />

I 13 Abk.: Tangens<br />

J 12 Historische Einrichtung für bleifreie<br />

Geflügelgerichte<br />

K 2 dt. Komponist u. Musikpädagoge (1895-1982)<br />

K 7 gern getrunken<br />

L 9 Geplantes Bauwerk am Rande der<br />

<strong>Waldsiedlung</strong><br />

L 10 Abk.: lat. : vor Mittag<br />

L 11 Abk.: Kilopond<br />

L 13 historische Person der Region, Ritter<br />

M 6 DEFA-Schauspieler aus <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

(1928-1993)<br />

N 14 chem. Zeichen für Tellur<br />

O 5 einzige Allee der <strong>Waldsiedlung</strong>,<br />

die einem Vogel gewidmet ist<br />

O 8 Teil des Fußes<br />

O 15 chem. Zeichen für Ruthenium<br />

P 2 immens, gewaltig<br />

Q 11 Abk.: unter anderem<br />

Q 14 noch nicht fertig, erster Denkansatz<br />

R 3 internat. Bezeichnung für FI-Schutzschalter<br />

R 4 in der altägyptischen Religion die dem<br />

Menschen innewohnende Lebenskraft<br />

T 11 dt. Dichter und Publizist (1777-1811)<br />

T 13 zustimmende Antwort<br />

T 15 chem. Zeichen für Darmstadtium<br />

U 4 Besitz<br />

U 8 Fragewort<br />

U 10 Abk.: Hefnerkerze, frühere Lichtstärkeeinheit<br />

U 12 Abk.: Milliliter<br />

V 7 engl.: Zeichen<br />

X 5 Tonart<br />

X 10 Vorsilbe für zurück<br />

X 12 Abk.: Durchschlag (engl.)<br />

WAAGERECHT<br />

A 7 mittelgroßer Vogel<br />

B 8 früherer Name der Hauptstadt der<br />

türkischen Provinz Çanakkal<br />

C 3 bei einem Sieg steuerbegünstigtes<br />

Glücksspiel<br />

C 12 engl.: niedrig<br />

D 2 in der <strong>Waldsiedlung</strong> des Nachts oft zu<br />

hören, Begriff aus der Weberei<br />

D 9 Baum, eigentlich in Asien u. Amerika beheimatet,<br />

inzwischen auch im Ort kultiviert<br />

E 10 Niederschlag im Sport (Abk.)<br />

E 13 PKW-Marke<br />

F 3 zuversichtlich<br />

F 13 Fluss in Nordwest-Deutschland<br />

G 1 Abk.: Schweizer Franken<br />

G 6 macht man oder bekommt man<br />

G 15 Abk.: Selbstbedienung<br />

H 2 Märchen, in welchem Werner Dissel<br />

mitgespielt hat; beliebtes Getränk<br />

H 14 dem Wind abgewandte Seite<br />

I 1 Apfelsorte<br />

I 8 nicht immer reibungsfreie Lebensgemeinschaft<br />

von Mann und Frau<br />

I 13 Gewicht der Verpackung einer Ware<br />

J 9 nicht aus<br />

J 12 untere Etage (Abk.)<br />

J 15 chinesischer Vorname<br />

K 1 rundliches Gemüse, was auch im<br />

heimischen Beet gedeiht<br />

K 14Abk.: reformiert<br />

L 1 Abk: Arkansas<br />

L 9 engl.: Tatsachen<br />

L 15 Kraftfahrzeugkennzeichen für Rosenheim<br />

M 1 Verkehrsstrategische Einrichtung in<br />

Potsdam zur Minderung der<br />

Feinstaubemissionen in der Innenstadt<br />

M 15 Abk.: Krone<br />

N 1 Rundfunkdienst für die Angehörigen der<br />

amerikanischen Streitkräfte<br />

N 6 Personalpronomen<br />

N 12schlimme Lage<br />

O 5 Abk.: Abgasuntersuchung<br />

O 8 chem. Zeichen für Zirkonium<br />

O 11 ugs.: des Öfteren<br />

P 1 man strampelt sich ab wird L 9 aber nie<br />

damit überqueren<br />

P 12 Abk.: astronomische Einheit<br />

P 15 Abk.: United Kingdom<br />

Q 5 chem. Zeichen für Stannum (Zinn)<br />

Q 8 nicht sehr ehrenhafte Person<br />

R 1 staut sich regelmäßig an M1<br />

R 9 schräg<br />

S 2 Veranstaltungsort in Werder<br />

S 8 Strom in Sibirien<br />

T 1 schützt das Auge<br />

T 5 Abk.: Weltgesundheitsorganisation<br />

T 13 scherzhaft für abgelegen<br />

U 4 richtungsweisend<br />

U 8 Feind des Gärtners<br />

V 3 Handlung beim Schach<br />

V 7 man könnte davon herunterstürzen<br />

W 7 Vertretungskörperschaft der<br />

gewerblichen Wirtschaft (Abk.)<br />

X 7 Wildkraut, was sich gut im Salat<br />

verwenden lässt<br />

Y 5 danach fragt man oft<br />

Y 10 Abk.: lat. : und so weiter<br />

LÖSEN & GEWINNEN<br />

SONNTAG<br />

15<br />

SEPTEMBER<br />

Sie haben das Osterei gefunden und das Lösungswort<br />

notiert? Dann schicken Sie bitte das Ergebnis<br />

Ihres Nachdenkens an die Redaktion unseres Magazins<br />

„<strong>Waldsiedlung</strong> <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong>“, Kennwort: „Osterrätsel“.<br />

Unter den richtigen Einsendern verlosen wir diesmal<br />

ein Abendessen für zwei Personen im Wert von 75 Euro<br />

im Ausflugslokal Kades Restaurant „Am Pfingstberg“.<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Auflösung des<br />

Rätsels und den Namen der Gewinnerin oder des Gewinners<br />

finden Sie dann im nächsten Heft.<br />

WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong> KREUZWORTRÄTSEL 189


EPILOG<br />

Auf Zeitreise<br />

Vor einigen Wochen haben die Kinder<br />

unserer Arbeitsgemeinschaft „Junge<br />

Naturfreunde“ an ihre Altersgefährten<br />

des Jahres 2069 einen Brief<br />

geschrieben und ihn an geheimer Stelle am<br />

Rande der <strong>Waldsiedlung</strong> vergraben.<br />

In ihrer Botschaft bitten sie ihre gleichaltrigen<br />

Nachkommen – genauso wie sie<br />

es heute schon tun – alles zu unternehmen<br />

damit die <strong>Waldsiedlung</strong> für ihre Bewohner<br />

auch in der Zukunft so lebenswert bleibt<br />

und die Natur und die Tierwelt mit Respekt<br />

und Achtung behandelt werden. Bis unsere<br />

kleinen <strong>Wildpark</strong>er aber die Geschicke<br />

selber in die Hand nehmen können, ist es<br />

unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass zu<br />

unser aller Wohl die Umwelt geschont und<br />

in einem ordentlichen Zustand den Generationen<br />

nach uns übergeben werden kann.<br />

„Willkommen in der <strong>Waldsiedlung</strong>!“ Wie<br />

schnell doch die Zeit vergeht! Erst im Herbstheft<br />

2018 hatten wir uns gewünscht, dass zum<br />

100. Geburtstag von <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong> 2033 die<br />

Lücken im Baumbestand wieder geschlossen<br />

und die Besucher an den Ortseingängen mit<br />

diesem freundlichen Spruch willkommen geheißen<br />

werden sollen. Die beiden Schilder mit<br />

den Eichhörnchen haben wir schon und sind<br />

nun dabei, gemeinsam junge Bäume nachzupflanzen.<br />

Auch wenn aus den „Birken für den<br />

Birkengrund“ inzwischen Rotdorn geworden<br />

ist – auf unser gemeinsames Wollen kommt es<br />

an! Helfen sie uns dabei und schonen sie – da<br />

wo es sinnvoll möglich ist – unseren wertvollen<br />

Altbaumbestand. Wenn es uns gelingt, die entstandenen<br />

Lücken der Vergangenheit in zwei<br />

Jahrzehnten wieder zu schließen, können auch<br />

„stürmische Zeiten“ uns nichts mehr anhaben.<br />

ULLRICH TIETZE & CARSTEN SICORA<br />

THEMEN IM NÄCHSTEN HEFT<br />

PORTRÄT<br />

Kleine Welt ganz groß<br />

Puppenspielerin Doreen Arnold<br />

MORAL UND ETHIK<br />

Von der Kunst des Zusammenlebens<br />

PORTR ÄT<br />

Ein Kolumbus auf der Havel<br />

Der Schauspieler Willi Neuenhahn<br />

WIESE GALLIN<br />

Historische Alleen: Teil 3<br />

Die Königsallee (Waidmannpromenade)<br />

STUDIE<br />

Frankensteins Urenkel<br />

Harmonisierung menschlichen Denkens<br />

ARCHITEKTUR<br />

Die Villa Schaumkessel<br />

REPORTAGE<br />

Am Fuße der Entenfängerberge<br />

Militärhistorische Betrachtung der <strong>Waldsiedlung</strong><br />

WIESE GALLIN<br />

... und die Pächter von Werder<br />

Änderungen natürlich vorbehalten.<br />

Sie möchten die Nachpflanzaktion „Rettet die <strong>Waldsiedlung</strong>“ unterstützen?<br />

Kontaktieren Sie uns! Jede/r MitstreiterInn ist willkommen.<br />

WALDSIEDLUNG WILDPARK-WEST<br />

IBAN DE70 1007 7777 0494 4054 00<br />

Verwendungszweck: Gemeinsam für <strong>Wildpark</strong>-<strong>West</strong><br />

190 DIE LETZTE SEITE WILDPARK WEST FRÜHLING/SOMMER <strong>2019</strong>

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