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11. Osnabrücker Wissensforum

Zukunft. Fragen. Antworten

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Schmähkritik.<br />

Was darf Satire, was darf sie nicht?<br />

Olav Krämer<br />

„Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz<br />

macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa<br />

und nimmt übel.“ Mit diesem Bonmot beginnt Kurt<br />

Tucholskys berühmte Glosse „Was darf die Satire?“,<br />

die vor fast 100 Jahren, im Januar 1919, erstmals<br />

publiziert wurde. Die Frage danach, was der Satire<br />

erlaubt sei und was nicht, begleitet diese Gattung von<br />

ihren antiken Anfängen an bis in unsere Zeit.<br />

In der jüngsten Vergangenheit ist eine kontroverse<br />

Diskussion dieser Frage bekanntlich durch ein Gedicht<br />

des Satirikers und Fernsehmoderators Jan Böhmermann<br />

ausgelöst worden, das von dem türkischen<br />

Präsidenten Erdogan handelt. Das mittlerweile in<br />

Teilen verbotene Gedicht wurde von Böhmermann<br />

mit dem Titel „Schmähkritik“ versehen und ausdrücklich<br />

als Beispiel für etwas präsentiert, was nicht<br />

mehr als legitime Satire gelten könne. Wie der Fall<br />

Böhmermann zeigt, hat die gestellte Frage auch eine<br />

juristische Seite, für die ich als Literaturwissenschaftler<br />

allerdings nicht kompetent bin. Ich konzentriere mich<br />

daher auf die Frage, wie der Bereich des Zulässigen<br />

von Satirikern selbst und von Dichtungstheoretikern<br />

abgegrenzt worden ist. Vier Richtlinien sind besonders<br />

häufig auf gestellt und variiert worden. Erstens:<br />

Die Satire soll der Wahrheit verpflichtet sein. Sie darf<br />

und soll zwar über treiben, aber die Übertreibungen<br />

sollen erkennbar dazu dienen, auf tatsächlich existierende<br />

Missstände hinzuweisen. Zweitens: Die Satire<br />

soll sich an einer moralischen Norm orientieren und<br />

auf eine Verbesserung der Zustände zielen, also nicht<br />

von rein destruktiven Einstellungen wie Rachsucht<br />

oder Zynismus angetrieben werden. Damit hängt<br />

eine dritte Forderung eng zusammen: Die Satire soll<br />

moralische Fehler oder Torheiten aufs Korn nehmen,<br />

aber nicht Personen wegen angeborener Eigenschaften

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