Alexanders Geschichte in der Eltern-Kind-Station
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<strong>Alexan<strong>der</strong>s</strong>’ <strong>Geschichte</strong><br />
Vater_Alexan<strong>der</strong>, wie gefiel es dir <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong>-K<strong>in</strong>d-<strong>Station</strong>? Alexan<strong>der</strong>_Sehr<br />
schön! Vater_Warum war es so schön? Alexan<strong>der</strong>_Wegen denen da (er zeigt<br />
auf Frau Kraft und Frau Pescheck) und weil wir als Familie dort waren. Vater_Weißt du noch,<br />
wie du sagtest „ihr werdet mich nie verstehen?“ Alexan<strong>der</strong>_Ja, Papa. Das<br />
war für dich e<strong>in</strong> ganz wichtiger Satz. Vater_Genau, weil es bedeutet, dass du<br />
e<strong>in</strong> bisschen Vertrauen <strong>in</strong> uns hast. Denkst du, dass wir dich jetzt besser<br />
verstehen? Alexan<strong>der</strong>_Ja, e<strong>in</strong> bisschen! Gespräch zwischen Alexan<strong>der</strong> und se<strong>in</strong>em Vater<br />
Kathar<strong>in</strong>a Kraft,<br />
Chefärzt<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />
Jugendpsychiatrie<br />
„In <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong>-K<strong>in</strong>d-<strong>Station</strong> nehmen wir K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
mit wie auch ohne geistige Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen auf. Zu<br />
uns können kognitiv normal begabte o<strong>der</strong> hochbegabte<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit seelischen Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong><br />
Verhaltensauffälligkeiten kommen. Ursprünglich<br />
war es e<strong>in</strong>e <strong>Station</strong> für mehrfach beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te, komplexer<br />
bee<strong>in</strong>trächtigte K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Dabei hatten wir<br />
immer wie<strong>der</strong> mit Geschwisterk<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu tun, die<br />
Depressionen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e psychische Erkrankungen<br />
hatten.<br />
Ohne die <strong>Eltern</strong> können wir hier nur kurzfristig<br />
arbeiten; wir brauchen die Mitarbeit <strong>der</strong> ganzen<br />
Familie, um den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n langfristig zu helfen. Deshalb<br />
verfolgen wir den Ansatz e<strong>in</strong>er Inklusion von<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite—wir begreifen die Familie als<br />
„System“.<br />
Alexan<strong>der</strong> hat e<strong>in</strong>e seelische Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung, e<strong>in</strong>en<br />
sogenannten Asperger-Autismus und zusätzlich<br />
e<strong>in</strong>e Angststörung. Aufgrund e<strong>in</strong>er heftigen Impulskontrollproblematik<br />
wurde Alexan<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
Schule ausgeschlossen. Wenn er <strong>in</strong> Not geriet, also<br />
Angst hatte, reagierte er manchmal sehr aggressiv.<br />
Er konnte und wollte nicht mehr zur Schule gehen.<br />
Mit dieser Problematik haben Herr und Frau Böhm<br />
ihren Sohn bei uns vorgestellt. Normalerweise<br />
wäre Alexan<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Regelpsychiatrie aufgenommen<br />
worden, wo es ke<strong>in</strong>e <strong>Eltern</strong>begleitung<br />
gibt. Alexan<strong>der</strong> wäre alle<strong>in</strong> gewesen. Das wollten<br />
die <strong>Eltern</strong> nicht. Sie wollten lernen, wie sie ihren<br />
Sohn unterstützen können. Sie wollten verstehen,<br />
was <strong>in</strong> ihm vor sich geht.<br />
Bei Alexan<strong>der</strong> und se<strong>in</strong>er Familie hat sich während<br />
ihres Aufenthalts hier sehr viel verän<strong>der</strong>t. Sie<br />
kamen verzweifelt und mit großen Sorgen <strong>in</strong> die<br />
<strong>Eltern</strong>-K<strong>in</strong>d-<strong>Station</strong>. Am Anfang war die Situation<br />
entsprechend angespannt: Fremde Umgebungen<br />
s<strong>in</strong>d für Alexan<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e große Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Und auch für die <strong>Eltern</strong> war es nicht e<strong>in</strong>fach, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Art Wohngeme<strong>in</strong>schaft mit an<strong>der</strong>en Familien<br />
e<strong>in</strong>en guten Alltag zu erleben und sich aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>zulassen. Wir haben ihnen viel Zeit gelassen,<br />
um anzukommen und Vertrauen zu fassen. Als<br />
dies gelungen war, konnten wir e<strong>in</strong>e ganz erstaunliche<br />
und sehr schnelle Entwicklung beobachten—<br />
sowohl bei Alexan<strong>der</strong> als auch bei se<strong>in</strong>en <strong>Eltern</strong>.<br />
Alexan<strong>der</strong> hat zum Beispiel gelernt, frühzeitig zu<br />
spüren, wenn Aggressionen <strong>in</strong> ihm aufkommen<br />
und se<strong>in</strong>en Gefühlen Ausdruck zu verleihen anstatt<br />
zu „explodieren“. Er kann es immer besser<br />
mitteilen, wenn ihn zu helles Licht o<strong>der</strong> zu laute<br />
Geräusche stören o<strong>der</strong> überfor<strong>der</strong>n. Wenn man<br />
ihm gut zuhört, kann man die Situation an<strong>der</strong>s gestalten.<br />
Für die kurze Zeit, die die Familie bei uns<br />
war, ist das e<strong>in</strong> erstaunlicher Prozess. Und mich<br />
freut, dass er so gut gelungen ist.<br />
Ich halte die <strong>Eltern</strong>-K<strong>in</strong>d-<strong>Station</strong> für<br />
sehr bedeutend. Viele unserer Patient<strong>in</strong>nen<br />
und Patienten fühlen sich alle<strong>in</strong><br />
gelassen und haben echte Schwierigkeiten,<br />
Unterstützung zu f<strong>in</strong>den.<br />
Es macht mir große Freude, wenn sie<br />
zu uns kommen, sich auf unsere<br />
Arbeit e<strong>in</strong>lassen und Vertrauen fassen.<br />
Dann können wir geme<strong>in</strong>sam etwas<br />
entwickeln, das die Familie langfristig<br />
trägt. Wir möchten, dass unsere<br />
Psychiatrie nicht Türen schließt son<strong>der</strong>n<br />
Augen öffnet.“