29. Juni 2019
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Schwäbische Zeitung | <strong>29.</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2019</strong><br />
Spezial<br />
ARBEITEN IN ÖSTERREICH<br />
Traumjob gefunden<br />
Christine Maria Konstatzky aus Bodman lebt und arbeitet seit 24 Jahren in Österreich<br />
Von Hildegard Nagler<br />
●<br />
Sie liebt Österreich. Und<br />
sie liebt ihre Arbeit dort:<br />
Seit 2003 betreut Christine<br />
Maria Konstatzky für die<br />
Hohentwiel Schifffahrtsgesellschaft<br />
eine „alte Dame“, das<br />
mittlerweile 106 Jahre alte<br />
Dampfschiff „Hohentwiel“, im<br />
Bereich Charter. In diesem Jahr<br />
ist mit dem Motorschiff „Oesterreich“,<br />
das 1929 seine Jungfernfahrt<br />
hatte, eine weitere<br />
„alte Dame“ hinzugekommen.<br />
Konstatzky, eine gebürtige<br />
Deutsche, sagt: „Ich habe meinen<br />
Traumberuf.“<br />
Ihre Zeit in Österreich begann<br />
im Herbst 1994. Als Diplom-Betriebswirtin<br />
für Tourismus<br />
(BA) hatte sich Konstatzky<br />
aus Bodman am Bodensee<br />
– ihre Mutter stammt aus<br />
Laupheim – bei den Bregenzer<br />
Festspielen beworben. Sie hatte<br />
gleich zweimal Glück: Die<br />
junge Frau wurde aus 100 Bewerbern<br />
ausgewählt, sollte im<br />
Januar 1995 ihre neue Arbeit<br />
antreten. Und: Die anfängliche<br />
Sorge ihres damaligen neuen<br />
Chefs Franz Salzmann löste<br />
sich in Luft auf: Konstatzky<br />
brauchte keine Arbeitserlaubnis,<br />
weil Österreich inzwischen<br />
der Europäischen Union<br />
beigetreten war.<br />
Neustart am See<br />
Zunächst arbeitete die heute<br />
47-Jährige im Ticketcenter der<br />
Bregenzer Festspiele, war für<br />
Telefondienst und Einbuchungen<br />
ins System zuständig. Bald<br />
darauf kamen die Bereiche<br />
Rechnungslegung und Kontrolle<br />
hinzu. Und: die Umstellung<br />
auf ein neues Buchungssystem<br />
– das alte System war<br />
nicht mehr zeitgemäß. „Viel<br />
Spaß“ machte es ihr, für kleinere<br />
Veranstaltungen, beispielsweise<br />
im Theater am Kornmarkt<br />
in Bregenz, selbst zu programmieren,<br />
sagt Konstatzky<br />
rückblickend.<br />
2002 kehrte sie den Bregenzer<br />
Festspielen den Rücken.<br />
Die mittlerweile zweifache<br />
Mutter begann, als Handelsagentin<br />
für den Schaufelraddampfer<br />
„Hohentwiel“ zu arbeiten.<br />
Was naheliegt: Ihr damaliger<br />
Mann Adolf F. Konstatzky<br />
– seinetwegen war sie<br />
nach Österreich gekommen –<br />
ist Kapitän des Dampfschiffs,<br />
die zweifache Mutter konnte<br />
von zu Hause aus arbeiten. Als<br />
die „Hohentwiel“ in den Jahren<br />
2010/11 ihre eigene Bordgastronomie<br />
bekam und auch die öffentlichen<br />
Fahrten selbst vertrieb,<br />
erweiterte sich Konstatzkys<br />
Aufgabenfeld.<br />
Seither ist sie im Bereich<br />
Charter für die Erstellung von<br />
Angeboten zuständig, das Unterzeichnen<br />
von Verträgen, die<br />
Veranstaltungsplanung an<br />
Bord, für Sonderfahrtanzeigen<br />
in den Häfen, die angelaufen<br />
werden, und für kleinere technische<br />
Anweisungen. „Gut zuhören“<br />
nennt sie als eine der<br />
wichtigen Aufgaben, ihre Kollegen<br />
schätzen Konstatzkys<br />
Wissen rund um die Schifffahrt<br />
– das fängt bei technischen Details<br />
an und reicht beispielsweise<br />
bis hin zur Menüplanung.<br />
„Eine traumhaft schöne Maschine<br />
und schöne Männer in<br />
Uniform – es war einfach alles<br />
überwältigend“ – das antwortet<br />
Konstatzky sofort, wenn<br />
man sie nach ihrer ersten „Hohentwiel“-Erinnerung<br />
fragt.<br />
1992 hatte sie das Dampfschiff,<br />
das im Jahr 1990 seine zweite<br />
Jungfernfahrt hatte und dessen<br />
Eigner der Verein „Internationales<br />
Bodensee-Schifffahrtsmuseum“<br />
ist, zum ersten Mal<br />
gesehen: Damals hatte die Tourist-Info<br />
in Bodman, für die die<br />
junge Frau arbeitete, den letzten<br />
Schaufelraddampfer auf<br />
Christine Maria Konstatzky ist in Deutschland geboren, jetzt<br />
lebt sie in Hörbranz und arbeitet in Hard. FOTO: MARKUS GMEINER<br />
dem Bodensee gechartert.<br />
Dass sie bald darauf selbst zur<br />
Crew gehören würde, hatte sie<br />
damals nicht gedacht.<br />
Mit High-Heels an Bord<br />
Seit März dieses Jahres kümmert<br />
sich Christine Maria Konstatzky<br />
auch um die Chartergäste<br />
der frisch renovierten<br />
„MS Oesterreich“. „Ich sage<br />
immer: Die ,Hohentwiel’ ist<br />
meine alte Dame. Die ,Oesterreich’<br />
ist auch super – sie ist ihre<br />
Hippster-Schwester“, sagt<br />
die 47-Jährige und schmunzelt.<br />
Frisch renoviert: die „MS Oesterreich“ aus dem Jahr 19<strong>29.</strong><br />
Die „Hohentwiel“, der letzte Schaufelraddampfer auf dem Bodensee, hatte 1913 ihre Jungfernfahrt.<br />
FOTO: HILDEGARD NAGLER<br />
135 Plätze vergibt sie in der Regel<br />
auf dem Schaufelraddampfer,<br />
140 auf dem Motorschiff –<br />
schließlich sollen sich alle Passagiere<br />
auch bei schlechtem<br />
Wetter unter Deck wohlfühlen.<br />
„Jede Fahrt ist für mich<br />
wichtig“, sagt Konstatzky. Sie<br />
weiß: Die Erwartungen der<br />
Fahrgäste sind hoch, ihr ehrgeiziges<br />
Ziel ist es, „ein Schäufele<br />
mehr draufzulegen als erwartet“.<br />
Deshalb ist der Crew der<br />
Schreck in die Glieder gefahren,<br />
als ein Charter-Kunde vergessen<br />
hatte, seine Gäste auf eine<br />
wichtige Bedingung hinzuweisen:<br />
Aus Sicherheitsgründen<br />
und auch, um das Deck zu<br />
schonen, dürfen die historischen<br />
Schiffe nicht mit High-<br />
Heels betreten werden. Vielmehr<br />
muss die Absatzgröße<br />
mindestens zwei auf zwei Zentimeter<br />
betragen.<br />
Bessere Arbeitsbedingungen<br />
An besagtem Abend standen<br />
30 Damen in High-Heels und<br />
ihre Begleiter vor der „Hohentwiel“<br />
und baten um Einlass. Es<br />
half alles nichts: Die Crew<br />
FOTO: HILDEGARD NAGLER<br />
musste den Frauen klarmachen,<br />
dass sie so nicht an Bord<br />
durften. Anstelle des erwarteten<br />
Aufschreis legten diese ihre<br />
Schuhe mit einem Seufzer der<br />
Erleichterung ab, stellten sie in<br />
Reih und Glied und schlüpften<br />
in die bereitgestellten Pantoffeln.<br />
„Da waren auch wir froh,<br />
dass alles nochmals gut gegangen<br />
war“, freut sich Konstatzky<br />
noch heute.<br />
„Arbeiten in Österreich ist<br />
mit mehreren Vorteilen verbunden“,<br />
sagt sie in schönstem<br />
Vorarlbergerisch. „Das Nettogehalt<br />
ist höher als in Deutschland,<br />
ich freue mich über mein<br />
13. und 14. Monatsgehalt.“ Zudem<br />
seien der Mutterschutz<br />
und die Karenzregelung in Österreich<br />
„erfreulich“. Auch das<br />
Sozialsystem sei sehr gut, für<br />
Kinder gebe es „eine sehr gute<br />
Unterstützung und, wenn man<br />
sie braucht, sehr schnelle Hilfe“.<br />
Hat sich Christine Maria<br />
Konstatzky schon überlegt, Österreich<br />
den Rücken zu kehren?<br />
„Nein“, sagt sie. „Dann müsste<br />
ich etwas aufgeben, was ich<br />
nicht will: meinen Traumjob.“<br />
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