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11. Osnabrücker Wissensforum

Zukunft. Fragen. Antworten

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Zivilgesellschaftliche Akteure dürfen ihn nicht einfach<br />

unterlaufen, um den Staat auf vermeintliche Fehler<br />

hinzuweisen.<br />

Deshalb ist das Kirchenasyl rechtlich keine<br />

„Grauzone“, wie oft behauptet wird. Es ist ein Akt<br />

zivilen Ungehorsams, der auch entsprechend geahndet<br />

werden kann. Wer sich hier auf sein Gewissen beruft,<br />

muss bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Deshalb<br />

zeigen sich Kirchengemeinden manchmal nach<br />

Abschluss eines Kirchenasyls selbst an.<br />

Allerdings: Viele Abschiebe-Entscheidungen<br />

wurden durch Kirchenasyl tatsächlich neu bewertet.<br />

Oft genug kommen die Behörden bei genauerem<br />

Hinsehen zu einer anderen Einschätzung als beim<br />

ersten Mal. Indem der Staat Kirchenasyle toleriert,<br />

beweist er Selbstkritik im Umgang mit seiner eigenen<br />

Fehlbarkeit.<br />

Gerade deshalb müssen die Kirchen in einer<br />

demokratischen Gesellschaft aber auch den Verdacht<br />

vermeiden, als sei das Kirchenasyl Ausdruck eines<br />

grundsätzlichen Misstrauens gegenüber dem Staat<br />

und seinem Vorgehen. Umgekehrt kann es dem Staat<br />

aber auch nicht gleichgültig sein, wenn regelmäßig der<br />

Eindruck entsteht, es würde zu hart und gnadenlos<br />

abgeschoben, obwohl die Betroffenen durchaus eine<br />

Bleibechance hätten.<br />

Deshalb: Ob der Staat Kirchenasyle toleriert, ist<br />

allein seine Sache. In meinen Augen tut er aber gut<br />

daran, die großzügige Linie weiter zu verfolgen. Die<br />

Kirchen sind zwar nicht die höheren Statthalter der<br />

Menschenwürde in Deutschland. Aber der Staat darf<br />

aus freien Stücken das Kirchenasyl dazu benutzen, sein<br />

eigenes Vorgehen zu überprüfen. Für den einzelnen<br />

Menschen hängt vielleicht ein doch noch gelingendes<br />

Leben daran. Für die Allgemeinheit ist die Bedeutung<br />

des Kirchenasyls angesichts von wenigen Hundert<br />

‚Fällen‘ pro Jahr ohnehin eher auf der symbolischen<br />

Ebene anzusiedeln.<br />

Prof. Dr. Andreas Kubik-Boltres<br />

Universität Osnabrück<br />

Evangelische Theologie: Praktische Theologie<br />

und Religionspädagogik<br />

Fachbereich Erziehungs- und Kulturwissenschaften<br />

E-Mail: andreas.kubikboltres@uni-osnabrueck.de<br />

Internet: www.ev-theologie.uni-osnabrueck.de/personen/<br />

professur_praktische_theologiereligionspaedagogik.html<br />

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