Foto: Kühne 20 Jahre s<strong>in</strong>d seit der <strong>Friedliche</strong>n <strong>Revolution</strong> vergangen. Historiker und Politikwissenschaftler, Soziologen und Psychologen erforschen dieses Phänomen, das für uns Deutsche am Ausgang e<strong>in</strong>es Jahrhunderts voller Ge walt stand. Künstler spüren ihm nach. Für die Schul k<strong>in</strong>der ist es Geschichtslehrstoff - emotionslos, ohne eigene Er fahrung. Aber für die Älteren wird der Gang durch diese Ausstellung, zu der dieser Begleitband entstand, e<strong>in</strong> Weg der Er<strong>in</strong>nerung se<strong>in</strong>, gleich auf welcher Seite der »Barrikade« sie gestanden haben, ob sie sich für oder gegen die Veränderung e<strong>in</strong>setzten, Beteiligte oder Zuschauer waren. Gewonnen haben am Ende alle: e<strong>in</strong> demokratisch ver fasstes, wiedervere<strong>in</strong>tes Deutsch land, bürgerliche Freiheitsrechte, Frieden statt der latenten Kriegs gefahr an der Naht stelle fe<strong>in</strong>dlicher Lager, die Über - w<strong>in</strong> dung von Abgrenzung und Ab schreckung des Ost-West-Kon flik tes und die Öffnung des Weges zu e<strong>in</strong>em gee<strong>in</strong>ten Europa. Demonstration auf dem Theaterplatz, Dresden, <strong>in</strong> der zweiten Oktoberwoche 19<strong>89</strong> Foto: Günther Heute kursieren e<strong>in</strong>ige, zum Teil abenteuerliche Deutungs versuche für etwas, das im Letzten nicht zu erklären ist. Nicht zu erklären, weil es gelebt, nicht erdacht wurde. <strong>Die</strong> <strong>in</strong>ternationale Lage wird als Ursache der Herbstrevolution genannt, der wirtschaftliche Zusammenbruch der DDR und die Ausreisewelle. Reformkräfte <strong>in</strong> der SED, ja das Mi nis te rium für Staatssicherheit gar hätten sie angezettelt. Bei manchen westdeutschen »Erklärern« fällt e<strong>in</strong> bedenklicher Eifer auf, die historische Leistung der Ostdeutschen kle<strong>in</strong> zu reden. Auch deshalb ist diese Ausstellung besonders darum bemüht, an die Vorgeschichte zu er<strong>in</strong>nern, die Wurzeln der emanzipatorischen Entwicklung freizulegen, die im Herbst 19<strong>89</strong> gipfelte. <strong>Die</strong> friedliche <strong>Revolution</strong> begann nicht als Umbruch, sondern als <strong>Aufbruch</strong> - spontan, unorganisiert, nicht vorgeplant. Sie war ke<strong>in</strong> Schachzug revolutio närer Führer, sondern wie e<strong>in</strong>e Eruption brach sie aus der Mitte des Volkes hervor. Zu vieles, nicht länger Fotos: Giersch Ertragbares hatte sich aufgestaut <strong>in</strong> der All tags - erfahrung der Menschen, während die Medien des Lan des <strong>in</strong> öder Funktionärssprache e<strong>in</strong>e Sche<strong>in</strong> welt vorspiegelten, an die längst ke<strong>in</strong>er mehr glaubte. Aber mit ihrer stupiden Schönfärberei hatten die Medienpolitik und die offizielle Propaganda der SED ihren eigenen An teil an dem Vertrauensverlust der Bevölkerung und der zunehmenden Entfremdung zwischen Führung und Volk. Lüge, Heuche - lei und Anpassungs zwänge erstickten Kreativität und Lebens freude, legten sich wie e<strong>in</strong> grauer Schleier auf alle Hoffnungen. <strong>Die</strong> im Ok to ber vor zehn Jahren zuerst auf die Straße g<strong>in</strong>gen, nannten es nicht <strong>Revolution</strong> und wussten nicht, wie weit ihre Schritte tragen, wie sie nicht nur ihr Leben, sondern das ganze Land, ja die Welt verändern würden. Sie g<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>fach los, - und siehe, sie blieben nicht alle<strong>in</strong>. In diesem Wagnis fanden sie ihre Selbstachtung wieder, die der vormundschaftliche Staat ihnen genommen hatte. Ausbruch aus der Lüge 7. Oktober 19<strong>89</strong> <strong>in</strong> Karl-Marx-Stadt Foto: Farkas 4 5