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Welt am Sonntag | kompakt 05.05.2019

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Kind und Smartphone<br />

So halten Sie den<br />

Konsum in Grenzen S. 22<br />

Sozialistische Ideen<br />

Kevin Kühnert folgt nur<br />

einer gefährlichen Mode S. 4<br />

DEUTSCHLANDS GROSSE SONNTAGSZEITUNG GEGRÜNDET 2010<br />

5. MAI 2019 NR. 18 3,00 € W<br />

Tonne?<br />

W<br />

as gehört in die<br />

A 3,30 € • CH 4,30 CHF • E 3,70 € • GR 3,70 € • I 3,70 € • L 3,30 € • NL 3,30 €<br />

Die Deutschen sind<br />

<strong>Welt</strong>meister im Mülltrennen.<br />

Und dabei ahnungslos. In der<br />

Gelben Tonne landen zur<br />

Hälfte Dinge, die da nicht<br />

reindürfen. Ein Ratgeber<br />

Seiten 18 und 19<br />

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung WELT <strong>am</strong> SONNTAG KOMPAKT-2019-05-05-ad_rom-20 d303819bfe5e76bd858c8f6bd6d14bdc


2 AUS ALLER WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

LESEN SIE IN DIESER AUSGABE<br />

Deutschland & die <strong>Welt</strong><br />

• Sozialismus: Geht’s wieder los? 4<br />

• Gauland: Wohin steuert die AfD? 8<br />

• Mülltrennung: Was läuft schief?<br />

18<br />

Wirtschaft & Finanzen<br />

• Handystreit: Eltern vs. Kinder 22<br />

• Mietfaktor: Hohe Nebenkosten 24<br />

• Expertenrat: Kluge Geldanlage 29<br />

Kultur<br />

• „Tatort“-Kommissarin: Almila Bagricik 32<br />

• „Matrix“-Tüftler: John Gaeta 34<br />

• Musik-Frauen: Clara Schumann & Co. 36<br />

Stil & Reisen<br />

• Statt Spargel: Erbsen essen! 40<br />

• Allein sein: Breitmachen im Zugabteil 46<br />

• Schlösser: Tour durch Niederschlesien 48<br />

Sport<br />

• Franz, wie war das d<strong>am</strong>als? Wie geht’s dir<br />

heute? <strong>Welt</strong>meister fragen den „Kaiser“ 56<br />

• Die Königin der Rhein-Neckar Löwen 60<br />

ZITATE<br />

„Am Ende ist es aber nur<br />

Fernsehen. Ich musste keine<br />

Fabrik schließen und 500 Leute<br />

in die Arbeitslosigkeit schicken“<br />

Steffen Henssler<br />

Der TV-Koch in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ über sein Scheitern<br />

mit der Show „Schlag den Henssler“<br />

„Die Erde s<strong>am</strong>melt wie ein<br />

Wischmopp kleine Reste des<br />

Kometen auf“<br />

Sven Melchert<br />

Der Vorsitzende der Vereinigung der Sternfreunde erklärt, warum im<br />

Mai besonders viele Sternschnuppen zu sehen sind: Die Erde kreuzt die<br />

Bahn des Kometen Halley. Höhepunkt des Spektakels ist die Zeit um<br />

den 6. Mai<br />

ZAHLEN<br />

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TITEL: GETTY IMAGES (10); GETTY IMAGES/MASKOT; DPA PICTURE-ALLIANCE/GREGOR FISCHER<br />

So rinnt die Zeit<br />

Parken Anderswo wird mit<br />

dem Smartphone bezahlt.<br />

Die Stadt Cloppenburg setzt<br />

auf die Sanduhr – allerdings<br />

will sie d<strong>am</strong>it auch nicht<br />

abkassieren, sondern ge-<br />

währt Autofahrern freie<br />

Parkzeit. Wer seinen Wagen<br />

auf einem öffentlichen, ge-<br />

bührenpflichtigen Platz<br />

abstellt, darf dort 15 Minuten<br />

umsonst stehen, sofern er<br />

eine Sanduhr an die Windschutzscheibe<br />

pappt. Und<br />

während man bei der Post<br />

auf Päckchen wartet, rieselt<br />

der Sand durch. Gültig sind<br />

nur Uhren, die die Stadt für<br />

drei Euro das Stück ausgibt.<br />

Am ersten Tag waren schon<br />

300 verkauft.<br />

Anspruch und Alltag: So isst Deutschland<br />

Angaben* in Prozent<br />

85<br />

Prozent der Deutschen sind<br />

mit der eigenen Ernährung<br />

nicht zufrieden,<br />

und werfen sich u.a. vor:<br />

abendliche Heißhungerattacken<br />

zu wenig Obst und Gemüse<br />

zu viel Fett<br />

zu wenig Zeit zum Essen<br />

Ernährung spielt eine große Rolle für mich, sagen:<br />

Insges<strong>am</strong>t<br />

höhere soziale Schichten<br />

niedrigere soziale Schichten<br />

Um Ernährung wird zu viel Wirbel gemacht:<br />

Insges<strong>am</strong>t<br />

niedrigere soziale Schichten<br />

<br />

()<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

()<br />

()<br />

()<br />

()<br />

()<br />

* Umfrage unter 1636 Menschen in Deutschland zwischen 14 und 84 Jahren;<br />

Quelle: Nestlé-Studie 2019 „So is(s)t Deutschland“<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 AUS ALLER WELT 3<br />

NACHRICHTEN<br />

GEGEN EINSAMKEIT<br />

SPD fordert Regierungsbeauftragten<br />

Die SPD fordert einen Regierungsbeauftragten, der sich um<br />

Eins<strong>am</strong>keit und Eins<strong>am</strong>keitsschäden in der Gesellschaft kümmert.<br />

„Bisher wurde die Zahl der Krankheiten, die durch Eins<strong>am</strong>keit<br />

ausgelöst werden, unterschätzt“, sagte SPD-Gesundheitsexperte<br />

Karl Lauterbach der WELT AM SONNTAG. Auch<br />

Marcus Weinberg, F<strong>am</strong>ilienexperte der CDU/CSU-Fraktion,<br />

sprach sich für mehr Angebote für eins<strong>am</strong>e Menschen aus.<br />

BILDER DER WOCHE<br />

Ein Herz und<br />

eine Krone<br />

Ein N<strong>am</strong>e, den man sich merken muss<br />

Maha Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun<br />

ist nun das gekrönte Oberhaupt der Thailänder.<br />

Man kann sich aber auch R<strong>am</strong>a X einprägen,<br />

so sein offizieller N<strong>am</strong>e. Am S<strong>am</strong>stag<br />

setzte er sich die 7,3 Kilo schwere „Krone des<br />

Großen Sieges“ auf. Vajiralongkorn, 66, tritt die<br />

Nachfolge seines Vater an; König Bhumibol, der<br />

2016 starb, hatte das Land 70 Jahre regiert.<br />

Sein Sohn, ein ausgebildeter K<strong>am</strong>pfpilot, galt<br />

als Playboy. Königin Suthida, 40 (gr. Foto), ist<br />

seine vierte Ehefrau. Die beiden leben seit<br />

Jahren zus<strong>am</strong>men, haben aber haben erst wenige<br />

Tage vor der Krönung geheiratet. Es freuten<br />

sich übrigens auch die Bayern: „Unser Thai-<br />

Kini“, wie der „Merkur“ titelte, weilt oft <strong>am</strong><br />

Starnberger See und hat dort eine Villa.<br />

KONFLIKT MIT SÜDKOREA<br />

Nordkorea feuert Geschosse ab<br />

Südkorea zeigt sich beunruhigt über ein neues Säbelrasseln<br />

des nördlichen Nachbarn. Nach Angaben des südkoreanischen<br />

Militärs feuerte der Norden mehrere „unidentifizierte Kurzstreckengeschosse“<br />

vor dessen Ostküste ins Meer. Nordkorea<br />

ist wegen seines Atom- und Raketenprogr<strong>am</strong>ms international<br />

mit Sanktionen belegt. Ein Gipfeltreffen von Machthaber Kim<br />

Jong-un mit US-Präsident Donald Trump zur Lösung des<br />

Konflikts wurde im Februar ergebnislos abgebrochen. Die<br />

Spannungen verschärfen sich seitdem wieder.<br />

NEUE INITIATIVE<br />

Organspende-Entwurf <strong>am</strong> Montag<br />

Eine Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock<br />

will <strong>am</strong> Montag einen Organspende-Gesetzentwurf<br />

vorlegen. „Unser Vorschlag sieht vor, dass der Hausarzt seine<br />

Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über die Organ- und<br />

Gewebespende berät und sie zur Eintragung in das Onlineregister<br />

ermutigt“, sagte Baerbock der Funke-Gruppe. Mit ihr<br />

werden Karin Maag (CDU), Hilde Mattheis (SPD), Katja Kipping<br />

(Linke) und Otto Fricke (FDP) das Papier präsentieren.<br />

BRUCHLANDUNG IN USA<br />

Boeing 737 rutscht von Landebahn<br />

Bei einer spektakulären Bruchlandung in Florida sind die 143<br />

Insassen einer Boeing 737 mit dem Schrecken davongekommen:<br />

Die Maschine k<strong>am</strong> bei der Landung während eines Gewitters<br />

von der Fahrbahn ab und rutschte in einen Fluss. Die<br />

136 Passagiere und sieben Crew-Mitglieder konnten die Maschine<br />

über die Tragflächen verlassen. Der befehlshabende<br />

Offizier <strong>am</strong> Flughafen Jacksonville, sprach von einem „Wunder“,<br />

dass es keine Schwerverletzten oder Todesopfer gegeben<br />

habe. Die Ursache des Unglücks war zunächst unklar. Die<br />

US-Luftsicherheitsbehörde NTSB untersucht den Fall.<br />

38<br />

Wen will ich? Wer Entscheidungshilfe für die Europawahl<br />

braucht, kann ab sofort den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung nutzen. Unter www.wahl-o-mat.de/<br />

europawahl2019 kann man 38 Thesen zu Feldern der EU-<br />

Politik bewerten. Die Antworten zeigen, mit welcher von acht<br />

Parteien man <strong>am</strong> ehesten übereinstimmt.<br />

1/2<br />

BRÜCKE<br />

THESEN<br />

Autobahnneubau Mithilfe einer<br />

Bahn aus Spüli oder Fett wollen<br />

Ingenieure im Sauerland eine<br />

halbe Autobahnbrücke verschieben.<br />

Der 100.000 Tonnen schwere<br />

Abschnitt der A45-Brücke von<br />

Wilnsdorf soll auf Schiebebahnen<br />

bewegt werden. Losgehen<br />

soll es im Jahr 2022.<br />

Zu freundlich<br />

Lesen hilft Gleich mehrere<br />

Briefe hat der Energieversorger<br />

NEW einer Kundin<br />

geschickt und zum Umzug<br />

in ein neues Zuhause gratuliert<br />

– die 94-Jährige war<br />

aber kurz zuvor verstorben.<br />

Nachdem ihr Sohn dem<br />

Versorger die Sterbeurkunde<br />

zugesandt und um Umstellung<br />

des Stromanschlusses<br />

gebeten hatte, trafen<br />

Schreiben an seine Mutter<br />

ein. „Danke, dass Sie uns<br />

über Ihren Auszug informiert<br />

haben“, begann einer<br />

und riet zum 24-Stunden-<br />

Online-Service. Der Sachbearbeiter<br />

habe wohl vergessen,<br />

Textbausteine zu<br />

löschen, erklärte die Firma.<br />

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Danke, M<strong>am</strong>a!<br />

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Das ist kein Ring - sondern eine der schönsten Liebeserklärungen<br />

zum Muttertag.


Hoffnungen zerstört<br />

Venezuela nach einer<br />

dr<strong>am</strong>atischen Woche S. 6<br />

Aktive Kämpferinnen<br />

IS-Frauen waren häufig<br />

<strong>am</strong> Terror beteiligt S. 10<br />

LINKSRUCK<br />

Populisten<br />

aller Länder<br />

A<br />

Als im November 1989 die <strong>Welt</strong> des Kalten Krieges unterging,<br />

da betete jeder, der sich für gebildet oder gar<br />

für einen Intellektuellen hielt, Francis Fukuy<strong>am</strong>as<br />

These vom „Ende der Geschichte“ nach. Der <strong>am</strong>erikanische<br />

Politikwissenschaftler hatte sie im Sommer<br />

desselben Jahres in der Zeitschrift „National Interest“<br />

dargelegt und angesichts des gewaltigen Widerhalls<br />

bald ein Buch vom Umfang eines Ziegelsteins nachgereicht.<br />

Alle glaubten Fukuy<strong>am</strong>a und sahen mit dem<br />

Sieg des freien Marktes und des Liberalismus das Ende<br />

des hegelschen <strong>Welt</strong>enlaufes gekommen: paradiesische<br />

Zustände.<br />

VON JACQUES SCHUSTER<br />

Spätestens nach dem 11. September 2001 – den Terroranschlägen<br />

in den Vereinigten Staaten – sprachen<br />

dieselben Zeitgenossen, die Fuky<strong>am</strong>a eben noch gepriesen<br />

hatten, von seinem Werk wie von einem jählings<br />

abgestürzten Aktienpaket, dessen Wert nur Einfaltspinsel<br />

nach oben getrieben haben. Wie konnte die<br />

<strong>Welt</strong> so naiv sein zu glauben, der Liberalismus sei<br />

künftig auf ewig vor totalitären Angriffen gefeit, fragten<br />

sich viele mit demselben überheblichen Blick, mit<br />

dem sie Fukuy<strong>am</strong>a zuvor bewundert hatten.<br />

Ähnlich ergeht es einem anderen Zitat, das weniger<br />

bekannt ist und dennoch seine Verbreitung fand. Es<br />

st<strong>am</strong>mt von Leszek Kolakowski. Mit Blick auf die Zukunft<br />

des Kommunismus stellte der in Oxford lehrende<br />

Philosoph fest: „Dieser Totenkopf wird nie wieder<br />

lächeln.“<br />

Heute weiß man: Der Schädel grinst wieder. War<br />

noch vor Jahren die Mehrheit der Menschen im Westen<br />

davon überzeugt, dass sowohl der Kommunismus<br />

als auch der Sozialismus nach den historischen Irrtümern<br />

und Verbrechen <strong>am</strong> Ende sei, so gewinnen einige<br />

seiner Ideen gegenwärtig erneut an Kraft. Der Sozialismus<br />

ist zurück – nicht oder noch nicht als große<br />

Bewegung, als das altbekannte Abrakadabra vom<br />

Klassenk<strong>am</strong>pf und schon gar nicht als Sowjet-Bolschewismus.<br />

Eher als ein diffus-dumpfes Verlangen nach frischem,<br />

warmem Wind, nach Gerechtigkeit, Wandel<br />

und Systemveränderung, kurzum, nach dem Abschied<br />

vom ach, so kalten Kapitalismus und mit ihm auch<br />

von einigen Säulen der repräsentativen Demokratie.<br />

Plötzlich wird die Enteignung zum Schlagwort der<br />

Stunde, gefolgt von dem Gedanken, der Parl<strong>am</strong>entarismus<br />

sei nur bedingt demokratisch, weil er nicht<br />

den wahren Volkswillen widerspiegele. Aus diesem<br />

Grund müsse er durch die direkte Demokratie, durch<br />

eine Gender-Ständevertretung und organisierte Genossenschaften<br />

ersetzt werden.<br />

Dabei allein bleibt es nicht. Die westliche <strong>Welt</strong> lebt<br />

nicht nur <strong>am</strong> „Ende des liberalen Zyklus“, wie der<br />

französische Politikwissenschaftler Jacques Rupnik<br />

feststellte, sie wandert auch durch das Zeitalter des<br />

Populismus. Starrte die Mehrheit der Deutschen trotz<br />

des Sieges der Syriza-Partei in Griechenland, des überraschenden<br />

Erfolgs der spanischen Podemos, des demokratischen<br />

Präsidentschaftsbewerbers in den Vereinigten<br />

Staaten Bernie Sanders und des zeitweiligen<br />

Aufwinds des britischen Labour-Chefs Jeremy Corbyn<br />

vor allem auf die Rechtspopulisten in Frankreich und<br />

hierzulande, so nimmt sie nun allmählich wahr: Der<br />

Populismus kann auch links und deutsch sein.<br />

Die Reaktionen auf Kevin Kühnerts Gespräch in der<br />

„Zeit“ belegen es. Dort sprach der Juso-Chef in dieser<br />

Woche von seinen sozialistischen Träumen, beklagte<br />

Aktien- und Immobilienbesitz und verstieg sich zu<br />

dem Wunsch, große Unternehmen wie Siemens oder<br />

BMW zu verstaatlichen. „Was unser Leben bestimmt,<br />

soll in der Hand der Gesellschaft sein und demokratisch<br />

von ihr bestimmt werden“, sagt Kühnert. Ein<br />

Satz, den auch Rechtspopulisten unterschreiben könnten,<br />

zieht man den Gedanken der Vergesellschaftung<br />

ab, den einige, aber nicht alle Rechten teilen. Wie sie<br />

wischt Kühnert die Tatsache vom Tisch, dass „unser<br />

Leben“ bereits demokratisch bestimmt wird – durch<br />

einen in freier, gleicher und geheimer Wahl gewählten<br />

Bundestag, der wiederum eine durch und durch demokratische<br />

Regierung wählt – und das seit siebzig Jahren,<br />

jedenfalls wenn es um die Bundesrepublik geht.<br />

WAS KÜMMERT ES KÜHNERT? Offenbar glaubt<br />

Kühnert, nicht nur Google, Apple und Amazon bestimmten<br />

uns fremd, sondern auch die heimischen<br />

Großunternehmen, die aus diesem Grund in kollektivistisch-genossenschaftliche<br />

Hand gelegt werden<br />

müssten. Dass wir mit Blick auf die Internetgiganten<br />

erst <strong>am</strong> Anfang eines neuen technologischen Zeitalters<br />

stehen und Gesetze für diese Ära erst allmählich geschaffen<br />

werden können, kümmert ihn genauso wenig<br />

wie die Erfolge der EU-Kommission, den Großfirmen<br />

Regeln und Strafen aufzuerlegen; von den vielen Gesetzen<br />

zur Eindämmung der Macht traditioneller Kon-<br />

Frankreich<br />

Jean-Luc Mélenchon ist ein linkes Urgestein. Als er<br />

2016 La France Insoumise gründet, sind ihm viele<br />

enttäuschte Sozialisten gefolgt. Der 67-Jährige<br />

predigt einen antikapitalistischen Links-Souveränismus,<br />

wie er das nennt, und überzeugt mit seinem<br />

Mix aus sozialer Gerechtigkeit und Ökologie vor<br />

allem junge Wähler. Mélenchon träumt von einem<br />

Höchststeuersatz von 90 Prozent, enteignen will er<br />

aber nur die Rüstungsindustrie.<br />

Spanien<br />

Bei der TV-Debatte vor der Parl<strong>am</strong>entswahl beschimpften<br />

sich alle anderen aufs Übelste. Ausgerechnet<br />

Podemos-Chef Pablo Iglesias, 40, gab<br />

den Elder Statesman. Seit ihrer Gründung 2014 hat<br />

die linkspopulistische Partei an Radikalität verloren,<br />

an Popularität allerdings auch. Nichts ist mehr zu<br />

hören von der Verfemung Brüssels und der Forderung<br />

nach einem Systembruch. Rhetorisch bedient<br />

sie weiter antikapitalistische Sehnsüchte.<br />

Großbritannien<br />

Der britische Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn<br />

war lange ein unbedeutender, linksradikaler Labour-<br />

Abgeordneter, den niemand richtig ernst nahm.<br />

Nach der Ära von Tony Blair und Gordon Brown, die<br />

an der Basis die Sehnsucht nach einem Linksrutsch<br />

aufkommen ließ, nutzte Corbyn 2015 die Gunst der<br />

Stunde. Er steht für die Verstaatlichung des Bahnsystems<br />

und der Energiewirtschaft, konnte d<strong>am</strong>it<br />

bisher aber noch keine Wahl gewinnen.<br />

USA<br />

Als Alexandria Ocasio-Cortez im Juni die Vorwahlen<br />

der Demokraten in einem Kongressbezirk in<br />

New York gewann, hatte sie kaum jemand auf dem<br />

Schirm. Inzwischen ist sie eines der bekanntesten<br />

Gesichter der Partei. Die 29-Jährige bezeichnet sich<br />

als „demokratische Sozialistin“. Sie gehört der Millennium-Generation<br />

an, die in den USA weniger<br />

Berührungsängste mit dem Sozialismus hat als die<br />

Älteren, weil sie den Kalten Krieg nicht erlebt haben.<br />

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DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

Nach den Kollektivierungsund<br />

Verstaatlichungsthesen<br />

des Juso-Vorsitzenden Kevin<br />

Kühnert ist eine neue, absurde<br />

Debatte über den Sozialismus<br />

entbrannt – Populismus von<br />

links. Die liberale Gesellschaft<br />

muss darauf antworten<br />

MONTAGE WELT AM SONNTAG/ TOM UECKER<br />

zerne zu schweigen. Ein Fanatiker ist eben ein<br />

Mensch, der nur bis eins zählen kann.<br />

Kühnerts Kapriolen mögen in der Tradition der<br />

Jungsozialisten stehen und den Altvorderen nur ein<br />

Lächeln abringen. Alles war schon einmal da: das Eiapopeia<br />

des Neomarxismus genauso wie der Ruf nach<br />

der Vergesellschaftung der Banken und Schlüsselindustrien.<br />

Bisher waren die Parteivorsitzenden allerdings<br />

stark genug, die Jusos als das darzustellen, was<br />

sie waren: radikale Milchbärte, die sich <strong>am</strong> Klang des<br />

eigenen Echos erfreuten, aber keine Wahlen gewannen.<br />

Heute ist die Lage anders.<br />

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VERZAGTER ZEITGEIST Die SPD ist geschwächt,<br />

dümpelt im J<strong>am</strong>mertal mickriger Umfrageergebnisse<br />

herum und hadert mit ihrer Rolle als Regierungspartei.<br />

Sie wird mit Andrea Nahles von einer Vorsitzenden geführt,<br />

der die Kraft fehlt, die Unbotmäßigen im Zaum<br />

zu halten. Die Sozialdemokratie fühlt sich in weiten<br />

Teilen überdies wie die beste CDU aller Zeiten, nur<br />

dass sie eigentlich die SPD ist, geistig leer und ausgelaugt.<br />

Schon vor Jahren schrieb der Parteienforscher<br />

Franz Walter über das Dilemma der Sozialdemokratie<br />

frei nach Henrik Ibsen: „Die alte Schönheit ist nicht<br />

mehr wahr, und die neue Wahrheit ist nicht mehr<br />

schön.“<br />

Das Gefühl hat sich bis zur Depression verstärkt. Es<br />

führt zu einer zermürbenden Trübsal und lässt die alte<br />

Progr<strong>am</strong>mpartei mit ihrer von den Idealen der Rechthaberei<br />

angetriebenen Mitgliedschaft von verwitterten<br />

sozialistischen Ideen träumen, die Kevin Kühnert<br />

nun gewitzt in die Debatte bringt.<br />

Von Andrea Nahles und einigen anderen SPD-Granden<br />

abgesehen, sind es plötzlich fast nur noch die Seeheimer,<br />

jener pragmatische Teil der SPD um den Bundestagsabgeordneten<br />

Johannes Kahrs, die Kühnert widersprechen.<br />

Viele andere Genossen bejubeln ihn. Sie<br />

fordern allen Ernstes, die Debatte um die Enteignung<br />

deutscher Schlüsselindustrien aufzunehmen, vom<br />

Chef des mitgliederstärksten SPD-Verbandes in Nordrhein-Westfalen,<br />

Sebastian Hartmann, über den Berliner<br />

Innensenator Andreas Geisel bis zum Ostbeauftragten<br />

der SPD, Martin Dulig.<br />

Der Zeitgeist hilft ihnen dabei. Er ist erfüllt von einer<br />

Furcht vor dem wirtschaftlichen Niedergang und<br />

Zweifeln <strong>am</strong> kapitalistischen System. Paradoxerweise<br />

äußern sich die meisten Bürger gleichzeitig zufrieden<br />

über die Wirtschaftslage. „Amerikaner, Europäer und<br />

Japaner haben eine positivere Sicht der aktuellen ökonomischen<br />

Situation ihres Landes als zu jedem anderen<br />

Zeitpunkt seit 2002“, stellten die Meinungsforscher<br />

des <strong>am</strong>erikanischen Pew Research Center 2018<br />

fest. Trotzdem suche man die Hoffnung in den Industrieländern<br />

vergebens, das wirtschaftliche Glück werde<br />

sich fortsetzen.<br />

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6 DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Pew Research hat 30.133 Menschen in 27 Staaten<br />

befragt. Das Ergebnis ist ernüchternd. In<br />

Deutschland rechnen nur 37 Prozent der Bürger<br />

d<strong>am</strong>it, dass es den Kindern finanziell besser gehen<br />

wird, obwohl das Bruttoinlandsprodukt pro<br />

Kopf seit 1998 um 84 Prozent gestiegen ist.<br />

Über Deutschland hinaus belegen die <strong>Welt</strong>bank<br />

und der Internationale Währungsfonds seit<br />

Jahren, dass die Globalisierung und ihre Folgen<br />

nicht zu immer mehr, sondern zu weniger Armut,<br />

weniger Krankheiten und besserer Schulbildung<br />

führen. Doch wie sagt Alexandria Ocasio-Cortez,<br />

die frisch gewählte Abgeordnete der<br />

Demokraten im US-Repräsentantenhaus und<br />

Frontfrau des dortigen Linkspopulismus?<br />

„Emotionen sind wichtiger als Fakten.“<br />

VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN VON LINKS<br />

UND RECHTS Wie im rechten Spektrum des<br />

Populismus nimmt es auch die linke Flanke mit<br />

den Tatsachen nicht so genau. Überdies pflegt<br />

auch sie einen paranoiden politischen Stil, der<br />

ohne Verschwörungstheorien nicht auskommt.<br />

Ist es auf der rechten Seite die vermeintliche<br />

Macht der Lügenpresse, so beschwört der<br />

Linkspopulismus die globale Herrschaft der<br />

Großkonzerne.<br />

Wenn es um den Klimawandel geht, tritt der<br />

demokratische Präsidentschaftsbewerber von<br />

2016, Bernie Sanders, bis heute in Townhall-<br />

Meetings vor die Massen und ruft: „Diese Veranstaltung<br />

wird nicht von Exxon Mobil gesponsert.“<br />

Stets wirft sich der 77-jährige Sanders mit<br />

einem Ruck in seine Reden wie ein Schwimmer<br />

in die vertraute Flut. Dann geht es Schlag auf<br />

Schlag: Suggestivfragen schallen durch den<br />

Raum, die schlichter kaum sein könnten.<br />

Schließlich attackiert der „demokratische Sozialist“<br />

die Medien, die angeblich nie über Amerikas<br />

Drogenkrise, den Alkoholmissbrauch und<br />

die Selbstmordrate berichteten.<br />

Ob Sanders oder Ocasio-Cortez, ob die rechte<br />

Marine Le Pen oder der linke Jean-Luc Mélenchon,<br />

ob Links- und Rechtspopulisten in Italien<br />

oder Großbritanniens Labour-Chef Jeremy<br />

Corbyn: Es sind stets ähnliche Mittel, mit denen<br />

die Gladiatoren um Stimmen kämpfen.<br />

Suchen Rechtspopulisten Andersdenkende<br />

häufig mithilfe windiger völkischer Vokabeln<br />

vom demokratischen Diskurs auszuschließen,<br />

so sperrt die populistische Linke ihre Meinungsgegner<br />

nicht selten im N<strong>am</strong>en einer höheren<br />

Moral aus. Zuweilen benutzen Linkspopulisten<br />

sogar die Waffen, die ursprünglich auf<br />

der rechten Seite zu finden waren. So ist Corbyns<br />

Labour nicht vor Antisemitismus gefeit.<br />

Und auch der ehemalige Chef der Linkspartei,<br />

Oskar Lafontaine, scheut sich nicht, zum „Wörterbuch<br />

des Unmenschen“ zu greifen und mit<br />

Blick auf rechte Wähler von „Fremdarbeitern“<br />

zu raunen, die braven F<strong>am</strong>ilienvätern „Arbeitsplätze<br />

wegnehmen“.<br />

Kühnert ist von Lafontaine und Corbyn weit<br />

entfernt. Doch auch er wittert die Chance, mithilfe<br />

des Populismus und des gefühlten Bedürfnisses,<br />

sich von der freien Marktwirtschaft zu<br />

verabschieden, der SPD wieder neue Kraft zu<br />

verleihen. Die Schwäche der liberalen Eliten<br />

kommt Populisten wie ihm dabei zugute.<br />

Ihre mangelnde Bereitschaft, überall in der<br />

westlichen <strong>Welt</strong> die Migration und deren Folgen<br />

zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung<br />

zu machen, wie auch die Behauptung<br />

einiger ihrer wortmächtigen Vertreter, ein<br />

von allen Fesseln befreiter Kapitalismus sei für<br />

ausnahmslos alle Bürger von Vorteil, haben dazu<br />

geführt, dass das liberale System in den Augen<br />

vieler Menschen als Heuchelei empfunden<br />

wird. Auf ebendiese Menschen stürzen sich Populisten<br />

von links wie rechts. Was wir also erleben,<br />

ist die Rückkehr des ideologischen Zeitalters<br />

und des K<strong>am</strong>pfs um die offene Gesellschaft.<br />

Er muss geführt werden.<br />

Venezolaner auf der Simón-Bolívar-Brücke zu Kolumbien Hyperinflation, Wirtschaftskrise – sogar Toilettenpapier ist<br />

„Und dann bricht<br />

der Deich“<br />

Langs<strong>am</strong> füllt sich der Platz auf der Avenida<br />

Vollmer in der Gemeinde San Bernardino<br />

in Caracas. Flaggen, Mützen und<br />

Hemden in den venezolanischen Nationalfarben<br />

bestimmen das Straßenbild. Ein<br />

paar Straßen weiter schickt die Staatsmacht ihre Sicherheitskräfte<br />

auf Motorrädern in die nächste Auseinandersetzung.<br />

Bewaffnet mit Gewehren, Schlagstöcken<br />

und Pistolen fährt die Nationalgarde zu den von<br />

der Opposition angekündigten Demonstrationen vor<br />

den Militärbasen. In Caracas haben sich <strong>am</strong> S<strong>am</strong>stagmorgen<br />

die ersten Gegner des sozialistischen Regimes<br />

eingefunden. „Ich bin hier, weil wir ein besseres, geeintes<br />

Venezuela brauchen. Wir müssen alle zus<strong>am</strong>menstehen.<br />

Die Streitkräfte und die Venezolaner“,<br />

sagt eine Hausfrau dem Sender VPI.<br />

VON TOBIAS KÄUFER UND CRISTIAN HERNANDEZ<br />

Zwar ist der Aufstand gegen das Regime nach einer<br />

dr<strong>am</strong>atischen Woche erst einmal gescheitert. Doch<br />

aufatmen kann Venezuelas sozialistischer Präsident<br />

Nicolás Maduro nicht. Mit dem befreiten Oppositionsführer<br />

Leopoldo López, 48, kehrt die zweite große<br />

Führungsfigur neben Parl<strong>am</strong>entspräsident Juan Guaidó,<br />

35, auf die politische Bühne zurück. Die Erosion<br />

von Maduros Machtapparat schreitet langs<strong>am</strong>, aber<br />

unaufhalts<strong>am</strong> voran. „Wir dürfen keine Sekunde die<br />

Hoffnung verlieren“, sagt Leopoldo López <strong>am</strong> Freitag<br />

auf dem Gelände der Residenz des spanischen Botschafters,<br />

in die er sich geflüchtet hat. Es ist eine<br />

kämpferische Rede, was López da behauptet, ist ein<br />

Angriff auf die offene Flanke des Regimes Maduro.<br />

„Während der letzten drei Wochen habe ich mich mit<br />

Kommandanten, Generälen und verschiedenen Repräsentanten<br />

der Streitkräfte getroffen“, sagt er. Die letzten<br />

drei Wochen – das war zu der Zeit, da er noch in<br />

Hausarrest saß. Da sollen ihn also Generäle besucht<br />

haben, wo doch die Sicherheitskräfte die Einzigen<br />

sind, die Maduros Regime noch aufrechterhalten?<br />

López Auftritt entfaltet Sprengkraft. Allein auf seinem<br />

Twitter-Account schauen sich innerhalb weniger<br />

Stunden rund 200.000 Menschen diesen Auftritt an.<br />

Der Mann, der Maduro schon 2014 herausforderte, hat<br />

seine digitale Armee von acht Millionen Followern geweckt,<br />

die seine Frau Lilian Tintori und er selbst dort<br />

erreichen. Das ist ein entscheidender Trumpf. „Spanien<br />

wird nicht zulassen, dass eine Botschaft sich in<br />

ein Zentrum des politischen Aktivismus verwandelt“,<br />

warnt zwar Außenminister Josep Borrell. López könne<br />

in der Botschaft bleiben, aber er dürfe sie nicht zur<br />

Parteizentrale machen. Doch verhindern, dass López<br />

seine Twitter-Armee nutzt, können die Spanier nicht.<br />

Er gilt als der aussichtsreichste Kandidat der Opposition,<br />

sollte es zu freien Wahlen kommen.<br />

López ist der Gründer der Oppositionspartei Voluntad<br />

Popular, der auch Parl<strong>am</strong>entspräsident Juan Guaidó<br />

angehört. Beide sorgten <strong>am</strong> Dienstagmorgen um<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 7<br />

5.46 Uhr für eine Überraschung: „Das Ende der Usurpation<br />

beginnt heute“, sagte Guaidó. Ein paar Meter<br />

abseits steht López. Er trägt eine graue Sportjacke mit<br />

einer venezolanischen Flagge auf der Brusttasche und<br />

wirkt wie ein Mann, der mit der neu gewonnen Freiheit<br />

noch nicht richtig umzugehen weiß. In den folgenden<br />

20 Stunden entwickelt sich der Machtk<strong>am</strong>pf<br />

zwischen der Opposition und dem Regime. Eine Zerreißprobe<br />

für beide Seiten, bei der auch <strong>am</strong> Ende der<br />

Woche noch nicht klar ist, wer Sieger sein wird. Klar<br />

aber ist, dass die Opposition um einen bedeutenden<br />

Mann stärker geworden ist. López st<strong>am</strong>mt wie Guaidó<br />

aus der sogenannten „Generation 2007“. Ihr gelang es,<br />

dem d<strong>am</strong>als noch sehr populären Revolutionsführer<br />

Hugo Chávez bei einem Verfassungsreferendum eine<br />

Schlappe beizubringen. Es sollte die einzige Wahlniederlage<br />

des 2013 verstorbenen „Comandante“ werden.<br />

López, der aus einer wohlsituierten bildungsbürgerlichen<br />

F<strong>am</strong>ilie in Caracas st<strong>am</strong>mt, hat Wirtschaft studiert<br />

und in Harvard einen Politik-Master gemacht.<br />

Als Bürgermeister von Chacao, einem Viertel von Caracas,<br />

begann er seine politische Karriere, die ihn 2014<br />

an die Spitze der Massenproteste gegen Maduro<br />

brachte. Maduros Wahlsieg 2013 war bereits umstritten,<br />

die Opposition hatte Tausende Hinweise auf<br />

Wahlmanipulation ges<strong>am</strong>melt. Weil es bei ihren Protesten<br />

zu Gewalt k<strong>am</strong>, machte Maduro den populären<br />

López verantwortlich. Unterstützt von Tausenden Anhängern<br />

stellte sich López der Justiz, „um zu beweisen,<br />

wie korrupt das venezolanische Justizsystem ist“.<br />

López wurde trotz scharfer Kritik von Menschenrechtsorganisationen<br />

zu einer langen Haftstrafe verurteilt,<br />

saß erst im Militärgefängnis R<strong>am</strong>o Verde ein,<br />

um dann in Hausarrest überführt zu werden. Dass ihm<br />

nun die Befreiung gelang, zeigt, wie brüchig die Linien<br />

der Sicherheitskräfte inzwischen sind. Wenn der größte<br />

Rivale des Präsidenten so einfach seinen Hausarrest<br />

verlassen und wenig später vor dem Militärstützpunkt<br />

„La Carlota“ auftauchen kann, dann kann es um den<br />

Machtapparat Maduros nicht allzu gut bestellt sein.<br />

Dennoch läuft an jenem Dienstag einiges schief für<br />

die Opposition: Guaidó und López vertrauen zu sehr<br />

auf den Überraschungseffekt und scheinen tatsächlich<br />

überzeugt, dass ein Teil des Militärs auf ihre Seite gewechselt<br />

ist. Guaidó fordert von den Bürgern, auf die<br />

Straße zu gehen und „die letzte Phase der Operation<br />

Freiheit“ einzuläuten. Schon Minuten später s<strong>am</strong>melt<br />

sich vor der Militärbasis „La Carlota“ eine Menschenmenge.<br />

Sie wird im Laufe des Vormittags so groß, dass<br />

jemand die Türen der Basis öffnet, um die Menschen<br />

hereinzulassen. Die Demonstranten jubeln, sie glauben,<br />

die Militärs stellen sich auf ihre Seite. Ein Trugschluss.<br />

Die Spitze des Militärs bekennt sich weiter zu<br />

Maduro. Offenbar hat das Duo Guaidó/López seinen<br />

Einfluss in der Armee überschätzt. Oder sie bek<strong>am</strong>en<br />

– mit Absicht? – falsche Informationen zugespielt.<br />

Vom Präsidenten ist lange nichts zu sehen, dann reaktiviert<br />

Nicolás Maduro seinen gefürchteten Inlandsgeheimdienstchef<br />

Gustavo Gonzalez López, den Human<br />

Rights Watch für Folterpraktiken verantwortlich<br />

macht. Vier Menschen sterben bei den Protesten.<br />

EINFLUSSVERSUCHE DER USA Verlassen kann sich<br />

Maduro auf seinen Machtapparat nicht mehr. Offenbar<br />

haben die Amerikaner versucht, ranghohe Militärs<br />

zu überreden, abtrünnig zu werden. Verteidigungsminister<br />

Padrino López räumt indirekt solche Kontaktversuche<br />

ein; die Amerikaner würden versuchen, sie<br />

einzukaufen wie Söldner, sagt Maduros wichtigster<br />

Verbündeter vor Soldaten. Maduro verfolgt die Rede<br />

des neben ihm stehenden Ministers sichtlich nervös.<br />

Während Guaidó <strong>am</strong> Freitag Arbeitern des staatlichen<br />

Ölkonzerns PDVSA sein Konzept für den Weg aus der<br />

Krise vorstellt, versucht López den Massen Mut zu<br />

machen: Es soll gestaffelte Arbeitsniederlegungen geben<br />

und schließlich einen Generalstreik. Das Volk soll<br />

weiter versuchen, die Militärs zu überzeugen, die Seiten<br />

zu wechseln. López zog in seinem Auftritt vor der<br />

spanischen Botschaft Bilanz: Was mit einem feinen<br />

Riss begonnen habe, werde sich zu einem Spalt ausweiten,<br />

„und <strong>am</strong> Ende bricht der ganze Deich“.<br />

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in Venezuela Mangelware<br />

AFP/LUIS ROBAYO<br />

Am Ende einer dr<strong>am</strong>atischen<br />

Woche in Venezuela steht die<br />

Opposition mit<br />

zerschlagenen Hoffnungen<br />

da. Und ist dennoch gestärkt<br />

Weiterdenker bekämpfen<br />

künstliche Feinde:<br />

Tüten, Becher, Folien.<br />

Mehr zum nachhaltigen<br />

Engagement der KfW:<br />

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Die KfW fördert nachhaltige Projekte zur Reduzierung von Plastikmüll. Durch die<br />

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8 DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

„Bei uns hat<br />

niemand<br />

gelogen“<br />

AfD-Chef Alexander Gauland<br />

über die Spendenaffäre seiner<br />

Partei und das Problem mit den<br />

Rechtsextremen. Die EU will er<br />

doch nicht abschaffen, sagt er.<br />

Jedenfalls nicht jetzt und auch<br />

nicht allein<br />

B<br />

eim Besuch in Alexander Gaulands Bundestagsbüro<br />

kommt das Gespräch auch auf die Erfolge der AfD bei<br />

Twitter und Facebook. Das interessiere ihn nicht, sagt<br />

Gauland. Er lese nur Zeitung. Er lasse sich aber jeden<br />

Morgen die Tweets ausdrucken, die ihn interessieren.<br />

VON JOHANNES BOIE, MATTHIAS KAMANN<br />

UND JACQUES SCHUSTER<br />

WELT AM SONNTAG: Herr Gauland, die AfD will einen<br />

EU-Austritt in Erwägung ziehen, wenn die EU<br />

nicht „in angemessener Zeit“ reformiert wird. Stände<br />

dann für Sie der „Dexit“ an?<br />

ALEXANDER GAULAND: Nach der Europawahl in diesem<br />

Mai werden wir im Verbund mit anderen europäischen<br />

Parteien versuchen, grundlegende Reformen<br />

der EU anzugehen. Ich wage zu bezweifeln, dass wir<br />

das in fünf Jahren schaffen werden.<br />

Wollen Sie denn raus aus der EU?<br />

Ich war immer der Meinung, dass ein alleiniger Austritt<br />

Deutschlands aus der EU falsch wäre. Wenn es<br />

keine Möglichkeit gibt, die EU so zu verändern, wie<br />

es nötig ist, dann müssen wir und andere Parteien eine<br />

Neugründung versuchen. Das würde für Deutschland<br />

einen Austritt aus der jetzigen EU bedeuten,<br />

aber nicht allein, sondern gemeins<strong>am</strong> mit anderen<br />

Staaten.<br />

Wie sähe Ihr Ideal-Europa aus?<br />

Wir wollen zurück zum gemeins<strong>am</strong>en Markt und weg<br />

von allen Versuchen, aus der EU einen Bundesstaat zu<br />

machen. Wir wollen zurück zum Europa von Adenauer<br />

und de Gaulle. Auf jeden Fall wollen wir jegliche weitere<br />

Vergemeinschaftung stoppen. Außerdem wollen<br />

wir die Souveränität der europäischen Staaten so bewahren,<br />

wie sie in den Römischen Verträgen von 1957<br />

festgehalten wurde: Gemeins<strong>am</strong>keit im Markt, aber<br />

nicht auf anderen Politikfeldern.<br />

Der gemeins<strong>am</strong>e Markt wird schwierig, wenn es<br />

nach Parteien geht, mit denen die AfD im EU-Parl<strong>am</strong>ent<br />

kooperieren will. Die italienische Lega etwa<br />

setzt auf Schuldenpolitik.<br />

Wir müssen im Europarl<strong>am</strong>ent mit Parteien zus<strong>am</strong>menarbeiten,<br />

die uns ähnlich sind. So sehe ich bei der<br />

Lega das Problem, dass ihre Finanzpolitik uns so lange<br />

schadet, wie wir den Euro haben. Hingegen ist die<br />

Grenzabschottung der Lega richtig. Es gibt eben Politikfelder,<br />

auf denen wir gemeins<strong>am</strong> streiten, und Felder,<br />

auf denen wir eine andere Haltung vertreten.<br />

Hat die Lega recht, wenn sie sagt, die italienische<br />

Wirtschaftsmisere liege vor allem an Deutschland?<br />

Nein. Diese Misere liegt einzig an den italienischen<br />

Problemen: der Teilung des Landes in Nord und Süd<br />

sowie gesellschaftlichem Reformbedarf. Wäre die<br />

deutsche Politik verantwortlich für die italienische<br />

Misere, dann wäre sie auch der Grund des dänischen<br />

Wohlstands.<br />

Was unternehmen Sie gegen rechtsextreme Tendenzen<br />

in der AfD?<br />

Es gibt keine rechtsextremen Tendenzen in der<br />

AfD. Es gibt einige Personen, die wir alle gern draußen<br />

sehen würden, zum Beispiel Doris von Sayn-<br />

Wittgenstein oder Wolfgang Gedeon. Aber Sie wissen,<br />

wie schwierig Ausschlussverfahren für Parteien<br />

sind.<br />

Sie könnten ein Machtwort gegen die Unterstützer<br />

dieser Kandidaten sprechen. Das tun Sie aber nicht.<br />

Das ist falsch. Wir haben uns ganz klar gegen Rechtsextreme,<br />

Reichsbürger oder die Identitäre Bewegung<br />

gestellt.<br />

Warum war dann Daniel Fiß, Bundesvorstand der<br />

Identitären, beim AfD-Abgeordneten Siegbert<br />

Droese als Mitarbeiter beschäftigt?<br />

Fiß ist von Droese gekündigt worden. Droese hat ihn<br />

für einige Monate beschäftigt, da er nicht gewusst habe,<br />

welche Rolle Fiß spielt.<br />

Dennis Augustin, einer der AfD-Landeschefs in<br />

Mecklenburg-Vorpommern, ließ Fiß auch für sich<br />

arbeiten.<br />

Dennis Augustin ist in der AfD offensichtlich ein Problem.<br />

Ich kenne ihn nicht, weiß aber, dass der andere<br />

dortige Landesvorsitzende Leif-Erik Holm mit ihm<br />

Schwierigkeiten hat. Ja, unter Umständen muss man<br />

sich politisch von Menschen trennen, aber nicht immer<br />

mit Parteiausschlussverfahren.<br />

Judenhass und Antisemitismus sind weltweit auf<br />

einem Höhepunkt, auch in Deutschland. Junge Juden<br />

verlassen das Land. Attacken auf Muslime nehmen<br />

zu. Wie stehen Sie dazu?<br />

Antisemitismus ist absolut inakzeptabel, weltweit, in<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 9<br />

der AfD, in Deutschland, weil wir das Erbe von sechs<br />

Millionen ermordeten Juden tragen.<br />

Haben Sie mit Äußerungen wie der über die NS-Zeit<br />

als „Vogelschiss“ judenfeindlichen Tendenzen Vorschub<br />

geleistet? Und gilt das nicht auch für isl<strong>am</strong>feindliche<br />

Ausfälle und Aggression gegen Muslime?<br />

Mein „Vogelschiss“-Satz war ein Fehler, für den ich<br />

mich schon oft entschuldigt habe. Wenn Sie meine d<strong>am</strong>alige<br />

Rede vor der Jungen Alternative lesen, werden<br />

Sie feststellen, dass mit dem „Vogelschiss“ keine Bagatellisierung<br />

der NS-Verbrechen gemeint war, sondern<br />

nur die Länge des Zeitraums des Dritten Reiches im<br />

Vergleich zu der großen deutsch-jüdischen Tradition,<br />

die ich vor den jungen Leuten breit gewürdigt habe.<br />

Dann habe ich leider einen Begriff gebraucht – was ein<br />

großer Fehler war –, der ganz anders aufgefasst werden<br />

konnte.<br />

Gefragt haben wir Sie auch nach Ausfällen gegen<br />

Muslime.<br />

Unser Problem ist, dass jeder individuelle Muslim natürlich<br />

seinen Glauben leben kann, wir aber die Organisation<br />

des muslimischen Glaubens für nicht mit<br />

dem Grundgesetz vereinbar halten.<br />

Sind Sie etwa der Meinung, die „Organisation“ des<br />

Zentralrats der Muslime ist grundgesetzwidrig?<br />

Ich meine nicht den Zentralrat der Muslime, sondern<br />

den verfassten Isl<strong>am</strong>, also die Ges<strong>am</strong>theit der Glaubensregeln,<br />

die Muslime befolgen sollen. Ich weiß,<br />

dass viele Muslime einen Teil dieser Glaubensregeln<br />

nicht befolgen und nach dem Grundgesetz leben. Aber<br />

der verfasste Isl<strong>am</strong> ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar,<br />

denn zu ihm gehört die Scharia.<br />

Alles Einzelfälle „Es gibt<br />

keine rechtsextremen Tendenzen<br />

in der AfD“, sagt Alexander<br />

Gauland. Nur einige Personen<br />

sähe er lieber draußen<br />

AUSBLENDEN.DE/MARLENE GAWRISCH(2)<br />

Alexander Segert. Wann machen Reil und Meuthen<br />

reinen Tisch?<br />

Jörg Meuthen hat alles öffentlich gemacht, was ihm<br />

Segert über jene Wahlk<strong>am</strong>pfunterstützung jemals mitgeteilt<br />

hat.<br />

Meuthen erteilte Segert die Erlaubnis für Unterstützerleistungen<br />

im baden-württembergischen<br />

Landtagswahlk<strong>am</strong>pf 2016. Der Ges<strong>am</strong>twert betrug<br />

89.000 Euro. Davon soll er nichts gewusst haben?<br />

Das konnte Jörg Meuthen auch nicht wissen. Von der<br />

Höhe jener Summe hat er erst 2018 erfahren. Ich weiß,<br />

dass jene Plakate d<strong>am</strong>als auftauchten. Wir fanden sie<br />

völlig daneben. Wir fanden auch die Flyer völlig daneben.<br />

Ja, da hätte man sagen müssen, „Schluss d<strong>am</strong>it“.<br />

Sprachen Sie Meuthen darauf an?<br />

Ich habe mit Meuthen nicht darüber gesprochen. Das<br />

Thema ist aber von irgendjemandem aufgebracht worden,<br />

und da wusste Meuthen, dass sein Freund Segert<br />

sich um etwas gekümmert hatte. Aber Meuthen wusste<br />

nicht, in welchem Umfang und mit welchen Summen.<br />

Daher beruft sich Meuthen völlig zu Recht auf<br />

ein Berliner Verwaltungsgerichtsurteil, wonach keine<br />

Parteispende vorliegt, wenn irgendjemand ohne Wissen<br />

und Mitwirkung der Partei Dinge zugunsten der<br />

Partei macht.<br />

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Was ist Ihr, wie Sie sagten, „Problem“ beim Unterschied<br />

zwischen Muslimen und dem „verfassten Isl<strong>am</strong>“?<br />

Lesen Sie „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq.<br />

Das ist kein Glaubenstext des Isl<strong>am</strong>.<br />

Darum geht es nicht. Es ist die Darstellung, wie die<br />

Übernahme einer Gesellschaft durch Muslime zum<br />

Ende der bürgerlichen Freiheit führt.<br />

Es ist ein fiktiver Roman.<br />

Eine Fiktion mit sehr viel Wahrheitsgehalt für die Zukunft.<br />

Das ist unsere Sorge: die schleichende Veränderung<br />

einer Gesellschaft, bis nur noch der Isl<strong>am</strong> die Regeln<br />

bestimmt. Ich werde das nicht mehr erleben.<br />

Aber eine Gefahr ist das. Wie kommt es denn, dass in<br />

allen muslimischen Ländern die Freiheiten für andere<br />

Religionen außer Kraft gesetzt sind?<br />

Die AfD hat eine Spendenaffäre. Wie viel Strafe<br />

müssen Sie zahlen?<br />

Das kann ich nicht voraussagen. Wir haben eine Rücklage<br />

in Höhe von einer Million Euro für den schlimmsten<br />

möglichen Fall gebildet, werden uns aber mit allen<br />

juristischen Mitteln wehren. Die Rückstellungen sind<br />

reine Vorsorge, weil die Bundestagsverwaltung die<br />

von ihr festgesetzten Strafzahlungen erst einmal einbehält<br />

und ein Urteil dann lange auf sich warten lassen<br />

kann.<br />

Wurde die Bundestagsverwaltung über die Spenden<br />

zugunsten von Alice Weidel belogen? Die N<strong>am</strong>en<br />

der Spender, von denen mehr als 130.000 Euro an<br />

Weidels AfD-Kreisverband flossen, waren offenbar<br />

zum Teil falsch.<br />

Bei uns hat niemand gelogen. Unsere Bundesgeschäftsstelle,<br />

die die N<strong>am</strong>ensliste an die Bundestagsverwaltung<br />

übermittelt hat, konnte nicht wissen, dass<br />

jene N<strong>am</strong>en möglicherweise falsch waren. Alice Weidel<br />

kann man allenfalls den Vorhalt machen, dass es zu<br />

lange dauerte, bis das Geld an den Absender aus der<br />

Schweiz zurücküberwiesen wurde. Ihre Schatzmeisterin<br />

hätte das Geld sofort zurücküberweisen müssen.<br />

Für AfD-Vorstandsmitglied Guido Reil und Ihren<br />

Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen gab es Wahlk<strong>am</strong>pfhilfe<br />

der Schweizer Goal AG mit Geschäftsführer<br />

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10 DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Keine Opfer.<br />

Täterinnen<br />

Immer mehr IS-Frauen kehren aus Syrien<br />

zurück. Und es stellt sich immer deutlicher<br />

heraus, wie sehr sie das Terrorsystem<br />

unterstützt haben – auch an der Waffe<br />

Omaima A. mit ihrem zweiten Mann Denis Cuspert alias Deso Dogg in Syrien Inzwischen lebt die<br />

reitagmorgen erzählt Dschihadistin Sabine<br />

S. in einem Stuttgarter Gerichtssaal die Geschichte<br />

ihres Lebens. Die 32 Jahre alte<br />

vierfache Mutter liest vor, stundenlang, 150<br />

handbeschriebene Seiten. Sie sei ein Scheidungskind,<br />

katholisch getauft. Von klein auf habe der<br />

Stiefvater sie verprügelt, später ihr Mann. In der Schule<br />

sei sie gemobbt, auf der Straße mit Müll beworfen<br />

worden. Zweifel. Depressionen. Selbstmordversuch.<br />

Sie sagt: „Ich wollte nicht mehr leben.“ Die Angeklagte,<br />

blasses Gesicht, beigefarbenes Kopftuch, spricht<br />

leise, doch ihre Worte klingen wie ein lauter Appell:<br />

Schaut her, ich bin hier das Opfer.<br />

VON IBRAHIM NABER<br />

Sabine S. ist zum Prozessauftakt aber nicht das Opfer,<br />

sondern Angeklagte. Mit 22 konvertierte sie zum<br />

Isl<strong>am</strong>, Ende 2013 ging sie nach Syrien und blieb bis August<br />

2017. Sie ist eine von bislang vier Frauen, die die<br />

Terrormiliz „Isl<strong>am</strong>ischer Staat“ (IS) verlassen haben –<br />

und gegen die der Generalbundesanwalt Anklage erhoben<br />

hat. Sie habe eine Schießausbildung in Nordsyrien<br />

erhalten. Sie wurde – laut Anklage – mit der Zündung<br />

von Sprengstoffgürteln beauftragt. Zudem verbreitete<br />

sie im Internet IS-Propaganda. Ein Beitrag<br />

trug den Titel: „Das Köpfchen ab“. Darin berichtet sie<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 11<br />

DIE WOCHE<br />

Frau wieder in H<strong>am</strong>burg, offenbar unbehelligt<br />

von öffentlichen Hinrichtungen angeblich Ungläubiger,<br />

bei denen sie und ihr Mann zusahen.<br />

Rückkehrerinnen skizzierten oft das Bild unschuldiger<br />

Ehefrauen. Jetzt offenbaren erste Anklagen aber,<br />

wie stark Dschihadistinnen mitunter im System der<br />

Terrormiliz eingebunden waren. Sie patrouillierten<br />

für die Sittenpolizei bewaffnet durch die Gassen, warben<br />

andere Frauen im Netz für den Dschihad und verübten<br />

Gräueltaten. Ein Beispiel: Jennifer W., deren<br />

Prozess in München verhandelt wird. Die 27-Jährige<br />

soll laut Anklage ein fünf Jahre altes jesidisches Mädchen<br />

mit ihrem Mann als Sklavin gehalten haben – und<br />

im Sommer 2015 „bei sengender Hitze qualvoll verdursten“<br />

lassen.<br />

Nach Informationen von WELT AM SONNTAG liegen<br />

den deutschen Behörden Bilder kämpfender<br />

IS-Anhängerinnen vor. Ermittler sagen, dass sich manche<br />

Deutsche besonders skrupellos in das Terrorsystem<br />

eingebracht hätten, um als Ausländer Anerkennung<br />

zu erhalten. Zugleich haben Strafverfolger in vielen<br />

Fällen Probleme, genügend Beweismaterial für eine<br />

Anklage zu s<strong>am</strong>meln. Die Hürde ist hoch: Der Bundesgerichtshof<br />

hat im Mai 2018 klargemacht, dass es<br />

für den Nachweis der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation<br />

nicht ausreicht, als Ehe- oder Hausfrau<br />

von Kämpfern tätig gewesen zu sein.<br />

Hans Matheis, Abteilungsleiter Staatsschutz beim<br />

Landeskriminal<strong>am</strong>t (LKA) in Baden-Württemberg, beschreibt<br />

den Ermittlungsstand so: Sicher sei, dass viele<br />

aus Deutschland ausgereiste Frauen IS-Kämpfer<br />

nach isl<strong>am</strong>ischem Recht geheiratet hätten. Viele Frauen<br />

hätten wohl auch eine Schussausbildung erhalten.<br />

„Oft“, sagt Matheis, „fehlt es bislang aber an stichhaltigen<br />

Beweisen.“<br />

Rund 1050 Männer und Frauen sind nach offiziellen<br />

Angaben seit 2013 aus Deutschland in syrische oder<br />

irakische Kriegsgebiete ausgereist. Jeder Dritte kehrte<br />

bereits zurück, wohl jeder Fünfte k<strong>am</strong> ums Leben.<br />

Rund 300 Personen sind noch auf freiem Fuß. Von<br />

deutschen Frauen sollen sich etwa 50 noch in Haft<br />

oder in Flüchtlingsc<strong>am</strong>ps in den Kriegsgebieten befinden.<br />

Ähnlich viele sind bereits zurück. Die kurdischen<br />

Einheiten in Syrien, die im März letzte Bastionen des<br />

IS zum Einsturz brachten, pochen darauf, dass die<br />

Bundesregierung die derzeit inhaftierten deutschen<br />

IS-Mitglieder endlich zurückholt. Sie werden vom US-<br />

Präsidenten unterstützt. Hierzulande wächst in Sicherheitskreisen<br />

die Sorge, dass manche Rückkehrer<br />

gefährlicher sind als angenommen, dass manche<br />

Dschihadisten bereits unbehelligt zurück sind – besonders<br />

Frauen.<br />

Die libanesische Reporterin Jenan Moussa ist im Besitz<br />

des Handys einer deutschen Dschihadistin, Omaima<br />

A. Darauf gespeichert: Hunderte Bilder und Videos<br />

aus den Kriegsgebieten. Die Dateien helfen dabei, die<br />

AL AAN TV/<br />

MERKELS AFRIKAREISE<br />

Mehr Hilfe für<br />

Sahel-Staaten<br />

Kanzlerin Angela Merkel<br />

(CDU) fordert dringlich eine<br />

internationale Unterstützung<br />

für die von isl<strong>am</strong>istischem<br />

Terrorismus und<br />

Instabilität bedrohten Sahel-<br />

Staaten. Zum Abschluss ihrer<br />

Westafrikareise betonte sie<br />

in Ni<strong>am</strong>ey (Niger), dass eine<br />

Hilfe zügig umgesetzt werden<br />

müsse, „denn kriminelle<br />

Aktivitäten laufen hier in<br />

allen Bereichen“. Merkel<br />

besuchte die EUCAP Sahel<br />

Niger Mission, eine Unterstützung<br />

der EU zur Ausbildung<br />

von Sicherheitskräften,<br />

zudem eine Frauenrechtsorganisation.<br />

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IN UNGARN<br />

Hunger als Druck<br />

gegen Migranten<br />

Ungarn verweigert abgelehnten<br />

Asylbewerbern nach<br />

UN-Angaben gezielt die<br />

Versorgung mit Lebensmitteln.<br />

Für den Zeitraum<br />

seit August 2018 gebe es<br />

direkte Informationen zu<br />

mindestens 21 betroffenen<br />

Migranten, erklärte das UN-<br />

Menschenrechtsbüro <strong>am</strong><br />

Freitag in Genf. Die auf Abschiebung<br />

wartenden Flüchtlinge<br />

hätten bis zu fünf Tage<br />

kein Essen erhalten, was<br />

gegen internationales Recht<br />

verstoße. Das rechtskonservativ<br />

regierte Ungarn stellt<br />

es Migranten indes frei, nach<br />

Serbien auszureisen.<br />

RECHTSEXTREME<br />

Jeder zweite<br />

bereit zu Gewalt<br />

Mehr als jeder zweite<br />

Rechtsextremist in Deutschland<br />

ist nach Angaben des<br />

Bundesinnenministeriums<br />

gewaltorientiert. 2017 waren<br />

es demnach 12.700 von<br />

24.000 Personen, wie zunächst<br />

die „Neue Osnabrücker<br />

Zeitung“ berichtete. Die<br />

FDP-Bundestagsfraktion<br />

forderte vor diesem Hintergrund<br />

ein „neues Konzept<br />

gegen Radikalisierung im<br />

Internet“. Nach dem martialischen<br />

Auftritt von Neonazis<br />

in Plauen <strong>am</strong> 1. Mai<br />

warnte auch Außenminister<br />

Heiko Maas (SPD) eindringlich<br />

vor der Szene.<br />

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FORTSETZUNG AUF SEITE 12<br />

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung WELT <strong>am</strong> SONNTAG KOMPAKT-2019-05-05-ad_rom-20 d303819bfe5e76bd858c8f6bd6d14bdc


12 DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

FORTSETZUNG VON SEITE 10<br />

IS-Karriere der 34-Jährigen detailliert<br />

zu rekonstruieren. Die aber lebt jetzt in<br />

einem H<strong>am</strong>burger Stadtteil. Ganz so,<br />

als wäre nichts gewesen.<br />

Omaima A. heiratete im Frühling<br />

2012 den Frankfurter Salafisten Nadir<br />

Hadra. 2015 reiste das Ehepaar mit<br />

seinen drei Kindern nach Syrien.<br />

Das registrierten auch die deutschen<br />

Behörden. Das Jobcenter<br />

strich Zuwendungen, Grund:<br />

„Ausreise ins Ausland (Syrien)“.<br />

Bilder auf dem Handy zeigen, dass<br />

nicht nur Omaima A. selbst mit<br />

Pistolen posierte, sondern auch<br />

ihre Kinder. Die Tochter trug mit<br />

acht Jahren einen Nikab-Ganzkörperschleier.<br />

A. warb im Internet<br />

für den IS. Als ihr Mann kurz nach<br />

der Einreise bei Kämpfen um Kobane<br />

starb, heiratete die deutsche<br />

Dschihadistin in Syrien einen<br />

Kumpel ihres Mannes: Ex-Rapper<br />

Deso Dogg (Denis Cuspert), der<br />

wohl bekannteste deutsche IS-<br />

Kämpfer. Er tauchte auch in einem<br />

Propagandavideo auf, in dem<br />

Männer geköpft werden. Mittlerweile<br />

soll Deso Dogg ums Leben<br />

gekommen sein.<br />

ALS WÄRE NICHTS GEWESEN<br />

Bis Ende 2015 war Omaima A. in<br />

Syrien, das belegen die Fotos. Anschließend<br />

kehrte sie zurück. Laut<br />

einem Profil auf einer Karriereplattform<br />

im Netz arbeitete A. zuletzt<br />

in H<strong>am</strong>burg als Übersetzerin<br />

und Event-Managerin. Offen ist,<br />

was deutsche Behörden von der<br />

Rückkehr von Omaima A. wussten.<br />

Ob sie unentdeckt bleiben sollte,<br />

um über sie an Informationen<br />

über andere Dschihadisten zu<br />

kommen. Auf Anfragen teilt die<br />

Staatsanwaltschaft in H<strong>am</strong>burg<br />

mit, dass sie zum Fall nichts sagen<br />

könne – „wegen einer möglichen Gefährdung<br />

der Ermittlungen“. Das Innenministerium<br />

lässt einen Fragenkatalog<br />

von WELT AM SONNTAG unbeantwortet.<br />

Eine Sprecherin der Generalbundesanwaltschaft<br />

(GBA) teilt telefonisch mit,<br />

dass man nichts sagen könne. Aus einer<br />

aktuellen Anfrage der Linken in der<br />

H<strong>am</strong>burgischen Bürgerschaft geht hervor,<br />

dass A. nach ihrer Rückreise nicht<br />

als Gefährderin eingestuft wurde.<br />

In jedem Einzelfall muss strafrechtlich<br />

nachgewiesen werden, dass deutsche<br />

IS-Frauen an Verbrechen beteiligt<br />

waren. Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes<br />

sind für Befragungen<br />

bereits in die Kriegsgebiete gereist. Die<br />

Bundesländer schickten mitunter Be<strong>am</strong>te<br />

mit. Der GBA scheint in den ersten<br />

Anklagen einen Kniff gefunden zu<br />

haben: Sabine S. wie auch die in Düsseldorf<br />

angeklagte Mine K., 47, sollen<br />

durch Plünderungen gegen das Völkerstrafrecht<br />

verstoßen haben. Das bezieht<br />

sich darauf, dass die Deutschen in Häuser<br />

zogen, die anderen mit Gewalt genommen<br />

wurden.<br />

Von 2013 bis 2017 in Syrien und im Irak Sabine S. <strong>am</strong> Freitag vor dem OLG Stuttgart<br />

Manche Dschihadistinnen gerieten<br />

auch im Irak in Gefangenschaft. Dort<br />

wurden etwa L<strong>am</strong>ia K., 51, und ihre 22<br />

Jahre alte Tochter Nadia aus Mannheim<br />

zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.<br />

Die Mutter, eine Deutschmarokkanerin,<br />

erhielt zunächst sogar die Todesstrafe.<br />

Ein irakischer Richter sprach sie<br />

schuldig, den IS auch militärisch unterstützt<br />

zu haben. Erst eine Beschwerde<br />

des deutschen Botschafters sorgte dafür,<br />

dass die Todesstrafe nicht vollzogen<br />

wurde. Deutsche Ermittler sagen zu<br />

Fällen wie diesen: Einerseits werde man<br />

ein Problem los, andererseits gebe es<br />

bei Festnahmen im Irak keine Chance,<br />

das Umfeld des Beschuldigten auszuhorchen.<br />

Für Hans Matheis vom LKA in<br />

Baden-Württemberg spielt es keine große<br />

Rolle, ob Dschihadisten für ein Jahr<br />

oder fünf Jahre ins Gefängnis kommen.<br />

„Entscheidend ist, wie wir mit ihnen<br />

umgehen, wenn sie wieder in<br />

Freiheit sind.“ In Niedersachsen<br />

gibt es seit 2016 die Kom-<br />

DPA/SEBASTIAN GOLLNOW<br />

petenzstelle Isl<strong>am</strong>ismusprävention.<br />

Dort kümmern sich<br />

Mitarbeiter derzeit um fünf<br />

Frauen, die als Rückkehrerinnen<br />

mit isl<strong>am</strong>istischer Gesinnung<br />

gelten. Das Progr<strong>am</strong>m<br />

setzt auch auf Fallkonferenzen<br />

mit dem Verfassungsschutz<br />

und etwa Jugendämtern,<br />

um Maßnahmen zu besprechen.<br />

„Es ist schon viel erreicht,<br />

wenn von den Isl<strong>am</strong>istinnen<br />

keine Eigen- oder Fremdgefährdung<br />

mehr ausgeht“, sagt<br />

Andreas Schwegel vom LKA<br />

Niedersachsen im Gespräch.<br />

Es gebe hochradikalisierte<br />

Rückkehrerinnen, aber auch<br />

Frauen, bei denen Besserungschancen<br />

bestünden. Vermehrt<br />

nehmen die Be<strong>am</strong>ten<br />

laut Schwegel Fälle von Mehrfachradikalisierung<br />

in F<strong>am</strong>ilien<br />

wahr. Dort seien Aussteigerprogr<strong>am</strong>me<br />

kaum möglich.<br />

Sabine S. wird in der Anklage<br />

unter anderem von ihrer<br />

Schwester und ihrem Exmann<br />

belastet. Im Juni soll das Urteil<br />

fallen. Der Anwalt von S.<br />

beteuerte <strong>am</strong> Freitag, dass seine<br />

Mandantin sich vom radikalen<br />

Isl<strong>am</strong> losgesagt hätte.<br />

Sie sei geläutert und wolle einfach<br />

nur einen Neustart. S.<br />

klagte beim Prozess, dass der<br />

Krieg und die Hitze „schrecklich“<br />

gewesen seien, ständig habe<br />

sie geweint und gebetet. Sie wüsste heute,<br />

dass der IS nur alles schöngeredet<br />

habe. Ein erstaunlicher Sinneswandel.<br />

2016 schrieb Sabine S. auf ihrem Blog<br />

noch, dass der IS der beste Staat der<br />

<strong>Welt</strong> sei. In ihrem Gottesstaat gebe es<br />

schließlich keinen Alkohol, keine Drogen,<br />

keine Sünden. Im IS müsste kein<br />

Kind mit dem „Müll der westlichen<br />

<strong>Welt</strong>“ aufwachsen.<br />

Mine K., angeklagt in<br />

Düsseldorf<br />

Jennifer W., angeklagt in<br />

München<br />

Sarah O., angeklagt in<br />

Düsseldorf<br />

Sabine S., angeklagt in<br />

Stuttgart<br />

Die Kölnerin, 47, soll sich spätestens<br />

Ende 2014 dem IS in Syrien<br />

angeschlossen haben. Ihren<br />

Mann heiratete sie über ein<br />

Videotelefonat. Als er Ende 2015<br />

starb, erhielt sie 1000 Dollar. Mit<br />

ihrem Sohn zog sie im Mai 2016<br />

nach Rakka. Bei ihrer Einreise<br />

nach Deutschland im Oktober<br />

2018 wurde sie festgenommen.<br />

Angeklagt ist Mine K. wegen<br />

eines Völkerrechtsbruchs. Einfach<br />

gesagt: Plünderung. Sie soll<br />

„Sachen der gegnerischen Partei<br />

in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig“<br />

angeeignet haben.<br />

Hat die Anklage Erfolg, könnte es<br />

zum Präzedenzfall werden.<br />

Im August 2014 schloss sich die<br />

heute 27-Jährige dem IS im Irak<br />

an und war in die Befehlsstruktur<br />

des Kalifats eingebunden. Als<br />

Sittenpolizistin soll sie in Falludscha<br />

und Mossul mit Gewehr und<br />

Sprengstoffweste durch Parks<br />

patrouilliert sein. Mit ihrem Ehemann<br />

soll Jennifer W. 2015 eine<br />

Fünfjährige als Haushaltssklavin<br />

gehalten und „graus<strong>am</strong> getötet“<br />

haben. Anfang 2016 wurde sie in<br />

der Türkei festgenommen und<br />

nach Deutschland abgeschoben.<br />

Als sie im Juni 2018 erneut nach<br />

Syrien reisen wollte, tappte sie in<br />

die Falle eines FBI-Informanten.<br />

Sie wurde festgenommen.<br />

Die aus Konstanz st<strong>am</strong>mende<br />

Deutschalgerierin reiste Ende<br />

Oktober 2013 allein nach Syrien.<br />

D<strong>am</strong>als war sie 15. Ermittler<br />

stießen durch Beiträge in sozialen<br />

Medien auf sie. Sie soll Fotos ihrer<br />

Schussausbildung verschickt<br />

haben. Mit ihrem Ehemann soll<br />

sie Wach- und Polizeidienste im<br />

Kalifat übernommen haben. Das<br />

Ehepaar erhielt vom IS 118 Dollar<br />

monatlich. Bis Ende 2017 hielten<br />

sie drei jesidische Frauen als<br />

Sklavinnen. Im September 2018<br />

wurde Sarah O. von der Türkei<br />

nach Deutschland abgeschoben.<br />

Die 21-Jährige sitzt seitdem in<br />

Untersuchungshaft.<br />

Ende 2013 ließ die Frau ihre zwei<br />

Kinder in Berlin zurück, um in<br />

Syrien einen IS-Kämpfer aus<br />

Aserbaidschan zu heiraten. Als er<br />

2016 starb, k<strong>am</strong> sie in ein Frauenhaus<br />

in Rakka. 2017 wurde sie<br />

von kurdischen Sicherheitskräften<br />

festgenommen. Verhaftet<br />

wurde die aus Baden-Baden<br />

st<strong>am</strong>mende Sabine S. im Juli<br />

2018 in Karlsruhe. Der Generalbundesanwalt<br />

legt ihr ein Kriegsverbrechen<br />

und einen Verstoß<br />

gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz<br />

zur Last. Sie wurde Zeuge<br />

von öffentlichen Hinrichtungen<br />

der IS-Henker und rechtfertigte<br />

die Taten auf Internetblogs.<br />

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Jan Erik Solem<br />

Co-Founder & CEO<br />

13-14<br />

JUNE<br />

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14 DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Ein drei Monate<br />

altes Baby<br />

erhält eine<br />

Schluckimpfung<br />

GETTY IMAGES/WESTEND61<br />

Gefährliche Skepsis<br />

Bevor sie Mutter wurde, habe sie keine Angst<br />

vor Impfungen gehabt, sagt Melanie Lukas.<br />

Erst als ihr Baby auf der <strong>Welt</strong> war, sei sie<br />

unsicher geworden. Ihre Heb<strong>am</strong>me sagte<br />

ihr, es sei nicht nötig, Babys zu impfen. Sie<br />

vertraute der Frau in den Wochen nach der Geburt wie<br />

kaum einem anderen Menschen. Die Heb<strong>am</strong>me empfahl<br />

ihr einen anthroposophischen Kinderarzt, der Immunisierungen<br />

ebenfalls für nicht zwingend notwendig<br />

hielt. Das Baby blieb ungeimpft. Melanie Lukas<br />

heißt eigentlich anders, sie möchte nicht mit echtem<br />

N<strong>am</strong>en genannt werden, weil sie in einem Ort lebt, in<br />

dem viele Menschen Impfkritiker sind.<br />

VON ANOUSCH MUELLER<br />

Die Zahl der Maserninfektionen nimmt zu. Nur 92,8<br />

Prozent der Schulanfänger sind zweimal gegen die<br />

Krankheit geimpft und d<strong>am</strong>it ausreichend geschützt.<br />

Die Zahl gab das Robert-Koch-Institut in dieser Woche<br />

bekannt. Auch bei Keuchhusten-, Rotavirus- und<br />

Windpockenerkrankungen werden steigende Zahlen<br />

gemeldet. Es wird darüber diskutiert, ob man Eltern<br />

zwingen kann, ihre Kinder impfen zu lassen. Oder<br />

muss man dafür sorgen, dass jede Mutter und jeder<br />

Vater über die nötigen Impfungen besser informiert<br />

ist? Dabei wird häufig eine Gruppe übersehen, die viel<br />

Einfluss auf die Eltern hat: die Heb<strong>am</strong>men.<br />

Oft sind sie die engsten Vertrauten von Eltern in einer<br />

hochsensiblen Lebensphase. Ihr Wort hat Gewicht.<br />

Doch viele Heb<strong>am</strong>men scheinen der Immunisierung<br />

von Babys kritisch gegenüber zu stehen. Das<br />

berichten Eltern und Kinderärzte, das kann man in Foren<br />

im Internet verfolgen. Vor zwölf Jahren hat das<br />

Robert-Koch-Institut eine Studie veröffentlicht, die<br />

diese Beobachtungen mit Zahlen untermauerte. Die<br />

Behörde wollte wissen, wie Heb<strong>am</strong>men zum Impfen<br />

Heb<strong>am</strong>men gehören zu<br />

den wichtigsten<br />

Ansprechpartnern junger<br />

Eltern. Umso fataler,<br />

dass etliche von ihnen<br />

Impfkritikerinnen sind<br />

und andere gefährliches<br />

Halbwissen verbreiten<br />

stehen, das Ergebnis war niederschmetternd: Jede<br />

vierte Befragte lehnte die Immunisierung gegen Masern,<br />

Mumps und Röteln (MMR) ab. Bei anderen Impfungen<br />

sah es nicht viel besser aus. Der Deutsche Heb<strong>am</strong>menverband<br />

erklärte d<strong>am</strong>als, es seien nur drei Prozent<br />

aller Heb<strong>am</strong>men befragt worden, das Ergebnis sei<br />

unseriös. Dass der Verband das Impfen befürwortet,<br />

stand nicht in der Mitteilung. Auch heute bekommt<br />

man nur knappe Antworten auf Fragen zum Thema:<br />

Eine verbreitete Impfskepsis unter Heb<strong>am</strong>men sei<br />

„ein Vorurteil, das nicht bewiesen ist“. Eine offizielle<br />

Stellungnahme zum Impfen gebe es nicht.<br />

Das Thema scheint in der Heb<strong>am</strong>menschaft heikel.<br />

Eine Heb<strong>am</strong>me, die in der Öffentlichkeit steht, bezeichnet<br />

sich als Impfbefürworterin, will aber nicht<br />

n<strong>am</strong>entlich genannt werden. Eine andere sagt, wenn<br />

man „auch nur einen Hauch“ von den Empfehlungen<br />

der Ständigen Impfkommission abweiche, die zum<br />

RKI gehört, werde man als Impfgegnerin bezeichnet.<br />

„Es ist ein Dr<strong>am</strong>a“, sagt Sabine Kroh. Sie arbeitet in<br />

Berlin seit 30 Jahren als Heb<strong>am</strong>me und hat den Onlineberatungsservice<br />

„call a midwife“ gegründet. Unter<br />

Heb<strong>am</strong>men werde sehr polemisch über das Impfen<br />

gestritten, viele Kolleginnen glänzten „mit gefährlichem<br />

Halbwissen“. Impfkritik sei sehr verbreitet, „vor<br />

allem unter den freiberuflichen Heb<strong>am</strong>men“. Warum<br />

das so sei, könne sie sich nicht erklären. Es könne jedoch<br />

gefährlich werden, wenn Heb<strong>am</strong>men nicht nur<br />

Impfungen bei Babys skeptisch sehen, sondern auch<br />

den eigenen Impfschutz vernachlässigen, und sei es<br />

aus Vergesslichkeit. Ein ungeimpfter Kinderarzt sei<br />

undenkbar. Heb<strong>am</strong>men jedoch, die von Haus zu Haus<br />

zögen und Babys betreuten, hätten oft Impflücken.<br />

Melanie Lukas hat ihr Kind inzwischen doch impfen<br />

lassen, von einem neuen Kinderarzt. Aber sie erinnert<br />

sich an die Argumente, die ihre Heb<strong>am</strong>me gegen das<br />

Impfen anführte: „Der Nestschutz gegen Masern würde<br />

lange wirken und durch das Stillen noch verstärkt.<br />

Die Keuchhustenimpfung sei wirkungslos, und Windpocken<br />

seien nicht gefährlich. Im Gegensatz zur Impfung<br />

gegen Hepatitis B, die könne Multiple Sklerose<br />

anlösen.“ Mit Nestschutz ist gemeint, dass ein Neugeborenes<br />

einige Monate lang gegen Infektionskrankheiten<br />

geschützt ist, gegen die seine Mutter immun ist.<br />

Doch gegen Keuchhusten gibt es keinen Nestschutz.<br />

BOTSCHAFTERIN DER ESOTERIK Im Dezember<br />

2018 wurde die Berliner Heb<strong>am</strong>me Sissi Rasche auf<br />

Instagr<strong>am</strong> gefragt, ob man ein Baby mit zwei Monaten<br />

impfen solle. Rasche tritt im Netz als Botschafterin ihrer<br />

Berufsgruppe auf, gibt auf YouTube „Tipps für entspanntes<br />

Wickeln“ und wirbt für Babykleidung. Sie<br />

empfahl die Impfvorträge eines anthroposophischen<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 15<br />

Krankenhauses in Berlin sowie ein Buch mit dem Titel<br />

„Impfen Pro & Contra“. Die Anthroposophie gilt als<br />

Pseudowissenschaft mit esoterischem Inhalt. In einer<br />

online verfügbaren „Leitlinie Masern und Masern-<br />

Impfung“ der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte<br />

in Deutschland heißt es, dass Eltern „die Masern ihres<br />

Kindes als sinnhaft erleben, als eine Auseinandersetzung<br />

mit dem eigenen Leib, aus der das Kind gestärkt<br />

hervorgehen kann“. Eltern wird zu einer „individuellen<br />

Impfentscheidung“ geraten, die ein verspätetes<br />

Impfen mit Einzelimpfstoffen beinhaltet.<br />

Diese Taktik verfolgt auch Martin Hirte, der Autor<br />

des Buchs „Impfen Pro & Contra“, das auf zahllosen<br />

Heb<strong>am</strong>men-Webseiten verlinkt ist, in Foren von Heb<strong>am</strong>men<br />

empfohlen und in Geburtsvorbereitungskursen<br />

herumgereicht wird. Hirte führt in München eine<br />

Privatpraxis für Kinderheilkunde. Sein Buch ist ein<br />

Longseller in der 17. Auflage. Nach der Lektüre dürfte<br />

man nicht mehr ruhigen Gewissens impfen. Hirte zufolge<br />

sind Impfungen Giftcocktails, die Leib und Leben<br />

von Kindern gefährden können. Viele dieser Untersuchungen,<br />

die Hirte zitiert, sind veraltet, widerlegt<br />

und halten dem aktuellen wissenschaftlichen<br />

Konsens nicht stand.<br />

Impfen: Mythen und Wahrheiten<br />

Warum sollen Babys ab der 8. Woche geimpft<br />

werden?<br />

Babys bekommen über die Plazenta mütterliche<br />

Antikörper übertragen, die sie vor bestimmten<br />

Krankheiten schützen. Allerdings verliert sich<br />

dieser Nestschutz nach einigen Wochen bis<br />

Monaten. Gegen Keuchhusten gibt es keinen<br />

Nestschutz. Bei Babys besteht eine erhöhte<br />

Gefahr schwerer Krankheitsverläufe. Einige<br />

Impfstoffe müssen mehrfach verabreicht werden,<br />

d<strong>am</strong>it sich vollständiger Schutz aufbaut.<br />

Belasten Mehrfachimpfungen das Immunsystem<br />

des Babys?<br />

Heutzutage befinden sich in einer Sechsfach-<br />

Impfdosis weit weniger Antigene als vor Jahrzehnten<br />

in einer Einmaldosis. Für den Impfschutz<br />

werden B-Lymphozyten benötigt. Ein<br />

Säugling hat 1,2 Millionen B-Lymphozyten in<br />

einem Milliliter Blut. Das würde reichen, um mit<br />

1000 Impfungen gleichzeitig fertig zu werden.<br />

Ab der Geburt muss sich der Körper täglich mit<br />

einer Vielzahl an Fremdstoffen und Keimen<br />

auseinandersetzen. Diese Vorgänge sowie Impfungen<br />

trainieren das Immunsystem.<br />

Können Impfungen Allergien, Autismus, Diabetes<br />

oder Multiple Sklerose auslösen?<br />

Der Mythos, dass Impfungen Krankheiten verursachen<br />

können, hält sich hartnäckig. Eine<br />

große Studie hat gerade zum wiederholten Mal<br />

den Zus<strong>am</strong>menhang zwischen der Dreifach-<br />

Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln und<br />

Autismus widerlegt. In Deutschland wacht das<br />

Paul-Ehrlich-Institut über die Impfstoffsicherheit.<br />

Die Datenbank des Instituts ist mit Meldesystemen<br />

in aller <strong>Welt</strong> verknüpft. Impfnebenwirkungen<br />

werden so erfasst. Schlecht verträgliche<br />

Impfstoffe wie z. B. gegen Tuberkulose<br />

wurden aus dem Verkehr gezogen.<br />

GEBRIEFTE ELTERN BEIM KINDERARZT Es ist die<br />

Aufgabe von Kinderärzten, Eltern über mögliche Nebenwirkungen<br />

von Impfungen aufzuklären. Doch viele<br />

haben längst mit der Heb<strong>am</strong>me über das Thema gesprochen,<br />

wenn sie zu ihm kommen, sagt Jens-Uwe<br />

Köhler, der in Erkner bei Berlin eine Kinderarztpraxis<br />

führt. Seit Jahren erkundigen sich bei ihm Eltern, ob<br />

man die Kinder nicht später impfen könnte, als empfohlen<br />

ist, oder sie fragen nach Teilimpfungen. Wie<br />

kommen sie darauf? „Auf Nachfrage wird immer wieder<br />

geantwortet: Die Heb<strong>am</strong>me hat es nicht direkt so<br />

gesagt, aber sie meinte, bei ihrem Kind würde sie erst<br />

mit einem Jahr impfen lassen.“ Gelegentlich legen die<br />

Eltern Köhler die sogenannten „33 Fragen an den<br />

Impfarzt“ vor, „ein Fragenkatalog aus der Impfgegnerschaft,<br />

der den Impfarzt kompromittieren soll“, sagt<br />

er. „Die Beratungs- und Aufklärungsarbeit ist in aller<br />

Regel sehr intensiv, wenn die Heb<strong>am</strong>me das Thema<br />

Impfung bereits angesprochen hat.“<br />

Impfkritische Heb<strong>am</strong>men können Argumente in der<br />

„Deutschen Heb<strong>am</strong>men Zeitschrift“ finden. In einem<br />

Artikel von 2014, der online abrufbar ist, wird ein<br />

Impfmythos nach dem anderen aufgetischt. Die Heb<strong>am</strong>me<br />

Frauke Lippens aus H<strong>am</strong>burg hat den Beitrag<br />

verfasst. Sie schreibt, die Impfberatung der Ärzte habe<br />

„den Charakter eines Verkaufsgesprächs“, auch sie behauptet,<br />

dass Infektionskrankheiten „eine wichtige<br />

Funktion in der Entwicklung von Kindern“ haben und<br />

es einen Zus<strong>am</strong>menhang zwischen Impfungen und<br />

schweren Krankheiten wie Diabetes, Autismus und<br />

Multipler Sklerose gebe. Unter dem Artikel finden sich<br />

Links zu Seiten von radikalen Impfgegnern.<br />

Die Querschnittstudie des RKI zu den Einstellungen<br />

der Heb<strong>am</strong>men zu Impfungen vor zwölf Jahren ergab,<br />

dass jede zweite dem Glauben anhing, die Masern<br />

seien wichtig für die Entwicklung von Kindern. Dass<br />

moderne Impfstoffe gut verträglich, sicher und wirks<strong>am</strong><br />

sind – davon war nur die Hälfte der Befragten<br />

überzeugt. Jede fünfte Heb<strong>am</strong>me glaubte, eine homöopathische<br />

Behandlung könne Impfungen überflüssig<br />

machen. Immerhin befürworteten 80 bis 90<br />

Prozent der Befragten eine Impfung gegen Tetanus,<br />

Poliomyelitis und Diphtherie. Bei den Impfungen gegen<br />

Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ B, Hepatitis<br />

A und B sowie gegen Rotavirus zeigte sich die<br />

Mehrheit unentschlossen. Nur 20 bis 30 Prozent hielten<br />

die Impfung gegen Varizellen, Pneumokokken und<br />

Meningokokken C für sinnvoll. Auch der Impfstatus<br />

der Heb<strong>am</strong>men selbst war bedenklich: Einzig gegen<br />

Tetanus waren 75 Prozent immunisiert, gegen Keuchhusten<br />

nur 18 Prozent.<br />

Man könnte nun hoffen, die Ergebnisse seien veraltet.<br />

Doch in dieser Woche wurde in einer großen Heb<strong>am</strong>mengruppe<br />

auf Facebook ein Post bejubelt, der die<br />

diskutierte Impfpflicht als „Lizenz zum Gelddrucken“<br />

bezeichnet. Eine Petition gegen die Impfpflicht, gestartet<br />

von einer Heb<strong>am</strong>me, gibt es inzwischen auch.<br />

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16 DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Tschau, Chewbacca<br />

Weil der Atomkrieg mit<br />

Pakistan vorerst gottlob<br />

auf Eis gelegt war,<br />

hatte die indische Armee<br />

etwas Luft. Die<br />

wurde unter anderem dazu genutzt, die<br />

„Erste Bergexpedition der indischen Armee“<br />

zu veranstalten. 22 Teilnehmer, offensichtlich<br />

hoch dekorierte, waren dabei,<br />

als es zum Mount Makalu ging, einem<br />

8485 Meter hohen Berg im Himalaja.<br />

Von dessen Existenz hätte außerhalb<br />

des Göttergebirges wahrscheinlich niemand<br />

jemals erfahren, ja, hätten die Soldaten<br />

dort nicht den Yeti gefunden, den<br />

legendären Schneemenschen.<br />

VON PETER HUTH<br />

Also, nicht wirklich gefunden. Die Fotos<br />

zeigen lediglich den Abdruck eines<br />

rechten Fußes. Und auch den erkennt<br />

man nur mit viel gutem Willen. Außerdem<br />

– und das ist neu im Yeti-Sichtungsgeschäft<br />

– hätte der Schneemann offensichtlich<br />

einen Schuh getragen, denn<br />

das, was als Spur bezeichnet wird, ist<br />

deutlich unterteilt in einen hinteren und<br />

vorderen Bereich. Die Größe wurde auch<br />

vermessen: 32 mal 15 Inch, also 81 mal 38<br />

Zentimeter, circa Schuhgröße 120. Gibt’s<br />

auch nicht bei jedem Deichmann.<br />

Also postete das Additional Directorate<br />

General of Public Information der<br />

indischen Armee, wohl die Presseabteilung<br />

der Streitkräfte, auf ihrem Twitter-<br />

Account die Fotos von Fund und Findern<br />

sowie einen etwas ungelenken Text. In<br />

dem wird in zackigem Militärton verkündet,<br />

die Armee habe „zum ersten<br />

Mal“ die „mysteriösen Fußabdrücke des<br />

mythischen Monsters Yeti“ aufgespürt.<br />

Dazu, ganz nationalbewusst, wie um allen<br />

<strong>am</strong>erikanischen Bigfoot-Forschern<br />

den Schneid abzukaufen, die Klarstellung:<br />

Dieser „schwer fassbare Schneemann“<br />

sei natürlich nur in dieser Region<br />

überhaupt zu sichten.<br />

Ein Spaß. Was auch sonst. Man kann<br />

sich das ganz gut vorstellen, wie da der<br />

junge Social-Media-Offizier gesagt hat:<br />

Das müssen wir hier mal ganz anders machen<br />

mit der Pressearbeit, immer nur Ordensverleihung<br />

und Heldenverehrung<br />

und Ausflug in die Berge ist ja langweilig.<br />

Kein Wunder, dass wir zwar 5,99 Millionen<br />

Follower, aber gerade mal 66 Likes<br />

haben. Wir brauchen mal was Spaßiges, vielleicht so<br />

wie die Berliner Polizei, die ja immer mal für eine<br />

Waschbärenstory auf Twitter gut ist. Gesagt, getan –<br />

und reingefallen.<br />

Es mag <strong>am</strong> wenig <strong>am</strong>bitioniert humorigen Aussehen<br />

des Auftritts der Expeditionsk<strong>am</strong>eradschaft liegen,<br />

den echt miesen Fotos oder <strong>am</strong> allgemeinen Vorurteil,<br />

dass mit der Armee einer Schwellenland-Nuklearmacht<br />

nicht wirklich zu spaßen ist: Aber das Netz<br />

nahm den Tweet der Inder ernst.<br />

Rasend schnell verbreitete sich die Nachricht über<br />

die ganze <strong>Welt</strong> und ebenso schnell der Spott. Als ob es<br />

sich tatsächlich um eine offizielle Mitteilung der Armee<br />

gehandelt hätte, wurden die Inder mit allerlei Beweisen<br />

dafür, dass das keineswegs die Spuren eines Yetis, sondern<br />

maximal die eines hüpfenden Schneeschuhgängers<br />

seien, vollgetwittert. Bilder aus Yeti-Kitschfilmen von<br />

Bolly- bis Hollywood wurden in die Kommentarspalten<br />

gestellt und natürlich das berühmte Comic-Cover von<br />

„Tim in Tibet“. Zeitungen von „Aftonbladet“ bis WELT<br />

Edel sei das Monster, langhaarig<br />

und gut. Über den „Star Wars“-Star<br />

mit der Ganzkörperfrisur, den Yeti<br />

und andere Schreckenskerle<br />

Chewbacca Die mächtige Gestalt eines Yeti, das liebevolle Herz eines Hippies<br />

berichteten über die angebliche Sichtung, und schon<br />

war er tatsächlich wieder da, dieser Yeti, in den Schlagzeilen,<br />

in aller Munde, in allen Herzen. Denn – lassen<br />

wir mal die zynischen Besserwisserkommentare der<br />

Twitterer außen vor – wäre das nicht die schönste<br />

Nachricht von allen, dass es ihn wirklich gibt, den Yeti?<br />

DIE WIR DOCH GROSS UND EWIG EINSAM SIND<br />

Der Mythos vom Schneemenschen, der zottelig und –<br />

immer – eins<strong>am</strong> durch die entlegensten Gebirge<br />

streift, ist weltumspannend. Es gibt ihn im Himalaja<br />

wie in Sibirien und auch in Nord<strong>am</strong>erika, wo der weiße<br />

Wanderer Bigfoot oder Sasquatch genannt wird.<br />

Schon Alexander der Große, fast 400 Jahre vor Christus,<br />

versuchte, seiner habhaft zu werden und fand<br />

doch niemanden, der mutig genug war, den Schneemann<br />

zu jagen. Hunderte echte, ernst gemeinte Expeditionen<br />

wurden geführt, sämtliche vergeblich.<br />

All die Fellfetzen und Exkremente entpuppten sich<br />

durch ganz und gar unromantische DNA-Proben als<br />

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PROD DB/ALLPIX PRESS/PROD DB<br />

von Bären st<strong>am</strong>mend. Die verwackelten<br />

Fotos wurden als billige Fälschungen<br />

entlarvt. Und doch lässt der Mythos uns<br />

Menschen nicht los. So klar, so bewiesen<br />

es ist, dass es ihn nicht gibt. Warum nur?<br />

Die Sehnsucht des Menschen nach<br />

dem Monstrum ist unzerstörbar, weil es<br />

für den düsteren Teil der Persönlichkeit<br />

steht, für das Schaudern und die Ängste.<br />

Monster waren immer da, aber erst Mary<br />

Shelley entlarvte die Grauensgestalt in<br />

„Frankenstein“ als Teil unserer selbst.<br />

Bei allem Schrecken, die sie verbreitet,<br />

erweckt sie doch immer auch Mitleid<br />

oder sogar Mitgefühl. Man hält nicht mit<br />

den Bauerntölpeln, die die Kreatur jagen<br />

und brennen sehen wollen, sondern mit<br />

dem Monstrum, weil es eins<strong>am</strong> und unverstanden<br />

ist. Das passt zu den Erzängsten<br />

des Menschen. Kinder, die von<br />

Monstern unter ihrem Bett fantasieren,<br />

erkaufen sich so weitere Zeit der Geborgenheit<br />

mit ihren Eltern.<br />

Würde man eine Liste führen, fänden<br />

sich in Film und Literatur sicherlich genauso<br />

viele Geschichten, in denen Monster<br />

freundlich, lustig, k<strong>am</strong>eradschaftlich<br />

und lediglich missverstanden dargestellt<br />

werden, wie als tobende Grauensbringer.<br />

Die „F<strong>am</strong>ilie Monster“ ist eine verschrobene<br />

Sippe, die wie Pech und Schwefel<br />

zus<strong>am</strong>menhält. Rüdiger, der kleine V<strong>am</strong>pir,<br />

ist ein feiner Kerl. Das Land, in dem<br />

die „wilden Kerle wohnen“ ein Zauberort.<br />

In „Santa Clarita Diet“ kann sogar<br />

ein Zombie eine liebende Mutter und gute<br />

Hausfrau sein. In Pixars „Monster<br />

AG“-Filmen wird die Symbiose von<br />

Monster und Mensch zauberhaft und<br />

gleichzeitig ernst geschildert. Der Schrecken,<br />

das ist zuerst einmal das Fremdartige,<br />

aber es wird, so beten wir, überwunden,<br />

sobald wir nicht auf das Äußere,<br />

sondern das Innere blicken.<br />

In einer natürlich absolut zufälligen<br />

Koinzidenz erreichte uns <strong>am</strong> Freitag, also<br />

kurz nach der indischen Yeti-Meldung,<br />

die Nachricht vom Tode Peter Mayhews.<br />

Der Brite, ehemaliger Krankenpfleger,<br />

unfassbare zwei Meter und achtzehn<br />

Zentimeter groß, verkörperte seit 1977 die<br />

cineastische Figur, die alles, was der<br />

Mensch seit Jahrtausenden in den Yeti interpretiert,<br />

in sich trug: den Krieger<br />

Chewbacca in der „Star Wars“-Reihe.<br />

Furcht einflößend von Gestalt und Gebrüll,<br />

der N<strong>am</strong>e, <strong>am</strong> ehesten wohl „Kaubacke“,<br />

soll durchaus zittern lassen. Bei der ersten Begegnung<br />

will der rasende Riese den Menschen Han Solo<br />

töten. Erst, als dieser ihn als gleichwertig anerkennt<br />

und behandelt, wird er zum Freund, dessen Loyalität<br />

ohne Grenzen ist. Als einzige Gestalt in dem gewaltigen<br />

„Krieg der Sterne“-Epos ist Chewbacca trotz seines<br />

Jähzorns in keinem Moment der Verführung der dunklen<br />

Seite ausgesetzt. Er ist ein wahrlich edles Monster.<br />

Irritierend, wie es dem Schauspieler gelang, stets vollkommen<br />

in einem Kostüm verborgen, diese Rolle auszufüllen.<br />

Seine eigenen Lebenserfahrungen, anders zu<br />

sein, mögen ihm geholfen haben.<br />

Wir Menschen brauchen die Monster, die Chewbaccas<br />

und Yetis, denn sie sind unsere wilde, animalische,<br />

unbezähmbare, stolze und archaische Seite. Sie<br />

schlummern in unseren Seelen. Danke also, Presse<strong>am</strong>t<br />

der indischen Armee, für diese Erinnerung an den Yeti.<br />

Und forscht weiter. Denn ein altes Himalaja-Sprichwort<br />

sagt: Wer den Yeti sucht, der hat keine Zeit, einen<br />

Atomkrieg zu führen.


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18 DEUTSCHLAND & DIE WELT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Das gehört in die<br />

Gelbe Tonne<br />

Eine Übersicht, was alles in<br />

die Recyclingtonne gehört,<br />

finden Sie auch im Internet:<br />

gruener-punkt.de. Unter<br />

anderem sind das:<br />

Zahnpastatuben Konservendosen<br />

Joghurtbecher<br />

und -deckel Menüschalen<br />

Müsliverpackungen (Kunststoff)<br />

Holzschachteln<br />

Suppentüten Tierfutterverpackungen<br />

Spülmittelflaschen<br />

Spraydosen<br />

Milchbeutel Nudeltüten<br />

Styropor, z. B. von Elektroverpackungen<br />

Steingutflaschen<br />

Getränkekartons<br />

Butterpapier Milchbeutel<br />

Alufolien Schokokussverpackungen<br />

Senfeimer<br />

Arzneimittelblister<br />

Unglücklich<br />

getrennt<br />

Penibel sortieren die Deutschen<br />

ihren Müll. Doch etwa die Hälfte der<br />

Abfälle, die in der Gelben Tonne<br />

landen, gehört gar nicht hinein<br />

Regionale Ausnahmen sind<br />

möglich, wenn zum Beispiel<br />

Wertstofftonnen aufgestellt<br />

wurden. Auskunft<br />

geben die Kommunen.<br />

... und das gehört<br />

nicht hinein<br />

Diese Abfälle soll man nicht<br />

in die Gelbe Tonne werfen –<br />

hier nur eine Auswahl der<br />

Dinge, die oft falsch entsorgt<br />

werden:<br />

16.<br />

NOVEMBER<br />

Alles über Müll Vom 16. bis 24.<br />

November dauert in diesem<br />

Jahr die „Europäische Woche<br />

der Abfallvermeidung“, vorab<br />

kann man sich aber schon einmal<br />

die Broschüre „Abfälle im<br />

Haushalt“ des Umweltbundes<strong>am</strong>tes<br />

downloaden oder bestellen<br />

(kostenlos, unter umweltbundes<strong>am</strong>t.de)<br />

14<br />

PROZENT<br />

Für alle, die es genau wissen<br />

wollen Laut Bundesverband<br />

Sekundärrohstoffe und Entsorgung<br />

st<strong>am</strong>men nur 14 Prozent<br />

der in der Industrie eingesetzten<br />

Rohstoffe aus Recycling.<br />

Weitere Informationen, z.<br />

B. über die „Stoffstromorientierte<br />

Sekundärrohstoffwirtschaft“,<br />

auch unter bvse.de<br />

Altkleider Elektrogeräte<br />

Nylonstrumpfhosen Einwegrasierer<br />

Faltschachteln<br />

Essensreste CDs und<br />

Disketten Feuerzeuge<br />

Holzwolle Glas, wie z. B.<br />

Flaschen und Konservengläser<br />

Hygieneartikel Ker<strong>am</strong>ik<br />

Katzenstreu Kugelschreiber<br />

Klarsichthüllen<br />

Zahnbürsten Windeln Porzellangeschirr<br />

Pflaster<br />

Filme Kinderspielzeug<br />

Luftmatratzen Nicht geleerte<br />

Verpackungen Zelte<br />

Pappe/Karton Tapetenreste<br />

Styroporreste, z. B. von<br />

Dämmmaterial Zigarettenkippen<br />

67<br />

PROZENT<br />

Alles Müll Zwei Drittel aller<br />

Siedlungsabfälle werden in<br />

Deutschland bereits recycelt<br />

(laut Umweltbundes<strong>am</strong>t),<br />

mehr als 270.000 Beschäftigte<br />

in 11.000 Unternehmen<br />

sorgen für die Weiter- und<br />

Wiederverwendung.<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 19<br />

Einweg- oder Mehrwegflasche?<br />

Ö<br />

Öffnet man eine Gelbe Tonne, wird man darin alles<br />

Öffnet man eine Gelbe Tonne, wird man darin alles<br />

Mögliche finden: Kinderspielzeug, alte Putzeimer,<br />

Zahnbürsten, Plastikbecher. Man wird sich womög-<br />

lich wundern, weil all dies doch nicht in die Gelbe<br />

Tonne soll. Aber wer weiß das schon so genau? Auf<br />

40 bis 60 Prozent beziffert der Bundesverband Sekundärrohstoffe<br />

und Entsorgung die Fehlwurfquote<br />

bei der Gelben Tonne – also das, was zwar hineingeworfen<br />

wird, aber nicht hineinsoll.<br />

VON SARAH MARIA BRECH<br />

Dabei halten sich die Deutschen für gute Mülltrenner.<br />

In allen Umfragen gibt eine Mehrheit an, ihren<br />

Abfall konsequent zu sortieren. Vor allem den<br />

Kunststoff, den sie schließlich nicht als Mikroplastik<br />

im Meer oder im Magen eines toten Wals wiederfinden<br />

wollen. Und ganze 84 Prozent, so ergab eine<br />

RTL-Umfrage, wollen weniger Plastik verbrauchen.<br />

In der Realität sieht das aber anders aus: Die Deutschen<br />

produzieren immer mehr Plastikmüll. Ein<br />

großer Teil davon landet in der falschen Tonne. Ein<br />

großer Teil wird nicht recycelt, sondern verbrannt.<br />

Und nicht alles daran ist so schlimm, wie es klingt.<br />

Deutsche trennen also gar nicht gut?<br />

Ein Teil des Plastikmülls ist über das duale System<br />

organisiert. Das funktioniert so: Wer eine Verpackung<br />

in den Verkehr bringen will, lässt diese bei<br />

einem von insges<strong>am</strong>t neun Anbietern lizenzieren<br />

und zahlt dafür Geld. Dieser wiederum muss den<br />

Abfall nach gesetzlich vorgeschriebenen Recyclingquoten<br />

– bis 2022 sollen es beim Kunststoff 63 Prozent<br />

sein – weiterverwerten. Darum dürfen nur Verpackungen<br />

in den Gelben Sack, und darum muss der<br />

Verbraucher für dessen Entsorgung auch nichts zahlen.<br />

Das System hat allerdings einen Haken: Es gibt<br />

viele Plastikabfälle, die nicht in den Gelben Sack<br />

oder die Gelbe Tonne dürfen, aber aus besonders<br />

reinem oder dicken Kunststoff bestehen. „Für den<br />

Ressourcenschutz ist das unsinnig, denn hochwertige<br />

Kunststoffe wie zum Beispiel Eimer sollten recycelt<br />

werden“, sagt Gilian Gerke, Studiengangsleiterin<br />

Recycling an der Hochschule Magdeburg. Viele<br />

Gemeinden hätten darum inzwischen die Wertstofftonne<br />

eingeführt: In ihr sollen all jene Materialien<br />

ges<strong>am</strong>melt werden, die zwar denen im Gelben Sack<br />

gleichen – aber nicht hineindürfen.<br />

Viele sind ohnehin nicht über das duale System in-<br />

formiert. In der Wissenschaft gibt es den Begriff des<br />

intelligenten Fehlwurfs. „Das bedeutet, dass die Verbraucher<br />

schlauer sind als das Gesetz und zum Beispiel<br />

dicken, gut recycelbaren Kunststoff in den Gelben<br />

Sack tun, obwohl es keine Verpackung ist“, sagt<br />

Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft<br />

beim Wuppertal Institut für Klima, Energie und Umwelt.<br />

So kommt die Fehlwurfquote zustande.<br />

NUR DIE HÄLFTE WIRD RECYCELT Im Moment<br />

wird etwa die Hälfte des Mülls aus dem Gelben Sack<br />

recycelt, der Rest verbrannt oder exportiert. Recyceln<br />

ist in vielen Fällen zu kompliziert. Plastikverpackungen<br />

bestehen heutzutage häufig aus mehreren<br />

Kunststoffarten. Besonders beliebt sind die sogenannten<br />

Multilayer-Verpackungen – Folien aus mehreren<br />

verschiedenen Kunststoffen, die übereinanderliegen.<br />

Sie sind hauchdünn und äußerst stabil,<br />

aber die einzelnen Schichten lassen sich kaum wieder<br />

voneinander trennen. Und selbst wenn es möglich<br />

wäre, würde sich der Aufwand nicht lohnen. Zudem<br />

sind Kunststoff häufig Additive zugesetzt –<br />

Normalerweise ist Mehrweg besser. Doch<br />

Glas benötigt viele Ressourcen in der Herstellung<br />

und ist schwer. Mehrwegflaschen aus<br />

Glas seien in der Regel dann besser, wenn sie<br />

nicht weiter als 100 Kilometer gefahren werden,<br />

sagt Henning Wilts. Und beim Plastik?<br />

Dickere Mehrwegflaschen verbrauchen<br />

mehr Ressourcen als Einwegflaschen,<br />

werden aber häufiger verwendet.<br />

Dornack zitiert eine Studie<br />

der Trifolium Beratungsgesellschaft.<br />

Demnach<br />

sind <strong>am</strong> besten<br />

große Pfandflaschen<br />

aus Glas, die 30-mal<br />

verwendet werden,<br />

oder noch größere aus<br />

Kunststoff. Ganz<br />

schlecht seien kleine<br />

Flaschen: „Das Verhältnis<br />

zwischen Verpackung<br />

und Inhalt ist<br />

eine Katastrophe.“<br />

Plastikbeutel oder Papiertüte?<br />

Papier ist biologisch abbaubar, allerdings<br />

weniger stabil und wird darum meist nur<br />

einmal verwendet. Zudem werden für seine<br />

Herstellung mehr Rohstoffe verbraucht. Man<br />

muss sich also entscheiden, was einem wichtiger<br />

ist. Dornack hat eine Faustregel entwickelt:<br />

In Deutschland eher Plastik kaufen –<br />

hier landet es, richtig entsorgt, nicht in der<br />

Umwelt. Im außereuropäischen Ausland besser<br />

Papier. Biologisch abbaubare Plastiktüten<br />

sind nicht zu empfehlen. Gerade hat eine<br />

Studie der Universität Plymouth gezeigt, dass<br />

sie sich im Boden über Jahre nicht auflösen.<br />

Im Gelben Sack wiederum könnten sie andere<br />

Kunststoffe verschmutzen, sodass sie sich<br />

nicht mehr recyceln lassen.<br />

Am besten ist es<br />

also, mit dem<br />

Rucksack oder der<br />

Stofftasche einkaufen<br />

zu gehen.<br />

Auch diese müssen<br />

aber hergestellt<br />

werden, wozu Energie<br />

und Rohstoffe<br />

gebraucht werden.<br />

Man sollte sie möglichst<br />

lange benutzen.<br />

Gespült oder nicht?<br />

Beim Joghurtbecher reiche es völlig aus, den<br />

Becher auszukratzen, den Aludeckel abzuziehen<br />

und alles in den Gelben Sack zu<br />

werfen, sagt Gilian Gerke. Klebt aber zu viel<br />

Essen <strong>am</strong> Kunststoff, kann das das Recyceln<br />

behindern. Christina Dornack erklärt das <strong>am</strong><br />

Beispiel der Verpackung von mariniertem<br />

Grillfleisch: Der Deckel besteht aus einer Folie.<br />

„In der Sortieranlage würde das Infrarotgerät<br />

das erkennen und die Information weitergeben<br />

an Druckluftdüsen, die solche Folien<br />

wegblasen in den passenden<br />

Container.“ Die<br />

Stärke der Druckluft<br />

ist auf den Kunststoff<br />

ausgelegt. Ist die<br />

Folie aber viel schwerer,<br />

weil Marinade<br />

daran klebt, wird sie<br />

aussortiert.<br />

Weichmacher etwa, die dem Material besondere erwünschte<br />

Eigenschaften verleihen, aber verhindern,<br />

dass es sich wiederverwerten lässt. Ein besonderes<br />

Problem ist schwarzer Kunststoff. Diesen sortieren<br />

die Infrarot-Scanner der Müllsortieranlagen nämlich<br />

aus, weil sie ihn nicht als Kunststoff erkennen,<br />

erklärt Christina Dornack, Direktorin des Instituts<br />

für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der Technischen<br />

Universität Dresden.<br />

Von einem kompletten Kreislauf, in dem Kunststoff<br />

vollständig wiederverwertet wird, sind wir weit<br />

entfernt. Recyceln lässt sich immer nur ein Teil des<br />

Mülls, und oft entsteht daraus Kunststoff von<br />

schlechterer Qualität. Downcycling nennt man dieses<br />

Phänomen. Zudem braucht man fürs Recycling<br />

Energie, die sowohl Geld kostet als auch irgendwie<br />

erzeugt werden muss, wobei meistens Treibhausgasemissionen<br />

entstehen.<br />

Plastik zu verbrennen ist allerdings nicht nur<br />

schlecht. Es besteht nämlich vor allem aus Erdöl,<br />

was bedeutet, dass sich daraus sehr viel Energie erzeugen<br />

lässt. Energetisch hochwertiger Kunststoff,<br />

der nicht recycelbar ist, wird darum besonders aufbereitet<br />

und dann als Ersatzbrennstoff für energieintensive<br />

Industrien wie Stahl- oder Zementwerke<br />

verwendet, die ihn mitverbrennen und so fossile<br />

Rohstoffe einsparen. „Abfall zu verbrennen hat also<br />

Vor- und Nachteile“, sagt Gerke. „Fürs Klima ist Recyceln<br />

besser, denn es entstehen weniger Treibhausgase.<br />

Andererseits spart man bei der energetischen<br />

Verwertung primäre Rohstoffe.“<br />

Die Faustregel, sagt Wilts, laute folgendermaßen:<br />

Wo möglich, sollte man Abfall vermeiden. Nur wenn<br />

das nicht geht, sollte man recyceln. Wenn das wiederum<br />

nicht geht, sollte man verbrennen. Nur der<br />

Rest sollte deponiert werden. Im Zweifelsfall muss<br />

man sich schon beim Einkaufen entscheiden, was<br />

man schützen will: das Klima oder die Umgebung.<br />

Glas und Papier sind häufig aufwendiger herzustellen<br />

oder zu transportieren als Plastik und verursachen<br />

darum mehr CO2-Emissionen, die dem Klima<br />

schaden. Plastik wiederum verrottet kaum und verbleibt<br />

darum in der Umwelt. Wird der Müll vollständig<br />

getrennt und entsorgt, passiert das zwar nicht.<br />

Allerdings wird es den Deutschen wohl kaum gelingen,<br />

jeden einzelnen Fitzel Plastik korrekt zu entsorgen.<br />

Ebenso wenig kann man Plastik vollständig<br />

verbannen. Es ist einfach zu praktisch: billig, robust<br />

und hygienisch.<br />

Technisch ließe sich vieles verbessern, sagt Wilts.<br />

Er arbeitet beispielsweise gerade mit einem Roboter<br />

mit künstlicher Intelligenz an dem Problem des<br />

schwarzen Kunststoffs: Dieser arbeitet nicht mit Infrarot,<br />

sondern vergleicht Fotos mit den echten Abfällen<br />

auf dem Band und kann so auch schwarze<br />

Plastikverpackungen erkennen. Dornack plädiert<br />

stattdessen für eine Quote: „Die Politik müsste vorgeben,<br />

dass in jeder Verpackung, die nicht für Lebensmittel<br />

oder medizinische Produkte ist, ein gewisser<br />

Anteil an recyceltem Kunststoff enthalten<br />

sein muss.“ Bislang gibt es im Verpackungsgesetz<br />

zwar eine Quote für Recycler – aber keine für Hersteller.<br />

Wenn es ganz schlecht läuft, hätten wir also<br />

irgendwann tonnenweise recycelten Kunststoff, den<br />

niemand braucht.<br />

Und die Verbraucher? Sollten weniger Plastik<br />

kaufen, überall da, wo es möglich ist und sich lohnt<br />

(siehe Kästen). Noch produziert jeder Deutsche 37,6<br />

Kilo Plastikverpackungsmüll jährlich – das ist der<br />

dritthöchste Wert in der EU.<br />

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20 FORUM<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

JUSO-PLANSPIELE<br />

Alles nur von Pappe<br />

Als Kevin Kühnerts<br />

Kollektivierungsfantasien<br />

diese<br />

Woche die Runde<br />

machten, erinnerte ich<br />

mich an eine Recherche im<br />

April 1991, wo der letzte<br />

Trabant, liebevoll-abschätzig<br />

„Pappe“ genannt, vom<br />

Band rollen sollte: in den<br />

Sachsenring-Automobilwerken<br />

Zwickau. Mit „Verfall<br />

in Ocker“ beschrieb ich<br />

meinen Eindruck von den<br />

düsteren Hallen. Schlimmer<br />

noch als das deprimierende<br />

Ambiente war die Stimmung<br />

der Arbeiter, von<br />

denen viele schon sehr<br />

genau wussten, dass dies<br />

das Ende ihrer beruflichen<br />

Laufbahn bedeuten würde.<br />

Einer sagte zu mir: „Die<br />

Kommunisten haben hier<br />

alles zur Sau gemacht.“<br />

VON OLIVER MICHALSKY<br />

Die Geschichte dieser<br />

Automobilwerke steht sinnbildlich<br />

für das, was sozialistische<br />

Ideen wie Verstaatlichung<br />

und Kollektivierung<br />

anrichten. Wo die<br />

DDR den Trabant baute,<br />

rollten vorher Horch- und<br />

Audi-Wagen vom Band. 1946<br />

erfolgte die Enteignung.<br />

Gab es in den 50er- und<br />

60er-Jahren unter Verwendung<br />

von Vorkriegs-Knowhow<br />

und mit neuem Gründergeist<br />

noch einen Aufschwung<br />

in Zwickau, so<br />

wurde dieser spätestens<br />

Ende der 60er-Jahre abgewürgt.<br />

Die Trabant-Werker<br />

hatten den Prototyp eines<br />

neuen Kompaktwagens<br />

entwickelt, doch Ulbricht<br />

und Honecker sahen keine<br />

Notwendigkeit. Entwicklungsunterlagen<br />

wurden<br />

vernichtet, Innovation verhindert,<br />

neue Absatzchancen<br />

vertan – und das Grab<br />

für die Beerdigung des Automobilbaus<br />

im Jahr 1991<br />

sehr frühzeitig geschaufelt.<br />

Wer heute der Treuhandanstalt<br />

die Schuld für die<br />

teilweise Deindustrialisierung<br />

Ostdeutschlands in die<br />

Schuhe zu schieben versucht,<br />

sollte sich eher nach<br />

dem Zustand der Wirtschaft<br />

in der DDR vor 1989 erkundigen.<br />

Zweifellos: Die<br />

Startbedingungen nach dem<br />

Zweiten <strong>Welt</strong>krieg waren<br />

durch die extremen Reparationsleistungen<br />

für die<br />

Sowjetunion deutlich<br />

schlechter als die der jungen<br />

Bundesrepublik. Aber<br />

die auf die Vergesellschaftung<br />

folgende Planwirtschaft<br />

hat das Land so richtig<br />

heruntergerockt. Das in<br />

der DDR-Propaganda viel<br />

gepriesene Prinzip der kollektiven<br />

Leitung und Planung<br />

war nichts anderes als<br />

ein Durchregieren der SED<br />

– die Partei, die Partei, die<br />

hat immer recht. Dass Demokratie<br />

und Sozialismus<br />

sich so gar nicht vertragen,<br />

konnte d<strong>am</strong>als schon jeder<br />

sehen, der es wollte. Die<br />

zentrale Lenkung machte<br />

Schluss mit all dem, was<br />

Innovation, Fortschritt und<br />

Entwicklungssprünge besonders<br />

fördert: Marktorientierung,<br />

Freiheit, Eigenverantwortung,<br />

Initiative,<br />

Gewinnstreben –<br />

auch das Träumen-Dürfen.<br />

Anstelle dessen: Gleichmacherei,<br />

die Beseitigung von<br />

Anreizen zum gesellschaftlichen<br />

Aufstieg und Entzug<br />

der Verantwortung für den<br />

Einzelnen. Warum wohl war<br />

die Arbeitsproduktivität vor<br />

allem in der Endphase der<br />

DDR so grotesk schlecht?<br />

Es hat kein sozialistisches<br />

Experiment gegeben, das<br />

von Erfolg gekrönt war.<br />

Man braucht dazu nicht<br />

einmal nach Nordkorea,<br />

Kuba oder Venezuela zu<br />

schauen, und es braucht<br />

auch keine Erinnerung an<br />

Stalins Exzesse. Wir haben<br />

hier in Deutschland erlebt,<br />

was Sozialismus bedeutet,<br />

der eine oder andere hautnah.<br />

Es gibt noch viele Zeitzeugen,<br />

und viele gute Bücher<br />

sind auf dem Markt,<br />

Herr Kühnert.<br />

Die Pointe der Trabant-<br />

Geschichte: Ende der 80er-<br />

Jahre, als in der DDR trotz<br />

Straußens Milliardenkredit<br />

gar nichts mehr ging, bek<strong>am</strong><br />

der Wagen einen schon in<br />

die Jahre gekommenen<br />

VW-Polo-Motor und ein<br />

minimales Facelifting. Der<br />

Spott kannte keine Grenzen:<br />

„Mumie mit Herzschrittmacher“.<br />

Kurz darauf<br />

kollabierte die DDR.<br />

Lernen in Löwen Auslandssemester für alle sind eine große Errungenschaft Europas<br />

Dafür steht<br />

Europa<br />

Niemand darf sich zurücklehnen: Die EU nicht, wir alle<br />

nicht. Wir sind nämlich lange nicht fertig mit diesem<br />

großartigsten aller Projekte, sagt Wolfgang Clement<br />

Wie hätten Sie<br />

es jetzt gern,<br />

so kurz vor<br />

den Wahlen<br />

zum Europäischen<br />

Parl<strong>am</strong>ent? Einen<br />

fl<strong>am</strong>menden Appell für mehr<br />

europäische Politik, für das erfolgreichste<br />

Friedensprojekt des<br />

20. Jahrhunderts? Oder für den<br />

Binnenmarkt und die Reisefreiheit<br />

auf diesem Kontinent? Oder<br />

doch eher ein paar mahnende<br />

Worte, die auf die Gefahren für<br />

Europa durch regelwütige Bürokraten<br />

oder erstarkende Populisten<br />

hinweisen? Beides ist richtig<br />

und wichtig – und ist doch<br />

zweitrangig. Europa ist für mich<br />

Emotion, es ist das Gefühl einer<br />

wahrhaftig offenen, auf Frieden<br />

und Freiheit und Wohlstand<br />

möglichst für alle verpflichteten<br />

<strong>Welt</strong> – bis heute einmalig auf<br />

dieser Erde!<br />

Es fühlte sich eben gut an, als<br />

ich zum ersten Mal über die<br />

Grenze in die Niederlande fuhr<br />

und diese Grenze nur aus ein<br />

paar Schildern und einer gedachten<br />

Linie bestand. Erfreulich war<br />

es, für eine Fernreise nicht die<br />

Preise einer einzigen Fluggesellschaft<br />

akzeptieren zu müssen,<br />

sondern aus einer Vielzahl von<br />

Angeboten das beste und günstigste<br />

auswählen zu können.<br />

Und für meine Enkel werden ein<br />

paar Auslandssemester in Bologna,<br />

Madrid oder Kopenhagen<br />

einfacher und selbstverständlicher<br />

sein als für mich der Universitätswechsel<br />

von Münster<br />

nach Marburg.<br />

All diese Fortschritte sind<br />

nicht zuletzt deshalb so großartig,<br />

weil sie uns so selbstverständlich,<br />

so natürlich und richtig<br />

vorkommen. Doch darin liegt<br />

auch eine Gefahr. Für etwas<br />

Selbstverständliches ist man<br />

REUTERS/FRANCOIS LENOIR<br />

IMPRESSUM<br />

Verleger AXEL SPRINGER (1985 †)<br />

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Bressler (ext.), Christian Görke (ext.), Ekaterina Kochneva<br />

(ext.), Barbara Kollmann (ext.), Helmut Krähe (ext.),<br />

Jörg Niendorf (ext.), Marion Meyer-Radtke (ext.),<br />

Deniz Schwenk, Barbara Weitzel (ext.)<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 FORUM 21<br />

nicht ständig dankbar, man pflegt<br />

es nicht mehr mit Hingabe. Wer<br />

sein Handy in Amsterd<strong>am</strong> genauso<br />

selbstverständlich nutzt wie in<br />

München, Wien oder Bratislava,<br />

freut sich nicht mehr über die<br />

unkomplizierte Erreichbarkeit,<br />

sondern ärgert sich über das<br />

ständige Gebimmel.<br />

Und nun? Ist Europa fertig?<br />

Wir könnten uns doch mit<br />

schrankenlosem Reisen, Kommunikation<br />

ohne extra Ro<strong>am</strong>inggebühr<br />

und einer gemeins<strong>am</strong>en<br />

Währung zufrieden geben und<br />

das Projekt Europa für vollendet<br />

erklären. Angesichts der Herausforderungen,<br />

die auf Deutschland<br />

und Europa zukommen,<br />

wäre das fatal. Europa darf nicht<br />

den Fehler wiederholen, den<br />

Großbritannien dabei ist zu<br />

begehen. D<strong>am</strong>it meine ich nicht<br />

in erster Linie die von Populisten<br />

in die <strong>Welt</strong> gesetzten Unwahrheiten,<br />

sondern vor allem<br />

den Irrglauben, im 21. Jahrhundert<br />

als mittelgroßer Nationalstaat<br />

eine dauerhaft relevante<br />

Rolle in der <strong>Welt</strong> spielen zu<br />

können.<br />

Amerikanische Internetkonzerne<br />

mit Milliarden Nutzern<br />

ändern ihren Umgang mit persönlichen<br />

Daten nicht, nur weil<br />

eine Nation wie die unsere mit<br />

gut 80 Millionen Einwohnern es<br />

gern so hätte. Die chinesische<br />

Industrie reduziert nicht ihren<br />

CO2-Ausstoß, nur weil sich ein<br />

Land auf der anderen Seite der<br />

Erdkugel Sorgen um das Klima<br />

macht. Und wer die Arbeits- und<br />

Lebensbedingungen in Entwicklungs-<br />

und Schwellenländern<br />

verbessern will, darf nicht einen<br />

Flickenteppich an Regelungen<br />

produzieren, sondern muss ihnen<br />

mit transparenten gemeins<strong>am</strong>en<br />

Zugangsregeln den Weg in unsere<br />

europäischen Märkte öffnen.<br />

Politik wirkt nicht immer gut<br />

und schön, macht aber trotzdem<br />

viel Arbeit. Die Bürgerinnen und<br />

Bürger haben das selbstverständliche<br />

Recht, vom politischen<br />

Klein-Klein der Kompromisssuche<br />

verschont zu werden.<br />

Sie wollen Lösungen für ihre<br />

Probleme und Sicherheit für sich<br />

und ihre Angehörigen. Niemand<br />

interessiert sich dafür, wie<br />

schwer es war, die Ro<strong>am</strong>inggebühren<br />

in der EU abzuschaffen.<br />

Keiner will mit einzelnen<br />

Paragrafen der Zollabkommen<br />

belästigt werden. Aber alle erwarten,<br />

dass es funktioniert. Ja,<br />

das mag aus Sicht der betroffenen<br />

Politiker undankbar erscheinen.<br />

Aber es gehört zur<br />

Berufserfahrung des Politikers,<br />

dass Wähler ziemlich viel zu<br />

kritisieren wissen, aber nur dann<br />

und wann ein wenig Schulterklopfen<br />

und (hoffentlich) ihr<br />

Kreuzchen auf Stimmzetteln<br />

verteilen.<br />

Wir müssen uns wieder mehr<br />

zuhören, statt uns immer nur<br />

widersprechen zu wollen. Das<br />

geht umso einfacher, je näher die<br />

zu lösenden Probleme bei denen<br />

sind, die sie lösen sollen. Das<br />

Subsidiaritätsprinzip, das die<br />

Verantwortlichkeiten auf die zur<br />

Problemlösung <strong>am</strong> besten geeigneten<br />

Ebenen verteilt, muss<br />

daher wieder zum zentralen<br />

Konzept für Europa werden. Das<br />

Zollabkommen wird in Brüssel<br />

verhandelt, der Einkommensteuersatz<br />

in Berlin, Bildungspolitik<br />

meist im Landtag und der neue<br />

Fahrradweg im Rathaus. Die<br />

Strompolitik muss europäischer<br />

werden, die Arbeitslosenversicherung<br />

nicht. Jedenfalls so<br />

lange nicht, wie die nationalen<br />

wirtschaftlichen Kräfte auf dem<br />

Kontinent so unterschiedlich<br />

stark und leistungsfähig sind, wie<br />

sie es heute noch immer sind.<br />

Die europäische Politik muss<br />

sich auf das für alle Staaten gemeins<strong>am</strong><br />

Wichtige beschränken,<br />

aber auch konzentrieren. Auf die<br />

Realisierung von Binnenmarkt<br />

und Währungsunion, eine Sicherheits-<br />

und Verteidigungspolitik,<br />

ein gemeins<strong>am</strong>es Asylrecht und<br />

das Migrationsthema, auf eine<br />

grenzüberschreitende Digitalund<br />

Energiepolitik. Die wissenschaftlichen<br />

und technologischen<br />

Erfahrungen, Stärken und Kompetenzen,<br />

die auf diesem Kontinent<br />

mehr als sonst wo vers<strong>am</strong>melt<br />

sind, endlich zus<strong>am</strong>men<br />

und auf der <strong>Welt</strong> zur Geltung zu<br />

bringen. Das ist die Aufgabe.<br />

Wenn wir uns daran halten, hilft<br />

das auch dem Gefühl für Europa,<br />

weil dann klarer ist, wofür Europa<br />

steht. Wofür die EU zuständig<br />

und verantwortlich ist<br />

und wofür eben nicht. Nationales<br />

oder regionales Politikversagen<br />

kann dann nicht mehr mit diffusen<br />

Verweisen auf Brüssel kaschiert<br />

werden. Statt uns über<br />

Klein-Klein zu streiten, können<br />

wir Europäer uns dann wieder<br />

über große Erfolge freuen. Die<br />

<strong>Welt</strong>geschichte hat uns Deutschen<br />

und allen Europäern beigebracht,<br />

dass es zu Frieden und<br />

Freiheit, Demokratie und einem<br />

Wohlstand möglichst für alle<br />

keine brauchbare Alternative<br />

gibt.<br />

Deshalb fühlt es sich heute<br />

einfach gut an, Europäer zu sein.<br />

T Der Autor (79) war von 1998<br />

bis 2002 Ministerpräsident von<br />

Nordrhein-Westfalen und von<br />

2002 bis 2005 Bundesminister<br />

für Wirtschaft und Arbeit (SPD).<br />

Er ist Kuratoriumsvorsitzender<br />

der Initiative Neue Soziale<br />

Marktwirtschaft<br />

SATIRE<br />

Schlafende Wölfe geweckt<br />

Plastik ist das<br />

neue Denim.<br />

Echt jetzt?<br />

Waren Jeans nicht eigentlich aus Baumwolle?<br />

Früher schon. Aber in Zeiten schwindender Ressourcen und steigender<br />

Abfälle müssen neue Lösungen her. Wie das Recycling von Plastikmüll zu Garn.<br />

Ein Beispiel, das beweist, dass Nachhaltigkeit ein Megatrend der Zukunft ist.<br />

Und eine zukunftsweisende Investmentgelegenheit.<br />

Fidelity identifiziert und analysiert solche Chancen und bündelt sie in aktiv<br />

gemanagten Fonds. Erfahren Sie, wie nachhaltige Entwicklungen unser Leben<br />

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fidelity.de/echtjetzt<br />

Tausende von Wölfen<br />

sind illegal eingewandert,<br />

darunter sehr<br />

viele gewaltbereite Tiere. Der<br />

Verfassungsschutz schaut<br />

weg, Naturschützer sind vor<br />

blinder Begeisterung aus dem<br />

Häuschen und wollen nicht<br />

sehen, dass Wölfe schon ganze<br />

Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern<br />

leer gefressen<br />

haben. Ein erwachsenes<br />

Tier braucht vier Kilo<br />

Fleisch <strong>am</strong> Tag, das dem Menschen<br />

dann auf dem Grill<br />

fehlt. Dem Wolf ist es dabei<br />

egal, unter welchen Bedingungen<br />

das Tier gehalten wurde,<br />

das er auf dem Teller hat,<br />

aber er bevorzugt Fleisch aus<br />

Freilandhaltung.<br />

In vielen Landstrichen des<br />

Ostens und des Saarlands leben<br />

die Menschen in Angst<br />

und<br />

,,<br />

von Bucheckern, Eicheln<br />

und Twix. Julia Klöckner will<br />

die Bauern bewaffnen und die<br />

Bundeswehr gegen die Wölfe<br />

Die Menschen<br />

leben in Angst<br />

und von<br />

Bucheckern,<br />

Eicheln und<br />

Twix<br />

einsetzen. Das gefällt Umweltministerin<br />

Svenja Schulze<br />

nicht, die außerdem darauf<br />

hinweist, dass die Bundeswehr<br />

in ihrem jetzigen Zustand einer<br />

Wolfsattacke nicht lange<br />

standhalten könnte.<br />

Bevor sich Klöckner und<br />

Schulze zerfleischen, erklärt<br />

Angela Merkel die Wölfe zur<br />

Chefsache. Genau wie den<br />

Kohleausstieg, die Wohnungsnot<br />

und den Klimawandel<br />

will sie auch dieses Problem<br />

entschlossen angehen.<br />

Das löst in Wolfskreisen große<br />

Beunruhigung aus. Man begreift<br />

dort langs<strong>am</strong>, dass man<br />

es mit einer erfahrenen Leitwölfin<br />

zu tun hat, die zu allem<br />

fähig ist. Erste Tiere haben<br />

bereits ihre Zähne im Kanzler<strong>am</strong>t<br />

abgeliefert. Hans Zippert<br />

Echt.<br />

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Pfleger aus Albanien<br />

Wo Altenheime ihren<br />

Nachwuchs ausbilden S. 26<br />

Quo vadis, Aktie?<br />

Was Experten zu „gefallenen<br />

Engeln“ sagen S. 28<br />

HANDY-WAHN<br />

Hilfe!<br />

Spätestens als Teenies scheinen Kinder<br />

mit ihrem Smartphone zu verwachsen.<br />

Verzweifelte Eltern versuchen, den Konsum<br />

zu unterbinden. Notfalls mit Sperren.<br />

Aber auch die sind nicht immer<br />

die Lösung<br />

MASKOT/F1ONLINE; TOBIAS KAISER; MANFRED GOTTSCHALK/GETTY IMAGES<br />

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WIRTSCHAFT & FINANZEN<br />

I<br />

Irgendwann wurde Charlotte Winkler* misstrauisch:<br />

Über Jahre hinweg war die halbe Stunde Fernsehen,<br />

die sie ihren Töchtern pro Tag erlaubte, das erklärte<br />

Heiligtum der Kinder gewesen. Doch plötzlich, es<br />

fing um den zwölften Geburtstag herum an, schien<br />

ihre Älteste, Karla*, nicht mehr so interessiert. Ein<br />

paar Wochen ging das so. Die Eltern wunderten sich.<br />

Eines Tages schnappte die Mutter auf, wie ihre älteste<br />

Tochter einer Freundin erzählte: „,In aller Freundschaft‘?<br />

Da habe ich mehrere Dutzend Folgen gesehen.“<br />

Wie bitte? Diese Arztserie, die sie so gut wie es<br />

eben ging limitiert hatte?<br />

Apples Bildschirmzeit<br />

Apple liefert seit 2018 mit der „Bildschirmzeit“<br />

eine weitreichende Eltern-Kontrollfunktion<br />

auf seinen iOS-Geräten mit. D<strong>am</strong>it dies funktioniert,<br />

müssen Eltern selbst ein iPhone oder<br />

iPad besitzen. Denn um das iPhone des Kindes<br />

aus der Ferne kontrollieren zu können, müssen<br />

Eltern einen Apple-Nutzeraccount für das Kind<br />

einrichten. Den dürfen in Deutschland aber nur<br />

Nutzer ab 16 Jahren anmelden – wer jünger ist,<br />

benötigt eine Elternfreigabe, die wiederum nur<br />

per iOS-Gerät erteilt werden kann.<br />

Ist das Kinderkonto an das eines Erwachsenen<br />

gekoppelt, können Eltern ferngesteuert Nutzungsdauern<br />

für jede App einzeln sowie für das<br />

ges<strong>am</strong>te Telefon festlegen und Auszeiten definieren.<br />

Zudem lassen sich Ausnahmen konfigurieren<br />

– etwa um die Nutzung von Schul-<br />

Apps freizugeben. Außerdem erlaubt Apple,<br />

Einkäufe im App Store zu sperren oder Konfigurationsoptionen<br />

festzulegen, und liefert<br />

Informationen über das Nutzungsverhalten der<br />

Kinder. Allerdings hat Apples Software auch<br />

Schwächen: Surfsperren funktionieren nur in<br />

Apples eigenem Browser Safari, nicht in Apps wie<br />

Facebook oder YouTube. Trotzdem ist Apples<br />

Lösung die beste Wahl, weil hier die Software auf<br />

das Betriebssystem abgestimmt ist und sensible<br />

Daten nicht an andere Unternehmen weitergegeben<br />

werden.<br />

Es gibt auch Alternativen, die zum Teil allerdings<br />

kostenpflichtig sind. Umfangreiche Funktionen<br />

hat etwa die App Kaspersky Safe Kids, die weitreichende<br />

Kontrollen ermöglicht – allerdings auf<br />

Kosten des Datenschutzes und der Sicherheit,<br />

denn die Daten landen bei Kaspersky. Es gibt eine<br />

kostenlose Basisversion, die weniger Funktionen<br />

hat. Der Sicherheitsexperte Symantec bietet mit<br />

Norton F<strong>am</strong>ily eine ähnliche Anwendung, die es<br />

erlaubt, Onlinezeiten festzulegen und Suchbegriffe<br />

und YouTube-Videos zu überwachen. Eltern<br />

können die Geräte ihrer Kinder hiermit auch sofort<br />

aus der Ferne sperren.<br />

VON BENEDIKT FUEST<br />

Plötzlich ging Winkler ein Licht auf: Seit Karla zu<br />

ihrem Geburtstag ein Handy bekommen hatte, hatte<br />

sie in Eigenregie ferngesehen. Statt im Wohnzimmer<br />

unter der Obhut der Eltern eben <strong>am</strong> Smartphone.<br />

Und das offenbar stundenlang, vermutlich über mehrere<br />

Nächte. „Ich fühlte mich völlig hilflos“, erinnert<br />

sich Winkler. Zur Strafe kassierte sie das Handy erst<br />

einmal ganz ein – und die Tochter rebellierte. „Was<br />

soll das? Ihr seid doch auch die ganze Zeit <strong>am</strong><br />

Handy“, beschwerte sie sich.<br />

Solche Szenen gehören in F<strong>am</strong>ilien inzwischen zur<br />

Normalität. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern<br />

ist heute oft k<strong>am</strong>eradschaftlich, viel weniger autoritär<br />

als früher. Doch spätestens wenn das Handy<br />

Einzug hält, wird es kompliziert: Kinder, die jahrelang<br />

Harry-Potter-Bücher verschlungen haben und<br />

jede Minute draußen verbringen wollten, werden<br />

plötzlich zu schweigs<strong>am</strong>en Stubenhockern. Und die<br />

Eltern müssen entscheiden, ob sie nicht härter<br />

durchgreifen sollten. „Jahrelang hatten wir das nicht<br />

nötig“, sagt Winkler. „Plötzlich droht man, sackt<br />

Handys ein, erteilt Verbote.“<br />

Einige Eltern setzen auf Vertrauen, andere auf die<br />

Hoffnung, dass sich die Anziehungskraft des Handys<br />

mit der Zeit einfach abnutzen wird. Bei wieder anderen<br />

wächst der Wunsch nach Kontrolle. Experten raten<br />

zwar, vor allem den Dialog mit dem Kind zu suchen<br />

und es so für Sucht- und andere Gefahren des<br />

Smartphones zu sensibilisieren. Doch wer voll berufstätig<br />

ist, gerät bei dem Versuch, ein Gefühl zu<br />

entwickeln für das Nutzungsverhalten des Kindes,<br />

schnell an seine Grenzen. Und freut sich über die<br />

technischen Hilfsmittel, die bei der Kontrolle helfen<br />

können.<br />

DER RENNER: PARENTAL-CONTROL-APPS Bereits<br />

ab Werk bringen sowohl Android-Geräte als auch<br />

Apple-Smartphones Sperrfunktionen mit, mit denen<br />

sich ausgewählte Seiten im Netz blockieren lassen.<br />

Zusätzlich bieten Dutzende Anbieter in den App-Stores<br />

der beiden Betriebssysteme weitere, teils kostenpflichtige<br />

Anwendungen – sogenannte Parental-Control-Apps<br />

–, mit deren Hilfe Eltern jede Bewegung auf<br />

dem Touchscreen, jede YouTube-Suche und jede<br />

Nutzung eines Chat-Progr<strong>am</strong>ms nachvollziehen können.<br />

Die Eltern bekommen von Apple täglich eine<br />

Statistik über den Handykonsum des Kindes – die<br />

den Atem schon mal stocken lässt: Laut einer aktuellen<br />

Studie im Auftrag des Bayerischen Rundfunks besitzen<br />

98 Prozent aller Jugendlichen im Alter von<br />

zwölf bis 18 Jahren in Deutschland ein eigenes<br />

Smartphone. Über 40 Prozent nutzen es mehr als<br />

shop online www.brax.com<br />

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FORTSETZUNG AUF SEITE 24<br />

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24 WIRTSCHAFT & FINANZEN<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

FORTSETZUNG VON SEITE 23<br />

drei Stunden <strong>am</strong> Tag. Das ist viel. Ein Blick auf<br />

Apples Tagesstatistik beweist: Es können auch<br />

sehr viel mehr sein. Am liebsten gucken die Jugendlichen<br />

YouTube-Videos, knapp dahinter<br />

stehen Instagr<strong>am</strong> und WhatsApp. „Ich kann die<br />

berufstätigen Eltern, die angesichts ausufernder<br />

Smartphone-Nutzung zu Sperr-Apps greifen,<br />

schon verstehen“, sagt Kinderschutztrainer und<br />

Medienberater Jörg Kabierske vom Regensburger<br />

Projekt Klicksalat. „Aber die Apps sind keine<br />

alleinige Lösung – die Eltern müssen sich mit ihren<br />

Kindern zus<strong>am</strong>mensetzen und regelmäßig<br />

darüber sprechen, was die Kids auf ihren Geräten<br />

nutzen.“<br />

DIE TOTALE KONTROLLE: EINE ILLUSION<br />

Sperr-Apps suggerieren den Eltern totale Kontrolle<br />

über die Smartphones ihrer Kinder. In den<br />

App-Stores von Google und Apple werden sie zu<br />

Hunderttausenden heruntergeladen. Dass sich<br />

die Eltern mit der Installation der Smartphone-<br />

Spione nicht beliebt machen, versteht sich von<br />

selbst. Ein Blick auf die Rezensionen in Apples<br />

App Store offenbart, wie verzweifelt manche Jugendliche<br />

auf die Sperrungen ihres Lieblingsgeräts<br />

reagieren: Hinter den meisten Ein-Stern-<br />

Bewertungen stecken Wutausbrüche jugendlicher<br />

Smartphone-Nutzer: „Ihr sorgt dafür, dass<br />

meine beste Freundin depressiv wird, weil sie<br />

nicht mehr mit uns chatten kann“, kommentiert<br />

eine Jugendliche die beliebte App Qustodio.<br />

„Die App zerstört das Vertrauen zwischen Eltern<br />

und Kindern. Sie zerstört unser Leben.“<br />

Auch Jörg Kabierske vom Klicksalat übt Kritik<br />

an den Smartphone-Spionen. „Ich sehe ein Problem<br />

darin, dass die Eltern die Verantwortung<br />

über die Mediennutzung ihrer Kinder an die App<br />

delegieren.“ Ähnlich kritisch sieht das Cordula<br />

Dernbach, Computermedienpädagogin der Caritas:<br />

„Die Eltern verlassen sich auf ein Progr<strong>am</strong>m<br />

statt auf Absprachen mit den Kindern. D<strong>am</strong>it<br />

drücken sie aus, dass sie den Kindern nicht vertrauen<br />

– und bringen ihnen bei, dass sie minutiöse<br />

Überwachung okay finden und dass ihre<br />

Privatsphäre auf dem Gerät endet.“<br />

Die Kinder entwickeln dann oft eine erstaunliche<br />

Kreativität, um die Sperren zu umgehen.<br />

„Die einfachste Variante ist noch, schlicht das<br />

Gerät zu wechseln“, sagt Berater Kabierske.<br />

„Smartphones sind billig geworden, die Kinder<br />

besorgen einfach ein Zweitgerät s<strong>am</strong>t Zweitaccount<br />

ohne Sperren und verstecken es.“ Oder<br />

sie suchen den Rat der Crowd: In Internetforen<br />

wie Reddit oder 4chan tauschen Jugendliche<br />

Tipps aus, wie sich die verhassten Sperr-Apps<br />

<strong>am</strong> besten umgehen lassen: Manche Apps lassen<br />

sich per Neuinstallation des Betriebssystems<br />

aushebeln, andere per Zurücksetzen der<br />

Smartphone-Uhr verwirren. Über alternative<br />

Browser können zudem von Eltern gesperrte<br />

Websites trotzdem angesurft werden. YouTube<br />

etwa lässt sich auch über Internetfernseher oder<br />

Stre<strong>am</strong>ingboxen ansteuern.<br />

Den Beratern zufolge gibt es sogar so gewiefte<br />

Jugendliche, die ihre Geräte über PCs von<br />

Freunden digital aufbrechen und<br />

diese mit sogenannter Proxy-<br />

Software versehen, Progr<strong>am</strong>men,<br />

derer sich auch syrische<br />

Revolutionäre oder chinesische<br />

Dissidenten im K<strong>am</strong>pf<br />

gegen den Überwachungsstaat<br />

bedienen. „Immerhin<br />

bekommen die Kinder so eine<br />

hervorragende Ausbildung<br />

in IT-Sicherheit“, sagt<br />

Dernbach. „Aber im Ernst:<br />

Wenn Eltern nicht selbst IT-<br />

Experten sind, finden die<br />

Kinder meistens einen Weg.“<br />

*N<strong>am</strong>e geändert<br />

JOSEPH BRANSTON/T3 MAGAZINE/GETTY IMAGES<br />

Sperren auf Android<br />

Googles F<strong>am</strong>ily-Link-Software funktioniert<br />

ähnlich wie Apples „Bildschirmzeit“: Eltern<br />

müssen dafür sich selbst sowie ihren Kindern<br />

unter 16 Jahren ein Google-Nutzerkonto einrichten.<br />

Anders als bei Apple benötigen sie<br />

hierzu kein zweites Gerät mit Android-Software.<br />

Doch Vorsicht: Sobald Jugendliche laut<br />

eingetragenem Geburtsdatum älter als 16<br />

Jahre sind, schaltet Google die Kontrolle automatisch<br />

ab. Ist die Sperre aktiv, erlaubt sie<br />

Eltern weitgehende Kontrolle: Apps können<br />

geblockt, die Nutzung kann zeitlich begrenzt<br />

werden. Die Google-Suche kann mit Googles<br />

Jugendschutzfiltern eingeschränkt werden,<br />

sogar der ges<strong>am</strong>te Google-Play-Store oder<br />

alternativ einzelne Apps wie etwa Spiele können<br />

geblockt werden. Für seine Tochter YouTube<br />

hat Google eine eigene YouTube-Kids-Ver-<br />

sion eingerichtet, die den Zugriff auf nicht<br />

altersgerechte Videos verhindern soll. Doch das<br />

ist noch lange nicht alles: Wer möchte, kann<br />

mithilfe der Technik jederzeit den Standort<br />

seines Kindes kontrollieren und sehen, wann es<br />

wie das Smartphone nutzt. Der Haken: Eltern<br />

müssen dafür akzeptieren, dass auch Google<br />

all diese Informationen s<strong>am</strong>melt. Wer andere<br />

Apps für die Kindersicherung nutzt, gibt die<br />

Daten auch noch an den Hersteller dieser Anwendungen<br />

weiter. Das gilt für Safe Kids für<br />

Android von Kaspersky ebenso wie für Norton<br />

F<strong>am</strong>ily Android von Symantec. Wer das nicht<br />

will, sollte bei Googles F<strong>am</strong>ily Link bleiben. Eine<br />

Alternative ist die App Qustodio, die vor allem<br />

beim Surfen und der Social-Media-Nutzung<br />

weitergehende Einschränkungen erlaubt. Der<br />

Nachteil: Auf älteren Android-Smartphones<br />

mit alter Betriebssystemversion laufen neue<br />

Versionen der App nicht immer zuverlässig.<br />

Auch mit der App Eset Parental Control können<br />

Eltern Apps und Websites für ihre Kinder<br />

sperren und ein Zeitlimit festlegen. Aus der<br />

Ferne können Eltern auf Anfrage Apps auch<br />

wieder entsperren.<br />

Im Clinch mit Apple<br />

Als Apple im Herbst 2018 mit der Version 12<br />

seines Mobilbetriebssystems iOS auch die<br />

Funktion „Screentime“ lieferte, atmeten viele<br />

Eltern auf: Endlich eine Babysitter-Software,<br />

mit der sich die Bildschirmzeit der jugendlichen<br />

Smartphone-Besitzer begrenzen lässt. Endlich<br />

konnten sie auf den Handys ihrer Kinder<br />

Zeitbudgets für ausgewählte Apps einrichten,<br />

das Telefon des Nachts sperren und Nutzungsgewohnheiten<br />

überwachen. Inzwischen<br />

sind viele Eltern aber unglücklich über Apples<br />

F<strong>am</strong>ilienpolitik. Laut einem US-Medienbericht<br />

hat der Konzern seit vergangenem Jahr elf<br />

der 17 meistgenutzten Parental-Control-<br />

Apps aus dem App Store zumindest temporär<br />

entfernt.<br />

Apples Marketingchef Phil Schiller erklärte<br />

empörten Eltern persönlich per E-Mail warum:<br />

Die App-Anbieter hätten Apples Entwickleroptionen<br />

missbraucht, um weitreichende Kontrollmöglichkeiten<br />

für Anwender zu schaffen –<br />

womit sie aber nicht nur selber potenziell<br />

Zugriff auf persönliche Daten und Standorte<br />

der Kinder bek<strong>am</strong>en, sondern auch Hackern<br />

Tür und Tor öffneten. Der Konzern zwang die<br />

App-Anbieter daher dazu, ihre Angebote einzuschränken,<br />

was die Apps aus Sicht der Eltern<br />

allerdings leider auch weniger nützlich macht.<br />

Die App-Hersteller verdächtigen Apple der<br />

Wettbewerbseinschränkung – zwei Firmen<br />

haben sich nun bei der EU beschwert.<br />

Das kass<br />

Wohnen<br />

Viele Mieter und Eigentümer<br />

klagen über steigende<br />

Nebenkosten. Aber nicht<br />

überall, denn von Region zu<br />

Region sind sie sehr<br />

unterschiedlich. Und: Es gibt<br />

Wege, die Belastung zu senken<br />

Die Stuttgarter können sich freuen. Sie<br />

müssen 2019 weniger Grundsteuer zahlen.<br />

Eine dreiköpfige F<strong>am</strong>ilie in einem<br />

120-Quadratmeter-Haus <strong>am</strong> Rand der<br />

Stadt spart in diesem Jahr 128,79 Euro –<br />

nur 541,21 Euro statt zuvor 670 Euro werden ihr abgezogen.<br />

Da lässt sich verschmerzen, dass gleichzeitig<br />

die Preise für Trinkwasser und Müllabfuhr steigen.<br />

Am Ende des Jahres hat die F<strong>am</strong>ilie immer noch 100<br />

Euro mehr auf dem Konto – in keiner anderen Landeshauptstadt<br />

ist die Ersparnis größer.<br />

VON KARSTEN SEIBEL<br />

Stuttgart ist eine Ausnahme. Lediglich in drei der 16<br />

Landeshauptstädte sinken 2019 die staatlich festgelegten<br />

Wohnnebenkosten. Außer in der baden-württembergischen<br />

Landeshauptstadt ist dies noch in Düsseldorf<br />

und Potsd<strong>am</strong> der Fall. In sieben Städten müssen<br />

die Einwohner dagegen erneut mehr bezahlen als 2018.<br />

Am stärksten schlägt der Staat in Westberlin zu, <strong>am</strong><br />

sanftesten im rheinland-pfälzischen Mainz. Das zeigen<br />

Berechnungen des Bundes der Steuerzahler, die<br />

WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegen. Widerstandslos<br />

hinnehmen muss die steigenden Kosten<br />

aber niemand. Wer an der richtigen Stelle vorsorgt,<br />

hat durchaus die Chance, die Kosten zu senken.<br />

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat die staatlich<br />

veranlassten Belastungen des Wohnens betrachtet:<br />

Neben der Grundsteuer gehören dazu die Gebühren<br />

für Trink-, Schmutz- und Regenwasser, für die Abfallbeseitigung<br />

und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.<br />

In Westberlin addieren sich die Positionen für einen<br />

Drei-Personen-Haushalt im Einf<strong>am</strong>ilienhaus auf 2285<br />

Euro im Jahr, in Mainz lediglich auf 1424 Euro. „Der<br />

Staat ist ein wesentlicher Wohnkostentreiber – jetzt<br />

kommt es für die Menschen darauf an, nicht weiter belastet<br />

zu werden“, sagt BdSt-Präsident Reiner Holznagel.<br />

D<strong>am</strong>it zielt er vor allem auf die heftig diskutierte<br />

Grundsteuer ab. Hier ist die Spanne zwischen der teuersten<br />

und der günstigsten Stadt besonders groß. In<br />

Magdeburg zahlen die Bewohner eines Einf<strong>am</strong>ilienhauses<br />

mit 300 Quadratmeter Grundstücksfläche 296<br />

Euro, in H<strong>am</strong>burg 1050 Euro. „Das Kostengefälle verdeutlicht<br />

die verfassungswidrigen Verzerrungen im<br />

geltenden Grundsteuerrecht“, sagt Holznagel.<br />

Er meint die Verzerrungen zwischen West und Ost.<br />

So bezieht sich die Berechnung der Grundsteuer in den<br />

östlichen Bundesländern auf Werte des Jahres 1935, in<br />

den westlichen Bundesländern auf Werte von 1964. Besonders<br />

deutlich zeigt sich dies an Berlin: Einf<strong>am</strong>ilienhausbewohner<br />

im Osten der Stadt zahlen laut Modellrechnung<br />

in diesem Jahr 361 Euro Grundsteuer, im<br />

Westen 1041 Euro und d<strong>am</strong>it fast dreimal so viel. Wird<br />

die Bewertung vereinheitlicht, wie es das Bundesver-<br />

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung WELT <strong>am</strong> SONNTAG KOMPAKT-2019-05-05-ad_rom-20 d303819bfe5e76bd858c8f6bd6d14bdc


WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 WIRTSCHAFT & FINANZEN 25<br />

iert der Staat fürs<br />

Wohnnebenkosten-Vergleich: Ergebnisse 2016 und 2019<br />

Dem BdSt-Wohnnebenkosten-Vergleich liegen folgende Annahmen zu Grunde: Drei-Personen-Haushalt, Einf<strong>am</strong>ilienhaus (zweigeschossig), 120 m2 Wohnfläche,<br />

300 m2 Grundstücksfläche, städtische Randlage<br />

Abfallgebühren (p.a. in Euro)<br />

Bio- und Restmülltonne inkl. Grundgebühr (60-Liter-Tonne<br />

wöchentl. Leerung oder 120- Liter-Tonne zweiwöchentliche<br />

Leerung), städtische Randlage<br />

Schwerin<br />

München<br />

Wiesbaden<br />

Mainz<br />

Magdeburg<br />

Düsseldorf<br />

Berlin<br />

Saarbrücken<br />

Potsd<strong>am</strong><br />

H<strong>am</strong>burg<br />

Bremen<br />

Durchschnitt<br />

Kiel<br />

Stuttgart<br />

Dresden<br />

Erfurt<br />

Hannover<br />

0 70 140 210 280 350<br />

135,67<br />

229,52<br />

342,60<br />

Trinkwasserpreise (p.a. in Euro)<br />

inkl. Grund- bzw. Zählergebühren (inkl. Mehrwertsteuer)<br />

(Verbrauch von 132 m3/Jahr)<br />

Berlin<br />

Hannover<br />

München<br />

H<strong>am</strong>burg<br />

Bremen<br />

Potsd<strong>am</strong><br />

Kiel<br />

Magdeburg<br />

Düsseldorf<br />

Mainz<br />

Durchschnitt<br />

Wiesbaden<br />

Dresden<br />

Erfurt<br />

Stuttgart<br />

Schwerin<br />

Saarbrücken<br />

Magdeburg<br />

Erfurt<br />

Schwerin<br />

Potsd<strong>am</strong><br />

Dresden<br />

Berlin (Ost)<br />

Mainz<br />

München<br />

Stuttgart<br />

Durchschnitt<br />

Saarbrücken<br />

Düsseldorf<br />

Kiel<br />

Hannover<br />

Wiesbaden<br />

Bremen<br />

Berlin (West)<br />

H<strong>am</strong>burg<br />

0 100 200 300 400 500<br />

Grundsteuer (p.a. in Euro)<br />

Einf<strong>am</strong>ilienhaus: Baujahr 2016, 120 m2 Wohnfläche<br />

und 300 m2 Grundstücksfläche<br />

0 200 400 600 800 1000<br />

262,68<br />

fassungsgericht verlangt, zahlen die Bewohner des Os-<br />

tens der Stadt ab kommendem Jahr mehr Steuern als<br />

bislang – wie viel mehr, lässt sich noch nicht sagen. Ende<br />

kommender Woche soll es eine Expertenanhörung<br />

geben. Der Einfluss des einzelnen Bürgers auf die Höhe<br />

der Grundsteuer ist eher gering. Es sei denn, es gelingt<br />

ihm, seine Kommunalpolitiker dazu zu bringen, den<br />

Hebesatz zu senken, jenen wichtigen und je nach Stadt<br />

unterschiedlichen Multiplikator. Einfacher lassen sich<br />

die Wohnnebenkosten durch eigene Sparprogr<strong>am</strong>me<br />

senken. Bei den Rundfunkgebühren gelingt dies zwar<br />

nicht, die liegen unabhängig vom TV-Konsum bundesweit<br />

einheitlich bei 210 Euro pro Haushalt und Jahr.<br />

356,7<br />

484,32<br />

296,11<br />

559,10<br />

1050,46<br />

Wohnnebenkosten (insges<strong>am</strong>t in Euro)<br />

Jährliche Belastung für einen Drei-Personen-Haushalt bestehend aus Trinkwasserentgelten,<br />

Gebühren für Schmutzwasser, Niederschlagswasser und Abfall, Rundfunkbeitrag und Grundsteuer.<br />

2200<br />

2000<br />

1800<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

,<br />

0<br />

Mainz<br />

Schwerin<br />

München<br />

Erfurt<br />

Berlin (Ost)<br />

Magdeburg<br />

Düsseldorf<br />

BEI TRINKWASSER SPART MAN DOPPELT Doch<br />

die Kosten für Wasser und Abfall kann jeder Bürger<br />

sehr wohl drücken. Beim Wasser gibt es große Unterschiede<br />

zwischen den Städten. So zahlt die dreiköpfige<br />

Modellf<strong>am</strong>ilie in Berlin bei einem Trinkwasserverbrauch<br />

von 132 Kubikmetern im Jahr 263 Euro, in Saarbrücken<br />

484 Euro. Die Wasserwirtschaft begründet die<br />

unterschiedlichen Preise zwischen den Landeshauptstädten<br />

mit den unterschiedlichen Bedingungen vor<br />

Ort. So freut man sich bei den Berliner Wasserbetrieben<br />

darüber, dass ausreichend Grundwasser zur Verfü-<br />

gung steht, das lediglich belüftet und gefiltert werden<br />

muss. In anderen Regionen ist der Zugang zu sauberem<br />

Grundwasser begrenzt, hier müssen die Betriebe Ober-<br />

flächenwasser aufwendig s<strong>am</strong>meln und aufbereiten.<br />

Wer weniger bezahlen will, muss weniger Trinkwasser<br />

verbrauchen – wodurch dann auch die Gebühren<br />

für Schmutzwasser sinken. Verbraucht die F<strong>am</strong>ilie in<br />

Saarbrücken statt 132 Kubikmeter nur 100 Kubikmeter<br />

im Jahr, sinken die jährlichen Trinkwasserkosten um<br />

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,<br />

,<br />

Dresden<br />

Kiel<br />

Stuttgart<br />

Durchschnitt<br />

Wiesbaden<br />

Potsd<strong>am</strong><br />

Hannover<br />

Saarbrücken<br />

Bremen<br />

H<strong>am</strong>burg<br />

Berlin (West)<br />

Quelle: Bund der Steuerzahler<br />

rund 70 Euro, die Schmutzwassergebühren sogar um<br />

110 Euro. Der Haushalt spart also 180 Euro im Jahr.<br />

Eine Wissenschaft sind die Gebührentabellen der<br />

Abfallwirtschaft. Auch hier zeigt die Auswertung große<br />

Preisunterschiede. Für die Entsorgung des Inhalts<br />

einer Bio- und einer Restmülltonne zahlt der dreiköpfige<br />

Haushalt in Schwerin 136 Euro im Jahr, in Hannover<br />

343 Euro. Beim Zweckverband Abfallwirtschaft Region<br />

Hannover rechtfertigt man den hohen Preis unter<br />

anderem d<strong>am</strong>it, dass auch Sperrmüllabholung und<br />

Wertstoffhöfe d<strong>am</strong>it bezahlt sind. Auch beim Müll<br />

wird aber nach der Menge abgerechnet: Wer beispielsweise<br />

in Hannover auf eine Biotonne verzichten kann,<br />

weil er selbst kompostiert, spart 75 Euro im Jahr.<br />

Kommt die dreiköpfige F<strong>am</strong>ilie bei der 14-tägigen Leerung<br />

des Restmülls mit einer 80- statt einer 120-Liter-<br />

Tonne aus, sinken die Kosten um weitere 60 Euro.


26 WIRTSCHAFT & FINANZEN<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Mangel an Inspiration<br />

Nehmen wir an, Steve Jobs sitzt<br />

auf einer Wolke und betrachtet<br />

sein Lebenswerk. Dann wird ihm<br />

wohl schwindelig: Weil das iPhone<br />

nicht mehr so läuft (minus<br />

17 Prozent im ersten Quartal),<br />

läuft’s bei Apple auch nicht<br />

mehr so. Warren Buffett (siehe<br />

unten) hat Anteile verkauft. Da<br />

muss sich Jobs langs<strong>am</strong> um eine<br />

Eingebung kümmern.<br />

Oh Telefónica!<br />

Der Humorist Rainald Grebe<br />

hat ja vor dem Bundesland<br />

Brandenburg gewarnt. Wir<br />

haben eine Vermutung, warum:<br />

Er war wohl O2-Kunde. Die<br />

Tochter der spanischen<br />

Telefónica erreicht dort nur<br />

eine Haushaltsabdeckung von<br />

55 Prozent beim schnellen<br />

LTE-Datenverkehr (bundesweit<br />

80 Prozent). Kann Strafe<br />

kosten: Die Konzerne hatten<br />

sich bei der Lizenzvergabe<br />

verpflichtet, nächstes Jahr<br />

98 Prozent zu liefern.<br />

Rettung<br />

aus Albanien<br />

Der Pflegenotstand in Deutschland hat der<br />

Dekra, eigentlich bekannt für TÜV und<br />

ASU, ein neues Geschäftsfeld beschert.<br />

Ein Besuch in der Pflege-Akademie von Tirana<br />

Geld<br />

Späte Inspiration<br />

Was Warren<br />

Buffetts Firma<br />

macht, bewegt<br />

die Finanzmärkte.<br />

Diesmal:<br />

Apple-Aktien verkaufen<br />

(siehe oben), Amazon-Aktien<br />

kaufen. Weil der Erfolgsinvestor<br />

diese Woche ein erhebliches<br />

Paket erwarb und d<strong>am</strong>it<br />

„einen Fehler“ korrigierte,<br />

stieg der Aktienkurs deutlich<br />

(plus 2,81 Prozent <strong>am</strong> Freitag,<br />

fünfmal so viel wie Apple).<br />

„Ich war ein Idiot, nicht früher<br />

gekauft zu haben.“ Mal sehen,<br />

ob es nicht zu spät ist.<br />

,,<br />

60<br />

, ,Nach<br />

,Veränderung<br />

GESAMMELT VON PETER SCHELLING<br />

sachen<br />

Loewe zahnlos<br />

Wenns nicht läuft, läuft’s halt<br />

nicht mehr: Der Nobel-Fernsehhersteller<br />

Loewe ist zum<br />

zweiten Mal nach 2013 insolvent.<br />

Das Management hofft<br />

zwar, das Unternehmen aus<br />

Kronach in Eigenverwaltung<br />

sanieren zu können, doch die<br />

Voraussetzungen sind mäßig,<br />

so gut die Geräte sind: Der<br />

Preis der Geräte verfällt, das<br />

Luxussegment ist stark rückläufig<br />

(minus 20 Prozent im<br />

Quartal). Frisches Geld und<br />

die Kooperation mit asiatischen<br />

Partnern soll die<br />

500 Arbeitsplätze retten.<br />

PROZENT<br />

... des Medianeinkommens ist der Wert, den laut „Wall Street Journal“<br />

zahlreiche westliche Ökonomien (Großbritannien, Frankreich und<br />

andere) für den Mindestlohn anstreben, um die Nachfrage zu stützten.<br />

Der deutsche Mindestlohn von 9,19 Euro liegt bei rund 50 Prozent<br />

dieses Wertes, müsste dann auf über zehn Euro steigen.<br />

rufen alle, die<br />

sich langweilen<br />

SØREN KIERKEGAARD,<br />

1813 bis 1855, dänischer Philosoph<br />

und Theologe, heute vor genau<br />

206 Jahren geboren<br />

Saurer Bauer<br />

Wenn es so weitergeht, werden<br />

wir bald wieder Bauern j<strong>am</strong>mern<br />

hören. Mit Grund: Laut Institut<br />

für Ernährungswirtschaft ist der<br />

Rohstoffwert für ein Kilo Milch<br />

ab Hof im April gesunken, auf<br />

30,6 Cent. Das ist noch<br />

deutlich über dem Tiefstwert<br />

von 2016 (rund 20<br />

Cent) aber weiter unter<br />

den guten Zeiten 2014<br />

(knapp 45 Cent). Freut<br />

nur Veganer.<br />

GETTY IMAGES/LONELY PLANET IMAGES/DAN HERRICK; JOHANNES EISELE/AFP/GETTY IAMGES; APPLE<br />

Es sind die Details, die zählen.<br />

Gerade hat Dorela Abedini<br />

ihrer Patientin eine Rückenmassage<br />

zur basalen Stimulation<br />

gegeben, die einer Lungenentzündung<br />

vorbeugen soll. Jetzt<br />

muss sie die Seniorin, die vor ihr auf einem<br />

Stuhl sitzt, zurück ins Bett bringen<br />

– eine auf den ersten Blick einfache Aufgabe,<br />

die aber Herausforderungen birgt.<br />

Als sie beginnt, die Patientin zuzudecken,<br />

fährt Flora Zyberaj dazwischen –<br />

eine Ausbilderin, die das Prozedere verfolgt<br />

hat. „Darf ich Sie zudecken?“, gibt<br />

Zyberaj in strengem Ton vor. „Darf ich<br />

Sie zudecken?“, wiederholt Abedini gehors<strong>am</strong>.<br />

Die Seniorin nickt gnädig.<br />

VON TOBIAS KAISER<br />

Die überraschend rüstige Seniorin ist<br />

tatsächlich eine Pflegeschülerin und<br />

heißt Bleona Guda. Sie und Abedini besuchen<br />

eine Pflege-Akademie in Tirana:<br />

Sie werden ausgebildet, um in deutschen<br />

Heimen zu arbeiten. In dem<br />

Lehrgang, der im Idealfall 18 Monate<br />

dauert, lernen Teilnehmer vor allem<br />

Deutsch, aber auch viel über den Pflegealltag<br />

in Deutschland.<br />

Betrieben wird die Schule von Dekra,<br />

einem Unternehmen, das viele vor allem<br />

von der Haupt- oder Abgasuntersuchung<br />

<strong>am</strong> Auto kennen. Seit einiger Zeit<br />

macht die Gesellschaft, die 1925 in Berlin<br />

als Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein<br />

gegründet wurde,<br />

auch mit dem Pflegenotstand in<br />

Deutschland gute Geschäfte: Das Unternehmen<br />

bildet in acht Ländern im<br />

Auftrag von Pflegeheimen Personal aus<br />

– und erwirtschaftet d<strong>am</strong>it bereits einen<br />

Umsatz im niedrigen zweistelligen<br />

Millionenbereich.<br />

Auch<br />

Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn (CDU) setzt im K<strong>am</strong>pf gegen<br />

die Personalnot auf Fachkräfte<br />

vom Westbalkan. In Albanien rennt er<br />

offene Türen ein: Auswandern ist unter<br />

jungen Albanern eine gängige Karriereoption,<br />

wenn nicht gar die beliebteste.<br />

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit<br />

von zuletzt 30 Prozent zwingt junge<br />

Menschen ins europäische Ausland;<br />

derzeit leben mehr Albaner außerhalb<br />

des Landes als in Albanien selbst.<br />

Nachdem Spahn seine Anwerbestrategie<br />

Mitte 2018 angekündigt hatte, setzte<br />

an der Universität Tirana ein Run<br />

auf die Studienplätze ein. „Bereits <strong>am</strong><br />

ersten Tag der Einschreibung waren alle<br />

Studienplätze komplett vergeben“,<br />

sagt Dietmar Metzger, der den Geschäftszweig<br />

Ausbildung der Dekra betreut.<br />

Das hatte es so zuvor noch nicht gegeben,<br />

auch wenn Pflege traditionell ein<br />

beliebtes Studienfach bei jungen Albanern<br />

ist. Der Grund dafür ist wohl Mutter<br />

Teresa: Die katholische Nonne, die<br />

ab 1950 in den Slums von Kalkutta einen<br />

wohltätigen Orden aufgebaut hatte, der<br />

Sterbende und Leprakranke pflegt, und<br />

dafür 1979 den Friedensnobelpreis bek<strong>am</strong>,<br />

war zwar Mazedonierin, st<strong>am</strong>mte<br />

aber aus einer albanischen F<strong>am</strong>ilie. Sie<br />

gilt als identitätsstiftendes Symbol des<br />

Landes – auch wenn die Bevölkerung<br />

vorwiegend muslimischen Glaubens ist.<br />

„Als ich ein Kind war, hat mein Vater<br />

immer gesagt, es wäre gut für mich, nach<br />

Deutschland zu gehen, wenn ich größer<br />

bin“, sagt Flavio St<strong>am</strong>bolliu. „Ich denke<br />

genauso. Das ist eine Möglichkeit, die<br />

ich nicht verstreichen lassen kann.“ Der<br />

22-Jährige ist einer der wenigen Männer<br />

in seiner Klasse. Wie die meisten seiner<br />

Kommilitonen hat er schon eine Stelle.<br />

Ein Pflegeheim in Eichenau, einem kleinen<br />

Ort zwischen München und Fürstenfeldbruck,<br />

zahlt seine Ausbildung.<br />

Zwei Freundinnen und eine Cousine<br />

lebten bereits in München, berichtet<br />

St<strong>am</strong>bolliu. Ursprünglich wollte er Medizin<br />

studieren, doch weil seine Abiturnoten<br />

nicht gut genug waren, schrieb er<br />

sich für das Pflegestudium ein. Das<br />

könnte sich jetzt auszahlen: Als Pfleger<br />

in einem bayerischen Pflegezentrum<br />

wird er künftig rund 3000 Euro brutto<br />

verdienen; weit mehr als sein Bruder,<br />

der Zahnmedizin studiert und in Albanien<br />

bleiben will. Das Durchschnittsgehalt<br />

hier im Land liegt bei gut 300 Euro.<br />

Die Ausbildung an der Dekra-Akademie,<br />

die mehrere Tausend Euro kostet, wird<br />

von den künftigen Arbeitgebern der Absolventen<br />

gezahlt.<br />

ÜBERQUALIFIZIERT Der Lehrgang<br />

zwingt die jungen Teilnehmer zum Umdenken:<br />

Praktisch alle haben wie Abedini<br />

und St<strong>am</strong>bolliu einen Bachelor oder<br />

gar einen Master in Pflege gemacht. Ihr<br />

Studium war allerdings stärker medizinisch<br />

ausgerichtet als die Ausbildung in<br />

Deutschland; Pflegekräfte übernehmen<br />

in Albanien auch Tätigkeiten, die in<br />

Deutschland Ärzten vorbehalten sind.<br />

Grundpflege hingegen werde zwar im<br />

Studium unterrichtet und sei qua Gesetz<br />

Aufgabe des Pflegepersonals, sagt<br />

Schulleiterin Jonida Bushi. Tatsächlich<br />

werde sie aber oft von den Angehörigen<br />

geleistet: „In Albanien wird traditionsbedingt<br />

erwartet, dass die F<strong>am</strong>ilie ins<br />

Krankenhaus oder Altenheim kommt,<br />

um die Patienten zu waschen, anzukleiden,<br />

zu füttern und abends ins Bett zu<br />

bringen.“ Die Schüler müssen sich des-<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 WIRTSCHAFT & FINANZEN 27<br />

halb auch darauf einstellen, dass sie für<br />

ihre künftigen Aufgaben teilweise überqualifiziert<br />

sind.<br />

Im Jahr 2015 haben Metzger und seine<br />

Kollegen die Pflegeausbildung in Albanien<br />

begonnen; inzwischen sind an<br />

elf Standorten im Land 1500 Schüler in<br />

Ausbildung, davon rund 800 in der Akademie<br />

in Tirana. Vor drei Jahren k<strong>am</strong>en<br />

die ersten Absolventen nach Deutsch-<br />

Üben an der Puppe Die Schüler<br />

lernen Deutsch, aber auch<br />

praktische Anwendungen<br />

land; im Herbst soll die 2500. Pflegekraft<br />

ihre Stelle antreten. Rund zwei<br />

Drittel der Absolventen arbeiteten heute<br />

noch beim ursprünglichen Arbeitgeber,<br />

berichtet Dekra-Manager Metzger,<br />

TOBIAS KAISER<br />

ein weiteres Drittel habe inzwischen<br />

den Arbeitgeber gewechselt. Lediglich<br />

30 Teilnehmer, also weniger als zwei<br />

Prozent, seien nach Albanien zurückgekehrt,<br />

weil die F<strong>am</strong>ilie sie brauchte<br />

oder sie sich in Deutschland nicht<br />

wohlfühlten.<br />

Die Bilanz der Akademie zeigt allerdings<br />

auch: Fachkräfte aus dem Ausland<br />

werden den Pflegenotstand nicht lösen<br />

können – bloß lindern. Die Bundesregierung<br />

geht davon aus, dass hierzulande<br />

50.000 Pflegekräfte fehlen werden;<br />

die 3000 Pflegerinnen und Pfleger, die<br />

Dekra gerade in acht Ländern von Serbien<br />

bis Mexiko ausbildet, können diese<br />

große Lücke kaum füllen. Noch dazu ist<br />

die Zahl der Länder begrenzt, aus denen<br />

Pflegepersonal angeworben werden<br />

kann: Wohlhabende Staaten wie<br />

Deutschland haben sich in einem Kodex<br />

dazu verpflichtet, nur in Ländern Gesundheitspersonal<br />

anzuwerben, deren<br />

Bevölkerungen sehr jung sind und in denen<br />

es mehr Pflegekräfte gibt, als benötigt<br />

werden.<br />

Ein Gutes hat die Entwicklung aber<br />

in jedem Fall: Der Zuzug der Albaner<br />

sorgt mitunter dafür, dass sich die Arbeitsbedingungen<br />

für ihre deutschen<br />

Kollegen verbessern: Ein Pflegeheim<br />

verlangte von einer Absolventin, auch<br />

Badewannen und Duschen zu putzen.<br />

Die meldete das der Dekra, die bei der<br />

Leitung der Einrichtung intervenierte.<br />

Nun müssen Pflegekräfte dort nicht<br />

mehr die Bäder putzen.<br />

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28 WIRTSCHAFT & FINANZEN<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Kann das Gefühl der ausgleichenden<br />

Gerechtigkeit trügen?<br />

Viele Menschen gehen<br />

Geldanlagen emotional an,<br />

und wenn sie <strong>am</strong> Aktienmarkt<br />

Werte vorfinden, die weit hinter<br />

dem Index zurückgeblieben sind, dann<br />

wächst in ihnen die Empfindung heran:<br />

Diese hässlichen Entlein müssten doch<br />

bald vom Futter, das sich Boom nennt,<br />

etwas abbekommen und zu stolzen Börsenschwänen<br />

heranreifen. Genährt wird<br />

dieses Gefühl von Berichten über erfolgreiche<br />

antizyklische Investoren, die<br />

durch den beherzten Kauf steinreich geworden<br />

sind.<br />

Zugreifen oder<br />

lieber nicht?<br />

Zurzeit gibt es so viele „gefallene Engel“ wie selten <strong>am</strong> Aktienmarkt:<br />

Branchenriesen im Allzeittief. Was Experten raten<br />

VON DANIEL ECKERT UND HOLGER ZSCHÄPITZ<br />

Zwischen Absturz und Allzeithoch<br />

So weit entfernt sind die Aktien von ihrem Höchststand,<br />

Angaben in Prozent<br />

Flop<br />

Unicredit<br />

Nokia<br />

Ericsson<br />

Dt. Telekom<br />

General Electric<br />

E.on<br />

Infineon<br />

Petrochina<br />

Sony<br />

Kraft Heinz<br />

Bayer<br />

H&M<br />

BAT<br />

Continental<br />

Daimler<br />

Top<br />

% %<br />

–94 Unilever<br />

–92<br />

–89<br />

–86<br />

–82<br />

–79<br />

–75<br />

–74<br />

–69<br />

–66<br />

–59<br />

–55<br />

–47<br />

–43<br />

–40<br />

Nestlé<br />

Visa<br />

Danone<br />

Paypal<br />

McDonald's<br />

Heineken<br />

Adidas<br />

Airbus<br />

Nike<br />

SAP<br />

Walt Disney<br />

Coca-Cola<br />

Linde<br />

Endesa<br />

Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen<br />

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0<br />

0<br />

0<br />

–1<br />

–1<br />

–1<br />

–1<br />

–2<br />

–2<br />

–3<br />

–3<br />

–3<br />

–4<br />

–4<br />

–5<br />

Zurzeit tummeln sich so viele hässliche<br />

Entlein wie selten <strong>am</strong> Markt – einem<br />

Markt, der im Rekordmodus ist:<br />

Kaum zehn Prozent trennen den Deutschen<br />

Aktienindex von seinem Allzeithoch.<br />

Doch innerhalb des Börsenbarometers<br />

finden sich gleich acht Werte,<br />

die 50 Prozent oder mehr unter ihrem<br />

Allzeithoch notieren. An den <strong>Welt</strong>börsen<br />

ist die Diskrepanz noch größer: Die<br />

globale Messlatte Bloomberg World Index<br />

steht nur knapp unterhalb ihrem<br />

Allzeithoch, doch von rund 5000 Titeln<br />

fällt fast ein Drittel in die Kategorie<br />

„hässliche Entlein“. Kapitalmarktprofis<br />

sprechen mit Blick auf abgestürzte Börsengrößen<br />

von „gefallenen Engeln“.<br />

Investmentprofis haben ihre ganz eigenen<br />

Erfahrungen d<strong>am</strong>it gemacht, ob<br />

es sinnvoll ist, auf hässliche Entlein zu<br />

setzen. Die Wette auf die Erholung abgestürzter<br />

Aktien geht nicht immer auf.<br />

Oft genug bleibt eine schlechte Aktie<br />

einfach eine schlechte Aktie. WELT AM<br />

SONNTAG verrät Ihnen, worauf Sie<br />

achten müssen.<br />

Unter den „gefallenen Engeln“ finden<br />

sich auch große N<strong>am</strong>en. Am meisten<br />

hinter dem Markt zurückgeblieben sind<br />

in den vergangenen Jahren Banken, vor<br />

allem in Europa. Die italienische Uni-<br />

Credit etwa notiert nach Bloomberg-<br />

Berechnungen 94 Prozent unter ihrem<br />

Allzeithoch, der Kurs der Deutschen<br />

Bank ist 92 Prozent vom Bestwert entfernt.<br />

Aber auch Technologieunternehmen<br />

gehören dazu: Die einst legendäre<br />

Handyfirma Nokia wartet auf ihre Erweckung,<br />

ebenso der schwedische Netzwerkausrüster<br />

Ericsson oder die japanische<br />

Ikone Sony. Dazu gesellen sich Telekommunikationskonzerne<br />

wie Deutsche<br />

Telekom oder Orange aus Frankreich<br />

und deutsche Versorger wie E.on<br />

und RWE. Bei all diesen N<strong>am</strong>en lassen<br />

sich gute Gründe finden, warum sie an<br />

Wert verloren haben. Aber möglicherweise<br />

übersehen die Marktakteure die<br />

Chance auf eine Trendwende oder eine<br />

Neuaufstellung.<br />

Bei E.on und RWE ist es zum Beispiel<br />

die deutsche Energiewende, die das frühere<br />

Witwen-und-Waisen-Papier in einen<br />

gefallenen Engel verwandelte. Die<br />

plötzliche Abschaltung der Atomkraftwerke<br />

und die Subventionierung alternativer<br />

Energien zerstörte deren Geschäftsmodell,<br />

das auch ein Quasi-Oligopol<br />

umfasste. E.on will künftig als<br />

Netzbetreiber sein Geld verdienen,<br />

während RWE sich auf Energieerzeugung<br />

mit Kohle und Erneuerbaren spezialisiert.<br />

Dass das funktionieren kann,<br />

zeigt die spanische Endesa, die an der<br />

Börse fünf Prozent unter ihrem Allzeithoch<br />

steht und d<strong>am</strong>it zu den schönen<br />

Schwänen an der Börse zählt.<br />

Auch der Lebensmittelmulti Kraft<br />

Heinz, der zum Beteiligungsimperium<br />

von Warren Buffett gehört, musste kräftig<br />

Federn lassen. Die Aktie notiert dieses<br />

Jahr 25 Prozent im Minus und hängt<br />

dem Konkurrenten Unilever auf Sicht<br />

von zwei Jahren ganze 104 Prozentpunkte<br />

hinterher. Fragwürdige Managemententscheidungen<br />

haben das Unternehmen<br />

mit Doppelsitz in Chicago und<br />

Pittsburgh viel Geld und Vertrauen gekostet.<br />

Mittlerweile senkt auch die<br />

Mehrheit der Analysten den Daumen,<br />

was Antizykliker mehr in Wallung versetzt.<br />

Fehleinschätzungen der Führung<br />

sind auch für den Absturz des deutschen<br />

Pharma- und Agrarkonzerns Bayer<br />

verantwortlich. Hier wittern unerschrockene<br />

Investoren potenziell kräftige<br />

Erholungschancen. „Ein niedergeschlagener<br />

Wert mit Sondersituation<br />

wie Bayer nach dem Kauf von Monsanto<br />

hat ein reizvolles Aufholpotenzial“, sagt<br />

GETTY IMAGES/LONELY PLANET IMAGES/MANFRED GOTTSCHALK


WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 WIRTSCHAFT & FINANZEN 29<br />

Rolf Kazmaier, Geschäftsführer von SVA<br />

Vermögensverwaltung in Stuttgart. „Bei<br />

den zurückgebliebenen Aktien muss man<br />

schauen, warum sie zurückgeblieben sind,<br />

und dann für sich eine Lösung finden.“ Zum<br />

Beispiel könnte man kalkulieren, ob das<br />

Problem Monsanto für Bayer so groß sein<br />

kann, dass der Verlust von fast 35 Milliarden<br />

Euro Börsenwert gerechtfertigt ist. „Steckt<br />

da eventuell eine Übertreibung nach unten<br />

drin?“, fragt Kazmaier.<br />

Bei Anruf Rat<br />

Heute von 10 bis 12.30 Uhr stehen neun Fachleute<br />

Rede und Antwort zu allen Fragen rund ums Geld<br />

DIE HISTORIE ZÄHLT NICHT Eine Schockmeldung<br />

über hohe Lagerbestände schickte<br />

jüngst die Aktie der Bekleidungskette H&M<br />

auf Talfahrt. Mit gut 50 Prozent Abstand<br />

vom Hoch befinden sich die lange erfolgsverwöhnten<br />

Schweden heute auf der Liste<br />

der hässlichen Entlein. Optimisten setzen<br />

darauf, dass die Firma aus Stockholm mindestens<br />

das schafft, was Wettbewerber Inditex<br />

aus Spanien mit Marken wie Zara und<br />

Bershka gelingt. In den zehn Jahren vor<br />

dem Absturz hatte sich die H&M-Aktie<br />

mehr als vervierfacht.<br />

Vermögensverwalter Constantin Bolz<br />

von Portfolio Concept in Köln warnt davor,<br />

eine Aktie nur zu kaufen, weil sie im historischen<br />

Kontext billig erscheint. „Anhand<br />

von Kursverläufen Einschätzungen über die<br />

Attraktivität von Aktien zu tätigen, ist aus<br />

unserer Sicht unzureichend, besonders<br />

wenn es sich dabei um lange Zeiträume<br />

handelt“, sagt Bolz. „So kann sich beispielsweise<br />

das Geschäftsmodell einer Aktie über<br />

die Jahre grundsätzlich verändert haben,<br />

wie etwa bei Nokia.“<br />

Nokia, einst größter Handyproduzent<br />

der <strong>Welt</strong>, fokussiere sich heute auf das<br />

Netzwerkgeschäft, die Mobilfunkgerätesparte<br />

spiele nur mehr eine untergeordnete<br />

Rolle, sagt Bolz: „Grundsätzlich favorisieren<br />

wir eher Aktien, die in der Nähe ihres<br />

Allzeithochs notieren, als Titel, die deutlich<br />

darunter handeln. Wir fällen die Entscheidung<br />

jedoch immer auf Einzelbasis nach<br />

gründlicher fund<strong>am</strong>entaler Analyse.“<br />

Auf oder knapp unter dem historischen<br />

Hoch stehen zum Beispiel der Schweizer<br />

Lebensmittelriese Nestlé oder die Zahlungsdienstleister<br />

Visa und PayPal. In<br />

Deutschland sind es Adidas, SAP und Linde.<br />

„Es gibt die alte Börsenweisheit ‚The trend<br />

is your friend‘. Solange also Aktien Höchstkurse<br />

erreicht haben, heißt es noch lange<br />

nicht, dass sie verkauft werden sollten“,<br />

sagt Uwe Eilers, Geschäftsführer von<br />

Frankfurter Vermögen in Königstein. Die<br />

Wachstumsaussichten sind das Entscheidungskriterium<br />

für steigende Kurse.<br />

Andersherum könnten durchaus auch die<br />

„Fallen Angels“ interessant sein. „Dies gilt<br />

allerdings nur dann, wenn diese Unternehmen<br />

einen Turnaround schaffen und wieder<br />

ein nachhaltiges Gewinnwachstum erreichen“,<br />

sagt Eilers. Als Kandidaten dafür<br />

nennt er neben Bayer auch die Deutsche<br />

Bank. „Eine Aktie kann auch viel zu stark<br />

gefallen sein, wenn die negativen Befürchtungen<br />

völlig überzogen sind“, erklärt der<br />

Geldmanager. Uwe Zimmer, Geschäftsführer<br />

von Fund<strong>am</strong>ental Capital in Köln, rät<br />

Sparern, nur den spekulativen Teil ihres<br />

Vermögens auf gefallene Engel zu verwenden:<br />

Wenn man mit etwas Risikokapital<br />

Versuche starten will, kann man abgestürzte<br />

oder fallende Aktien kaufen. Aber auch<br />

zu dem Thema gibt es einen alten Spruch:<br />

„Never catch a falling knife.“ Zu Deutsch:<br />

Greife nie in ein fallendes Messer.<br />

Elimar von Festenberg-Pakisch<br />

Geld- und Vermögensanlage<br />

(Aktien, Fonds, ETFs etc.)<br />

Michael Ryl Geld- und Vermögensanlage<br />

(Aktien, Fonds,<br />

ETFs etc.) 01802468804<br />

Sylvie Ernoult<br />

Finanzchat - Online<br />

Das vergangene Weihnachtsfest<br />

dürfte für<br />

die meisten Aktionäre<br />

ein eher unruhiges gewesen<br />

sein. Den ganzen Dezember<br />

über waren die Kurse gefallen,<br />

und die Aussichten für die Tage<br />

danach versprachen kaum Besserung.<br />

Am Ende k<strong>am</strong> es dann<br />

doch ganz anders, und wer die<br />

Nerven behalten hat, kann<br />

nun, Anfang Mai, auf seinem<br />

Depotauszug jenen Zugewinn<br />

betrachten, den André Kostolany<br />

einst in seiner unnachahmlichen<br />

Art als „Schmerzensgeld“<br />

bezeichnete: Erst<br />

kommen die Schmerzen, dann<br />

das Geld.<br />

Wie sollen Sparer d<strong>am</strong>it umgehen,<br />

dass angesichts niedriger<br />

Zinsen Geld real an Wert<br />

verliert? Ratschläge zu allen<br />

Themen rund um die privaten<br />

Finanzen gibt die WELT AM<br />

SONNTAG ihren Lesern <strong>am</strong><br />

heutigen <strong>Sonntag</strong>. Zwischen 10<br />

und 12.30 Uhr stehen neun vom<br />

Bundesverband deutscher Banken<br />

ausgewählte Experten bereit,<br />

um für sämtliche Fragestellungen<br />

zu individuellen Finanzthemen<br />

Rede und Antwort<br />

zu stehen. Der Beratungsservice<br />

wird <strong>am</strong> Telefon und<br />

zusätzlich online als Chat angeboten.<br />

Für einen Einstieg an der<br />

Börse muss es trotz der jüngsten<br />

Erholung nicht zu spät<br />

sein. Für Sparer ohne große Erfahrung<br />

bieten sich Sparpläne<br />

etwa auf Indexfonds (sogenannte<br />

ETF) an, die Börsenbarometer<br />

wie etwa den Dax zu<br />

günstigen Kosten 1:1 abbilden.<br />

Wer ein solches Instrument<br />

monatlich bespart, kann es<br />

über die Jahre auf eine beachtliche<br />

Rendite – und ein willkommenes<br />

Zusatzeinkommen<br />

im Alter – bringen. Oder doch<br />

eine Immobilie kaufen?<br />

Natürlich besteht bei vielen<br />

gerade risikoaversen Sparern<br />

noch immer die Hoffnung,<br />

dass die Zinsen eines Tages<br />

wieder steigen werden – und<br />

Tagesgeld- sowie Festgeldkonten<br />

wieder auskömmliche Ren-<br />

Dierk von Reisner Geld- und<br />

Vermögensanlage (Aktien,<br />

Fonds, ETFs etc.) 1802468802<br />

Volker Hofmann<br />

Zinsen, Währungen<br />

und Konjunktur 01802468805<br />

Maxemilian Speer<br />

Finanzchat – Online<br />

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung WELT <strong>am</strong> SONNTAG KOMPAKT-2019-05-05-ad_rom-20 d303819bfe5e76bd858c8f6bd6d14bdc<br />

diten abwerfen. Doch kann es<br />

eine echte Zinswende, wie sie<br />

von den Notenbanken seit Jahren<br />

immer wieder in Aussicht<br />

gestellt wird, angesichts der<br />

hohen Staatsverschuldung der<br />

westlichen Industrienationen<br />

überhaupt noch geben? Auch<br />

dazu gibt es in der Beratung<br />

Einschätzungen von den Experten.<br />

Ein Lebenszeichen gab es zuletzt<br />

auch wieder von der Digitalwährung<br />

Bitcoin. 2017 in einem<br />

märchenhaften Boom auf<br />

rund 20.000 Dollar gestiegen,<br />

fiel der Hype wieder in sich zu-<br />

s<strong>am</strong>men. Nun aber scheint sich<br />

im Kursverlauf langs<strong>am</strong> ein Boden<br />

auszubilden, von dem aus<br />

der Preis bereits wieder deutlich<br />

gestiegen ist. War das der<br />

Startschuss für ein Comeback<br />

des Bitcoin oder einer seiner<br />

Schwesterwährungen?<br />

Kommende Woche wird<br />

WELT AM SONNTAG dann<br />

wichtige Fragen und Antworten<br />

aus der Aktion in anonymisierter<br />

Form veröffentlichen.<br />

Torsten Klebe Geld- und Vermögensanlage<br />

(Aktien, Fonds,<br />

ETFs etc.)<br />

Daniel Griebel<br />

Baufinanzierung<br />

01802468806<br />

Tobias Böhm<br />

Finanzchat – Online


30 SMART CITY<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

SPEZIAL<br />

Berlin digital Die Bundeshauptstadt ist<br />

5G-Modellregion und treibt d<strong>am</strong>it die selbst<br />

verordnete Smart-City-Strategie voran<br />

Da staunste, wa?<br />

Laute Nachrichten über Berlin sind nur die halbe Wahrheit. Eher im Stillen ist Deutschlands größter<br />

Wissenschaftsstandort entstanden. Hier geht es um die Zukunft, und Berlin hat große Ziele<br />

Ein Flughafen, der jüngst 2500 Tage Nicht-Eröffnung<br />

nicht feierte, Wohnungsmangel, explodierende<br />

Mieten, Enteignungsdebatten,<br />

Dauerbaustellen und Dauerstaus, Provinzpossen<br />

wie sinnentleerte Begegnungszonen<br />

mitten auf Straßen und ein Senat, dem es häufig an<br />

Präsenz, Esprit und Bürgernähe mangelt – es gibt einiges,<br />

das Berlin auf den ersten Blick nicht zwangsläufig<br />

als Smart City erscheinen lässt. Dennoch ist die Bundeshauptstadt<br />

genau das.<br />

VON JOCHEN CLEMENS<br />

Hinter all den lauten und grellen Tönen hat sich seit<br />

einigen Jahren ein ganz anderes Berlin entwickelt,<br />

eines das enorm erfolgreich ist. Fakt ist: Das Wirtschaftswachstum<br />

übertrifft das aller anderen Bundesländer,<br />

Prognosen zufolge wohl auch 2019. Anhaltend<br />

starker Zuzug und fast überproportionales ökonomisches<br />

Gedeihen verursachen Wachstumsschmerzen an<br />

vielen Stellen und testen die Kapazitätsgrenzen der<br />

vorhandenen Infrastruktur. Bestens ausgebaut ist dagegen<br />

die geistige und für Zukunftsfähigkeit stehende<br />

Infrastruktur: Keine andere deutsche Stadt verfügt<br />

über ein ähnliches Powerhouse aus Forschung, Lehre,<br />

Großunternehmen, Mittelstand und Start-ups. Gebündelt<br />

ist es in elf Zukunftsstandorten mit 1800 Unternehmen<br />

und 50.000 Beschäftigten. Die zahllosen Projekte<br />

dieser Ideenschmieden machen in ihrer Summe<br />

eine Smart City aus.<br />

Im April 2015 hatte der Senat die „Smart-City-Strategie<br />

Berlin“ mit Eckpfeilern wie den Ausbau der internationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Metropolregion<br />

und der Schaffung eines Pilotmarktes für innovative<br />

Anwendungen gesetzt. Außerdem will Berlin 2050 Klimaneutralität<br />

erreichen. Doch bereits zuvor soll und<br />

wird sich wohl vieles in der Bundeshauptstadt verändern.<br />

Schon innerhalb von zehn Jahren.<br />

„Berlin 2030?“, sinniert Peter Strunk. „Die Stadt<br />

wird ihr Gesicht verändern, sie ist dann leiser, sauberer<br />

und grüner“, so der Kommunikationschef der landeseigenen<br />

Gesellschaft Wista, die als Standortentwickler,<br />

Dienstleister und Wirtschaftsförderer die Geschäftsstelle<br />

der Zukunftsorte betreibt. „Es wird mitten in der<br />

Stadt produziert, Waren werden unter anderem über<br />

E-Fahrzeuge, elektrische Lastenbahnen, vielleicht auch<br />

Drohnen verteilt.“ Es gehe nicht um industrielle Endmontage<br />

von Massenprodukten, sondern um Einzelfertigungen,<br />

Kleinstserien und Prototypen – oder Da-<br />

tenträger und Software im Nano-Bereich.<br />

„Berlin ist aufgrund der Historie der Wissenschaftsstandort<br />

in Deutschland. Universitäten, Fachhochschulen<br />

und wissenschaftliche Einrichtungen sind<br />

Grundlage der Zukunftsorte und der d<strong>am</strong>it einhergehenden<br />

Innovationskraft Berlins“, sagt Julia Neuhaus,<br />

Leiterin der Zukunftsort-Geschäftsstelle. Produzieren<br />

wolle Berlin vor allem auch Ideen, wobei der Standort<br />

Adlershof im Süden der Stadt eine zentrale Rolle<br />

spielt, nicht zuletzt durch rund 80 Unternehmen, die<br />

<strong>Welt</strong>marktführer-Status besitzen, also sogenannte<br />

Hidden Ch<strong>am</strong>pions sind.<br />

NACH DER DIGITALISIERUNG Smart City auf technische<br />

Aspekte wie die Digitalisierung von Vorgängen,<br />

Diensten und Serviceleistungen zu reduzieren, wäre zu<br />

kurz gedacht. Die Digitalisierung selbst nämlich, meint<br />

Peter Strunk, „ist 2030 durch“. Während es dann nur<br />

noch um Justierung, Anpassen und Feintuning ginge,<br />

sei das städtische Leben ein sich ständig in Veränderung<br />

befindlicher Prozess. „Wohnen und Arbeit rücken<br />

wieder<br />

,,<br />

zus<strong>am</strong>men. Berlin muss eine Stadt der kurzen<br />

Wege werden. Es kann keine Lösung sein, ins Auto zu<br />

steigen und anderthalb Stunden auf einer verstopften<br />

Autobahn zuzubringen.“ Gerade in einer unter wachsender<br />

Individualmobilität ächzenden Stadt wie Berlin<br />

Die Stadt wird ihr Gesicht<br />

verändern, sie ist leiser,<br />

sauberer und grüner<br />

PETER STRUNK, Kommunikationschef der Wista<br />

ist das einer, wenn nicht gar der wichtigste Aspekt eines<br />

Smart-City-Konzeptes.<br />

Energie ist ein weiterer, „Energie im Quartier“ heißt<br />

das Stichwort. In Adlershof befassen sich „mehrere<br />

Dutzend Einzelprojekte d<strong>am</strong>it, die inzwischen eigentlich<br />

zu einem zus<strong>am</strong>mengewachsen sind“. Darunter<br />

Graforce Hydro, die eine simple Lösung für Schwankungen<br />

von Solar- und Windenergie im Rahmen der<br />

vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energien<br />

bieten: Wasserstoff und Biogas. Durch den Vorgang der<br />

Plasmalyse könnte „überschüssiger regenerativer<br />

Strom und Wasser in Wasserstoff umgewandelt und<br />

d<strong>am</strong>it problemlos gespeichert und bei Bedarf wieder<br />

zur Verfügung gestellt werden“, schreibt das Unternehmen.<br />

Weder bei der Herstellung noch bei der Wiederverwendung<br />

des Wasserstoffs entstünden schädliche<br />

Emissionen. „Aus Wasser wird Wasserstoff und <strong>am</strong><br />

Ende wieder Wasser.“<br />

D<strong>am</strong>it Energie in Echtzeit gespeichert werden kann<br />

und im Moment des Bedarfs verfügbar ist, braucht es die<br />

neue Mobilfunkgeneration 5G. Berlin – und hier hat der<br />

Senat doch einmal frühzeitig Nägel mit Köpfen gemacht<br />

– ist mit der Telekom eine Partnerschaft eingegangen.<br />

Während der Rest der Republik wohl noch warten muss,<br />

wird Berlin 5G-Modellregion, der Ausbau einzelner<br />

Standorte wie Adlershof beginnt noch in diesem Jahr.<br />

Folgen sollen weitere Zukunftsstandorte, die Messe Berlin<br />

und stark frequentierte öffentliche Areale wie der<br />

Potsd<strong>am</strong>er Platz, außerdem Verkehrswege an der Stadt-<br />

autobahn und die U-Bahn.<br />

Ice Gateway ist ein weiteres Unternehmen aus Adlershof.<br />

Schon 2016 begann R<strong>am</strong>in Mokhtari mit der<br />

Verwandlung von Vollpfosten in clevere Straßenlaternen<br />

mit LED-Technik. Über Funk werden sie zentral<br />

gesteuert, sie sind dimmbar oder sie erlöschen vollständig<br />

und leuchten nur, wenn sie benötigt werden.<br />

Die intelligente Sensorik nutzt die Möglichkeiten der<br />

Bewegungserkennung. Weil es dabei auch um Datenschutz<br />

geht, sind sie im öffentlichen Raum noch nicht<br />

zugelassen. In Adlershof werden sie getestet, auch in<br />

Verbindung mit weiteren Funktionen – etwa als<br />

WLAN-Hotspot und Ladesäule für E-Fahrzeuge.<br />

Dazu passt ein bereits mit 13 Preisen ausgezeichnetes<br />

Projekt der im Schöneberger Euref-C<strong>am</strong>pus an-<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 SMART CITY 31<br />

SPEZIAL<br />

sässigen Firma ubitricity. Ihr Werk ist ein mobiler Stromzähler,<br />

der in Ladekabel oder direkt in E-Fahrzeuge integriert<br />

werden kann. Stromgetankt wird dann auf Rechnung<br />

beim Anbieter des persönlichen Vertrauens. Ladestationen<br />

sind problemlos in Straßenlaternen unterzubringen.<br />

GESÜNDER LEBEN Ebenfalls auf dem C<strong>am</strong>pus mit einem alten<br />

Gasometer als weithin sichtbares Wahrzeichen entdeckt<br />

man den kleinen Elektro-Shuttlebus Emily. Fahrer und Lenkrad<br />

gibt es nicht. Emily fährt autonom, orientiert sich mit Hilfe<br />

von Sensoren und K<strong>am</strong>eras. Durchaus ein Modell für Wohn-<br />

quartiere, verkehrsberuhigte Innenstädte oder weitläufige,<br />

aber verkehrsarme Flächen. „Sinnvoll könnte so etwas zum<br />

Beispiel in ländlichen Regionen mit wenig Verkehr sein, wo es<br />

darum geht, von einem Ort zum anderen zu kommen“, sagt<br />

Peter Strunk.<br />

Zu einer Smart City gehören aber durchaus auch Innovationen,<br />

die auf den ersten Blick gar nicht in diesen Rahmen zu<br />

passen scheinen. Wie etwa die des Start-ups Magnosco, dessen<br />

neue Technologie es ermöglicht, schwarzen Hautkrebs<br />

innerhalb von Minuten zu analysieren. Er wird per Lasertechnologie<br />

sichtbar gemacht und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz<br />

innerhalb kürzester Zeit ausgewertet. Derartige medizintechnische<br />

Innovationen der Früherkennung würden<br />

nicht nur dazu führen, dass „wir schon 2030 viel gesünder leben“,<br />

so der Wista-Kommunikations-Chef. Sie könnten des<br />

Weiteren Verkehre reduzieren, weil diese Methoden auch<br />

ohne profunde medizinische Kenntnisse häusliche Diagnose<br />

erlaubten und Wege zum Arzt ersparten. „Oft sind es die Dinge<br />

im Verborgenen, die etwas ganz Neues kreieren.“<br />

Dazu gehört mit Sicherheit auch das, woran Wissenschaftler<br />

des Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und<br />

Kurzzeitspektroskopie (MBI) derzeit forschen. Es geht um<br />

„Terahertzfrequenzen“ (THz), um Solarzellen, die Lichtenergie<br />

in einen gerichteten elektrischen Strom konvertieren,<br />

welcher dann die Energieversorgung von elektrischen<br />

Verbrauchern gewährleistet – mit einer Schnelligkeit, die, so<br />

Strunk, „einen Computer um das 5000fache übertrifft“. Eröffne<br />

das nicht „ungeahnte Möglichkeiten – auch für die<br />

‚Smart City‘ der Zukunft?“, fragt er sich.<br />

Digital kann so hyggelig sein<br />

Dänemark führt den EU-Digitalindex an. Der kleine Nachbar könnte<br />

für Deutschland das große Vorbild bei der Umstellung der Verwaltung<br />

sein. Es geht weniger um Technologie, sondern eher um neues Denken<br />

Post kommt fast ausschließlich<br />

elektronisch,<br />

es gibt Bürger-Emails,<br />

Ämter und Verwaltungen arbeiten<br />

ebenfalls digital. Das so<br />

hyggelige Dänemark hat sich<br />

seinen herrlich retro wirkenden<br />

und entspannten Lebensstil bewahrt,<br />

gleichzeitig aber seine<br />

Lebensadern digitalisiert.<br />

Der Digitalindex der Europäischen<br />

Union führt Dänemark<br />

auf Platz eins, ebenso das<br />

E-Government im OECD-Ranking.<br />

„Dänemark zeigt, wie man<br />

ein Land smart macht“, hatte<br />

Bitkom-Präsident Achim Berg<br />

Ende 2018 bei der Smart Country<br />

Convention in Berlin gelobt.<br />

„Viele Digitalprojekte, die<br />

Deutschland jetzt vor sich hat,<br />

wurden in Dänemark erfolgreich<br />

abgeschlossen.“<br />

Bereits 1968 wurde das CPR-<br />

Register eingeführt, das die digitale<br />

Identifizierung der Bürger<br />

in einem öffentlichen Zentralregister<br />

als Grundlage für<br />

die Digitalisierung der Gesellschaft<br />

ermöglichte. D<strong>am</strong>it sind<br />

die meisten Dänen Digital Natives.<br />

Das ist nur einer der Unterschiede<br />

gegenüber Deutschland.<br />

In skandinavischen Ländern<br />

hätten die Bürger eine hohe<br />

Forderungshaltung an die<br />

Verwaltung, sagt Arne Treves<br />

von R<strong>am</strong>boll, einer dänischen<br />

Ingenieur- und Managementberatung,<br />

die von Berlin aus quasi<br />

Entwicklungshilfe in Sachen<br />

smarter Verwaltung leistet.<br />

Hier sei es dagegen gelernte<br />

Tradition, dass die Verwaltung<br />

den Bürgern Vorgaben mache.<br />

Deutschland verorten Treves<br />

und sein Kollege Dominik Benke<br />

im europäischen Mittelfeld.<br />

Oft hören sie, Digitalisierung<br />

sei ein rein technischer Prozess,<br />

doch „sie ist zu 20, maximal<br />

30 Prozent technikgetrieben.<br />

Der große Rest sind<br />

menschliche Faktoren. Es geht<br />

um Disruption, um komplett<br />

neues Denken“, sagt Treves.<br />

Dazu gehört auch das Umkrempeln<br />

von Strukturen. „Die<br />

deutsche Verwaltung ist noch<br />

stark an Abteilungen und linearen<br />

Strukturen ausgerichtet.<br />

Was wir brauchen, sind mehr<br />

Vernetzung und Schnittstellen,<br />

um ganzheitlichere Betrachtungen<br />

zu ermöglichen“, sagt Benke.<br />

Das könnte so aussehen,<br />

dass es, so wie in Dänemark,<br />

Berater gibt, die den Bürgern zu<br />

allen nicht per Klick zu regelnden<br />

Angelegenheiten Auskunft<br />

geben können – von Kfz über<br />

Steuer bis Kindergeld.<br />

Noch erkennen Treves und<br />

Benke nur „kleine Inseln“, die<br />

eine Kommune sei aktiver als<br />

die andere. Doch es passiert<br />

etwas. Wohl auch dank des<br />

„Onlinezugangsverbesserungsgesetzes“<br />

von 2017 , dessen Ziel<br />

laut Bundeswirtschaftsministerium<br />

der „Durchbruch für ein<br />

modernes E-Government in<br />

Deutschland“ ist. So sollen bis<br />

2022 möglichst viele Verwaltungsleistungen<br />

von Bund, Ländern<br />

und Kommunen online<br />

angeboten und über einen virtuellen<br />

Portalverbund mit nur<br />

drei Klicks zu finden sein. „Von<br />

oben vorgeschrieben, typisch<br />

deutsch“, sagt Benke. Aber immerhin<br />

erzeuge das OZG Handlungsdruck.<br />

Jochen Clemens<br />

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Visionär<br />

Der Mann, der „Matrix“<br />

möglich machte S. 34<br />

Virtuos<br />

Komponistinnen, die<br />

man hören sollte S. 36<br />

FILM<br />

„Da könnte<br />

ich echt<br />

durchdrehen“<br />

„Tatort“-Kommissarin<br />

Almila Bagriacik über<br />

ihre Schwierigkeiten,<br />

eine Deutschtürkin<br />

zu spielen. Und wie<br />

ihr gezeigt wurde, wo<br />

man Gott findet<br />

Es geht um Respekt Ob Frauen Kopftuch tragen oder nicht, sei ihre eigene Entscheidung, sagt Almila Bagriacik. Egal wie: Niemandem stehe es zu, sie deswegen abzuwerten<br />

A<br />

Als sie vor einem Jahr die Rolle der Kieler<br />

„Tatort“-Kommissarin übernahm,<br />

war Almila Bagriacik Mitte 20. So jung<br />

wie sie hat es kaum jemand in die Kultserie<br />

geschafft. Aber Bagriacik war<br />

schon vorher bekannt: In der TV-Serie<br />

„4 Blocks“ spielte sie die Schwester von<br />

Gangstern eines arabischen Clans in<br />

Berlin. In ihrem neuen Kinofilm „Nur<br />

eine Frau“ stellt sie die Berliner Türkin<br />

Hatan Sürücu dar, die 2005 von ihren<br />

Brüdern ermordet wurde.<br />

VON JENNIFER WILTON<br />

WELT AM SONNTAG: Sie spielen seit<br />

fast zehn Jahren in Filmen in<br />

Deutschland mit. Aber sogar in einer<br />

Serie in der Türkei spielten Sie die<br />

Deutschtürkin. Nervt Sie das?<br />

ALMILA BAGRIACIK: Viel länger habe<br />

ich darüber nachgedacht, ob ich überhaupt<br />

eine Serie in der Türkei machen<br />

sollte. Ich hatte Angst, dass mich das zu<br />

sehr einnimmt. Aber dann k<strong>am</strong> dieses<br />

Angebot mit einer Geschichte, die in<br />

Berlin anfängt. Da dachte ich: Okay,<br />

wenn hier jemand Berlin vertritt, dann<br />

ja wohl ich!<br />

Ihre Rolle ist die einer Türkin, die in<br />

Deutschland aufgewachsen ist?<br />

Ja, tatsächlich kann sie nicht sehr gut<br />

türkisch sprechen. Ich spreche dagegen<br />

sehr gut türkisch. Ich musste mir also<br />

einen deutschen Akzent erst antrainieren.<br />

Dadurch wurde ich in der Türkei<br />

Everybody’s Darling, denn die Türken<br />

lieben es, wenn du nicht so gut Türkisch<br />

kannst, es aber versuchst. Sie wollten<br />

halt ein Klischee bedienen.<br />

Sie sehen das so entspannt, wie es<br />

klingt?<br />

Absolut. Für die Rolle im Kieler „Tatort“<br />

war ursprünglich eine Schwedin,<br />

Ende 30, gesucht. Brauch ich nicht viel<br />

zu sagen, oder? (lacht) Sie haben mich<br />

trotzdem zum Casting eingeladen.<br />

Dann haben sie die Rolle auf die Mila<br />

Sahin umgeschrieben.<br />

Was ist der Unterschied zwischen<br />

Schauspielen in Deutschland und der<br />

Türkei?<br />

In Deutschland darfst du nicht so viel<br />

können. Wenn du mehr als eine Sache<br />

kannst, sind die Leute sofort überfordert:<br />

„Oh nee, jetzt singt die auch noch,<br />

oh nein, jetzt spielt die auch noch Fußball,<br />

na, ist doch mal gut, Mad<strong>am</strong>!“ In<br />

der Türkei – oder in Amerika – wirst du<br />

dafür gefeiert. Da wird eine Serie mit<br />

dir gedreht, nebenbei nimmst du ein Album<br />

auf und machst Sh<strong>am</strong>poowerbung.<br />

Hier musst du dich ein bisschen zurückhalten.<br />

Andererseits mag ich das in<br />

Deutschland ja auch, dass man kritischer<br />

ist und die Dinge hinterfragt. Ich<br />

liebe das deutsche Bildungssystem, weil<br />

es viel mehr zum Denken, zum Hinterfragen<br />

anleitet. Du lernst schon in der<br />

Schule: Du musst deine Antworten<br />

selbst finden, alles ist okay, wenn du es<br />

belegen kannst. In der Türkei ist es wie<br />

in Amerika: Eine Frage, fünf mögliche<br />

Antworten, alles ist vorgegeben.<br />

Sie sind in Ankara geboren, k<strong>am</strong>en<br />

mit fünf Jahren nach Berlin. Welche<br />

Erinnerungen haben Sie daran?<br />

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung WELT <strong>am</strong> SONNTAG KOMPAKT-2019-05-05-ad_rom-20 d303819bfe5e76bd858c8f6bd6d14bdc


KULTUR<br />

Ich bin durch und durch Berlinerin,<br />

aber ich erinnere mich natürlich an meine<br />

Kindheit in der Türkei, vor unserem<br />

Umzug nach Deutschland. Meine Eltern<br />

waren Korrespondenten für eine große<br />

türkische Zeitung und wurden nach<br />

Berlin geschickt. Es war erst mal ein<br />

Schock. Ich konnte die Sprache nicht,<br />

die K<strong>am</strong>eraden in der Schule in der Türkei<br />

hatten mir Angst gemacht. Wir sind<br />

erst mal gelandet in Berlin-Wedding, in<br />

einer Erdgeschosswohnung. Alles war<br />

grau, unfreundlich, rau. Nach einem<br />

halben Jahr zogen wir zum Glück weg.<br />

Meine Eltern haben weiter nur Türkisch<br />

mit mir gesprochen, weil sie wollten,<br />

dass ich die Sprache nicht verlerne. Sie<br />

wollten aber auch, dass ich Deutsch ohne<br />

Akzent und mit korrekter Gr<strong>am</strong>matik<br />

lerne. Und das lernst du dann bei Borowski<br />

in der Schule.<br />

Borowski, wie der „Tatort“-Kommissar?<br />

MATHIAS BOTHOR<br />

Tatsächlich hieß mein Klassenlehrer<br />

Borowski! Wie mein Kollege im Kieler<br />

„Tatort“.<br />

Spielte Religion eine Rolle?<br />

Ich bin Muslima. Aber meine F<strong>am</strong>ilie<br />

hält Religion für etwas, das man für sich<br />

macht, nicht nach außen demonstriert.<br />

Meine Eltern haben mir als Kind alle anderen<br />

Religionen erklärt, bevor sie mit<br />

mir in eine Moschee gingen. Wir waren<br />

in einer orthodoxen Kirche, die sehr<br />

prunkvoll war, in einer Synagoge, die<br />

mich beeindruckt hat. Und dann irgendwann<br />

die blaue Moschee. Sie haben mir<br />

gesagt: „Gott kannst du in jedem Haus<br />

erreichen.“ Tatsächlich haben sie mich<br />

ziemlich ernst genommen, sie haben<br />

mich auch vor die Wahl gestellt: „Wir<br />

machen das so. Du machst es, wie du<br />

entscheidest.“ Und der Isl<strong>am</strong> hat mich<br />

fasziniert. Auch die Poesie des Korans.<br />

Fühlen Sie sich betroffen, wenn es in<br />

Diskussionen über den Isl<strong>am</strong> vor allem<br />

um den radikalen Isl<strong>am</strong> geht?<br />

Ja. Ich fühle mich auch angegriffen,<br />

wenn es um unseren neuen Film geht<br />

und ich immer wieder gefragt werde:<br />

Finden Sie nicht auch, dass der Isl<strong>am</strong> eine<br />

gefährliche Religion ist? Finde ich<br />

nicht. Es sind Menschen, die gefährlich<br />

sind. Es sind Menschen, die die Suren<br />

auf bestimmte Art interpretieren. In<br />

dem Film unterscheiden wir – richtigerweise<br />

– zwischen Tradition und Religion.<br />

Aber ganz abgesehen davon finde<br />

ich es auch falsch, sein Leben ausschließlich<br />

auf Religion aufzubauen.<br />

Ihr Film „Nur eine Frau“ erzählt die<br />

Geschichte von Hatun Sürücü, einer<br />

Berliner Türkin, die 2005 von ihren<br />

Brüdern ermordet wurde. Der Ehrenmord<br />

erschütterte nicht nur in Berlin<br />

sehr viele Menschen. Erinnern Sie<br />

sich, wie Sie das d<strong>am</strong>als erlebten?<br />

Ja, ich war ungefähr 14, als es passierte.<br />

Meine Eltern haben darüber berichtet,<br />

haben es mir auch erzählt. Ich weiß noch,<br />

dass ich sehr betroffen war – aber gleichzeitig<br />

darüber auch nichts wissen wollte.<br />

Warum nicht?<br />

Der Fall und die Aufmerks<strong>am</strong>keit hatten<br />

ja Folgen. Ich dachte, na toll, jetzt passiert<br />

hier so etwas. Ich versuche die<br />

ganze Zeit, den „Vorbild-Kanaken“ zu<br />

repräsentieren, und jetzt hassen uns die<br />

Deutschen wieder, haben Angst vor uns.<br />

Haben Sie sehr unter diesen Vorurteilen<br />

gelitten?<br />

Wir hatten – wir haben – eben ständig<br />

diesen Druck. Wir müssen uns immer beweisen.<br />

Alleine wenn ich eine Wohnung<br />

bekommen will: Bevor mich die Menschen<br />

kennenlernen, sind sie von dem<br />

N<strong>am</strong>en erst mal abgeschreckt. Das war<br />

für mich als Kind ein riesiges Problem.<br />

Und es war das Größte, als ich dann mal<br />

in der fünften Klasse zum Kinderfest des<br />

Bundespräsidenten durfte, von meiner<br />

Schule aus. Da dachte ich, wow, es lohnt<br />

sich, sich anzustrengen. Die Leute nehmen<br />

dich wirklich wahr. Das war wichtig.<br />

Almila Bagriacik<br />

Schauspielerin<br />

Almila Bagriacik wurde <strong>am</strong><br />

10. Juli 1990 in der türkischen<br />

Hauptstadt Ankara geboren. Als<br />

sie fünf war, zogen ihre Eltern,<br />

Korrespondenten einer großen<br />

türkischen Zeitung, mit ihr nach<br />

Deutschland. Sie ging in Berlin<br />

zur Schule, begann nach dem<br />

Abitur ein Regie-Studium. 2008<br />

wurde sie bei einem Konzert in<br />

dem Kreuzberger Club SO36 von<br />

einem Fotografen entdeckt und<br />

zu einem Casting eingeladen.<br />

Ihre erste Rolle bek<strong>am</strong> sie in dem<br />

Film „Die Fremde“, der von einem<br />

Ehrenmord handelt. Es<br />

folgten Engagements für Serien<br />

und Filme. Für ihre Rolle in „Die<br />

Opfer – Vergesst mich nicht“, der<br />

Trilogie über die NSU-Morde,<br />

wurde sie mit dem Deutschen<br />

Fernsehpreis ausgezeichnet. Ihr<br />

neuer Kinofilm „Nur eine Frau“ ist<br />

ab 9. Mai im Kino zu sehen.<br />

Hatun Sürücü sieht man durch Kreuzberg<br />

laufen, in Jeans, Hip-Hop auf den<br />

Kopfhörern, ein junges, modernes<br />

Mädchen – wenig später ist sie die<br />

verschleierte Frau, die zwangsverheiratet<br />

wird. Kannten Sie selbst Mädchen,<br />

die so ein Doppelleben führten?<br />

Wenige. Ich hatte auch mit der türkischen<br />

Community als Jugendliche wenig<br />

zu tun, war davon eher genervt. Die<br />

Türken in Berlin waren für mich einfach<br />

anders als in der Türkei.<br />

Rückständiger?<br />

Auch. Wenn man sein Land verlässt,<br />

versucht man vermutlich, die Zeit und<br />

die Kultur, die man kannte, festzuhalten.<br />

Aber die Zeit zieht weiter. Die erste<br />

Generation waren ja größtenteils auch<br />

Gastarbeiter, die aus sehr einfachen<br />

Verhältnissen k<strong>am</strong>en, sich stärker an<br />

Strukturen und Traditionen orientierten<br />

als meine F<strong>am</strong>ilie. Aber ich habe als<br />

Jugendliche ohnehin rebelliert, wollte<br />

mich immer querstellen. Meine Eltern<br />

haben dann einen guten Weg gefunden,<br />

mich da reinzuholen, sie haben ja vor allem<br />

über diese türkische Community in<br />

Deutschland berichtet. Sobald wir in<br />

Kreuzberg essen waren, k<strong>am</strong>en alle an<br />

den Tisch und grüßten, sie kannten<br />

wirklich jeden. Einmal habe ich einen<br />

Kurzfilm gedreht, in Kreuzberg, da gab<br />

es eine gespielte Szene mit einem Streit<br />

auf der Straße. Und die haben sofort<br />

meinen Vater angerufen: „Komm mal<br />

her, deine Tochter hat Stress mit einem<br />

Typen. Wir sind alle da und passen auf,<br />

aber komm mal lieber.“ Mein Vater hat<br />

erst mal mitgespielt, es dann aber aufgelöst.<br />

Mein Schauspielkollege war total<br />

überfordert, weil ihn alle böse anguckten.<br />

Das war schon auch ein schönes<br />

Gefühl, dass da aus jedem Laden jemand<br />

guckt, und alle hinter mir stehen.<br />

Die Männer in „Nur eine Frau“ sind<br />

mehrheitlich keine Sympathieträger,<br />

genauso wie in „4 Blocks“. Sie alle erfüllen<br />

die Vorstellungen von jungen,<br />

aggressiven, kriminellen Männern<br />

mit Migrationshintergrund, die sich<br />

jeder Entwicklung verweigern.<br />

Ich weiß nicht, ob man das so sagen<br />

kann. Auch die Männer sind in bestimmten<br />

Situationen gefangen. Beim Thema<br />

Zwangsheirat etwa sollte man nicht vergessen,<br />

dass ja beide zwangsverheiratet<br />

werden. Der Junge möchte das im Zweifel<br />

ja auch nicht. Aber ja, es sind sehr tes-<br />

tosterongeladene Rollen. Das ist bei der<br />

Serie aber auch das Genre.<br />

Wie wichtig ist Ihnen, welche Art<br />

Frauenfigur Sie verkörpern?<br />

Ich bin jetzt nicht die große Feministin.<br />

Ich glaube an die Tatsache, dass wir uns<br />

alle einfach als Menschen begegnen<br />

müssen. Die ganze MeToo-Debatte<br />

zum Beispiel war wichtig: Dass sie an-<br />

fängt, dass man Hierarchien und wie sie<br />

gebaut werden, hinterfragt und zum<br />

Beben bringt. Aber jetzt liegt es auch an<br />

uns Frauen, aus dieser Opferhaltung<br />

rauszukommen. Ich bin kein Opfer, d<strong>am</strong>it<br />

mache ich den anderen nur wieder<br />

mächtig. Ich kann Nein sagen. Ich kann<br />

auch als Schauspielerin zu Dingen Nein<br />

sagen. Zu Texten, mit denen ich nichts<br />

anfangen kann. Oder auch zu der Idee,<br />

dass ich, wie in den späteren Folgen<br />

von „4 Blocks“, als meine Figur Amara<br />

das Kopftuch abnehmen könnte. Offenbar<br />

als Symbol für ihre Unabhängigkeit.<br />

Sie will ihren Mann verlassen und<br />

nimmt ihr Kopftuch ab? Das ist hier<br />

nicht authentisch. Amara trägt das<br />

Kopftuch aus eigener Überzeugung!<br />

Der Rest der F<strong>am</strong>ilie in der Serie trägt<br />

es nicht. Sie trägt es als Krone. Ich trage<br />

es als Amara so – anders als ich es als<br />

Hatun Sürücü trage. Dazwischen liegen<br />

<strong>Welt</strong>en! Es gibt auch Frauen, die sich<br />

mit Kopftuch freier fühlen, und von<br />

den müssen wir auch erzählen. Warum<br />

mischen wir uns in das Privatleben anderer<br />

Menschen ein?<br />

Weil es Fälle gibt, bei denen das Kopftuch<br />

ein Instrument der Unterdrückung<br />

ist und man nicht zusehen will?<br />

Das Problem ist aber, dass man anfängt,<br />

alle so anzusehen. Und d<strong>am</strong>it die Frauen,<br />

die sich d<strong>am</strong>it wohlfühlen, nicht respektiert.<br />

Man bevormundet sie, macht<br />

also genau das, was man den Männern<br />

vorwirft. Dieses: „Du willst das eigentlich<br />

gar nicht tragen, du weißt das nur<br />

noch nicht“ – da könnte ich echt durchdrehen.<br />

Die westlich emanzipierte, starke<br />

Frau meint, alles schon zu wissen<br />

und gesehen und erlebt zu haben und<br />

dem Mädchen mit Migrationshintergrund<br />

die <strong>Welt</strong> erklären zu müssen. Ich<br />

möchte respektiert werden dafür, dass<br />

ich keines trage. Und ich respektiere<br />

Frauen, die es tragen. In meiner F<strong>am</strong>ilie<br />

trug es keine. Nur meine Omas. Weil ihre<br />

Haare grau geworden waren.<br />

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34 KULTUR<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

PICTURE ALLIANCE/EVERETT COLLECTION/WARNER BROS.<br />

P-A/ DPA/DPA-FILM WARNER; P-A / DPA<br />

Flug im Studio Im ersten „Matrix“-Film von 1999 kämpft Neo (Keanu Reeves, l.) gegen Smith (Hugo Weaving), der Schwerkraft zum Trotz. Beide hingen an Seilen, der<br />

Hintergrund ist digital hinzufügt – mittlerweile eine gängige Technik<br />

Sein doppeltes Auge<br />

Vor genau zwanzig Jahren k<strong>am</strong>en Gerüchte<br />

auf, dass da ein Kinofilm nahte, der alles<br />

verändern könnte. „Matrix“ galt als Fusion<br />

von Philosophie und Blockbuster, wo<br />

die Helden mit einer Zuckung abgefeuerten<br />

Kugeln ausweichen, Keanu Reeves seine Software<br />

in Baudrillards Buch über Medientheorie versteckt<br />

und Philip K. Dicks Vermutung bestätigt wird, dass wir<br />

alle nur in einer simulierten Realität leben. Und dann?<br />

„Matrix“ und die Wachowski-Brüder wurden berühmt,<br />

setzten neue Standards. Doch was ist mit John Gaeta,<br />

ohne den es das alles nicht gegeben hätte?<br />

VON HANNS-GEORG RODEK<br />

Wir betreten mit John Gaeta den Hospitalhofgarten<br />

im Herzen der Stuttgarter Innenstadt. Ein wenig sieht<br />

es dort aus wie in der Zimmerflucht <strong>am</strong> Ende von Kubricks<br />

„2001“ mit ihrer Mischung aus Futurismus,<br />

Louis-XVI-Möbeln und antiken Statuen; hier die Originalwand<br />

einer kriegszerbombten Kirche mit Spitzbogenfenstern,<br />

dort die regelmäßigen Rechtecke einer<br />

Bürofassade; hier ein Beetgeviert mit Dutzenden von<br />

Rosenstöcken, da nackte Betontische. Gaeta gefällt die<br />

Umgebung. 53 ist er nun. Als er den Oscar für „Matrix“<br />

entgegennahm, war er 34. Ein früher Geniestreich.<br />

Gaetas Kugel, also der Trick mit den Matrix-Projektilen,<br />

war nichts weniger als der Startschuss zu einer<br />

neuen Phase der Zivilisation. Greifen wir ruhig so<br />

hoch. Um das Projektil herum geschieht im Bildraum<br />

des Films eine Menge. Agent Smith weicht, schneller<br />

„Matrix“ veränderte vor<br />

zwanzig Jahren das<br />

Kino – vor allem durch<br />

die virtuellen Effekte von<br />

John Gaeta. Bis heute<br />

ist er der Guru der Szene<br />

Schob eine Revolution an John Gaeta, 53<br />

PA/MARY EVANS PICTURE LIBRARY<br />

als unser Auge das registrieren kann, Neos Kugeln aus.<br />

Und Neo tut es genauso. Die K<strong>am</strong>era bewegt sich frei<br />

zwischen allem.<br />

Das war die Aufhebung eines optischen Naturgesetzes.<br />

Vier verschiedene Geschwindigkeiten in einem<br />

Bild: die der Kugel, die von Smith, die von Neo, die der<br />

K<strong>am</strong>era. Ja, im Trickfilm konnte man das, „Matrix“<br />

verdankt viel den Animes. Aber im Realfilm?<br />

In der Praxis zuckten zunächst Neo und Smith vor<br />

einem grünen Hintergrund hin und her und wurden<br />

gefilmt. Diese Bilder lud man in einen Computer und<br />

legte ein Raster darüber, auf dem die gewünschten K<strong>am</strong>erabewegungen<br />

markiert wurden. Dann stellte man<br />

Dutzende Fotok<strong>am</strong>eras entlang des K<strong>am</strong>erapfads auf,<br />

und jede schoss eine Aufnahme. Auch die wurden<br />

hochgeladen, Animatoren füllten die Leerstellen zwischen<br />

den Bildern mit hochgerechneten Aufnahmen –<br />

und alles wurde mit den Greenscreenbildern vermengt.<br />

D<strong>am</strong>it hatte Gaeta eine unüberwindbare Barriere<br />

überwunden und war in den dreidimensionalen virtuellen<br />

Raum eingedrungen. Warner Bros. (der „Matrix“-Produzent)<br />

ließ Gaetas „Bullet Time“ als Markenzeichen<br />

eintragen, von „time slicing“ und „view<br />

morphing“ war nun auch die Rede.<br />

Zwei Begriffe steuerte Gaeta selbst bei: „virtual cinematography“<br />

(virtuelle K<strong>am</strong>era) und „virtual effects“<br />

(virtuelle Effekte), beide stehen für Gaetas Vision.<br />

Seit der letzten „Matrix“ („Revolutions“) hat er<br />

nur an drei Filmen offiziell mitgewirkt. Stattdessen<br />

forschte er weiter. Eines seiner Ergebnisse: Die Virtu-<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 KULTUR 35<br />

al-Reality-Technik mits<strong>am</strong>t ihrer klobigen Brillen ist<br />

für ihn nicht das Maß der Dinge. Sie ist allenfalls ein<br />

Teil der Zukunft.<br />

„Eine Geschichte“, doziert Gaeta, „st<strong>am</strong>mt von einem<br />

Autor. Ein Autor absorbiert alles, was mit ihm<br />

und in der Umgebung geschieht. Die Wirklichkeit ist<br />

die Quelle, sie diffundiert in den Kopf, vermischt sich<br />

mit Erfahrungen – und heraus kommt ein Narrativ.<br />

Geschichtenerzählen ist ein linearer und vorbestimmter<br />

Vorgang. VR hingegen ist eine Quelle, eine Erfahrung,<br />

mit der man später etwas anstellen kann.“ Die<br />

Virtual Reality sei demnach ein „Konstrukt, um darin<br />

Erfahrungen zu machen“.<br />

Diesem Konstrukt jagt Gaeta hinterher. Hinter der<br />

Technik, mit der er selbst eine Matrix bauen kann, eine<br />

Matrix für jedes Haus, jede Straße, jede Stadt. Die<br />

<strong>Welt</strong> wird virtuell verdoppelt, wird ein Raum, den jeder<br />

mit seinen Geschichten befüllen kann.<br />

TECHIE-KONFERENZ Gaeta hat gerade bei der FMX,<br />

einer der wichtigsten Fachkonferenzen für digitale<br />

Unterhaltung, seine Visionen vorgestellt. Der Hospitalhofsaal<br />

war voll von Techies, wie besoffen von der<br />

Unendlichkeit, die vor ihnen liegt. Keiner erwähnte<br />

das Wort „Datenschutz“, Gaeta tat es, gleich mehrfach.<br />

Er kennt die Deleuze-Definition: „Gott schuf den<br />

Menschen nach seinem Bilde und seiner Ähnlichkeit,<br />

doch durch den Sündenfall hat der Mensch die Ähnlichkeit<br />

verloren, das Bild aber bewahrt.“ Das war ja einer<br />

der Kerne der „Matrix“, der Mensch und seine<br />

Trugbilder, die ihre moralische Dimension verloren<br />

haben und in eine rein ästhetische Existenz überwechseln.<br />

Einer von Gaetas Jüngern, Anfang dreißig und mit<br />

Vollbart, hat das Mikrofon okkupiert und seine Visionen<br />

begeistert ausgemalt. 30 Jahre noch, schwärmte<br />

er, dann seien digitale und Biotechnologie so weit,<br />

dass man reale <strong>Welt</strong>en und Körper endlich zum alten<br />

Eisen werfen könne. Darauf freue er sich schon.<br />

In diesem Moment wurde der sonst konziliante<br />

Gaeta resolut: „Da bin ich komplett anderer Meinung.“<br />

Er glaube nicht, dass wir uns jemals ausschließlich<br />

in virtuellen Räumen bewegen werden. Er gehe<br />

gern in die Natur. „Pokémon Go“ sei auch deshalb ein<br />

großartiges Experiment gewesen, weil es uns durch<br />

die reale <strong>Welt</strong> habe laufen lassen.<br />

Gaeta setzt auf etwas, das er MR (Mixed Reality)<br />

nennt, eine Mischung aus Wirklichkeit und digitalen<br />

Schimären. Gaeta öffnet auf unserer Betonbank seinen<br />

Aktenkoffer, eine dieser VR-Brillen liegt darin.<br />

„Wollen Sie wirklich einen Kasten auf ihrem Kopf tragen?<br />

Nein, das wollen Sie nicht. Diese Brillen sind<br />

zwar ein kleines Wunder an Miniaturisierung, enthalten<br />

aber immer noch unglaublich viel Technik. In drei<br />

bis fünf Jahren wird das auf die Größe einer normalen<br />

Brille geschrumpft sein. Die Datenverarbeitung wird<br />

in Sender delegiert sein, die <strong>am</strong> Wegesrand stehen wie<br />

heute Mobilfunkstationen.“<br />

Neben dem VR-Ungetüm liegt seine Lesebrille. „Mit<br />

so etwas werden wir reale und virtuelle Realität mischen.<br />

Ich könnte dann im Hospitalgarten einen Elefanten<br />

erscheinen lassen, als Hologr<strong>am</strong>m. Ich könnte<br />

mich als Avatar in diesen Raum begeben. Ich könnte<br />

den Elefanten erwachen lassen, vielleicht fühlt er sich<br />

hungrig, er erblickt die Baumstämmchen und fängt an,<br />

die Rosen aufzufressen. Das ist der Durchbruch, vor<br />

dem wir stehen. Ich nenne es das Rechnen-im-Raum-<br />

Paradigma. Die Matrix war der Anfang, da haben wir<br />

begonnen, uns in virtuellen Räumen frei zu bewegen.“<br />

Gaeta schätzt, dass wir in zehn Jahren so weit sein<br />

werden.<br />

„Gut, Mr. Gaeta, jetzt aber bitte noch eine Spinnerei,<br />

komplette Science-Fiction.“ Er überlegt nicht lange.<br />

„Ich möchte elektrochemisches Kino machen. Am<br />

Ende dieses Jahrhunderts werde ich 130 Jahre alt sein,<br />

aber ich denke, um das Jahr 2065 herum werde ich mir<br />

mein Gehirn in den Kopf eines Klons verpflanzen lassen,<br />

der Anfang zwanzig ist. Bis dorthin sollte der militärisch-industrielle-wissenschaftliche<br />

Komplex einen<br />

Weg gefunden haben, um Bilder direkt in die Gehirne<br />

zu importieren, und eine Milliarde Menschen<br />

wird an der Premiere des ersten elektrochemischen<br />

Films teilnehmen. Ist das genug gesponnen?“<br />

Kevin Morby<br />

Wie hält Kevin Morby es mit der Religion?<br />

Zumindest scheint er an die Wiedergeburt zu<br />

glauben – auf seinen bisherigen vier Studioplatten<br />

hat er sich stets neu erschaffen. „Singing<br />

Saw“ (2016) huldigte dem Folk gemäß der Dylan-Bibel,<br />

das vom großen Richard Swift, Gott<br />

habe ihn selig, produzierte „City Music“ (2017)<br />

blickte zu Lou Reed und den R<strong>am</strong>ones auf. „Oh<br />

My God“ montiert einen Heiligenschein über<br />

dem Prinzip Konzeptalbum und widmet sich<br />

der Religiosität aus verschiedenen Perspektiven<br />

(„Piss River“ thematisiert das Beten, „Congratulations“<br />

die Beichte). Die Klangästhetik<br />

orientiert sich an der Pop-Art-Kunst; die Reduktion<br />

auf bestimmte Farben und Formen<br />

bedeutet hier: viel Piano, pastoraler Chorgesang<br />

und ein omnipräsentes Saxofon, das viel<br />

sympathischer klingt als sein von den Achtzigern<br />

versauter Ruf. „OMG Rock ’n’ Roll“ ist<br />

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Charme hat, steht ja praktisch auf seiner<br />

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36 KULTUR<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

D<strong>am</strong>e Ethel Smyth<br />

Feministisch, furchtlos, voll feiner Melancholie<br />

Rosy Wertheim<br />

Komponieren, bis die Deutschen kommen<br />

Frauen sollen, hat sie mal gesagt,<br />

„sollen nicht dauernd an<br />

der Küste herumlungern aus<br />

Angst davor, in See zu stechen“. Sie<br />

war vom St<strong>am</strong>m der Pioniere, wie es<br />

Virginia Woolf mal sagte, mit der sie<br />

ein Verhältnis hatte. Angst hatte D<strong>am</strong>e<br />

Ethel Smyth, Frauenrechtlerin,<br />

Schriftstellerin, Komponistin, nie.<br />

Vor nichts. Sie – geboren 1858 in Britanniens<br />

höherer Bürgerschicht –<br />

stach immer in See. Und um sich stechen<br />

konnte sie auch. Smyth ist die<br />

GETTY IMAGES/HULTON ARCHIVE<br />

schillerndste Figur der Frauenmusikgeschichte.<br />

Um Komposition studieren<br />

zu können, ging das unbeherrschbare<br />

Mädchen in Hungerstreik.<br />

Die Eltern waren einigermaßen<br />

froh, sie, die mit ihrer sexuellen<br />

Orientierung nicht hinterm Berg<br />

hielt, los zu sein. Sie wurde Komponistin.<br />

Lernte alle kennen. Clara<br />

Schumann, Tschaikowsky. Ärgerte<br />

sich über Brahms. Der fand eine ihrer<br />

Fugen toll, bis er merkte, dass sie<br />

von einer Frau st<strong>am</strong>mte. Ihre Werke<br />

k<strong>am</strong>en, wo sonst keine Musik von<br />

Frauen hink<strong>am</strong>. In die Royal Albert<br />

Hall. In die Met (wo „Der Wald“ hundert<br />

Jahre lang die einzige Oper einer<br />

Frau war). Ins Gefängnis Holloway,<br />

wo sie den „Women’s March“<br />

komponierte, eine Feministen-Hymne.<br />

Gelandet war sie da, weil sie 1912<br />

mit den Suffragetten demonstriert<br />

hatte. Das Schillern überstrahlt ihr<br />

Werk ein wenig. Sollte es nicht. Sehr<br />

deutsch, sehr britisch. Selbstbewusst.<br />

Voll feiner Melancholie und<br />

eigenwilliger Herbheit. Ihre „postmoderne<br />

Spätromantik“ kann zwischen<br />

all den andern britischen<br />

Eklektizisten gut bestehen.<br />

Wer sich mit der Geschichte<br />

komponierender Frauen<br />

beschäftigt, läuft ziemlich<br />

schnell Gefahr, von einer handfesten<br />

Schwermut befallen zu werden. Weil<br />

man ziemlich schnell von der Frage<br />

eingeholt wird, was gewesen wäre,<br />

wenn ... Rosy Wertheim zum Beispiel.<br />

Als Tochter eines hochmögenden<br />

und gesellschaftlich engagierten<br />

jüdischen Amsterd<strong>am</strong>er Bankiers<br />

1888 geboren. Wollte was Soziales<br />

machen. Die F<strong>am</strong>ilie wollte sie<br />

schützen vor dem, was ihr dabei an<br />

Elend begegnen könnte, ließ sie lieber<br />

Musik studieren. Rosy wird eine<br />

der ersten diplomierten Komponistinnen<br />

der Niederlande. Unterrichtet,<br />

macht Musik mit Kindern aus<br />

dem gesellschaftlichen Abseits. Das<br />

ist ihr wichtiger als das Komponieren.<br />

Sie geht für sechs Monate nach<br />

Paris. Bleibt sechs Jahre. In ihrem<br />

Salon kommen die großen Neoklassizisten<br />

zus<strong>am</strong>men. Sie lernt. Sie<br />

komponiert. Berichtet für Zeitungen<br />

und Magazine in den Niederlanden.<br />

Nimmt in Wien Unterricht beim<br />

Mahler-Schüler Karl Weigl. Hat Erfolg<br />

in New York. Dann überfallen<br />

die Deutschen die Niederlande.<br />

Wertheim veranstaltet Geheimkonzerte<br />

mit Musik jüdischer Komponisten,<br />

muss sich verstecken, überlebt<br />

im Gegensatz zum Großteil ihrer<br />

F<strong>am</strong>ilie. Nach dem Krieg kommt<br />

der Krebs. Knapp hundert Werke<br />

hinterlässt Rosy Wertheim 1949.<br />

Sehr französisch ist das. Sehr leicht<br />

und musikantisch verspielt, dezent<br />

aufgeraut mit jüdischen Elementen.<br />

NEDERLANDS MUZIEK INSTITUUT<br />

Mehr musikalische<br />

Neugier, bitte!<br />

Johanna Senfter<br />

Regers Meisterschülerin – ein Tanz der Harmonien<br />

Emilie Mayer<br />

Pionierin der musikalischen Unabhängigkeit<br />

Wäre ich keine Frau, hätte<br />

ich’s leichter“ – dem Satz<br />

hätten beinahe alle Komponistinnen<br />

auf dieser Seite zugestimmt.<br />

Johanna Senfter hat ihn gesagt.<br />

Er ist eine glatte Untertreibung.<br />

In Johanna Senfter und ihrer<br />

Musik bündelt sich einiges, was Musik<br />

von Frauen den Weg ins Repertoire<br />

verbaut. 1879 geboren in eine<br />

gut situierte Großbürgerf<strong>am</strong>ilie im<br />

rheinhessischen Oppenheim, wurde<br />

ihr musikalisches Talent früh erkannt<br />

und gefördert. Eine Diphterieerkrankung<br />

schwächte ihre gesundheitliche<br />

Konstitution für den Rest<br />

ihres Lebens. Sie studierte in Frankfurt,<br />

dann nahm sich Max Reger ihrer<br />

an, sie wurde seine Meisterschülerin,<br />

gewann 1910 den Nikisch-Preis<br />

für die beste studentische Komposition<br />

des Jahres 1909. Scheu war Senfter,<br />

lebte zurückgezogen, schrieb für<br />

sich und Oppenheim. Und wurde in<br />

Oppenheim weltberühmt. Gründete<br />

Konzertreihen, den Bachverein. Gut<br />

150 Werke hat sie hinterlassen, als sie<br />

1961 starb, viel K<strong>am</strong>mermusik, neun<br />

Sinfonien. Musik, die alles hat, was<br />

man von Reger lernen kann, und alles,<br />

was seiner Musik abgeht. Senfter<br />

tanzt mit jenen Harmonien, die bei<br />

Reger gern bloß schnaufen, und lässt<br />

darüber in einem einzigen Violinsonatensatz<br />

mehr melodischen<br />

Charme schweben, als Reger es in<br />

zwei Dutzend von ihnen hinbekommen<br />

hätte. Sie hat Witz, Eleganz.<br />

Baut schöne Auffahrten für die vergessene<br />

Brücke zurück ins 19. Jahrhundert.<br />

Was – denn den Avantgarde-Scharfrichtern<br />

nach dem Zweiten<br />

<strong>Welt</strong>krieg war jeder spätromantische<br />

Schönklang suspekt – ihrer Entdeckung<br />

lange im Weg stand. Jetzt hat<br />

sie Fürsprecher. Jetzt wird sie entdeckt.<br />

<strong>Welt</strong>musik aus Oppenheim.<br />

PALADINO<br />

Um mal die Atmosphäre herbeizuzitieren,<br />

in der Komponistinnen<br />

gegen den Erstickungstod<br />

zu kämpfen hatten (und<br />

haben): „Was weibliche Kräfte“,<br />

schrieb die „Neue Berliner Musikzeitung“<br />

im Jahre 1850, „Kräfte zweiter<br />

Ordnung vermögen – das hat Emilie<br />

Mayer errungen und wiedergeben“.<br />

Emilie Mayer wird das geärgert haben.<br />

Beirren hat sie sich davon nicht<br />

lassen. Die 1812 geborene Apothekertochter<br />

aus dem mecklenburgischen<br />

Friedland hatte es nicht nur zur Bezeichnung<br />

„weiblicher Beethoven“<br />

gebracht, sondern mit Selbst- und<br />

ÖNB<br />

Sendungsbewusstsein, Netzwerkerei<br />

und intellektuellem Geschick zur<br />

wohl ersten selbstständigen Komponistin<br />

der Musikgeschichte. Mit fünf<br />

beginnt sie mit Klavierspielen und<br />

Komponieren. Als ihr Vater sich 1840<br />

das Leben nimmt, geht sie nach Stettin<br />

und wird Schülerin von Carl Loewe.<br />

Dann nach Berlin, wo sie einen<br />

Salon eröffnet und sich bis an die<br />

Spitzen des preußischen Hofes<br />

hochkomponiert. Dann in die europäische<br />

Musikwelt. Mit Niedlichkeiten<br />

hat sich Emilie Mayer („Mayer,<br />

E., Komponistin“ lässt sie ins Stettiner<br />

Adressbuch schreiben) nie aufgehalten.<br />

Ihre Musik strotzt vor Eigensinn<br />

und Selbstbewusstsein. Ihre<br />

großformatigen acht Sinfonien, neun<br />

Streich- und drei Klavierquartette,<br />

ihre Klaviersonate, ihr Klavierkonzert<br />

treten mit Aplomb auf, gehen<br />

die Beethoven- und Schubert-Straße<br />

auf einem interessanten Nebenweg<br />

weiter. Würde der notorisch unterneugierige<br />

Musikbetrieb wirklich ein<br />

Bild der musikalischen Romantik<br />

zeichnen wollen, könnte er jedes<br />

dritte Grieg-Klavierkonzert durch<br />

das von Emilie Mayer ersetzen.<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 KULTUR 37<br />

Mel Bonis<br />

So klingt der Soundtrack zu Prousts <strong>Welt</strong><br />

Clara Schumann<br />

Die Bekannteste, aber längst nicht die Einzige<br />

ASSOCIATION MEL BONIS<br />

Frauen mussten – wollten sie<br />

Komponistinnen werden –<br />

selbst in gesellschaftlichen<br />

Schichten eigensüchtige Riesen sein,<br />

in denen eine musikalische Grundausbildung<br />

für Mädchen zum guten<br />

Ton gehörte. Wo das nicht der Fall<br />

war, mussten sie Giganten sein. Mel<br />

Bonis war eine Gigantin. Im kleinbürgerlichen<br />

Elternhaus stand zwar<br />

ein Klavier. Benutzt hat es aber nur<br />

die 1858 geborene Mélanie Hélène.<br />

Sie spielt so lange für sich, bis es jemandem<br />

auffällt. Da ist sie zwölf. Sie<br />

ist 18, als César Franck sie fürs Konservatorium<br />

vorschlägt. Dort sitzt<br />

sie mit Claude Debussy in einer Klasse.<br />

Der Vater knirscht mit den Zähnen.<br />

Als Mélanie den angehenden<br />

brotlosen Komponisten Amédée<br />

Hettich zu lieben beginnt, ist<br />

Schluss. Mélanie muss heiraten – einen<br />

zwanzig Jahre älteren Witwer.<br />

Bringt ihm Kinder zur <strong>Welt</strong>. Komponiert<br />

erst weiter, als sie Hettich wiedertrifft.<br />

Sie wird als erste Frau Sekretär<br />

der Société des Compositeurs.<br />

Sitzt da neben C<strong>am</strong>ille Saint-Saëns.<br />

Der sagt, als er Bonis’ 1905 (wie alles<br />

unter dem geschlechtsneutralen<br />

Vorn<strong>am</strong>en Mel) erschienenes erstes<br />

Klavierquartett hört, dieses Riesengebirge<br />

der Postromantik: „Ich hätte<br />

nie geglaubt, dass eine Frau so etwas<br />

schreiben kann. Sie kennt alle Tricks<br />

des Komponistenhandwerks.“ Der<br />

Krieg bereitet der Proustschen <strong>Welt</strong>,<br />

deren Klangbilder sie ausmalte, ein<br />

Ende. Ihre Kräfte schwinden. Sie<br />

komponiert in der Matratzengruft<br />

weiter. Verbittert über die <strong>Welt</strong>, die<br />

sie nicht mehr versteht, die sie vergisst.<br />

Die Klavierquartette bleiben.<br />

Meisterwerke, wie sie Kollegen selten<br />

hinbekommen haben.<br />

Dem gewöhnlichen Klassik-<br />

Konzertgänger, nach N<strong>am</strong>en<br />

komponierender Frauen gefragt,<br />

fallen in der Regel zwei ein.<br />

Clara Schumann, deren 200. Geburtstag<br />

jetzt deutschlandweit gefeiert<br />

wird, und Fanny Hensel, geborene<br />

Mendelssohn. Das Alleinstellungsmerkmal<br />

der beiden im Musikgedächtnis<br />

und -betrieb ist die Spätfolge<br />

der – immer noch anhaltenden<br />

– Nachwirkung einer Entwicklung,<br />

die seit Beginn der Aufklärung und<br />

dem Aufstieg des Bürgertums den<br />

Spielraum für komponierende Frauen<br />

immer enger gemacht hatte.<br />

Eine Frau konnte kaum mit einer<br />

schlechteren Begabung geschlagen<br />

ROBERT-SCHUMANN-HAUS ZWICKAU<br />

sein als der zum Tonsetzen. „Die<br />

Musik wird für Felix vielleicht Beruf,<br />

während sie für Dich stets nur Zierde,<br />

niemals Grundbass Deines Seins<br />

und Tuns werden kann und soll.“<br />

Schreibt Abrah<strong>am</strong> Mendelssohn seiner<br />

14-jährigen Tochter Fanny, um<br />

ihr die Begrenztheit des musikalischen<br />

Raumes zu zeigen, der ihr als<br />

Frau zusteht. Felix wird ihr keine Befreiung<br />

sein, eher ihr Türhüter.<br />

Ein knappes Jahrhundert später<br />

bekommt Germaine Tailleferre, später<br />

einzige Frau in der „Groupe des<br />

Six“ (das mächtige Häuflein französischer<br />

Neoklassizisten), vom Vater<br />

zu hören, es sei ihm egal, ob seine<br />

Tochter aufs Konservatorium geht<br />

oder auf den Strich.<br />

Bis heute sind Frauen im notorisch<br />

entdeckungsfaulen Konzertbetrieb<br />

deutlich schlechter vertreten<br />

als im Museum. Gebraucht wird aber<br />

keine Quote, kein Frauenmusikgetto.<br />

Neugier würde schon reichen und<br />

Wagemut auf allen Seiten. An möglichen<br />

Entdeckungen mangelt es<br />

nicht. Die sieben Komponistinnen<br />

auf dieser Seite sind nur ein minimaler<br />

Ausschnitt.<br />

In diesem Jahr wird der 200. Geburtstag von Clara Schumann<br />

gefeiert. Mit Fanny Mendelssohn-Hensel ist sie die einzige Komponistin,<br />

die der entdeckungsfaule Musikbetrieb einigermaßen regelmäßig<br />

aufführt. Zu schade, denn trotz aller Widerstände gab es immer<br />

wieder Frauen, die fantastische Werke komponiert haben.<br />

Vielschichtig, feingliedrig, raffiniert und schön Von Elmar Krekeler<br />

Francesca Caccini<br />

Musikalische Allzweckwaffe <strong>am</strong> Hofe der Medici<br />

Cécile Ch<strong>am</strong>inade<br />

Raus aus der Plüschigkeitsfalle<br />

Sag mal einer, die bürgerliche<br />

Gesellschaft böte Frauen<br />

mehr Freiheiten als die feudale.<br />

Wir waren nämlich schon mal<br />

weiter. Vor 400 Jahren. Mit Francesca<br />

Caccini, 1587 geborene Tochter<br />

von Giulio, Mitglied einer singenden,<br />

fahrenden, komponierenden F<strong>am</strong>ilie,<br />

gewissermaßen der Kellys von<br />

Florenz, angestellt <strong>am</strong> Hof der Medici.<br />

La Cecchina, der Singvogel, genannt,<br />

was eine gewaltige Untertreibung<br />

ist. Francesca Caccini ist eine<br />

Art musikalische Allzweckwaffe der<br />

MUSEO NACIONAL THYSSEN-BORNEMISZA, MADRID<br />

florentinischen Großherzöge. Unterrichtet<br />

den halben Hofstaat in allen<br />

musikalischen Belangen. Spielt alle<br />

möglichen Instrumente, singt, komponiert.<br />

Dicke Folianten voll. Teils<br />

Unterhaltungsmusik für den Karneval.<br />

Teils revolutionäres Unterrichtsmaterial<br />

für Sologesang. Einmal<br />

sorgt sie für diplomatische Verwirrung,<br />

als Frankreichs Heinrich IV.<br />

sie abwerben will. Als 1607 „La stiava“<br />

uraufgeführt wird, ist Francesca<br />

Caccini die wahrscheinlich erste<br />

Opernkomponistin der Geschichte.<br />

„Il liberazione di Ruggiero dall’isola<br />

d’Alcina“ bewegt den polnischen<br />

Kronprinzen Wladislaw, zu dessen<br />

Ehren „Ruggiero“ entstand, dazu, in<br />

Polen auch eine Oper haben zu wollen.<br />

Das Vergessen hat das alles lange<br />

Zeit nicht aufgehalten (wie das ihrer<br />

nicht minder interessanten früheren<br />

venezianischen Kollegin Barbara<br />

Strozzi). Inzwischen hat mit der Renaissance<br />

des Frühbarock auch eine<br />

Caccini-Renaissance eingesetzt. Ihre<br />

Lieder werden wieder gesungen. Machen<br />

jeden Sommertag zum Fest und<br />

jeden Vorgarten zum höfischen Park,<br />

durch den Grazien tanzen.<br />

Das f<strong>am</strong>iliäre Leben mit dem<br />

künstlerischen zu verbinden,<br />

hat Cécile Ch<strong>am</strong>inade mal<br />

gesagt, sei schon schwierig. „Wenn<br />

eine Frau einen Mann heiratet, der<br />

die Künstlerin in ihr achtet, kann eine<br />

solche Ehe auch Glück bringen.“<br />

Ch<strong>am</strong>inade, 1857 geboren, hat einen<br />

zwanzig Jahre älteren Verleger geheiratet.<br />

Da war sie 44 und hatte die<br />

„Zweckehe“, die ihr angedichtet<br />

wurde, gar nicht nötig. Mit sechs begann<br />

sie zu komponieren. Georges<br />

Bizet nannte sie „mon petit Mozart“,<br />

ein bisschen später staunte Kollege<br />

Ambroise Thomas nicht schlecht,<br />

aber bezeichnend: „Das ist keine<br />

komponierende Frau, sondern ein<br />

Komponist, der eine Frau ist.“ Sie<br />

schrieb viel. Sie schrieb leicht. Sie<br />

lieferte so etwas wie den Sound zu<br />

den Romanen von Proust. Verspielt,<br />

vielschichtig, feingliedrig, raffiniert<br />

und schön. Die Briten verliebten sich<br />

in ihre Musik. 1913 wurde sie als erste<br />

Komponistin in die französische Ehrenlegion<br />

aufgenommen. Dann<br />

brach der Krieg aus. Ch<strong>am</strong>inade leitete<br />

ein Soldatenkrankenhaus. Danach<br />

war es mit der Leichtigkeit in<br />

der <strong>Welt</strong> vorbei. „Der kleine Mozart“<br />

wurde 87 Jahre alt. Die Gesundheit<br />

ließ nach, sie und ihre gut 400 Werke,<br />

in denen sich die Schwerelosigkeit<br />

und die Farbenpracht des 19.<br />

Jahrhunderts ins 20. retteten, wurden<br />

vergessen. Allmählich ändert<br />

sich das. Anne Sofie von Otter entdeckte<br />

Ch<strong>am</strong>inades Lieder. Pianisten<br />

retten sie aus der Plüschigkeitsfalle.<br />

Es gibt kaum etwas Vergnüglicheres,<br />

als einen Nachmittag mit<br />

Cécile Ch<strong>am</strong>inade zu verbringen.<br />

GETTY IMAGES/HULTON ARCHIVE<br />

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38 KULTUR<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Und go, Sherlock! Szene mit dem<br />

smarten Filmhelden Pikachu<br />

WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC./COURTESY OF WARNER BROS. PICTURES<br />

Papa Pokémon, wo bist du?<br />

So oder so ähnlich hat es diese<br />

Szene schon tausendmal gegeben:<br />

Der Held durchstöbert<br />

eine verlassene Wohnung,<br />

er hört ein verdächtiges<br />

Geräusch und bewegt sich quälend<br />

langs<strong>am</strong> darauf zu. Der Fortgang dieser<br />

Szene muss natürlich variieren. Mal begegnet<br />

der Held einem gedungenen<br />

Mörder, mal findet er einen Gefesselten<br />

im Schrank, und manchmal ist es sein<br />

künftiger Sidekick, der ahnungslos mit<br />

Requisiten klappert.<br />

VON WIELAND FREUND<br />

„Meisterdetektiv<br />

Pikachu“ ist die<br />

Verfilmung von<br />

einem der urigsten<br />

Digitalspiele. Und<br />

ja, es geht um eine<br />

Monsterjagd –<br />

aber eine sehr<br />

anrührende<br />

Diesmal allerdings ist der Sidekick<br />

anders als alle, die ihm in der langen Geschichte<br />

des Big-Budget-Kinos vorangegangen<br />

sind. Hier lugt hinter einer<br />

Kommode ein kniehohes, knallgelbes<br />

Wesen mit Apfelbäckchen, Knopfaugen<br />

und einem blitzschlagförmigen<br />

Schwanz hervor: der hyperaktive Pikachu,<br />

das wohl berühmteste Pokémon<br />

von allen. Erstmals werden die weltberühmten<br />

Taschenmonster nun im Motion-Capture-Verfahren<br />

präsentiert. Hinter<br />

dem süßen „Meisterdetektiv Pikachu“<br />

mit der Sherlock-Holmes-Mütze<br />

etwa verbirgt sich die Mimik von Schauspieler<br />

Ryan Reynolds, vor ein paar Jahren<br />

noch „Sexiest Man Alive“.<br />

Pokémon, kurz für Pocket monster,<br />

sind die Wiedergänger der Digitalisierung.<br />

Sie sind älter als Google und Facebook<br />

und haben den G<strong>am</strong>eboy, die Einführung<br />

der Spielkonsole und sogar die<br />

Erfindung des Smartphones überlebt.<br />

Seit ein japanischer Vorstadt-Nerd und<br />

Insektens<strong>am</strong>mler n<strong>am</strong>ens Satoshi Tajiri<br />

die süßen Taschenmonster Anfang der<br />

Neunziger erfunden hat, haben sie jeden<br />

digitalen Evolutionssprung mitgemacht:<br />

Aus den verpixelten Videospielfiguren,<br />

die der Hersteller Nintendo auf<br />

den G<strong>am</strong>eboy brachte, sind vor erst drei<br />

Jahren die Stars des ersten Augmented-<br />

Reality-Spiels geworden, das massenhaft<br />

wirkt.<br />

Für 147 Millionen aktive Pokémon-<br />

Go-Spieler ist ein Pikachu hinter der<br />

Kommode deshalb völlig normal. Auf<br />

dem Weg zur Schule, zur Arbeit oder<br />

beim Spaziergang im Park fangen sie Pikachus<br />

Artgenossen quasi minütlich –<br />

etwa ein sich windendes, wieselähnliches<br />

Wiesenior auf dem Spielplatz oder<br />

ein triefendes, schneckenähnliches<br />

Schneckmag auf dem Bürgersteig. Wenigstens<br />

bei den 812 Pokéarten, die der<br />

Pokédex – das große Pokémon-Register<br />

– verzeichnet, ist mit der Biodiversität<br />

noch alles okay.<br />

Ein großer Pokémon-Realfilm ist, so<br />

gesehen, ein Rückschritt. Pokémon<br />

kommen schließlich aus digitaler Urzeit.<br />

„Meisterdetektiv Pikachu“ muss<br />

sich mächtig ins Zeug legen, um nicht<br />

nur ein millionenteures Anhängsel zu<br />

sein oder gleich der Kotau des guten alten<br />

Kinos vor einem viel jüngeren, viralen<br />

Phänomen.<br />

Außerdem stellt sich die Frage nach<br />

der Storyline. Filme haben Anfang, Höhepunkt<br />

und Schluss, Pokémon-Abenteuer<br />

hingegen sind archaischer und<br />

avantgardistischer organisiert: Ihre eigentliche<br />

Erzählung ist der Pokédex,<br />

der verzeichnet, welche Pokémon der<br />

Spieler schon gefangen hat.<br />

VERLUST DES GEDÄCHTNISSES Der<br />

„Meisterdetektiv“ ist also eine Hilfskonstruktion:<br />

Der junge Tim (Justice<br />

Elio Smith), die menschliche Hauptfigur<br />

des Films, ist der Sohn eines Privatdetektivs,<br />

der während einer Ermittlung<br />

angeblich verunglückt ist. Mit im<br />

Auto saß dessen Pokémon-Partner Pikachu,<br />

der allerdings – d<strong>am</strong>it das Rätsel<br />

ein Rätsel bleibt – beim Crash sein Gedächtnis<br />

verloren hat.<br />

Doch auch der Krimi gerät bald in<br />

Vergessenheit. Es gibt eine herrliche<br />

Szene, in der Regisseur Rob Letterman<br />

mit dem Pantomimen-Pokémon Pantimos<br />

sämtliche Tiefgarageninformantentreffen<br />

der Filmgeschichte parodiert,<br />

bevor „Meisterdetektiv Pikachu“<br />

zu einem Superheldenfilm mit Taschenmonstern<br />

mutiert: Batman der<br />

Kuscheltiere, Pokémon of the Galaxy.<br />

Irgendwo in den Tiefen der Pokémon-<br />

Überlieferung schlummert nämlich das<br />

alte Frankenstein-Motiv des künstlichen<br />

Super-Pokémon Mewtu, das sehr<br />

an die Superschurken der Superhelden-<br />

Comics erinnert. Plötzlich wird also viel<br />

durch die Luft gesaust, der klassische<br />

verrückte Millionär kommt ins Spiel<br />

und auch die Pokémon-Stadt Ryme City<br />

sieht jetzt nach Batmans Goth<strong>am</strong> aus.<br />

Aber selbst das ist bloß Doping fürs<br />

Kino – ein cineastischer Zaubertrank,<br />

mit dem der Film gurgelt, um im Vergleich<br />

mit der seit dreißig Jahren wachsenden<br />

Spielwelt nicht unterzugehen.<br />

Denn all die Geschichten des Pokédex –<br />

die geheimnisvollen Verwandlungen<br />

des Fuchs-Pokémon Evoli, das Wirken<br />

des seltenen Sinnoh-Steins, die kuriosen<br />

Abarten aus der Region Alola – kann<br />

der Film bestenfalls streifen, indem er<br />

einmal einen Pokéball, einmal die Shiny-<br />

Variante eines Pokémon und einmal einen<br />

Arenak<strong>am</strong>pf zeigt. Pokémonkenner<br />

wissen danach, was sie verpassen.<br />

Nichtkenner wissen danach nichts.<br />

Was vom Film bleibt, ist Überwältigung.<br />

Er punktet mit schierer Rechenkapazität.<br />

Sein Pikachu hat ein Fell, das<br />

vom Wind bewegt, vom Fluss durchnässt<br />

und vom Straßenstaub verdreckt<br />

werden kann; sein Tauros, ein Stier-<br />

Pokémon, galoppiert über schier endlose<br />

Weidegründe; und sein Enton, ein komischer<br />

Vogel, kann toll die Augen verdrehen<br />

und nicht bloß, wie bei Pokémon<br />

Go auf dem Handy, die Stummelflügel<br />

über dem Kopf zus<strong>am</strong>menschlagen.<br />

Wenn sich dann noch ein ganzer Landstrich<br />

als gewaltiges Chelterrar entpuppt<br />

– als Schildkröten-Pokémon, das<br />

eine Landschaft auf dem Rücken trägt –,<br />

hat der Film sein Pulver allerdings verschossen<br />

und muss zu seinen müden<br />

Plotpoints zurück: Er hat ja noch einen<br />

Vater zu finden, den Schurken zu besiegen<br />

und eine Liebesgeschichte zu erzählen.<br />

Das aber ist fast schon vergessen,<br />

wenn man nach der Vorstellung ins<br />

helle Licht der Wirklichkeit tritt, die<br />

Pokémon-App startet und gleich vor<br />

dem Kino ein echtes Digda fängt.<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 KULTUR 39<br />

Nachtgedanken<br />

Buch Kreisdenken, Fragengeprassel,<br />

Autobahn im Kopf:<br />

Jeder weiß, wie es ist, wenn<br />

man nachts wach liegt. Deswegen<br />

war Michèle Lemieux’<br />

Buch „Gewitternacht oder Wo<br />

endet die Unendlichkeit?“<br />

schon bei seinem Erscheinen<br />

1997 kein Kinderbuch. Auch<br />

wenn es mit seinen vielen<br />

Bildern und wenigen Sätzen so<br />

aussieht. Doch große Fragen<br />

brauchen keine großen Worte,<br />

um die Jahrzehnte zu überdauern.<br />

Die neue Ausgabe<br />

(Beltz & Gelberg, 240 Seiten,<br />

24,95 Euro)<br />

ist zudem ein<br />

Buchkunstwerk,<br />

das<br />

man immerzu<br />

anfassen<br />

und bestaunen<br />

will. In<br />

jedem Alter.<br />

Hören<br />

und<br />

Sehen<br />

Besuche im Gefängnis und in der<br />

Unendlichkeit: Was diese Woche in der<br />

Kultur passiert<br />

AUSGEWÄHLT VON BARBARA WEITZEL<br />

Tschechow heute<br />

Theater Während die Auswüchse<br />

des Kapitalismus Visionen<br />

von Enteignung und Volkseigentum<br />

in die politische<br />

Debatte zurückgebracht haben,<br />

hat in Anton Tschechows<br />

(1860–1904) Komödie „Der<br />

Kirschgarten“ keiner eine Idee,<br />

wie man Ranjewskajas Gutsidyll<br />

vor der Zwangsversteigerung<br />

bewahren könnte. Lieber<br />

träumt man sich in vergangene<br />

Zeiten. Am Ende lacht – sehr<br />

gegenwärtig – das Kapital.<br />

Auch <strong>am</strong> Theater Essen.<br />

Nach dem Boom!<br />

Die <strong>Welt</strong> im Bild<br />

Fotobuch Die Bilderflut lässt<br />

uns abstumpfen? Mag sein –<br />

bis man diesen Band in den<br />

Händen hält, jedes Jahr Anfang<br />

Mai. Vor 25 Jahren wurde die<br />

deutsche Sektion der Reporter<br />

ohne Grenzen gegründet, genauso<br />

lange erscheint zum Tag<br />

der Pressefreiheit das Jahrbuch<br />

der NGO („Fotos für die Pressefreiheit“,<br />

107 Seiten, 14 Euro)<br />

und führt in Bild- und Textstrecken<br />

einmal um die <strong>Welt</strong>.<br />

Von vielen Bildern kann man<br />

sich kaum lösen. Andere fast<br />

nicht ertragen. Alle berühren,<br />

bewegen, rütteln.<br />

Ach, Dorothy!<br />

Musik Bräuchte es noch einen<br />

Beweis, dass Menschen in ihren<br />

Worten fortleben, hier<br />

wäre er. Doch Nora Gomringer<br />

und Philipp Scholz schaffen<br />

mehr, als Dorothy Parker<br />

(1893–1967) auferstehen zu<br />

lassen. In der Vertonung der<br />

bissigen und schmelzzarten<br />

Gedichte verwandelt sich D<strong>am</strong>als<br />

auf liebevolle Weise ins<br />

Heute. Gomringer singt im<br />

Original und die f<strong>am</strong>osen<br />

Übersetzungen von Ulrich<br />

Blumenbach und verneigt sich<br />

so auch vor<br />

seiner Kunst.<br />

Hier: „Peng<br />

Peng Parker“,<br />

Voland<br />

& Quist, 18<br />

Euro.<br />

ANDREW QUILTY / AGENCE VU<br />

LITTLE DREAM PICTURES<br />

Kunst Rainer Steve Kaufmann ist ein Tausendsassa. Großformatige,<br />

farbsatte Szenen, die Menschen so lebendig, als wären sie echt. Filigrane<br />

Malerei auf Rindenstücken. Malerei? Zauberei! Und so zarte Tusche-<br />

Augenblicke. All das kann der Landauer Künstler und schafft unermüdlich<br />

Neues. Vieles ist jetzt unter dem Titel „Rainer Steve Kaufmann –<br />

Zeichnung, Malerei, Grafik, Objekte“ in der Galerie M in Landau zu<br />

sehen. Bis 8. Juni.<br />

,,<br />

35<br />

STÜCKE<br />

Über die Liebe Das Staatstheater Braunschweig<br />

nimmt es mit Paris auf und erklärt die<br />

niedersächsische Stadt zur „City of Love“.<br />

Unter diesem Motto hat Generalintendantin<br />

Dagmar Schlingmann den Spielplan für die<br />

kommende Saison zus<strong>am</strong>mengestellt. 35 Premieren<br />

und Klassiker kündigte sie an, in denen<br />

die Liebe im Mittelpunkt steht.<br />

Wenn man<br />

einfach ein Loch<br />

in den Himmel<br />

bohrt, kann man<br />

dann die<br />

Unendlichkeit<br />

sehen?<br />

Michèle Lemieux,<br />

Gewitternacht<br />

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Film Die Mauern zwischen<br />

Mary<strong>am</strong> (Susana Abdulmajid)<br />

und Jibril (Malik Adan) können<br />

dicker kaum sein: Er sitzt im<br />

Gefängnis, sie führt seit ihrer<br />

Scheidung ein freies Leben mit<br />

ihren drei Töchtern. In dem<br />

jedoch etwas fehlt. Was<br />

„Boom!“ macht, als sie Jibril<br />

für eine Freundin ein Paket in<br />

die Haft bringt. Doch wird aus<br />

der Begegnung eine Liebe fürs<br />

Leben? Die Antwort kommt ab<br />

Donnerstag unter dem Titel<br />

„Jibril“ ins Kino. Großartiges<br />

Debüt von Henrika Kull.<br />

Zu Rechten erzogen<br />

Doku Ein kleines Mädchen<br />

ruft mit ausgestrecktem Arm<br />

und zitternder, aber stolzer<br />

Stimme „Für Führer, Volk und<br />

Vaterland“. Das ist schwer<br />

anzusehen. Aber Verstehen tut<br />

eben manchmal weh. Moh<strong>am</strong>mad<br />

Farokhmanesh’ und Frank<br />

Geigers „Kleine Germanen“,<br />

eine herausragende Mischung<br />

aus Dokumentar- und Animationsfilm,<br />

zeigt, wie aus Kindern<br />

Radikale werden – und wurden.<br />

Einige von ihnen brüllen heute<br />

von Bühnen und Plakaten. Ab<br />

Donnerstag im Kino.<br />

T Mehr Kultur-News auf:<br />

www.welt.de/kultur


Kyle & Katina<br />

Schlichter Geschmack:<br />

Einfach nur das Beste S. 42<br />

Vergrämung<br />

So lässt man Sie im<br />

Zugabteil in Ruhe S. 46<br />

SINGLE THREAD; MICHAEL GODEK/GETTY IMAGES<br />

KAISERSCHOTEN MIT SESAM<br />

250 g Kaiserschoten<br />

2 EL Reisessig oder milder Weißweinessig<br />

4 EL Ses<strong>am</strong>öl (nicht geröstet)<br />

1 EL ungeschälter Ses<strong>am</strong><br />

1 TL Schwarzkümmel<br />

Salz<br />

Kaiserschoten putzen, also den Stielansatz abschneiden<br />

und gegebenenfalls die Fäden an der Außenseite<br />

ziehen. Die Schoten in gut gesalzenem Wasser kurz,<br />

also 30 bis 40 Sekunden, blanchieren. Abgießen und<br />

sofort mit reichlich kaltem Wasser abschrecken und<br />

gut abtropfen lassen. Nun der Länge nach in feine<br />

Streifen schneiden und mit den übrigen Zutaten mischen.<br />

Mit Salz abschmecken und sofort servieren<br />

(der Essig lässt die Kaiserschoten schnell grau werden).<br />

Dieser schlichte Salat eignet sich als leichte<br />

Beilage sowohl zum Huhn mit Yuzu als auch zum<br />

Fisch mit Wasabi-Erbsen-Kruste.<br />

FISCHFILET MIT WASABI-ERBSEN-KRUSTE<br />

500 g Palerbsen<br />

3 Frühlingszwiebeln<br />

1 El Butter<br />

Salz, Pfeffer<br />

4 Fischfilets à 150 g<br />

6 EL Wasabi-Erbsen (die findet man bei den<br />

Knabbereien im gut sortierten Supermarkt)<br />

Öl zum Braten<br />

Salz, Pfeffer, Zitrone<br />

Den hellen Teil der Frühlingszwiebeln in feine Ringe<br />

schneiden, Butter in einem Topf aufschäumen lassen,<br />

die Zwiebelringe farblos anschwitzen, die Erbsen und<br />

zwei Esslöffel Wasser dazugeben und fünf MiMnschließend<br />

mit dem Stabmixer fein pürieren und mit Salz und<br />

Pfeffer abschmecken. Wasabi-Erbsen im Mörser zerstoßen,<br />

Fischfilets mit der Hautseite in die Wasabi-Erbsen<br />

drücken. Öl in einer beschichteten Pfanne erhitzen<br />

und die Fischfilets mit der „panierten“ Seite vorsichtig in<br />

die Pfanne legen und bei milder Hitze braten. Die Pfanne<br />

darf nicht zu heiß sein, da die Erbsen sonst verbrennen.<br />

Der Gargrad des Fischs lässt sich leicht an den Flanken<br />

der Filets erkennen, die zunehmend weiß werden. Dann<br />

die „unpanierte“ Seite mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft<br />

würzen, vorsichtig wenden, die Pfanne vom Feuer nehmen.<br />

Während der Fisch zu Ende gart, das Erbsenpüree<br />

auf vorgewärmten Tellern anrichten. Den Fisch mit der<br />

Kruste nach oben auf das Püree setzen.<br />

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STIL & REISEN<br />

GENUSS<br />

Erbsen,<br />

Prinzessin?<br />

Alle essen sie jetzt Spargel. Das ist gut:<br />

So bleibt mehr vom feinsten Frühlingsgemüse<br />

für uns – von Volker Hobl und Robin Kranz (Foto)<br />

HUHN MIT ERBSEN UND YUZU<br />

4 Hühnerkeulen<br />

4 EL Yuzusaft (oder Limettensaft)<br />

1/2 TL Kurkuma<br />

Salz, Pfeffer<br />

4 EL Öl zum Braten<br />

2 Frühlingszwiebeln<br />

400 g Palerbsen<br />

4–6 Korianderstiele<br />

Den Ofen auf 200 °C Ober- und Unterhitze vorheizen. Oberschenkelknochen<br />

aus den Hühnerkeulen schneiden und einmal<br />

ringsum alle Sehnen <strong>am</strong> Fußgelenk durchtrennen. Das<br />

Ende, in dem noch der Knochen steckt, an der dicksten Stelle<br />

zweimal einschneiden, d<strong>am</strong>it es schneller garen kann. Die<br />

Hühnerkeulen mit Salz, Pfeffer, Kurkuma und Yuzusaft mindestens<br />

zwei Stunden marinieren. Einen Bräter im Ofen<br />

vorheizen und das Öl hineingeben. Die Keulen auf der Hautseite<br />

in den Bräter legen. Sobald die Haut gut gebräunt ist<br />

(10–12 Minuten) drehen. Weitere 10 Minuten braten, die in<br />

grobe Ringe geschnittenen Frühlingszwiebeln dazugeben,<br />

kurz anbraten, dann die verbliebene Marinade und die Erbsen<br />

für weitere 10 Minuten mit garen. Vor dem Servieren gut<br />

vermengen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mit den Erbsen<br />

und grob gezupftem Koriander servieren.<br />

ERBSENSUPPE MIT MINZE<br />

400 g Palerbsen<br />

4 Frühlingszwiebeln<br />

3 EL Olivenöl<br />

800 ml Gemüsefond<br />

1 EL Sauerrahm<br />

Salz, Pfeffer<br />

abgeriebene Schale einer<br />

unbehandelten Zitrone<br />

4 Zweige Minze<br />

Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden und farblos<br />

im Olivenöl anschwitzen, den Gemüsefond<br />

dazugeben und einmal aufkochen. Sobald der<br />

Fond kocht, die Erbsen dazugeben und circa drei<br />

Minuten garen. Vom Feuer nehmen den Sauerrahm<br />

zugeben. Alles mit dem Pürierstab mixen,<br />

mit Salz, Pfeffer und etwas Zitronenabrieb abschmecken<br />

und sofort mit fein geschnittener<br />

Minze servieren.<br />

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42 STIL<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Immer frisch geerntet Katina und Kyle Connaughton<br />

teilen das Jahr in 72 Mikrosaisons ein<br />

ROMAN CHO<br />

Zu schade zum Essen Jede einzelne Vorspeise perfekt arrangiert, geschmückt mit Blüten von Hornveilchen<br />

SINGLE THREAD<br />

Einfach und schön Nichts soll im „Single Thread“<br />

ablenken von den Speisen – und vom Wohl der Gäste<br />

SINGLE THREAD, GARRETT ROWLAND<br />

Hier also bist du ...<br />

Spanische Makrele mit Rettich und Rhabarber,<br />

mit Wasabi marinierte Austern aus<br />

Half Moon Bay, Schnapper aus Japan mit<br />

eingelegten Salzpflaumen, kalifornischer<br />

Taschenkrebs mit Seegrasgelee und Karotten<br />

mit Grünem-Knoblauch-Tofu. Der japanische Begriff<br />

für diese Einstimmung auf ein stundenlanges Menü<br />

lautet sakizuke und bedeutet: Hier also bist du.<br />

VON EVA BIRINGER<br />

Der Tisch, auf den diese Kostbarkeiten aufgetragen<br />

werden, ist gefertigt aus dem Holz der wenige Kilometer<br />

entfernten Farm. Das Ker<strong>am</strong>ikgeschirr st<strong>am</strong>mt von<br />

einem F<strong>am</strong>ilienbetrieb in achter Generation. Nur einer<br />

hat im „Single Thread“ in Sonoma Valley Hausverbot:<br />

der Zufall.<br />

Noch vor wenigen Jahren war Kyle Connaughton<br />

nicht einmal Eingeweihten bekannt, obwohl er an der<br />

Seite der ganz Großen seines Fachs gekocht hat. Ende<br />

2016 eröffnete er gemeins<strong>am</strong> mit seiner Frau Katina<br />

sein erstes eigenes Restaurant in der nordkalifornischen<br />

Kleinstadt Healdsburg und wurde kurz darauf<br />

Das bedeutet das<br />

japanische Wort Sakizuke.<br />

Es bezeichnet die kleinen,<br />

feinen Vorspeisen, die als<br />

Einstimmung auf ein Menü<br />

serviert werden. Kyle<br />

Connaughton macht<br />

daraus Kunstwerke<br />

mit zwei Michelinsternen ausgezeichnet. Inzwischen<br />

sind es drei, und das „Single Thread“ zählt zu den wenigen<br />

Restaurants, die auf der ganzen <strong>Welt</strong> Beachtung<br />

finden, denn es steht nicht nur für höchste Produktqualität<br />

und äußerste Präzision bei der Zubereitung,<br />

sondern auch für eine Hinwendung zum Gast, wie<br />

man sie sonst nur im Fernen Osten kennt. Die Geschichte<br />

des „Single Thread“ handelt von sorgfältiger<br />

Vorbereitung, von der Demut gegenüber der Natur<br />

und vom Willen, ihre vergängliche Schönheit perfekt<br />

zum Ausdruck zu bringen.<br />

Es ist auch eine Liebesgeschichte. Kyle und Katina<br />

Connaughton lernen sich mit fünfzehn bei einem<br />

Punkkonzert kennen. Beide st<strong>am</strong>men aus Vororten<br />

von Los Angeles. Schon während der Highschool-Zeit<br />

bekommt Kyle Lust zu kochen, heuert im zweitältesten<br />

Sushi-Restaurant der Stadt an, besucht die<br />

Southern California School of Culinary Arts und die<br />

California Sushi Academy, macht Station im „Spago“<br />

in Beverly Hills und im „AOC“ in Kopenhagen. Er folgt<br />

dem Blumenkoch Michel Bras in dessen Drei-Sterne-<br />

Restaurant nach Hokkaido und forscht fünf Jahre lang<br />

in der Experimentalküche von Heston Blumenthals<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 STIL 43<br />

„Fat Duck“ – immer in Begleitung von Katina, nachdem<br />

diese in Japan nachhaltige Landwirtschaft und<br />

Gartenbau studiert hat.<br />

Das Paar heiratet früh, bekommt zwei Töchter, reist<br />

um die <strong>Welt</strong>. Die beiden träumen von einem eigenen<br />

Restaurant, das sie schließlich mithilfe von mehr als<br />

vierzig Investoren eröffnen. Der dritte Stern sei ein<br />

großer Erfolg gewesen, aber stehe nicht im Mittelpunkt<br />

seines Interesses, erzählt Kyle Connaughton einige<br />

Tage nach dem Restaurantbesuch <strong>am</strong> Telefon,<br />

während im Hintergrund die Teller klirren.<br />

Morgens um neun Uhr steht er in der Küche, um<br />

den Lunch für die Mitarbeiter eines deutschen Startups<br />

vorzubereiten, deren Spezialgebiet „Flow“ ist, also<br />

jener produktive Zustand, der alles andere vergessen<br />

lässt. Die Jungunternehmer sollen die Restaurantbelegschaft<br />

diesbezüglich schulen. Aus Sicht des Gastes<br />

besteht da kein Nachholbedarf, im „Single Thread“<br />

scheint alles harmonisch zu fließen, von der beinahe<br />

meditativen Arbeit in der offenen Küche bis hin zur<br />

präzisen Choreografie, mit der das elfgängige Menü<br />

dargeboten wird – auf Wunsch vegan oder glutenfrei,<br />

schließlich sind wir in Kalifornien. Und irgendwie<br />

auch in Japan.<br />

,,<br />

Es gilt die Regel, dem<br />

Gast niemals den<br />

Rücken zuzudrehen<br />

KYLE CONNAUGHTON, Chef und Koch und<br />

Eigentümer des „Single Thread“<br />

SCHLICHTE SCHÖNHEIT Das fängt beim Logo an,<br />

das die Zwiebelsorte Kujo Negi zeigt, die Katina ganzjährig<br />

anbaut. Und das geht weiter auf den Tellern, in<br />

Form von schwarzem Kabeljau mit T<strong>am</strong>a Miso und Yuba,<br />

japanischem Gelbschwanz mit Kirschblüten und<br />

hausgemachtem Tofu mit Pilzen von der nordkalifornischen<br />

Küste. Das Menü orientiert sich an kaiseki, jener<br />

bescheidenen, im Einklang mit den Jahreszeiten<br />

stehenden Abfolge von Gerichten, die schon im 15.<br />

Jahrhundert zur Teezeremonie gereicht wurde. Im<br />

Vordergrund steht nicht die Kreativleistung des<br />

Kochs, sondern die schlichte Schönheit der Zutaten.<br />

Gohan nennt man die abschließend servierte Schale<br />

Reis, begleitet von eingelegtem Gemüse. Im „Single<br />

Thread“ heißt der Gang „Sonoma Grains“ und kommt<br />

mit geschmorter Klettenwurzel, Reischips und Gemüsejus.<br />

Und so raffiniert einfach ist auch die Einrichtung<br />

des Gastraums mit seinen warmen Holztönen,<br />

Leinenlaternen und handgewebten Paravents. Omotenashi<br />

heißt die japanische Form einer Gastfreundschaft,<br />

die grenzenlos ist und Wünsche erfüllt, noch<br />

bevor sie geäußert werden.<br />

„Es gilt die Regel, dem Gast niemals den Rücken zuzudrehen“,<br />

erklärt Kyle Connaughton <strong>am</strong> Telefon, der<br />

– kaum hörbar – ab und zu etwas abschmeckt. „Wer<br />

uns besucht, soll nicht das ,Single Thread‘ erfahren,<br />

sondern sich selbst.“ Seine Faszination für das Land,<br />

in dem diese ästhetische Konzentrationsfähigkeit ihren<br />

Ursprung hat, liegt in der F<strong>am</strong>ilie. „Als Hersteller<br />

von olympischen Sportgeräten hatte mein Vater viel in<br />

Japan zu tun. In meiner Kindheit nahmen wir japanische<br />

Austauschschüler auf. Als ich zum ersten Mal<br />

Sushi aß, war ich neun.“ Er schwärmt von den donabe<br />

genannten Tontöpfen und den bescheidenen Mönchen,<br />

auf die kaiseki zurückgeht.<br />

Dennoch, versichert der 43-Jährige, sei das „Single<br />

Thread“ kein japanisches Restaurant. „Man könnte es<br />

eine kalifornische Hommage an die Kaiseki-Küche nennen.“<br />

Geprägt ist sein Restaurant auch von der Farmto-Table-Bewegung,<br />

die hier in Nordkalifornien, genau<br />

genommen dem „Chez Panisse“ in San Francisco, ihren<br />

Ursprung hat. Rund 70 Prozent der verwendeten<br />

Produkte st<strong>am</strong>men von der elf Kilometer entfernten<br />

Single Thread Farm, darunter Obst, Gemüse, Kräuter,<br />

Blumen, Honig, Eier und Olivenöl, der Rest kommt<br />

von Landwirten aus der Region.<br />

Katina leitet die Farm, baut auf fünf Hektar auch<br />

ortsuntypische Gemüse und Kräuter an, etwa japanisches<br />

Senfgrün, und wirtschaftet hypersaisonal. Vier<br />

Jahreszeiten sind zu wenig für das Tempo der Natur,<br />

ihr Jahr ist eingeteilt in 72 Mikrosaisons. „Manche<br />

Gemüsesorten gibt es nur zwei Wochen lang“, sagt<br />

ihr Mann. Shun bezeichnet im Japanischen den Moment<br />

der perfekten Reife. Wenn die Natur so radikal<br />

den Takt vorgibt, erübrigt sich die Frage nach einem<br />

signature dish, schließlich wechselt das Menü im „Single<br />

Thread“ täglich, der Aperitif sogar mehrmals <strong>am</strong><br />

Tag, je nach Außentemperatur. Zum Abschied bekommt<br />

der Gast nebst Menükarte auch ein S<strong>am</strong>entütchen<br />

mit, an diesem Frühlingstag gefüllt mit Wasabi-<br />

Rucola.<br />

Hier von Liebe zu sprechen, Liebe zu einer Region<br />

und deren Erzeugnissen, klingt nur so lange kitschig,<br />

bis man den gedämpften Hojichakuchen mit Walnuss-<br />

Miso-Eiscreme probiert hat. Liebe, mindestens jedoch<br />

Respekt bringen die Connaughtons auch jenen entgegen,<br />

mit denen sie arbeiten, den Tischlern und den<br />

Töpfern und den Herstellern von Titaniumbechern.<br />

„Wir übernehmen diese Dinge von Menschen, die sie<br />

mit Hingabe geschaffen haben“, sagt Connaughton.<br />

„Ich weiß von jedem Löffel, wer ihn gemacht hat.“ Die<br />

zum Hauptgang ausgeteilten Messer der Marke Bloodroot<br />

Blades, gefertigt mit Holz von der Single Thread<br />

Farm und Klingen aus dem Metall eines 1968er Volkswagens,<br />

wurden kürzlich für den World Restaurant<br />

Award nominiert.<br />

Auch mit den Hügeln des Sonoma County verbindet<br />

die beiden eine große Liebe. „Nach unserer Hochzeit<br />

waren wir bei Alice Waters im ‚Chez Panisse‘ essen“,<br />

erinnert sich der Küchenchef. „Auf dem Weg dorthin<br />

haben wir in einem Deli in Healdsburg haltgemacht.<br />

Da wussten wir: Hier wollen wir uns eines Tages niederlassen.“<br />

Ganz ähnlich geht es dem Gast, der in einer der fünf<br />

Suiten im Obergeschoss übernachtet. Das auf dem<br />

Zimmer servierte Frühstück ist eine Art sensorisches<br />

Déjà-vu der vollendeten Gastlichkeit und der kulinarischen<br />

Perfektion des vorherigen Abends: Es gibt misoglasierter<br />

Königslachs, japanisches Omelette, in Tencha-Tee<br />

gekochter Reis und Seidentofu mit fassgereiftem<br />

Ponzu.<br />

Exklusives Anbaugebiet Holsthum bei Bitburg im Naturpark<br />

Andreas Dick,<br />

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44 STIL<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Wozu braucht es so viele Handtaschen? Die Frage stellte sich Juergen Teller<br />

STEIDL, JUERGEN TELLER (6)<br />

Die <strong>Welt</strong> <strong>am</strong> Henkel<br />

Der Fotograf Juergen Teller hat Hunderte von Handtaschen fotografiert.<br />

Nun hat er aus diesen Bildern ein Buch gemacht, das den Luxus in neuem Licht zeigt<br />

Es geht ums Konzept Und nicht um N<strong>am</strong>en von Models und oder Modefirmen<br />

Wilde Vielfalt Die Bilder hängen auch in der Villa Pignatelli in Neapel (bis 19.5.)<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 STIL 45<br />

Man muss ihn nicht mehr vorstellen.<br />

Juergen Teller, der in den Achtzigern<br />

aus Mittelfranken aufbrach, die Modewelt<br />

zu erobern, und dessen Fotobücher<br />

seit Ende der Neunziger beim Papiermagier<br />

Gerhard Steidl in Göttingen verlegt werden,<br />

hat ein neues Buch gemacht. Anlass ist eine Ausstellung<br />

in Neapel, im Museo Villa Pignatelli, die noch<br />

bis zum 19. Mai zu sehen ist. Ihre Stars, so Teller im<br />

Vorwort, sind Handtaschen. Die Idee sei ihm bei einem<br />

Besuch in Neapel gekommen: „All diese Fabriken, sie<br />

müssen so viele Handtaschen herstellen in diesem<br />

Land. Und dann Florenz, Venedig und Rom, wo gefälschte<br />

Handtaschen auf der Straße verkauft werden.<br />

Warum braucht die <strong>Welt</strong> so viele Handtaschen?“<br />

VON BORIS POFALLA<br />

Ja, wozu? Tellers Ruhm als Fotograf beruht auf seinem<br />

unmittelbaren Zugang zu medial völlig zugestellten<br />

und mit Bedeutung überfrachteten Dingen wie Supermodels,<br />

Stars und teurer Mode. Etwas Ähnliches<br />

macht er mit den Statussymbolen aus Leder. „Juergen<br />

Teller Handbags“ ist keine Exkursion ins Persönlich-<br />

Private, es ist die Untersuchung eines globalen Phänomens.<br />

„Ich habe vor dreißig Jahren angefangen zu fotografieren“,<br />

schreibt Teller im Vorwort, „und langs<strong>am</strong>,<br />

über die Jahre, fing die Handtasche an, sich in meine<br />

Bilder zu schleichen. Heute scheint sich in jeder Modeanzeige<br />

ein Model an eine Handtasche zu kl<strong>am</strong>mern.“<br />

IRGENDWIE IMMER DABEI Die Taschen sind los. Tellers<br />

über sechshundert Bilder st<strong>am</strong>men aus drei Jahrzehnten<br />

und haben wenig gemeins<strong>am</strong>, außer dem Blick<br />

des Fotografen und dem Umstand, dass immer irgendwo<br />

eine Handtasche auftaucht (gelegentlich auch in<br />

den Händen eines Mannes). Das Personal ist so vielfältig<br />

wie die Schauplätze, ein Kaleidoskop aus Models,<br />

Schauspielern, Tänzern und Kindern, die sich mal drinnen<br />

und mal draußen aufhalten, in Städten und auf dem<br />

Land, in Supermärkten und in Museen.<br />

Wer die Models sind, wo und wann die<br />

Bilder entstanden, was sie da tragen oder<br />

in den Händen halten, all diese Informationen<br />

fehlen in „Juergen Teller Handbags“.<br />

Man soll das Fotobuch als Fotobuch<br />

begreifen, als Konzept. Stars wie Vivienne<br />

Westwood, Sofia Coppola, Kate<br />

Moss, Tilda Swinton, Cindy Sherman,<br />

John Malkovich, Winona Ryder oder Helena<br />

Bonh<strong>am</strong> Carter werden nicht vorgestellt,<br />

wozu auch. Es geht doch um die Taschen!<br />

Es ist diese Mischung aus wilder Vielfalt<br />

und Understatement, die den Reiz<br />

dieses Bandes ausmacht. Teller kommt<br />

mit seiner systematischen Beiläufigkeit<br />

der Konzeptfotografie nahe, wo Auswahl<br />

und Zufall eine größere Rolle spielen als<br />

die einzelne, bedeutungsschwere Komposition.<br />

John Baldessari hat 1973 drei rote Kugeln immer<br />

wieder in die Luft geworfen, um eine gerade Linie zu<br />

bilden, und jeden (vergeblichen) Versuch fotografiert.<br />

Ed Ruscha hat für ein Fotobuch vierunddreißig Parkplätze<br />

abgelichtet. Juergen Teller fotografiert sechshundert<br />

Handtaschen.<br />

Das ist auch ein Kommentar zur konsumbesessenen<br />

Gegenwart. Früher, erinnert sich Teller, k<strong>am</strong>en ständig<br />

Models an seine Tür, die er mit einem Schnappschuss<br />

festhielt, daraus entstand seine bekannte Serie Go-Sees.<br />

„D<strong>am</strong>als waren es Mädchen, jetzt sind es Handtaschen.“<br />

Teller wählt beide nur begrenzt selbst aus. Er<br />

hat die Bilder im Auftrag geschaffen, für Modek<strong>am</strong>pagnen,<br />

Magazine. Mit Handtaschen wiederum verdient<br />

die Modeindustrie viel Geld. In Italien, wo die Ausstellung<br />

stattfindet, werden die Taschen produziert, hier<br />

werden sie plagiiert, hier werden sie, kuratiert im Museum,<br />

schlussendlich zu Bildern, der höchsten Stufe<br />

kapitalistischer Verwertung nach Guy Debord.<br />

So schließt sich der Kreis: „Als ich anfing, in Amerika<br />

zu arbeiten, hat man mich gefragt: ,Wo sind die Money<br />

Shots?‘ Ich sah die Leute verdutzt an. ‚Zeig uns die Money<br />

Shots‘, wiederholten sie. Hier sind sie nun, die Money<br />

Shots.“<br />

„Juergen Teller<br />

Handbags“ ist bei<br />

Steidl erschienen,<br />

608 Seiten, 95 Euro<br />

RÄTSEL<br />

Nasenlaut<br />

Hptst. von<br />

Bosnien-<br />

Herzegowina<br />

span.-<br />

portug.<br />

Fürstenn<strong>am</strong>e<br />

Rhone-<br />

Zufluss<br />

Störung d.<br />

Biorhythmus<br />

durch<br />

Fernflüge<br />

skand.<br />

Münze<br />

anbaufähig<br />

Mysterienkult<br />

auf Haiti<br />

neu herrichten;<br />

renovieren<br />

süddt.:<br />

Jagdtasche<br />

Stadt<br />

an der<br />

Weißen<br />

Elster<br />

luftgetrockn.<br />

Lehmziegel<br />

zerbröck.<br />

Kohle,<br />

Kohlenstaub<br />

höchster<br />

Berg im<br />

Harz<br />

innerer<br />

Teil unseres<br />

Planeten<br />

ugs.:<br />

nein!<br />

SUDOKU<br />

LEICHT<br />

MITTEL<br />

ugs.:<br />

Petersilie<br />

hebräisch:<br />

Sohn<br />

Autor: Stefan Heine<br />

antikes<br />

Saiteninstrument<br />

griech.<br />

Göttin<br />

der Morgenröte<br />

Scheinhieb;<br />

Täuschung<br />

5<br />

polnischer<br />

Krauttopf<br />

dt. Schriftsteller<br />

(Erich)<br />

† 1974<br />

altrömischer<br />

Dichter<br />

Farbe<br />

von Blut<br />

spanisch:<br />

Meer<br />

Gegner<br />

Luthers †<br />

EU-Flugbehörde<br />

(Kf.)<br />

feierliches<br />

Gedicht<br />

slv1318-18<br />

1<br />

9<br />

1<br />

Gewaltherrscher<br />

Neuverfilmung<br />

(engl.)<br />

2<br />

Haltetau<br />

(Schiff)<br />

19. Präsident<br />

Schwanzlurche<br />

der USA<br />

† 1893<br />

Zur-Seite-<br />

Drücken der<br />

gegn. Klinge<br />

(Fechten)<br />

süd<strong>am</strong>erik.<br />

u. mexik.<br />

Währung<br />

3<br />

griech.<br />

Reeder<br />

† 1975<br />

Schokoladengetränk<br />

Getreideart<br />

kurz:<br />

Amerikaner<br />

(Mz.)<br />

afrikanische<br />

Kuhantilope<br />

platzieren<br />

große<br />

Trockenheit<br />

4<br />

4<br />

7<br />

niederländ.<br />

N<strong>am</strong>e<br />

der Rur<br />

Wort<br />

der Ablehnung<br />

engl.<br />

Schreibung<br />

von<br />

Behörde<br />

Singapur<br />

Haustier<br />

der<br />

Lappen<br />

5 6<br />

slv1318-16<br />

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(1-9) Regierung<br />

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Lehrer<br />

des<br />

S<strong>am</strong>uel<br />

(A. T.)<br />

Auflösung aus dem vorvergangenen Heft<br />

Lösung der Rätsel<br />

der vergangenen<br />

Woche: im Uhrzeigersinn<br />

rechts<br />

beginnend leicht,<br />

mittel und schwer<br />

A<br />

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46 STIL<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Selbstgespräche mit<br />

Leberwurstbrot<br />

Landschaften ziehen vorbei, kleine Städte,<br />

Wälder, Wiesen, Alleen, blinkende Flüsse,<br />

baumbestandene Hügel, ferne Kirchtürme –<br />

reisen Sie gern mit der Bahn? Ich auch. Ach,<br />

Zugfahrten könnten so schön sein! Und<br />

zwar dann, wenn wir, Sie und ich, jeder unser privates<br />

Sechserabteil hätten. Aber oft haben wir nur die Wahl,<br />

ob wir in der Ruhezone des Großraumwagens allerlei<br />

Business-Talk mit anhören. Oder in einem Sechserabteil<br />

den Atem des Nachbarn aufsaugen.<br />

Sicher haben Sie sich schon kaltblütig in eines jener<br />

leeren Separees begeben,<br />

in dem laut Beschilderung<br />

sechs<br />

Schwerbehinderte sitzen<br />

sollen. Ich habe<br />

Sie da jedenfalls schon<br />

sitzen sehen, kerngesund.<br />

Macht ja nichts!<br />

Wenn wir unbehelligt<br />

reisen wollen, müssen<br />

wir unsere Freiheit<br />

verteidigen. Wir brauchen<br />

Abschreckungsstrategien.<br />

Wie können<br />

wir suchende Mitreisende<br />

von unserem<br />

Abteil abschrecken?<br />

Oder im Großraumwagen<br />

wenigstens auf<br />

Distanz halten?<br />

Die sollen gar nicht<br />

erst unsere Abteiltür<br />

aufziehen und scheinheilig<br />

fragen: „Ist hier<br />

noch frei?“ Die sollen<br />

freiwillig weiterziehen.<br />

Sind Sie vorbereitet<br />

für den Verteidigungsfall?<br />

Wenn ich Sie richtig<br />

erkannt habe, wenden<br />

Sie die Hausfrauenmethode<br />

aus dem<br />

heimischen Stadtbus<br />

an: Sie belegen die Nebenplätze<br />

mit Taschen<br />

und Tüten.<br />

Richtig so. Breitmachen.<br />

Sie und ich sind zu fein, um auf dem gegenüberliegenden<br />

Platz eine Zeitung auszubreiten und die Füße<br />

darauf zu lüften. Obwohl ein kurzer Moment der<br />

Unfeinheit oft viele Stunden der Feinheit ermöglicht.<br />

Auch platzieren wir kein Sixpack Bier plus Soundbox<br />

neben uns. Zumal so ein Arrangement irrtümlich<br />

Gleichgesinnte anlocken könnte. Nein, wir wenden<br />

subtilere Abschreckungsmethoden an und hoffen,<br />

dass andere subtil genug sind, sie zu begreifen.<br />

Jeder Halt an einem Bahnhof ist eine neue Zitterpartie.<br />

Wir haben im Großraumwagen ein paar freie<br />

Plätze um uns herum. Da soll sich keiner hinpflanzen.<br />

Oder wir sitzen in einem eigenen, bereits in unseren<br />

Privatbesitz übergegangenen Abteil in idyllischer Abgeschiedenheit.<br />

Nun hält der Zug, um neue dreiste<br />

Reisende einzulassen. Schon schieben sich unverfrorene<br />

Neuankömmlinge <strong>am</strong> Abteilfenster vorbei.<br />

Sch<strong>am</strong>los blicken sie in unser köstlich leeres Abteil<br />

und zögern bereits. Warum sind die heimeligen Vorhänge<br />

abgeschafft worden, die man zuziehen konnte,<br />

Sie wollen Ihr Zugabteil<br />

für sich allein haben?<br />

Dietmar Bittrich weiß,<br />

wie man Mitreisende<br />

einfach und effektiv auf<br />

Distanz hält<br />

Mit Plauze Man muss gar nicht essen.<br />

Es kann reichen, reichlich gegessen zu haben<br />

Der Text ist ein Kapitel aus<br />

dem neuen Buch Müssen wir<br />

da auch noch hin? von<br />

Dietmar Bittrich, DTV,<br />

208 Seiten, 9,95 Euro<br />

um Tiefschlaf vorzutäuschen? Und wollte nicht unser<br />

Nerd-Neffe, der sich bereits in mehrere europäische<br />

Nachrichtendienste eingehackt hat, endlich mal ein<br />

Progr<strong>am</strong>m erstellen, mit dem wir vom Handy aus die<br />

elektronischen Reservierungsanzeigen manipulieren<br />

können?<br />

Zu spät. Jetzt kommt es auf altertümliche Abschreckung<br />

an. Lesen Sie bloß nicht in einem Buch! Zu Lesern<br />

setzt der andere sich gern. Der Philosoph Ernst<br />

Bloch hatte bei Zugfahrten niemals ein Buch bei sich,<br />

sondern stets einen Gehstock, mit dem er die freien<br />

Sitze neben sich belegte.<br />

Dann streckte er<br />

ein Bein steif von sich,<br />

holte einen riesigen<br />

Schnupflappen heraus<br />

und schnaubte, dass<br />

die Achsen bebten. Er<br />

blieb immer allein.<br />

Hier weitere Ratschläge<br />

großer Philosophen:<br />

Bananen schälen.<br />

Gekochte Eier pellen,<br />

die Schalen auf<br />

dem Nebensitz ablegen.<br />

Recycelbare Dosen<br />

mit eingeweichtem<br />

Bulgur aufbauen. Aus<br />

einem Tempotaschentuch<br />

quellende Leberwurstbrote<br />

auswickeln,<br />

auch vegane Varianten<br />

helfen. Dieses<br />

Arsenal der Abschreckung<br />

benötigt eine eigene<br />

Tragetasche? Ja,<br />

allerdings, und zwar<br />

eine mit Rekl<strong>am</strong>e vom<br />

Getränkecenter, ausreichend<br />

abgeschürft,<br />

bräunlich befleckt,<br />

oder einen Jutebeutel<br />

im Zustand ökologischer<br />

Verwesung.<br />

Sie wollen leichter<br />

reisen? Dann setzen<br />

Sie wenigstens bei jedem<br />

Halt eine Sonnenbrille<br />

auf, die Ihnen den Touch des Fieslings gibt. Und<br />

falls Sie als Paar unterwegs sind, beginnen Sie einen<br />

lauten Streit just in dem Augenblick, in welchem Zugestiegene<br />

ins Abteil schauen.<br />

Sie reisen allein? Halten Sie wenigstens Ihr Handy<br />

ans Ohr und telefonieren Sie lautstark ins Leere. Setzen<br />

Sie eine dieser preisgünstigen Atemmasken auf,<br />

wie sie in Peking und Hongkong getragen werden. Vor<br />

sich haben Sie ein selbst gedrucktes Infoblatt mit der<br />

Headline „Multiresistente Viren“. Wenn trotzdem<br />

noch jemand den Platz neben Ihnen anvisiert, husten<br />

Sie gepeinigt darauf.<br />

Ich selbst bevorzuge den gesunden Weg des Borderliners.<br />

Ich führe bei jedem Halt debile Selbstgespräche,<br />

mit schiefer Brille. Das wirkt Wunder! Und falls<br />

sich demnächst trotzdem jemand zu mir setzt, weiß<br />

ich, dass Sie es sind, weil Sie diesen Text gelesen haben<br />

und mich durchschauen.<br />

Na schön. Seien Sie willkommen. Aber packen Sie ja<br />

nicht Ihr Käsebrot aus!<br />

GETTY IMAGES/MATS SILVAN<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 STIL 47<br />

Auf und davon Raus in den<br />

Hof, in den Park, hinauf aufs<br />

Dach – Hauptsache, unter<br />

freiem Himmel zu sein! Den<br />

Stuhl hängt man sich auf dem<br />

Weg dorthin einfach über die<br />

Schulter, mit Stil, in Gold.<br />

Nola von Broste Copenhagen.<br />

78 Euro (in Leder 143 Euro).<br />

smallable.com<br />

Schöne<br />

Dinge<br />

Alles im grünen Bereich auf Balkon und<br />

Terrasse, die Pflanzen sind gesetzt?<br />

Dann richten Sie jetzt doch auch<br />

noch den Rest ein<br />

Sitz-Ofen Nichts ist mehr<br />

wert als ein warmer Allerwertester.<br />

So einfach ist das.<br />

Diese Kissen aus Holland sind<br />

eine Sitzheizung. Man lädt es<br />

erst an der Steckdose auf, dann<br />

setzt man sich d<strong>am</strong>it hin, wo<br />

man will. Ploov Outdoor.<br />

90 Euro. stoov.com<br />

AUSGESUCHT VON JÖRG NIENDORF<br />

Tröpfchen für Tröpfchen<br />

Natürlich heißt es jetzt auch<br />

wieder, Gießpläne einzuhalten,<br />

im Notfall Nachbarn zu fragen,<br />

an der Technik der automatischen<br />

Bewässerung zu verzweifeln.<br />

Dieser „Stein“ ist<br />

einfacher: Wasser tröpfelt drei,<br />

vier Tage lang in kleinster<br />

Dosis hinaus. Kikkerland.<br />

15 Euro. hallescheshaus.com<br />

Marokko II Eine Vase mit<br />

Kontrasten – und mal wieder<br />

ein schönes Beispiel für Recycling:<br />

Das bunte Glas ist<br />

wieder aufgearbeitet, Handwerker<br />

in Marrakesch machen<br />

daraus neue Kunstwerke. Im<br />

Color Blocking Look von Hay.<br />

45 Euro. einrichten-design.de<br />

Alle machen auf Marrakesch Und auf dieses ganz spezielle Fliesen-<br />

Blau, und wenn es auch nur aus Luft ist. Der Pouf ist wetterfest und<br />

zum Aufblasen. Leicht ließe sich d<strong>am</strong>it eine ganze Sitzlandschaft<br />

auf der Terrasse herrichten – anstelle dieser großen Lounge-<br />

Matratzen oder sperriger Rattan-Outdoor-Sofas.<br />

Incidence Paris. 30 Euro. <strong>am</strong>azon.fr<br />

Pool-Party Wasserdichte Lautsprecher<br />

gibt’s ja massenhaft,<br />

für das persönliche Outdoor-<br />

Festival, immer und überall.<br />

Der Speaker „Fugoo“ bietet<br />

aber eine wirkliche Besonderheit:<br />

Er hat ein eigenes<br />

Schlauchboot, für die Party <strong>am</strong><br />

See oder Pool. 7 Euro (plus<br />

Lautsprecher 80 Euro).<br />

fugoo.com<br />

MINUTEN-<br />

SLUSHIE<br />

5Aperol Frosé Er geht in eine neue<br />

Saison und wird wohl wieder zum<br />

Drink aller Dachterrassen: Kein Wunder,<br />

so schnell, wie er fix und fertig im<br />

Glas ist. Vorbereitung: Eine Flasche<br />

Roséwein und 120 ml Aperol und 90 ml<br />

Orangensaft den Tag über einfrieren.<br />

Abends dann crushen im Mixer, mit<br />

Orangenschalen servieren.<br />

,,<br />

Bunt ist<br />

meine<br />

Lieblingsfarbe<br />

Walter Gropius<br />

Ziegel zum Schmoren Genial,<br />

wie man in Afrika mit Backsteinen<br />

simple Öfen auftürmt<br />

– dieses Aha-Erlebnis hatten<br />

niederländische Jungdesigner<br />

und kreierten daraufhin ein<br />

neuartiges Schmorgefäß: Der<br />

„Brick“ lässt sich überm Feuer<br />

schichten, drinnen schmort<br />

das Essen, nebenher läuft die<br />

Bricknic-Party. 35 Euro.<br />

roemertopf-shop.de<br />

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48 REISEN<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Tal der<br />

Könige<br />

HOTEL ZAMEK KARPNIKI(2); TEAM RED(2)/KAROL BUDREWICZ; CHRISTOPHER JAN SCHMIDT<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 REISEN 49<br />

In Niederschlesien machte Preußens Adel Urlaub, auch die<br />

Königsf<strong>am</strong>ilie hatte hier ihre Ferienschlösser. Nach 1945 verfiel<br />

alles. Heut sind viele der prächtigen Bauten luxuriöse Hotels<br />

Herrschaftszeiten!<br />

Das Schlosshotel<br />

Fischbach<br />

(gr. Foto und<br />

unten links),<br />

Schloss Wernersdorf<br />

(Mitte)<br />

und der<br />

Wellnessbereich<br />

von Schloss<br />

Stonsdorf (unten<br />

rechts)<br />

EUROPA<br />

Görlitz<br />

Wernersdorf<br />

TSCHECHIEN<br />

Der Durchblick funktioniert wieder, die<br />

jahrzehntelang zugewucherte Schneise<br />

ist freigeschlagen im hügeligen Park von<br />

Stonsdorf. Nun ist sie wieder da, die<br />

Sichtachse hinauf zur Schneekoppe, die<br />

Gartenbaumeister Peter Joseph Lenné im 19. Jahrhundert<br />

für diesen niederschlesischen Adelssitz anlegte.<br />

Neun Kilometer entfernt ragt sie auf, 1603 Meter hoch,<br />

Krönung des Riesengebirges. Vor 1945 war der Buckel<br />

die höchste Erhebung aller deutschen Mittelgebirge.<br />

Nach dem Zweiten <strong>Welt</strong>krieg wurde Schlesien nisch, seither heißt die Schneekoppe pol-<br />

Śnieżka.<br />

VON ULLI KULKE<br />

POLEN<br />

Niederschlesien<br />

Hirschberg<br />

(Jelenia Góra)<br />

Lomnitz<br />

Stonsdorf Fischbach<br />

Schneekoppe<br />

( ); 1603 m<br />

25 km<br />

Die lennésche Sichtachse ist auch das Erste, was<br />

Waclaw Dzida, heute Schlossherr von Stonsdorf, beim<br />

Spaziergang über das Anwesen präsentiert. Vor 18 Jahren<br />

haben er und seine Frau, eine Kunsthistorikerin,<br />

das große Herrenhaus gekauft. Als Ruine. 38 Gästezimmer<br />

bietet er heute in seinem „Hotel Pałac Staniszow“.<br />

Wer in der Bibliothek im Fotoalbum blättert<br />

und sieht, wie es hier aussah vor dem Umbau, mit eingestürzten<br />

Dächern und Wänden, bewundert den Mut<br />

der beiden. Stonsdorf ist einer von Dutzenden Adelssitzen,<br />

die seit Ende des 18. Jahrhunderts im Hirschberger<br />

Tal errichtet wurden. Sogar das Haus Hohenzollern,<br />

also die preußische Königsf<strong>am</strong>ilie, hatte Besitzungen<br />

in dem Tal. Die örtlichen Denkmalpfleger sagen<br />

heute: Wir haben die größte Schlösserdichte Europas.<br />

Bis zum Zweiten <strong>Welt</strong>krieg war dieser Teil Niederschlesiens<br />

ein beliebtes Ausflugs- und Ferienziel,<br />

gerühmt als Sommerfrische und „Schlesisches Elysium“.<br />

Nach 1945 übernahm das kommunistisch regierte<br />

Polen die Schlösser, soweit sie den Krieg überstanden<br />

hatten. Fortan g<strong>am</strong>melten sie als Lagerhäuser, Feuerwehrstationen,<br />

Schulen oder Ämter vor sich hin, viele<br />

erlebten die Wende nur noch als Ruine.<br />

Schlesien war für die meisten Bundesbürger vom<br />

Radar verschwunden, tauchte höchstens in <strong>Sonntag</strong>sreden<br />

Vertriebener auf, aber nicht als Ziel für Urlaubsgelüste.<br />

Dass die Deutschen vor dem Krieg dort ähnlich<br />

gern wie im Schwarzwald wandern gingen, half gegen<br />

das Negativimage genauso wenig wie die Gesundheitskost<br />

der Marke „Schneekoppe“ im Reformhaus.<br />

Erst heute, da das Verhältnis zwischen Deutschen<br />

und Polen im Land problemlos ist und alte Prachtbauten<br />

in Schlesien von privater Hand wieder auf<br />

Hochglanz gebracht werden, besinnt<br />

man sich der glänzenden Vergangenheit.<br />

Zwar kommt die Mehrzahl<br />

der Gäste im Hirschberger Tal<br />

aus Deutschland, doch mittlerweile<br />

locken die Schlösser<br />

auch immer mehr polnische<br />

Touristen an, die man bis vor<br />

einigen Jahren oft nur als<br />

Wanderer in den Pensionen<br />

des Riesengebirges antraf.<br />

Inzwischen bieten neun gotische,<br />

barocke oder klassizistische,<br />

alles<strong>am</strong>t jahrhundertealte<br />

Schlosshotels im Hirschberger<br />

Talkessel ihren Luxus der anspruchsvollen<br />

Kundschaft an, darunter die<br />

Breslau<br />

(Wrocław)<br />

Schlösser Lomnitz, Wernersdorf und Fischbach;<br />

in Stonsdorf gibt es sogar zwei geschichtsträchtige<br />

Anlagen.<br />

Zumindest Stonsdorf ist in Deutschland noch ein<br />

Begriff, denn in dem Ort wurde seit 1810 der Kräuterbitter<br />

„Stonsdorfer“ gemixt und angesetzt, bevor die<br />

Firma zum Kriegsende nach Norddeutschland vertrieben<br />

wurde und den schlesischen Schnaps dort weiter<br />

produziert. Vorbehalte gegen die Deutschen spürt<br />

man heute vor Ort nicht mehr. Jetzt heißt es gleichermaßen<br />

Staniszów und Stonsdorf, ohne Hintergedanken.<br />

Schlossherr Dzida spricht so gut Deutsch, als wäre<br />

es seine Muttersprache. Inzwischen war auch die<br />

F<strong>am</strong>ilie der letzten deutschen Besitzer, die Grafen<br />

Reuss, zu Besuch und freute sich über den Fortgang<br />

der Dinge. Behuts<strong>am</strong> wurde Schloss Stonsdorf restauriert,<br />

alles im Detail bearbeitet und gesäubert, aber<br />

ohne die Patina zu zerstören. Sie sollte weiter durchscheinen,<br />

nicht nur bei den eisern gefassten Glastüren,<br />

durch die aus dem Salontrakt mit den alten Büchern<br />

sanfte Polka auf die Terrasse klingt. Die historischen<br />

Dielen unter schweren Teppichen knarren hier<br />

und da, die riesigen Rokoko-Betten passen perfekt in<br />

die Schlafgemächer. Und, als wäre es bestellt, knallt<br />

abends eine Sicherung im Zimmer durch. Der morbide<br />

Charme ist etwas Besonderes, völlig zu Recht ausgezeichnet<br />

mit dem polnischen Denkmalschutzpreis.<br />

Zwei Bewandtnisse verhalfen seit der Wende vom<br />

18. zum 19. Jahrhundert der Region zur Blüte. Zuerst<br />

die Entdeckung der hügeligen Lieblichkeit durch den<br />

preußischen Adel und Hochadel, n<strong>am</strong>entlich aus Berlin.<br />

In deren Gefolge fand manch Künstler den Weg<br />

nach Niederschlesien, Maler wie Ludwig Richter oder<br />

Dichter wie Theodor Fontane. Preußens König Friedrich<br />

Wilhelm III. erwarb 1832 Schloss Erdmannsdorf<br />

als Sommerresidenz seiner F<strong>am</strong>ilie, machte dort die<br />

Baumeister Karl Friedrich Schinkel und Friedrich August<br />

Stüler für allfällige Umbauten zu seinen St<strong>am</strong>mgästen.<br />

Bald danach kaufte er für seine Tochter Luise<br />

das stattliche Schloss Schildau („Pałac Wojanow“),<br />

mit 200 Betten heute das größte Hotel im Tal, während<br />

sein Bruder, Prinz Wilhelm von Preußen, die d<strong>am</strong>als<br />

schon fast 500 Jahre alte Wasserburg Fischbach<br />

erstand („Z<strong>am</strong>ek Karpniki“), in der Alexander von<br />

Humboldt im Sommer 1830 weilte.<br />

Heute ist sie, nach fast einem halben Jahrhundert<br />

Leerstand, originalgetreu restauriert als Hotel im oberen<br />

Segment, und man kann mit etwas Glück im Zimmer<br />

des Preußenprinzen Wilhelm im ersten Stock<br />

nächtigen, es war im 19. Jahrhundert Teil seiner Privatgemächer.<br />

Am nobelsten residiert man in der Renaissance-Suite,<br />

mit Gobelin über dem antiken Doppelbett<br />

und einer bemalten, originalgetreu restaurierten<br />

Renaissance-Balkendecke aus dem 16. Jahrhundert.<br />

Hunderte Geweihe bis hin zu Sechzehnendern<br />

zieren die dunklen Hotelflure.<br />

Dem Hochadel verdankt die Region ihre geschichtsträchtige<br />

Aura, das große Geld aber war durch die<br />

Leinenproduktion hereingekommen. Die „Schleierherren“,<br />

Vertreter einer Art barocken Bürgertums,<br />

konnten im 18. Jahrhundert den Briten durchaus Paroli<br />

bieten auf dem <strong>Welt</strong>markt für fein gewebtes Leinen,<br />

weshalb in dieser Epoche besonders viele jener<br />

Schlossanlagen in Schlesien entstanden.<br />

DIE RÜCKKEHR Wer diese Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />

(auch Gerhart Hauptmanns Dr<strong>am</strong>a „Die Weber“<br />

gehört dazu) auf sich wirken lassen will, der ist<br />

auf Schloss Wernersdorf („Pałac Pakoszow“) gut aufgehoben:<br />

eine elegante barocke Anlage, in der der –<br />

bürgerliche – Besitzer nicht nur aufwendig residierte,<br />

sondern auch seine Bleiche und Lagerräume betrieb.<br />

Seit 1725 war es im Besitz einer Leinenhändlerdynastie,<br />

1945 wurde sie enteignet. Hagen Hartmann, der d<strong>am</strong>als<br />

als Vierjähriger aus Schlesien mit auf die Flucht<br />

gehen musste, kaufte das Schloss 60 Jahre später mit<br />

seiner Frau aus polnischem Privatbesitz zurück.<br />

Seit 2012 führt das Arztehepaar das bisher einzige<br />

Fünfsternehotel im Tal mit der großen Geschichte.<br />

„Heinrich von Kleist war hier zu Besuch, Friedrich<br />

Gottlieb Klopstock, auch Friedrich der Große“,<br />

schwärmt der Schlossherr, „und sogar der <strong>am</strong>erikanische<br />

Botschafter in Preußen, Quincy Ad<strong>am</strong>s, der später<br />

US-Präsident wurde, war hier zu Gast“. Die Hartmanns<br />

sind begeistert über die Anerkennung und Zuwendung,<br />

die sie als deutsche frühere Besitzerf<strong>am</strong>ilie<br />

aus ihrer polnischen Nachbarschaft erfahren. „Viele<br />

bedanken sich bei uns für den Wiederaufbau des<br />

Schlosses.“ Einmal k<strong>am</strong> ein benachbarter Kindergarten<br />

hereingeschneit, „hat uns einen Schokoladenkuchen<br />

mitgebracht und deutsche Lieder gesungen“.<br />

FORTSETZUNG AUF SEITE 50<br />

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50 REISEN<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

FORTSETZUNG VON SEITE 49<br />

Auch die Schwiegereltern von Elisabeth von Küster,<br />

Hotelchefin im Schloss Lomnitz („Pałac Lomnica“),<br />

waren 1945 von ihrem Besitz vertrieben worden, der<br />

der F<strong>am</strong>ilie über Jahrhunderte gehört hatte. Sie und<br />

ihr Mann konnten das Anwesen mit einem polnischen<br />

Freund als überwucherte Ruine auf einer Auktion<br />

günstig zurückkaufen, nachdem sie in der Verwandtschaft<br />

„das Geld zus<strong>am</strong>mengekratzt hatten“. Freimütig<br />

erzählt Elisabeth von Küster, dass der Verlust für<br />

viele Aristokraten nach dem Krieg finanziell überschaubar<br />

war, „weil ihr Landbesitz zu der Zeit oft<br />

stark verschuldet war“.<br />

Die heutigen Besitzer erhalten bedeutende Zuschüsse<br />

von Behörden und Stiftungen aus Polen,<br />

Deutschland und von der EU für ihre Wiederaufbauarbeit<br />

– auch sie habe davon profitiert. Zum Beispiel<br />

für ihr „Witwenhaus“, ein barockes Kleinod in einem<br />

englischen Park mit altem Baumbestand <strong>am</strong> Flüsschen<br />

Bober gelegen, in dem sie 23 Zimmer und Apartments<br />

vermietet. Aber auch für die zerstörte Kirche und das<br />

große, 1720 errichtete Schloss, in dem sie auf drei Etagen<br />

jahrelang ein Museum aufgebaut hat, das im März<br />

2019 Eröffnung feierte.<br />

Die neue Dauerausstellung heißt „Drei Jahrhunderte<br />

Leben in Schloss Lomnitz“, 18 Zimmer sind mit Mobiliar<br />

unterschiedlicher Epochen eingerichtet. Zu sehen<br />

sind etwa das Büro eines reichen Leinenhändlers,<br />

ein Teesalon aus der Zeit des Biedermeiers, die historische<br />

Schlossküche im Gewölbekeller und ein Schulzimmer<br />

aus den Zeiten der polnischen Volksrepublik.<br />

Die Finanzen machen den geringeren Aufwand für<br />

die F<strong>am</strong>ilie von Küster aus. Bedeutender sind Engagement<br />

und Herzblut, das sie seit den 1990er-Jahren in<br />

das Projekt gesteckt hat. 2015 erhielt das Ehepaar, das<br />

inzwischen fünf Kinder hat, den Großen Denkmalpreis<br />

der Stiftung Deutsche Burgenvereinigung, für ihre<br />

„herausragenden denkmalpflegerischen Leistungen“,<br />

für ihre „Leuchtturmfunktion für das ganze<br />

Hirschberger Tal“. Bei der Feier in Klein Glienicke bei<br />

Berlin sagte Elisabeth von Küster: „Vor fünf bis sieben<br />

Jahren gab es auf unserem Areal noch so manches Seminar,<br />

das sich mit dem Ausbau von besseren Beziehungen<br />

zwischen Polen und Deutschen beschäftigte.<br />

Dies ist, so habe ich den Eindruck, nicht mehr nötig.<br />

Ein gutes Miteinander zwischen den Menschen beider<br />

Länder ist zur Selbstverständlichkeit geworden.“<br />

T Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt<br />

vom Polnischen Fremdenverkehrs<strong>am</strong>t. Unsere<br />

Standards der Transparenz und journalistischen<br />

Unabhängigkeit finden Sie unter<br />

www.axelspringer.de/unabhaengigkeit<br />

Dschungel pur<br />

in Singapur<br />

Singapur ist bekannt für seine Hochhäuser, doch es<br />

gibt auch wuchernden Urwald. Wer sich hineinwagt,<br />

begegnet Krokodilen, Affen und skurrilen Vogelkundlern<br />

Tipps und<br />

Informationen<br />

WIE KOMMT MAN HIN? Mit dem Auto ab Berlin in<br />

knapp vier, ab Frankfurt in sechseinhalb Stunden.<br />

Die Lufthansa bietet Direktflüge von Frankfurt und<br />

München nach Breslau an.<br />

ÜBERNACHTEN Schloss Stonsdorf DZ 100 bis 130<br />

Euro, Frühstück und Wellness inklusive, www.palacstaniszow.pl.<br />

Schlosshotel Lomnitz EZ je nach<br />

Saison und Ausstattung 51 bis 90, DZ 68 bis 135<br />

Euro, Frühstück inklusive, www.palac-lomnica.pl.<br />

Schloss Fischbach DZ ab 77 Euro inkl. Frühstück,<br />

www.schlossfischbach.de. Schloss Wernersdorf DZ<br />

ab 93 Euro, www.palac-pakoszow.pl. Schloss Schil-<br />

dau<br />

DZ ab 72 Euro, www.palac-wojanow.pl.<br />

TIPP DER REDAKTION Schneekoppe: Am einfachsten<br />

kommt man auf die höchste Kuppe des<br />

Riesengebirge, wenn man von Krummhübel/Karpacz<br />

auf die Kopa mit dem Sessellift fährt (nicht<br />

ganzjährig), weiter zu Fuß (225 Höhenmeter). Es<br />

gibt Wanderwege und Klettersteige verschiedener<br />

Schwierigkeitsgrade.<br />

AUSKUNFT Polnisches Fremdenverkehrs<strong>am</strong>t,<br />

www.polen.travel/de; Hirschberger Tal der Schlösser,<br />

talderschloesser.de<br />

Blätter so groß wie Tennisschläger, armdicke<br />

Lianen, die wie Halteseile über dem<br />

Weg hängen, Grün in allen Schattierungen:<br />

Dichte Dschungelvegetation umgibt<br />

den Eingang zum Nationalpark von Sungei<br />

Buloh, es zwitschert und raschelt im Buschwerk –<br />

kaum zu glauben, dass man hier im Stadtgebiet einer<br />

Fünf-Millionen-Metropole ist. Mit dem gängigen Bild<br />

von Singapur hat dieser Urwald wenig zu tun: Keine<br />

Wolkenkratzer, keine Shoppingcenter, keine Sonderangebote.<br />

Dass man in Singapur ist, merkt man allenfalls<br />

an der Sauberkeit – im Dschungel liegt kein einziges<br />

Stück Papier, kein bisschen Plastik herum. Und<br />

man kann den Urwald mit dem Metro-Bus erreichen.<br />

VON FRANÇOISE HAUSER<br />

Sungei Buloh ist der grüne Höhepunkt in Singapur,<br />

der Garden City, die von Parks und bewachsenen Fassaden<br />

geprägt ist und deren Regierung das Ziel verfolgt,<br />

Singapur zur grünsten Stadt der <strong>Welt</strong> zu machen.<br />

Immerhin bestehen über 3320 Hektar des Insel-<br />

Stadtstaats aus Grünflächen, laut dem Treepedia-Projekt<br />

des Massachusetts Institute of Technology (MIT)<br />

sind fast ein Drittel, 29,3 Prozent, von Bäumen und anderer<br />

Vegetation bedeckt. Der Dschungelpark ist dabei<br />

eine der ursprünglichsten, wildesten Areale Singapurs.<br />

Das 202 Hektar große Feuchtgebiet nordwestlich<br />

des Stadtzentrums liegt an der Grenze zu Malaysia,<br />

nur eine schmale Wasserstraße trennt Singapur hier<br />

von der Millionenstadt Johor Bahru. Hochhäuser ragen<br />

<strong>am</strong> Horizont empor – fast wie ein Mahnmal, das<br />

daran erinnert, dass Singapurs Dschungel eigentlich<br />

Bauland werden sollte. Tatsächlich wäre Sungei Buloh<br />

Ende der 1980er beinahe abgeholzt geworden, hätten<br />

sich nicht einige Naturschützer vehement für seinen<br />

Erhalt eingesetzt. Einer von ihnen ist der 54-jährige<br />

Subaraj Rajathurai. Der indischstämmige Singapurer<br />

arbeitet seit Jahren als Naturführer.<br />

UNTER NASHORNVÖGELN Er wartet <strong>am</strong> Eingang<br />

des Schutzgebiets, im Baum neben ihm turnen zwei<br />

Nashornvögel herum. Noch in den 1960ern schienen<br />

diese Tiere in der Region ausgestorben zu sein. Doch<br />

das Engagement für Naturschutz zeigt seit gut 20 Jahren<br />

Erfolg: Schon auf dem Weg nach Sungei Buloh<br />

sieht man sie auf Straßenlaternen herumhüpfen, und<br />

in Changi Village, nicht weit vom Flughafen entfernt,<br />

brüten sie direkt <strong>am</strong> Markt. Für Subaraj ist das eine<br />

Bestätigung seiner Proteste vor gut 30 Jahren. Mit<br />

weiteren Mitstreitern gelang es ihm, die Regierung<br />

von der Bedeutung des Feuchtgebiets zu überzeugen,<br />

das 1989 unter Naturschutz gestellt und 1993 als Naturpark<br />

eröffnet wurde.<br />

Seither hat sich für den stadtbekannten Umweltaktivisten<br />

viel getan. Als Nature Guide – einer der ersten<br />

der Stadt – hat er bereits Tausende Gäste durch den<br />

Dschungel geführt. So wie an diesem Tag. Am Eingang<br />

bedeutet er den Besuchern mit einem Finger <strong>am</strong><br />

Mund, leise zu sein: Eine Schar Fledermäuse hat sich<br />

den wohl belebtesten Platz von Sungei Buloh für den<br />

Tagesschlaf ausgesucht. Unter dem Dach des hölzer-<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

REISEN 51<br />

Besucher und Bewohner<br />

Spaziergänger in Sungei<br />

Buloh und eine Grüne<br />

Peitschennatter<br />

PICTURE ALLIANCE/ANN /NG SOR LUAN/THE STRAITS TIMES(2)<br />

nen Eingangsbogens hängen sie dicht an dicht. Die<br />

Parkbesucher schleichen drunter durch – nur nicht<br />

stören!<br />

MALAYSIA<br />

Johor Bahru<br />

J<br />

hors<br />

Jo<br />

Nationalpark<br />

Sungei Buloh<br />

SINGAPUR<br />

r<br />

ß tr r e<br />

t a<br />

ra<br />

km<br />

Tipps und Informationen<br />

ASIEN<br />

Straße von<br />

Singapur<br />

WIE KOMMT MAN HIN? Etwa mit Singapore<br />

Airlines (www.singaporeair.com) oder Lufthansa<br />

(www.lufthansa.com), zum Beispiel<br />

nonstop ab München. Den Nationalpark Sungei<br />

Buloh erreicht man von der Innenstadt in<br />

rund 30 Minuten per Taxi, alternativ mit dem<br />

SMRT-Bus 925 ab Metrostation Kranji.<br />

SAFARI IM SCHUTZGEBIET Das Sungei Buloh<br />

Wetland Reserve ist täglich von 7 bis 19 Uhr<br />

geöffnet, außer <strong>am</strong> Wochenende ist der Eintritt<br />

kostenfrei. Die meisten Tiersichtungen<br />

erlebt man in den Morgen- und Abendstunden<br />

von 7 bis 11 Uhr und von 16 bis 19 Uhr. Zusätzlich<br />

lohnt es sich auch, auf den Gezeitenkalender zu<br />

schauen (zum Beispiel auf der Website https://<br />

gezeitenfisch.com). Bei Ebbe sind Krokodile<br />

und Warane meistens gut zu sehen, bei Flut<br />

s<strong>am</strong>meln sich Wattvögel auf den nicht überfluteten<br />

Stellen, wo man sie dann beobachten<br />

kann. Tourenvorschläge und Veranstaltungen<br />

findet man auf der englischsprachigen Website<br />

des Naturschutzgebietes: www.nparks.gov.sg/<br />

gardens-parks-and-nature/parks-and-naturereserves/sungei-buloh-wetland-reserve<br />

WEITERE INFOS www.visitsingapore.com<br />

SPAZIERGANG MIT KROKODIL Gleich rechts des<br />

Eingangs geht es in den Dschungel: Dichte, grüne<br />

Mangrovenhaine und bis 20 Meter hohe Bäume säumen<br />

die Holzstege. Leise schwappt Wasser gegen die<br />

Stämme, direkt neben dem Steg wälzt sich ein gut<br />

zwei Meter langer Waran durch den Schl<strong>am</strong>m. „Ungefährlich“,<br />

winkt Subaraj ab und deutet stattdessen auf<br />

einen Schatten, der durch das Wasser gleitet: „Die<br />

Salzwasserkrokodile behalten wir dafür umso mehr im<br />

Auge.“ Gut eine Handvoll davon lebt derzeit hier, ganz<br />

genau weiß man es nicht. Große Schilder warnen davor,<br />

den bis zu fünf Meter großen Tieren zu nahe zu<br />

kommen. Das kann schneller passieren, als man denkt:<br />

Für ein Mittagsschläfchen legen sich die seltenen Tiere<br />

schon mal quer über den Weg.<br />

Andere Bewohner sind zahlreicher – und ungefährlicher.<br />

Subaraj zeigt auf skurrile Schl<strong>am</strong>mröhren, die<br />

aus dem Schlick ragen. Ihre glubschäugigen Bewohner,<br />

die Schl<strong>am</strong>mspringer-Fische, strecken nacheinander<br />

die Köpfe heraus. In den Baumkronen raschelt es derweil<br />

unüberhörbar. Eine Herde Makaken tobt durch<br />

die Bäume. Nicht nur in den Wipfeln ist einiges los.<br />

Auch auf dem Boden. Immerhin 80.000 Besucher<br />

kommen jedes Jahr nach Sungei Buloh, Einheimische<br />

und Touristen. Sie erleben ein höchst vielseitiges<br />

Feuchtgebiet: Wege und Stege führen nicht nur durch<br />

dichte Mangrovenwälder, sondern auch durch Tümpel,<br />

Sümpfe und <strong>am</strong> Meer entlang.<br />

Das Kernstück bildet eine Wattfläche, die bis in die<br />

1980er zur Garnelenzucht genutzt wurde. Diese Meerestiere<br />

gibt es hier noch heute reichlich – ein Gourmetbuffet<br />

für Zugvögel. „Sungei Buloh liegt <strong>am</strong> ostasiatisch-ozeanischen<br />

Zugweg“ erklärt Subaraj. Vögel<br />

aus Ostasien, Indochina, aber auch aus Sibirien machen<br />

hier Station, manche bleiben den ganzen Winter.<br />

Sehr zur Freude der Birder, wie sich passionierte<br />

Vogelbeobachter weltweit selbst nennen. In unauffälliger<br />

Kleidung und mit imposanter Fotoausrüstung erkunden<br />

sie von Holzhütten oder anderen Verstecken<br />

aus die bunte Vogelwelt. Auf der überdachten Brücke<br />

über den Fluss Sungei Buloh, der dem Gebiet den N<strong>am</strong>en<br />

gab, haben sich zwei Hobbyornithologen geradezu<br />

häuslich eingerichtet, mit Stuhl und Stativ, aus der<br />

Tasche lugt ein Behälter mit Mittagessen und eine<br />

Zweiliterflasche Wasser – es wird ein langer, heißer<br />

Tag, wie immer im tropischen Singapur. Jedes Wochenende<br />

stehen sie hier, sagt der eine, rund ums Jahr.<br />

Vögel beobachten ist ihr Leben, und das, was ihnen vor<br />

die Linse fliegt, ist in der Tat oft spektakulär.<br />

Besonders lohnenswert ist die Lauer in der Zeit des<br />

Vogelzugs von August bis Ende Februar, sagen die Birder.<br />

Über sich selbst hingegen verlieren sie kaum ein<br />

Wort: N<strong>am</strong>e, Beruf, Alter? „Unwichtig“, winken sie ab<br />

– irgendwie passend für Menschen, die ihr Wochenende<br />

in Tarnkleidung gehüllt im Schatten eines Holzverschlags<br />

oder im Gebüsch verbringen.<br />

Gegen einen Blick auf das Display der K<strong>am</strong>era haben<br />

sie jedoch nichts. Stolz präsentieren sie die Ausbeute<br />

des Morgens: Mongolenregenpfeifer, Strandläufer,<br />

Seeadler und bunte Eisvögel in allen Variationen. Hat<br />

man die nicht irgendwann alle durchfotografiert? Der<br />

Birder mit dem größeren Objektiv schüttelt entschieden<br />

den Kopf: Klimaveränderungen und andere Faktoren<br />

führten dazu, dass immer wieder auch neue Vögel<br />

auftauchten.<br />

In einschlägigen Foren wird dann heftig diskutiert:<br />

Handelt es sich um einen Indischen Reiher – oder<br />

doch um eine andere Art? Und ist es derselbe, der<br />

schon letztes Jahr gesichtet wurde? Mit viel Leidenschaft<br />

posten und vergleichen die Vogelfreunde ihre<br />

Aufnahmen. Für Einsteiger stellt das Singapurs National<br />

Parks Board eine Checkliste der offiziell 223 Vogelarten<br />

des Naturschutzgebiets ins Netz. Zum Abhaken.<br />

Wenn es um die Besucherzahlen geht, stellen Singapurs<br />

Vögel die Touristen bereits jetzt mühelos in den<br />

Schatten: „Um die 50 Millionen Zugvögel kommen jedes<br />

Jahr“, sagt Subaraj, während es die menschlichen<br />

Reisenden nach Singapur jährlich „nur“ auf 17 Millionen<br />

bringen. Die Zahl der Zugvögel dürfte bald noch<br />

größer werden. Erst im Oktober 2018 wurden weitere<br />

72 Hektar Mangrovenhaine und Wattflächen im östlich<br />

angrenzenden Küstenstreifen Kranji-Mandai als<br />

Naturschutzgebiet ausgewiesen. Auch dieses Areal, direkt<br />

gegenüber der malaysischen Grenzstadt Johor<br />

Bahru gelegen, soll bis 2022 in einen Naturpark mit<br />

Wegen und Beobachtungshütten verwandelt werden.<br />

Singapurs Birder freuen sich schon jetzt darauf. Dann<br />

steigt nämlich die Chance, weitere Exoten wie den<br />

Großen Knutt oder einen Gelbscheitelbülbül direkt<br />

vor die Linse zu bekommen.<br />

T Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt<br />

von Singapore Tourism Board. Unsere Standards<br />

der Transparenz und journalistischen<br />

Unabhängigkeit finden Sie unter<br />

www.axelspringer.de/unabhaengigkeit<br />

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KREUZFAHRTEN<br />

SPEZIAL<br />

Seinen Geheimtipp<br />

gegen den Jetlag<br />

von New York nach<br />

Deutschland verrät<br />

Norman Faltus aus<br />

Achim gern: „Zurück nach H<strong>am</strong>burg<br />

mit der Yogakreuzfahrt“.<br />

Für den Reisevermittler und<br />

Veranstalter von Ärztefortbildungen<br />

gibt es nichts Besseres<br />

gegen den gefürchteten Zeitzonenkater<br />

als eine Atlantiküberquerung<br />

mit täglich bis zu drei<br />

Yogasessions und einem guten<br />

Buch. Deshalb hat er für Oktober<br />

erstmals eine Yogareise auf<br />

der Queen Mary zus<strong>am</strong>mengestellt<br />

und freut sich, dass er d<strong>am</strong>it<br />

gleichzeitig auch „Digital<br />

Detox“ anbieten kann. Denn W-<br />

Lan kostet an Bord nicht nur<br />

reichlich, es arbeitet meist auch<br />

nicht in der gewohnten Schnelligkeit<br />

und Zuverlässigkeit. „Da<br />

kann man gleich auch einer Medienabhängigkeit<br />

vorbeugen.“<br />

VON KARIN WILLEN<br />

Die entschleunigende Transatlantikpassage<br />

ist bei Weitem<br />

nicht das einzige Beispiel für<br />

den Trend von Reisevermittlern<br />

und Reedereien, mehr als eine<br />

Seereise mit Ausflugsprogr<strong>am</strong>m<br />

zu versprechen. Immer mehr<br />

Kreuzfahrten kreieren besondere<br />

Erlebnisse an Bord und entfernen<br />

sich noch weiter vom<br />

Image der Reiseform für betuchte<br />

Senioren, die gern im<br />

Smoking zum Dinner gehen. Da<br />

wird das Wochenangebot bei<br />

Sport und Wellness ausgeweitet,<br />

und es werden Event- und<br />

Themenreisen geplant. Oder die<br />

Anbieter schnüren spezielle Pakete<br />

für bestimmte Zielgruppen<br />

und ihre Bedürfnisse.<br />

FÜR JEDEN ETWAS So lassen<br />

es eingefleischte Hardrockfans<br />

bei TUI Cruises schon zum achten<br />

Mal auf der Full Metal Cruise<br />

auf Hoher See krachen. NCL<br />

verwandelt die Norwegian Pearl<br />

mit bekannten DJs in einen<br />

schwimmenden Dancefloor. Die<br />

Queen Mary stellt sich Models<br />

und Modeinteressierten als mobiler<br />

Catwalk zur Verfügung.<br />

Dialysepatienten finden Arzt<br />

und Dialysestation auf gleich<br />

zwei Schiffen bei Transocean.<br />

Selbst für Veganer gibt es Spezialangebote.<br />

Sie bedienen sich<br />

auf veganen Kreuzfahrten an<br />

komplett fleischfreien Buffets<br />

und trinken Wein, der ohne tierische<br />

Produkte geklärt und filtriert<br />

wurde. Yoga ist bei allen<br />

Angebotsformen sehr oft mit<br />

von der Partie. Meistens liegt<br />

das Angebot in der Mitte zwischen<br />

relaxt-entspannend (Yin)<br />

und kraftintensiv (Yang), es<br />

kommt aber immer auf den Yogalehrer<br />

an Bord an. Seit Star<br />

Clippers die altindische Gesundheitspraxis<br />

2004 an Bord<br />

geholt hat, weitet sich das Angebot<br />

kontinuierlich nicht nur in<br />

Entsp annte<br />

Passa ge<br />

Der Trend geht zu<br />

Relaxpaketen und<br />

Sportangeboten an<br />

Bord. Fast immer<br />

mit dabei ist Yoga<br />

In frischer Seeluft unterm blauen Horizont führen Körperübungen und Meditation zu einer noch<br />

intensiveren Selbsterfahrung<br />

der Großsegler-Reederei aus. In<br />

diesem Jahr sind auf den drei<br />

Star Clipper Schiffen sechs Yogalehrer<br />

beschäftigt. Sie starten<br />

den Tag mit einem aktivierenden<br />

Morgengruß in der frischen<br />

Seeluft an Deck und verabschieden<br />

die Sonne meist auch<br />

abends mit einer Entspannungseinheit<br />

auf dem sonnenwarmen<br />

Teakholz. Die zehn Yoga<br />

Kreuzfahrten unter weißen<br />

Segeln führen in die Karibik,<br />

nach Asien und ins Mittelmeer.<br />

TUI Cruises hat der Entwicklung<br />

2016 mit dem Start einer<br />

einwöchigen Yoga-Themenreise<br />

noch mal einen Schub gegeben.<br />

Im September sticht die<br />

Mein Schiff 2 erstmals mit einer<br />

Kombi aus Yoga und Fitness<br />

von Palma de Mallorca in See.<br />

Mit dieser vierten Yoga- und<br />

fünften Fitness-Kreuzfahrt bedient<br />

TUI Cruises die Lust der<br />

Urlauber, mal etwas Neues auszuprobieren<br />

und etwas für die<br />

Gesundheit und Beweglichkeit<br />

zu tun. Wer schon immer mal<br />

wissen wollte, was eigentlich<br />

Faszien-Yoga ist oder wie sich<br />

Aerial-Yoga, also die halb<br />

schwebenden Asanas genannten<br />

Körperübungen im Tuch<br />

anfühlen, kann das im Yoga-Paket<br />

in täglich bis zu vier Angeboten<br />

ausprobieren. Das Fitness-Paket<br />

bietet Step-Kurse,<br />

Aerobic und Functional Trainings<br />

an. Die Kurse sind so geplant,<br />

dass Schnupperer und<br />

Geübte passende Angebote finden.<br />

Wer dann immer noch<br />

nicht genug hat, kann in seiner<br />

Kabine aus 20 Yoga-Videos das<br />

passende Progr<strong>am</strong>m wählen.<br />

Inzwischen spielt Yoga auch<br />

auf der Aida eine größere Rolle:<br />

als Schnupperkurs, Workshop<br />

oder in Form privater Yogastunden.<br />

Yoginis können auf der<br />

Kursfläche des Fitness-Außendecks<br />

der neuen, emissionsarmen<br />

Nova mit Blick aufs Meer<br />

üben und meditieren. Unter<br />

dem Titel „Leichterleben in der<br />

Karibik“ bietet eine Relax-Reise<br />

mit der Perla entschleunigende<br />

Yogaübungen an Bord. Sie führt<br />

wahlweise nach Barbados oder<br />

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AIDA / TUI<br />

noch weiter in die Dominikanische<br />

Republik. Bei MSC geht<br />

man ebenfalls nicht an der trendy<br />

Gesundheitspraxis vorbei.<br />

Die Seaside und Seaview haben<br />

sogar ein eigenes Yogastudio.<br />

Und nächstes Jahr tourt die Divine<br />

eine Woche mit „Holistic<br />

Holiday at Sea“ durch die Karibik.<br />

Yoga-Körperübungen und<br />

Meditation sind Teil der Themenreise.<br />

Wer mit der Norwegian Epic<br />

fährt, kann täglich Yoga praktizieren,<br />

bei den anderen Schiffen<br />

der NCL-Gruppe gehört der<br />

Zweiklang von körperlichem<br />

Training und mentaler Entspannung<br />

zum Wochenprogr<strong>am</strong>m.<br />

Und auf der Breakaway<br />

und Getaway kann man den<br />

australischen Trendsport Chi<br />

Ball Fire Yoga ausprobieren.<br />

Dabei werden Körperwahrnehmung<br />

und Gleichgewicht mit<br />

handtellergroßen, duftenden,<br />

bunten Bällen geschult.<br />

GANZHEITLICHER ANSATZ<br />

Vollends ganzheitlich geht es<br />

auf den Wellness-Fahrten der<br />

Luxusreederei Seaburn zu. Im<br />

November startet zum Beispiel<br />

die Ovation von Piräus in den<br />

Nahen Osten mit dem international<br />

renommierten Präventionsmediziner<br />

Andrew Weil an<br />

Bord. Yoga gehört dort zum<br />

körperlichen praktischen Teil<br />

des „Weges zur antiken Wellness“.<br />

Hapag Lloyd bietet ein<br />

ganzheitliches Gesundheitsprogr<strong>am</strong>m<br />

mit Yoga unter dem<br />

Titel „IN2BALANCE – Reisen<br />

in die innere Mitte“.<br />

Neben den großen Veranstaltern<br />

behaupten sich aber auch<br />

im Mittelmeerraum kleinere<br />

Yachten meist türkischer Veranstalter.<br />

Sie bieten Yogareisen<br />

in Kombination mit Aquafit<br />

und Pilates und richten sich<br />

eher an geübte Yoginis. Das bestätigt<br />

Reisevermittler Faltus:<br />

„Der Trend geht zu Yoga und<br />

kleineren Schiffen“. Der Wellnessreisen-Branchenprimus<br />

Fit<br />

Reisen geht da noch einen<br />

Schritt weiter und setzt bei seinem<br />

Kreuzfahrtangebot um die<br />

Malediven-Atolle auf die Kombi:<br />

Tauchen neben Yoga und<br />

Wellness. Wer leicht seekrank<br />

wird, sollte allerdings von Aerial-Yoga,<br />

bei dem man in Tüchern<br />

hängt, Abstand nehmen,<br />

rät Yogalehrerin Helke Nienstädt,<br />

die die Yogareise auf der<br />

Queen Mary begleitet.<br />

Themenkreuzfahrten richten<br />

sich auch an Teilnehmer, die<br />

schon Praxis haben, aber auch<br />

einmal andere Stile probieren<br />

wollen. So gibt die TUI-Kreuzfahrt<br />

„Fitness trifft Yoga“ Einblick<br />

in Aerial Yoga, Faszien-Yoga,<br />

Ying Yoga, Hatha Yoga, Dyn<strong>am</strong>ic<br />

Yoga oder Vinyasa Power<br />

Yoga. Sofern nicht ausdrücklich<br />

ausgeschrieben, sind Yoga-Sessions<br />

gegen Gebühr: Sie beginnen<br />

bei zwölf Euro pro Stunde.


WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 KREUZFAHRTEN 53<br />

SPEZIAL<br />

Starköche<br />

entern die<br />

<strong>Welt</strong>meere<br />

MSC CRUISES (2), MS EUROPA<br />

Das Gastronomieangebot<br />

an Bord ist für die meisten Passagiere ein<br />

entscheidendes Buchungskriterium<br />

Für Anhänger des Intervallfastens<br />

ist der<br />

kulinarisch durchgetaktete<br />

Tagesablauf<br />

auf einem<br />

Kreuzfahrtschiff eher weniger<br />

geeignet. Early-Bird-Breakfast.<br />

Ausgiebiges Schlemmerfrühstück.<br />

Frühschoppen mit deftigen<br />

Bierhappen. Fünf-Gänge-<br />

Lunch. Tortenschlacht.<br />

VON HANS SCHLOEMER<br />

Cocktailhäppchen. Gourmet-<br />

Dinner. Mitternachtsimbiss.<br />

Und auf dem Kopfkissen in der<br />

Kabine wartet auch noch ein<br />

schokoladiges Gute-Nacht-Leckerli.<br />

Nach einer Studie stellt<br />

das Gastronomieangebot an<br />

Bord für mehr als zwei Drittel<br />

aller potenziellen Passagiere<br />

ein entscheidendes Buchungskriterium<br />

dar. Das wissen auch<br />

die Reedereien. Und tischen<br />

immer wieder neue kulinarische<br />

Reize auf. Spektakuläre<br />

Kochevents, noch mehr Spezialitätenrestaurants<br />

– und große<br />

N<strong>am</strong>en in der Kombüse.<br />

25 Jahre in Folge wurde er<br />

mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet:<br />

Jetzt denkt sich Harald<br />

Wohlfahrt, vormals<br />

„Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn,<br />

Menüs und Hauptgerichte<br />

für die Megaliner von MSC<br />

Cruises aus. Auch illustre Kollegen<br />

sind <strong>am</strong> Start: Der Zwei-<br />

Sterne-Koch R<strong>am</strong>ón Freixa aus<br />

Madrid zeichnet auf der neuen<br />

MSC Bellissima für das „Hola!“<br />

verantwortlich, serviert werden<br />

Edel-Tapas. Auf der Dessertkarte<br />

von MSC Meraviglia und<br />

MSC Bellissima stehen zudem<br />

Kreationen des französischen<br />

Spitzenpatissiers Jean-Philippe<br />

Maury. Auch die Kleinen sollen<br />

nicht darben: Der Mailänder<br />

Sternekoch Carlo Cracco hat<br />

bei MSC ein Kocherlebnis eigens<br />

für Kinder entwickelt.<br />

Das Starchef-Konzept funktioniert<br />

auf den meisten Kreuz-<br />

fahrtschiffen gleich. Der große<br />

Meister schreibt die Menüs, ist<br />

aber kaum an Bord. Ausnahme:<br />

Dieter Müller. Der ehemalige<br />

Drei-Sterne-Koch hat zehn Jahre<br />

auf der MS Europa ein Restau-<br />

rant geführt, das seinen N<strong>am</strong>en<br />

trägt. 80 Tage pro Jahr schipperte<br />

er persönlich mit. Nach einem<br />

Werftaufenthalt im Oktober<br />

übernimmt Kevin Fehling vom<br />

H<strong>am</strong>burger „The Table“ (3 Sterne).<br />

20 Tage will er selbst im<br />

neuen „Globe“ kochen. Für Fehling<br />

ist es ein besonderes Comeback<br />

– zu Beginn seiner Karriere<br />

hatte er auf der Europa als Souschef<br />

die <strong>Welt</strong> bereist.<br />

Höchst dekorierte Köche<br />

sind immens gefragt: So eröffnet<br />

der französische Drei-Sterne-Chef<br />

Emmanuel Renaut im<br />

Herbst auf auf der neuen Sky<br />

Princess das Haute-Cuisine-<br />

Restaurant „La Mer“. Für Pullmantur<br />

Cruises entwickelt der<br />

junge Spanier Jordi Cruz (drei<br />

Sterne) gerade neue Kreationen<br />

an Bordmenüs und Innovationen<br />

für die Buffets.<br />

Es dürfen aber auch gern<br />

bekannte Fernsehköche sein:<br />

Stefan Marquard, nur echt mit<br />

Piratentuch und Zauselbart,<br />

zaubert für die Gäste von<br />

AIDAnova und AIDAaura. Auf<br />

der AIDAmar zeigt die Eventund<br />

YouTube-Köchin Felicitas<br />

Then, wie man durch simple<br />

Tricks einfachen Gerichten<br />

mehr Pepp verleihen kann.<br />

Harald Wohlfahrt (l.) denkt sich Menüs für die Megaliner<br />

von MSC Cruises aus, der H<strong>am</strong>burger Kevin Fehling kocht<br />

bald drei Wochen auf der MS Europa<br />

HUMMER UND STEAK Auch<br />

die immer stärker grassierende<br />

Grill-Kultur hat sich aus Gärten<br />

und Balkonien an Bord gebe<strong>am</strong>t.<br />

Ohne ein eigenes Steakhouse<br />

wagt sich kaum noch ein<br />

Schiff auf die sieben Meere. Bei<br />

Cunard heißt die neue Formel<br />

„Steakhouse at The Verandah“.<br />

Aber Steak ist dort selbstverständlich<br />

nicht gleich Steak.<br />

Auf Queen Mary 2, der Queen<br />

Elizabeth und der Queen Victoria<br />

laben sich die Passagiere an<br />

New York-Clubsteak, Maine-<br />

Hummer und Alaska-Königskrabbe,<br />

Schottischem Rindfleisch<br />

und Salt-Marsh-L<strong>am</strong>mkarree<br />

wie an butterweichem<br />

Wagyu-Rind aus Australien.<br />

An einem guten Tropfen soll<br />

es auf offener See ohnehin nie<br />

fehlen. Die in der Szene bekannten<br />

Weinnasen Oz Clarke,<br />

Will Lyons und Charles Metcalfe<br />

sind Special Guests einer Cunard<br />

Themenreise, bei der sich<br />

im September für 15 Tage alles<br />

um edle Weine drehen wird.<br />

Neben Expertengesprächen<br />

sind auch reichlich Verkostungen<br />

vorgesehen: Wie die Reederei<br />

mitteilt, können ihre Gäste<br />

auf dieser Reise bis zu 400 Weine<br />

aus 23 Ländern kennenlernen.<br />

Wohl bekomm’s!<br />

Ob Starkoch oder Smutje:<br />

Vielfalt, Abwechslung und Qualität<br />

sämtlicher Speisen an Bord<br />

müssen hundertprozentig stimmen<br />

und mit den Anforderungen<br />

einer weltweiten Beschaffungslogistik<br />

in Einklang gebracht<br />

werden. Immer wichtiger wird<br />

dabei die Abstimmung auf ein<br />

wechselndes internationales Publikum.<br />

Amerikaner mögen zumeist<br />

große Portionen mit viel<br />

Fleisch. Ohne Käse nach dem<br />

kulturen erleben<br />

WALLONIEN<br />

EINE REISE DURCH<br />

EUROPAS GESCHICHTE<br />

Flusskreuzfahrt ab/bis Düsseldorf<br />

vom 20.07.2019-26.07.2019<br />

Mit der kleinen, komfortablen<br />

MS ELEGANT LADY<br />

unterwegs auf<br />

der Maas und dem Julianakanal<br />

Preis p. P. ab € 1.195,–<br />

in 2-Bett-Außenkabine<br />

Persönliche Beratung und Buchung<br />

Tel. 07 11 /6 19 25-23 oder -39<br />

Hauptgang und vor dem Dessert<br />

ist ein Menü für Franzosen nicht<br />

vollständig. Italiener möchten<br />

auf ihre Pasta nicht verzichten.<br />

Bei den Deutschen muss Gemüse<br />

dabei sein. Spanier essen gern<br />

spät. Und dann sind da ja noch<br />

die immer mehr werdenden Veganer<br />

und Vegetarier.<br />

menschen begegnen<br />

50 %<br />

Preisnachlass für<br />

die 2. Person in einer<br />

Doppelkabine*<br />

Genießen Sie die Gastlichkeit<br />

an Bord und ein attraktives Ausflugsprogr<strong>am</strong>m<br />

mit exzellenter<br />

Reiseleitung (im Preis enthalten).<br />

* gilt nur für Neubuchungen<br />

bis 20.05.2019<br />

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www.biblische-reisen.de<br />

anthony.king@ biblische-reisen.de<br />

© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung WELT <strong>am</strong> SONNTAG KOMPAKT-2019-05-05-ad_rom-20 d303819bfe5e76bd858c8f6bd6d14bdc


REISEEMPFEHLUNG<br />

GRÖNLANDREISEN AUF DER ASTOR<br />

ANZEIGEN-SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />

Gewaltige Eisberge im tiefblauen Meer, in Buchten geschmiegte<br />

Städtchen mit bunten Holzhäusern und die Naturwunder arktischer<br />

Eiswelten in Grönland. Auf einer Schiffsreise mit der MS Astor nach<br />

Island und Grönland erleben Sie all dies und noch viel mehr.<br />

Das Schiff bahnt sich seinen Weg durchs<br />

Eis – zu wildromantischen Landschaften<br />

und spannender Kultur<br />

MIT MS ASTOR IN DEN POLARSOMMER<br />

EWIGES EIS<br />

AM NORDMEER<br />

Auf Island schießen Fontänen<br />

in den Himmel, Thermalquel-<br />

len d<strong>am</strong>pfen und Gletscher<br />

flirten mit schlummernden<br />

Vulkanen. Grönland lockt mit<br />

einer fantastischen <strong>Welt</strong> aus<br />

Eis und schneebedeckten Bergen<br />

über grünen Küstensäumen,<br />

farbenprächtigen Sonnenuntergängen<br />

und span-<br />

nender Inuit-Kultur.<br />

Die ASTOR von TransOcean<br />

Kreuzfahrten ist eines der weni-<br />

gen Schiffe, das aufgrund seiner<br />

geringen Größe Expeditionen in<br />

solche Regionen möglich macht.<br />

Unter dem Motto „Grönland<br />

komplett“ nimmt sie vom 1. bis<br />

zum 24. Juli 2019 oder im nächs-<br />

ten Sommer vom 1. bis zum 24.<br />

Juli 2020 von Bremerhaven aus<br />

Kurs auf spektakuläre Naturphä-<br />

nomene und unvergessliche<br />

Abenteuer – zus<strong>am</strong>men mit ei-<br />

nem Lektoren-Te<strong>am</strong> und weiteren<br />

Wissenschaftlern, die die Passa-<br />

giere auf Landgängen begleiten<br />

und in Vorträgen an Bord aus ers-<br />

ter Hand über die zu bereisenden<br />

Destinationen informieren.<br />

Die 24-tägige Expeditionsreise<br />

beginnt ganz entspannt mit zwei<br />

Seetagen, die neben Erholung<br />

auch schon erste Informationen<br />

zu den Zielen in Island und Grönland<br />

bereithalten. Die ausgefeilte<br />

Route von TransOcean Kreuzfahrten<br />

bietet neben zahlreichen Passagen<br />

wie dem imposanten Prins<br />

Christian Sund oder der Diskobucht<br />

auch eine große Anzahl an<br />

abwechslungsreichen Ausflügen.<br />

Passagiere erleben die einzigartige<br />

Landschaft auf Bootsfahrten<br />

zwischen Eisbergen in Ilulissat,<br />

Helikopter-Flügen oder Wanderungen<br />

zum Eisfjord und zu alten<br />

Inuit-Siedlungsplätzen.<br />

Um die ges<strong>am</strong>melten Eindrücke<br />

verarbeiten zu können, ist die AS-<br />

TOR mit ihren maximal 570 Passagieren<br />

der ideale Rückzugsort.<br />

Die persönliche Atmosphäre verbunden<br />

mit der stilvollen Ausstattung<br />

bietet perfekten Komfort für<br />

das „Zuhause unterwegs“.<br />

MS ASTOR steht für klassische<br />

Kreuzfahrt-Tradition und zeichnet<br />

sich durch erstklassigen Service,<br />

<strong>am</strong>bitionierte Küche und anspruchsvolle<br />

Unterhaltung aus.<br />

Ein guter Mix für eine so lange<br />

Kreuzfahrt in ein so extremes<br />

Fahrtgebiet, für Passagiere ein<br />

Garant für unvergleichliches Reisevergnügen.<br />

. . .<br />

Einzigartig<br />

– durch besondere<br />

Touren und Reiseziele.<br />

<br />

Der Kreuzfahrtmarkt boomt. Aber welches<br />

Konzept ist genau richtig für Sie? Wenn<br />

Sie Schiffe suchen, die zwar modern und<br />

vielfältig sind, aber nicht riesig und unpersönlich,<br />

wenn Sie Destinationen suchen,<br />

die noch nicht jedes Kreuzfahrtschiff angelaufen<br />

ist, wenn Sie individuelle Betreuung<br />

wünschen und nicht Massenabfertigung,<br />

dann – willkommen bei<br />

TransOcean.<br />

KREUZFAHRT IM BANN DER NATURWUNDER<br />

Zwölf Kabinen-Kategorien von der opulenten ASTOR-Suite bis zur<br />

Glückskabine (innen) stehen zur Verfügung und bieten jedem Gast<br />

die freie Auswahl für seine persönliche Rückzugs-Oase.<br />

Polarsommer in Island & Grönland – im Bann der Naturwunder<br />

vom 1. bis 24. Juli 2019 oder Naturgewaltiges Island<br />

und Eiswelten in Grönland vom 1. bis 24. Juli 2020.<br />

Jeweils 24 Tage Kreuzfahrt mit der MS ASTOR ab & bis Bremerhaven,<br />

ab 3.999 Euro/Person.<br />

www.transocean.de<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 KREUZFAHRTEN 55<br />

SPEZIAL<br />

Fernweh. Sehnsucht<br />

nach fremden Ländern.<br />

Andere Kulturen<br />

kennenlernen.<br />

Das sind drei gute<br />

Gründe, um auf einem Schiff<br />

anzuheuern. Helga Belsky hat<br />

den Sprung an Deck gewagt und<br />

fuhr als Hostess auf Hapag-<br />

Lloyd-Schiffen fast zehn Jahre<br />

lang mit.<br />

Schon zu Schulzeiten wollte<br />

sie in die <strong>Welt</strong> hinaus, d<strong>am</strong>als<br />

träumte sie von einem Einsatz<br />

als Stewardess. Doch dann k<strong>am</strong><br />

alles anders. Sie machte nach<br />

dem Abi eine Ausbildung zur<br />

Fremdsprachensekretärin und<br />

schloss später eine Weiterbildung<br />

zur PR-Managerin an. Im<br />

Zeitalter der Billigflieger war<br />

ihr gänzlich die Lust vergangen,<br />

im Flieger ihr Geld zu verdienen.<br />

Aber Kundenkontakt war<br />

ihr wichtig. Die Berlinerin arbeitete<br />

in Hotels und in zwei<br />

angesehenen Berliner Business<br />

Clubs, kümmerte sich um Gästebetreuung<br />

und um Veranstaltungen.<br />

Nach dem Tod ihrer<br />

Mutter wollte sie auch eine berufliche<br />

Veränderung.<br />

VON CAROLA V. POMPETZKI<br />

Da war es wie ein Zeichen,<br />

dass ihr eine Kollegin einen<br />

Link für eine Stellenausschreibung<br />

schickte. Auf dem<br />

Smartphone tauchten zunächst<br />

nur wenige magische Worte<br />

auf: „Hostess gesucht. Mindestalter:<br />

40 Jahre“. Die heute 53-<br />

Jährige war gerade knapp über<br />

40. „Das war genau das, was ich<br />

machen wollte.“ Die Voraussetzungen,<br />

gutes Englisch, souveränes<br />

Auftreten und Menschenkenntnis,<br />

erfüllte sie. Dann ging<br />

alles ganz schnell, Helga Belsky<br />

startete 2008 als Hostess, erst<br />

auf einer Probefahrt nach<br />

Grönland, fuhr dann auf MS<br />

Bremen, MS Hanseatic und gelegentlich<br />

auf MS Columbus 2<br />

als Guest Relation Manager.<br />

STRENG NACH PROGRAMM<br />

Zwei Jahre wollte sie den Hostessen-Job<br />

machen, um den Bezug<br />

zur Realität nicht zu verlieren.<br />

Denn auch, wenn man an<br />

Bord keine geregelten 8-Stunden-Tage<br />

und 5-Tage-Wochen<br />

hat, werden einem doch ganz<br />

normale Alltagsarbeiten abgenommen<br />

wie einkaufen, kochen,<br />

Wäsche waschen. „Das<br />

kann schon verführerisch sein.<br />

Man muss einfach nur arbeiten“,<br />

fasst Frau Belsky zus<strong>am</strong>men.<br />

Dabei werde die Arbeit<br />

auf einem Expeditionsschiff<br />

wie der Bremen oder Hanseatic<br />

vom Tagesprogr<strong>am</strong>m diktiert.<br />

„Das erstellt der Kreuzfahrtdirektor<br />

in Absprache mit den anderen<br />

Abteilungen“, so die Ex-<br />

Hostess. Es sei auch eine Richtlinie<br />

für alle Mitarbeiter. Darin<br />

ist festgelegt, wann es Frühstück,<br />

Mittag- und Abendessen<br />

gibt, wann die Ausflüge starten<br />

und das Abendprogr<strong>am</strong>m beginnt.<br />

„Dem muss sich alles unterordnen.<br />

Wenn früh morgens<br />

bei einer Expeditionskreuz-<br />

Immer präsent<br />

Helga Belsky hat rund acht Jahre als Hostess<br />

auf Expeditionskreuzfahrtschiffen gearbeitet. Dabei<br />

hat sie nicht nur andere Länder kennengelernt,<br />

sondern auch viel über sich selbst erfahren<br />

Keine Uniform?<br />

Nicht im Außeneinsatz<br />

in der<br />

Antarktis<br />

fahrt die erste Anlandung ist,<br />

dann bedeutet das natürlich<br />

auch, dass man entsprechend<br />

früh aufsteht, um bereit zu<br />

sein“, sagt Helga Belsky.<br />

Denn auch eine Hostess wird<br />

häufig bei Ausflügen eingebunden.<br />

„Da hat sich das Berufsbild<br />

in den vergangenen Jahren gewandelt“,<br />

so die frühere Hapag-<br />

Lloyd-Mitarbeiterin. „Ursprünglich<br />

fungierte sie als<br />

Gastgeberin auf dem Schiff.“<br />

Sie war bei Veranstaltungen dabei,<br />

hat dem Kapitän Gäste vorgestellt<br />

und das Einladungsmanagement<br />

für die Offizierstische<br />

gemacht. „Das alles macht<br />

eine Hostess heute auch noch“,<br />

sagt Organisationstalent Belsky.<br />

„Inzwischen sind noch administrative<br />

Dinge dazugekommen.<br />

Auf den Expeditionsschiffen,<br />

auf denen ich gefahren bin,<br />

ist die Hostess zum Beispiel<br />

auch zuständig für die Zodiac-<br />

Ausbootungen.“ Das heißt, sie<br />

sorgt für einen reibungslosen<br />

Ablauf und achtet darauf, dass<br />

die Gäste sicher auschecken<br />

und in das kleinere Schlauchboot<br />

kommen. Vor allem aber<br />

darf kein Chaos entstehen,<br />

wenn plötzlich 60 Menschen<br />

gleichzeitig einsteigen wollen.<br />

„F<strong>am</strong>ilien und Freunde zu trennen,<br />

ist auch nicht wirklich zu<br />

empfehlen“, so Helga Belsky lakonisch.<br />

Je zufriedener die Passagiere<br />

seien, desto besser sei<br />

die Stimmung an Bord.<br />

Auch eine eher neue Aufgabe<br />

für Hostessen, die neudeutsch<br />

jetzt auch Guest Ralation Manager<br />

heißen, ist der Einsatz als<br />

„Field Staff“: Durch die immer<br />

strenger werdenden Sicherheitsauflagen<br />

macht es Sinn,<br />

dass sie auch an Land den Gästen<br />

helfend zur Seite stehen,<br />

Auskünfte geben, dafür sorgen<br />

dass an der Landstation genug<br />

Boote zur Verfügung stehen,<br />

wenn die Ausflügler wieder aufs<br />

Kreuzfahrtschiff wollen.<br />

Unterstellt ist die Hostess<br />

auf den Expeditionsschiffen<br />

von Hapag Lloyd dem Kreuzfahrtdirektor.<br />

Nichts desto<br />

trotz ist sie bei Empfängen<br />

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oder Abendessen an der Seite<br />

des Kapitäns. „Man versucht,<br />

dass alle Passagiere mindestens<br />

einmal vom Kapitän oder einem<br />

seiner Offiziere bzw. Abteilungsleiter<br />

zum Abendessen<br />

eingeladen werden“, umreißt<br />

Belsky eine tägliche Herausforderung.<br />

Je nach Länge der Reise<br />

sei das mal einfacher, mal<br />

schwieriger.<br />

An dienstfreien Abenden<br />

kann die Hostess mit anderen<br />

Mitarbeitern in der Offiziersmesse<br />

essen. „Der gute Kontakt<br />

zu den Kollegen ist unheimlich<br />

wichtig, gerade, wenn man lange<br />

zus<strong>am</strong>menarbeiten muss“,<br />

findet Helga Belsky. Wenn man<br />

bis zu drei Monate <strong>am</strong> Stück auf<br />

einem Schiff arbeite, müsse<br />

man aufeinander zugehen und<br />

offen seinen Mitmenschen gegenüber<br />

sein. „Man lernt sehr<br />

viel über sich selbst, muss Dinge<br />

allein mit sich ausmachen<br />

und kann nicht weglaufen. Gerade<br />

deshalb ist dann die Gemeinschaft<br />

essenziell.“ Fällt<br />

Personal an Bord aus, würden<br />

LAROCCA LOREDANA<br />

die Aufgaben neu verteilt.<br />

„Dann serviert auch mal der<br />

Hoteldirektor mit“, sagt Frau<br />

Belsky. Dies könne schon einmal<br />

bei allzu rauher See passieren.<br />

„Ich habe es aber in all den<br />

Jahren nicht erlebt, dass der<br />

Service ganz eingestellt wurde“,<br />

erinnert sich die frühere<br />

Hostess.<br />

Können durch schlechtes<br />

Wetter keine Ausflüge unternommen<br />

werden, weil etwa das<br />

Anlanden oder Ausbooten zu<br />

gefährlich wäre, „dann wird das<br />

Progr<strong>am</strong>m umgestellt, gibt es<br />

zusätzliche Lektoren-Vorträge,<br />

wird ein Quiz gemacht oder ein<br />

Konzert eingeschoben“. Bei<br />

schwerem Seegang hätte die<br />

Hostess auf der Bremen in ihrer<br />

Einzelkabine richtig viel Spaß.<br />

„Die ist ganz vorn, das erste<br />

Bullauge auf Deck vier, auch<br />

,Hotel zum Anker’ genannt“<br />

Heißt, da bekommt man alles<br />

näher mit, als einem lieb ist.<br />

HERZLICHKEIT ZÄHLT<br />

Von<br />

wegen Nähe: „Auf der Bremen<br />

kommt man den Gästen sehr<br />

nah, weil es ein kleines intimes<br />

Schiff ist“, findet Frau Belsky,<br />

die im Schnitt rund 150 Gäste<br />

auf der Bremen hatte. Man unterhalte<br />

sich zum Beispiel in<br />

der Bibliothek und lerne dabei<br />

die F<strong>am</strong>ilienverhältnisse des<br />

anderen kennen. St<strong>am</strong>mgäste<br />

gebe es auch. „Die winkten mir<br />

schon bei der Einschiffung zu<br />

und freuten sich, Mitarbeiter<br />

wiederzusehen. Teilweise fallen<br />

sie einem sogar um den Hals.“<br />

Vielleicht war diese Herzlichkeit<br />

mit ein Grund, warum Helga<br />

Belsky nicht ganz ihre Vorsätze<br />

einhalten konnte. Nach<br />

zwei Jahren Dienstzeit ging sie<br />

zwar wie geplant von Bord, k<strong>am</strong><br />

aber zwei Jahre später schon<br />

wieder zurück, weil „die Sehnsucht<br />

einfach zu groß war“.<br />

Es folgten noch einmal rund<br />

sechs Jahre Dienstzeit, mit Einsätzen<br />

von maximal drei Monaten<br />

Arbeitszeit hintereinander.<br />

Obwohl von Haus aus ein Sonnentyp,<br />

fuhr sie als Hostess<br />

eher in eisige Gegenden. Wie<br />

oft sie in der Antarktis war,<br />

weiß sie gar nicht mehr genau,<br />

„aber 15 mal bestimmt“. Seit ihrer<br />

ersten Pinguin-Sichtung –<br />

Kaiser-Pinguine auf Macquarie<br />

Island auf der antarktischen<br />

Halbinsel – ist sie ein Fan der<br />

watschelnden Tiere und der<br />

Antarktis. „Durch die Mitternachtssonne<br />

ist es dort auch im<br />

Winter immer hell. Ein<br />

Traum!“<br />

Helga Belsky ging im Herbst<br />

vergangenen Jahres dann doch<br />

wieder an Land, um zu heiraten<br />

und mehr Zeit mit ihrem Mann<br />

und Freunden verbringen zu<br />

können. Sie arbeitet jetzt als<br />

Mitarbeiterin des Protokolls<br />

bei der Stiftung Preußischer<br />

Kulturbesitz in Berlin. „Geregelte<br />

Arbeitszeiten haben auch<br />

etwas für sich“, sagt sie. Aber<br />

für eine gewisse Zeit würde sie<br />

den Hostessenjob jedem empfehlen,<br />

der leidenschaftlich<br />

gern mit Menschen arbeitet.


Hast du gezittert,<br />

als ich im<br />

Halbfinale 1990 zum<br />

Punkt gelaufen bin?<br />

Es war der erste<br />

Elfmeter meiner<br />

Karriere.<br />

KALLE RIEDLE,<br />

WELTMEISTER 1990<br />

Königin<br />

Jennifer Kettemann bändigt in<br />

Mannheim die Rhein-Neckar Löwen S. 60<br />

Erfolg bekommt niemand<br />

geschenkt, den<br />

muss sich jeder erarbeiten,<br />

auch wenn es<br />

bei manchen vielleicht<br />

leichter aussieht. Dieser<br />

Kelch ging also auch nicht an mir vorüber.<br />

Ich musste mich wie die anderen<br />

auch im Training abwerkeln. Hier und da<br />

ist mir einiges vielleicht leichter gefallen<br />

als anderen, aber die wichtigen Sachen<br />

musste auch ich mir hart erarbeiten. Da<br />

kommt keiner drumherum.<br />

Überhaupt nicht. Ich hatte hundert<br />

Prozent Vertrauen, zu dir<br />

und auch zu den anderen Schützen.<br />

Manche sagen, Elfmeterschießen<br />

sei reine Glückssache.<br />

Das stimmt nicht. Man kann das<br />

üben. Deswegen habe ich <strong>am</strong> Ende des Trainings<br />

immer Elfmeterschießen trainieren lassen.<br />

Wir waren also bestens vorbereitet. Anders<br />

als die Engländer, das kennt man ja. Ich<br />

wusste, wir gewinnen. Ursprünglich sollte Rudi<br />

Völler schießen. Die Schützen waren vorbestimmt,<br />

die Reihenfolge auch. Durch die Einwechslung<br />

musstest du zum Elfmeterpunkt.<br />

Ich war mir sicher, dass du triffst.<br />

Du hattest so eine<br />

Leichtigkeit im Spiel.<br />

Fiel dir wirklich alles<br />

so leicht, oder<br />

musstest du für deinen<br />

Erfolg genauso hart<br />

arbeiten wie andere?<br />

JÉRÔME BOATENG,<br />

WELTMEISTER 2014<br />

Aufsteiger<br />

Onel Hernández startet in England durch<br />

und will ins kubanische Nationalte<strong>am</strong> S. 61<br />

,<br />

Hattest du den Schuss vom<br />

Weißbierglas vor deinem<br />

Auftritt im ,Sportstudio‘<br />

schon mal gemacht?<br />

THOMAS BERTHOLD,<br />

<strong>Welt</strong>meister 1990<br />

Nein, das war eine<br />

spontane Situation,<br />

und es war das erste<br />

Mal. Ich hatte das<br />

auch nicht heimlich<br />

trainiert – schon weil<br />

ich Weißbier d<strong>am</strong>als lieber getrunken<br />

als verschüttet hab. Hinterher<br />

habe ich es allerdings noch ein paarmal<br />

gemacht.<br />

Ich hab rechtzeitig erkannt,<br />

dass ich mich<br />

besser an den Spruch<br />

halte: Schuster, bleib bei<br />

deinen Leisten. Als<br />

Hobby hab ich es aber<br />

immer sehr genossen, vor allem zur Entspannung.<br />

Wobei das mit der Entspannung<br />

früher nicht immer funktionierte.<br />

Aber die besten Golfplätze liegen in<br />

schönster Natur, das ist auf jeden Fall gut<br />

für die Seele. Gerade erst war ich für meine<br />

Stiftung mit den Eagles zu einem Turnier<br />

in einer wunderschönen Gegend der<br />

Toskana.<br />

Hat dich beim Golf<br />

jemals der Ehrgeiz<br />

dermaßen gepackt,<br />

dass du überlegt<br />

hast, den Sport nicht<br />

länger nur als Hobby<br />

zu betreiben?<br />

THOMAS MÜLLER,<br />

WELTMEISTER 2014<br />

Wie war das 1974<br />

nach dem<br />

DDR-Spiel<br />

eigentlich mit<br />

meinem Einsatz<br />

im Te<strong>am</strong>?<br />

RAINER BONHOF,<br />

<strong>Welt</strong>meister 1974<br />

Helmut Schön war nach der Bl<strong>am</strong>age<br />

gegen die DDR gewillt, die<br />

Mannschaft umzukrempeln.<br />

Und er kannte natürlich deine<br />

Stärken, deine Dyn<strong>am</strong>ik. Offensichtlich<br />

hat er d<strong>am</strong>als gesehen,<br />

dass du in der Situation der Richtige bist für<br />

unser Spiel. So bist du in die Mannschaft gekommen<br />

und bis zum Endspiel geblieben.<br />

Wenn du auf meine Rolle anspielst: Als Kapitän<br />

war es natürlich meine Aufgabe, eng mit dem<br />

Bundestrainer zus<strong>am</strong>menzuarbeiten. Dazu gehörte<br />

für mich auch, dass ich ihm den einen<br />

oder anderen Vorschlag unterbreitete.<br />

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,<br />

Ich musste<br />

,ch<br />

,mich<br />

ch musste<br />

im<br />

Training<br />

auch<br />

abwerkeln<br />

FRANZ BECKENBAUER<br />

Der „Kaiser“ wurde erst als Spieler und<br />

dann als Trainer Fußball-<strong>Welt</strong>meister.<br />

Hier steht der 73-Jährige zehn<br />

<strong>Welt</strong>meistern Rede und Antwort<br />

Franz Beckenbauer<br />

Fußballkaiser<br />

<strong>Welt</strong>meister als Spieler<br />

(1974) und Trainer (1990)<br />

und bekanntester deutscher<br />

Sportler. Gegen ihn<br />

läuft seit dem 6.11.2015 in<br />

der Schweiz ein Strafverfahren<br />

wegen des<br />

Verdachts auf Betrug,<br />

Geldwäsche und Veruntreuung<br />

in Zus<strong>am</strong>menhang<br />

mit der WM 2006.<br />

BONGARTS/GETTY IMAGES/ALEXANDER HASSENSTEIN; AFP/GETTY IMAGES/SASCHA SCHUERMANN, PICTURE ALLIANCE / AUGENKLICK (2), GETTY IMAGES (4), PICTURE ALLIANCE (4)<br />

Alle Freunde, die mir lieb<br />

und wichtig sind. Dazu<br />

gehörst auch du, Wolfgang,<br />

das weißt du ja. Deine<br />

regelmäßigen Anrufe<br />

haben mich immer wieder<br />

aufgebaut. Ebenso wie die Telefonate<br />

mit Günter Netzer und mit den Freunden<br />

beim FC Bayern. Es gibt so viele, die mich<br />

unterstützt haben; unmöglich, alle aufzuzählen,<br />

dafür würde der Platz hier nicht<br />

reichen.<br />

Wie hast du dein<br />

Leben nach der<br />

Fußball-Karriere<br />

gemeistert? Und hast<br />

du Tipps für mich?<br />

MARIO GÖTZE,<br />

<strong>Welt</strong>meister 2014<br />

Lieber Helmut,<br />

danke<br />

für deine<br />

Nachfrage,<br />

ich weiß das<br />

zu schätzen.<br />

Lass es mich so sagen: Es ist<br />

nicht gerade die Zeit, um Bäume<br />

auszureißen, aber es geht<br />

mir besser, ich bin ganz zufrieden.<br />

Welche<br />

Maßnahmen<br />

würden Sie<br />

treffen, um den<br />

Frauenfußball in<br />

Deutschland zu<br />

popularisieren?<br />

SIMONE LAUDEHR,<br />

<strong>Welt</strong>meisterin 2007<br />

SPORT<br />

Du hast eine schwere<br />

Zeit durchstehen<br />

müssen. Welche<br />

Freunde haben in der<br />

Not zu dir gestanden?<br />

WOLFGANG OVERATH,<br />

<strong>Welt</strong>meister 1974<br />

Einem solch begnadeten<br />

Fußballer wie dir<br />

kann ich nur den Ratschlag<br />

geben: Bleib im<br />

Fußballgeschäft. Es<br />

gibt nichts Schöneres<br />

als Fußball. In welcher Position, ob als<br />

Manager, Spielerberater oder als TV-<br />

Experte, das musst du selbst herausfinden.<br />

Oder womöglich als Trainer?<br />

Aber das ist hart, das ist wahrscheinlich<br />

der härteste Posten überhaupt.<br />

Das schließt ihn nicht aus, aber das<br />

muss man wissen, wenn man diesen<br />

Weg einschlagen will.<br />

Ich könnte dir hier viele<br />

Fragen stellen. Aber nach all<br />

dem, was du zuletzt<br />

durchmachen musstest,<br />

möchte ich nur eines wissen:<br />

Wie geht es dir?<br />

HELMUT KREMERS,<br />

<strong>Welt</strong>meister 1974<br />

Ich kenne keinen Spieler, der<br />

gleichermaßen mit rechts<br />

und links mit einer solchen<br />

Präzision schoss, wie du das<br />

konntest. Die Torhüter wussten<br />

nie, mit welchem Bein du<br />

schießt. Es stimmt, Lothar war als erster Elfmeterschütze<br />

festgelegt. Aber dadurch, dass er<br />

zur Halbzeit seine Schuhe wechseln musste,<br />

fühlte er sich nicht sicher. Als du dir den Ball<br />

genommen hast, hatte ich nicht die geringste<br />

Befürchtung. Mit deiner Präzision hättest du<br />

einen Vogel von der Latte schießen können.<br />

Ich verfolge Frauenfußball seit vielen<br />

Jahren. Er hat enorme Fortschritte<br />

gemacht, nicht nur in Deutschland.<br />

Das wird von den Menschen honoriert.<br />

Stärkere Werbemaßnahmen<br />

könnten ihn sicher noch populärer<br />

machen. Da sind die Verbände gefragt. Es müssten öfter<br />

Spiele im Fernsehen gezeigt werden, zu attraktiven<br />

Zeiten. Auch das eine Aufgabe für die Verbände,<br />

die mit den Medien geeignete Wege aushandeln<br />

müssten. Gut wäre, wenn bekannte ehemalige Spielerinnen<br />

präsenter wären in der Öffentlichkeit, auch<br />

als Vorbilder für den Nachwuchs. Zum Beispiel als<br />

TV-Expertin. Warum sollte Sky nicht mal eine Frau<br />

als Expertin präsentieren?<br />

Was hast du 1990<br />

gedacht, als ich im<br />

Finale zum<br />

Elfmeter<br />

angetreten bin und<br />

nicht der Lothar?<br />

ANDREAS BREHME,<br />

<strong>Welt</strong>meister 1990<br />

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58 SPORT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

NACHRICHTEN<br />

FUSSBALL<br />

0:3 – Bl<strong>am</strong>age<br />

für den HSV<br />

Der H<strong>am</strong>burger SV bleibt in<br />

der Krise. Gegen Ingolstadt<br />

verlor die Elf von Trainer<br />

Hannes Wolf 0:3 (0:1) und<br />

bleibt Tabellenvierter der<br />

Zweiten Liga. Die anderen<br />

S<strong>am</strong>stagspiele: Heidenheim<br />

– Sandhausen 2:3 (1:0), Bochum<br />

– Magdeburg 4:2 (1:0).<br />

Luka Jovic vor<br />

Wechsel zu Real<br />

60 Millionen Euro will Real<br />

Madrid für eine Verpflichtung<br />

von Eintracht Frankfurts<br />

Torjäger Luka Jovic zur<br />

neuen Saison bezahlen. Wie<br />

die Zeitung „As“ berichtet,<br />

gehen davon 48 Millionen<br />

Euro nach Frankfurt, zwölf<br />

Millionen Euro zu Jovics<br />

Ex-Klub Benfica Lissabon.<br />

In Madrid soll der Serbe<br />

einen Sechs-Jahres-Vertrag<br />

bekommen.<br />

BEACHVOLLEYBALL<br />

Borger/Sude<br />

stark unterwegs<br />

Karla Borger/Julia Sude<br />

(Stuttgart) belegten beim<br />

World-Tour-Turnier in Kuala<br />

Lumpur (Malaysia) Platz<br />

drei. Es siegten Barbora<br />

Hermannová/Marketa Slukova<br />

(Tschechien) vor Kerri<br />

Walsh Jennings/Brooke<br />

Sweat (USA). Laura Ludwig/<br />

Margareta Kozuch (H<strong>am</strong>burg)<br />

wurden Neunte.<br />

Seht her, Jungs Franck Ribéry bejubelt seinen Treffer zum entscheidenden 3:1 für die Bayern. Leon Goretzka gratuliert<br />

Franck macht’s<br />

BONGARTS/GETTY IMAGES/SEBASTIAN WIDMANN<br />

DTM<br />

Wittmann siegt<br />

zum Saisonstart<br />

Auf dem Hockenheimring<br />

gewann BMW-Pilot Marco<br />

Wittmann (Fürth) das erste<br />

Saisonrennen vor Mike Rockenfeller<br />

(Neuwied, Audi),<br />

Dritter wurde Robin Frijns<br />

(Niederlande, Audi). Heute<br />

(13.30 Uhr, Sat.1) gibt’s in<br />

Hockenheim Rennen zwei.<br />

TENNIS<br />

Teichmann<br />

gewinnt in Prag<br />

Das Finale des WTA-Turniers<br />

in Prag – ein Qualifikantinnenduell<br />

– gewann die<br />

Schweizerin Jil Teichmann<br />

mit 7:6 (7:5), 3:6, 6:4 gegen<br />

Karolína Muchová (Tschechien).<br />

D<strong>am</strong>it rückt sie erstmals<br />

in die Top 100 auf.<br />

München<br />

Hannover (2:0) 3:1<br />

Hausaufgaben sind<br />

zu erledigen auf<br />

dem Weg zur Titelverteidigung<br />

für den FC Bayern.<br />

Ein Dreier gegen Hannover<br />

gehört selbstverständlich<br />

dazu. Und es klappte. 3:1 (2:0)<br />

hieß es nach 90 Minuten, weiterhin<br />

sind die Bayern nur von<br />

sich selbst abhängig.<br />

Von der Tribüne schauten<br />

Franz Beckenbauer, Hans-Georg<br />

Schwarzenbeck, Werner<br />

Olk und andere Meister von<br />

1969 ihren Nachfolgern zu,<br />

Jérôme Boateng etwa, der dieses<br />

Mal den Vorzug vor Mats<br />

Hummels in der Innenverteidigung<br />

erhielt, oder Serge<br />

Gnabry, der für den <strong>am</strong> Knie<br />

verletzten Javi Martínez ins<br />

Te<strong>am</strong> rückte. Die Bayern begannen<br />

gegen den designierten<br />

Absteiger sehr verhalten.<br />

Verunsicherte<br />

Bayern tun sich<br />

schwer gegen<br />

defensive<br />

Niedersachsen.<br />

Erst Altmeister<br />

Ribéry macht<br />

alles klar<br />

Sollte die Unruhe, die es unter<br />

der Woche wieder einmal gegeben<br />

hatte in München, etwa<br />

doch auf die Mannschaft abgefärbt<br />

haben?<br />

Ein ausgebliebenes Treuebekenntnis<br />

für Trainer Niko<br />

Kovac hatte für Irritationen<br />

gesorgt. Vorstandschef Karl-<br />

Heinz Rummenigge hatte auf<br />

die Vertragslaufzeit von Kovac<br />

bis ins Jahr 2021 hingewiesen,<br />

aber wiederholt auch eine<br />

Klubmaxime zum Ausdruck<br />

gebracht. „Jeder, der für Bayern<br />

München arbeitet, mich<br />

eingeschlossen, muss liefern.“<br />

Die erste Chance der Partie<br />

hatten die Gäste, Genki Haraguchi<br />

köpfte in der 5. Minute<br />

freistehend vorbei. Danach<br />

übernahmen die Bayern das<br />

Kommando. Kingsley Coman<br />

scheiterte per Kopf (11.) an 96-<br />

Torwart Michael Esser, ebenso<br />

Robert Lewandowski geköpft<br />

(14.). Der Pole aber traf dann<br />

doch mit seinem 22. Saisontreffer<br />

per Kopf nach Flanke<br />

von Joshua Kimmich zum 1:0<br />

(26.). Thomas Müller (36.) und<br />

Boateng (37.) scheiterten an<br />

Esser, dafür traf Leon Goretzka<br />

zum 2:0 (39.).<br />

Halbzeit zwei begann mit<br />

einem Paukenschlag: Boateng<br />

drehte sich in eine Flanke von<br />

Linton Maina, der Ball sprang<br />

an die Grenze von Oberkörper<br />

und Oberarm, und Schiedsrichter<br />

Christian Dingert entschied<br />

nach Ansicht der Bilder<br />

auf Elfmeter, den Jonathas sicher<br />

zum 2:1 verwandelte (52.).<br />

Anschließend holte er den Ball<br />

aus dem Netz, wobei er Bayern-Torhüter<br />

Sven Ulreich unsanft<br />

beiseitestieß – Gelb. Drei<br />

Minuten später erwischte er<br />

Kimmich mit dem Ellenbogen<br />

im Gesicht – Gelb-Rot.<br />

Nun wurde es zäh. Erst der<br />

eingewechselte Franck Ribéry<br />

machte mit dem 3:1 alles klar<br />

(84.). Auch Arjen Robben durfte<br />

zu einem umjubelten Kurzeinsatz<br />

ran, dann war es geschafft.<br />

Julien Wolff<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 SPORT 59<br />

Wolfsburg<br />

Nürnberg (1:0) 2:0<br />

Für den Club<br />

wird es eng<br />

Die Chancen auf den<br />

Klassenerhalt schwinden<br />

für den 1. FC<br />

Nürnberg – aber immer noch<br />

gibt es Hoffnung. Die Mannschaft<br />

von Trainer Boris<br />

Schommers geht jetzt mit einem<br />

Rückstand von fünf Punkten<br />

auf den Relegationsplatz<br />

in ihre letzten beiden Spiele<br />

gegen Borussia Mönchengladbach<br />

und beim SC Freiburg.<br />

Die Wolfsburger verbesserten<br />

sich durch Tore von Felix<br />

Klaus (38.) und Marcel Tisserand<br />

(78.) auf einen Europa-<br />

League-Platz. Einen Leistungsunterschied<br />

zwischen<br />

Europapokal- und Abstiegskandidat<br />

sahen die 22.512 Zuschauer<br />

freilich lange nicht.<br />

Erst allmählich eroberte sich<br />

Wolfsburg mehr Spielanteile,<br />

doch die Gäste hielten weiter<br />

mit viel Engagement dagegen.<br />

Gladbach<br />

Hoffenheim (0:1) 2:2<br />

Punkt geholt.<br />

Dank Sommer<br />

Verliert die Borussia erneut<br />

ihre Nummer eins<br />

an den FC Barcelona?<br />

Fünf Jahre nach dem Wechsel<br />

von Marc-André ter Stegen<br />

sind die Katalanen nun an<br />

Yann Sommer interessiert, wie<br />

die Zeitung „Marca“ berichtet.<br />

Die Borussia täte gut daran,<br />

den 30-Jährigen bis Vertragsende<br />

2021 zu halten. Gegen<br />

Hoffenheim war er wieder mal<br />

bester Gladbacher, auch wenn<br />

er das 2:2 (0:1) nicht verhindern<br />

konnte. Gegen Pavel Kaderabeks<br />

Kopfball zum 0:1 war<br />

er machtlos (33.). Gegen eigentlich<br />

drückend überlegene<br />

Hoffenheimer schaffte Matthias<br />

Ginter überraschend den<br />

Ausgleich (72.). Umgehend erzielte<br />

Nadiem Amiri wiederum<br />

das 1:2 (79.). Dann k<strong>am</strong> Josip<br />

Drmic ins Spiel und rettete<br />

Gladbach den Punkt (84.)<br />

Bundesliga<br />

Mainz – Leipzig ...................... 3:3 (1:2)<br />

München – Hannover........... 3:1 (2:0)<br />

M’gladbach – Hoffenheim . 2:2 (0:1)<br />

Berlin – Stuttgart ................. 3:1 (2:0)<br />

Wolfsburg – Nürnberg ........ 2:0 (1:0)<br />

Bremen – Dortmund ........ Sa., 18:30<br />

Schalke – Augsburg........... So., 13:30<br />

Freiburg – Düsseldorf....... So., 15:30<br />

Leverkusen – Frankfurt.... So., 18:00<br />

1. München 32 83:31 74<br />

2. Dortmund 31 74:40 69<br />

3. Leipzig 32 62:27 65<br />

4. Frankfurt 31 58:35 54<br />

5. M’gladbach 32 51:40 52<br />

6. Wolfsburg 32 54:46 52<br />

7. Hoffenheim 32 68:47 51<br />

8. Leverkusen 31 57:49 51<br />

9. Bremen 31 53:46 46<br />

10. Berlin 32 44:49 40<br />

11. Düsseldorf 31 44:60 40<br />

12. Mainz 32 40:55 37<br />

13. Freiburg 31 40:56 32<br />

14. Augsburg 31 47:59 31<br />

15. Schalke 31 36:54 30<br />

16. Stuttgart 32 29:70 24<br />

17. Nürnberg 32 25:59 19<br />

18.<br />

Hannover<br />

32 27:69<br />

18<br />

Berlin<br />

Stuttgart (2:0) 3:1<br />

Schwarzer<br />

Tag für Zieler<br />

Nach dem gefeierten 1:0<br />

gegen Mönchengladbach<br />

unter dem neuen<br />

Trainer Nico Willig vergangenen<br />

S<strong>am</strong>stag verpasste es der<br />

VfB in Berlin, sich aus dem Abstiegssumpf<br />

zu befreien. Mit<br />

einem kläglichen 1:3 (0:2) bei<br />

Hertha geht die Hoffnung, ohne<br />

Relegationsspiel die Klasse<br />

zu halten, gegen null. Ausgerechnet<br />

Ex-Nationalkeeper<br />

Ron-Robert Zieler hatte keinen<br />

guten Tag. Erst klatschte<br />

er einen Matthew-Lecki-Kopfball<br />

Vedead Ibisevic direkt vor<br />

die Füße, der ehemalige Stuttgarter<br />

bedankte sich (40.).<br />

Dann parierte er noch einmal<br />

gegen Leckie, diesmal landete<br />

der Ball bei Ondrej Duda, der<br />

aus zehn Metern einschob<br />

(45.). Salomon Kalou erzielte<br />

das 3:0 (67.), Mario Gomez<br />

schoss den Ehrentreffer (70.).<br />

Mainz<br />

Leipzig (1:2) 3:3<br />

Ahnungsloser<br />

Onisiwo<br />

G<br />

efeierter Torschütze –<br />

doch Karim Onisiwo<br />

wusste davon nichts<br />

mehr. Im Luftk<strong>am</strong>pf war der<br />

Mainzer mit Ibrahima Konaté<br />

zus<strong>am</strong>mengeprallt, hatte aber<br />

weitergespielt und nach der<br />

Leipziger Führung durch Lukas<br />

Klostermann (20./33.) getroffen<br />

(43.). Dann musste er<br />

raus. „Er konnte sich nicht<br />

mehr erinnern“, berichtete<br />

Mainz-Coach Sandro Schwarz<br />

nach dem Spiel <strong>am</strong> Freitagabend.<br />

Und scherzte: „Als ich<br />

ihm sagte, er habe seinen Vertrag<br />

um drei Jahre verlängert,<br />

war er wieder voll da.“ Nach<br />

Timo Werners 1:3 (49.) schafften<br />

die Rheinhessen durch<br />

Moussa Niakhaté (67.) und<br />

Jean-Philippe Mateta (83.)<br />

noch den Ausgleich. Da war<br />

die Laune gut, und Onisiwo<br />

freute sich im Krankenhaus.<br />

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60 SPORT<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

Die wegweisende Erkenntnis<br />

präsentiert Jennifer<br />

Kettemann <strong>am</strong> Ende des<br />

halbstündigen Gesprächs:<br />

Ihr größtes Manko ist<br />

gleichzeitig ihr größtes Plus. Ob sie eine<br />

kleine Perfektionistin sei? „Ja, ja, leider“,<br />

sagt sie. „Für den beruflichen Alltag<br />

ist das bestimmt gut, für mein Umfeld<br />

kann das schon mal nervig sein.“<br />

Ihre F<strong>am</strong>ilie könne geradezu ein Lied<br />

davon singen. „Aber ich arbeite daran<br />

und werde auch schon etwas lockerer.“<br />

VON JENS BIERSCHWALE<br />

Seit drei Jahren ist Kettemann inzwischen<br />

Geschäftsführerin der Rhein-Neckar<br />

Löwen und hat während dieser Zeit<br />

nicht nur an ihrer Lockerheit gefeilt,<br />

sondern auch den Aufstieg zur mächtigsten<br />

Frau im deutschen Männerhandball<br />

vollzogen. Wenn die Spitzenklubs<br />

innerhalb der Bundesliga wichtige<br />

Entscheidungen zu fällen haben, greifen<br />

sie gern auf die Expertise der 37-Jährigen<br />

zurück. Kettemanns Worte haben<br />

Gewicht, und ihre Erfolgsgeschichte<br />

könnte vielen anderen Frauen als Vorbild<br />

dienen.<br />

Gemessen an ihrer Wirkungszeit, hat<br />

es die Quereinsteigerin mit einer beeindruckenden<br />

Rasanz geschafft, sich einen<br />

N<strong>am</strong>en in der Szene zu verschaffen.<br />

„Sie hat kein ganz leichtes Erbe übernommen“,<br />

sagt Frank Bohmann, Geschäftsführer<br />

der Handball-Bundesliga.<br />

„Als sie anfing, ist der Klub immer noch<br />

vom alten Mäzenatentum um Jesper<br />

Nielsen geprägt gewesen. Die Baustellen<br />

hat sie alle beseitigt und das Projekt<br />

auf erfolgreiche Beine gestellt. Wenn<br />

man das als Beispiel nimmt, bräuchten<br />

wir viel mehr Frauen in der Liga.“<br />

Doch bislang gibt es neben Kettemann<br />

nur noch eine Vertreterin in verantwortlicher<br />

Position: Lisa Heßler hat<br />

beim Tabellenletzten Ludwigshafen im<br />

Dezember 2018 den Geschäftsführerposten<br />

von Marcus Endlich übernommen.<br />

Den Abstieg wird aber auch sie angesichts<br />

von vier Punkten Rückstand<br />

aufs rettende Ufer kaum verhindern<br />

können. Kettemann ist da einige Schritte<br />

weiter, ihr Verein gilt seit Jahren neben<br />

Kiel und dem designierten Meister<br />

Flensburg als das Nonplusultra im deutschen<br />

Handball. Allein in ihrer Schaffenszeit<br />

ist der Klub zweimal Meister<br />

und einmal Pokalsieger geworden.<br />

Königin<br />

der Löwen<br />

Jennifer Kettemann ist die mächtigste<br />

Frau im Männerhandball. Nun will sie die<br />

Rhein-Neckar Löwen zum Topte<strong>am</strong> in<br />

Deutschland und Europa machen.<br />

Und eine F<strong>am</strong>ilie managt sie nebenher<br />

auch noch<br />

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Große Ziele Seit 2016 ist<br />

Jennifer Kettemann Geschäftsführerin<br />

der Rhein-<br />

Neckar Löwen, die wieder<br />

Meister werden sollen<br />

MACHOWELT SPORT Dass eine Frau<br />

daran großen Anteil trägt, kommt für<br />

Kettemann überraschend. „Zu Beginn<br />

meiner Zeit bei den Löwen haben einige<br />

aus dem Aufsichtsrat mehr an mich geglaubt<br />

als ich selbst“, sagt sie WELT AM<br />

SONNTAG. Denn schließlich war sie<br />

handballerisch eher unbedarft und bis<br />

dato nur als Fan in der Mannheimer<br />

Arena aufgetaucht. Aber ihre zehnjährige<br />

Tätigkeit als Vorstandsassistentin<br />

und Projektverantwortliche beim Softwarehersteller<br />

SAP sowie das vorangegangene<br />

Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />

ließen sie prädestiniert erscheinen<br />

für die Aufgaben im Klub.<br />

Nun, nach drei Jahren, ist sie aufgestiegen<br />

zur Königin der Löwen. „In der<br />

Machowelt Sport denken viele, dass das<br />

eine reine Männergeschichte ist“, sagt<br />

Oliver Roggisch, der als Sportlicher Leiter<br />

des Vereins eng mit Kettemann zus<strong>am</strong>menarbeitet.<br />

„Ich bin da offen rangegangen<br />

an das Thema, und sie hat<br />

sehr schnell gezeigt, dass sie durch ihre<br />

Vergangenheit bei SAP Dinge mit einbringt,<br />

die wir in der Handballwelt richtig<br />

gut gebrauchen können. Für mich<br />

spielt es keine Rolle, ob ich mit einem<br />

Mann oder einer Frau zus<strong>am</strong>menarbeite.<br />

Wir begegnen uns auf Augenhöhe, so<br />

soll es auch sein“, berichtet der <strong>Welt</strong>meister<br />

von 2007. „Es ist für viele Manager<br />

der Liga schön, jetzt auch mal mit<br />

einer Frau <strong>am</strong> Tisch zu sitzen. Das ist ja<br />

eher selten bei den Handballern, Fußballern<br />

oder Basketballern.“<br />

Kettemanns Wirken ist umso erstaunlicher,<br />

als sie nicht nur als Managerin,<br />

sondern auch als Mutter gefragt<br />

ist. Ihre Söhne sind fünf und sieben, der<br />

ihres Partners vier Jahre alt. „Das ist so<br />

ein bisschen Patchwork bei uns“, erzählt<br />

sie. „Es ist ein Riesenspagat, den<br />

man zwischen Beruf und F<strong>am</strong>ilie machen<br />

muss. Ich gebe offen zu, dass es<br />

nicht immer ganz leicht ist, beidem gerecht<br />

zu werden, also der M<strong>am</strong>arolle<br />

und dem Job.“ Sie sei jemand, der im<br />

KUNZ / AUGENKLICK


WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 SPORT 61<br />

Beruf sehr ehrgeizig vorgehe. „Aber<br />

überraschenderweise funktioniert es<br />

sehr gut. Ich habe auch <strong>am</strong> Anfang gedacht,<br />

dass es schwieriger wird.“<br />

Unterstützung bei der Doppelrolle<br />

erhält sie von der F<strong>am</strong>ilie. Ihre Eltern<br />

leben nur 100 Meter von ihr in Frankenthal<br />

entfernt und können bei Bedarf<br />

ebenso einspringen wie die Schwiegereltern.<br />

„Ohne deren Hilfe würde es<br />

nicht funktionieren“, sagt Kettemann.<br />

„Und was dazukommt: Ich habe von Anfang<br />

an ehrlich kommuniziert, dass das<br />

eine besondere Konstellation ist, wenn<br />

man nicht nur Managerin, sondern auch<br />

M<strong>am</strong>a ist. Deswegen bin ich auf Auswärtsfahrten<br />

ganz selten dabei. Da ist<br />

Oliver Roggisch dann vor Ort. Auch die<br />

Abendtermine halten sich in Grenzen.“<br />

ALTLASTEN BESEITIGT Trotz der<br />

Einschränkungen hat Kettemann die<br />

Löwen auf Erfolg getrimmt. Beim Start<br />

im Mai 2016 litt der Klub unter den Altlasten,<br />

die der windige Mäzen Nielsen<br />

hinterlassen hatte. Kettemann handelte<br />

Abfindungsverträge heraus, im folgenden<br />

Jahr schon war der Verein schuldenfrei.<br />

„Sie bringt echte Managerqualitäten<br />

mit“, erklärt Liga-Geschäftsführer<br />

Bohmann. „Dazu ist sie noch ein angenehmer<br />

Mensch. Tough, auch uns gegenüber,<br />

wir haben schon ordentliche<br />

Auseinandersetzungen gehabt, aber dabei<br />

geht sie immer fair vor. Ich schätze<br />

Jennifer Kettemann total. Den Job, das<br />

Unternehmen Rhein-Neckar Löwen zu<br />

führen, macht sie exzellent.“<br />

Gerade wurde ihr Vertrag bis 2023<br />

verlängert. Und längst schon hat sie die<br />

nächsten Aufgaben im Blick. „Das langfristige<br />

Ziel heißt ganz klar, die Löwen<br />

zur Topmarke im deutschen Handball<br />

zu machen“, sagt sie. „Unser Ziel ist es,<br />

dass die Leute gleich an die Rhein-Neckar<br />

Löwen denken, wenn sie an Handball<br />

denken. Und auf sportlicher Seite<br />

wollen wir um viele Titel mitspielen.“<br />

Das gelang in dieser Saison eher mäßig.<br />

In der Liga belegen die Löwen Platz<br />

drei, im Pokal war im Viertelfinale<br />

Schluss, in der Ch<strong>am</strong>pions League im<br />

Achtelfinale. Einer, der im Sommer Abhilfe<br />

schaffen könnte, ist Uwe Gensheimer.<br />

Der <strong>Welt</strong>klasse-Linksaußen kehrt<br />

nach drei Jahren bei Paris Saint-Germain<br />

zurück nach Mannheim. Kettemann<br />

oblag es, den Coup im Februar zu<br />

verkünden. „Für mich persönlich fühlt<br />

es sich so an, als würde dort jemand zurückkommen,<br />

der einfach zu uns gehört“,<br />

sagt sie. „Wir sind sehr stolz, dass<br />

dieser Transfer funktioniert hat. Nur<br />

mit externen Sponsoren, die vorher gar<br />

nicht in unserem Netzwerk waren und<br />

uns dann geholfen haben, war das möglich.<br />

Aus unserem Etat hätten wir Uwe<br />

nicht einfach so finanzieren und einen<br />

Wechsel stemmen können.“<br />

Derlei Kraftakte verhelfen Kettemann<br />

innerhalb der Liga zu noch mehr<br />

Ansehen. Denn sie hat durchaus registriert,<br />

dass ihr noch immer eine Sonderrolle<br />

zufällt. „Ich glaube schon, dass auf<br />

mich mehr geschaut wird, weil ich als in<br />

Anführungszeichen Exotin gelte“, sagt<br />

sie. „Und vielleicht muss man als Frau<br />

ein bisschen mehr Leistung zeigen, weil<br />

man im Blickpunkt steht.“ Offen geäußerte<br />

Vorbehalte habe es aber nie gegeben.<br />

„Mir selbst fällt gar nicht auf, dass<br />

ich da die einzige Frau bin, sondern dass<br />

es eigentlich ganz normal ist.“<br />

Er warf sich die kubanische Flagge<br />

über die Schultern und riss<br />

die Arme hoch. Nach einem<br />

Sieg gegen die Blackburn Rovers hatte<br />

Norwich City den Aufstieg perfekt gemacht.<br />

D<strong>am</strong>it wird Onel Hernández<br />

der erste kubanische Fußballspieler in<br />

der englischen Premier League, einer<br />

der wichtigsten Ligen der <strong>Welt</strong>. Er<br />

weckt in der Heimat aber nicht nur Begeisterung.<br />

Denn das politische Kuba<br />

gerät seinetwegen an seine<br />

Grenzen.<br />

VON ANDREAS KNOBLOCH<br />

Der 26-Jährige st<strong>am</strong>mt<br />

aus Morón, einem 62.000-<br />

Einwohner-Städtchen im<br />

Zentrum der Insel. Die älteste<br />

Stadt der Provinz Ciego<br />

de Ávila hat einen Hahn<br />

als Wahrzeichen. Eine drei<br />

Meter große Bronzestatue<br />

steht <strong>am</strong> Eingang zur Altstadt<br />

und kräht jeden Tag<br />

pünktlich um 6 und 18 Uhr.<br />

Als Sechsjähriger landete<br />

Onel Hernández in Rietberg,<br />

einer kleinen Gemeinde<br />

im nordöstlichen Zipfel<br />

Nordrhein-Westfalens. Seiner<br />

Mutter Yaneisy hatte einen<br />

Deutschen kennengelernt<br />

und geheiratet. Sein<br />

Stiefvater Ewald war Trainer<br />

beim TuS Westfalia<br />

Neuenkirchen. Er glaubte,<br />

Fußball könne dem Jungen<br />

bei der Integration helfen.<br />

„Er führte mich zum Fußball,<br />

trainierte mich, tat alles<br />

für mich. Er hat mich immer<br />

unterstützt“, erzählt<br />

Hernández.<br />

Über den FC Gütersloh<br />

und Rot-Weiss Ahlen landete<br />

er mit 14 in der Jugendabteilung<br />

von Arminia Bielefeld. Dort erwachte<br />

der Traum vom Fußballprofi in<br />

ihm. Sein Zweitligadebüt gab<br />

Hernández als 17-Jähriger im Westfalenderby<br />

gegen Paderborn. 2016 wechselte<br />

er nach Braunschweig. Die Eintracht<br />

galt als sicherer Bundesligaaufsteiger,<br />

scheiterte aber in der Relegation<br />

2017 durch zwei knappe Niederlagen<br />

an Wolfsburg.<br />

Im Januar 2018 holte Daniel Farke<br />

Hernández nach England. Der Ex-BVB-<br />

Nachwuchscoach baute in Norwich einen<br />

„deutschen“ Klub auf. Mit sieben<br />

deutschen Spielern, Ballbesitzfußball,<br />

frühem Pressing und geringem Budget.<br />

Farke hatte sechs Jahre in Lippstadt<br />

trainiert – keine 20 Kilometer von<br />

Hernández’ Heimatort entfernt – und<br />

dessen Werdegang verfolgt. Mit acht<br />

Toren und acht Vorlagen hatte der<br />

schnelle Linksaußen Hernández nun<br />

großen Anteil an Norwichs Aufstieg.<br />

Auf Kuba sorgte die Nachricht für<br />

große Aufmerks<strong>am</strong>keit. Das Staatsfernsehen<br />

hatte schon während der<br />

Saison immer wieder Zus<strong>am</strong>menfassungen<br />

von Norwich-Spielen gezeigt.<br />

Und natürlich hörten sie gut zu, als<br />

Passt nicht<br />

Onel Hernández ist<br />

der erste Kubaner in<br />

der Premier League.<br />

Nun will er in die<br />

Nationalelf. Das<br />

gibt Probleme<br />

Aufstiegsheld Der in Deutschland aufgewachsene Kubaner<br />

Onel Hernández in England <strong>am</strong> Ball für Norwich City<br />

Hernández, der immerhin schon ein<br />

U18-Länderspiel für Deutschland bestritten<br />

hatte, sagte: „Für Kubas Nationalelf<br />

zu spielen wäre einer meiner<br />

größten Träume.“<br />

ZULETZT 1938 BEI DER WM Der kubanische<br />

Fußball schreibt keine Erfolge.<br />

Einmal, 1938, gelang dem Nationalte<strong>am</strong><br />

die Teilnahme an einer <strong>Welt</strong>meisterschaft.<br />

Alle anderen nord<strong>am</strong>erikanischen<br />

Mannschaften hatten sich aus<br />

der Qualifikation für die Endrunde zurückgezogen.<br />

Kuba schlug Rumänien<br />

in Frankreich sensationell mit 2:1 und<br />

kassierte mit 0:8 gegen Schweden im<br />

Viertelfinale seine bis heute höchste<br />

Niederlage. Danach gelang dem Inselstaat<br />

nie wieder eine WM-Teilnahme,<br />

auch der deutsche Trainer Reinhold<br />

Fanz biss sich 2008 die Zähne aus. Die<br />

Nationalmannschaft setzt ausschließlich<br />

auf Spieler aus der heimischen Liga.<br />

In der letzten WM-Qualifikation<br />

scheiterte man an Curaçao.<br />

Immer wieder nutzen Spieler Auswärtspartien<br />

zur Flucht. 2012 setzte<br />

sich ein Kicker in den USA ab, vier weitere<br />

danach in Kanada. Im vergangenen<br />

Jahr kehrten gleich zwölf Spieler<br />

der U20-Auswahl nach einem Turnier<br />

in T<strong>am</strong>pa, Florida, nicht mehr nach Kuba<br />

zurück. Das Nationalstadion in Havanna<br />

ist ein besserer Bolzplatz, umgeben<br />

von renovierungsbedürftigen Tribünen.<br />

Einzig die monumentale Anzeigetafel<br />

macht etwas her. Die nationale<br />

Liga dümpelt außerhalb der öffentlichen<br />

Wahrnehmung vor sich hin, die<br />

Begegnungen finden vor einer Handvoll<br />

Zuschauer statt.<br />

PICTURE ALLIANCE / EMPICS/<br />

VOLKSSPORT FUSSBALL<br />

Dabei ist Fußball gerade bei<br />

jüngeren Kubanern mittlerweile<br />

der populärste Sport. In<br />

Havanna jagen die Kinder und<br />

Jugendlichen an fast jeder<br />

Straßenecke einem Ball hinterher.<br />

Trikots europäischer<br />

Spitzenklubs gehören zum<br />

Straßenbild, und Spiele zwischen<br />

Real Madrid und Barcelona<br />

sorgen für mehr Euphorie<br />

als der Baseball-Klassiker<br />

Kuba gegen die USA. Sogar einen<br />

offiziellen Fanklub des<br />

FC Bayern gibt es, er zählt<br />

mehrere Hundert Mitglieder.<br />

Auch Hernández erlebt diese<br />

Fußballbegeisterung. Sooft<br />

es geht, reist er nach Kuba,<br />

seine Mutter ist dorthin zurückgekehrt.<br />

Sie lebt auf einer<br />

Farm mit 30 Kühen, ein paar<br />

Pferden und Schweinen. Im<br />

November schien sich der<br />

Traum ihres Sohnes vom Nationaltrikot<br />

zu erfüllen. Er<br />

wurde von Nationalcoach<br />

Raúl Mederos für ein Länderspiel<br />

nominiert. „Er hatte<br />

schon die offizielle Einladung,<br />

doch sie wurde auf Anweisung<br />

des Staates zurückgezogen“,<br />

erzählt sein Berater René Lieber<strong>am</strong>.<br />

Hernández könne gerne<br />

anreisen, mittrainieren und die<br />

Mannschaft kennenlernen, spielen<br />

aber dürfe er nicht, hieß es.<br />

„Es ist sehr traurig, denn wir haben<br />

gute Spieler rund um den Globus, die<br />

zurückkommen und helfen wollen“,<br />

sagt Hernández. „Wir wollen kein<br />

Geld, wir würden umsonst spielen.“<br />

Nationaltrainer Mederos sprach kürzlich<br />

von „höheren Kräften“, die ihm die<br />

Tür für eine Nominierung von Exilkubanern<br />

versperrt hätten. Ob im Verband<br />

oder in der Regierung, wollte er<br />

nicht sagen. Anders Aliet Arzola vom<br />

Onlineportal OnCuba, er beklagt: „Die<br />

Tür wird von eifersüchtigen Wärtern<br />

bewacht, die sich an was auch immer<br />

für eine Idee kl<strong>am</strong>mern, um den aktuell<br />

besten kubanischen Spieler außen<br />

vor zu halten.“<br />

Hernández’ Aufstieg in die Premier<br />

League und seine Popularität könnten<br />

dieser Diskussion eine neue Dyn<strong>am</strong>ik<br />

verleihen. Kuba spielt beim „Gold-<br />

Cup“, der Nord<strong>am</strong>erika/Mittel<strong>am</strong>erika-Meisterschaft<br />

im Sommer in den<br />

USA, gegen Mexiko, Kanada und Martinique.<br />

Mit Hernández wären sie ganz<br />

sicher ein bisschen erfolgreicher.<br />

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62 LEUTE<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

AYA CASH<br />

KANN MAN WIRKLICH ...?<br />

... nicht depressiv genug sein? Die<br />

Schauspielerin, 36 („You’re the<br />

Worst“), sagte gerade dem Magazin<br />

„Marie Claire“, dass sie sich oft wegen<br />

ihrer Depressionen geschämt habe:<br />

„Ich wollte die auch gar nicht zugeben.<br />

Weil sie nicht so schwer sind wie bei<br />

Leuten, die ich gesehen habe.“ Andere<br />

Gefahren für die Psyche hält sie dagegen<br />

in ihrem Beruf für unwahrscheinlich,<br />

Egomanie etwa: „Ziemlich<br />

schwierig, Egomane zu werden, bei all<br />

den Ablehnungen.“<br />

„Er ist<br />

eben<br />

Willie<br />

Nelson...“<br />

LILY COLLINS<br />

GLAUBT SIE WIRKLICH ...?<br />

... dass Geister zu ihr zum Hausbesuch<br />

kommen, pünktlich um drei Uhr<br />

nachts? Die Schauspielerin, 30, Tochter<br />

von Sänger Phil, 58, hat die Freundin<br />

des Serienkillers Ted Bundy gespielt im<br />

Film „Extremely Wicked, Shockingly<br />

Evil and Vile“; seither sei sie von selts<strong>am</strong>en<br />

Präsenzen geweckt worden.<br />

„Ich ging die Treppe hinab, um mir<br />

eine Tasse Tee zu machen, und sah<br />

Bilder aufblitzen, wie Nachwirkungen<br />

eines K<strong>am</strong>pfes“, sagte sie dem britischen<br />

„Guardian“. Um drei Uhr nachts<br />

sei der Schleier zwischen den <strong>Welt</strong>en<br />

<strong>am</strong> dünnsten, und man könne besucht<br />

werden. Angst hatte sie nicht: Sie habe<br />

sich unterstützt gefühlt.<br />

CRISTIANO RONALDO<br />

HAT ER WIRKLICH ...?<br />

... mehr als elf Millionen Euro für ein<br />

Auto ausgegeben? Das spanische Sportblatt<br />

„Marca“ berichtet, dass der Fußballer,<br />

34, Besitzer eines Wagens ist,<br />

den Bugatti 2019 auf dem Genfer Autosalon<br />

vorstellte – zum 110. Geburtstag<br />

der Firma konstruiert und La Voiture<br />

Noire genannt. Bestätigt haben das<br />

weder Ronaldo noch Bugatti, allerdings<br />

besitzt der Autofan schon Schönheiten<br />

wie einen L<strong>am</strong>borghini Aventador<br />

LP700-4, einen Aston Martin DB9,<br />

einen Bentley Continental GTC Speed.<br />

Ein Leben nach dem anderen<br />

CHARLIZE THERON, 43, Schauspielerin, hat<br />

von ihren Jugendjahren erzählt. „Mit 20 wollte<br />

ich Drogen probieren, mit dem Rucksack in<br />

die Türkei – und ich habe das alles gemacht“,<br />

sagte sie dem Magazin „Marie Claire“. Sie habe<br />

immer gedacht: „Du kannst sterben, also<br />

erledige das.“ Mit dem Tod hatte sie früh zu<br />

tun, ihre Mutter Gerda tötete den Vater, einen<br />

Alkoholiker, als er sie und Charlize mit der<br />

Waffe bedrohte. Heute, so Theron, liege sie<br />

abends um viertel vor acht im Bett. Sie steht<br />

auch um 4 Uhr auf, um K<strong>am</strong>pfkunst zu trainieren<br />

für ihren neuen Film: „Ich bin obsessiv.“<br />

Besessenheit aber sei gut für sie: „Ich muss alles<br />

organisieren, was ich sehe: Schränke,<br />

Schubladen. Weil die Dinge, die ich nicht sehe,<br />

außer Kontrolle sind.“ Um 5.30 Uhr macht sie<br />

Frühstück für ihre Adoptivsöhne Jackson, 7,<br />

und August, 5, um 5.45 Uhr holt Mutter Gerda<br />

Charlizes drei Hunde zum Spaziergang. Theron<br />

ist glücklich: „Wenn ich morgen sterbe,<br />

bin ich im Frieden mit mir und einem Leben.“<br />

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WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019 LEUTE 63<br />

ZAHLEN & ZITATE<br />

Sagt Ehefrau Annie über den<br />

Countrysänger. So eine schöne<br />

Liebeserklärung, nach drei<br />

Jahrzehnten<br />

Willie Nelson, 86, Songwriter, hat mit dem Magazin<br />

„Rolling Stone“ ein paar ernsthafte Worte gewechselt.<br />

Es ging, wie immer bei Nelson, natürlich<br />

auch ums Kiffen (er ist eben Willie Nelson ...): Er<br />

feiert sein 65. Stoner-Jubiläum. „Ich bin eine Art<br />

Kanarienvogel im Bergwerk, wenn es um die Langzeitfolgen<br />

geht. Sobald ich anfange zu zittern und<br />

es mich schüttelt, gebt mir nichts mehr. Aber solange<br />

es mir blendend geht ...“ So serviert ihm seine<br />

Frau Annie – erst halb solange in seinem Leben<br />

wie Marihuana, die beiden sind seit 33 Jahren<br />

zus<strong>am</strong>men – mit dem Kaffee auch seinen<br />

Bong, sie hat ihm gerade erst ein Luxusd<strong>am</strong>pfgerät<br />

geschenkt. Die Geschichte<br />

der beiden gehört zu den besten Country-Romanzen,<br />

so soll Nelson für sie<br />

sogar weniger Speck<br />

essen (eine der vielen<br />

Willie-Nelson-<br />

Geschichten lautet,<br />

dass er, um die<br />

Komplexität des<br />

Alltags zu verringern,<br />

entschieden habe, nur noch<br />

Bacon und Eier zu essen). Und sie<br />

hat ihm schon Haschpralinen kreiert. Sie<br />

verschenkten einige an Freunde, die Freude<br />

war groß – und heute haben sie die Firma „Willies<br />

reserve“; Nelson ist der CTO, der „Chief Tasting<br />

Officer“. Er hat sogar Visitenkarten.<br />

Und obwohl er „so ziemlich die ganze Zeit“ high<br />

ist, schafft der Mann mit 86 unglaublich viel: 100<br />

Konzerte im Jahr, vor einigen Jahren, mit 80,<br />

schaffte er den 5. Dan in der südkoreanischen<br />

K<strong>am</strong>pfkunst Gongkwon Yusul, Golf kann er auch, er<br />

hat eine Stiftung, die Farmerf<strong>am</strong>ilien hilft, und er<br />

rettet Pferde: 60 Tiere, die er vor dem Schlachthaus<br />

gerettet hat, fressen ihren Gnadenhafer bei Nelson<br />

auf der Farm 35 Meilen vor Austin.<br />

GETTY IMAGES (4); WIREIMAGE (2)/GARY MILLER<br />

Zwei<br />

DAUMEN<br />

Axel Milberg, 62, Schauspieler („Tatort“),<br />

ist jetzt Schriftsteller: Er hat<br />

den Krimi „Düsternbrook“ veröffentlicht.<br />

„Ich habe das ganze Buch auf<br />

dem iPad geschrieben – mit zwei<br />

Daumen.“ Er arbeitete nachts, wenn<br />

er später gelesen habe, was er da auf<br />

dem Tablet stand, habe er oft gedacht:<br />

„Wer hat denn das geschrieben?<br />

Das ist gar nicht schlecht.“<br />

23 +<br />

DIE EINE<br />

Jude Law, 46, Schauspieler, hat in<br />

London geheiratet. Eine Überraschung<br />

– 23 Affären werden ihm zugerechnet,<br />

oder auch mehr, je nachdem,<br />

ob kurzfristige Engagements<br />

wie mit dem d<strong>am</strong>aligen Kindermädchen<br />

der F<strong>am</strong>ilie oder die Affäre mit<br />

einer Hooters-Kellnerin (Dauer: eine<br />

Woche plus eine Schwangerschaft)<br />

mitgezählt werden. Mit seiner neuen<br />

Ehefrau verbrachte er die letzten vier<br />

Jahre, Phillipa Coan ist 32 Jahre alt,<br />

Psychologin – und offenbar anders<br />

als Laws bisherige Gefährtinnen.<br />

„Ich lege Dudelsackmusik<br />

auf. Da schläft keiner bei.<br />

Hab ich all meinen<br />

Kindern angetan“<br />

Rod Stewart, 74, Vater von acht Kindern<br />

(Foto mit Alastair, 13; sein Jüngster, Aidan, ist acht),<br />

verrät Eltern den Trick, wie man die Kleinen<br />

morgens für die Schule aus dem Bett bekommt<br />

„... und<br />

widerstehet der<br />

Versuchung, dem<br />

Klatsch zu<br />

verfallen, wie es<br />

mit eurer<br />

Profession in<br />

Verbindung<br />

gebracht wird ...“<br />

Franziskus, 82, Papst, zu einer<br />

Gruppe katholischer Friseure<br />

auf Pilgerreise, berichtet<br />

zumindest<br />

das US-Portal<br />

„papermag.com“.<br />

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TV-PROGRAMM<br />

WELT AM SONNTAG NR. 18 5. MAI 2019<br />

SONNTAG, 5. MAI 2019<br />

ARD ZDF PRO SIEBEN KABEL 1 RTL SAT 1<br />

5.30 Kinder-TV 10.03 ¥ g Die kluge<br />

Bauerntochter Märchenfilm<br />

(D 2009) Mit Anna Maria Mühe<br />

11.00 ¥ g Die Prinzessin auf<br />

der Erbse Märchenfilm<br />

(D 2010) Mit Rike Kloster<br />

12.03 ¥ Presseclub Diskussion<br />

12.45 ¥ g Europ<strong>am</strong>agazin<br />

13.15 ¥ g Tagesschau<br />

13.30 ¥ Sehnsucht nach Sandin<br />

Melodr<strong>am</strong> (D 2002)<br />

15.00 ¥ g Insel des Lichts<br />

Dr<strong>am</strong>a (D 2008)<br />

16.30 ¥ g Mythos Kongo<br />

17.15 ¥ g Tagesschau<br />

17.30 ¥ g Warum bin ich so<br />

allein? – Wege aus der<br />

Eins<strong>am</strong>keit Dokumentation<br />

18.00 ¥ g Sportschau<br />

18.30 ¥ g Bericht aus Berlin<br />

18.50 ¥ g Lindenstraße Soap<br />

19.20 ¥ g <strong>Welt</strong>spiegel Magazin<br />

20.00 ¥ g Tagesschau<br />

20.15 ¥ g Tatort: Der gute Weg<br />

TV-Krimi (D 2019) Mit Meret<br />

Becker, Mark Waschke<br />

21.45 ¥ g Anne Will Streit um<br />

CO2-Steuer – wer zahlt für<br />

den Klimaschutz? Gäste: Michael<br />

Kretschmer, Annalena<br />

Baerbock, Maja Göpel u. a.<br />

22.45 ¥ g Tagesthemen<br />

23.05 ¥ g ttt Magazin. U. a.: Eine<br />

Insel und zwei Milliardäre –<br />

„ttt“ über den Dokumentarfilm<br />

„Was kostet die <strong>Welt</strong>“<br />

23.35 ¥ g Druckfrisch Magazin<br />

0.05 H ¥ g Der junge Karl<br />

Marx<br />

Biografie (F/B/D 2017)<br />

2.00 H ¥ õ g Agnosia – Das<br />

dunkle Geheimnis Thriller<br />

(E 2010) Mit E. Noriega<br />

5.50 g Deutschland von oben<br />

6.00 Kinder-TV Zeichentrick-Serie<br />

9.03 ¥ g sonntags Magazin 9.30 ¥<br />

g Orthodoxer Gottesdienst<br />

10.15 ¥ g Bares für Rares<br />

11.45 g heute Xpress<br />

11.50 ¥ g ZDF-Fernsehgarten<br />

14.15 g Duell der Gartenprofis<br />

on tour<br />

Show<br />

15.00 ¥ g heute Xpress<br />

15.05 H ¥ g Learning to<br />

Drive – Fahrstunden fürs<br />

Leben Tragikomödie (USA/<br />

GB 2014) Mit P. Clarkson<br />

16.30 ¥ g planet e. Dokureihe<br />

17.00 ¥ g heute<br />

17.10 ¥ g Sportreportage<br />

18.00 ¥ g ZDF.reportage<br />

18.30 ¥ g Terra Xpress<br />

19.00 ¥ g heute<br />

19.10 ¥ g Berlin direkt Magazin<br />

19.30 ¥ g Terra X Dokureihe<br />

20.15 ¥ g Fast perfekt verliebt<br />

Romantikkomödie (D 2019)<br />

Mit Katharina Schüttler,<br />

Aleksandar Jovanovic,<br />

Manfred Zapatka<br />

Regie: Sinan Akkus<br />

21.45 ¥ g heute-journal<br />

22.15 ¥ g Stockholm Requiem:<br />

Auge um Auge TV-Krimi<br />

(S/D/B 2018) Mit Liv<br />

Mjönes, Jonas Karlsson<br />

23.45 g ZDF-History<br />

0.30 g heute Xpress<br />

0.35 ¥ g Stockholm Requiem:<br />

Auge um Auge TV-Krimi<br />

(S/D/B 2018) (Wh.)<br />

2.05 ¥ g Terra X (Wh.)<br />

2.50 g Momente der<br />

Geschichte Dokureihe<br />

4.20 ¥ g Terra Xpress (Wh.)<br />

5.50 g Two and a Half Men 7.00<br />

g Fresh off the Boat Sitcom 7.50<br />

Eine schrecklich nette F<strong>am</strong>ilie Sitcom<br />

8.45 g Galileo Magazin<br />

11.45 H g Forbidden Kingdom<br />

Abenteuerfilm (CHN/USA<br />

2008) Mit Jackie Chan<br />

13.30 H g Ein Mann für alle<br />

Unfälle Komödie (USA<br />

2008) Mit Owen Wilson<br />

15.15 H g Transformers:<br />

Ära des Untergangs<br />

Actionfilm (USA/CHN/HK<br />

2014) Mit Mark Wahlberg<br />

17.55 Newstime<br />

18.05 g Galileo 360° Magazin<br />

19.05 g Galileo Magazin<br />

20.15 H g Transformers:<br />

The Last Knight Sci-Fi-Film<br />

(USA/CHN/CDN 2017)<br />

Mit Mark Wahlberg, Josh<br />

Duh<strong>am</strong>el, Anthony Hopkins<br />

23.30 H g Faster<br />

Actionfilm<br />

(USA 2010) Mit Dwayne<br />

„The Rock“ Johnson,<br />

Billy Bob Thornton,<br />

Oliver Jackson-Cohen<br />

1.15 H g Transformers:<br />

The Last Knight Sci-Fi-Film<br />

(USA/CHN/CDN 2017)<br />

Mit Mark Wahlberg (Wh.)<br />

3.55 H g Faster<br />

Actionfilm<br />

(USA 2010) Mit Dwayne<br />

„The Rock“ Johnson (Wh.)<br />

TV-TIPP DES TAGES<br />

5.45 g EUReKA – Die geheime<br />

Stadt Dein Gesicht oder meins? /<br />

Die fünfte Dimension / Es ist nicht<br />

leicht, grün zu sein / Wenn ihr gebaut<br />

habt, kommen sie 9.20 g<br />

Mein Lokal, Dein Lokal – Der Profi<br />

kommt Reportagereihe<br />

14.10 g Abenteuer Leben Spezial<br />

Die Reise zu den besten<br />

Gerichten der <strong>Welt</strong><br />

16.05 News<br />

16.20 g Rosins Restaurants –<br />

Ein Sternekoch räumt auf!<br />

Show. „Academica“, Fulda<br />

18.15 g Achtung Abzocke –<br />

Wie ehrlich arbeitet<br />

Deutschland? Reportage<br />

20.15 H g Police Academy<br />

7 – Mission in Moskau<br />

Komödie (USA 1994)<br />

Mit George Gaynes, Michael<br />

Winslow, David Graf<br />

Regie: Alan Metter<br />

22.00 g Abenteuer Leben<br />

<strong>am</strong> <strong>Sonntag</strong><br />

Faszinierende<br />

Giganten! Der mühs<strong>am</strong>e<br />

Aufbau der BAUMA<br />

0.00 g Mein Revier – Ordnungshüter<br />

räumen auf<br />

Temposünder oder Messerstechern<br />

– ihnen sind Ordnungshüter<br />

auf der Spur.<br />

2.05 g Achtung Kontrolle!<br />

Wir kümmern uns drum<br />

5.05 g Der Blaulicht-Report 5.55<br />

g F<strong>am</strong>ilien im Brennpunkt Doku<br />

9.50 g Die Superhändler – 4 Räume,<br />

1 Deal Show. S<strong>am</strong>melanhänger<br />

/ Kronleuchter / Best of „No<br />

Deal“ / Kaufmannsladen / Vase Rosenthal<br />

/ Wandteppich / Symphonion<br />

/ Tischl<strong>am</strong>pe / Glockenbaum /<br />

Holzgetränkespender / Skizzen /<br />

J<strong>am</strong>es-Dean-Figur (Wh.)<br />

12.45 g Undercover Boss<br />

Doku-Soap. Firma K<strong>am</strong>ps /<br />

Malteser Hilfsdienst<br />

14.45 g Ehrlich Brothers live!<br />

Magic – Die <strong>Welt</strong>rekordshow<br />

im Stadion<br />

16.45 g Explosiv – Weekend<br />

17.45 g Exclusiv – Weekend<br />

18.45 g RTL aktuell<br />

19.05 g Martin Rütter – Die<br />

Welpen kommen (1/4)<br />

Dokumentationsreihe<br />

20.15 H ¥ g Passengers Abenteuerfilm<br />

(AUS/USA 2016)<br />

Mit Jennifer Lawrence<br />

22.25 H ¥ g Underworld:<br />

Blood Wars Actionfilm<br />

(USA 2016) Mit Kate Beckinsale,<br />

Theo J<strong>am</strong>es, Lara<br />

Pulver. Regie: Anna Foerster<br />

Zwischen den Werwölfen<br />

und V<strong>am</strong>piren tobt noch<br />

immer ein Krieg – die<br />

Feindschaft ist auf einem<br />

Tiefstand angelangt.<br />

0.10 H ¥ g Passengers<br />

Abenteuerfilm<br />

(AUS/USA 2016) (Wh.)<br />

2.15 H ¥ g Underworld:<br />

Blood Wars Actionfilm<br />

(USA 2016) Mit Kate Beckinsale,<br />

Theo J<strong>am</strong>es (Wh.)<br />

7.50 g So gesehen – Talk <strong>am</strong><br />

<strong>Sonntag</strong><br />

Gespräch 8.10 g Knallerfrauen<br />

Show 8.35 g 111 völlig<br />

verrückte Viecher! Die witzigsten<br />

Tiere der <strong>Welt</strong> 10.30 g Luke! Die<br />

Schule und ich – VIPs gegen Kids<br />

13.00 g Tourenwagen: DTM<br />

14.50 33 völlig verrückte Clips<br />

15.20 H g Harry Potter und<br />

der Orden des Phönix<br />

Fantasyfilm (USA/GB 2007)<br />

Mit Daniel Radcliffe, Emma<br />

Watson, Rupert Grint<br />

Regie: David Yates. Kaum<br />

jemand glaubt Harry, dass<br />

er Voldemorts Rückkehr<br />

miterlebt hat. Doch dann<br />

erhält er unerwartete<br />

Unterstützung.<br />

17.55 g Julia Leischik sucht:<br />

Bitte melde Dich<br />

19.55 Sat.1 Nachrichten<br />

20.15 H g Titanic Liebesdr<strong>am</strong>a<br />

(USA 1997) Mit Leonardo<br />

DiCaprio, Kate Winslet,<br />

Billy Zane. Regie: J<strong>am</strong>es<br />

C<strong>am</strong>eron. Rose erzählt die<br />

Geschichte ihrer Liebe.<br />

0.10 H g Der Manchurian<br />

Kandidat Thriller (USA<br />

2004) Mit Denzel Washington,<br />

Meryl Streep, Liev<br />

Schreiber. Regie: Jonathan<br />

Demme. Ein angehender<br />

US-Vizepräsident und ehemaliger<br />

Sergeant im Golfkrieg<br />

gerät wegen eines<br />

Veteranen unter Beschuss.<br />

2.20 H g Titanic Liebesdr<strong>am</strong>a<br />

(USA 1997) Mit Leonardo<br />

DiCaprio. Regie: J<strong>am</strong>es<br />

C<strong>am</strong>eron (Wh.)<br />

ARTE<br />

3SAT<br />

VOX RTL 2<br />

8.10 g Zenith 8.35 g Im Lauf der<br />

Zeit 9.00 Arte Junior Magazin 9.22<br />

H ¥ g Rückkehr nach Montauk<br />

Dr<strong>am</strong>a (D/F/IRL 2017) 11.00 g Vox<br />

Pop 11.40 g Die großen Mythen<br />

12.35 g Ein Tag in Frankreich Dokumentarfilm<br />

(F 2015) 14.05 g Ein<br />

Tag in Deutschland Dokumentarfilm<br />

(F 2015) 15.35 g Citizen<br />

Kahn – Bankier und Kunstmäzen<br />

16.25 g Liebe <strong>am</strong> Werk 16.55 g<br />

Metropolis 17.40 ¥ g Andris Nelsons<br />

dirigiert Felix Mendelssohn<br />

Bartholdy 18.25 ¥ g Zu Tisch ...<br />

18.55 g Kar<strong>am</strong>bolage 19.10 Arte<br />

Journal 19.30 g Die großen Seebäder<br />

20.15 H ¥ g Der Unter-<br />

gang Dr<strong>am</strong>a (D/A/I 2004) 22.45 H ®<br />

g Fritz Lang – Der Andere in uns<br />

Dokudr<strong>am</strong>a (D 2016) 0.25 1939/40,<br />

ein „Feldzug“ nach Frankreich<br />

NDR<br />

11.35 ¥ g Zoo-Babies 12.25 H ¥<br />

® Er kann’s nicht lassen Krimikomödie<br />

(D 1962) 13.55 ¥ g Morden<br />

im Norden 14.45 ¥ Brautalarm<br />

auf dem Land 15.30 ¥ g Klosterküche<br />

– Kochen mit Leib und Seele<br />

16.00 g Lieb und teuer 16.30 g<br />

Sass: So isst der Norden 17.00 g<br />

Bingo! 18.00 ¥ g Nordseereport<br />

Reportagereihe 18.45 ¥ g DAS!<br />

19.30 Ländermagazine 20.00 ¥ g<br />

Tagesschau 20.15 ¥ g Norddeutschland<br />

von oben Dokumentationsreihe<br />

21.45 g Sportschau –<br />

Bundesliga <strong>am</strong> <strong>Sonntag</strong> 22.05 ¥<br />

Die NDR-Quizshow 22.50 ¥ g<br />

Sportclub 23.35 ¥ g Sportclub<br />

Story 0.05 g Die Superpauker<br />

11.20 g NZZ-Standpunkte Diskussion<br />

12.15 ¥ g Traumfänger<br />

13.00 g ZIB 13.10 g Unterwegs<br />

beim Nachbarn 13.35 g Wunderwelt<br />

Schweiz 17.00 H ® g Vergesst<br />

mir meine Traudel nicht<br />

Komödie (DDR 1957) 18.30 g Museums-Check<br />

19.00 ¥ heute 19.10<br />

g NZZ Format 19.40 Schätze der<br />

<strong>Welt</strong> 20.00 ¥ Tagess. 20.15 ¥ g<br />

Nuhr gerecht 21.00 ¥ g Kabarettgipfel<br />

(1/2) 22.00 H ¥ õ g<br />

Keine Ehe ohne Pause Komödie (D<br />

2016) Mit Heino Ferch. Regie: Patrick<br />

Winczewski 23.30 ¥ g Polizeiruf<br />

110: Tod durch elektrischen<br />

Strom TV-Krimi (DDR 1990)<br />

Mit Jürgen Frohriep 0.35 H ¥ g<br />

Ich bin der Boss – Skandal beim<br />

FBI Biografie (USA 1977) 2.25 g<br />

Wunderwelt Schweiz (Wh.)<br />

MDR<br />

11.45 ¥ g Riverboat 14.00 ¥ g<br />

So schön ist Görlitz Eine unterhalts<strong>am</strong>e<br />

Entdeckungsreise rund um die<br />

Europastadt. Dokumentarfilm (D<br />

2019) 15.30 ¥ g Alles Klara 16.20<br />

¥ g aktuell 16.30 ¥ g Sport im<br />

Osten 17.10 ¥ g In aller Freundschaft<br />

– Die jungen Ärzte Stunde<br />

Null 18.00 ¥ g aktuell 18.05 ¥ g<br />

In aller Freundschaft 18.52 ¥ g<br />

Unser Sandmännchen 19.00 ¥ g<br />

MDR Regional 19.30 ¥ g MDR<br />

aktuell 19.50 ¥ g Kripo live 20.15<br />

¥ D<strong>am</strong>als war’s 21.45 ¥ g MDR<br />

aktuell 22.05 ¥ g Sportschau<br />

22.25 ¥ g MDR Zeitreise 22.55 ¥<br />

g Geheimakte Geschichte 0.25 ¥<br />

g Kripo live Magazin (Wh.)<br />

ABENTEUERFILM<br />

Passengers<br />

20.15 | RTL Um einen Planeten zu besiedeln, wurden Tausende Menschen<br />

auf eine galaktische Reise geschickt. Jim und Aurora (Jennifer<br />

Lawrence) erwachen 90 Jahre zu früh aus dem Tiefschlaf und<br />

müssen sich d<strong>am</strong>it arrangieren, den Rest ihres Lebens auf dem<br />

Schiff zu verbringen. Als ihre Gefühle füreinander stärker werden,<br />

gerät das Leben aller Passagiere wegen eines Defekts in Gefahr.<br />

Nachrichten um 8, 9, 12, 15, 18, 19<br />

und 20 Uhr<br />

9.15 g Versenkt – Kriegsschiffe<br />

<strong>am</strong> Meeresgrund<br />

10.00 g Hochmodern und<br />

hochgefährlich – Die<br />

Fregatte „Hessen“ Doku<br />

10.50 g Schule der Krieger<br />

12.15 g Zum Mond und noch<br />

viel weiter – Die Reise der<br />

Nasa Dokumentation<br />

14.00 Planeten-Killer –<br />

Die Erde im Visier<br />

15.15 g Strip the Cosmos<br />

17.00 g Der Tag an dem die<br />

Sonne explodiert Doku<br />

18.05 g Spacetime Dokureihe<br />

19.10 g World’s most Extreme<br />

PHOENIX EUROSPORT 1<br />

20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Länder<br />

– Menschen – Abenteuer Dokureihe<br />

21.00 Sri Lanka – Die<br />

leuchtende Insel 21.45 Reiseabenteuer<br />

in Myanmar: Robert Hetkämper<br />

unterwegs 22.30 Dokumentation<br />

23.15 Experiment Rojava<br />

in Syrien – Eine Gesellschaft im<br />

Aufbruch 0.00 die diskussion<br />

20.05 g Der erste moderne<br />

Krieg<br />

Dokumentationsreihe<br />

21.00 g Zeppelin – Der erste<br />

Langstreckenbomber<br />

22.00 g Pervitin – Die Wunderdroge<br />

der Wehrmacht<br />

23.05 g Spezialkommandos<br />

im Zweiten <strong>Welt</strong>krieg<br />

23.55 g Hitlers Letztes Jahr<br />

1.40 Der Nostrad<strong>am</strong>us-Effekt<br />

2.20 g Der erste moderne<br />

Krieg<br />

Dokumentationsreihe<br />

18.05 In greifbarer Nähe: der<br />

erste bemannte Flug zum Mars<br />

15.15 Snooker: <strong>Welt</strong>meisterschaft<br />

18.00 Tourenwagen: <strong>Welt</strong>cup<br />

Rückblick – Mogyoród (H) (Wh.)<br />

18.30 Leichtathletik: Di<strong>am</strong>ond<br />

League (Wh.) 19.25 News 19.30<br />

Snooker: <strong>Welt</strong>meisterschaft Finale<br />

22.55 News 23.00 Radsport:<br />

Tour de Romandie (Wh.) 0.15 Radsport:<br />

Tour de Yorkshire (Wh.)<br />

5.05 g Criminal Intent – Verbrechen<br />

im Visier Kurzsichtig / Verrückt<br />

vor Angst / Das Kuckuckskind /<br />

Schmutzige Geschäfte / Lieblos /<br />

Schlussakkord / Der Brooklyn-<br />

Mord / Schmutzige Geschäfte / Lieblos<br />

/ Schlussakkord / Der Brooklyn-<br />

Mord (Wh.) 14.15 H ¥ g Ice Age<br />

3 – Die Dinosaurier sind los Animationsfilm<br />

(USA 2009) 16.00 g<br />

Schneller als die Polizei erlaubt<br />

Doku-Soap 17.00 g auto mobil<br />

Magazin 18.10 g Einmal C<strong>am</strong>ping,<br />

immer C<strong>am</strong>ping Doku-Soap. U. a.:<br />

Jessica & Julian, Sardinien 19.10 g<br />

Ab ins Beet! Die Garten-Soap Doku-Soap<br />

20.15 ¥ g Grill den Henssler<br />

(1) Show. Die neue Kocharena<br />

23.35 g Prominent! Magazin 0.20<br />

¥ Medical Detectives – Geheimnisse<br />

der Gerichtsmedizin Doku<br />

BR<br />

12.00 ¥ quer 12.45 ¥ Die Berge<br />

und ich 13.30 Tennis: ATP World<br />

Tour 15.30 ¥ Gernstl – Siebenmal<br />

Bayern 16.00 ¥ Rundschau 16.15<br />

¥ Unser Land 16.45 ¥ Alpen-Donau-Adria<br />

Moderation: Daniela Dinandt<br />

17.15 ¥ Einfach. Gut. Bachmeier<br />

17.45 Aus Schwaben und<br />

Altbayern 18.30 ¥ Rundschau<br />

18.45 freizeit 19.15 ¥ Unter unserem<br />

Himmel 20.00 ¥ Tagesschau<br />

20.15 ¥ Feste in Bayern 21.45<br />

Blickpunkt Sport Moderation: Markus<br />

Othmer 23.00 Rundschau So.-<br />

Mag. 23.15 Normal is des ned!<br />

23.55 ¥ Da wo das Glück beginnt<br />

Heimatfilm (D/A 2006) 1.25 ¥ Ein-<br />

fach. Gut. Bachmeier<br />

(Wh.)<br />

5.50 H g Unterwegs mit Jungs<br />

Tragikomödie (USA 2001) Mit Drew<br />

Barrymore 8.20 Infomercial 9.20 X-<br />

Factor: Das Unfassbare 11.15 g<br />

Die Schnäppchenhäuser – Der<br />

Traum vom Eigenheim Doku-Soap<br />

13.15 g Die Schnäppchenhäuser<br />

Doku-Soap 14.15 g Zuhause im<br />

Glück 16.15 g Der Trödeltrupp<br />

17.15 g Mein neuer Alter 18.15 g<br />

GRIP – Das Motormagazin Mit<br />

Cyndie Allemann, Det Müller, Helge<br />

Thomsen, Jens Kuck, Niki Schelle<br />

20.15 H g Scary Movie Horrorkomödie<br />

(USA 2000) Mit Anna Faris.<br />

Regie: Keenen Ivory Wayans 21.55 H<br />

g Scary Movie 2 Horrorkomödie<br />

(USA/CDN 2001) 23.30 H g Girl-<br />

House Horrorthriller (CDN 2014)<br />

1.30 H g Scary Movie Horrorkomödie<br />

(USA 2000) (Wh.)<br />

WDR<br />

12.55 ¥ g Unser Westen 13.40 ¥<br />

g T<strong>am</strong>ina in Berlin 14.10 ¥ g<br />

T<strong>am</strong>ina auf dem Canal du Midi<br />

14.40 ¥ g Meine Traumreise in<br />

die Ch<strong>am</strong>pagne 15.10 ¥ g Der<br />

grüne Gaumen 15.55 ¥ g Lecker<br />

an Bord 16.40 ¥ g Meuchelbeck<br />

18.15 ¥ Tiere suchen ein Zuhause<br />

19.10 ¥ g Aktuelle Stunde 19.30<br />

¥ g Westpol 20.00 ¥ g Tagesschau<br />

20.15 ¥ g Wunderschön!<br />

Reportagereihe 21.45 ¥ g Sportschau<br />

– Bundesliga <strong>am</strong> <strong>Sonntag</strong><br />

22.15 ¥ g Zeiglers wunderbare<br />

<strong>Welt</strong> des Fußballs 22.45 ¥ Das<br />

Tier in Dir 23.30 ¥ g RebellCo-<br />

medy<br />

Show 0.00 ¥ g Carolin Ke-<br />

bekus: PussyTerror TV<br />

Show<br />

T ONLINE: AUSFÜHRLICHE PROGRAMMÜBERSICHT UNTER WELT.DE/TV-PROGRAMM<br />

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