Wagnereinmalig No. 9
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Das Buchmagazin der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung — 09.2019<br />
Wagner<br />
eı˙nmalı˙g<br />
#<strong>No</strong>. 9
Impressum<br />
Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich:<br />
Wagner’sche Universitätsbuchhandlung,<br />
Medici Buchhandels GmbH,<br />
Museumstraße 4, 6020 Innsbruck<br />
info@wagnersche.at — www.wagnersche.at<br />
Redaktion: Robert Renk<br />
© der Textbeiträge bei den Autorinnen<br />
und Autoren<br />
Grafische Ausstattung: himmel.<br />
Studio für Design und Kommunikation<br />
Fotografie (so nicht anders angegeben):<br />
Thomas Schrott, Andreas Licht<br />
© der Abbildungen bei den jeweiligen<br />
Rechteinhabern<br />
Titelbild: aus dem Buch „Druckfrisch“,<br />
Universitätsverlag Wagner<br />
Fehler, Änderungen und Irrtümer vorbehalten.<br />
© 09.2019 – alle Rechte vorbehalten<br />
2 Wagner’sche.<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Der heurige Herbst steht<br />
ganz im Zeichen unseres<br />
Jubiläums 380 Jahre<br />
Wagner’sche Buchhandlung.<br />
Im Oktober<br />
1639 hat der Buchdrucker<br />
Michael Wagner den Freibrief<br />
von Claudia von Medici<br />
erhalten und konnte somit<br />
als Druckermeister in Innsbruck<br />
tätig werden. Seit 380<br />
Jahren ist die Wagner’sche<br />
somit fixer Bestandteil der<br />
Buchkultur und der Literatur<br />
in Tirol. Auch unsere Veranstaltungen<br />
stehen heuer<br />
ganz im Zeichen unseres<br />
Geburtstages. Unter dem<br />
Motto „380 Jahre für die<br />
Tiroler Literatur“ setzen wir<br />
einen großen Schwerpunkt<br />
gerade bei Tiroler Autoren.<br />
Neben <strong>No</strong>rbert Gstrein,<br />
Raoul Schrott, Hans Platzgumer<br />
wird auch Bernhard<br />
Aichner zu Gast sein. Natürlich<br />
dürfen aber auch internationale<br />
Bestseller nicht<br />
fehlen, hier freuen wir uns<br />
besonders auf Jan-Philipp<br />
Sendker, der unter anderem<br />
mit seinen Werken „Herzenstimmen“<br />
und „Das Herzenhören“<br />
über 3,5 Millionen<br />
Bücher verkauft hat.<br />
Markus Renk (re.), Markus Hatzer<br />
Inhalt<br />
6 380 Jahre Wagner’sche<br />
Ein kurzer Lauf durch die Geschichte unserer Buchhandlung<br />
14 Eine Buchhandlung mit Verlag<br />
Vier weitere Bände unserer erfolgreichen Reihe „Erinnerungen an Innsbruck“<br />
16 Jeggle nun in der Wagner’schen<br />
Eine Erfolgsgeschichte zieht um<br />
20 Tiroler Literatur –<br />
starker Herbst<br />
Über 20 Neuerscheinungen – von Robert Renk<br />
30 Krimi Fest Tirol<br />
Martin Walker und Ursula Poznanski – zu Gast bei uns am 23. und 24. Oktober<br />
34 Ein großer Autor kehrt zurück<br />
<strong>No</strong>rbert Gstrein mit seinem neuen Roman, der auch wieder in Tirol spielt<br />
36 Robert Prosser<br />
Der Alpbacher Autor boxt sich durch die Literaturgeschichte,<br />
am 30. Oktober bei uns<br />
40 Back to the roots<br />
Hans Platzgumer auf einer literarischen Reise –<br />
mit Stopp in der Wagner’schen am 20. <strong>No</strong>vember<br />
42 Eine Reise in ferne Welten<br />
Eine junge Tirolerin kreierte eine eigene Welt und publiziert die Reihe<br />
„Requia“, am 13. <strong>No</strong>vember bei uns<br />
44 Raoul Schrott<br />
„Eine Geschichte des Windes“ – Prasentation im ORF am 26. <strong>No</strong>vember<br />
46 <strong>No</strong>ch einmal Burma …<br />
Sensationell: Jan-Philipp Sendker liest auf eigenen Wunsch in<br />
unserer Buchhandlung<br />
48 Tot an der Kassa …<br />
Bernhard Aichner präsentiert seinen neuen Thriller am 3. Dezember<br />
50 <strong>No</strong>rwegian Woods …<br />
Tipps zum Buchmessenschwerpunkt <strong>No</strong>rwegen: Robert Renk<br />
54 In Innsbruck wimmelt<br />
es ab sofort<br />
Ein neues Wimmelbuch mit Motiven aus Innsbruck,<br />
das perfekte Geschenk aus dem Hause Wagner’sche<br />
56 Mit den besten Empfehlungen
© Andreas Friedle<br />
Alt aber neu: 380 Jahre und<br />
aktuell wie eh und je …<br />
Tradition ist an sich noch nichts Gutes oder Schlechtes,<br />
erst, was man daraus macht, ist wesentlich!<br />
Ich sage dem<br />
Buchhandel<br />
eine gewisse<br />
Renaissance<br />
voraus.<br />
Markus Renk<br />
4 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Auch in unserem Jubiläumsjahr, die Wagner’sche<br />
feiert heuer ihren 380. Geburtstag,<br />
gibt es wieder vieles zu berichten. Was sich<br />
so alles getan hat bzw. noch in der Pipeline<br />
steckt, möchten wir Ihnen hier in unserem<br />
neuesten Magazin vorstellen. Allen, die<br />
etwas tiefer in die Geschichte der Wagner’-<br />
schen eintauchen oder detaillierter wissen<br />
wollen, wie es uns in den letzten vier Jahren<br />
nach der Übernahme ergangen ist, denen<br />
empfehle ich den sechsseitigen Beitrag von<br />
Gernot Zimmermann gleich am Beginn des<br />
Magazins. Den diversen Veranstaltungen des<br />
Jubiläumsjahres widmen wir einen großen<br />
Teil unseres Magazins, Sie werden sehen,<br />
auch im Herbst sorgen wir wieder für großartige<br />
Autorenbegegnungen in Innsbruck.<br />
Neuer Internetshop<br />
Aber was nützen tolle Veranstaltungen,<br />
wenn die Leute womöglich nichts davon<br />
erfahren? Dafür werden Kommunikationsplattformen<br />
immer wichtiger. Wir nutzen<br />
hier neben unserem Newsletter vor allem<br />
unsere Homepage www.wagnersche.at.<br />
Wie Sie sich sicher vorstellen können, ist<br />
die Zurverfügungstellung eines gut funktionierenden<br />
Shops – wir reden immerhin<br />
von rund sechs Millionen Büchern, welche<br />
wir online anbieten – für eine Einzelbuchhandlung<br />
nicht leicht zu bewerkstelligen.<br />
Trotzdem ist es uns gelungen, einen komplett<br />
neuen Webshop zu entwickeln, der<br />
allen Ansprüchen der Buchkunden genügt.<br />
Im Vergleich zum Vorgängershop wurde die<br />
Titelvielfalt deutlich erweitert, das Thema<br />
E-Book stark ausgebaut, Hörbücher<br />
wurden zum Downloaden aufgenommen<br />
und die Inhalte, den Content, merklich<br />
verstärkt. So finden Sie jetzt wesentlich<br />
mehr Buchtipps, viele persönliche Besprechungen,<br />
unsere sogenannten Schaufenster,<br />
in denen wir überraschende Themen<br />
für Sie zusammenstellen, und anderes<br />
Wissenswertes rund um das Thema Buch.<br />
5<br />
Was geblieben ist, ist die schnelle Lieferfähigkeit,<br />
die portofreie Lieferung und der<br />
kostenlose Radzustelldienst „Wagner’sche<br />
bringt’s“.<br />
Wagner’sche-App<br />
Im Zuge der Neugestaltung haben wir<br />
auch unseren Newsletter adaptiert. Was<br />
in wenigen Wochen kommt, ist eine<br />
eigene Wagner’sche-App, diese soll unseren<br />
Kundenkartenbesitzern eine bessere<br />
Transparenz ermöglichen, damit Sie Ihre<br />
Einkäufe laufend beobachten und Ihre<br />
gesammelten Umsätze und die damit verbundene<br />
Bonifizierung jederzeit überprüfen<br />
können. Derzeit werden fleißig Schnittstellen<br />
programmiert, ab Jänner sollte dieses<br />
Kundenservice-Instrument für unsere Kundinnen<br />
und Kunden verfügbar sein. Mit<br />
dieser App werden wir aber auch wichtige<br />
Neuigkeiten aus dem Buchhandel und aus<br />
dem Hause Wagner’sche an unsere Newsletter-Kundinnen<br />
und -Kunden aussenden<br />
können, somit bleiben Sie immer auf dem<br />
Laufenden.<br />
Wagner’sche – die<br />
Ö1 Partner-Buchhandlung<br />
Vor vier Jahren sind wir mit dem klaren<br />
Ziel angetreten, das Standing der Wagner’-<br />
schen wieder deutlich zu verbessern und die<br />
Traditionsbuchhandlung dorthin zu bringen,<br />
wo sie früher war. Mit ein wenig Stolz<br />
können wir berichten, dass wir inzwischen<br />
wieder als einer der Leuchttürme im österreichischen<br />
Buchhandel wahrgenommen<br />
werden und zu den innovativsten und<br />
kreativsten Buchhandlungen in der Branche<br />
zählen. Dafür gebührt natürlich allen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern großer Respekt<br />
und Dank, denn sie machen dies durch<br />
ihren täglichen Einsatz erst möglich!<br />
Eine große Bestätigung durften wir erfahren,<br />
als der ORF an uns herangetreten<br />
ist, ob die Wagner’sche nicht die Edition<br />
Ö1 Partnerbuchhandlung im Westen<br />
Österreichs werden will. Dies sehen wir als<br />
außerordentliches Gütesiegel und freuen<br />
uns schon sehr auf die Partnerschaft. Für<br />
unsere Kundinnen und Kunden bedeutet<br />
dies einen leichteren Zugang und teilweise<br />
Preisvorteile bei den ORF-Produkten.<br />
Jeggle – Tradition<br />
trifft Tradition<br />
Apropos Leuchttürme: Diesen Anspruch<br />
erfüllte bis Sommer 2019 das Jeggle-Grußkarten-Geschäft<br />
am Burggraben. Jeggle<br />
ist wohl den meisten Innsbruckerinnen<br />
und Innsbruckern ein Begriff, seit 1846<br />
ist die Firma als Papier- und Schreibwarenfachgeschäft<br />
in Innsbruck ansässig.<br />
Ich kann mich gut erinnern: Meine erste<br />
Pelikan-Füllfeder mit dazugehörigem<br />
Tintenfass wurde mir bei der Firma Jeggle<br />
gekauft. Was ich nicht gewusst habe, ist die<br />
Tatsache, dass das erste Max-Jeggle-Geschäft<br />
in Innsbruck in der Museumstraße<br />
angesiedelt war, direkt neben der Wagner’-<br />
schen. Mit September 2019 ist Jeggle in die<br />
Museumstraße zurückgekehrt. Clemens<br />
Bruch, der Besitzer der Firma Jeggle, verstärkt<br />
nun unser Team und betreibt in der<br />
Wagner’schen einen großzügigen Grußkartenshop.<br />
Auf rund 100 m² Fläche finden<br />
Sie das größte Grußkartensortiment Innsbrucks<br />
und das in bewährter Jeggle-Qualität!<br />
Junge und frische Energie<br />
Bereits in unserem letzten Frühjahrs-Magazin<br />
konnte ich Ihnen berichten,<br />
dass wir sieben neue Kolleginnen und<br />
Kollegen eingestellt haben, davon zwei<br />
Lehrlinge, die den Buchhandel von der<br />
Pike auf lernen möchten. Leider ist es im<br />
Buchhandel gar nicht leicht, geeignete<br />
Bewerbungen für Lehrlinge zu bekommen,<br />
umso mehr freut es mich, dass wir im<br />
Sommer zwei weitere junge Interessenten<br />
aufnehmen konnten. Somit bildet die Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung derzeit<br />
vier Buchhändlerinnen und Buchhändler<br />
im ersten Lehrjahr aus. Wir freuen uns sehr<br />
über Ana, Lisa, Selina und David. Sie sind<br />
schon fix im Team integriert und tun der<br />
Stimmung im Haus richtig gut! Das spüren<br />
hoffentlich auch unsere Kundinnen und<br />
Kunden.<br />
Ihr Markus Renk
© Andreas Licht<br />
380 Jahre Wagner’sche<br />
Aus Anlass des 380-Jahr-Jubiläums der Wagner’schen<br />
gibt Markus Renk ein ausführliches Interview.<br />
Die Fragen stellte Gernot Zimmermann.<br />
Die Wagner’sche<br />
ist wieder ein<br />
Leuchtturm des<br />
österreichischen<br />
Buchhandels.<br />
Markus Renk<br />
Bernhard Aichner,<br />
Lisa Hörtnagl<br />
Im Oktober wird in der Wagner’schen<br />
gefeiert – die älteste Buchhandlung Tirols<br />
begeht ihr 380-Jahr-Jubiläum. Vor nicht<br />
einmal fünf Jahren ist der Weiterbestand der<br />
Wagner’schen sehr gefährdet gewesen, aber<br />
mit Markus Renk und Markus Hatzer haben<br />
sich zwei Unternehmer gefunden, die „den<br />
Laden“ kurzerhand übernommen haben.<br />
Im Interview spricht Markus Renk über<br />
das Wagnis dieser Entscheidung, über seine<br />
Leidenschaft Buchhandel und wie sich diese<br />
Branche in Zukunft entwickeln wird.<br />
Markus, erst einmal Gratulation<br />
zum 380. Geburtstag deiner<br />
Wagner’schen! Jetzt habe ich da<br />
aber eine Karte vor mir liegen, die<br />
sieht ziemlich alt aus und da wird zur<br />
400-Jahr-Feier der Wagner’schen<br />
geladen. Ein Rechenfehler?<br />
Das ist wirklich ein kleines Kuriosum.<br />
Wir wollen das auch einmal gemeinsam mit<br />
der Universität Innsbruck genauer aufarbeiten.<br />
Tatsache ist, dass Michael Wagner<br />
im Oktober 1639 von Claudia von Medici<br />
den Freibrief ausgestellt bekommen hat,<br />
dass er in Innsbruck als Drucker tätig sein<br />
darf. Wagner war als junger Bursche aus<br />
der Augsburger Gegend vor dem 30-jährigen<br />
Krieg nach Innsbruck geflüchtet und<br />
ist hier als Druckergeselle untergekommen.<br />
Dann hat es sich ergeben, dass er eine so<br />
genannte ‚goldene Witwe‘ heiratete, die<br />
mit dem Druckereibesitzer Hans Gäch<br />
verehelicht gewesen war. Jetzt war Michael<br />
Wagner der Besitzer und er hat auch das<br />
Stadtrecht erhalten. Das war wie gesagt<br />
vor 380 Jahren, aber die Geschichte der<br />
ehemaligen Druckerei von Hans Gäch geht<br />
natürlich noch weiter zurück. Und damit es<br />
noch etwas komplizierter wird, hat Michael<br />
Wagner später die Druckerei von Daniel<br />
Paur gekauft, die wiederum aus der ersten<br />
Staatsdruckerei der Welt hervorgegangen<br />
ist. Und nimmt man diese von den Habsburgern<br />
gegründete Druckerei her, dann<br />
kommt man auf das Gründungsjahr 1548.<br />
Das erklärt die 400-Jahr-Feier vor über<br />
70 Jahren.<br />
Die 380-Jahr-Feier trifft ziemlich<br />
genau mit deinem 50. Geburtstag<br />
zusammen. Hättest du dir als<br />
Buchhändler-Lehrling damals<br />
gedacht, dass du dein ganzes<br />
Berufsleben lang in dieser Branche<br />
bleiben wirst?<br />
(lacht) Also, sag niemals nie, vielleicht<br />
werde ich noch Bürgermeister! Dann wäre<br />
ich übrigens schon der vierte Buchhändler,<br />
der Stadtoberhaupt wird. Nein, im Ernst,<br />
natürlich ist es absehbar, dass ich Buchhändler<br />
bleibe. Obwohl, nach über dreißig<br />
Jahren bei der Tyrolia hätte ich auch<br />
geglaubt, dass ich dort bis zur Pension<br />
bleiben werde.<br />
Warum bist du Buchhändler<br />
geworden – bist du schon als<br />
Kind eine Leseratte gewesen?<br />
Im Gegenteil, ich habe als Kind Bücher<br />
gehasst, buchstäblich gehasst, ich habe<br />
kein einziges gelesen. Zum einen hat mir<br />
mein damaliger Schuldirektor das Lesen<br />
vermiest, weil wir uns zwangsweise mit<br />
Texten beschäftigen mussten und Zwang<br />
ist immer schlecht. Und zum anderen hat<br />
es bei uns daheim kaum passende Bücher<br />
gegeben, Lesen war also überhaupt kein<br />
Thema für mich.<br />
Nicht gerade die ideale<br />
Voraussetzung um Buchhändler<br />
zu werden …<br />
Ich wollte ja auch Sportartikel-Händler<br />
werden. Aber es war keine Lehrstelle frei<br />
und dann hat die Tyrolia Lehrlinge gesucht<br />
und ich habe mich als Papierhändler-<br />
Lehrling vorgestellt. Natürlich wurde ich<br />
gefragt, ob ich gerne lese, natürlich habe ich<br />
das bejaht und zum Glück haben sie nicht<br />
genauer nachgefragt. Und dann ist etwas<br />
ganz Eigenartiges passiert: Der damalige<br />
Leiter hat uns neue Lehrlinge im ganzen<br />
Haus vorgestellt, das war am 1. August<br />
1985, und wir haben im dritten Stock angefangen.<br />
Dort hat er mich mit „Das ist<br />
der Markus Renk, der wird Papierhändler“<br />
vorgestellt. Im ersten Stock hat es geheißen<br />
„Markus Renk, unser neuer Papier- oder<br />
Buchhändler-Lehrling“ und im Keller war<br />
ich schließlich „Markus Renk, der wird<br />
Buchhändler“. So bin ich also während<br />
des Treppensteigens zum Buchhändler<br />
geworden. Das war schon ein bisschen ein<br />
Schock, weil ich ja mit Büchern nichts zu<br />
tun gehabt habe. Aber dann ist die Welt<br />
der Bücher explosionsartig über mich<br />
hereingebrochen.<br />
Kannst du dich noch an dein<br />
erstes Buch erinnern?<br />
Ja, das war tatsächlich die Schachnovelle<br />
von Stefan Zweig. Das kann auch nicht<br />
jeder von sich behaupten (lacht). Ich habe<br />
dann einen unbändigen Lese-Nachholbedarf<br />
entwickelt und sogar in der Berufsschule<br />
heimlich unter der Bank gelesen.<br />
Grillparzer, Shakespeare, Dürrenmatt<br />
– quer durch, die ganze Palette. Ich habe<br />
also gleich mit den Klassikern angefangen<br />
und sofort erkannt, was Bücher alles leisten<br />
können. Natürlich hat mich die Leselust nie<br />
wieder losgelassen, auch heute schaffe ich,<br />
trotz Stress, meist noch fünfzig Bücher im<br />
Jahr.<br />
Das viele Lesen wir dir auch als<br />
Buchhändler-Lehrling geholfen<br />
haben …<br />
Vorerst war ich mit der Schulbuch-Aktion<br />
beschäftigt und mir wurde schon als<br />
17-Jähriger die Organisation der Abholung<br />
der Schulbücher in der Buchhandlung<br />
übertragen. Das war zwar eher aus der <strong>No</strong>t<br />
geboren, aber ich konnte mich dadurch<br />
schon früh bewähren. Die Schüler sind<br />
damals mit ihren Gutscheinen gekommen<br />
und wenn ein Buch nicht lagernd war, sind<br />
sie in die Wagner’sche weitergezogen. Ich<br />
habe dann mit unserem ersten Computer<br />
eine Art Reservierungs-System entwickelt
und den Schülern einen eigenen Gutschein<br />
mitgegeben. So ist der Umsatz bei uns<br />
geblieben und gleich im ersten Jahr hat die<br />
Schulbuch-Aktion um rund eine Million<br />
Schilling mehr eingebracht. Das hat den<br />
Besitzern natürlich gefallen und sie haben<br />
mir nach und nach immer mehr Verantwortung<br />
übertragen.<br />
Du bist nach deiner Lehre bei<br />
derselben Firma geblieben, hättest du<br />
auch andere Angebote gehabt?<br />
Es hat in all den Jahren immer wieder Angebote<br />
gegeben, bei manchen davon hätte<br />
ich auch das Dreifache verdienen können.<br />
Es hat auch Möglichkeiten außerhalb des<br />
Buchhandels gegeben, etwa bei einem<br />
großen Medienhaus in Deutschland. Einmal<br />
war ich ganz knapp vor einem Wechsel,<br />
da hätte ich eine der drei größten österreichischen<br />
Buchhandlungen übernehmen<br />
können. Ich habe mich damals bereits nach<br />
einer Wohnmöglichkeit vor Ort umgeschaut<br />
und ich stand direkt vor einer Entscheidung.<br />
Aber dann ist das passiert, was<br />
bei jedem meiner Wechselgedanken passiert<br />
ist: Die Tyrolia hat mir ein unwiderstehliches<br />
Angebot gemacht und ich bin – wenn<br />
man es so ausdrücken will – die Karriereleiter<br />
immer weiter nach oben geklettert.<br />
Vom Lehrling zum Filialleiter und<br />
schließlich zum Vorstand, der für<br />
200 Mitarbeiter und 20 Filialen<br />
verantwortlich ist. Trotzdem bist du<br />
letztendlich weggegangen – wie ist es<br />
dazu gekommen.<br />
Da muss ich jetzt ein wenig ausholen.<br />
Ich war damals durch und durch ein Tyrolia-Mann<br />
und wollte es auch bleiben. Dann<br />
war ich zur 375-Jahr-Feier der Wagner’-<br />
schen geladen, die zu der Zeit bekanntlich<br />
im Besitz der Buchhandelskette Thalia war.<br />
Ich bin ja auch Vertreter der Buchhändler<br />
in der Wirtschaftskammer und bin also<br />
dort in der ersten Reihe gesessen. Im Laufe<br />
des Abends hat es auch eine Podiumsdiskussion<br />
gegeben, da ist dann aber<br />
schnell die Feierstimmung gekippt und es<br />
ist viel über die Situation in der Wagner’-<br />
schen diskutiert worden. Irgendwie wollten<br />
die Leute ihre alte Wagner’sche wieder<br />
zurück. Auch unter den Mitarbeitern<br />
herrschte eine Unsicherheit, die ganze<br />
Thaliakette stand kurz vor dem Verkauf,<br />
was aus der Wagner’schen werden würde,<br />
wusste niemand.<br />
Wie bist du auf die Idee gekommen,<br />
die Wagner’sche aus der Thaliakette<br />
herauszukaufen?<br />
Das hat sich total zufällig ergeben. Ich<br />
habe den Markus Hatzer, den Besitzer<br />
des Haymon Verlages, getroffen und wir<br />
sind auf die Wagner’sche zu sprechen gekommen.<br />
Dabei ist mir, mehr aus Jux und<br />
Tollerei, der Satz ausgekommen: „Eigentlich<br />
müsste man sie kaufen.“ Und der<br />
Markus sagt darauf ganz locker „Tualei“<br />
– also ‚Mach nur‘. Wie, was? Dann geh<br />
ich heim zu meiner Frau, erzähl ihr das<br />
alles und sie sagt: „Ja, dann mach’s halt.<br />
Fragen kostet ja nichts.“ So bin ich dagestanden<br />
mit ‚Tualei‘ und ‚mach’s halt‘.<br />
Ich wusste, was die Thalia damals für die<br />
Wagner’sche bezahlt hat, und dieser Betrag<br />
ist für mich völlig illusorisch gewesen.<br />
Aber mit dem Hintergedanken, dass ein<br />
defizitärer Standort eventuell günstiger<br />
hergehen könnte, habe ich schließlich das<br />
Gespräch mit Thalia gesucht.<br />
Wie ist der Kauf der Wagner’schen<br />
letztlich über die Bühne gegangen?<br />
Nach meinen Anfangskontakten bin ich<br />
in die Thalia-Zentrale nach Linz gefahren<br />
und habe mir dort einen ersten Blick auf<br />
die nackten Zahlen verschafft. Die waren,<br />
mit einem Wort gesprochen, grauslig.<br />
Meine Frau war derweil einen Kaffee<br />
trinken und nach dem Gespräch habe ich<br />
zu ihr gesagt: „Wir können heimfahren,<br />
Katharina Kramer,<br />
Judith W. Taschler<br />
das hier ist ein Selbstmordkommando,<br />
sämtliche Kennzahlen sind einfach nur<br />
haarsträubend.“ Daheim hat mich das<br />
Thema aber nicht losgelassen und ich habe<br />
– eigentlich war das ziemlich frech – den<br />
Thalia-Leuten einen ganzen Katalog an<br />
Hausaufgaben gestellt. Bevor wir überhaupt<br />
weiterreden würden. Daraufhin habe<br />
ich monatelang nichts mehr gehört, aber<br />
als Antwort auf eine Weihnachtskarte habe<br />
ich schließlich eine Einladung zu einem<br />
ersten ernstzunehmenden Verkaufsgespräch<br />
erhalten. Das hat dann am 4. Jänner 2015<br />
in Salzburg stattgefunden. Anfangs sind<br />
unsere Vorstellungen noch ziemlich weit<br />
auseinander gelegen, aber im Laufe der Verhandlungen<br />
haben wir uns schließlich auf<br />
einen Verkaufspreis einigen können, unter<br />
Vorbehalt bestimmter Nachbesserungen.<br />
Dann ist es eigentlich sehr schnell gegangen<br />
und schon im März haben wir den Kaufvertrag<br />
unterschrieben.<br />
Damit war natürlich auch dein<br />
Ausstieg aus der Tyrolia verbunden,<br />
wie hast du diese Zeit in Erinnerung?<br />
Bis zum allerletzten Tag meiner<br />
Kündigungsfrist bin ich ein loyaler<br />
Tyrolia-Mann gewesen und auch wie ich<br />
schon in der Wagner’schen war, haben<br />
mich immer wieder einmal Mitarbeiter<br />
angerufen, wenn sie meinen Rat gebraucht<br />
haben. Aber auch die Tyrolia hat sich sehr<br />
bemüht, die doch etwas schwierige Situation<br />
zu meistern. Was ich den handelnden<br />
Personen auch hoch anrechne! Außerdem<br />
sehe ich die Tyrolia nicht als Konkurrent,<br />
sondern als Mitbewerber an. Konkurrenten<br />
sind für mich Restaurants, Reisebüros,<br />
Handy-Läden, kurz alle, die Geschäfte mit<br />
Luxusartikeln machen, denn ein Buch ist<br />
ja auch ein Luxusartikel.<br />
Wie ist dein Wechsel in die<br />
Selbständigkeit eigentlich in der<br />
Branche aufgenommen worden?<br />
Das ist sogar weit über die Branche<br />
hinausgegangen und zu Beginn hat es oft<br />
geheißen, der Renk ist deppert geworden.<br />
Schließlich habe ich meine sichere Lebensstellung<br />
sausen lassen, nebenbei noch die<br />
ansehnliche Abfertigung weggeschmissen.<br />
Und das für ein waghalsiges Abenteuer,<br />
für einen finanziellen Drahtseilakt mit ungewissem<br />
Ausgang. Aber es hat auch andere<br />
Meinungen darüber gegeben, etwa ‚Da hat<br />
einmal ein Kleiner den Großen etwas weggenommen‘<br />
und natürlich ‚Die Wagner’sche<br />
ist wieder da!‘. Aber der Grundtenor war<br />
trotzdem der, dass ich mich mit dem Kauf<br />
der Wagner’schen übernommen habe und<br />
auf die Schnauze fallen würde. Immerhin<br />
hat das viele Gerede über mich den Vorteil<br />
gehabt, dass das Thema Buchhandel monatelang<br />
in den Medien präsent war. Ganz<br />
ohne bezahlte Werbung.<br />
Du wirst den Preis für den Kauf<br />
natürlich nicht nennen, trotzdem darf<br />
ich dir meine Lieblingsfrage stellen:<br />
Bücher seit 1639<br />
Kannst du theoretisch so alt werden,<br />
dass du deine Schulden zurückzahlen<br />
kannst?<br />
(lacht) Hey, ich bin noch nicht einmal<br />
fünfzig! Ernsthaft, ich habe erstens die<br />
Wagner’sche nicht alleine übernommen,<br />
Markus Hatzer ist mein Partner, also<br />
haben wir das gemeinsam gestemmt. Und<br />
zweitens: Geld ist nicht alles. Klar musste<br />
ich teilweise Abstriche machen, aber<br />
dafür habe ich eine höhere Lebensqualität.<br />
Darum habe ich mir auch beim Kauf<br />
keine allzu großen Gedanken gemacht und<br />
schnell zugeschlagen. Denn eine derartige<br />
Chance, sich selber zu verwirklichen, kriegt<br />
man wahrscheinlich nur einmal im Leben.<br />
Hast du diese Entscheidung<br />
irgendwann bereut?<br />
Keine Sekunde lang. Es hat mir sofort<br />
gefallen, dass ich jede Entscheidung direkt<br />
treffen kann, ohne lange Diskussionen.<br />
Wir waren zu Beginn mit unendlich vielen<br />
Schwierigkeiten konfrontiert und manche<br />
davon sind echte Herausforderungen gewesen.<br />
So zum Beispiel das Vermeiden von<br />
Schwellenängsten für unsere Kunden, wir<br />
durften möglichst nicht als elitärer Buchhandel<br />
auftreten. Rückblickend war es eh<br />
gut, dass wir mit einer gewissen Blauäugigkeit<br />
und Naivität an die Sache herangegangen<br />
sind, wer weiß, ob wir uns das<br />
bei genauerer Überlegung wirklich angetan<br />
hätten. Vielleicht kann man es ein bisschen<br />
mit der Elternschaft vergleichen, denn es<br />
würde wohl weniger Kinder geben, wenn<br />
deren Eltern im Vorhinein wüssten, was da<br />
jetzt alles auf sie zukommt. Aber wir waren<br />
naiv genug, nach jeder überwundenen<br />
Hürde, nach jedem Lösen eines Problems<br />
zu sagen: ‚Also, wenn das alles war, dann<br />
geht’s ja eh‘.Ich war jedenfalls um jeden<br />
Tag meiner dreißigjährigen Erfahrung<br />
dankbar, manchmal sage ich scherzhalber<br />
‚Ein Tag weniger Erfahrung und wir hätten<br />
es nicht gepackt‘. Heute sind wir aus dem<br />
9<br />
T.C. Boyle<br />
Gröbsten heraußen und auch die so<br />
genannten Kennzahlen entwickeln sich<br />
erfreulich positiv. Dafür hauptverantwortlich<br />
sind natürlich unsere 22 Mitarbeite -<br />
r innen und Mitarbeiter, die wir alle von<br />
der Thalia übernommen haben. Damals<br />
hatten manche ihren Job bereits fix<br />
abgeschrieben und heute zeigen sie sich<br />
als hochmotiviertes Team.<br />
Wie hast du die angeschlagene<br />
Wagner‘sche wieder flottgekriegt?<br />
Als erstes haben wir mehr als 30 Prozent<br />
des Sortiments rausgeschmissen, alles<br />
Ramschware, die nichts mit Büchern zu<br />
tun gehabt hat. Obwohl es geheißen hat,<br />
ein tausend Quadratmeter großes Geschäft,<br />
allein gefüllt mit Büchern, kann<br />
sich nicht gewinnbringend führen lassen.<br />
Heute besteht unser Angebot zu 95 Prozent<br />
aus Büchern und es gibt uns immer noch.<br />
Lois Lammerhuber,<br />
Heinz Fischer<br />
Wir haben also fast über Nacht bewiesen,<br />
dass es doch funktioniert, wenn man<br />
ausschließlich auf Bücher setzt. Eine der<br />
ersten Entscheidungen war auch, dass wir<br />
im Haus wieder eine Cafeteria eingerichtet<br />
haben, diese Tradition wollte ich unbedingt<br />
wiederaufleben lassen. Das war von Beginn<br />
an eine fixe Idee von mir und ein Glücksfall<br />
hat mich auch die perfekte Betreiberin<br />
dafür finden lassen. Nina Rettenbacher<br />
kannte ich schon lange von ihrem Frühstücks-Café<br />
am Wiltener Platzl und bei<br />
einem meiner Besuche habe ich auf einem<br />
Aushang gelesen, dass Nina ihr Geschäft<br />
zusperren wird. Ich habe ihr sofort die<br />
Übernahme des Bistros in der Wagner’schen<br />
angeboten und sie hat mir eine ganze Reihe<br />
von Argumenten vorgetragen, warum sie<br />
dafür nicht die geeignete Person wäre. Ich<br />
habe mir alles in Ruhe angehört und ihr<br />
dann gesagt, dass sie genau deswegen die<br />
richtige Person dafür wäre. Und, bei aller<br />
Bescheidenheit, ich habe Recht gehabt,<br />
Nina fühlt sich mit ihrem Bistro sehr wohl<br />
bei uns und von unseren Kunden wird sie<br />
sehr geschätzt..<br />
Die Wagner’sche bilanziert also<br />
wieder positiv, die allgemeine Stimmung<br />
im Buchhandel scheint aber<br />
nicht gerade euphorisch zu sein …<br />
Zugegeben, der Buchhandel ist keine<br />
leichte Branche und maximal jede zweite<br />
Buchhandlung schreibt Gewinne. Aber<br />
es ist auch bekannt, dass im Buchhandel<br />
stets ein unterschwelliger Pessimismus<br />
mitschwingt, wahrscheinlich gibt es keine<br />
andere Branche, in der so viel gejammert<br />
wird. Seitdem ich Buchhändler bin, hat<br />
es kaum ein Jahr gegeben, in dem nicht<br />
über mangelndes Kaufinteresse lamentiert<br />
worden ist. Sogar in Zeiten des Hypes um<br />
die Harry-Potter-Serie, wo tausende und<br />
abertausende Titel über die Ladentische<br />
gegangen sind, hat es geheißen: ‚Ein Buch
© Andreas Friedle<br />
Raoul Schrott<br />
reißt uns auch nicht heraus.‘ Ich hingegen<br />
bin der Meinung, Bücher und Leser wird es<br />
immer geben und wenn sich Buchhändler<br />
etwas einfallen lassen, dann werden sie auch<br />
überleben.<br />
Du hast dir jedenfalls etwas einfallen<br />
lassen und bist mittlerweile auch<br />
unter die Verleger gegangen. Wie ist<br />
es dazu gekommen?<br />
Die Wagner’sche steht in Innsbruck für<br />
eine Buchhandlung mit jahrhundertealter<br />
Tradition, und ein bisschen dieser Tradition<br />
wollte ich erhalten bzw. wieder aufleben<br />
lassen. Die Wagner’sche war zeit ihres<br />
Bestehens für ihre Kalender bekannt, nach<br />
der Übernahme durch Eckart Schumacher<br />
hat sie überhaupt nur mit dem Druck von<br />
Kalendern und Reiseberichten überlebt.<br />
Also haben wir einen Kalender herausgebracht,<br />
für unseren ersten hat übrigens<br />
Bernhard Aichner die Bilder gemacht.<br />
Gleichzeitig haben wir, in Zusammenarbeit<br />
mit dem Innsbrucker Stadtarchiv,<br />
einen Kalender mit historischen Bildern<br />
von Innsbruck aufgelegt und daraus ist<br />
die Idee entstanden, eine Buchreihe zum<br />
Thema ‚Erinnerungen an Innsbruck“<br />
herauszubringen. Und zwar im eigenen<br />
Verlag, denn allein schon durch meine drei<br />
Jahrzehnte beim Mitbewerber wusste ich,<br />
welch wichtiges Standbein ein hauseigener<br />
Verlag sein kann – mit keinem anderen<br />
Verlag haben wir mehr Umsatz gemacht als<br />
mit dem eigenen. Also habe ich gemeinsam<br />
mit Markus Hatzer den Verlag der Wagner’-<br />
schen Universitätsbuchhandlung ins Leben<br />
gerufen. Der erste Titel der Reihe lautete<br />
dann ‚Kindheit in Pradl‘, geschrieben von<br />
Josef Wallinger. Mittlerweile sind mehr als<br />
ein Dutzend weiterer Bücher zum Thema<br />
erschienen und ein Ende ist noch lange<br />
nicht abzusehen und könnte von mir aus<br />
ewig weitergehen. Du hast ja auch schon<br />
drei Bücher zu dieser Serie beigesteuert.<br />
Schön, dass ich die Möglichkeit<br />
dazu bekommen habe, und wenn<br />
es nach mir geht, dann werden noch<br />
weitere Bücher dazukommen. Gibt<br />
es für diese Bücher über Innsbruck<br />
eigentlich genügend interessierte<br />
Leser?<br />
Wir sind mehr als nur zufrieden, wir haben<br />
mittlerweile an die 14.000 Bücher verkauft,<br />
dazu kommen noch mehrere tausend<br />
Kalender mit Bildern aus dem alten Innsbruck.<br />
Unsere Buchreihe wird wirklich sehr<br />
gut angenommen und die Themen dafür<br />
werden uns noch lange nicht ausgehen.<br />
Übrigens, als ich damals gemeinsam mit<br />
Markus Hatzer vom Haymon Verlag und<br />
Lukas Morscher vom Stadtarchiv beim<br />
Brainstorming zu den Themen der Serie<br />
zusammengesessen bin, da sind die Ideen<br />
nur so herumgeschwirrt und wir haben über<br />
vierzig interessante Themen aufgeschrieben.<br />
Heute, nach mehr als einem Dutzend<br />
Bücher, kann ich genau ein Thema von der<br />
damals erstellten Liste streichen. Es gibt<br />
also noch genug zu tun.<br />
können. Dann kommen noch die Kochabende<br />
mit Nina in unserem Bistro dazu,<br />
wir veranstalten „Blind Dates“, führen<br />
Interessierte in die Welt des Räucherns ein<br />
oder lassen bei Studentenfeten die Bässe<br />
der Technomusik durch die Wagner’sche<br />
wummern.<br />
Wo steht der Buchhandel in zehn,<br />
fünfzehn Jahren?<br />
In meinen 34 Jahren Berufserfahrung hat<br />
sich der Buchhandel ständig verändert<br />
und er wird sich auch weiterhin ständig<br />
verändern. Früher sind wir den Kunden<br />
gegenüber als allwissende Buchkenner<br />
aufgetreten und viele haben sich vor lauter<br />
Ehrfurcht erst gar nicht ins Geschäft<br />
hereingetraut. Das hat sich völlig geändert,<br />
denn heute sind die Kunden im <strong>No</strong>rmallfall<br />
besser informiert als wir. Ich sage dem<br />
Buchhandel eine gewisse Renaissance und<br />
große Chancen voraus, vor allem den von<br />
Inhabern geführten Geschäften. Die Kunden<br />
möchten es vermehrt lieber persönlich<br />
haben, das gilt für den gesamten Handel,<br />
der Internethandel kann das nicht bieten.<br />
Dazu kommt, dass gerade heutzutage das<br />
Lesen angesagt ist wie selten zuvor. Eine<br />
Umfrage hat ergeben, dass jede zweite junge<br />
deutsche Frau Buchhändlerin werden will<br />
und der Kauf eines Buches wird nicht als<br />
Shopping-Stress, sondern als Freizeitvergnügen<br />
wahrgenommen. Darin liegt unsere<br />
Chance. Und nicht zuletzt spricht sich zum<br />
Glück immer mehr die wissenschaftlich belegte<br />
Tatsache herum, dass Menschen, die<br />
viel lesen, auch länger leben. Also doppelter<br />
Nutzen – Lesevergnügen plus längeres<br />
Leben. Das ist doch für uns Buchhändler<br />
ein aufgelegter Elfmeter!<br />
Buchtipps:<br />
Christoph W. Bauer:<br />
Der Buchdrucker der Medici<br />
Haymon Verlag, 184 S.,<br />
€ 7,95<br />
Druckfrisch:<br />
Der Innsbrucker Wagner-Verlag<br />
und der Buchdruck in Tirol<br />
hrsg. von Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft<br />
m.b.H. (Wolfgang Meighörner,<br />
Roland Sila)<br />
Universitätsverlag Wagner,<br />
284 S., € 29,90<br />
Robert Harris<br />
10<br />
Wagner’sche.<br />
Ein gutes Stichwort, du tust ja so<br />
einiges, damit die Wagner’sche im<br />
Gespräch bleibt …<br />
Natürlich muss man sich als Buchhändler<br />
etwas einfallen lassen, man sollte besser<br />
nicht ausschließlich darauf setzen, dass die<br />
Kunden von alleine kommen. Wir haben<br />
uns überhaupt zum Ziel genommen, so<br />
etwas wie der Cirque du Soleil des Buchhandels<br />
zu werden. Wir möchten den<br />
Buchhandel emotional aufladen und Erlebniswelten<br />
schaffen. Wir haben teilweise drei<br />
Veranstaltungen in der Woche, im letzten<br />
Jahr hatten wir insgesamt 57 Events in der<br />
Wagner’schen. Das sind natürlich Lesungen<br />
und Buchpräsentationen, aber auch<br />
Lesenächte, bei denen wir unsere Gäste im<br />
Geschäft buchstäblich einsperren und sie<br />
sich durch ihre Lieblingsbücher schmökern
© Andreas Friedle<br />
Das Ausmaß der Armut<br />
war mir so nicht bewusst<br />
Gernot Zimmermann schildert in seinem neuesten Buch das<br />
Leben der Innsbrucker in der Zeit vor, während und kurz nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg. Das Interview führte Markus Renk.<br />
Keine Angst<br />
vor dem<br />
weißen Blatt.<br />
Gernot Zimmermann<br />
12 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Band 12 der Erfolgsreihe „Erinnerungen an<br />
Innsbruck“ ist bereits im Juni erschienen.<br />
Gernot Zimmermann hat in seinem dritten<br />
Buch Erinnerungen seines Schwagers Erich<br />
Landauer für die interessierte Leserschaft<br />
festgehalten. Erich Landauer ist als Kind<br />
der Zwischenkriegs- und Kriegszeit in einem<br />
Umfeld bitterer Armut aufgewachsen. Die<br />
Tatsache, dass sie großteils ohne Schuhe<br />
unterwegs waren, ist nur ein Indiz für die<br />
damals vorherrschenden katastrophalen<br />
Lebensbedingungen. Das Buch zeigt aber<br />
auch, dass ihm trotz aller Entbehrungen<br />
die Kindheit als wunderschöne Zeit in<br />
Erinnerung blieb.<br />
Lieber Gernot, du bist zwar gelernter<br />
Journalist, aber wie entstand bei dir<br />
konkret der Wunsch,auch Bücher zu<br />
schreiben?<br />
Hier kann ich drei Antworten geben.<br />
Zunächst eine humorvolle:Weil ich es<br />
kann. Die zweite Antwort ist abgeleitet<br />
von meinem Taxibuch: Damals habe ich<br />
schon vielen versprochen, dass ich die<br />
Geschichten irgendwann schriftlich festhalte.Und<br />
die dritte Antwort ist, weil ich<br />
den Markus Renk kennengerlernt habe<br />
und der hat gemeint: „Schreib es!“<br />
Wie entstehen deine Bücher –<br />
wie gehst du vor?<br />
Es ist eigentlich beinhart: Titel, Vorspann,<br />
Geschichte, Nachspann und Danksagung.<br />
Ich bin Gott sei Dank ein Schnellschreiber<br />
und gehe gleich wie bei meinen Geschichten<br />
und Beiträgen im Echo vor. Hier hilft mir<br />
auch sicher meine 30-jährige journalistische<br />
Erfahrung. Ich habe als erstes immer<br />
den Titel im Kopf, das war auch schon bei<br />
meinen Reportagen so, mit dem Titel habe<br />
ich dann die Geschichte. Dann gehe ich<br />
grundsätzlich der Reihe nach vor. Ich habe<br />
13<br />
im Gegensatz zu manchen Schreibkollegen<br />
keine Angst vor dem weißen Blatt, ganz im<br />
Gegenteil, bei mir entsteht immer eine Vorfreude<br />
aufs Schreiben.<br />
Du hast jetzt bereits drei Bücher in<br />
unserer Verlagsreihe geschrieben,<br />
kann man sagen, welches dein<br />
Lieblingsbaby ist?<br />
Das ist lustigerweise immer das letzte geschriebene<br />
Buch. Meiner Meinung nach<br />
ist auch das Buch über Erich Landauer<br />
mein bestes Buch. Man sollte meine Bücher<br />
der Reihe nach lesen, beginnend mit dem<br />
Taxibuch „Eine Million Kilometer durch<br />
Innsbruck“, dann das Buch „Ich war ein<br />
Reichenauer Rattler“ und anschließend das<br />
Buch über Erich Landauer. Wenn man das<br />
so macht, dann kann ich auch garantieren,<br />
dass man mit großer Vorfreude auf mein<br />
viertes Buch wartet. Über dieses erzählen<br />
wir jetzt natürlich nichts, nur so viel sei<br />
verraten: Ich muss mir das Buch diesmal<br />
Schritt für Schritt erarbeiten.<br />
Deine ersten beiden Bücher waren<br />
deine persönlichen Erinnerungen,<br />
jetzt erzählst du eine Geschichte einer<br />
anderen Person – hattest du hier<br />
Berührungsängste?<br />
Nein, ich bin der Meinung, dass jeder<br />
Mensch ab einem gewissen Alter ein berichtenswertes<br />
Leben vorweist. Dadurch,<br />
dass Erich mein Schwager ist, habe ich über<br />
die Jahre viel von ihm gehört und mir war<br />
klar, dass seine Geschichten festgehalten<br />
gehören. Auch die Lebensbedingungen<br />
des damaligen Innsbruck waren mir nicht<br />
in allen Facetten klar. Ich wusste, dass die<br />
Armut durchwegs vorhanden war, aber<br />
dieses Ausmaß war mir so nicht bewusst.<br />
Wie würdest du Erich Landauer<br />
in einem Satz beschreiben?<br />
Ein durch und durch typischer Tiroler, der<br />
sich durch Bescheidenheit und einer außergewöhnlichen<br />
Konstitution auszeichnet.<br />
Natürlich muss man aber auch sagen, dass<br />
die Armut und die Lebensumstände seinen<br />
Charakter nachhaltig beeinflusst haben.<br />
Seine Erzählungen haben gezeigt, dass<br />
materielle Dinge und Glück nicht immer<br />
miteinander etwas zu tun haben. Erich<br />
Landauer ist Zeit seines Lebens aufgrund<br />
seiner kargen Kindheit ein bescheidener<br />
Mensch geblieben.<br />
Warum sollen unsere Kunden<br />
das Buch kaufen?<br />
Das Buch wendet sich an alle, die wissen<br />
wollen, wie sich das Leben in Innsbruck<br />
vor rund 80–70 Jahren dargestellt hat.<br />
Unabhängig vom Leben Erich Landauers<br />
habe ich versucht, die damaligen Lebensumstände<br />
in Innsbruck zu schildern und<br />
einen historischen Abriss zu liefern.<br />
Buchtipp:<br />
Gernot Zimmermann:<br />
Erich Landauer –<br />
Barfuß durch Innsbruck<br />
Erinnerungen an Innsbruck,<br />
Band 12<br />
Verlag der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
200 S., € 12,95
Aus dem Verlag der Wagner’schen<br />
Aufwachsen am Bergisel<br />
Eine Zeitreise durch das Wilten<br />
der Nachkriegszeit<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Auch im Herbst geht es mit unserem kleinen Regional verlag<br />
munter weiter! Neben unserem „Innsbruck Kalender 2020 –<br />
Innsbruck, wie es früher war“ erscheint mit dem Innsbruck-<br />
Wimmelbuch unser erstes Kinderbuch – mehr können<br />
Sie in diesem Magazin auf den Seiten 52–55 nachlesen.<br />
Aber auch unsere Reihe „Erinnerungen an Innsbruck“ wird<br />
weiter ausgebaut. Hier stellen wir Ihnen die Bände 13 bis 15 vor.<br />
Von Markus Renk<br />
Buchtipp:<br />
Georg Fabjan: Amraser<br />
Band 13<br />
Verlag der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
224 S., € 14,95<br />
Erscheinungstermin: 22.10.2019<br />
Buchpräsentation:<br />
Amraser<br />
Mit Georg Fabjan<br />
Moderation: Markus Renk<br />
Fr., 15. <strong>No</strong>vember 2019, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt frei!<br />
© David Lederbauer<br />
Amraser<br />
Schnelle Geschichten vom<br />
langsamen Erwachsenwerden<br />
„Sind Sie von hier?“ – diese vermeintlich<br />
banale Frage, gestellt von einem deutschen<br />
Touristen, steht am Anfang dieses Buches<br />
und löst in unserem Autor, wenn schon<br />
nicht eine Identitätskrise, so doch eine<br />
Reihe von Fragen nach seinen Wurzeln aus.<br />
Georg Fabjan ist in Amras aufgewachsen<br />
und hat 26 Jahre lang dort gelebt, bevor<br />
es ihn in andere Weltgegenden verschlug.<br />
Seine Eltern waren Anfang der 1970er<br />
Jahre in einen der Wohnblöcke gezogen, die<br />
die Alpenländische Heimstätte damals im<br />
großen – und immer gleichen – Stil errichtet<br />
hatte. Häuserblocks, die anfänglich nur ungern<br />
von den Amrasern akzeptiert worden<br />
waren, die nun aber, nach bald 50 Jahren,<br />
fix zum Ortsbild gehören.<br />
In seinem Buch versammelt Fabjan<br />
Erinnerungen an Orte und Menschen,<br />
die ihn geprägt haben, und unternimmt<br />
einen Spaziergang durch sein Amras: zu<br />
den Bauernhöfen, in den Schlosspark und<br />
ins Schloss Ambras, zu den vielen Gasthäusern,<br />
zu Kindergarten, Schule und<br />
Jugendheim, zu den diversen Vereinen und<br />
Prozessionen, bis hin zu Dorffesten, Partys<br />
und wilden Rodelfahrten am Willi-Bichl.<br />
Georg Fabjan, geboren 1973. Nach seinem Studium<br />
der Rechtswissenschaften und der Romanistik an<br />
der Universität Innsbruck begann er für den ORF<br />
als Nachrichtenredakteur zu arbeiten, anfänglich<br />
bei Ö3 in Wien, ab 2002 für den Aktuellen Dienst<br />
im ORF-Landesstudio Vorarlberg. 2006/2007 war<br />
Georg Fabjan ORF-Auslandskorrespondent in Paris.<br />
Er ist verheiratet und lebt in Dornbirn.<br />
Die Kindheits- und Jugenderinnerungen<br />
von Gerhard Lagger führen uns durch das<br />
Wilten der Vierziger- bis frühen Sechzigerjahre,<br />
als trotz Entbehrungen allerorts<br />
Aufbruchsstimmung zu spüren war. An<br />
jeder Ecke boten Greißler, Bäcker und<br />
Fleischhauer ein stetig breiter werdendes<br />
Sortiment von Waren des täglichen Bedarfs<br />
an, es gab zahlreiche Gaststätten und die<br />
Leopoldstraße bildete mit ihren Geschäften,<br />
Handwerkerläden und Arztpraxen<br />
die Lebensader des Stadtteils. Die Spuren<br />
des Krieges waren weitgehend beseitigt und<br />
eine positive Grundstimmung machte sich<br />
breit. Gerhard Lagger und seine Tochter<br />
Christine Zucchelli, die seine Erinnerungen<br />
für diesen Band zusammengetragen hat,<br />
zeichnen ein lebendiges Bild vom Aufwachsen<br />
in der Zeit zwischen Wiederaufbau<br />
und Wirtschaftswunder und laden die<br />
Leserinnen und Leser ein, sie auf ihren<br />
Streifzügen zwischen Sprungschanze und<br />
Triumphpforte zu begleiten.<br />
Christine Zucchelli, geboren 1962, arbeitet als Reiseleiterin<br />
und schreibt kulturgeschichtliche Sach- und<br />
Wanderbücher. Zuletzt erschienen das historische<br />
Pilger-Lesebuch „Anno 1613 von Tirol nach Rom“<br />
(2015), die Anthologie „Hall in Tirol“ (2016) in der<br />
Reihe „Europa erlesen“ und der literarische Wanderführer<br />
„Wie tut ein wildes Wandern wohl“ (2017).<br />
Gerhard Lagger, 1943 in Innsbruck geboren und am<br />
Bergisel aufgewachsen, war ein typisches Kind der<br />
Nachkriegszeit: wild, frei, unbeschwert – und oft<br />
sich selbst überlassen.<br />
Die heiligen Schindeln<br />
Alles, was Sie schon immer<br />
über die Innsbrucker Altstadt<br />
wissen wollten!<br />
Jeder glaubt, sie in- und auswendig zu<br />
kennen: Die Innsbrucker Altstadt mit ihrer<br />
glänzenden Mitte, dem Goldenen Dachl<br />
mit seinen „heiligen Schindeln“. Doch was<br />
ist mit den versteckten Plätzen und übersehenen<br />
Winkeln, geheimen Hinterhöfen<br />
und unbekannten Nischen? Welche Geschichten<br />
können uns die diversen Gebäude<br />
erzählen? Welche Persönlichkeiten und<br />
Ereignisse haben sie wohl gesehen im Laufe<br />
der Jahrhunderte, welche Dramen und<br />
Komödien miterlebt? In einem turbulenten<br />
literarischen Mix versammelt Cenet Weisz<br />
Historisches, Fiktionales, Anekdotisches<br />
und Im-Vorbeigehen-Aufgeschnapptes,<br />
ergänzt durch Fotos von jenen Fleckchen<br />
seiner Wahlheimat „Altstadt“, die dem<br />
üblichen Touri-Image ein alternatives Bild<br />
gegenüberstellen.<br />
Cenet Weisz, geboren in Villach. Nach (mehr oder<br />
weniger erfolgreichen) Lehr- und Wanderjahren in<br />
vielen kreativen Bereichen und vielen Ländern absolvierte<br />
er das Medizinstudium an der Universität<br />
Innsbruck, danach viele Jahre als Facharzt für<br />
Unfallchirurgie tätig. Literarisch aktiv seit 2004,<br />
u. a. als Poetry Slammer. Seit Herbst 2019 Gestalter<br />
des Radioformats „Sonnenschein im Nirvana“ auf<br />
Radio Freirad. Zahlreiche Veröffentlichungen.<br />
© Günter Zucchelli<br />
© Fabian Järvinen<br />
Buchtipp:<br />
Christine Zucchelli/<br />
Gerhard Lagger:<br />
Aufwachsen am Bergisel<br />
Erinnerungen an Innsbruck,<br />
Band 14<br />
Verlag der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
140 S., € 12,95<br />
Erscheinungstermin: 28.11.2019<br />
Buchtipp:<br />
Cenet Weisz:<br />
„Zu die heiligen Schindeln“<br />
Das Altstadt-Buch<br />
Erinnerungen an Innsbruck,<br />
Band 15<br />
Verlag der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
224 S., € 12,95<br />
Erscheinungstermin: 01.2020
Kein Buch weniger –<br />
über 20.000 Karten mehr<br />
Clemens Bruch übersiedelt mit seinem einmaligen<br />
Kartensortiment in die Wagner’sche!<br />
„Mein Faible für Papier, Fotografie, für<br />
schöne, witzige, interessante Karten und Billetts<br />
scheint einfach in meiner DNA zu liegen.“<br />
Clemens Bruch<br />
Seit 173 Jahren ist den Innsbruckern die großzügigen Kartenladen in der Wagner’-<br />
Firma Jeggle ein Begriff und ein Garant für schen vertreten ist. – Clemens Bruch bürgt<br />
schöne Papier- und Schreibwaren. Vor sieben also auch weiterhin für ein tolles Grußkarten-Sortiment<br />
in Innsbruck. Für die<br />
Jahren hat man sich mit der Eröffnung des<br />
Grußkartenladens am Burggraben auf eben Wagner’sche bedeutet das: kein Buch weniger,<br />
dafür aber über 20.000 Karten mehr!<br />
diesen Bereich spezialisiert und zahlreichen<br />
Menschen mit besonderen Billetts viel Freude<br />
bereitet.<br />
Tradition trifft Tradition<br />
17<br />
Die Leseratte hat aufgegeben<br />
Autor: Rolf Tiemann<br />
Ob der Schließung Ende Juni haben wir gemeinsam<br />
mit dem Besitzer Clemens Bruch Schreibwarengeschäft Jeggle<br />
Nur wenige wissen, dass das Papier- und<br />
Verlag: Inkognito ursprünglich<br />
nach einer Lösung gesucht und freuen uns,<br />
dass Jeggle seit dem 9. September mit einem<br />
bis 1910 in der Museumstraße 8 angesiedelt<br />
war. Bereits 1846 suchte der aus Schwaz<br />
© Wagner’sche<br />
Bücher seit 1639<br />
stammende Josef Schütz beim „wohllöblichen<br />
K.K. Landesgericht“ und beim<br />
Stadtmagistrat um die „gnädige Verleihung<br />
einer Buchbinderbefugnis in der Provinzial<br />
Hauptstadt Innsbruck“ an, wie aus den<br />
damaligen Geschäftsunterlagen hervorgeht.<br />
Über viele Generationen hinweg blieb es<br />
in Familienbesitz und wurde als Papierund<br />
Schreibwaren-Fachgeschäft ein fixer<br />
Bestandteil von Innsbrucks Handelslandschaft.<br />
Nun ist Jeggle wieder zurück in der<br />
Museumstraße.<br />
Seit 9. September<br />
Auf rund 100 m² entstand im Eingangsbereich<br />
der Wagner’schen ein eigener<br />
Grußkarten-, Postkarten- und Billettshop<br />
mit einem einzigartigen Angebot und<br />
der größten Auswahl in Innsbruck. Kommen<br />
Sie doch vorbei und schauen Sie sich<br />
den neuen Jeggle-Kartenshop in der<br />
Wagner’schen an.<br />
Clemens Bruch<br />
freut sich auf Sie<br />
Aber was sagt Clemens Bruch zur neuen<br />
Lösung in der Wagner’schen? „Eigentlich<br />
wundert mich ja nichts, denn schon mein<br />
Urgroßvater hatte mit Postkarten zu tun.<br />
Er gründete 1896 den Postkartenverlag<br />
August Riepenhausen in Hall in Tirol.<br />
Dann kam es, wie es kommen musste: Von<br />
1995 bis 2002 führte ich die Familienunternehmen<br />
Riepenhausen und Jeggle. Nach<br />
einigen Jahren im Sozialbereich waren es<br />
dann die Karten und Billetts, die mich in<br />
die Firma Jeggle am Burggraben zurückführten.<br />
Mein Faible für Papier, Fotografie,<br />
für schöne, witzige, interessante Karten<br />
und Billetts scheint einfach in meiner DNA<br />
zu liegen. Jetzt freue ich mich auf die<br />
neue Aufgabe in der Wagner’schen. Bücher<br />
und Grußkarten passen einfach wunderbar<br />
zusammen!“<br />
© Markus Huber<br />
© Privat
Und plötzlich Juror<br />
Zum ersten Mal sitzt auch ein Tiroler in<br />
der Jury zum Österreichischen Buchpreis.<br />
Von Christine Frei<br />
Vermutlich hat alles mit jener Laudatio<br />
angefangen, die er im <strong>No</strong>vember letzten<br />
Jahres im Rahmen der Europäischen<br />
Literaturtage für Ilija Trojanow halten<br />
durfte. Denn kurz darauf ereilte Robert<br />
Renk die Einladung in die Jury für den<br />
diesjährigen Österreichischen Buchpreis.<br />
Man darf die Wirkung eines Seitenblicke-Auftrittes<br />
im Hauptabendprogramm<br />
wohl doch nicht so ganz unterschätzen.<br />
Schon gar nicht, wenn sich der eigene<br />
Lebensmittelpunkt und kulturelle Schaffensraum<br />
einige hundert Kilometer westlich<br />
der Wiener Wahrnehmungsschwelle lokalisieren<br />
lässt. Denn eines schönen <strong>No</strong>vemberabends<br />
sah man ihn dort eine Rede halten,<br />
was offenbar nicht nur unsereiner auffiel.<br />
Jetzt hat er also etwas geschafft, was vor<br />
ihm noch keinem<br />
„Tiroler Buchhändler“ gelungen ist, er sitzt<br />
in der Jury für den diesjährigen Österreichischen<br />
Buchpreis, der alljährlich vom<br />
Bundeskanzleramt, dem Hauptverband<br />
des Österreichischen Buchhandels und der<br />
Arbeiterkammer Wien ausgerichtet wird<br />
und mit satten 45.000 Euro dotiert ist. Und<br />
das im Team mit der Wiener Germanistikprofessorin<br />
Pia Janke, dem Literaturwissenschaftler<br />
und Literaturkritiker der Oberösterreichischen<br />
Nachrichten Christian<br />
Schacherreiter, der Presse-Feuilletonistin<br />
Anne-Catherine Simon und dem Focus-Kolumnisten<br />
und Schriftsteller Uwe Wittstock.<br />
Ein Groß teil der hiermit verbundenen Lesearbeit<br />
ist übrigens schon getan – immerhin<br />
50 Bücher je Jurymitglied. Denn jedes<br />
der in Summe 140 eingereichten Bücher<br />
musste von mindestens zwei Jurymitgliedern<br />
gelesen werden. Mehr ist dazu von<br />
ihm nicht zu erfahren, denn Jurymitglieder<br />
© Hauptverband des österreichischen Buchhandels<br />
unterliegen natürlich einer eisernen Verschwiegenheitspflicht.<br />
Die zehn Titel der<br />
Longlist zum Österreichischen Buchpreis<br />
und die drei Titel der Shortlist Debüt<br />
stehen seit Anfang September fest.<br />
Bis 8. Oktober haben sich die fünf jetzt<br />
noch auf die Shortlist zu einigen und<br />
bis 4. <strong>No</strong>vember dann auf die Sieger*innen<br />
in den jeweiligen Kategorien. Seine<br />
bisherige Erfahrung als Juror beschreibt<br />
Robert Renk kryptisch diplomatisch:<br />
„Man kriegt nicht alles durch, was man<br />
gern möchte, weil halt mal jede*r so seine<br />
Präferenzen und Vorlieben hat. Aber bei<br />
den drei Debütant*innen waren wir uns<br />
interessanterweise sofort einig. “ Nun, am<br />
4. <strong>No</strong>vember werden wir wissen, wieviel<br />
von seinen Präferenzen sich in der Siegerliste<br />
wiederfindet.<br />
Buchtipps:<br />
Margaret Atwood:<br />
Aus dem Wald hinausfinden<br />
Kampa Verlag, 160 S.,<br />
€ 20,60<br />
Federico Fellini:<br />
Ich bin Fellinesk<br />
Kampa Verlag, 264 S.,<br />
€ 24,70<br />
Kampa<br />
Ein Verlag lädt in<br />
den Salon …<br />
Von Robert Renk<br />
Gespräche sind seltener & wichtiger geworden.<br />
Das Bedürfnis, jemanden im Gespräch<br />
zu erleben, nimmt zu. Das merken<br />
wir auch bei Buchpräsentationen in unserer<br />
Buchhandlung. Die Zeiten, wo Autor<br />
oder Autorin ihr Buch nehmen und daraus<br />
vorlesen, sind vorbei. Eine professionelle<br />
Einführungsmoderation oder – am besten –<br />
gleich ein Gespräch mit Autor, Autorin,<br />
das wollen die Zuhörer. Sie möchten den<br />
Künstler, die Künstlerin etwas kennen<br />
lernen. Nach einem guten Gespräch freut<br />
sich auch der Büchertisch, weil er viel<br />
schneller leer wird.<br />
Ähnliches mag sich auch der frische und<br />
mutige Kampa Verlag gedacht haben,<br />
als er die Reihe Kampa Salon aus der<br />
Taufe hob. Inspirierende Gespräche mit<br />
ebensolchen KünstlerInnen. Seien es vergangene<br />
Highlights der Gesprächskunst,<br />
wie mit Susan Sontag „The Doors und<br />
Dostojewski“, Billy Wilder „Hat es Spaß<br />
gemacht, Mr. Wilder?“ oder David Bowie<br />
„Stardust Interviews“ oder seien es extra<br />
angefertigte wie das Unvergleichliche<br />
mit dem ebenso unvergleichlichen Peter<br />
Bichsel „Was wäre, wenn?“ oder unserem<br />
österreichischen Aushängeschild Daniel<br />
Kehlmann „Der unsichtbare Drache“.<br />
Egal, welches der edel ausgestatteten<br />
Bücher man zur Hand nimmt, man sitzt<br />
quasi mit all diesen sehr gescheiten und<br />
meist auch witzigen GesprächspartnerInnen<br />
am Tisch und plaudert. Plaudert auf<br />
hohem Niveau! Und wenn man den Tisch<br />
verlässt, sprich das Buch zuschlägt, dann<br />
weiß man – ohne große Anstrengung –<br />
mehr als zuvor, ist erholt und besser drauf.<br />
Diesen Herbst gibt’s wieder<br />
Nachschub aus dem Salon, zum selber<br />
Lesen und zum Verkaufen. Wir freuen<br />
uns auf beides.<br />
Die Meierei<br />
bei uns daheim<br />
Um uns die Tage ohne Ninas<br />
Köstlichkeiten etwas angenehmer<br />
zu gestalten, gibt es heuer von ihr<br />
einen Kochbuchtipp, einen Tipp<br />
zum Verschenken und ihr einzigartiges<br />
Rezept für einen gelungenen Start<br />
ins Wochenende.<br />
Ninas Rezept:<br />
Spätsommerlicher Brunch am Wochenende<br />
1 große Scheibe Sauerteigbrot pro Person<br />
3 EL Olivenöl<br />
Brotscheibe/n langsam in der Pfanne knusprig braten.<br />
Linsencreme<br />
1 kleine Dose gekochte Linsen<br />
1 kleine Knoblauchzehe<br />
1/4 rote Zwiebel<br />
2 Stängel Petersilie<br />
1 EL Balsamico, dunkel<br />
Salz, Pfeffer<br />
1 Schuss Olivenöl<br />
Alles zusammen grob pürieren.<br />
Topping/Geschmacksdeko<br />
Gemüse<br />
ein paar Blätter Rucola<br />
Brombeeren, Sprossen<br />
wahlweise gebratener Speck oder Gorgonzolaraspeln<br />
3/4 rote Zwiebel<br />
1 mittelgroße Zucchini<br />
1/4 Spitzkraut<br />
2 Kräuterseitlinge<br />
2 cm Kürbis, geschält<br />
Gemüse in Scheiben schneiden und<br />
in 3 EL Olivenöl ca. 3–5 Minuten<br />
bissfest anbraten, anschließend mit<br />
etwas Salz und Pfeffer abschmecken.<br />
Jetzt das Brot belegen, zuerst die Linsencreme, gefolgt vom Gemüse und<br />
als Abschluss das Topping bzw. die Geschmacksdeko.<br />
Schönes Wochenende!!!<br />
© Thomas Schrott<br />
Kochbuchtipp für<br />
kältere Tage:<br />
Markus Sämmer:<br />
Delicious Wintertime /<br />
The Cookbook for Cold<br />
Weather Adventures<br />
Die Gestalten Verlag,<br />
englisch, 272 S., € 26,–<br />
Geschenktipp:<br />
Daniel Humm:<br />
Eleven Madison Park.<br />
The Next Chapter<br />
Matthaes Verlag,<br />
384 S., € 77,–
Literatur TIROL<br />
im Herbst 2019<br />
Mit fast 20 Neuerscheinungen aus Tirol lässt sich die Literatur<br />
heuer nicht lumpen … Von Robert Renk<br />
© Ruth Pearce/PearceX<br />
Wenn im Herbst die Blätter von den Bäumen<br />
fallen, werden sie rasch eingesammelt, um<br />
flugs Bücher daraus zu machen, die man<br />
dann später bei der Frankfurter Buchmesse<br />
bewundern kann.<br />
<strong>No</strong>ch immer lädt Frankfurt jeden Oktober<br />
mit an die 170.000 m² zur größten<br />
Buchmesse der Welt. Das sind über 40<br />
Fußballfelder voll mit Verlagsständen und<br />
Büchern. Und wenn man sich diesen Herbst<br />
so ansieht, möchte man meinen, an jedem<br />
Stand findet man mindestens ein Buch eines<br />
Tiroler, einer Tiroler SchriftstellerIn. Dicht<br />
ist das Herbstprogramm und allein das<br />
Literaturhaus am Inn und die Wagner’sche<br />
präsentieren an die 20 Lesungen nur mit<br />
Neuerscheinungen aus Tirol.<br />
Dabei ging es im Frühjahr 2019 schon<br />
gut zur Sache. <strong>No</strong>ch immer aktuell der<br />
Roman von Judith W. Taschler über eine<br />
düstere Vergangenheit in Vietnam, die<br />
bei einem „Geburtstagsfest“ (droemer)<br />
hochkommt. Und der Zammer Christoph<br />
Strolz erweist sich in seinem Debüt „Wenn<br />
ich blinzle wird es besser“ (Luftschacht)<br />
als wahrlich vielseitiger Erzähler.<br />
Zwei Autorinnen mit Tirolbezug, die<br />
ebenso im Frühjahr debütiert haben, stehen<br />
auf der Shortlist für den österreichischen<br />
Buchpreis, der bei der BuchWien Anfang<br />
<strong>No</strong>vember verliehen wird. Die BuchWien<br />
macht übrigens auch Station in der Wagner’schen<br />
– mehr dazu auf Seit 38. Für ihr<br />
Debüt „Vater unser“ (Hanser Berlin) hat<br />
Angela Lehner schon viele tolle Rezensionen<br />
eingeheimst. Die 1987 in Klagenfurt<br />
geborene Autorin, die nun in Berlin lebt,<br />
hat ihre Schulzeit in Osttirol verbracht.<br />
Aus Lana in Südtirol stammt Tanja<br />
Raich. Sie arbeitet als findige Lektorin bei<br />
Kremayr & Scheriau in Wien und legte ihr<br />
Debüt bei Blessing vor. In „Jesolo“ schildert<br />
Tanja Raich ein Frauenleben in der<br />
Kompromissschleife. Scheinbar einfach und<br />
beinahe lethargisch im Stil erzählt die Autorin,<br />
wie sich eine selbstständige Frau Mitte<br />
dreißig Stück für Stück aufgibt, während in<br />
ihr Monat für Monat neues Leben entsteht.<br />
Die Protagonistin weiß, wo sie nicht enden<br />
möchte: Haus im Dorf, zwei Autos, ein<br />
Kind und am Wochenende Kaffeekränzchen<br />
mit den Schwiegereltern. Ihre Träume<br />
sind andere, sie träumt von der Großstadt,<br />
vom Meer, von emanzipierter Selbstständigkeit.<br />
Aber mit der Schwangerschaft werden<br />
ihr die Träume sukzessive ausgetrieben.<br />
Die Ratschläge von vermeintlichen Freundinnen<br />
und Freunden sind wenig hilfreich,<br />
zementieren vielmehr das vorgezeichnete<br />
Bild, zwingen zu Kompromissen, die<br />
schließlich genau dorthin führen, wo sie nie<br />
hingeraten wollte: zu Haus im Dorf, zwei<br />
Autos, ein Kind und am Wochenende mit<br />
der Schwiegermutter ins Möbelhaus.<br />
Tanja Raich beschreibt in ihrem<br />
Debütroman „Jesolo“ eindringlich und<br />
beängstigend gut, wie eine selbstständige<br />
Frau auch heute noch, allein durch die<br />
Schwangerschaft, in die traditionelle, längst<br />
überwunden geglaubte Rollenbildfalle<br />
gedrängt wird.<br />
Diesen Herbst erwartet uns – wie gesagt<br />
– ein literarisches Füllhorn aus Tirol.<br />
Allein in diesem Magazin finden Sie größere<br />
Artikel zu den Neuerscheinungen von:<br />
Tobias Moretti, Christoph W. Bauer, Bernd<br />
Schuchter, Robert Prosser, <strong>No</strong>rbert Gstrein,<br />
Olivia Mae, Hans Platzgumer, Raoul<br />
Schrott oder Bernhard Aichner.<br />
Markus Köhle und Carolina Schutti<br />
haben dieser Tage die zwei Großen Tiroler<br />
Landesstipendien verliehen bekommen und<br />
Köhle hat es mit einer fulminanten Rede<br />
gedankt. Von ihm erschien der vierte Band<br />
seines Projektes, das er mit Autorenkollegen<br />
Peter Clar ausgeheckt hat. 365 Tage, zwei<br />
mal 365 Texte. So lässt sich das Projekt<br />
zusammenfassen, das die beiden seit Mai<br />
2017 verfolgen. An jedem Tag schreiben<br />
sie einander und versuchen dabei ihren Alltag<br />
poetisch zu fassen – und doch gehen sie<br />
weit darüber hinaus. Denn neben persönlichen<br />
Erlebnissen und Befindlichkeiten<br />
mischen sich auch tagespolitische Geschehnisse,<br />
Überlegungen und der Einfluss<br />
fremder Texte darunter. Vor allem aber<br />
entsteht dabei ein Dialog, ein Wechselspiel,<br />
eine gegenseitige Inspiration, die nachdenklich,<br />
humorvoll oder beschreibend sein<br />
kann, aber immer lustvoll und spontan ist.<br />
Soeben erschien „Herbstsommer“ (Verlag<br />
SchriftStella).<br />
Von Carolina Schutti erwarten wir im<br />
Frühjahr 2020 einen neuen Roman mit Titel<br />
„Patagonien“ (Ed. Laurin). Ein Blick in das<br />
Herbstprogramm des von Birgit Holzner<br />
geführten Literaturverlages der Universität<br />
verrät uns auch das Erscheinen eines neuen<br />
Romans mit Titel „Sanpietrini“ der Südtiroler<br />
Autorin Waltraud Mittich. Lyrisch<br />
wird es, wenn Erika Wimmer Mazohl den<br />
Band „Orte sind“ vorlegt. Diese Sammlung<br />
vereint sprachverspielte und zeitkritische<br />
Texte, artifizielle Klanggedichte, Poeme und<br />
kleine Gedichtzyklen, die mit dem Fokus<br />
auf Orte eine Klammer gefunden haben.<br />
Ihre Szenarien sind Erinnerungsorte,<br />
Echoräume, in denen Nachrichten über<br />
Krieg, Umweltzerstörung und deren Opfer<br />
zur Sprache kommen. Auch von Christine<br />
H. Huber ist bei der TAK mit „Die Vögel<br />
reden wieder miteinander“ ein neuer<br />
Gedichtband erschienen.<br />
Neues von<br />
Barbara Hundegger<br />
Die wichtigste Lyrikerin des Landes präsentiert<br />
am 22. <strong>No</strong>vember im Literaturhaus<br />
am Inn endlich wieder neue Texte. Barbara<br />
Hundeggers neuer Gedichtband ist zwar<br />
erst im Frühjahrsprogramm des Haymon<br />
Verlages zu finden, wird aber heuer noch<br />
vorgestellt. Dieser Termin wird von mir<br />
mit leuchtend rotem Stift angestrichen!<br />
Daneben gibt es weitere interessante<br />
Neuerscheinungen, z. B: die des Zeitweise-Innsbruckers<br />
Malte Borsdorf. Dessen<br />
Debütroman „Flutgebiet“(Müry Salzmann)<br />
findet sich immerhin auf der Shortlist zum<br />
Alpha Literaturpreis. Er las zusammen<br />
mit Elisabeth R. Hager Anfang Oktober<br />
im Literaturhaus. Malte Borsdorf (geboren<br />
1981 in Reutlingen) und Elisabeth R. Hager<br />
(geboren 1981 in St. Johann) sind beide in<br />
Tirol aufgewachsen und haben dort mit<br />
dem Schreiben begonnen. Mittlerweile hat<br />
es beide ins Ausland gezogen, Borsdorf<br />
lebt heute in Kiel, Elisabeth R. Hager hat<br />
sowohl in Neuseeland als auch in Berlin<br />
neue Heimaten gefunden. Ihr Roman<br />
„Fünf Tage im Mai“ (KlettCotta) ist eine<br />
Familiengeschichte über Liebe, Verlust,<br />
Abschied und Schuld, in dem vor allem<br />
die Beziehung zwischen Illy und ihrem Urgroßvater,<br />
ein ziemlich ungleiches Gespann,<br />
geschildert wird. Während sich Tatka mit<br />
großen Schritten dem Greisenstatus nähert,<br />
fängt Illy gerade erst an, die Welt zu entdecken.<br />
Doch ihre freie Zeit verbringen sie<br />
am liebsten gemeinsam – ob in der alten<br />
Fassbinder-Werkstatt oder auf dem Rücken<br />
von Tatkas Moped. Mit großer Wärme<br />
erzählt Elisabeth R. Hager über eine Zeit,<br />
an denen die Würfel im Leben der beiden<br />
neu fallen. Ein „Seelentröster auf hohem<br />
Niveau“, wie der Kurier schreibt.<br />
Auch Dragica Rajčić Holzner legt mit<br />
„Glück“ in der hervorragenden Schweizer<br />
edition spoken script einen tollen Roman<br />
vor. In der ihr eigenen Sprache zwischen<br />
„Gastarbeitersprech“ und Poesie. Hier<br />
passen Werk und Reihe bestens zusammen.<br />
Und Stefan Soder nimmt uns in seinem<br />
neuen Roman „Die Tour“ (braumüller)<br />
mit auf den Berg. Die zwei Freunde Bernd<br />
und Franz entschließen sich zu einer<br />
gemeinsamen Skitour. In ihrer Jugend unzertrennlich,<br />
haben die beiden seit vielen<br />
Jahren nichts mehr zu zweit unternommen.<br />
Während sie den Berg besteigen, tauchen sie<br />
in ihre Vergangenheit ein, die sie verbindet<br />
und zugleich unausgesprochen zwischen<br />
ihnen steht. Ein Roman über Heimat und<br />
Entwurzelung, echte Freundschaft und Entfremdung,<br />
dörfliche Enge und Verlorenheit<br />
in einer globalisierten Welt.<br />
Und Martin Fritz? Der hat im Juli – zumindest<br />
– mit einem fulminanten Theaterstück<br />
in origineller Kulisse aufhorchen lassen<br />
(„Mermaids“). Wir warten dennoch ungeduldig<br />
auf seinen ersten Roman.<br />
Buchtipps:<br />
Dragica Rajčić Holzner:<br />
Glück<br />
Edition Spoken Script Verlag,<br />
220 S., € 22,70<br />
Angela Lehner:<br />
Vater unser<br />
Hanser BerlinVerlag,<br />
284 S., € 22,70<br />
Tanja Raich:<br />
Jesolo<br />
Blessing Verlag,<br />
224 S., € 20,60<br />
Erika Wimmer Mazohl:<br />
Orte sind<br />
Ed. Laurin Verlag,<br />
144 S., € 17,90<br />
Malte Borsdorf:<br />
Fluggebiet<br />
Müry Salzmann Verlag,<br />
200 S., € 19,–<br />
Stefan Soder:<br />
Die Tour<br />
Braumüller Verlag,<br />
240 S., € 22,–<br />
Markus Köhle und Peter Clar:<br />
Herbstsommer<br />
Verlag SchriftStella,<br />
68 S., € 10,–<br />
Barbara Hundegger:<br />
{anich. atmosphären. atlas}<br />
Haymon Verlag,<br />
208 S., € 19,90
© Christian Hartmann<br />
Schauspielstar Tobias Moretti<br />
zeigt sein dichterisches Talent<br />
Der Tod<br />
wird<br />
dadurch<br />
nicht<br />
kleiner oder<br />
milder, aber<br />
personalisiert.<br />
Tobias Moretti<br />
22 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Ein Jahrhundert hielt Hugo von Hofmannsthals „Spiel<br />
vom Sterben des reichen Mannes“ die Theaterwelt in nahezu<br />
unveränderter Fassung in seinem Bann. – Dann kam<br />
Tobias Moretti: Der Tiroler Schauspieler wagt einen neuen<br />
Blick auf Hofmannsthals Theaterikone. Von Nina Gruber<br />
2017 übernahm niemand geringerer als<br />
Schauspielstar Tobias Moretti die Titelrolle<br />
im „Jedermann“, dem jährlichen Höhepunkt<br />
der Salzburger Festspiele. Doch er verkörpert<br />
nicht nur auf der Bühne den Jedermann,<br />
sondern er hat auch mit großer Verve<br />
Hofmannsthals Originaltext in den Horizont<br />
der Gegenwart gebettet. In seinem Buch, in<br />
dem seine Fassung Hofmannsthals Originaltext<br />
gegenübergestellt wird, erzählt der<br />
Tiroler Schauspieler von seinen Intentionen<br />
und warum uns Hofmannsthals Stück auch<br />
heute noch berührt:<br />
Hofmannsthals „Jedermann“ – ein<br />
unantastbarer Klassiker? Mitnichten!<br />
Für Moretti war die Übernahme der Titelrolle<br />
sowie die Übertragung des Stückes<br />
sehr reizvoll, aber auch eine Überwindung:<br />
Schließlich hatte er es mit einem der wichtigsten<br />
Stücke der Theaterwelt zu tun.<br />
Dazu bewogen, den Text teilweise zu<br />
überarbeiten, hat Moretti übrigens nicht<br />
in erster Linie der Text, sondern die Aufführungstradition:<br />
„Diese bürgerliche und<br />
gesellschaftliche Erwartung, die mir mit<br />
dem Stück nicht mehr kongruent erschien.<br />
Man kann das überspielen (…), aber das<br />
ändert nichts an der Tatsache, dass am<br />
Schluss dieses Stücks der Eindruck bleibt:<br />
Wenn man sich mit guter Absicht empfiehlt,<br />
wird man entlassen in die jenseitige Seligkeit.<br />
Man muss nur das richtige Gebet an<br />
der richtigen Stelle aufsagen und bumm,<br />
der Lift fährt in den richtigen Stock. Dabei<br />
ist es eigentlich ein großer Gedanke, der<br />
dem Stück zugrunde liegt: dass man sich<br />
den Himmel nicht verdienen kann, sondern<br />
er einem im besten Fall in der Gnade und<br />
der Erkenntnis geschenkt wird.“<br />
23<br />
Ob man überhaupt von Hofmannsthals<br />
Originaltext abgehen dürfe – daran gab es<br />
für Moretti übrigens nie Zweifel: „Da das<br />
Theater heute in der klassischen Literatur<br />
mit Perspektiven und Gegenüberstellungen<br />
spielt, war es für mich nie eine Frage der<br />
Unantastbarkeit dieses Textes. Wenn man<br />
heute einen Goethe, Kleist oder Schiller<br />
bearbeiten darf, kann man das auch bei<br />
Hofmannsthal.“<br />
Dass sich Tobias Moretti an den Text<br />
gewagt hat, hat sich ausgezahlt: Die positiven<br />
Kritiken lobten die Inszenierung,<br />
die das Stück in die Gegenwart hole, und<br />
die „neue“ Figur des Jedermann, der den<br />
Menschen ähnlicher als jemals zuvor sei.<br />
Darum bewegt uns der<br />
„Jedermann“ auch heute noch<br />
Die Endlichkeit der eigenen Existenz, das<br />
Verfehlen des Lebens – das sind für Tobias<br />
Moretti Themen von zeitlosem Interesse,<br />
die die Menschen heute nicht weniger<br />
beschäftigen würden als vor 100 Jahren.<br />
Im Jedermann erblickt er den Prototyp<br />
des modernen „global capitalist“, dem der<br />
Höllenofen aufgrund seines ignoranten<br />
Selbstverständnisses, seiner Egomanie,<br />
seiner Macht und Gedankenlosigkeit angefeuert<br />
würde. Freilich wird das Thema<br />
Glaube ein Jahrhundert nach Hofmannsthal<br />
anders betrachtet, deshalb hat Moretti<br />
in seiner Übertragung des Stücks versucht,<br />
„den Fokus auf den inneren Vorgang zu<br />
lenken, der sich in den Figuren ‚Glaube‘<br />
und ‚Werke‘ widerspiegelt und der niemandem<br />
erspart bleibt: die Erkenntnis von<br />
Schuld, die man selbst zu verantworten<br />
hat. In dieser Autonomie sehe ich auch<br />
den Schluss: Der Tod wird dadurch nicht<br />
kleiner oder milder, aber personalisiert,<br />
es wird der eigene Tod.“<br />
Auch die Beziehung des Jedermann zu<br />
seiner Buhlschaft würden wir aus heutiger<br />
Perspektive anders bewerten: „Wir finden<br />
heute niemanden mehr dekadent, weil er<br />
seine Freundin nicht heiratet und ihr ein<br />
Lustschlösschen mit Garten überschreibt.<br />
Die Buhle oder das ‚schlamperte Verhältnis‘<br />
sind nicht die Ursache für den Zorn Gottes<br />
– vielleicht schon eher das Bekenntnis zur<br />
‚totalen Verfügbarkeit von Allem‘, was die<br />
beiden verbindet und den Menschen an sich<br />
übersteigt. Die Buhlschaft ist für mich mehr<br />
als die bürgerliche Projektion des frivolen<br />
Ausbruchs.“<br />
Tobias Moretti ist einer der größten Schauspieler im<br />
deutschsprachigen Raum. Ob im Kino, Fernsehen<br />
oder Theaterbühne, ob Piefke-Saga, Kommissar<br />
Rex, Jud Süß, Das finstere Tal, Jedermann – kaum<br />
eine Schauspielerbiografie ist so vielfaltig wie die<br />
von Tobias Moretti. Er wurde bereits mehrfach<br />
ausgezeichnet, zudem bewirtschaftet er einen Hof<br />
in seiner Heimat Tirol. „Jedermann“ ist sein schriftstellerisches<br />
Debut.<br />
Buchtipp:<br />
Tobias Moretti,<br />
Hugo von Hofmannsthal:<br />
Jedermann.<br />
Das Spiel vom Sterben<br />
des reichen Mannes.<br />
Haymon Verlag, 176 S., € 19,90
© Fotowerk Aichner<br />
Schiffbrüchige der Zeit<br />
Der neue Roman von Christoph W. Bauer ist eine<br />
faszinierende Reise – zwischen einem kaum thematisierten<br />
Kapitel der Besatzungszeit und einer Weltstadt, deren<br />
Atmosphäre sich unter dem Eindruck des Terrors verändert,<br />
kommen wir den Geheimnissen eines Vermisstenfalls auf<br />
die Spur. – Ein Gespräch mit Christophe Koroknai.<br />
Es war schon<br />
sehr reizvoll,<br />
den Roman<br />
in Paris<br />
anzusiedeln.<br />
Christoph W. Bauer<br />
Chronist der vergessenen Innsbrucker<br />
Nachkriegsjahre und Suchender in den Straßen<br />
von Paris: Auf verschlungenen Wegen<br />
spüren wir in „Niemandskinder“ einer vergangenen<br />
Liebe nach und begeben uns –<br />
in Proust’schem Sinn – auf eine Recherche<br />
zwischen Erinnerungen in Cafés, Bistros und<br />
Boulevards der französischen Hauptstadt.<br />
Wer sind die „Niemandskinder“?<br />
Nun, im historischen Kontext handelt es<br />
sich um Kinder von Besatzungssoldaten,<br />
die nach dem Zweiten Weltkrieg ohne<br />
ihre Väter aufgewachsen sind. Tirol und<br />
Vorarlberg gehörten zur französischen<br />
Zone, und die ersten französischen Soldaten,<br />
die in Innsbruck einzogen, waren<br />
marokkanischer Herkunft. Im konkreten<br />
Fall meines Romans handelt es sich um ein<br />
Kind eines Soldaten aus der marokkanischen<br />
Gebirgsdivision. Ich wollte aufzeigen,<br />
wie übel diesen Kindern, aber auch ihren<br />
Müttern mitgespielt wurde, mit welchen<br />
Anfeindungen sie sich konfrontiert sahen.<br />
Niemandskinder der anderen Art sind aber<br />
auch weitere Figuren des Romans: aus ihrer<br />
Lebensmitte Versprengte, Schiffbrüchige<br />
der Zeit sozusagen. Sie ringen um Akzeptanz<br />
in der Gesellschaft – nicht zuletzt auch<br />
aufgrund ihrer Herkunft.<br />
Die Geschichte der Niemandskinder<br />
schlägt eine historische Brücke<br />
zwischen Paris und Innsbruck.<br />
Wie war es, deinen Roman in Paris<br />
anzusiedeln, und wie hat sich die<br />
Stadt und dein Bild von ihr im Zuge<br />
deiner Recherchen verändert?<br />
Es war schon sehr reizvoll, den Roman in<br />
Paris anzusiedeln, die Stadt ist für mich ein<br />
Sehnsuchtsort, von Kindheit an. Und klar<br />
hat sich mein Blick auf die Stadt verändert,<br />
ich denke, das wird im Buch recht deutlich.<br />
Ich war in den vergangenen Jahren<br />
wiederholt in Paris, hatte von Januar bis<br />
März 2019 die Möglichkeit, dort zu leben.<br />
Militarisierte Spezialeinheiten, wohin das<br />
Auge reicht, die permanente Angst vor<br />
Terrorangriffen – und eine unglaubliche<br />
Armut, Menschen in Lumpen gehüllt, vor<br />
Haustüren kauernd, nicht etwa am Stadtrand,<br />
im Zentrum der Stadt.<br />
William Faulkner schrieb: „Das<br />
Vergangene ist nicht tot; es ist nicht<br />
einmal vergangen“. Was bedeutet<br />
das für den Protagonisten, einen<br />
jungen Historiker, der sich auf<br />
Spurensuche macht?<br />
Das ist ein wunderbarer Aphorismus!<br />
Für den jungen Historiker, den Ich-Erzähler<br />
wohl eine Art Lebensmotto, aber auch für<br />
andere Figuren des Romans, die versuchen,<br />
in der Gegenwart zu bestehen, und dabei<br />
stets auf die eigene Vergangenheit treffen.<br />
In einer Zeit, in der viele nicht um<br />
eindeutige Haltungen, Prinzipien,<br />
Parolen verlegen sind, hadert der<br />
Ich-Erzähler Broeger mit seiner<br />
eigenen Unentschlossenheit,<br />
mit seinem Zaudern. Ist der<br />
Unentschlossene, der Zauderer ein<br />
unbesungener Held unserer Zeit?<br />
Stimmt schon, er ist ein Zauderer, ein<br />
Unentschlossener, er ist voll Misstrauen,<br />
vor allem sich selbst gegenüber. Er vermeidet<br />
eindeutige Zuschreibungen, er<br />
misstraut der Sprache – und würde er nicht<br />
auch der Zuschreibung „unbesungener<br />
Held“ misstrauen?<br />
Buchtipp:<br />
Christoph W. Bauer:<br />
Niemandskinder<br />
Haymon Verlag, 184 S.,<br />
€ 19,90<br />
24 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
25<br />
Christoph W. Bauer, geboren 1968 in Kärnten,<br />
aufgewachsen in Tirol. Verfasst Lyrik, Prosa,<br />
Essays, Hörspiele und Übersetzungen. Zahlreiche<br />
Veröffentlichungen, mehrere Auszeichnungen, u. a.<br />
Reinhard-Priessnitz-Preis (2001), Publikumspreis<br />
beim Ingeborg-Bachmann-Preis (2002), Outstanding<br />
Artist Award (2015).
Das Loch<br />
Bevor Raphaela Edelbauer ihren neuen Roman<br />
bei der Veranstaltungsreihe „Grenzgänge“ vorstellt,<br />
hat sie mit Martin Fritz über ihren phantastischen<br />
Anti-Heimatroman gesprochen.<br />
Wer hat’s erfunden? –<br />
Abenteuer Rikola Verlag<br />
Das Irrsinnsprojekt der österreichischen Literaturgeschichte.<br />
Bernd Schuchter im Gespräch mit Josef Rinderer.<br />
Buchtipp:<br />
Raphaela Edelbauer:<br />
Das Flüssige Land<br />
KlettCotta, 350 S.,<br />
€ 22,70<br />
© Victoria Herbig<br />
Dein Erstling „Entdecker“ mit<br />
dem Untertitel „Eine Poetik“<br />
ist ein enzyklopädisches Werk,<br />
das grundsätzlich Sprach-Welt-<br />
Zusammenhänge klärt. „Das flüssige<br />
Land“ ist ein im Vergleich dazu<br />
konventionell erzählter Roman.<br />
Wie hat sich diese Entwicklung<br />
ergeben: War es eine bewusste Vorab-<br />
Entscheidung oder aus dem Stoff<br />
heraus motiviert?<br />
Ich empfinde mich als Schriftstellerin nicht<br />
als Produzentin einzelner Bücher, sondern<br />
als Proponentin eines ästhetischen Programms,<br />
das verschiedene Fragestellungen<br />
an die Sprache heranträgt. Was das Ziel<br />
dieser Poetik ist – die ich ja in „Entdecker“<br />
dargelegt habe, wenngleich verschlüsselt –<br />
kann man nicht aus einem einzelnen Text<br />
herauslesen. Ich habe also sicher nicht<br />
meine Schlagrichtung geändert, wie manche<br />
glauben, sondern lediglich ein Buch darüber<br />
geschrieben, wie kollektive Erzählungen<br />
funktionieren können – und das musste<br />
natürlich erzählend sein.<br />
In „das flüssige Land“ hat eine<br />
Physikerin die Aufgabe, ein unter<br />
einer Stadt gelegenes, „das Loch“<br />
genanntes Bergwerk zu füllen, bevor<br />
es einstürzt. Der Roman behandelt<br />
eine Vielzahl von Themen: Neben<br />
dem Fachgebiet der Ich-Erzählerin,<br />
der Zeit, auch die Zusammenhänge<br />
zwischen Land und den es<br />
bewohnenden Leuten, also Fragen der<br />
Identität, Erinnerung und Herkunft.<br />
Und natürlich das gleichzeitig<br />
omnipräsente und verdrängte<br />
Bergwerk. Wie bist du zu dieser<br />
Gemengelage gekommen?<br />
Ich habe das Gefühl, dass es einen Punkt<br />
gibt, in dem diese Aspekte in größter<br />
Intensität zusammenkommen und einander<br />
bedingen, und das ist das Loch. Die Lücke<br />
in der Geschichte ist zeitverzerrend und<br />
repräsentiert zugleich die fast komödiantische<br />
Blindheit der Bevölkerung gegenüber<br />
den Auswirkungen ihres eigenen Wirkens.<br />
Vielleicht mehr noch gegenüber dem<br />
Wirken ihrer Ahnen, das unter Schichten<br />
und Aberschichten an Landschaftskitsch,<br />
Lipizzanisierung und Heimatlauschigkeit<br />
verborgen wird. Ich habe auch die Traum-<br />
zeit der Aborigines ins Buch eingewoben<br />
– eine Schöpfungsgegenwart, in der wir<br />
stets mit dem Wirken unserer Ahnen konfrontiert<br />
sind. Obwohl die Sphären nicht<br />
passiert werden können, ist mittelbar die<br />
Landschaft das, was sie verbindet – sie<br />
verändert sich, ohne dass wir es mitbekommen<br />
würden, weil sie selbst unsere<br />
Bedingung ist.<br />
Der Schauplatz Gross-Einland ist<br />
gleichermaßen bizarr-grotesk wie ein<br />
sehr genaues Porträt einer ländlichen<br />
Kleinstadt – gibt es reale Vorbilder?<br />
Ja: Das ist auf der einen Seite meine<br />
Heimatgemeinde, die Hinterbrühl, eine<br />
Vorstadt von Wien, unter der tatsächlich<br />
ein Bergwerk und ein Loch klaffen. Die<br />
Seegrotte ist heute ein Schaubergwerk und<br />
der größte unterirdische Höhlensee Europas,<br />
zu dem Touristen aus der ganzen Welt<br />
strömen, doch die nationalsozialistische<br />
Vergangenheit wird zum größten Teil<br />
verschwiegen. Dann wurden Aspekte von<br />
Melk, Attnang-Puchheim und Kirchberg<br />
am Wechsel eingeflochten – wie der schräge<br />
Name Groß-Einland suggeriert, soll diese<br />
Verschmelzung stellvertretende Gültigkeit<br />
für ganz Österreich erzeugen.<br />
Neben der Haupterzählung gibt<br />
es auch einige Texte im Text:<br />
Erinnerungstafeln, Auszüge<br />
aus Dorfchronik wie Habil der<br />
Erzählerin. Diese unterschiedlichen<br />
Textsorten ergänzen sich auf sehr<br />
stimmige Weise – ist dir diese Arbeit<br />
mit verschiedenen Formen wichtig?<br />
All meine Texte haben wissenschaftliche<br />
Versatzstücke und Montagen in sich.<br />
Erstens, weil ich Naturwissenschaft als<br />
Welterschließungswerkzeug für maßgeblich<br />
für unseren Welt- und Sprachbezug<br />
halte, zweitens, weil es mich schlicht<br />
und ergreifend persönlich interessiert und<br />
einen interessanten, noch nicht zu ausgeschlachteten<br />
Duktus in die Literatur<br />
bringt.<br />
26 27<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Im Wien der Zwanzigerjahre beschließt<br />
der Bankier, Börsenspekulant und<br />
Hobby-Schriftsteller Richard Kola, den<br />
größten Verlag Österreichs zu gründen.<br />
In schneller Folge erscheinen hunderte von<br />
Büchern, Literaturstars wie Gustav Meyrink<br />
oder Thomas Mann sorgen für zusätzliche<br />
Schlagzeilen. Nach ein paar Jahren ist der<br />
ganze Spuk vorbei. Was bleibt, sind Schulden,<br />
Gerüchte und zerschlagene Träume.<br />
Der Innsbrucker Autor Bernd Schuchter<br />
begibt sich in seinem neuen Roman „Rikolas<br />
letzter Auftritt“, der am 16. Oktober im<br />
Rahmen der „Grenzgänge“ in der Stadtbibliothek<br />
Innsbruck präsentiert wird, auf<br />
Spurensuche und vermischt dabei Faktisches<br />
mit Fiktivem.<br />
Wie bist du auf den heute kaum<br />
bekannten Richard Kola und seinen<br />
Verlag gestoßen?<br />
Bei Recherchen zu einer Verlagsgeschichte<br />
bin ich auf Kola aufmerksam geworden.<br />
Mich interessierte die Idee eines Verlages,<br />
der von Betriebsfremden gegründet und<br />
geleitet wurde. Dann drängte sich noch die<br />
Frage auf: Wie wird man so reich wie Kola?<br />
Kola ist durch Börsenspekulationen<br />
reich geworden. Siehst du da<br />
Parallelen zur Gegenwart?<br />
Absolut. Es ist ein heutiges Thema. Es ging<br />
und geht um unglaubliche Profite, die mit<br />
moralisch fragwürdigen Mitteln erwirtschaftet<br />
werden. Das Verrückte ist: Diese<br />
Menschen geben sich oft als Philanthropen.<br />
Das ist heute genauso wie zu Kolas Zeiten.<br />
Beim Lesen musste ich öfters an<br />
Heinrich Manns „Untertan“ denken.<br />
Es gibt Profiteure, die vom Großkapital<br />
unterstützt werden und enormen Nutzen<br />
daraus ziehen. Das war bei Hitler so,<br />
es ist aber auch heute nicht viel anders.<br />
Man muss sich nur die aktuellen FPÖ-<br />
und ÖVP-Skandale ansehen. Oder Trump.<br />
Das Verrückte dabei ist, dass diese Politiker<br />
vom Mittelstand gewählt werden, obwohl sie<br />
dessen Lebensgrundlage und Arbeitsplätze<br />
zugrunde richten. Und Kola tat das auch.<br />
Also hegst du keine Sympathie<br />
für deine Hauptfigur?<br />
Die Kapitalismuskritik ist Absicht. Aber es<br />
gab Schlimmere, zum Beispiel Kolas Kompagnon<br />
Camillo Castiglioni. Kola war ein<br />
naiver Narr mit Liebe zur Literatur. Sympathie<br />
für die Figuren ist sehr wichtig, sonst<br />
wird ein Roman blutleer. Ich könnte mich<br />
nie über meine Figuren lächerlich machen.<br />
Diese gängige Praktik finde ich einen üblen<br />
Zug der Gegenwartsliteratur!<br />
Hast du eine Lieblingsfigur?<br />
Ich mag Reinhard, die rote Else und auch<br />
Kola, der aber sicherlich am schlechtesten<br />
wegkommt. An Else mag ich, dass sie<br />
dieses utopische Moment hat; eine Frau<br />
als Kommunistenführerin war damals sehr<br />
unwahrscheinlich.<br />
Was hat es denn nun auf sich mit<br />
Hitlers zweitem Buch?<br />
Es ist bis heute fast vergessen, wurde in den<br />
Vierzigern in den USA erstveröffentlicht,<br />
in den Sechzigern in Deutschland. Aber es<br />
hätte im Rikola Verlag erscheinen können,<br />
denn es gab, trotz Kolas jüdischer Herkunft,<br />
keine Berührungsängste mit den Nationalsozialisten.<br />
Diese Möglichkeit hat mich<br />
fasziniert.<br />
Erzähl uns zum Schluss doch noch<br />
etwas über den Stil deines Romans.<br />
Es ist eine episodenhafte Darstellung mit<br />
Auslassungen, zudem gibt es fiktive Einschübe<br />
und Personen. Das Ganze ist eine<br />
Mischung aus Essay und Roman, aber<br />
exakt recherchiert. Ich mag es, Personen<br />
und Begebenheiten auszugraben und die<br />
Leerstellen, die es ja immer gibt, zu besetzen<br />
und zu füllen. Dieses „So könnte es<br />
gewesen sein“ reizt mich. Eine fiktive Figur<br />
muss fantasievoll und trotzdem möglich<br />
sein. Eine Feministin im dreizehnten Jahrhundert<br />
zum Beispiel, wie es in heutigen<br />
historischen Romanen durchaus vorkommt,<br />
das ist Blödsinn, da es damals keinen<br />
Feminismus gab.<br />
© Ruth Pearce/Pearce X<br />
Buchtipp:<br />
Bernd Schuchter:<br />
Rikolas letzter Auftritt<br />
Braumüller, 160 S., € 20,–<br />
Veranstaltungstipp:<br />
Grenzgänge 14<br />
Mit Raphaela Edelbauer<br />
& Bernd Schuchter<br />
Moderation: Klaus Zeyringer<br />
16. Oktober 2019, 19 Uhr<br />
Stadtbibliothek Innsbruck<br />
Amraser Straße 2<br />
Eintritt frei!
Hau(p)tsache natürlich –<br />
Naturkosmetik selbst herstellen<br />
Von Tamara Greif<br />
Winterhart und trotzdem zart:<br />
Gemüse, das die Kälte liebt<br />
Von Tamara Greif<br />
© Nadja Hudovernik<br />
© Wolfgang Palme<br />
© Kary Wilhelm<br />
Buchtipp:<br />
Barbara Hoflacher:<br />
Du darfst auf meine Haut.<br />
Naturkosmetik selber machen<br />
Löwenzahn Verlag,<br />
176 S., € 19,90<br />
Grüne Kosmetik ist längst mehr als ein<br />
Trend – bereits jede(r) 5. greift zu natürlichen<br />
Pflegeprodukten. Nichts übertrifft<br />
dabei selbstgemachte Pflegeprodukte ohne<br />
Spuren von Mikroplastik, Mineralöl oder<br />
Weichmachern in Sachen Hautfreundlichkeit<br />
und Umweltschutz. Was es dazu<br />
braucht? Entgegen der Erwartung nicht viel<br />
mehr als gute Öle, Bienenwachs und selbstgepflückte<br />
Kräuter. Die meisten Zutaten<br />
für die eigene Pflegelinie mit persönlicher<br />
Duftnote und einer Haltbarkeit von 6–12<br />
Monaten warten also bereits im Vorratsschrank.<br />
Für alle, die geschmeidige Haut und<br />
kräftiges Haar künftig nicht mehr dem<br />
Zufall, sondern Mutter Natur überlassen<br />
wollen, liefert die Innsbrucker Autorin<br />
und Heilpraktikerin Barbara Hoflacher die<br />
ideale Anregung in Buchform: „Du darfst<br />
auf meine Haut“. Mit erprobten Anleitungen<br />
zum Selbermachen von Cremes,<br />
Haarwasser, Sonnenschutz & Co. wird das<br />
Buch zum wahren Komplizen in Sachen<br />
Badezimmer-Razzia. Denn fünf Produkte<br />
reichen für die tägliche Pflege von Scheitel<br />
bis Sohle: ein Deo, eine Zahncreme, eine<br />
Ganzkörperseife, ein Ölmazerat für innen<br />
und außen und eine Universalsalbe für Gesicht,<br />
Hände, Füße und zum Abschminken.<br />
Ein Grund mehr, sich in seiner Haut wohlzufühlen!.<br />
Was das Buch darüber<br />
hinaus besonders macht:<br />
• Der Verzicht auf exotische Zutaten wie<br />
Mango oder Avocado, die man sonst<br />
gerne in Naturkosmetikbüchern findet.<br />
• Zahlreiche Rezepte für die Babypflege<br />
und sensible Haut.<br />
• Ein beigelegtes Booklet, um persönliche<br />
Lieblingsrezepte oder eigens Erprobtes<br />
zu notieren.<br />
• Die wunderschönen Zeichnungen<br />
von Künstlerin Ruth Veres.<br />
Wenn die ersten Schneeflocken vom<br />
Himmel rieseln, denken viele von uns an<br />
ausgiebige Rodelwanderungen oder ans<br />
Skifahren. Nur die wenigsten verbinden den<br />
Winter mit dem Garten. Dabei knistert es<br />
in der kalten Jahreszeit nicht nur im Ofen,<br />
sondern auch unter der Schneedecke – denn<br />
vielen heimischen Sorten kann man in Sachen<br />
Kälteresistenz viel mehr zutrauen, als<br />
bisher geschehen. Pinke Radieschen, zarte<br />
Kohlblätter, schmackhafte Jungzwiebeln –<br />
all das kann das Beet in den kalten Monaten<br />
für Sie bereithalten. Und kaum jemand<br />
kann mehr darüber erzählen als Wolfgang<br />
Palme. Seit über 12 Jahren forscht er zum<br />
Thema Frosthärte und bepflanzt in seiner<br />
City Farm Augarten, mitten in Wien, das<br />
ganze Jahr kunterbunte Beete. In seinem<br />
neuen Buch „Ernte mich im Winter“ wird<br />
das Rampenlicht auf 30 heimische Gemüsearten<br />
gerichtet, die im Winter noch besser<br />
schmecken. Zur richtigen Zeit ausgesät und<br />
entsprechend umsorgt, bleiben die Pflanzen<br />
die frostigen Monate über in der Erde<br />
und warten auf ihre winterliche Erntezeit.<br />
Darüber hinaus bedeutet Wintergärtnern<br />
aber auch, sich ein Stück Freiheit<br />
zurückzuerobern – sei es, weil Sie Ihren<br />
Weihnachtssalat künftig aus dem eigenen<br />
Beet pflücken, oder weil Sie sich das ganze<br />
Jahr mit Ihren Lieblingskarotten selbstversorgen.<br />
Freuen Sie sich auf die Momente,<br />
in denen Sie mit einem vollen Korb und<br />
einem Lächeln im Gesicht aus dem glitzernden<br />
Schnee zurück ins warme Haus stapfen.<br />
Denn von nun an ist zu jeder Zeit<br />
Gartenzeit!.<br />
Buchtipp:<br />
Wolfgang Palme:<br />
Ernte mich im Winter.<br />
Löwenzahn Verlag,<br />
176 S., € 24,90
© Jeff Mangione | Loewe Verlag GmbH<br />
Buchtipp:<br />
Ursula Poznanski:<br />
Erebos 2<br />
Loewe Verlag, 512 S.,<br />
€ 20,60<br />
Dass WhatsApp<br />
mithört, davon<br />
bin ich<br />
überzeugt.<br />
Ursula Poznanski<br />
30 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Sie haben mehrmals erwähnt, dass<br />
es keine Fortsetzung von Erebos<br />
geben wird. Warum haben Sie sich<br />
schließlich doch dazu entschieden,<br />
Erebos 2 zu schreiben?<br />
Es lag wirklich daran, dass die Technologien<br />
sich in den letzten zehn Jahren<br />
so massiv verändert haben, dass ich den<br />
Eindruck hatte, ich könnte der Geschichte<br />
einen ganz neuen Dreh geben.<br />
Kam Ihnen die Idee zu Teil 2 langsam<br />
oder gab es einen Heureka-Moment,<br />
in dem Sie beschlossen haben, dass<br />
die Zeit reif für Buch zwei ist?<br />
Es lief eher tröpfchenweise. Ich habe viel<br />
hin- und herüberlegt, immer auch mit<br />
dem Gedanken, dass es ein großer Fehler<br />
sein könnte, auf einen Erfolg wie Erebos<br />
etwas nachfolgen zu lassen. Wenn es einen<br />
Heureka-Moment gab, dann hat der stattgefunden,<br />
als ich mir das Demonstrationsvideo<br />
für Google Duplex auf YouTube angesehen<br />
habe. Das fand ich beeindruckend<br />
und beängstigend zugleich.<br />
Wie hat es sich angefühlt, nach<br />
so vielen Jahren wieder in diese<br />
Geschichte einzusteigen?<br />
Richtig schön. Mir hat es enormen Spaß<br />
gemacht, die Figuren von damals weiterzuschreiben,<br />
obwohl oder gerade weil zwischen<br />
den Büchern zehn Jahre liegen. Mir<br />
zu überlegen, was der jeweilige Charakter<br />
in dieser Zeit getan, welche Entscheidungen<br />
er getroffen und welche Wege eingeschlagen<br />
hat, war ein Vergnügen.<br />
Man hört ja viele Stimmen, die<br />
sich für das Gefahrenpotenzial von<br />
Computerspielen aussprechen. Sie<br />
haben nun schon das zweite Buch<br />
über ein wirklich gefährliches Spiel<br />
geschrieben. Wie stehen Sie zum<br />
Thema?<br />
Ich wende mich ganz bewusst nicht gegen<br />
Computerspiele, die sind mittlerweile ein<br />
fester Teil der Popkultur und nicht per se<br />
schädlich. Es ist wie überall die Dosis, die<br />
das Gift macht. In meinen Büchern – vor<br />
allem im ersten – geht es viel mehr um<br />
Ursula<br />
Poznanski<br />
Die beste literarische<br />
Überraschung<br />
des Jahres: Nach<br />
fast 10 Jahren ist<br />
das Spiel, das tötet,<br />
zurück – und es<br />
ist schlauer als<br />
je zuvor. Ursula<br />
Poznanski im<br />
Gespräch mit<br />
Maria Neumayr.<br />
31<br />
Manipulation als um Sucht. Im zweiten<br />
wird nicht mehr so sehr manipuliert, sondern<br />
eher offen gedroht. Im Kern steht aber<br />
immer der Fakt, dass die Figuren im Buch<br />
sich von etwas steuern lassen, das sie nicht<br />
durchschauen.<br />
Wie ist Ihr eigener Umgang mit<br />
Handy, Internet und Social Media?<br />
Nutze ich alle drei, in dem Bewusstsein,<br />
dass ich mich damit bis zu einem gewissen<br />
Grad auch durchsichtig mache. Gewisse<br />
Dinge lasse ich aber ebenso bewusst aus<br />
dem Internet raus, und ich versuche, mich<br />
nicht in sinnlose Diskussionen verstricken<br />
zu lassen.<br />
Wird man, wenn man dabei ist, ein<br />
Buch wie Erebos 2 zu schreiben,<br />
etwas paranoider, was künstliche<br />
Intelligenz und die konstante<br />
Überwachung durchs Internet<br />
angeht?<br />
Ein bisschen. Wobei das Buch ja in London<br />
spielt, dort ist CCTV gewissermaßen<br />
flächendeckend eingerichtet, man wird auf<br />
Schritt und Tritt kameraüberwacht. Soweit<br />
ich weiß, sind wir davon in Österreich noch<br />
ziemlich weit entfernt. Aber dass Whats-<br />
App mithört, davon bin ich überzeugt, das<br />
sieht man spätestens dann, wenn man im<br />
Netz Werbung zu Themen eingeblendet<br />
bekommt, über die man sich am Abend<br />
zuvor mit Freunden unterhalten hat.<br />
Hat die Recherche zu diesem<br />
Buch etwas an Ihrem Umgang mit<br />
Technologie verändert?<br />
Nein, eigentlich nicht. Was ich vorher<br />
genutzt habe, nutze ich auch weiterhin.<br />
Sie haben einmal in einem<br />
Interview erwähnt, wie gewissenhaft<br />
Sie die Namen Ihrer Figuren<br />
auswählen (beispielsweise Nick<br />
wie „Nickname“). Gibt es einen<br />
ähnlichen Gedanken hinter dem<br />
Namen der neuen Hauptfigur Derek?<br />
Derek kommt im ersten Buch schon sehr<br />
kurz vor. Das hatte ich noch im Kopf und<br />
mir war klar, dass er jetzt im richtigen<br />
Protagonistenalter wäre. Den Namen hat<br />
er also schon vor zehn Jahren bekommen,<br />
und damals habe ich über eine Bedeutung<br />
nicht nachgedacht.<br />
In beiden Erebos-Büchern kommt<br />
eine Simpsons-Tasse mit dem<br />
Spruch „Trying is the first step<br />
towards failure“ vor. Das ist ein<br />
so spezifisches Detail – gibt es die<br />
Tasse bei Ihnen zu Hause vielleicht<br />
wirklich?<br />
Nein, aber ich habe sie beim Schreiben<br />
des ersten Bandes gegoogelt, ich wollte,<br />
dass Victor eine Simpsons-Tasse besitzt.<br />
Ich hatte auch einmal eine, da war ein Pinup-Bart<br />
drauf, aber leider kein Spruch.<br />
Sie beschäftigen sich in Ihren<br />
Büchern ja häufig mit nahezu<br />
futuristisch anmutenden Themen.<br />
Haben Sie schon das nächste ins<br />
Auge gefasst?<br />
Ich grüble noch, muss ich gestehen.<br />
Ursula Poznanski, 1968 in Wien geboren. 2010<br />
startete sie mit ihrem ersten Jugendbuch Erebos<br />
durch und wurde bald eine der erfolgreichsten<br />
deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen. Mittlerweile<br />
zählt sie auch bei Thrillern für Erwachsene<br />
zu den absoluten Must-Reads. Sie wurde vielfach<br />
ausgezeichnet, zuletzt 2018 mit dem Österreichischen<br />
Krimipreis.<br />
Buchpräsentation:<br />
Erebos 2<br />
Mit Ursula Poznanski<br />
Do., 24. Oktober 2019,<br />
18:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / € 7,–<br />
(Wagner-Card)
© Klaus-Maria Einwanger / Diogenes Verlag<br />
Krimispannung à la carte<br />
… und zwar beim 3. Krimifest Tirol von 19.–25. Oktober 2019.<br />
Martin Walker beehrt uns mit einer Lesung aus „Menu<br />
surprise“ in der Wagner’schen Buchhandlung. Im Interview<br />
mit Marina Höfler spricht er über französische Geheimrezepte<br />
und wie ihm seine Erfahrungen als Auslandsreporter beim<br />
Schreiben seiner „Bruno“-Bände hilft.<br />
Périgord –<br />
it is a small<br />
paradise.<br />
Martin Walker<br />
32 Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
In „Menu surprise“ soll Bruno,<br />
Chef de police, in einem Kochkurs<br />
TouristInnen lokale Geheimrezepte<br />
zeigen. Mit welchen Rezepten<br />
würden Sie TouristInnen von der<br />
französischen Küche begeistern?<br />
In Brunos Kochbüchern haben wir viele<br />
solcher „Geheimrezepte“ gesammelt.<br />
Der zweite Teil, „Brunos Gartenkochbuch“,<br />
wird diesen Oktober veröffentlicht. Darin<br />
finden sich zum Beispiel Rezepte für ein<br />
Blanquette de veal (ein französisches Kalbsragout),<br />
eine Tarte Tatin (ein französischer<br />
Apfelkuchen) oder eine Cassoulet a la perigourdine<br />
(ein Eintopf nach Périgord’scher<br />
Art).<br />
Das Périgord ist nicht nur Handlungsort<br />
vieler Ihrer Krimis, sondern Sie<br />
leben auch dort. Was macht für Sie<br />
den Reiz am Périgord aus?<br />
Im Périgord treffen viele geschichtliche<br />
Ereignisse aufeinander: Angefangen von<br />
den prähistorischen Höhlenmalereien,<br />
den Einflüssen Karl des Großen und der<br />
Musketiere sowie dem Widerstand der<br />
Résistance im Jahr 1944. Das Essen und<br />
der Wein, die mittelalterlichen Burgen und<br />
Schlösser, die Landschaft sowie das Klima<br />
– kurz gesagt: Das Périgord ist ein kleines<br />
Paradies.<br />
Sie haben jahrelang als politischer<br />
Journalist gearbeitet – wie spiegeln<br />
sich Ihre Erfahrungen in Ihren<br />
Krimis wider?<br />
Erfahrungen, die ich bei meiner Arbeit<br />
als Auslandskorrespondent gemacht habe,<br />
helfen, bestimmte Abschnitte von Brunos<br />
Leben besser darstellen zu können, zum<br />
Beispiel seine Zeit als Soldat in Afrika,<br />
33<br />
Sarajewo und im ersten Irakkrieg. Und<br />
wenn du heute über das Leben in Frankreich<br />
schreibst, kannst du Themen wie<br />
Migration, Terrorismus oder politische<br />
Spannungen nicht außer Acht lassen.<br />
Sie haben mehrere Jahre das Büro<br />
des „Guardian“ in Moskau geleitet.<br />
Können Sie sich vorstellen, Ihren<br />
nächsten Krimi nach Russland zu<br />
verlegen?<br />
Ich habe mit meiner Frau und unseren<br />
Töchtern vier Jahre lang in Michail Gorbatschows<br />
Moskau gelebt. Durch Glasnost<br />
hatten wir die Möglichkeit, Russen und<br />
Russinnen kennenzulernen und Freundschaften<br />
mit ihnen zu schließen – so haben<br />
wir auch gelernt, russisch zu sprechen und<br />
erhielten Einblicke in die russische Küche.<br />
Im achten „Bruno“-Band „Eskapaden“<br />
gibt es einen russischen Maler, der im Périgord<br />
lebt. Aber Bruno vom Périgord nach<br />
Moskau zu versetzen – das kann ich mir<br />
nur schwer vorstellen<br />
In „Menu surprise“ löst Bruno seinen<br />
bereits elften Fall, können Sie uns<br />
schon ein paar Details zu seinem<br />
zwölften Fall verraten?<br />
Brunos zwölfter Fall „The Body and the<br />
Castle Well“ wurde dieses Jahr in Amerika<br />
und England veröffentlicht. Nächsten<br />
Mai wird der Roman auch auf Deutsch erscheinen,<br />
jedoch haben wir uns noch nicht<br />
auf einen deutschen Titel geeinigt. Die<br />
Geschichte beginnt damit, dass ein junger<br />
amerikanischer Kunststudent, Sohn einer<br />
wohlhabenden und einflussreichen Familie,<br />
tot in einem Lichtschacht einer Burg gefunden<br />
wird. Darum soll das FBI ermitteln.<br />
Auch das Essen spielt wieder eine große<br />
Rolle: Es gibt eine Fois-gras-Verkostung<br />
und weitere köstliche Gerichte bekommen<br />
ihren Platz, wie eine Tarte Tatin mit roten<br />
Zwiebeln und Ziegenkäse. Derzeit arbeite<br />
ich an einem Roman, der 2021 auf Deutsch<br />
erscheinen wird.<br />
Martin Walker wurde 1947 in Schottland geboren.<br />
Er arbeitet als Schriftsteller, Historiker und<br />
politischer Journalist. 25 Jahre lang war er bei der<br />
britischen Tageszeitung „The Guardian“ tätig, 1978<br />
wurde er mit dem britischen Reporter-des-Jahres-Preis<br />
ausgezeichnet. Seine „Bruno“-Romane<br />
erscheinen in 15 Sprachen. Er lebt in Washington<br />
und im Périgord.<br />
Buchtipp:<br />
Martin Walker:<br />
Menu surprise<br />
Diogenes Verlag, 432 S.,<br />
€ 24,70<br />
Lesung:<br />
im Rahmen vom<br />
3. Krimifest Tirol<br />
Menu surprise<br />
Mit Martin Walker<br />
Deutsche Stimme:<br />
Josef Mohamed<br />
Mi., 23. Oktober 2019,<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / € 7,–<br />
(Wagner-Card)
© Oliver Wolf<br />
Man kann<br />
beim Betrachten<br />
eines einzigen<br />
Bildes in die Tiefe<br />
der Erinnerung<br />
stürzen.<br />
<strong>No</strong>rbert Gstrein<br />
Bücher seit 1639<br />
Nach „Die kommenden Jahre“<br />
ist auch im neuen Roman „Als ich<br />
jung war“ ein tiefes Amerika eine<br />
Art Fluchtort für einen Mann aus<br />
den europäischen Bergen. Diesmal<br />
schreitet ja zudem die Erzählung im<br />
Doppelschritt voran, abwechselnd<br />
ein Kapitel Tirol, ein Kapitel USA.<br />
Was bedeutet dieses Amerika, stellt<br />
es einen Gegensatz zu europäischen<br />
Abgründen dar?<br />
Eher als einen Gegensatz würde ich eine<br />
Parallele darin sehen. Der Held, wenn man<br />
ihn so nennen will, geht ja von der österreichischen<br />
Provinz in die amerikanische<br />
Provinz. Die Verwerfungen dort sind ähnliche,<br />
aber vor allem entkommt er seinen<br />
eigenen Dämonen nicht. Er findet genau<br />
das wieder, wovor er davonläuft. Zu Hause<br />
hat er ein minderjähriges Mädchen gegen<br />
dessen Willen geküsst, und in Amerika ist<br />
er der Skilehrer eines Professors, dem in<br />
dieser Hinsicht wesentlich gravierendere<br />
Dinge vorgeworfen werden.<br />
<strong>No</strong>rbert<br />
Gstrein<br />
Sein neuester<br />
Roman spielt<br />
zwischen Tirol<br />
und Wyoming<br />
und führt viele<br />
Bestenlisten an.<br />
Das Gespräch mit<br />
<strong>No</strong>rbert Gstrein<br />
führte<br />
Klaus Zeyringer.<br />
35<br />
Und wie hängt dies mit sozialen<br />
Situationen zusammen, vor allem<br />
mit „Familienbanden“ (ein Wort,<br />
auf dessen Doppelsinn Karl Kraus<br />
zurecht verwiesen hat)?<br />
Das Paradoxe und Schreckliche an den<br />
Familienbanden ist, dass sie auch als<br />
zerbrochene zusammenzuschweißen vermögen.<br />
Der Erzähler sieht sich in einer<br />
unheilvollen Reihe von Männern mit<br />
patriarchalem Gebaren, der er zu entkommen<br />
versucht, aber nicht wirklich<br />
entkommt. Auch sein Entkommen nach<br />
Amerika ist nur ein Entkommen in die<br />
soziale Isolierung und in die Einsamkeit.<br />
Dein Protagonist Franz fotografiert<br />
bei Hochzeiten. Welche Rolle spielen<br />
Bilder und Gegenbilder?<br />
Er fotografiert die Hochzeitspaare immer<br />
an genau der gleichen Stelle, am Rand eines<br />
Abgrunds. Die immer gleichen Bilder von<br />
immer anderen Paaren mit den immer gleichen<br />
Vorstellungen von Glück stehen ihm<br />
nicht nur für die Austauschbarkeit, sondern<br />
für die Abgenutztheit und Schalheit des<br />
Ganzen. Um ihn geschehen ist es, als er<br />
schließlich zu denken beginnt, die Bräute<br />
müssten eigentlich am Tag ihrer Hochzeit<br />
davonlaufen, wenn sie nur einen Augenblick<br />
überlegen würden. In Amerika gibt<br />
es dagegen eine fast jungfräuliche Szene,<br />
als er einmal in der Wildnis einen Bären<br />
sieht. Er hebt die Kamera, lässt sie aber<br />
wieder sinken, ohne den Bären zu fotografieren,<br />
und schaut stattdessen zu, wie<br />
er in einem Loch in Raum und Zeit verschwindet.<br />
In mindestens zwei Bildern<br />
konzentriert sich das Geschehen, im<br />
Foto-Ort über dem Abgrund und im<br />
Hochzeitsfoto der Eltern. Vermögen<br />
– nicht nur in „Als ich jung war“ –<br />
Bilder zu anderen Tiefen (der Zeit)<br />
vorzudringen als Worte?<br />
Ich würde Bilder und Worte da gar nicht in<br />
Konkurrenz zueinander sehen. Bilder von<br />
Personen weisen immer auch aus der Zeit<br />
hinaus. Die darauf Abgebildeten sind entweder<br />
schon gestorben oder werden irgendwann<br />
gestorben sein, weshalb ihnen auch<br />
etwas Unheimliches anhaftet, wenn man<br />
sie nur lange genug anschaut. Man kann<br />
beim Betrachten eines einzigen Bildes in die<br />
Tiefe und Unabsehbarkeit der Erinnerung<br />
stürzen. Andererseits lassen sich mit Hilfe<br />
von Worten – vielleicht kontrollierter –<br />
Bewegungen in Raum und Zeit vollführen,<br />
die dem nicht nachstehen.<br />
<strong>No</strong>rbert Gstrein, 1961 in Tirol geboren, lebt in<br />
Hamburg. Er wurde unter anderem mit dem<br />
Alfred-Döblin-Preis und dem Uwe-Johnson-Preis<br />
ausgezeichnet. Bei Hanser erschienen von ihm die<br />
Romane „Die Winter im Süden“ (2008), „Die englischen<br />
Jahre“ (Neuausgabe 2008), „Das Handwerk<br />
des Tötens“ (Neuausgabe 2010), „Eine Ahnung vom<br />
Anfang“ (2013), „In der freien Welt“ (2016) und<br />
„Die kommenden Jahre“ (2018).<br />
Buchtipp:<br />
<strong>No</strong>rbert Gstrein:<br />
Als ich jung war<br />
Hanser Verlag, 248 S.,<br />
€ 23,70<br />
Buchpräsentation:<br />
Als ich jung war<br />
Mit <strong>No</strong>rbert Gstrein<br />
Moderation: Klaus Zeyringer<br />
Fr., 8. <strong>No</strong>vember 2019,<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / € 7,–<br />
(Ö1- oder Wagner-Card)
© Gerald von Foris<br />
Buchtipp:<br />
Dieses Buch<br />
sollte auch<br />
Gabalier lesen.<br />
Robert Prosser:<br />
Gemma Habibi<br />
Ullstein Verlag, 224 S.,<br />
€ 22,70<br />
Buchpräsentation:<br />
Gemma Habibi<br />
Mit Robert Prosser<br />
Moderation: Markus Köhle<br />
Mi., 30. Oktober 2019, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / € 7,–<br />
(Wagner-Card)<br />
Robert Prosser<br />
36<br />
Wagner’sche.<br />
Was fasziniert dich an der Boxwelt?<br />
Ich mache seit einigen Jahren Kampfsport<br />
und dachte mir von Beginn an, dass<br />
die Szene viel Stoff hergibt. Charaktere,<br />
Schicksale, Geschichten. Es war eine<br />
Herausforderung, eine Sprache zu finden,<br />
die es schafft, die üblichen Klischees zu<br />
durchbrechen.<br />
Welche Klischees gibt es denn?<br />
Dass Boxer primitiv wären, Brutalos, dass<br />
im Boxen nur eine übertriebene Männlichkeit<br />
ausgelebt wird. Ich habe es spannend<br />
gefunden, nach Wegen zu suchen, die diese<br />
Stereotypen aushebeln.<br />
Haben deine KollegInnen im Boxclub<br />
dein Buch gelesen?<br />
Einige sind gerade mittendrin. Die Figur,<br />
auf dem Simon (der Trainer im Buch –<br />
Anm. d. Red.) basiert, wird seither unter<br />
seinen Kollegen mit dem Namen des<br />
Romancharakters angesprochen. Von<br />
anderen werden die Details unter die Lupe<br />
genommen. Der Unparteiische wird im<br />
Robert<br />
Prosser<br />
Robert Prossers<br />
neuer Roman haut<br />
rein: Durch die<br />
Boxwelt erfahren<br />
wir nicht nur<br />
vieles von der<br />
Flüchtlingskrise<br />
2015, sondern<br />
auch von uns selbst<br />
– die Backpackergeneration<br />
bekommt<br />
einen Spiegel<br />
vorgesetzt. Von<br />
Ágnes Czingulszki<br />
Boxen zum Beispiel nicht als Schieds-,<br />
sondern nur Ringrichter bezeichnet. Um<br />
nicht immer eine Wortwiederholung zu<br />
haben, schreibe ich aber gelegentlich<br />
Schiedsrichter. Das fällt Kennern auf, denn<br />
es ist technisch gesehen nicht ganz sauber.<br />
Nach Graffiti und Boxen – beides<br />
Aktivitäten, die du auch selbst<br />
ausgeübt hast: Sind nun alle<br />
Freizeitaktivitäten in Literatur<br />
verarbeitet?<br />
Das sind keine Freizeitaktivitäten, das<br />
waren jeweils sehr elementare, wichtige<br />
Erfahrungen, niemals bloße Hobbys.<br />
Beides sind Aktivitäten an der<br />
Grenze zur Illegalität …<br />
Graffiti schon, aber Boxen: Das ist wieder<br />
ein Klischee. Es stimmt, dass es eine Zeit<br />
im Profiboxen gegeben hat, in dem der<br />
Sport ins Rotlichtmilieu abgerutscht ist,<br />
aber olympisches Boxen ist enorm pflichtbewusst,<br />
im Grunde erschreckend brav.<br />
Wenn du erfolgreich sein willst, ist das<br />
mit einem sehr ordentlichen, ja asketischen<br />
Leben verbunden. Keine Drogen, kein<br />
Alkohol, keine Partys, kein Fastfood usw.<br />
Da ja die Nationalratswahl naht –<br />
welcher Person öffentlichen Interesses<br />
würdest du dein Buch empfehlen?<br />
Weil Lesen immer eine gute Idee ist und<br />
man sowieso nie genug lesen kann: allen.<br />
Ist dein Buch dafür geeignet, dass<br />
man mit Klischees aufräumt?<br />
Ich denke ja. Es ist mir ein Anliegen, mit<br />
„Gemma Habibi“ aus einer linken Sichtweise<br />
über Gewalt und Körperlichkeit zu<br />
schreiben. Da fällt mir ein: Gabalier sollte<br />
dieses Buch lesen. Er ist ein gutes Beispiel<br />
dafür, wie der junge, männliche Körper<br />
inszeniert und mit einer rechten Ideologie<br />
konnotiert wird. Dagegen muss man etwas<br />
unternehmen. Linke Positionen tun sich oft<br />
sehr schwer mit Körperlichkeit und Gewalt,<br />
klar, aber es gibt eine positive Gewalt, wie<br />
im Boxen etwa. Das Besondere ist, dass<br />
Boxen eine vollkommen unnatürliche Art<br />
von Gewalt darstellt. Du gehst in den Ring<br />
und hast Angst vor dem Gegner, er kommt<br />
auf dich zu und dein erster Reflex ist, dich<br />
umzudrehen und abzuhauen. Du musst<br />
dich mit Angst, mit Aggression, mit Wut<br />
auseinandersetzen und lernen, mit diesen<br />
Emotionen im Ring richtig umzugehen.<br />
Wieso hast du so viele Reisen – der<br />
Hauptdarsteller reist nach Syrien und<br />
Ghana – eingebaut?<br />
Das ist eine Art Metakonflikt, der im<br />
Buch stattfindet. Die Konfrontation mit<br />
Fremden, mit den verschiedenen Formen<br />
von Freiheit. Wir, die wir hier aufgewachsen<br />
sind, haben die Möglichkeit, überall<br />
hinzugehen. Uns steht die Welt in einer<br />
kaum vorstellbaren Weise offen. Und in<br />
der Ferne oder hier in Österreich triffst du<br />
Leute, die diese Freiheiten nicht haben, die<br />
im Asylverfahren oder äußerst prekären<br />
Verhältnissen feststecken und zum Warten<br />
verdammt sind.<br />
Und wie kommst du weiter<br />
mit neuen Projekten?<br />
Im Frühjahr 2020 kommt ein Essayband.<br />
Ausgehend von „Gemma Habibi“ führe<br />
ich die Recherche weiter, eine literarische<br />
Reportage mit dem Fokus auf die Auswirkungen<br />
des Syrien-Krieges auf Lesbos<br />
und im Libanon. Danach werde ich die Idee<br />
für den nächsten Roman ausbauen. Soviel<br />
kann ich verraten: Es geht um Dichtung<br />
und Affen.<br />
Gibt es eine Frage, die du noch<br />
nie gestellt bekommen hast, aber<br />
unbedingt beantworten willst?<br />
(denkt nach) Was ich nie gefragt bekomme,<br />
ist, ob es eine direkte Verbindung zwischen<br />
Boxen und Literatur gibt. Ich finde Boxen<br />
ist eine Metapher für sehr vieles: den<br />
Kampf gegen einen übermächtigen Gegner,<br />
für Fluchtschicksale oder die Literatur.<br />
Das Schreiben funktioniert wie ein Boxkampf.<br />
Einzelne Kombinationen, die<br />
Bewegungen, die Rhythmik, das alles kann<br />
man auf den Text umlegen. Oder die Disziplin,<br />
die man als Boxer braucht. Als Autor<br />
oder Autorin kann man sich davon etliches<br />
abschauen.<br />
Robert Prosser: „Einer der heißesten Aktien des<br />
Literaturmarktes“ wurde Prosser schon genannt.<br />
Geboren 1983 in Alpbach, lebt er heute ebendort<br />
und in Wien. Er studierte Komparatistik und Sozialanthropologie<br />
– „Gemma Habibi“ ist sein dritter<br />
Roman und erschien kürzlich bei Ullstein. Die Liste<br />
seiner Auszeichnungen, Stipendien und Longlistplätze<br />
würden hier den Rahmen sprengen – also nur<br />
so viel: Es gibt sie, und zwar zahlreich.
© Gianmaria Gava<br />
Wo sind wir hier eigentlich?<br />
Österreich im Gespräch<br />
Eine Veranstaltung mit Heide Schmidt, Stefan Apfl<br />
und Verena Ringler im Rahmen der „BUCH WIEN on Tour“.<br />
Bücher seit 1639<br />
Heide Schmidt<br />
39<br />
„Wo sind wir hier eigentlich?“ – das war die<br />
Auftaktfrage für ein publizistisches Experiment<br />
des Monatsmagazins DATUM. Aus<br />
Anlass des 15-jährigen Bestehens setzten<br />
die Magazinmacher mit dem Buch „Österreich<br />
im Gespräch“ einen Diskurs über<br />
den Zustand unseres Landes in Gang. 51<br />
Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft,<br />
Wissenschaft und Forschung sowie Medien<br />
und Kunst kamen im Laufe eines Tages zusammen,<br />
um über die Idee Österreich, über<br />
Herkunft und Zukunft des Landes zu sprechen.<br />
Ein Stammtisch, an dem Gegensätze<br />
aufeinandertrafen, diskutiert und manchmal<br />
sogar vereint wurden.<br />
Dieses „größte Stammtischgespräch<br />
Österreichs“ liegt nun verdichtet als Buch<br />
vor. Es ist Ausgangspunkt für eine breite<br />
Diskursserie in ganz Österreich, welche<br />
DATUM gemeinsam mit dem Brandstätter<br />
Verlag und der BUCH WIEN on Tour in<br />
den kommenden Monaten durchführt.<br />
Das Ziel ist es, möglichst viele Menschen<br />
mit ihren unterschiedlichen Standpunkten,<br />
Kompetenzen und Erfahrungen in Dialog<br />
zu bringen. Denn: Eine funktionierende<br />
Demokratie zeichnet sich vor allem durch<br />
ihre Diskursfähigkeit aus.<br />
Die Traditionsbuchhandlung Wagner’-<br />
sche wird dabei Schauplatz einer spannenden<br />
Weiterführung dieses Gesprächs.<br />
Zu Gast beim Event am 31.10. sind die<br />
ehemalige Politikerin Heide Schmidt, die<br />
Politikwissenschaftlerin Verena Ringler<br />
und der Chefredakteur von DATUM,<br />
Stefan Apfl.<br />
Im gemeinsamen Gespräch schildern sie<br />
ihre Einblicke aus Politik und Journalismus.<br />
Ein Versuch der Positionsbestimmung<br />
Österreichs, um gemeinsam die Frage zu<br />
beantworten: Wo sind wir hier eigentlich?<br />
Die Politikwissenschaftlerin Verena<br />
Ringler entwickelt und berät unter dem<br />
Namen „European Commons“ innovative<br />
Projekte rund um die Zukunft des vereinten<br />
Europas. Nach ihrem Ausscheiden aus der<br />
FPÖ 1993 gründete Heide Schmidt das<br />
Liberale Forum, zog sich 2008 aber völlig<br />
aus der Politik zurück. Heute engagiert sie<br />
sich im sozialen und demokratiepolitischen<br />
Bereich.<br />
Mit Beiträgen von: Florian Aigner, Luna<br />
Al-Mousli, Madeleine Alizadeh, Niko Alm,<br />
Hannes Androsch, Ednan Aslan, Barbara<br />
Blaha, Cecily Corti, Barbara Coudenhove-Kalergi,<br />
Gregor Demblin, Wolfgang<br />
Eder, Paul Chaim Eisenberg, Marc Elsberg,<br />
Heinz Fischer, Erhard Grossnigg, Kenan<br />
Güngör, Felix Hafner, Xenia Hausner, Gregor<br />
Henckel von Donnersmarck, Markus<br />
Hengstschläger, Lisz Hirn, Lilli Hollein,<br />
Martina Hörmer, Harald Katzmair, Florian<br />
Klenk, Wilhelm Klinger, Clemens Lahner,<br />
Peter Lammerhuber, Konrad Liessmann,<br />
Bernd Marin, Nuno Maulide, Kasia<br />
Matt-Uszynska, Peter Mitterbauer, Adele<br />
Neuhauser, Willi Resetarits, Verena Ringler,<br />
Anneliese Rohrer, Andreas Salcher, Florian<br />
Scheuba, Heide Schmidt, Elfie Semotan,<br />
Deborah Sengl, Danielle Spera, Johannes<br />
Stangl,Terezija Stoisits, Matthias Strolz,<br />
Barbara Treiber, Andreas Treichl, Andreas<br />
Vitásek, Armin Wolf, Alexander Wrabetz<br />
und <strong>No</strong>rbert Zimmerman.<br />
DATUM ist Österreichs einziges Monatsmagazin für<br />
Politik und Gesellschaft. Das unabhängige Magazin,<br />
das seit seiner Gründung 2004 mit zahlreichen<br />
Preisen ausgezeichnet wurde, gilt als eine der ersten<br />
Adressen für die Ausbildung junger Journalistinnen<br />
und Journalisten.<br />
Mit der „BUCH WIEN on Tour“ kommt Österreichs<br />
größtes Buchfestival erstmals in die Bundesländer,<br />
und das bereits vor dem offiziellen Messestart. Veranstaltungen<br />
in Lieblingsbuchhandlungen in ganz<br />
Österreich machen Lust auf die BUCH WIEN, die<br />
heuer von 6.–10. <strong>No</strong>vember über 500 heimische<br />
Publikumslieblinge und internationale StarautorInnen<br />
zu Gast hat.<br />
Alle Infos:<br />
www.buchwien.at/ontour<br />
BUCH WIEN 19: 6.–10. <strong>No</strong>vember 2019<br />
480 Veranstaltungen – 40 Locations<br />
Buchtipp:<br />
Stefan Apfl, Sebastian Loudon,<br />
Alexander Zach:<br />
Wo sind wir hier eigentlich?<br />
Österreich im Gespräch<br />
Brandstätter Verlag, 176 S.,<br />
€ 22,–<br />
Veranstaltungstipp:<br />
Wo sind wir hier eigentlich?<br />
Österreich im Gespräch<br />
Heide Schmidt<br />
& Verena Ringler<br />
Moderation: Stefan Apfl<br />
(DATUM) im Rahmen der<br />
„BUCH WIEN on Tour“<br />
Do., 31. Oktober 2019,<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: frei
© Chris Laine<br />
Das Ende<br />
der Welt<br />
scheint<br />
immer nur<br />
ein paar<br />
Schritte<br />
entfernt.<br />
Hans Platzgumer<br />
40 Wagner’sche.<br />
Sie sprechen von „Willkommen in<br />
meiner Wirklichkeit“ als einem<br />
kleinen Buch …<br />
Ja, mir gefällt diese Vorstellung, dass es<br />
sich im Vergleich zu meinen Romanen um<br />
ein kleines Biachl handelt.<br />
Ein kleines Biachl über eines der<br />
ganz großen Themen. Es geht um die<br />
Wirklichkeit, um die Art und Weise,<br />
wie wir das, was wir Wirklichkeit<br />
nennen, wahrnehmen.<br />
Das stimmt, wenn man es so sieht, ist es ein<br />
sehr großes, ein gewichtiges Thema. Aber<br />
mir war es wichtig, dass der Text leichtfüßig<br />
bleibt. Ich schreibe über das, was ich als<br />
Augenzeuge miterlebt habe, das, was mich<br />
bewegt hat. Daraus versuche ich Schlüsse<br />
zu ziehen, ich füttere die Theorie mit Erfahrung<br />
und die Erfahrung mit Theorie.<br />
Was hat Sie an der Thematik<br />
interessiert?<br />
Einerseits mag das an diesem Midlife-<br />
Zustand liegen, in dem ich jetzt, wo ich<br />
50 werde, nun einmal bin. Das Schreiben<br />
des Buches war sicher auch ein bisschen Bestandsaufnahme<br />
und Standortbestimmung.<br />
Der wichtigere Auslöser war aber die<br />
Beobachtung, dass die Gesellschaft in den<br />
vergangenen Jahren immer apokalyptischer<br />
wurde. Wenn man mit Menschen spricht,<br />
wird man mit einer durch und durch negativen<br />
Weltsicht konfrontiert. Ganz so, als<br />
wäre das Leben hoffnungslos und alles im<br />
Eimer. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise<br />
2007/08 scheint das Ende der Welt<br />
immer nur ein paar Schritte entfernt. Dieser<br />
Aussichtslosigkeit wollte ich durchaus schöne<br />
Aussichten entgegenstellen.<br />
Globale und persönliche Krisen<br />
blenden Sie aber nicht aus. Das<br />
Buch beginnt mit der Ermordung<br />
von John Lennon, später geht<br />
es nach Tschernobyl und in die<br />
Katastrophengebiete der Gegenwart.<br />
Es geht mir ja nicht darum, etwas schön zu<br />
reden. Natürlich gibt es Elend und Leid.<br />
Aber ich möchte zeigen, dass es keinen Sinn<br />
ergibt, davor ohnmächtig zu kapitulieren.<br />
Darin liegt die Kraft, dass nichts einfach<br />
so ist, sondern dass man Dinge auch verändern<br />
kann. Als ich das Buch Anfang<br />
des Jahres beendete, waren Klimaschutz<br />
und Umweltschutz ein Randthema. Jetzt,<br />
Hans<br />
Platzgumer<br />
Hans Platzgumer<br />
wird 50. In seinem<br />
neuen Buch „Willkommen<br />
in meiner<br />
Wirklichkeit!“<br />
Blickt er zurück<br />
und hoffnungsvoll<br />
nach vorn.<br />
Im Gespräch erklärt<br />
er, warum Kapitulation<br />
vor den<br />
Krisen der Welt<br />
keine Alternative<br />
ist.<br />
wo es erscheint, behauptet sogar die FPÖ,<br />
die außer Fremdenfeindlichkeit bislang<br />
keine Themen hatte, sie sei die einzig wahre<br />
Klimapartei.<br />
Aus Kalkül.<br />
Aus Kalkül. Aber es zeigt auch, dass das<br />
Nichtthema schnell zum bestimmenden<br />
Thema werden kann. Darin liegt eine<br />
Chance. Wenn man sich in der Negativität<br />
eingerichtet hat und sich aufs Schwarzmalen<br />
beschränkt, verengt sich die Wahrnehmung<br />
der Wirklichkeit. Vor einem<br />
halben Jahr sah die Welt in Österreich ganz<br />
anders aus als jetzt. Und es ist nicht ausgemacht,<br />
dass es in einem halben Jahr ganz<br />
anders ausschaut als heute.<br />
Ihr erster Roman „Weiss“ erschien<br />
vor gut zehn Jahren. Davor machten<br />
Sie sich als Musiker einen Namen.<br />
Es war ein fließender Übergang vom<br />
Musiker zum Autor. Als ich mit 17 Jahren<br />
professioneller Musiker wurde, haben mich<br />
Musiker nicht wirklich interessiert. Musik<br />
war für mich ein Mittel, etwas zu erzeugen,<br />
eine Stimmung zum Beispiel. Oder ich wollte<br />
etwas ausdrücken, Widerstand, Zorn,<br />
Euphorie. Echte Musiker, also solche, die<br />
Musik als Beruf oder Berufung verstanden,<br />
habe ich mit jugendlichem Übermut für<br />
komplett uninteressant gehalten. Ich war ja<br />
immer ein schlechter Über. Wenn ich Tonleitern<br />
geübt habe, hab ich spätestens nach<br />
zehn Minuten einen Ton entdeckt, der mich<br />
viel mehr interessiert hat als das Üben.<br />
Und wann wurde der Musiker, der<br />
keiner sein wollte, zum Schriftsteller?<br />
Vor Schriftstellern hatte ich immer großen<br />
Respekt. Lange habe ich es nicht gewagt,<br />
mich selbst als Autor zu bezeichnen. Das<br />
hätte ich überheblich gefunden. Schreiben<br />
ist für mich eine Möglichkeit, der Vergewisserung,<br />
eine Übung in Genauigkeit.<br />
Ich versuche möglichst bewusst zu leben<br />
und zu erleben. Nichts soll einfach an mir<br />
vorbei rauschen, weil sich überall Stoff für<br />
einen Text, für einen Roman findet.<br />
Hans Platzgumer, geb. 1969 in Innsbruck, wohnhaft<br />
in Bregenz und Wien, wo er als Autor und Komponist<br />
tätig ist. Schreibt Romane, Essays, Theatermusiken<br />
und Hörspiele. In den 90er-Jahren wurde<br />
Hans Platzgumer für einen Grammy nominiert und<br />
trat auch unter dem Namen H.P.Zinker auf. Seit<br />
Beginn des neuen Jahrtausends verlagerte er den<br />
Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens hin zur<br />
literarischen Arbeit. 2016 stand sein Roman „Am<br />
Rand“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.<br />
Zuletzt erschienen: „Drei Sekunden Jetzt“ (Roman,<br />
2018), „Holst Gate“ (CD/LP, 2018)<br />
Buchtipp:<br />
Hans Platzgumer:<br />
Willkommen in meiner<br />
Wirklichkeit!<br />
Milena Verlag Verlag, 170 S.,<br />
€ 22,–<br />
Buchpräsentation:<br />
Willkommen in meiner<br />
Wirklichkeit!<br />
Mit Hans Platzgumer<br />
Moderation: Joachim Leitner<br />
Mi., 20. <strong>No</strong>vember 2019,<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: € 9,– / € 7,–<br />
(Ö1- oder Wagner-Card)
© Privat<br />
Jeder geht<br />
so tief in die<br />
Geschichte,<br />
wie er will.<br />
Olivia Mae<br />
Bücher seit 1639<br />
Mit der Fantasy-Reihe „Requia“<br />
und dem dazugehörigen Online-<br />
Sammelkarten RPG haben du und<br />
dein Mann 2015 ein riesiges Projekt<br />
gestartet, da steckt unheimlich viel<br />
Arbeit dahinter – wie vereinst du<br />
das mit Familie und Job?<br />
Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung.<br />
Wenn man etwas wirklich gerne macht,<br />
dann spürt man kaum, wie die Zeit verfliegt.<br />
Bis vor zwei Jahren war ich ausschließlich<br />
Autorin, aber ich merke schon,<br />
dass dieses Zweigleisig-Fahren an die Substanz<br />
geht, vor allem, da mein Mann meine<br />
Hilfe mit den Texten, den Quests und dem<br />
Weltaufbau für „Requia Online“ braucht.<br />
Das Spiel steht ganz kurz vor der internen<br />
Beta, weshalb ich „Requia“ Band vier auf<br />
Frühjahr 2020 verschoben habe, um meinen<br />
Mann zu unterstützen.<br />
„Requia“ umfasst schon jetzt eine<br />
gewaltige Welt. Den Planeten<br />
Aurelis, der von Krieg zerfressen<br />
wird. Die Erde, wo Yana erfährt, dass<br />
Olivia<br />
Mae<br />
Die Autorin<br />
gewährt uns einen<br />
Blick hinter die<br />
Kulissen ihrer<br />
gewaltigen<br />
Fantasy-Reihe<br />
„Requia“. Das<br />
Gespräch führte<br />
Klaudia Grünfelder.<br />
43<br />
sie eine Prinzessin ist und auf Aurelis<br />
ihren Platz einnehmen soll. Da steckt<br />
viel dahinter – weißt du denn schon,<br />
wie viele Bände es werden?<br />
Staffel eins wird sechs Bände haben. Der<br />
Weg dorthin ist mir noch nicht ganz klar,<br />
weil ich eine intuitive Autorin bin, das<br />
heißt, ich plotte generell nicht. Im Moment<br />
kenne ich auch nur das Ende von<br />
Staffel eins, welche mit sechs Bänden abgeschlossen<br />
sein wird. Staffel zwei kommt<br />
auf jeden Fall und wird ebenfalls sechs<br />
Bände umfassen. Das sollte uns die nächsten<br />
drei Jahre begleiten, und dann 2025 –<br />
hoffentlich bin ich dann noch gesund und<br />
uns geht’s allen gut – schauen wir weiter.<br />
Für dich steht Originalität klar im<br />
Vordergrund, und auch, dass du<br />
dir selbst treu bleibst. Schreibt man<br />
als AutorIn für sich selbst oder für<br />
das Publikum?<br />
Viele Leser sagen, sie lesen nicht, damit sie<br />
an die Realität erinnert werden. Manche<br />
Leser tauchen tiefer in die Geschichte ein,<br />
lesen intensiver als andere, die vielleicht<br />
auch nur Aurelis als Welt fasziniert. Jeder<br />
geht so tief in die Geschichte, wie er will.<br />
„Requia“ ist z. B. ganz stark an den Zweiten<br />
Weltkrieg angelehnt. Aber man hat<br />
keine Verpflichtung, so tief in die Materie<br />
einzutauchen. Die einzige Herausforderung<br />
ist der Einstieg in die Reihe. Man muss<br />
akzeptieren, dass man erst mal gar nichts<br />
versteht. Als Leser beginnst du „Requia“<br />
wie ein blinder Reisender, der sich langsam<br />
durch die Geschichte tastet. Diese Verwirrung<br />
wollte ich, weil ich möchte, dass<br />
der Leser mitdenkt. Heutzutage wird so oft<br />
vorausgesetzt, dass jeder immer alles sofort<br />
versteht. Wo bleibt denn da die Challenge<br />
beim Lesen?<br />
Als Self-Publisher hast du alle<br />
Freiheiten, was die Gestaltung deiner<br />
Bücher angeht, du musst dich dafür<br />
aber selbst um die Vermarktung<br />
kümmern. Möchtest du in Zukunft zu<br />
einem Verlag wechseln oder ist Self-<br />
Publishing das Richtige für dich?<br />
„Requia“ bei einem großen Verlag unterzubringen<br />
ist beinahe unmöglich, da „Requia<br />
Online“ dranhängt. Die Welt, die Karte<br />
und Figuren sind dieselben. Wenn ich die<br />
Reihe an einen Verlag verkaufen würde,<br />
könnte er sagen, dass sich Bücher ab 16<br />
Jahren besser verkaufen als Bücher ab 18.<br />
Das Konzept und einige Szenen müssten<br />
abgeändert werden und dann wäre „Requia“<br />
nicht mehr „Requia“. Es wird nie<br />
mainstream werden, auch wenn ich hoffe,<br />
dass es irgendwann eine breitere Leserschaft<br />
erreicht und aus dem großen Pot ein paar<br />
Macht das für dich eine gute<br />
Geschichte aus? Wenn sie<br />
Herausforderungen für die<br />
LeserInnen bietet?<br />
Natürlich ist das eine subjektive Antwort.<br />
Ich mag Bücher, bei denen man sagt, ‚Hirn<br />
an, Konzentration!‘. Emotionen gehören<br />
rein in ein gutes Buch; man sollte weinen<br />
und lachen können oder über einen Charakter<br />
den Kopf schütteln. Einfach lesen,<br />
eintauchen und akzeptieren.<br />
Olivia Mae wuchs im Süden Österreichs auf und<br />
brachte bereits mit 16 ihre erste Fantasy-Reihe zu<br />
Papier. Seither hat sie nie mehr mit dem Schreiben<br />
aufgehört. 2015 begann ihr Mann das Online<br />
Sammelkarten RPG ‚Requia Online‘ zu entwickeln<br />
– Olivia erschuf die Welt, die Quests und die<br />
Figuren. Hauptberuflich ist sie als Lehrerin tätig<br />
und unterstützt die Leidenschaft ihrer Tochter beim<br />
Eiskunstlauf.<br />
Buchtipp:<br />
Olivia Mae:<br />
Requia III – Offenbarung<br />
Denise Greil Verlag, 630 S.,<br />
€ 19,90<br />
Buchpräsentation:<br />
Requia III – Offenbarung<br />
Mit Olivia Mae<br />
Moderation:<br />
Klaudia Grünfelder<br />
Do., 14. <strong>No</strong>vember 2019,<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Freie Platzwahl<br />
Eintritt: € 9,– / € 7,–<br />
(Ö1- oder Wagner-Card)
© Annette Pohnert / Carl Hanser Verlag<br />
Buchtipp:<br />
Raoul Schrott:<br />
Eine Geschichte des Windes<br />
Hanser Verlag, 324 S.,<br />
€ 26,80<br />
Occasione<br />
ist auch die<br />
Göttin der<br />
Poesie.<br />
Raoul Schrott<br />
44<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Ganz der Zeit verschrieben, in der der<br />
neue Roman „Eine Geschichte des Windes“<br />
spielt, nämlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts,<br />
legt Raoul Schrott es auch sprachlich<br />
an. Und schreibt einen mitreisenden<br />
Abenteuerroman der auch historisch fundiert<br />
ist. Denn er hat entdeckt, dass Hannes aus<br />
Aachen nicht nur mit Magelan unterwegs<br />
war, sondern auch auf zwei anderen Soldlisten<br />
zu finden ist.<br />
Wann und wie hast du von Hannes<br />
aus Aachen erfahren?<br />
Vor drei Jahren, als mir ein Filmemacher<br />
den Vorschlag machte, zum 500-jährigen<br />
Jubiläum von Magellans Abreise – mit dem<br />
unsere Globalisierung eigentlich beginnt –<br />
eine Art Roadmovie zu drehen, Magellans<br />
Route nach, die Orte und Beschreibungen<br />
von damals mit heute vergleichend … um<br />
bereits bei der ersten Recherche darauf zu<br />
stoßen, dass daran auch ein Österreicher<br />
und zwei Deutsche beteiligt waren.<br />
Raoul<br />
Schrott<br />
Mit gekonnt<br />
barockem Duktus<br />
nimmt uns Raoul<br />
Schrott mit ins<br />
16. Jahrhundert<br />
und auf abenteuerliche<br />
Schiffsreisen.<br />
Ein Gespräch<br />
mit Robert Renk.<br />
45<br />
Hannes aus Aachen hat also<br />
tatsächlich gelebt?<br />
Ja, ihn hat es gegeben – obwohl man von<br />
ihm einzig und allein noch weiß, was die<br />
Verzeichnisse der Buchhalter und Abschlussberichte<br />
der Expeditionen über ihn<br />
hergeben: nämlich den Vornamen seiner<br />
Mutter – Sofia –, die spanische Schreibung<br />
des Namen seines Vaters – Juan<br />
Panhulo – und dass er auf den ersten drei<br />
Weltumsegelungen anheuerte. Was ihn<br />
zum allerersten Menschen machte, der die<br />
Welt zweimal umrundete. Um dann – trotz<br />
dieser Himmelsfahrtskommandos – zur<br />
dritten aufzubrechen. Was brachte ihn<br />
wohl dazu? Die Frage habe ich versucht<br />
zu beantworten. Wobei die jeweiligen<br />
Expeditionsberichte die Chronik der Ereignisse<br />
vorgeben, an denen er beteiligt<br />
war – und deren Verlauf ich folge –, aber<br />
nichts über ihn als Individuum oder gar als<br />
Mensch sagen. Weshalb ich ihn dem Vergessen<br />
entreißen wollte. Denn diejenigen,<br />
welche alle diese Missionen erst ermöglicht<br />
und durchgeführt haben, das waren die<br />
armen Hunde im Schiffsbauch, die nicht<br />
einmal genug zu essen oder warme Kleidung<br />
hatten, weniger die Kapitäne in ihren<br />
Kajüten und die ebenso intriganten wie<br />
unfähigen Offiziere.<br />
Im Buch lernen wir aber auch zwei<br />
andere Figuren kennen, Hans aus<br />
Mebritz und den Georg. Was wissen<br />
wir über die?<br />
Nur, dass sie Kanoniere waren. Und dass<br />
der Hans – wie der Hannes aus Aachen –<br />
ebenfalls zu der Handvoll Weltumrunder<br />
gehörte, die von den 250 Mann Megallans<br />
nach drei Jahren zurückkamen: wobei er<br />
jedoch – anders als der Hannes – von den<br />
Portugiesen auf der anderen Hälfte der<br />
Welt gefangen genommen wurde und dann<br />
im Kerker von Lisssabon starb. Und dass<br />
‚Georg de Estric‘ wohl aus Österreich gestammt<br />
haben muss. Was das erste Rätsel<br />
war, das es zumindest erzählerisch zu lösen<br />
galt: nämlich, was bringt Kanoniere aus<br />
Österreich und Deutschland auf spanische<br />
Schiffe? Eine Antwort darauf ist die Kunst<br />
des Büchsenmachens – und Kaiser Maximilian<br />
in Innsbruck, der das neueste Rüstzeug<br />
wohl seinem Enkel Karl schenken wollte,<br />
der nun ja spanischer Kaiser geworden<br />
war und Magellans Expedition entsandte.<br />
Auffallend am neuen Roman ist<br />
vor allem die gekonnt konsequente<br />
Sprachanpassung an die damalige<br />
Zeit. Gab es dafür literarische<br />
Vorbilder? Hat es Spaß gemacht,<br />
diesen Sprachduktus zu zelebrieren?<br />
Die Sprache war sofort da – zum einen<br />
konnte ich mir den Hannes aus Aachen, der<br />
blauäugig loszieht, um die Welt zu erfahren,<br />
zwischen unabdingbarem Gehorsam, freier<br />
Abenteuerlust und nie zu überwindender<br />
Armut (er hatte ja nie seine Heuer ausbezahlt<br />
bekommen) nur als Schelm vorstellen.<br />
Und Schelmenromane, die habe ich,<br />
als ich so alt wie der Hannes war, verschlungen:<br />
den Lazarillo, den Guzman von<br />
Alfarache, Gil Blas oder den Simplicius.<br />
Das Ende des Romans überrascht.<br />
Irgendwie denkt man sich, trotz aller<br />
Entbehrungen und Enttäuschungen,<br />
die Hannes hatte mitmachen müssen:<br />
Wenn ich damals gelebt hätte, wäre<br />
dieses Leben nicht das Schlechteste<br />
gewesen. Ging es dir auch so?<br />
Ohne vorher auf das Ende des Romans<br />
gestoßen zu sein, hätte ich ihn wohl nie<br />
geschrieben. Das Buch darauf hinauslaufen<br />
zu lassen – alle drei Weltumsegelungen samt<br />
allen Erfahrungen des Hannes, die ganze<br />
Geschichte des Windes – gab letztlich den<br />
Bogen vor. Wobei alles an den Fakten wahr<br />
ist – so auch das Ende: Das verrate ich dem<br />
Leser gerne. Und ja, hätte man so leben<br />
müssen, dann unter der Ägide von Hannes’<br />
Göttin der Gelegenheit, die auf dem Wind<br />
geschritten kommt, die Haare lang übers<br />
Gesicht, damit man sie nicht sieht, wenn<br />
sie kommt – und die nicht daran zurückhalten<br />
kann, wenn sie vorbei ist. Denn<br />
diese Occasione: Sie ist auch die Göttin<br />
der Poesie – und des eigenen Lebens. Für<br />
mich jedenfalls ist sie das immer schon<br />
gewesen.<br />
Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche<br />
Auszeichnungen, u. a. den Peter-Huchel- und den<br />
Joseph-Breitbach-Preis. Bei Hanser erschienen zuletzt<br />
u. a. der Gedichtband „Die Kunst an nichts<br />
zu glauben“ (2015) sowie „Erste Erde Epos“ (2016),<br />
„Politiken & Ideen“ (Essays, 2018). Raoul Schrott<br />
arbeitet außerdem mit Unterstützung der Bundeskulturstiftung<br />
am Projekt „Atlas der Sternenhimmel“,<br />
das im Herbst 2022 veröffentlicht wird.<br />
Buchpräsentation:<br />
Eine Geschichte des Windes<br />
Mit Raoul Schrott<br />
Moderation: Martin Sailer<br />
Di., 26. <strong>No</strong>vember 2019, 20 Uhr<br />
ORF – Studio 3<br />
Rennweg 14, 6020 Innsbruck<br />
Eintritt frei mit Voranmeldung<br />
im ORF
© Frank Suffert<br />
Mich fasziniert<br />
der Gedanke,<br />
dass unsere<br />
Stärken auch<br />
unsere Schwächen<br />
sein können.<br />
Buchtipp:<br />
Jan-Philipp Sendker:<br />
Gedächtnis des Herzens<br />
Blessing Verlag, 336 S.,<br />
€ 22,70<br />
Jan-Philipp Sendker<br />
46 Wagner’sche.<br />
„Alle Geschichten handeln von der Liebe“,<br />
ist eine der vielen Lebensweisheiten von<br />
U Ba, dem Onkel des kleinen Bo Bo, der die<br />
Fähigkeit hat, die Gefühle der Menschen in<br />
ihren Augen zu lesen. In „Das Gedächtnis<br />
des Herzens“, das zum überwiegenden Teil<br />
in Burma spielt, überwindet die Liebe auch<br />
(kulturelle) Grenzen.<br />
Jan-Philipp Sendker, „Das<br />
Gedächtnis des Herzens“ ist Ihr<br />
bereits dritter Roman, der in Burma<br />
spielt. Was fasziniert Sie so sehr an<br />
diesem Land?<br />
Das verstehen Sie natürlich am besten,<br />
wenn Sie meine drei Romane lesen … Ich<br />
bin 1995 zum ersten Mal dort gewesen, aus<br />
Gründen, die ich erst viel später verstanden<br />
habe, und war sofort überwältigt. Es war<br />
in sehr Vielem ganz anders als jedes Land,<br />
das ich zuvor bereist hatte. Burma war jahrzehntelang<br />
vom Rest der Welt weitgehend<br />
isoliert gewesen, und das spürte man<br />
noch sehr deutlich. Es gab praktisch keine<br />
Fernseher und Telefone, überhaupt keine<br />
Der deutsche<br />
Bestsellerautor<br />
ist im <strong>No</strong>vember<br />
zu Gast in der<br />
Wagner’schen.<br />
Vorab führte<br />
Verena Zankl mit<br />
ihm ein Gespräch<br />
über sein neues<br />
Buch „Das<br />
Gedächtnis des<br />
Herzens“.<br />
Computer und Handys, kaum Autos und<br />
Strom auch nicht immer. Die Menschen<br />
waren unglaublich freundlich, ohne Arg,<br />
hilfsbereit. Sie strahlten eine Ruhe, Gelassenheit,<br />
Bescheidenheit und auch Wärme<br />
aus, wie ich es zuvor nur selten erlebt hatte.<br />
Burma stand seit 1962 unter<br />
einer Militärherrschaft, die 2011<br />
einen zivilen Präsidenten als<br />
Staatsoberhaupt eingesetzt hat.<br />
Ihre Figuren bleiben davon nicht<br />
unberührt. Wie wichtig war es Ihnen,<br />
auch Politisches zu thematisieren?<br />
Sehr wichtig. Ich kann nicht drei Romane,<br />
tausend Seiten über ein Land schreiben,<br />
einen Zeitraum von 80 Jahren vergehen<br />
lassen, und dabei die gesellschaftlichen<br />
und politischen Veränderungen ignorieren.<br />
Dann würde ich ja Märchen verfassen.<br />
Sie spielen also eine Rolle, wenn auch eher<br />
im Hintergrund. Das Wichtigste in den<br />
Büchern sind aber die Figuren und ihre,<br />
nicht einfachen, Beziehungen zueinander.<br />
Jan-Philipp<br />
Sendker<br />
Wie in Ihren anderen Büchern<br />
kommen im Roman Figuren mit<br />
körperlichen Makeln vor, die diese<br />
aber nicht als solche empfinden und<br />
stattdessen besondere Fähigkeiten<br />
entwickeln. Auch Bo Bo hat eine<br />
Gabe. Was hat es damit auf sich?<br />
Mich fasziniert der Gedanke, dass unsere<br />
Stärken auch unsere Schwächen sein<br />
können – und umgekehrt. Ein Psychiater<br />
hat mir einmal von sogenannten „Inselbegabungen“<br />
erzählt. Menschen, die eine<br />
besonders ausgeprägte Fähigkeit besitzen.<br />
Und so ist es mit Bo Bo. Er kann die Gefühle<br />
von Menschen in deren Augen lesen.<br />
Bis zu einem gewissen Grad können wir<br />
das ja alle, manche besser, andere schlechter.<br />
Wenn uns ein tieftrauriger Mensch<br />
gegenübersteht, sehen wir das in seinen<br />
Augen. Bo Bo ist in dieser Hinsicht hochbegabt.<br />
Ihn kann man nicht belügen.<br />
Der Roman wird aus der Sicht<br />
eines Kindes erzählt – warum haben<br />
Sie diese Erzählperspektive gewählt?<br />
Welche Möglichkeiten hat Ihnen<br />
diese Wahl eröffnet?<br />
In den ersten beiden Romanen sind ja die<br />
Mutter Julia und Onkel U Ba die Erzähler.<br />
Für „Das Gedächtnis des Herzens“ wollte<br />
ich eine andere Perspektive, und ich liebe<br />
Bücher, die aus der Sicht eines Kindes oder<br />
Jugendlichen geschrieben wurden, wenn sie<br />
gut, also authentisch sind. Bo Bo ist zwölf<br />
Jahre alt, ein dankbares Alter, in dem die<br />
Kinder voller Neugierde auf die Welt sind.<br />
Auf der einen Seite ist er noch sehr kindlich<br />
in seiner Sicht auf die Dinge, andererseits<br />
besitzt er auch schon eine große Lebensklugheit.<br />
Darüber zu schreiben, hat mich<br />
sehr gereizt.<br />
Bo Bos Onkel U Ba ist Restaurator<br />
von Büchern, der Touristenführer<br />
Ko Aye Min versorgt die beiden vor<br />
allem mit europäischer Literatur, die<br />
sie untereinander tauschen. Welche<br />
Rolle spielt die Literatur im Leben<br />
der Figuren?<br />
Eine sehr, sehr wichtige, genauso wie in<br />
meinem. Ich habe immer gern und viel<br />
gelesen, Bücher waren wie selbstverständlich<br />
und immer da. In Burma habe ich aber<br />
gelernt, was für Schätze sie sein können.<br />
Wenn ein Land sich von der Welt abwendet,<br />
wie es Burma für drei Jahrzehnte getan hat,<br />
dann können Bücher wie Lebensadern sein<br />
oder wie Fenster oder Brücken zur Außenwelt.<br />
Erst in Burma habe ich verstanden,<br />
wie existenziell wichtig die Literatur in<br />
einem Leben sein kann.<br />
Bo Bo hat Angst, nach den Dingen zu<br />
fragen, weil er die Antworten scheut.<br />
Und so wartet er, bis die Geschichten<br />
von selbst zu ihm kommen. Wie ist<br />
das bei Ihnen und Ihren Romanen?<br />
Wo finden Sie Ihre Geschichten?<br />
In mir – und natürlich bei den vielen Recherchen<br />
in Burma. Oder sollte ich sagen:<br />
Die Geschichten finden mich?<br />
Jan-Philipp Sendker, geboren 1960 in Hamburg,<br />
1990–1995 Amerika- und 1995–1999 Asienkorrespondent<br />
des Stern. Seine Romantrilogien<br />
über China („Das Flüstern der Schatten“ 2007,<br />
„Drachenspiele“ 2009, „Am anderen Ende der<br />
Nacht“ 2016) und über Burma („Das Herzenhören“<br />
2002, „Herzenstimmen“ 2012, „Das Gedächtnis des<br />
Herzens“ 2019) wurden in 35 Sprachen übersetzt.<br />
Er lebt mit seiner Familie in Potsdam.<br />
Buchpräsentation:<br />
Gedächtnis des Herzens<br />
Mit Jan-Philipp Sendker<br />
Do., 28. <strong>No</strong>vember 2019,<br />
19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: 9,– / 7,–<br />
(Ö1- oder Wagner-Card)
© www.fotowerk.at<br />
Meine Figuren<br />
verfolgen mich bis<br />
in den Schlaf.<br />
Buchtipp:<br />
Bernhard Aichner:<br />
Der Fund<br />
btb Verlag, 352 S.,<br />
€ 20,60<br />
Buchpräsentation:<br />
Der Fund<br />
Mit Bernhard Aichner<br />
Di., 3. Dezember 2019, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: 9,– / 7,–<br />
(Ö1- oder Wagner-Card)<br />
Bernhard Aichner<br />
48 Wagner’sche.<br />
Dass die zwei sich treffen, ist an sich nichts<br />
Außergewöhnliches, denn sie sind gute<br />
Freunde, beide hochgewachsen, Brüder im<br />
Geiste, beide Schriftsteller, beide glücklich<br />
verheiratet, beide haben zwei Töchter im<br />
fast gleichen Alter, einen älteren Sohn, einen<br />
Hund, und sie tauschen sich ständig aus,<br />
telefonieren, whatsappen, mailen … Für das<br />
Wagner’sche Magazin haben wir die zwei<br />
allerdings zu etwas Neuem eingeladen:<br />
Hier interviewt Thomas Bernhard.<br />
Wie schön, mit dir beisammen zu<br />
sitzen, Großer! Du, wir sollten<br />
plaudern, aber nicht wie sonst,<br />
sondern es muss auch gedruckt<br />
werden können. Ist dir das recht?<br />
Klingt spannend.<br />
Na, dann sag doch gleich:<br />
War dir deine Heldin, eine<br />
Supermarktverkäuferin, in „Der<br />
Fund“ wirklich so unsympathisch?<br />
Hast du sie deshalb gleich zu Beginn<br />
ermordet? Und trotzdem schaffst du<br />
Bernhard<br />
Aichner<br />
Thomas Raab<br />
erhielt den 1. Österreichischen<br />
Krimipreis.<br />
Verliehen<br />
während des<br />
Tiroler Krimi Fests.<br />
Das wiederum<br />
hat Bernhard<br />
Aichner gegründet,<br />
der im Herbst seinen<br />
neuen Thriller<br />
veröffentlicht.<br />
es, bis zur letzten Seite die Spannung<br />
zu halten – wie gelingt dir das?<br />
Rita Dalek findet in einem Bananenkarton<br />
12 kg Kokain. Sie nimmt ihren Fund mit<br />
nach Hause und unterschreibt damit ihr<br />
Todesurteil. Trotzdem brennt diese Frau,<br />
die Hoffnung auf ein besseres Leben treibt<br />
sie an. Man bangt mit ihr, drückt ihr die<br />
Daumen und wird immer wieder von ihr<br />
überrascht. Sogar ich während des Schreibens.<br />
Eine Wahnsinnsfrauenfigur. Ich bin<br />
verliebt.<br />
In eine Tote! Na gratuliere!<br />
Dann sag mir doch gleich: Welche<br />
Beziehung pflegst du denn mit<br />
deiner Supermarktverkäuferin Rita?<br />
Träumst du von ihr?<br />
Stimmt schon, ja. Meine Figuren verfolgen<br />
mich bis in den Schlaf. Da geht es manchmal<br />
richtig wild zu. Wie wild, das willst du<br />
nicht wissen …<br />
Eine Supernacktverkäuferin also!<br />
Darüber reden wir bitte nach dem<br />
Interview. Und dein Ghostwriter?<br />
Wie heißt der? Das leuchtet mir<br />
nämlich überhaupt nicht ein, wie<br />
jemand so eifrig schreiben kann, und<br />
dann ist kein Schmarrn dabei. Liest<br />
du die Manuskripte deiner Frau<br />
überhaupt noch oder tippext du gleich<br />
deinen Namen drüber und schickst sie<br />
als Liebesromane oder Broll-Krimis<br />
weiter, während du Theaterstücke,<br />
Drehbücher schreibst?<br />
Das Schreiben ist nach der Liebe das<br />
Schönste für mich. Ich kann gar nicht anders,<br />
wenn ich stillstehe, werde ich unglücklich.<br />
Da geht es mir wohl ähnlich wie dir.<br />
Und ich darf mich dabei auch mit meinen<br />
Ängsten und dunklen Seiten beschäftigen.<br />
Das macht mich am Ende im wirklichen<br />
Leben zum flauschigen Weichei.<br />
Und deshalb trägst du bei deinen<br />
Lesungen immer diese Kuschelpullis?<br />
Stimmt’s? Wieviel hast du davon?<br />
Welche Marke? Ich will die auch!<br />
Kaschmir. Ich hab da mittlerweile wirklich<br />
ein gutes Händchen dafür. Lass uns mal<br />
ordentlich shoppen gehen, Schatz.<br />
Und wie viel „Lass mich Dein<br />
Kaschmir spüren“-Liebesbriefe hast<br />
du nach Lesungen schon bekommen,<br />
die du deiner Frau nicht zeigst?<br />
Das hält sich erstaunlicherweise in Grenzen.<br />
Was mich natürlich wundert, wenn<br />
ich von dir immer höre, wieviel Anträge<br />
du wöchentlich bekommst.<br />
Nicht An-, sondern Aufträge, mein<br />
Lieber, Arbeitsaufträge von genau<br />
3 Frauen: Meiner großen und meinen<br />
zwei kleinen (8 & 12). Wie ist das<br />
bei dir? Guter Hausmann? Was sind<br />
deine fixen Jobs daheim, und was<br />
kannst du gar nicht?<br />
Kinder liebhaben. Frau sowieso. Geschirrspüler<br />
ein und aus. Kochen: Abteilung<br />
Hausmannskost. Löcher in die Wand bohren.<br />
Buchhaltung. UND: Ich liebe Bügeln.<br />
(Das war gelogen.)<br />
Und wie ist das mit Essen? Stopfst<br />
du in Stressphasen viel in dich hinein?<br />
Bananen?<br />
Italienische Salami, Oliven, Parmesan,<br />
eingelegte Artischocken, eingelegte Tomaten,<br />
Grissini – am Schreibtisch schaut<br />
es aus wie in einer italienischen Trattoria.<br />
ODER Gummibärchen, 70 %-Schoko und<br />
Kokoskekse, weil du weißt ja: Ich bin ein<br />
Süßer. Such dir eine Antwort aus. Das mit<br />
dem Süßen ist vielleicht besser …<br />
Ich nehm beides (lacht). Und was<br />
machst du dann zum Ausgleich?<br />
Und jetzt sag nicht, mit dem Hund<br />
spazieren gehn, die Antwort zählt erst<br />
in 15 Jahren!<br />
Hund. Sex. Sauna. Täglich. Das mit der<br />
Sauna, meine ich.<br />
Jeden Tag Sauna! Ok, da wird<br />
dann jeder Mann ein Weichei.<br />
Und wenn dir Menschen ständig<br />
sagen, du seist sowieso der Größte,<br />
und es wäre unglaublich, was du noch<br />
nebenbei mit dem Krimifest für die<br />
Branche leistest, zündest du dann vor<br />
deinem Berni-Altar ein Lichtlein an<br />
und huldigst deiner, oder gibt es den<br />
gar nicht? Kurz: Wie ist das mit dem<br />
Stolz?<br />
Altar gibt es keinen. Aber stolz bin ich<br />
schon. Mit 14 hab ich mir in einem kleinen<br />
Osttiroler Dorf ausgemalt, dass ich<br />
irgendwann mal ein erfolgreicher Autor<br />
sein werde. Niemand außer meiner Frau<br />
und meinen Verlegern hat daran geglaubt.<br />
Und dann: Bin ich Mitte 40 und lese in der<br />
Times, dass ich großartige Bücher schreibe.<br />
Das ist schon absolut verrückt. Und<br />
wunderschön. Meinen Leserinnen und<br />
Lesern sei Dank!!!<br />
Was für ein treffender, wunderbarer<br />
Schlusssatz, Berni. Danke auch Dir. Und<br />
jetzt lass uns richtig plaudern. Hast du<br />
schon gehört, der …
Von Stille, Bienen und Psychopathen<br />
<strong>No</strong>rwegen ist diesjähriges Gastland bei der<br />
Frankfurter Buchmesse. Von Robert Renk<br />
Nils Petter Molvar trötet – gedämpft und<br />
elegant reduziert – aus meiner Stereoanlage<br />
und ich beschäftige mich in dieser langen<br />
Nacht kurz mit der Literatur <strong>No</strong>rwegens.<br />
Und die ist vielfältig, trotz der Tatsache, dass<br />
<strong>No</strong>rwegisch nur von knapp über 5 Millionen<br />
Menschen gesprochen wird. Das hängt auch<br />
vom besonderen Förderungsprogramm für<br />
Literatur und Buchwesen ab, das sich das<br />
fünftreichste Land der Erde leistet. Es wird<br />
zum Beispiel keine Mehrwertsteuer auf Bücher<br />
erhoben. Zudem wird jede literarische<br />
Publikation vom Staat angekauft und zwar<br />
gleich 1000 Mal! Das ist – selbst im deutschsprachigen<br />
Raum – bald mal eine ganze<br />
erste Auflage, da können Verlage gleich ganz<br />
anders kalkulieren. Auch Übersetzungen<br />
werden gut gefördert, was dazu geführt hat,<br />
dass sich Literatur aus <strong>No</strong>rwegen in den<br />
letzten 10 Jahren stärker entwickeln<br />
konnte, als solche aus anderen vergleichsweise<br />
„kleinen“ Sprachen.<br />
Der literarische Shootingstar, der den<br />
Erfolg dieses Systems bestätigt, heißt<br />
wohl Maja Lunde. Mit ihren anschaulichen<br />
Romanen über die Auswirkungen<br />
des Bienensterbens oder das Versiegen<br />
der Ressource Wasser hat sie bei uns ein<br />
Millionenpublikum erreicht. Schon beim<br />
Schreiben ihres ersten Romans plante<br />
Lunde vier Bücher zum Thema Umwelt,<br />
eine Art Klima-Quartett. Nun erscheint bei<br />
btb mit „Die letzten ihrer Art“ der dritten<br />
Band. Darin schreibt Lunde – in bewährter<br />
Art – über drei Familien, drei Jahrhunderte<br />
und über Mensch und Tier und das Tier<br />
im Menschen. Vom St. Petersburg der<br />
© mikita karasiou/unsplash<br />
Zarenzeit über das Deutschland des Zweiten<br />
Weltkriegs bis in ein <strong>No</strong>rwegen der<br />
nahen Zukunft erzählt Maja Lunde über<br />
den alles entscheidenden Kampf gegen das<br />
Aussterben der Arten, u. a. vom Schicksal<br />
einer seltenen Pferderasse. Ein bewegender<br />
Roman über Freiheit und Verantwortung,<br />
die große Gemeinschaft der Lebewesen<br />
und die alles entscheidende Frage: Reicht<br />
ein Menschenleben, um die Welt für alle zu<br />
verändern?<br />
Verändert hat sich das Leben von Karl<br />
Ove Knausgård auf jeden Fall, als er anfing,<br />
das seine öffentlich auszubreiten. Mit<br />
dem Werk „Min Kamp“ – das Luchterhand<br />
geflissentlich nicht wortwörtlich übersetzt<br />
hat – erschrieb er sich eine weltweite<br />
Fangemeinde. Natürlich erschrieb er sich<br />
– durch seine radikale Ehrlichkeit – auch so<br />
manchen Feind, selbst Familienmitglieder<br />
versuchten zu klagen. Unter anderem<br />
damit setzt sich Knausgård im letzten und<br />
sechsten Band „Kämpfen“ auseinander.<br />
Aber auch mit Adolf Hitlers Kindheit oder<br />
mit Thomas Bernhard, den Knausgård<br />
bewundert. 2010 gründete er übrigens mit<br />
den ersten Einnahmen aus seinem Min<br />
Kamp-Zyklus den kleinen Pelikan-Verlag,<br />
in dem er unter anderem Bücher von Christian<br />
Kracht, Angelika Klüssendorf und<br />
Peter Handke auf <strong>No</strong>rwegisch ediert.<br />
Wer ist der verkaufsstärkste<br />
Autor?<br />
Der gegenwärtig verkaufsstärkste norwegische<br />
Schriftsteller heißt aber nicht<br />
Knausgård. Auch nicht Anne B. Ragde, die<br />
in ihrer Heimat zu den beliebtesten AutorInnen<br />
gehört und sich hierzulande vor<br />
allem durch ihre „Lügenhausserie“ einen<br />
Namen machte. Es ist auch nicht Jo Nesbø,<br />
obwohl Nesbø sicher zu den weltweit<br />
bekanntesten norwegischen Autoren gehört<br />
und der erfolgreichste Krimiexport seiner<br />
Heimat ist. Er schreibt harte Kriminalromane<br />
und vergnügliche Kinderbücher<br />
und seine Gesamtauflage beträgt sagenhafte<br />
20 Millionen Bücher, die in fast 50 Sprachen<br />
übersetzt wurden. Mit dem kettenrauchenden<br />
Alkoholiker Harry Hole hat er<br />
eine Krimifigur geschaffen, die es sich als<br />
Dauergast auf allen Bestenlisten schön eingerichtet<br />
hat und auch verfilmt wurde (2017<br />
mit Michael Fassbender in der Hauptrolle).<br />
In „Messer“ meint es Nesbø nicht gut mit<br />
seinem Schützling. Frau weg, Job weg, da<br />
hilft nur noch Alkohol. Aber als Harry<br />
Hole nach durchzechter Nacht aufwacht,<br />
fehlt ihm jegliche Erinnerung, was blöd ist,<br />
da seine Kleidung blutdurchtränkt ist. Da<br />
kommt ihm Svein Finne, der nach 20 Jahren<br />
aus dem Gefängnis entlassen wird, gerade<br />
recht. Der Serienvergewaltiger legt gleich<br />
wieder los und Harry heftet sich an seine<br />
Fersen bis zum großen Showdown. Nesbø<br />
at his best.<br />
Von Kargheit und<br />
Entbehrung…<br />
Einer der Fleißigsten, Roy Jacobsen – der<br />
immerhin an die 25 Bücher veröffentlicht<br />
hat –, ist es ebenso nicht. Sein nun auf<br />
Deutsch erschienener Roman „Die Unsichtbaren“<br />
ist in <strong>No</strong>rwegen schon ein Klassiker.<br />
Endlich kann man die von Kargheit und<br />
Entbehrung geprägte Lebensgeschichte der<br />
Ingrid Marie Barrøy lesen, die auf einer<br />
Insel in <strong>No</strong>rwegen heute vor 100 Jahren<br />
ihren Ausgang nimmt und bis in die unmittelbare<br />
Nachkriegszeit hinein erzählt<br />
wird. „Die Unsichtbaren“ feiert packend<br />
und ergreifend eine starke Frau, an deren<br />
Strand der 2. Weltkrieg einen russischen<br />
Kriegsgefangenen spült, in den sie sich<br />
verliebt.<br />
Ähnlich karg geht es im neuen Buch von<br />
Jon Fosse zu. Vor dem Hintergrund der<br />
norwegischen Landschaft, dem Meer, den<br />
Fjorden, erzählt Fosse in diesen ersten beiden<br />
Teilen seines siebenteiligen Opus mag-<br />
num auf geradezu betörende Weise von den<br />
existentiellen Fragen des Lebens. Von Liebe<br />
und Einsamkeit, Leben und Tod, von Licht<br />
und Schatten, Glaube und Hoffnungslosigkeit<br />
– und vom Wesen der Kunst. Alles<br />
ist immer da, nichts ist vergangen, also<br />
fließen Vergangenheit und Gegenwart in<br />
eins. Dabei spielt Fosse mit dem romantischen<br />
Motiv des Doppelgängers, wenn er<br />
den Maler Asle beschreibt, der seit dem<br />
Tod seiner Frau in einem kleinen Ort an<br />
der Südwestküste <strong>No</strong>rwegens lebt. Er will<br />
nicht mehr malen, was er sieht, sondern will<br />
hinter das Gegenständliche schauen. Zur<br />
Stadt hat er nur noch Kontakt über seinen<br />
Galeristen Beyer. Dort lebt auch noch ein<br />
anderer Asle, ebenfalls Maler. Der aber<br />
ist vereinsamt und dem Alkohol verfallen.<br />
Zwei Versionen eines Lebens. Dass beide<br />
einander in der Weihnachtszeit treffen, ist<br />
ein Glanzpunkt des Romans.<br />
Jon Fosse wurde 1959 in der Küstenstadt<br />
Haugesund geboren und ist Dramatiker<br />
und Romancier. Für sein Prosawerk „Trilogie“<br />
bekam er 2015 den Literaturpreis des<br />
<strong>No</strong>rdischen Rates verliehen, den renommiertesten<br />
Literaturpreis Skandinaviens.<br />
International bekannt wurde er durch seine<br />
mehr als dreißig Theaterstücke. Seit 2011<br />
genießt er lebenslanges Wohnrecht in der<br />
„Grotte“, einer Ehrenwohnung des norwegischen<br />
Königs am Osloer Schlosspark.<br />
Mitunter lebt er aber auch in Hainburg an<br />
der Donau!<br />
Dort lässt es sich gut wandern, wenn<br />
auch die Landschaft üppiger ist. Das<br />
Karge, das Verlangsamen, das Entdecken<br />
durch Geschwindigkeitsreduktion in<br />
unserem Leben, das ist – meines Erachtens<br />
– die Stärke norwegischer Literatur. Gut<br />
nachlesbar auch in den Büchern von Tomas<br />
Espedal – der sich auch theoretisch sehr fein<br />
mit Kunst auseinandersetzt – oder Erling<br />
Kagge. Letzterer ist an sich recht abenteuerlustig,<br />
war er doch der erste Mensch, der<br />
die drei magischen Punkte Mount Everest,<br />
<strong>No</strong>rd- und Südpol erreicht hat. Auf den<br />
Expeditionen hatte er wohl genügend Zeit,<br />
sich mit den Begriffen der Stille und des<br />
Gehens auseinanderzusetzen. Beiden hat<br />
er großartige philosophische und dennoch<br />
gegen den Strich gebürstete Romanessays<br />
gewidmet.<br />
Etwas aus der „norwegischen“ Art<br />
schlägt der epische Roman „Max, Mischa<br />
und die Tet-Offensive“ von Johan Harstad.<br />
Dieser über 1000-seitige Roman, der als gelungene<br />
„Great American <strong>No</strong>vel“ angelegt<br />
ist, führt über <strong>No</strong>rwegen in die USA und<br />
in den Dschungel Vietnams. Die Tet-Offensive,<br />
also jene mehrmonatige des Vietcong<br />
gegen Südvietnamesen und Amerikaner<br />
im Jahr 1968, die mit deren Gegenaktionen<br />
den Vietnam-Krieg unfassbar grausam und<br />
verheerend werden ließ, hat im Roman eine<br />
vielfältige Funktion. Die wird aber nicht<br />
verraten. Nach vielen, vielen Seiten reduziert<br />
sich alles auf die scheinbar einfache,<br />
dennoch zuweilen schwer zu stellende Frage<br />
zwischen Max und Mischa: „Kann ich zu<br />
dir rüberkommen“?<br />
Auch mein persönlicher Liebling Dag<br />
Solstad ist nicht typisch norwegisch. Zwar<br />
ebenfalls seelenruhig, dennoch verschroben<br />
und witzig. Seine Bücher, wie „Elfter<br />
Roman, achtzehntes Buch“ oder „T. Singer“<br />
erscheinen im wohlfeinen Schweizer<br />
Dörlemann Verlag.<br />
Aber wer ist nun der norwegische<br />
Literaturkönig? Wer hat im Land, in dem<br />
durchschnittlich 218 Bücher pro Haushalt<br />
stehen und das laut PISA-Studie – nach<br />
Litauen – am meisten liest, literarisch die<br />
Nase vorn? Wer hat es geschafft, im Land,<br />
das seinen Reichtum dem Erdöl zu verdanken<br />
hat (Platz 13) und das trotzdem,<br />
oder vielleicht deshalb die meisten Elektroautos<br />
pro Einwohner vorweisen kann (jede<br />
fünfte Neuzulassung!)?<br />
Es ist einer, der vor vielen Jahren ein<br />
Buch über philosophische Fragen für<br />
Jugendliche schreiben wollte. Das hat nun<br />
längst Eingang in den literarischen Kanon<br />
gefunden, weltweit über 60 Millionen Mal<br />
verkauft und erfolgreich verfilmt. Jeder<br />
kennt „Sophies Welt“ von Jostein Gaarder.<br />
Und natürlich gibt es auch von ihm zum<br />
Schwerpunkt der Frankfurter Messe einen<br />
feinen, kleinen neuen Roman „Genau<br />
richtig – Die kurze Geschichte einer<br />
langen Nacht“.<br />
Buchtipps:<br />
Dag Solstad:<br />
T.Singer<br />
Dörlemann Verlag, 286 S.,<br />
€ 22,60<br />
Anne B. Ragde:<br />
Das Lügenhaus<br />
btb Verlag, 336 S.,<br />
€ 10,30<br />
Maja Lunde:<br />
Die letzten ihrer Art<br />
btb Verlag, 640 S.,<br />
€ 22,70<br />
Jostein Gaarder:<br />
Genau Richtig<br />
Hanser Verlag, 125 S.,<br />
€ 16,50<br />
Erling Kagge:<br />
Stille<br />
Insel Verlag, 144 S.,<br />
€ 14,40<br />
Jon Fosse:<br />
Der andere Name<br />
Rowohlt Verlag, 480 S.,<br />
€ 30,90<br />
Jo Nesbo:<br />
M messer<br />
Ullstein Verlag, 575 S.,<br />
€ 24,70<br />
Tomas Espedal:<br />
Gehen<br />
Matthes & Seitz Verlag, 235 S.,<br />
€ 20,50
Innsbruck, wie es früher war.<br />
Innsbruck-Kalender 2020<br />
Gewinnen Sie ein IVB Jahresticket im Wert von € 360,-<br />
Die Bilder unseres heurigen Kalenders<br />
stammen wieder aus dem Besitz einer<br />
namentlich leider nicht bekannten Innsbrucker<br />
Bürgersfamilie, die in einer Villa<br />
im Saggen gelebt hat. Als das Gebäude vor<br />
wenigen Jahren ausgeräumt wurde, sind<br />
diese und noch eine weitere große Zahl an<br />
Aufnahmen auf den Markt gekommen.<br />
Über mehrere Hände wurden die Innsbruck<br />
betreffenden Glasplatten dem Stadtarchiv /<br />
Stadtmuseum Innsbruck angeboten.<br />
Auch hier dauerte es noch einige Zeit, bis<br />
die Platten digitalisiert werden konnten.<br />
Mit dem neuen Kalender der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung hat nun jeder die<br />
Möglichkeit, diese Bilder Innsbrucks der<br />
Jahre 1910 bis 1920 zu bewundern.<br />
Lukas Morscher hat 27 ganz besondere<br />
Aufnahmen ausgewählt. Begleitet werden<br />
sie mit humorvollen, spannenden und interessanten<br />
Texten. 14-tägiges Kalendarium<br />
– exklusiv erhältlich in der Wagner’schen<br />
Buchhandlung.<br />
© Stadtarchiv Innsbruck<br />
Gewinnspiel:<br />
Innsbruck,<br />
wie es früher war<br />
Mit Texten von Lukas Morscher<br />
Ein Bild für Innsbruck-<br />
Kenner: Wo ist das?<br />
Ein Ort, an dem garantiert schon jeder<br />
Einwohner der Stadt viele Male war.<br />
Und – erkannt? Mitraten und gewinnen!<br />
Hier können Sie Ihr Innsbruck-Wissen<br />
unter Beweis stellen. Welches Gebäude ist<br />
auf dem oben abgebildeten Foto zu sehen?<br />
Gewinnen Sie folgende Preise:<br />
1. Preis: Ein IVB-Jahres-Ticket im<br />
Wert von € 360,-<br />
52 53<br />
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Kalender<br />
2020<br />
2. Preis: Ein Büchergutschein der<br />
Wagner’schen Buchhandlung im Wert<br />
von € 100,-<br />
3. Preis: Ein Büchergutschein der<br />
Wagner’schen Buchhandlung im<br />
Wert von € 50,-<br />
Bitte senden Sie Ihre Antwort an<br />
office @ wagnersche.at —<br />
oder geben diese direkt in der<br />
Wagner’schen Buchhandlung ab.
© Privat<br />
Ein Buch zum Verlieben<br />
Die Touristikerin und Managerin Maria Sofia Kittler und<br />
die Künstlerin Bettina Egger haben sich gemeinsam aufgemacht<br />
und die Vision eines Innsbrucker Wimmelbuches<br />
in die Realität umgesetzt. Im Gespräch mit Markus Renk.<br />
das Innsbruck-Wimmelbuch<br />
Bettina Egger - Maria Kittler<br />
Umweltschutz<br />
ist das aktuellste<br />
Thema.<br />
Bettina Egger - Maria Kittler<br />
Innsbruck-Wimmelbuch<br />
DAS<br />
Buchtipp:<br />
Bettina Egger/Maria Kittler:<br />
Das Innsbruck-Wimmelbuch<br />
Verlag der Wagner’schen<br />
Universitätsbuchhandlung,<br />
16 S., € 16,95<br />
Maria Sofia Kittler<br />
Bücher seit 1639<br />
Wie kommt man eigentlich auf die<br />
Idee, ein Innsbrucker Wimmelbuch<br />
zu entwickeln?<br />
Kittler: Als Touristikerin bin ich täglich<br />
mit der Hürde der Kommunikation in<br />
Fremdsprachen konfrontiert, und es gibt<br />
eigentlich nur zwei Möglichkeiten international<br />
zu kommunizieren: mit Musik und<br />
mit Bildern. Daher fand ich erst einmal die<br />
Idee eines illustrierten Buches ohne Worte<br />
fantastisch.<br />
Weiters bin ich auch noch Mutter von<br />
drei Kindern. Die schönste Zeit mit meinen<br />
Kindern ist das „Zur-Ruhe-Kommen“<br />
am Abend vor dem Schlafengehen. Das<br />
Erklären von Denkmälern, Baustrukturen,<br />
verschiedenen Situationen, Objekten,<br />
Tieren u. v. m. wurde durch die vielen<br />
Wimmelbücher, die wir zu Hause haben,<br />
wesentlich erleichtert und bildlich für die<br />
Kinder verständlich gemacht. Die Wimmelbücher<br />
gehörten immer irgendwie zu meiner<br />
Familie dazu.<br />
Wie kam es zur Zusammenarbeit<br />
zwischen Ihnen beiden?<br />
Egger: Frau Kittler hat mich nach langen<br />
Jahren wieder kontaktiert, was mich sehr<br />
freute. Ich hatte sie als sehr unternehmungslustige<br />
Frau in Erinnerung. Bei unserem<br />
ersten Treffen brauchte sie nicht lange, um<br />
mich von der Idee eines Wimmelbuches<br />
über Innsbruck zu überzeugen. Frau Kittler<br />
schenkte mir viel Vertrauen und Freiheit<br />
bezüglich der Konzeption der Seiten und<br />
ihrer graphischen Ausführung – und das<br />
ist für eine Künstlerin besonders wichtig.<br />
Die Auswahl der verschiedenen, repräsentativen<br />
Plätze für das Buch legten wir<br />
gemeinsam fest.<br />
55<br />
Welche Ausbildung haben Sie<br />
gemacht und was machen Sie, wenn<br />
Sie nicht gerade am Innsbrucker<br />
Wimmelbuch arbeiten?<br />
Egger: Ich habe in Frankreich bildende<br />
Künste studiert und das Comic-Zeichnen<br />
gelernt. Gut zehn Jahre habe ich in Frankreich<br />
gelebt und dort auch (bisher) neun<br />
Comics in französischer Sprache veröffentlicht.<br />
Ich arbeite mit verschiedenen<br />
Verlagen zusammen und war auch beizeiten<br />
selbst als Verlegerin tätig, namhaft für ein<br />
Comic-Projekt rund um Frank Zappa.<br />
Vor vier Jahren bin ich dann für mein<br />
Doktoratsstudium an der Universität Salzburg<br />
wieder nach Österreich zurückgekehrt.<br />
Seit Abschluss meines Studiums lehre ich<br />
Comics an der Universität und bin natürlich<br />
weiterhin auch als Künstlerin tätig.<br />
Der Stil im „Innsbruck-Wimmelbuch“ ist<br />
aufgrund meiner Vorgeschichte stark vom<br />
Comic beeinflusst. Ich denke, dass das zwei<br />
recht artverwandte Medien sind.<br />
Das Innsbrucker Wimmelbuch<br />
ist das erste Cradle-to-Cradle-<br />
Kinderbuch eines Tiroler Verlages,<br />
das bedeutet, sämtliche Inhaltsstoffe<br />
der Druckprodukte wurden so<br />
optimiert, dass sie für Natur und<br />
Mensch völlig unbedenklich sind.<br />
Das gilt für das Papier genauso wie<br />
für die Druckfarben. Ein Cradleto-Cradle-Buch<br />
kann problemlos<br />
in den biologischen Kreislauf<br />
rückgeführt werden. Wie gefällt<br />
Ihnen an dieser Idee?<br />
Kittler: Der Umweltschutz ist das aktuellste<br />
Thema im Jahr 2019 und darf auf keinen<br />
Fall ignoriert werden. Die Möglichkeit,<br />
das Wimmelbuch in einer so umweltfreundlichen<br />
und nachhaltigen Produktion<br />
veröffentlichen zu dürfen, ist eine besondere<br />
Ehre, für die wir uns ganz herzlich bei der<br />
Wagner’schen bedanken möchten.<br />
Zwei Figuren ziehen sich durch das<br />
Buch und sind auf allen Zeichnungen<br />
zu finden – welche sind das?<br />
Kittler: Das Trachtenpärchen wird im Buch<br />
in verschiedenen Outfits (je nach Jahreszeit)<br />
präsentiert. Das schafft auch für die<br />
LeserInnen ein Suchspiel im Buch.<br />
Egger: Ein weiteres Element, das sich durch<br />
das Buch hindurchzieht, ist ein Hund mit<br />
Trachtenhut. Seine Besitzerin verliert ihn<br />
im ersten Doppelbild und findet ihn auf<br />
der letzten Seite wieder; dazwischen streunt<br />
er durch unterschiedliche Orte und sogar<br />
durch die Zeit – denn auch bei Kaiser Maximilian<br />
taucht er auf.<br />
Welches ist Ihr Lieblingsbild<br />
und welches Bild war für Sie am<br />
schwersten zu malen? Alle Bilder<br />
bestechen ja durch eine ungemein<br />
realistische Darstellung!<br />
Egger: Mein Lieblingsbild ist das mit Kaiser<br />
Maximilian – das war eine besondere<br />
Herausforderung und es waren recht viele<br />
Recherchen bezüglich Maximilian, damaliger<br />
Kleidung, Turnierwesen und verschiedenen<br />
historischen Persönlichkeiten<br />
notwendig. Meine Erfahrung als ehemalige<br />
Touristenführerin in Schloss Ambras half<br />
mir hier sehr viel. Es war mir sehr wichtig,<br />
dass das Bild bei allen darin enthaltenen<br />
Informationen lebendig wirkt und mit<br />
Witz ein wichtiges Stück von Innsbrucker<br />
Geschichte näherbringt. Rein technisch<br />
gesehen war dies aber nicht die schwierigste<br />
Seite. Besonders schwierig zu zeichnen war<br />
die Maria-Theresien-Straße, da sich die<br />
lange Perspektive von der Annasäule bis<br />
zum Goldenen Dachl nur schwer mit einer<br />
klassischen Darstellung à la Wimmelbuch<br />
vereinbaren lässt. Hier musste ich die Wirklichkeit<br />
etwas mehr zurechtbiegen, damit<br />
der Gesamteindruck gewahrt bleibt. Für<br />
alle Illustrationen habe ich Skizzen an Ort<br />
und Stelle gemacht und auch viel mit Fotodokumentation<br />
gearbeitet. Ich habe mich<br />
beispielsweise in den Hofgarten gesetzt und<br />
dort den SchachspielerInnen zugesehen<br />
und Skizzen von ihren Gesten und ihrem<br />
Ausdruck gemacht. Da das Buch in einem<br />
Jahreszyklus entstanden ist, konnte ich<br />
auch mit meinen Bildern den Jahreszeiten<br />
folgen. So entstand der Christkindlmarkt<br />
tatsächlich in der Adventszeit. Aus den verschiedenen<br />
Elementen, die ich an einem Ort<br />
beobachten konnte, komponiere ich dann<br />
ein Gesamtbild. Das ist natürlich nicht so<br />
realistisch wie ein Foto. Aber darum geht<br />
es auch nicht, denke ich. Für mich ist es<br />
wichtiger, einen Eindruck zu erwecken von<br />
einem gewissen Flair, von dem Innsbrucker<br />
Lebensgefühl und der Vielfalt der Stadt.<br />
Kittler: Mein Lieblingsbild ist ganz klar der<br />
Kaiser Max – Bild Nr. 7 – aufgrund seiner<br />
detail- und wahrheitsgetreuen Darstellungsweise.<br />
Maximilian I. wird hier als der letzte<br />
Ritter und der erste Kanonier gezeigt in<br />
einem fiktiven Turnier zwischen Burgund<br />
und Mailand.
Jung,<br />
aber<br />
oho!<br />
Bücher<br />
für<br />
Kinder<br />
und<br />
Jugend:<br />
Es ist schon ganz cool, wenn<br />
der beste Freund zum Bruder<br />
wird. Nia und Lukas kennen<br />
sich schon seit dem Kindergarten<br />
und nun haben sich<br />
Nias Papa und Lukas’ Mama<br />
ineinander verliebt. Aber nach<br />
der anfänglichen Begeisterung<br />
merken die Freunde sehr<br />
schnell, dass diese Geschwistersache<br />
gar nicht so einfach ist.<br />
„Als uns Einstein vom Himmel<br />
fiel“ erzählt eine wunderschöne<br />
Familien- und Freundschaftsgeschichte<br />
und dies auf eine<br />
mitreißende, warmherzige, originelle<br />
und urkomische Weise.<br />
Lena Walder<br />
Anna Pfeifer:<br />
Als uns Einstein vom Himmel fiel<br />
Hummelburg Verlag, 160 S., € 11,30<br />
Ab 9 Jahre<br />
Eine moderne „Westside –<br />
Story“! Herzzerreißend und<br />
vielschichtig. Izzy und Tristan<br />
– eine unglaublich schöne<br />
Liebesgeschichte. Die 16jährige<br />
Izzy muss mit ihren Eltern nach<br />
Brooklyn ziehen und davon<br />
ist sie nicht sehr begeistert.<br />
Umgeben von Machtkämpfen,<br />
Gangs und Gruppenzwang trifft<br />
Izzy auf die Liebe ihres Lebens.<br />
Doch als Marcus, der Anführer,<br />
Izzy als seine neue Freundin<br />
auserwählt, nimmt die Tragödie<br />
ihren Lauf. Perfekt für Fans von<br />
„Eleonor & Park“ und<br />
„The Hate U Give“. Lena Walder<br />
Shannon Dunlap:<br />
We will Fall<br />
Fischer Sauerländer Verlag, 368 S.,<br />
€ 17,50<br />
Ab 10 Jahre<br />
Eine Kluge, humorvolle und<br />
düstere Sammlung, höchst<br />
unterhaltsam erzählt. Der wohl<br />
bekannteste Erzähler Österreichs<br />
hat aus allen Bundesländern<br />
zeitlose und wunderbare<br />
Märchen und Sagen zusammengetragen.<br />
Mit schönen<br />
schwarz/weiß Illustrationen von<br />
Monika Maslowska werden die<br />
Geschichten eingeleitet. Eine<br />
Sammlung von märchenhaften<br />
Erzählungen, die Michael<br />
Köhlmeier sehr lebendig, voller<br />
Witz und Spannung wiedergibt.<br />
Eine Bereicherung für das<br />
Bücherregal, zum Selbstlesen<br />
und Vorlesen. Lena Walder<br />
Michael Köhlmeier:<br />
Das Sonntagskind<br />
Obelisk Verlag, 160 S., € 18,00<br />
Ab 10 Jahre<br />
Das preisgekrönte Broadway-Musical<br />
ist nun in deutscher<br />
Romanfassung erhältlich.<br />
Amüsant und einfühlsam<br />
skizziert Val Emmich das<br />
Leben von Mark Evan Hansen.<br />
Meh – seine Initialen sind im<br />
Englischen ein Ausdruck der<br />
Gleichgültigkeit. Demgemäß<br />
fristet der Siebzehnjährige ein<br />
Dasein der Unscheinbarkeit,<br />
bis zum unerwarteten Selbstmord<br />
eines Mitschülers. Dann<br />
verleihen ihm Wohlwollen und<br />
Lügen Flügel, die jederzeit<br />
gestutzt werden könnten. Mitreißend,<br />
zum Schmunzeln und<br />
zum Nachdenken! Jenni Zeller<br />
Val Emmich:<br />
Dear Evan Hansen<br />
cbj Verlag, 405 S., € 18,50<br />
Ab 14 Jahre<br />
Dieses Romandebüt bietet eine<br />
ganz besondere Leseerfahrung.<br />
Lena (14) trifft auf Georg (17)<br />
und beide könnten nicht unterschiedlicher<br />
sein. Lena ist ein<br />
beliebtes Mädchen aus einem<br />
idyllischen Dorf und Georg<br />
ist interessiert an Ornithologie<br />
und kommuniziert mit<br />
den Vögeln. Was sie verbindet,<br />
sind die Erwachsenen. Ein<br />
ganz besonderes Jugendbuch,<br />
welches Schmerz, Tod, Verlust<br />
und Trauer thematisiert. Diesen<br />
schweren Stoff verarbeitet<br />
Wirlinger aber mit sehr viel<br />
Behutsamkeit. Ein Juwel unter<br />
den Jugendbüchern! Lena Walder<br />
Hannes Wirlinger:<br />
Der Vogelschorsch<br />
Jacoby & Stuart Verlag, 304 S.,<br />
€ 18,50<br />
Ab 14 Jahre<br />
Ein unvergesslicher und aufwühlender<br />
Auftakt einer neuen<br />
Fantasy-Reihe, die perfekt für<br />
Leser von Leigh Bardugo ist.<br />
Stur, eine junge Magierin, ist<br />
Teil der Krähen-Kaste und<br />
diese leistet einen wichtigen,<br />
aber geschmähten Beitrag, denn<br />
sie kümmert sich um die Toten<br />
und Sterbenden. Eine halsbrecherische<br />
Geschichte von<br />
Katastrophen, Verrat, Akzeptanz,<br />
mehr Katastrophen und<br />
noch mehr Verrat. Unbedingt<br />
lesen! Lena Walder<br />
Margaret Owen:<br />
Die Knochendiebin<br />
Carlsen Verlag, 416 S., € 20,60<br />
Ab 14 Jahre<br />
56<br />
Wagner’sche.<br />
Greg glaubt es kaum, er – der<br />
langweilige Schüler – soll von<br />
einem alten Zwergenvolk abstammen,<br />
welches in einem<br />
Höhlensystem unterhalb von<br />
Chicago haust. Doch als sein<br />
Vater von einem Troll entführt<br />
wird und ein Krieg zwischen<br />
den Zwergen und den verfeindeten<br />
Elfen auszubrechen<br />
droht, muss Greg in die Gänge<br />
kommen. Und dann stellt sich<br />
auch noch heraus, dass sein<br />
bester Freund nicht der ist, für<br />
den er ihn gehalten hat! Der<br />
erste Band einer zum Brüllen<br />
komischen Trilogie. Perfekt<br />
für Leser von Rick Rhiordan!<br />
Lena Walder<br />
Chris Rylander:<br />
Die Legende von Greg<br />
Carlsen Verlag, 400 S., € 17,50<br />
Ab 12 Jahre<br />
Faye findet in Island einen<br />
verzauberten Baum, dem man<br />
nachsagt, er beherberge das<br />
Tor zur Elfenwelt. Doch der<br />
Baum stirbt langsam und Faye<br />
beschließt, ihn zu retten. Dieses<br />
Unterfangen ist jedoch schwieriger<br />
als erwartet. Ein tolles<br />
Jugendbuch vor der traumhaftschönen<br />
Kulisse Islands und mit<br />
vielen liebevoll ausgearbeiteten<br />
Charakteren. „Faye“ verzaubert<br />
junge Leser mit isländischem<br />
Charme und nordischer Mythologie!<br />
Ein Muss für alle Romantasy-Liebhaber!<br />
Lena Walder<br />
Katharina Herzog:<br />
Faye – Herz aus Licht und Lava<br />
Loewe Verlag, 400 S., € 19,50<br />
Ab 14 Jahre<br />
Albert hat keinen Plan, wo es<br />
mit ihm hingehen soll. Seine<br />
Eltern sagen, er solle studieren,<br />
seine Freundin findet<br />
muskulöse Maurer gut und<br />
laut dem BFI würde er einen<br />
guten Zupfinstrumenttechniker<br />
abgeben. Nichts davon interessiert<br />
ihn. Nach einer Wette<br />
um eine Rudermaschine und<br />
einem plötzlichen Todesfall in<br />
der Familie muss Albert sich<br />
mit der Wahl beeilen. Aber<br />
ob eine Lehrstelle als Schäfer<br />
das Richtige ist? Ein schräger<br />
und witziger Coming-of-Age-<br />
Roman. Maria Neumayr<br />
Tobias Steinfeld:<br />
Kein Plan<br />
Thienemann Verlag, 288 S., € 13,40<br />
Ab 13 Jahre<br />
Das erste Bilderbuch von Paul<br />
McCartney! In diesem herrlich<br />
illustrierten Buch reisen Opapa<br />
und seine vier Enkelkinder –<br />
„die Krawaffels“ – mit einem<br />
magischen Kompass und einem<br />
Stapel Postkarten durch die<br />
ganze Welt. Von Cowboys in<br />
einer Wüstenschlucht bis hin<br />
zum Gipfel eines Berges. Dabei<br />
erleben die Krawaffels aufregende<br />
und lustige Abenteuer.<br />
Ein Highlight für die ganze<br />
Familie und für Beatle-Fans!<br />
Illustriert von Kathryn Durst<br />
und übersetzt von Judith Holofernes.<br />
Lena Walder<br />
Paul McCartney:<br />
Opapi-Opapa<br />
annette betz Verlag, 40 S., € 15,40<br />
Ab 4 Jahre<br />
Findus hat Lust darauf, sich<br />
mit jemandem zu messen.<br />
Und wer außer Pettersson<br />
käme dazu in Frage? Ob<br />
springen, klettern oder Hühner<br />
erschrecken, Findus ist in allem<br />
der Beste. Aber kann es sein,<br />
dass es vielleicht doch etwas<br />
gibt, in dem Pettersson der<br />
Beste ist …? Das neueste<br />
Abenteuer von Pettersson<br />
und Findus zeigt, dass jeder<br />
andere Stärken und Schwächen<br />
hat – wie immer lustig und<br />
liebevoll illustriert! Maria Neumayr<br />
Sven <strong>No</strong>rdqvist:<br />
Schau mal, was ich kann, Pettersson!<br />
Oetinger Verlag, 28 S., € 13,40<br />
Ab 3 Jahre<br />
Das neue Buch des beliebten<br />
Kinder- und Jugendbuchautors<br />
Barry Jonsberg! Ich bin mittlerweile<br />
zu einem richtigen Fan<br />
geworden! Unser Protagonist,<br />
Rob Fitzgerald, ist verliebt.<br />
Doch Panikattacken und seine<br />
grenzenlose Schüchternheit<br />
machen ihm das Leben schwer.<br />
Da helfen auch die vielen<br />
Ratschläge seines Großvaters<br />
und von seinem besten Freund<br />
nicht. Doch neben der Herausforderung,<br />
das Herz seiner<br />
Angebeteten zu erobern, findet<br />
Rob etwas viel wichtigeres – sich<br />
selbst. Berührend, lustig und unglaublich<br />
inspirierend! Lena Walder<br />
Barry Jonsberg:<br />
Was so in mir steckt –<br />
Träume groß, habe Mut.<br />
cbj Verlag, 348 S., € 18,50<br />
Ab 14 Jahre
Alle* britischen<br />
SchriftstellerInnen<br />
sind gegen den Brexit<br />
7, die sich persönlich für den<br />
Brexit entschuldigt haben.<br />
Irland<br />
trotzdem<br />
grenzenlos<br />
7, die uns in jedem Fall<br />
erhalten bleiben.<br />
Schottland<br />
wehrt sich<br />
noch immer<br />
7, die wir für ihren<br />
Widerstand bewundern.<br />
3×7<br />
Best<br />
aber<br />
Seller:<br />
* mit Ausnahme<br />
von John Cleese.<br />
1<br />
2<br />
The<br />
3<br />
World<br />
4<br />
The<br />
5<br />
Harry<br />
6<br />
Blue<br />
Fatherland<br />
Robert Harris<br />
Random House UK Verlag, € 12,90<br />
Horse Dancer<br />
Jojo Moyes<br />
Hodder & Stoughton Verlag, € 11,50<br />
Without End<br />
Ken Follett<br />
Macmillan Verlag, € 11,50<br />
Buried Giant<br />
Kazuo Ishiguro<br />
Faber & Faber Verlag, € 10,30<br />
Potter and<br />
the Cursed Child<br />
Joanne K. Rowlin<br />
Little, Brown Book Group Verlag, € 12,90<br />
Moon – Jack Reacher 24<br />
Lee Child<br />
Random House UK Verlag, € 18,50<br />
1<br />
2<br />
Das<br />
3<br />
Wie<br />
4<br />
Gentleman<br />
5<br />
Punk<br />
6<br />
<strong>No</strong>ra<br />
Unendlichkeiten<br />
John Banville<br />
Kiepenheuer&Witsch Verlag, € 20,60<br />
dritte Licht<br />
Claire Keegan<br />
Unionsverlag, € 10,30<br />
spät ist es jetzt dort,<br />
wo du bist?<br />
Colum McCann<br />
Rowohlt Verlag, € 12,40<br />
auf Zeit<br />
Sebastian Barry<br />
Steidl Verlag, € 24,70<br />
is Dad<br />
Roddy Doyle<br />
Haffmans & Tolkemitt Verlag, € 21,95<br />
Webster<br />
Colm Tóibín<br />
dtv Verlag, € 13,30<br />
1<br />
2<br />
Süßer<br />
3<br />
Kill<br />
4<br />
Schwarzes<br />
5<br />
Ein<br />
6<br />
Trainspotting<br />
Über Liebe und Magie –<br />
I Put a Spell on You<br />
John Burnside<br />
Penguin Verlag, € 20,60<br />
Ernst<br />
A. L. Kennedy<br />
Hanser Verlag, € 28,80<br />
em all<br />
John Niven<br />
Heyne Hardcore Verlag, € 20,60<br />
Netz<br />
Val McDermid<br />
Droemer Knaur Verlag, € 10,30<br />
Haus voller Lügen<br />
Ian Rankin<br />
Goldmann Verlag, € 10,30<br />
Irving Welsh<br />
Heyne Verlag, € 10,30<br />
58<br />
Wagner’sche.<br />
7<br />
Juliet,<br />
Naked<br />
Nick Hornby<br />
Penguin UK Verlag, € 12,90<br />
7<br />
Ireland<br />
Is Changing Mother<br />
Rita Ann Higgins<br />
Bloodaxe Books Verlag, € 16,80<br />
7<br />
Independence<br />
Alasdair Gray<br />
Canongate Books Verlag, € 14,40
Mit<br />
den<br />
besten<br />
Empfehlungen:<br />
Angefangen hat alles mit einem<br />
Artikel über Google, doch der<br />
war längst wieder vergessen.<br />
Geblieben ist der Hashtag<br />
#killtherich, der weiter durch<br />
die sozialen Medien geistert.<br />
Weltweit. Die Auswirkungen<br />
bekamen jedoch alle zu spüren,<br />
Bolsonaro in Brasilien, Trump<br />
in den USA ebenso die EU<br />
und Indien. Lucas Fassnacht<br />
hat einen politischen Thriller<br />
geschrieben, der die aktuellen<br />
Zeitgeschehnisse gekonnt<br />
fiktionalisiert. Ein spannendes<br />
Debüt. Lena Kripahle-Wiek<br />
Lucas Fassnacht:<br />
#KillTheRich<br />
Blanvalet Verlag, 688 S., € 20,70<br />
Was ist komplizierter: die<br />
deutsche Sprache oder die<br />
Außerferner? Mit Humor entdeckt<br />
Ksenia Konrad bei beiden<br />
Interessantes. Konrad, die aus<br />
der Metropole Moskau in die<br />
Tiroler Provinz übersiedelte,<br />
arbeitet heute als Deutschtrainerin<br />
für MigrantInnen und<br />
hilft anderen dabei, Sprache als<br />
Schlüssel für die Tür zur neuen<br />
Heimat zu sehen. Ein Schlüssel,<br />
der gern mal stecken bleibt.<br />
Plusquamperfekt oder Minusquamperfekt?<br />
Und was heißt<br />
bitte gschnablig oder dempfig?<br />
Konrad aber hat den Dreh raus.<br />
Robert Renk<br />
Ksenia Konrad:<br />
Alles außer fern<br />
Haymon Verlag, 204 S., € 17,90<br />
Ein interessantes Potpourri an<br />
„Bergmenschen“ hat Michael<br />
Ruhland, Chefredakteur von<br />
Bergsteiger, in diesem Band versammelt.<br />
Dass man hier auf die<br />
alten Haudegen Reinhold Messner,<br />
Hans Kammerlander oder<br />
Gerlinde Kaltenbrunner trifft,<br />
war klar. Aber auch die Hörbuchstimme<br />
der Nation, Rufus<br />
Beck, ist wohl ein Bergmensch.<br />
33 Bergmenschen hat Ruhland<br />
getroffen und sehr persönliche<br />
Gespräche über ihre Bergsucht<br />
geführt. Unterhaltsame Interviews,<br />
bereichert durch außergewöhnliche<br />
Porträtfotos von<br />
Christoph Jorda. Robert Renk<br />
Michael Ruhland (Text)/<br />
Christoph Jorda (Fotos)<br />
BERGmenschen<br />
Frederking & Thaler Verlag,<br />
224 S., € 36,–<br />
Michel kehrt zurück in seine<br />
nordfranzösische Heimat, wo<br />
sich vor 40 Jahren eine Bergwerkskatastrophe<br />
ereignete:<br />
42 Kumpel starben hier 1974,<br />
darunter Joseph, Michels älterer<br />
Bruder. Er ist gekommen, um<br />
endlich Rache zu nehmen – an<br />
den Verantwortlichen, die nie<br />
zur Rechenschaft gezogen wurden.<br />
Dichten heißt in diesem<br />
Buch Gerichtstag halten. Chalandon<br />
tut dies mit empathischer<br />
Leidenschaft und kühler<br />
Reflexion zugleich: politisch<br />
engagiert, literarisch fesselnd.<br />
Bernhard Sandbichler<br />
Sorj Chalandon:<br />
Am Tag davor<br />
dtv Verlag, 320 S., € 23,70<br />
Der schottische Afrikaforscher<br />
David Livingstone hat eine<br />
Vision: Er will den Ursprung<br />
des Nils entdecken. Drei<br />
mehrjährige Reisen unternimmt<br />
er und stirbt schließlich<br />
1873 in Bangweulu. Seine 69<br />
Lastenträger und DienerInnen<br />
tragen seinen Leichnam quer<br />
durch Afrika bis in die 1.500<br />
Meilen entfernte Küstenstadt<br />
Bagamoyo. Diese Reise ist die<br />
abenteuerlichste, dauert 285<br />
Tage, kostet 10 Menschen das<br />
Leben und wird von Petina<br />
Gappah extrem kundig und<br />
fesselnd erzählt. Beeindruckend.<br />
Markus Köhle<br />
Petina Gappah:<br />
Aus der Dunkelheit strahlendes Licht<br />
S. Fischer Verlag, 432 S., € 24,–<br />
„Blackbird“ ist zum einen ein<br />
Roman über Sprache. Darüber,<br />
was es für einen 15jährigen in<br />
den 70ger-Jahren bedeutet, in<br />
einer Welt aufzuwachsen, in der<br />
die Erwachsenen zwar reden,<br />
aber dennoch kommunikationsunfähig<br />
sind. Die Worte passen<br />
nicht zum Geschehen. Die<br />
Scheidung der Eltern, nicht<br />
in Worte zu fassen. Wie soll<br />
Motte, der 15jährige, da erst<br />
eine Sprache finden, als sein<br />
Freund Bogi plötzlich sterbenskrank<br />
wird. Und als Jacquline<br />
Schmiedebach an ihm vorbeiradelt,<br />
fehlen ihm so und so die<br />
Worte. Sehr lesenswert!<br />
Robert Renk<br />
Matthias Brandt:<br />
Blackbird<br />
KiWi Verlag, 288 S., € 22,70<br />
60<br />
Wagner’sche.<br />
Als Paul Chaim Eisenberg<br />
Oberrabbiner war, schätzte man<br />
ihn für seinen menschlichen<br />
Humor und scharfen Witz. Jetzt<br />
ist Eisenberg Privatier und hat<br />
ein neues Buch, ja geradezu ein<br />
Handbuch vorgelegt. Allen, die<br />
mehr über das Denken eines<br />
am Talmud geschulten Rabbi<br />
wissen wollen, sei dieses Buch<br />
ans Herz gelegt. Eisenberg zeigt<br />
in zahlreichen kurzen Episoden,<br />
wie der Rabbi seinen Schutzbefohlenen<br />
zur Seite steht und<br />
dabei kommt – naturgemäß –<br />
der Humor nicht zu kurz. Auch<br />
Gottlose werden daran ihr<br />
Vergnügen finden. Michael Carli<br />
Paul Chaim Eisenberg:<br />
Das ABC vom Glück<br />
Brandstätter Verlag, 160 S., € 22,–<br />
Nach der Kränkung geht Haller<br />
einen gewaltigen Schritt weiter<br />
und befasst sich mit dem Bösen.<br />
Das tut er persönlich ja schon<br />
seit Jahren. Tagelang saß er<br />
im Gefängnis Schwerstverbrechern<br />
gegenüber: Sexualmörder<br />
und Serienkiller, Terroristen,<br />
Räuber und Kinderschänder,<br />
alte NS-Verbrecher und junge<br />
Amokläufer. Unterweger und<br />
Fuchs lassen grüßen. Dieses<br />
Buch leuchtet nicht nur die<br />
Abgründe des Bösen aus, sondern<br />
gibt neue Impulse für die<br />
gesellschaftliche Debatte über<br />
Verbrechen und Bestrafung.<br />
Robert Renk<br />
Reinhard Haller:<br />
Das Böse<br />
Ecowin Verlag, 232 S., € 24,–<br />
In seinem aktuellen Buch<br />
beschreibt Peter Wohlleben<br />
das zarte Sensorium, mit dem<br />
Bäume ihre Umwelt erfassen.<br />
Der gelernte Förster zitiert<br />
Studien zu Magnetfeldern in<br />
und um Bäumen, ihrem „Herzschlag“,<br />
und zeigt, wie Pflanzen<br />
auf Streicheln reagieren. Sein<br />
Buch „Das geheime Band“<br />
zeigt Parallelen zwischen den<br />
menschlichen Sinnen und dem<br />
Sensorium der Bäume. Fast wie<br />
ein Schamane versucht er die<br />
„Sprache der Bäume“ verstehen<br />
und zu übersetzen. Und sensibilisiert<br />
damit den Leser für sein<br />
eigenes Sensorium. Peter Schafferer<br />
Peter Wohlleben:<br />
Das Geheime Band<br />
Ludwig Verlag, 240 S., € 22,70<br />
Der Bienenhüter Nuri lebt<br />
im syrischen Aleppo. Durch<br />
einen Bombenanschlag wird<br />
sein Sohn Sami getötet, Nuris<br />
Ehefrau Afra erblindet. Das<br />
Ehepaar begibt sich auf eine<br />
gefährliche Flucht nach England.<br />
Die Trauer um ihren Sohn<br />
und die verlorene Heimat, der<br />
herzzerreißende Kampf um ihre<br />
Liebe und die schrecklichen<br />
Erlebnisse gehen tief unter die<br />
Haut. Zwischen den Zeilen<br />
rufen die Stimmen der vielen<br />
Flüchtlinge, welchen Christy<br />
Lefteri – in einem Lager für<br />
Geflüchtete – zugehört und<br />
geholfen hat. Isa Hörmann<br />
Christy Lefteri:<br />
Das Versprechen des Bienenhüters<br />
Limes Verlag, 352 S., € 20,60<br />
Dirk Stermann hat einen<br />
historischen Roman geschrieben.<br />
Schon sein letzter<br />
Roman war nicht wirklich<br />
lustig. „Der Hammer“, der über<br />
den Diplomaten und Orientalisten<br />
Freiherr Joseph von<br />
Hammer-Purgstall erzählt, ist<br />
fundiert, satt geschrieben und<br />
dennoch authentisch. Leicht<br />
ironisch angelegt, aber frei<br />
von jeder Willkommen-Österreich-Satire.<br />
Ja, er ist ein Stück<br />
Literatur der Orient-Okzident<br />
wieder verbindet. So wie es einst<br />
Joseph von Hammer-Purgstall<br />
tat, indem er 1001 Nacht übersetzte.<br />
Sehr empfehlenswert!<br />
Robert Renk<br />
Dirk Stermann:<br />
Der Hammer<br />
Rowohlt Verlag, 448 S., € 24,70<br />
Was in Beat-Büchern der<br />
Whiskey, ist in „Der Sprung“<br />
Limonade. Der traumatisierte<br />
Cop, die Superheldinnen zeichnende<br />
Teenagerin, der drahtige<br />
Fahrradbote – alle laben sich<br />
an Limonade, vermutlich weil<br />
ihnen das Leben gerade unterschiedlich<br />
saure Zitronen gibt.<br />
Thalbach ist eine Wohlstandshölle.<br />
Wenn die Schwiegermutter<br />
kein Enkelchen kriegt,<br />
gibt’s kein Sommerhaus auf<br />
Usedom. Die Generationen-<br />
Romane-geschulte LeserIn<br />
holt sich eine Limo aus dem<br />
SMEG-Kühlschrank. Markus Köhle<br />
Simone Lappert:<br />
Der Sprung<br />
Diogenes Verlag, 336 S., € 22,70
Cloud ist nicht nur größter Onlinestore<br />
in einer trostlosen Welt<br />
nach dem klimatischen Overkill,<br />
es ist ein eigenes System: in<br />
stadtähnlichen MotherClouds<br />
leben tausende Menschen, allein<br />
um Waren via Drohnen in die<br />
Welt zu verschicken. Zinnia und<br />
Paxton sind neu bei Cloud, sie<br />
im riesigen Versandlager, er als<br />
Security-Mann. Doch der Job<br />
allein war es nicht, der sie zu<br />
Cloud brachte. Rob Harts „Der<br />
Store“ ist eine furchteinflößende<br />
Dystopie, oft nur Millimeter<br />
von unserer Realität entfernt –<br />
und wehe, jemand bestellt den<br />
tollen Roman via A…<br />
Andreas Hauser<br />
Rob Hart:<br />
Der Store<br />
Heyne Verlag, 590 S., € 22,70<br />
Einen wirklich überzeugenden,<br />
einen literarischen und spannenden<br />
Roman legt Schauspieler<br />
Ulrich Tukur vor.<br />
Während den Dreharbeiten zu<br />
seinem Film „Seraphine“ stieß<br />
er auf ein altes Fotoalbum,<br />
das ihn zu diesem Roman<br />
inspirierte. Es ist vielleicht<br />
kein Zufall, dass Tukurs Frau<br />
Fotografin ist! Im Roman geht<br />
es um Paul Goullet, der in Paris<br />
auf ein seltsames Fotoalbum<br />
stößt. Er erkennt sich selbst in<br />
den Fotos, nur: die Fotos sind<br />
aus den 20ern. Lesenswert und<br />
spannend, wie sich das auflöst!<br />
Robert Renk<br />
Ulrich Tukur:<br />
Der Ursprung der Welt<br />
S. Fischer Verlag, 304 S., € 22,70<br />
100 Jahre nach der Teilung<br />
Südtirols ist die Brennergrenze<br />
nach wie vor Thema. Im neuen<br />
Roman von Lilli Gruber „Der<br />
Verrat“ erinnert sie sich an die<br />
Zeit der 50er Jahre und verbindet<br />
den Roman mit wahren<br />
Begebenheiten. Drei junge Südtiroler<br />
schließen sich den Aktivisten<br />
an. Die Lage verschärft<br />
sich, als die Bombenattentate an<br />
verschiedenen Plätzen stattfinden.<br />
Diese werden allerdings<br />
in <strong>No</strong>rdtirol gebaut und über<br />
den Brenner geschmuggelt. Ein<br />
raffinierter Roman über ein zerrissenes<br />
Land. Andrea Scheiber<br />
Lilli Gruber:<br />
Der Verrat<br />
Droemer Verlag, 430 S., € 20,60<br />
Als der Autor Tony von der jungen<br />
Sibylle Besuch bekommt,<br />
hat er noch keine Ahnung, auf<br />
was er sich da einlässt. Das<br />
junge Mädchen möchte den<br />
Mord ihrer Mutter, „die narrische<br />
Erika“, aufklären, der viele<br />
Jahre zuvor als Selbstmord abgelegt<br />
wurde. Es spielt auch eine<br />
sehr einflussreiche Familie eine<br />
Rolle, aber welche? Die Verschwiegenheit<br />
im Dorf macht<br />
es ihnen nicht leichter. Und<br />
wer war damals wirklich dabei?<br />
Sie begeben sich selbst auch<br />
bald in Gefahr. Ein gelungener,<br />
spannungsgeladener Krimi.<br />
Andrea Scheiber<br />
Luca D’Andrea:<br />
Der Wanderer<br />
Penguin Verlag, 384 S., € 15,50<br />
England ist nach einer lange<br />
zurückliegenden Katastrophe<br />
in einem erbärmlichen Zustand.<br />
Der junge Priester Fairfax<br />
wird vom Bischof in ein Dorf<br />
entsandt, um dort das Begräbnis<br />
des mysteriös verstorbenen<br />
Pfarrers zu regeln. In der<br />
Umgebung finden sich besonders<br />
häufig jene verbotenen<br />
Artefakte aus vergangener Zeit<br />
– Münzen, Scherben, Plastikspielzeug<br />
-, die der Pfarrer akribisch<br />
gesammelt hat. Hat diese<br />
ketzerische Leidenschaft zu<br />
seinem Tod geführt? Harris gibt<br />
sich dystopisch, erzählt aber<br />
klar auch vom Hier & Jetzt.<br />
Robert Renk<br />
Robert Harris:<br />
Der zweite Schlaf<br />
Heyne Verlag, 416 S., € 22,70<br />
Über 30 Jahre mussten Fans<br />
von Margaret Atwoods dystopischem<br />
Roman „Der Report<br />
der Magd“ auf eine Fortsetzung<br />
warten. Nun liegt mit „Die<br />
Zeuginnen“ ein 576-Seiten-Wälzer<br />
vor. Statt Desfred treten<br />
jedoch drei Erzählerinnen auf:<br />
Tante Lydia, die Einblicke<br />
in die Erziehung der Gebärsklavinnen<br />
gibt, Agnes Jemima,<br />
die sich gegen eine Zwangsverheiratung<br />
auflehnt, und Daisy,<br />
die von Kanada in den Terrorstaat<br />
eingeschleust wird. Was<br />
die drei verbindet, bleibt lange<br />
verborgen – ein Pageturner also,<br />
allerdings auch mit Längen.<br />
Susanne Gurschler<br />
Margaret Atwood:<br />
Die Zeuginnen<br />
Berlin Verlag, 576 S., € 25,70<br />
Wir kennen das Duo bereits aus<br />
dem Genre „Mord und Totschlag“,<br />
aber immer mit einer<br />
grandiosen Portion Humor.<br />
Jetzt haben die beiden ihren<br />
ersten Thriller geschrieben und<br />
der ist alles andere als komisch.<br />
Die Geschwister Cayenne und<br />
ihr Bruder Joschua leben beide<br />
ein Leben außerhalb der Gesellschaft<br />
und immer auf dem<br />
Sprung. Die Sehnsucht nach<br />
einem normalen Leben ist groß,<br />
doch sie ahnen nicht, dass die<br />
Gefahr schon längst von ihrem<br />
Leben Besitz ergriffen hat.<br />
Lena Kripahle-Wiek<br />
Volker Klüpfel, Michael Kobr:<br />
Draußen<br />
Ullstein Verlag, 384 S., € 20,60<br />
Erscheint am 19.11.2019<br />
Sie suchen das perfekte Buch<br />
für Liebhaber*innen klassischer<br />
Musik oder solchen, die es<br />
noch werden wollen? Hier ist<br />
es! Eine Playlist in Buchform.<br />
Die renommierte Geigerin und<br />
beliebte Moderatorin Clemency<br />
Burton-Hill hat ihre Lieblingsstücke<br />
zu einem persönlicher<br />
Musikführer in Kalenderform<br />
zusammengestellt. In Tagesportionen<br />
abgepackt teilt sie<br />
Hintergrundwissen über bekannte<br />
wie unbekannte Musikstücke,<br />
die sich spätestens nach<br />
der Lektüre in unsere Herzen<br />
einspielen. Siljarosa Schletterer<br />
Clemency Burton-Hill:<br />
Ein Jahr voller Wunder<br />
Diogenes Verlag, 464 S., € 25,70<br />
Die Biographie von Brigitte<br />
Fassbänder wird bei Opernliebhaber<br />
auf gehöriges Echo stoßen.<br />
Aber auch für Innsbrucker<br />
ist sie doch recht interessant,<br />
war sie ja von 1999 – 2012<br />
Intendantin des Tiroler Landestheaters.<br />
Dann geht es um<br />
Dirigenten und Regisseure, die<br />
sie bewundert hat: von Carlos<br />
Kleiber bis Claudio Abbado.<br />
Freimütig schreibt sie auch über<br />
schwierige Themen, etwa über<br />
die Qualen der Wechseljahre für<br />
eine Sängerin, über Männermacht<br />
und Machtmissbrauch<br />
und eigene Versäumnisse.<br />
Robert Renk<br />
Brigitte Fassbänder:<br />
Komm‘ aus dem Staunen nicht heraus<br />
C.H.Beck Verlag, 381 S., € 26,80<br />
Der Schauplatz dieses Romans<br />
voller Gewalt, falscher Entscheidungen<br />
und peinlicher<br />
Jugendsprache ist Vierweg. Eine<br />
Party läuft aus dem Ruder, als<br />
vier Jugendliche eine Leiche finden<br />
und schänden, ihr sogar ein<br />
Bein abhacken. Definitiv nichts<br />
für schwache Nerven! Lang<br />
zeichnet ein beunruhigendes<br />
Bild von Gewalt, das selbst die<br />
Protagonisten erschreckt. Der<br />
Leser wird in diesen Strudel aus<br />
Konsequenzen hineingesogen<br />
und fiebert mit den Figuren<br />
einem hoffentlich guten Ausgang<br />
der Geschichte entgegen.<br />
Klaudia Grünfelder<br />
Thomas Lang:<br />
Freinacht<br />
Berlin Verlag, 335 S., € 22,70<br />
Das literarische Sensationsdebüt<br />
aus Irland und mein<br />
absolutes Jahreshighlight!<br />
Inzwischen habe ich alle Bücher<br />
von Sally Rooney gelesen.<br />
Die junge Autorin versteht es,<br />
die unscheinbarsten Alltagsmomente<br />
perfekt festzuhalten<br />
und ihre Besonderheiten aufzuzeigen.<br />
Ihre Geschichte lebt<br />
von den Dialogen, die genial<br />
konstruiert, authentisch und<br />
fesselnd sind. „Gespräche mit<br />
Freunden“ erzählt von zwei<br />
jungen Studentinnen, ihren<br />
Beziehungen, Ängsten und was<br />
es bedeutet, heute jung und<br />
weiblich zu sein. Ganz große<br />
Leseempfehlung! Lena Walder<br />
Sally Rooney:<br />
Gespräche mit Freunden<br />
Luchterhand Verlag, 384 S., € 20,60<br />
Bücher über Ghandi gibt es<br />
wahrscheinlich hunderte, jetzt<br />
ist die Autobiographie des indischen<br />
Politikers in neuer Übersetzung<br />
erschienen. Spannende<br />
Lektüre ist garantiert, zwar ist<br />
uns die Vita in groben Zügen<br />
bekannt, hier erhalten wir aber<br />
Einblicke in Ghandis Leben<br />
aus erster Hand. Ghandi legt<br />
Rechenschaft über sein Leben<br />
ab, gleichzeitig verfasst er mit<br />
dieser Autobiographie ein politisches<br />
Manifest, das bis heute<br />
wirksam ist. Gerade in „interessanten“<br />
Zeiten ein wichtiges<br />
Buch. Michael Carli<br />
Mahatma Gandhi:<br />
Mein Leben<br />
C.H.Beck Verlag, 511 S., € 26,80<br />
Cyril Dion kennt man eventuell<br />
von seinem Dokumentarfilm<br />
„Tomorrow – Die Welt ist voller<br />
Lösungen“ (2015). Nun legt er<br />
ein Handbuch für ein umweltverträgliches<br />
und erfüllendes<br />
Leben vor. Darin enthalten sind<br />
u. a. viele Vorschläge für kleine<br />
Taten die man im Kollektiv<br />
oder als Einzelner umsetzen<br />
kann, um dem Klimawandel<br />
und Artensterben entgegenzuwirken.<br />
Auch was auf politischer<br />
Ebene passieren sollte<br />
zeigt der Schriftsteller, Regisseur<br />
und Aktivist auf.<br />
Robert Renk<br />
Cyril Dion:<br />
Kurze Anleitung zur Rettung der Erde<br />
Reclam Verlag, 160 S., € 18,50<br />
Isabel Bogdan ist mit<br />
„Der Pfau“ ein Longseller in<br />
unserer Buchhandlung. Bester<br />
britischen Humor in einen<br />
deutschen Roman transferiert<br />
– wunderbar! Nun gibt es<br />
mit „Laufen“ einen weiteren<br />
Roman. Nicht dass er frei von<br />
Humor wäre, ist er aber doch<br />
auf einer tragischen Grundsituation<br />
aufgebaut. Eine Frau<br />
beginnt zu laufen. Alle körperlichen<br />
Funktionen werden exakt<br />
beschrieben. Doch eigentlich<br />
geht es um die emotionalen<br />
Funktionen, denn die Läuferin<br />
hat einen schweren Verlust<br />
zu verarbeiten. Laufend berührend!<br />
Robert Renk<br />
Isabel Bogdan:<br />
Laufen<br />
KiWi Verlag, 208 S., € 20,60<br />
Es gibt echte hardcore springsteen<br />
fans. für genau diese zielgruppe<br />
gibt es jetzt ein weiteres<br />
buch aus dem weiten feld der<br />
bruceologen. eine sammlung<br />
ausgewählter springsteen texte,<br />
mehr schlecht als recht ins deutsche<br />
übersetzt. dazu ein vorwort<br />
von ennio morricone. das kann<br />
man machen. man kann das<br />
buch auch kaufen. als echter<br />
hardcore fan muss man das<br />
vielleicht sogar. für alle anderen<br />
empfieht es sich, die lieblingsplatte<br />
auszupacken. das lohnt<br />
sich immer. Michael Carli<br />
Bruce Springsteen:<br />
Born to Run<br />
Heyne Verlag, 672 S., € 28,80<br />
Mit „Melmoth“ hat Perry ein<br />
weiteres einnehmendes Buch<br />
geschrieben. Die dunkel-düstere<br />
Atmosphäre liegt wie ein<br />
Schatten über dem Roman, der<br />
alle Voraussetzungen für eine<br />
Horrorgeschichte mitbringt,<br />
jedoch die Grausamkeit der<br />
Menschen in den Vordergrund<br />
stellt. Zusammen mit der zentralen<br />
Figur Melmoth reisen wir<br />
durch verschiedene Epochen,<br />
beobachten und werden Zeugen,<br />
ohne in die Geschehnisse<br />
eingreifen zu können. Dieser<br />
Roman klingt noch lange nach.<br />
Klaudia Grünfelder<br />
Sarah Perry:<br />
Melmoth<br />
Eichborn Verlag, 332 S., € 24,70
Eine Online-Plattform soll Orna<br />
helfen, wieder ins Leben und<br />
einen Mann zu finden; für Emilia<br />
könnten die Gespräche mit<br />
Pater Tadeusz der Anker sein,<br />
um sich mit sich und in Israel<br />
zurechtzufinden; die dreifache<br />
Mutter Ella wiederum braucht<br />
das Café, um Ruhe fürs Schreiben<br />
zu finden; schließlich findet<br />
eine Polizistin eine Akte auf<br />
ihrem Schreibtisch. Und dann<br />
ist da noch Gil! Mit „Drei“<br />
schenkt uns Dror Mishani<br />
den wohl unspektakulärsten<br />
Nervenkitzel des Herbstes,<br />
kunstvoll komponiert, wundervoll<br />
geschrieben. Mehr sei hier<br />
nicht verraten. Andreas Hauser<br />
Dror Mishani:<br />
Drei<br />
Diogenes Verlag, 330 S., € 24,70<br />
Caracas brennt und mittendrin<br />
kämpft Adelaida für sich selbst,<br />
denn sie hat nichts und niemanden<br />
mehr. Die <strong>No</strong>t zwingt<br />
sie zu grausamen Dingen und<br />
so schmiedet sie einen Plan,<br />
wie sie dem Elend in Caracas<br />
entkommt. Dabei geht sie wortwörtlich<br />
über Leichen. Präzise<br />
und auf wenigen Seiten komprimiert<br />
breitet Karina Sainz<br />
Borgo eine Geschichte über<br />
Venezuela im Ausnahmezustand<br />
aus. Fesselnd und grausam<br />
zugleich. Evelyn Unterfrauner<br />
Karina Sainz Borgo:<br />
Nacht in Caracas<br />
S. Fischer Verlag, 224 S., € 21,60<br />
Die Vergangenheit gibt nicht<br />
alles preis, doch was es über sie<br />
zu entdecken gibt, bringt Martin<br />
Pollack ans Tageslicht. Wie<br />
die Geschichte seiner Großtante<br />
Pauline, der Deutsch-Slowenin<br />
Pavla Drolc, die, ihr Leben lang<br />
unbescholten und im Gegensatz<br />
zu ihren Brüdern nicht<br />
der Nazi-Ideologie verfallen,<br />
1945 in slowenischer Gefangenschaft<br />
im Schloss Hrastovec bei<br />
Maribor stirbt. Ein Meisterwerk<br />
dokumentarischer Prosa,<br />
ein großes Stück Erinnerungsliteratur,<br />
das exemplarisch<br />
ein einzelnes Schicksal in den<br />
Geschichtswirren an einem<br />
Grenzort schildert.Anna Rottensteiner<br />
Martin Pollack:<br />
Die Frau ohne Grab<br />
Zsolnay Verlag, 184 S., € 22,70<br />
Dass Krieg ein kalkuliertes<br />
mörderisches Geschäft ist, muss<br />
der Deutsch-Amerikaner John<br />
Glueck an zwei Fronten erfahren:<br />
gegen Deutschland 1944<br />
und zwanzig Jahre später gegen<br />
Vietnam. Die Amis sind nicht<br />
nur goodguys, die Gegner nicht<br />
nur badguys. Alles dazwischen<br />
lässt Polit-Propaganda aber<br />
(damals wie heute) nicht gelten.<br />
Steffen Kopetzky hat einen<br />
packenden Schmöker über<br />
Krieg und Lüge geschrieben:<br />
beeindruckend recherchiert,<br />
spannend fiktionalisiert, brillant<br />
geschrieben. Bernhard Sandbichler<br />
Steffen Kopetzky:<br />
Propaganda<br />
Rowohlt Berlin Verlag, 496 S., € 25,70<br />
Das trauen sich nur die Großen.<br />
Und die ganz Großen – so wie<br />
Salman Rushdie – schaffen es<br />
auch. Das meistgelesene Buch<br />
Europas Don Quichotte wird<br />
behutsam neu geschrieben<br />
und dennoch radikal in unsere<br />
Zeit transferiert. Dulcinea ist<br />
Talkshowmoderatorin, Sancho<br />
der imaginierte Sohn am Beifahrersitz<br />
und die Reise geht<br />
quer durch die USA. Da kann<br />
es auch vorkommen, dass die<br />
Windmühlen echt sind und<br />
gelbe Haare tragen. Eine brillante<br />
Hommage an Cervantes<br />
und ein unverzichtbarer Kommentar<br />
zu unseren unsicheren<br />
Zeiten. Robert Renk<br />
Salman Rushdie:<br />
Quichotte<br />
C. Bertelsmann Verlag, 464 S., € 25,70<br />
Wenn sich die wunderbare<br />
Autorin Eva Rossmann, die<br />
ja schon in ihren legendären<br />
Krimis eine Köchin zur Hauptprotagonistin<br />
macht, mit dem<br />
Küchenindividualist Manfred<br />
Buchinger zusammen tut, kann<br />
das nur großartig sein! Nach<br />
dem Motto „Es gibt keine<br />
bessere Küche, nur eine gute“<br />
haben die zwei ein wunderbares<br />
und leicht nach zu kochendes<br />
Buch der österreichischen<br />
Küche gefertigt, was die Rezeptauswahl<br />
von Altwiener Backkarpfen<br />
bis Schwarzbeernocken<br />
beweist. Robert Renk<br />
Eva Rossmann & Manfred Buchinger:<br />
Entspannt kochen<br />
Pichler Verlag, 208 S., € 30,–<br />
„Wissen Sie, Bücher schulen<br />
uns vielerlei, auch Durchhalten“,<br />
dieser Satz aus dem<br />
neuen Roman von Nina George<br />
trifft bei der Geschichte nicht<br />
zu, eher das Gegenteil. Das<br />
Mädchen Marie-Jeanne kann<br />
die Liebe sehen und fühlt wer<br />
füreinander bestimmt ist. Der<br />
Blickwinkel aus der Sicht der<br />
Liebe macht diesen Roman<br />
noch poetischer. Eine Gedankliche<br />
Reise in die schöne<br />
Landschaft von Frankreich und<br />
der Duft von Lavendel der ist<br />
gewiss. Der fiktive Roman aus<br />
„Das Lavendelzimmer“ ist real<br />
geworden. Andrea Scheiber<br />
Nina George:<br />
Südlicher<br />
Knaur Verlag, 285 S., € 19,60<br />
Wenn der Horror des Lebens<br />
gleich doppelt kommt. Mit 27<br />
bekommt Kathrin Schwarzenbacher<br />
die Diagnose Krebs.<br />
Bösartig. „In diesem Moment<br />
wünschte ich mir nichts sehnlicher,<br />
als dreißig Jahre alt zu<br />
werden.“Nach mehreren Zyklen<br />
aggressiver Chemos stellt sich<br />
plötzlich heraus, alles – von<br />
Anfanfg an – eine Fehldiagnose!<br />
Schwarzenbacher schreibt sehr<br />
persönlich über ihr Schicksal<br />
und deckt dabeiTeile des selbst<br />
erkrankten Gesundheitssystems<br />
auf. Robert Renk<br />
Kathrin Schwarzenbacher:<br />
Tod auf Bewährung<br />
Ecowin Verlag, 200 S., € 22,–<br />
Der Grandseigneur der österreichischen<br />
Zeitgeschichte blickt<br />
einmal mehr auf sein Leben und<br />
seinen reichen Erfahrungsschatz<br />
zurück. Es ist erstaunlich, wie<br />
er selbst bekannten Geschichten<br />
der Weltgeschichte mit seinem<br />
immer frischen journalistischen<br />
Blick neue Facetten abgewinnt.<br />
Viel geht es um den Begriff der<br />
Freiheit, die gerade heute durch<br />
das Erstarken autokratischer<br />
Systeme mehr denn je bedroht<br />
ist, wie Lendvai betont. Brillant<br />
auch seine Analyse zu Peter<br />
Handkes Serbien-Irrtümern.<br />
Lesenswert! Bernd Schuchter<br />
Paul Lendvai:<br />
Die verspielte Welt<br />
Ecowin Verlag, 238 S., € 24,–<br />
George Washington Black,<br />
genannt Wash, wird als Versklavter<br />
auf Barbados geboren.<br />
Der brutalen Gewalt und Ausbeutung<br />
auf einer Zuckerrohrplantage<br />
entflieht er gemeinsam<br />
mit dem Abolitionisten Titch<br />
auf einem Heißluftballon,<br />
bevor es Wash über die Arktis<br />
Kanadas nach London und<br />
weiter verschlägt. Dieses<br />
vielfach preisgekröntes Lieblingsbuch<br />
von Barack Obama<br />
ist eine berührende Reflexion<br />
zu Freiheit und Freundschaft<br />
unter Ungleichen und liegt nun<br />
endlich in der Übersetzung von<br />
Anabelle Assaf vor. Martin Fritz<br />
Esi Edugyan:<br />
Washington Black<br />
Eichborn Verlag, 512 S., € 24,–<br />
Ein wunderbares und sehr<br />
persönliches Weihnachtsbuch<br />
der Luxemburgischen Köchin<br />
und Bäckerin Theresa Baumgärtner.<br />
Für dieses spezielle<br />
Buch reiste Baumgärtner durch<br />
halb Europa. Schottland, der<br />
Schwarzwald, ein bisserl Österreich<br />
und natürlich ganz viel<br />
Luxemburg, wo Baumgärtner<br />
oft das geliebte Hazelnut House<br />
besucht.Ein Kochbuch als<br />
Liebeserklärung an die wundervolle<br />
Weihnachtszeit! Baumgärtner<br />
ist Kochbuchautorin,<br />
Kolumnistin, freie Moderatorin<br />
und Foodbloggerin auf theresaskueche.de.<br />
Sie kocht monatlich<br />
im ARD-Buffe.Robert Renk<br />
Theresa Baumgärtner:<br />
Weihnachten<br />
Brandstätter Verlag, 256 S., € 30,–<br />
Ein ehrgeiziger Medizinstudent<br />
landet im Winter 2014 in einem<br />
Lazarett nahe der Ostfront. Der<br />
junge Theoretiker, der noch nie<br />
ein Skalpell benutzt hat, muss<br />
sich dort an zwei Fronten schlagen<br />
– an der medizinischen und<br />
an der Liebesfront. Krankenschwester<br />
Margarete lehrt ihn<br />
gleich beides. Ein Roman, der<br />
inhaltlich an den Medicus und<br />
an den englischen Patienten und<br />
in Eindringlichkeit und Drastik<br />
an die „Wassermusik“ von T. C.<br />
Boyle erinnert. Dieses Buch legt<br />
man nicht weg, es fällt einem<br />
aus der Hand. Beatrix Rettenbacher<br />
Daniel Mason:<br />
Der Wintersoldat<br />
C. H. Beck Verlag, 430 S., € 24,70<br />
Der Autor Jonathan Safran<br />
Foer setzt sich in seinem neuen<br />
Buch mit dem Thema Klimawandel<br />
auseinander. Er fordert<br />
uns mit einer Eindringlichkeit<br />
zum Handeln auf, der man sich<br />
nicht entziehen kann. Unser<br />
alltägliches Verhalten kann das<br />
Klima zwar weiter zerstören,<br />
oder aber auch retten. Das<br />
Buch ist ein Muss für jeden,<br />
dem unsere Zukunft nicht egal<br />
ist. Um mit den Worten des Autors<br />
zu enden: Wir können nicht<br />
unser Verhalten und zugleich<br />
unseren Planeten behalten. So<br />
einfach und so schwierig sehe es<br />
nun einmal aus. Uschi Reichholf<br />
Jonathan Safran Foer:<br />
Wir sind das Klima<br />
Kiepenheuer & Witsch Verlag,<br />
327 S., € 22,70<br />
Wolfsegg heißt der düstere<br />
Roman von Peter Keglevic,<br />
dem man anmerkt, dass sein<br />
Autor viel von Film und Fernsehen<br />
versteht. Dieses Buch<br />
schreit nach einer Verfilmung,<br />
und man kann sich vorstellen,<br />
wie die übliche österreichische<br />
Schauspielerriege durch diese<br />
blutgetränkte Geschichte watet.<br />
Es geht um Provinz, Mord,<br />
Leid, Missbrauch und den fast<br />
unwahrscheinlichen Akt der<br />
Selbstermächtigung eines jungen<br />
Mädchens, das sein Leben<br />
selbst in die Hand nimmt<br />
und damit sich und seine<br />
Geschwister rettet. Bernd Schuchter<br />
Peter Keglevic:<br />
Wolfsegg<br />
Penguin Verlag, 317 S., € 20,60<br />
Eine ausgehebelte Autobiografie.<br />
Der Lehrer, der es nie<br />
zum Autorentum geschafft<br />
hat und auf sein Leben und<br />
Scheitern zurückblickt, beginnt<br />
nach dem Kauf eines Hauses in<br />
einem verruchten Viertel eine<br />
verrückte Reise. Darin spielt<br />
der Solenoid, eine Art riesige<br />
Magnetspule, eine wichtige<br />
Rolle, die sich im Keller befindet.<br />
Das außergewöhnliche<br />
daran: Sie funktioniert umgekehrt<br />
und hebt alles, das in<br />
ihre Nähe gerät, in die Höhe.<br />
Mircea Cărtărescus Schreibstil<br />
erinnert an Borges, Cortázar<br />
oder Kafka – an die ganz<br />
Großen der Weltliteratur. Ágnes<br />
Czingulszki<br />
Mircea Cărtărescu:<br />
Solenoid<br />
Zsolnay Verlag, 912 S., € 35,–<br />
Selten stürzte ein Kunde so<br />
freudig in die Buchhandlung:<br />
„Er möchte unbedingt das Buch<br />
in der Auslage; unglaublich,<br />
dass es das nun auf deutsch<br />
gibt. Als Kind habe er es verschlungen,<br />
nun sollen es seine<br />
Kinder auch lesen dürfen“.<br />
Seine Kindheit hat er in China<br />
verbracht. Dass seine Kinder<br />
„Die Reise in den Westen“ auf<br />
deutsch lesen können, verdanken<br />
wir dem Reclam Verlag.<br />
Das Werk liegt nun illustriert<br />
und zweibändig vor. Lies und<br />
erkenne die Geschichte Chinas;<br />
eine literarisch-kulturelle Empfehlung.<br />
Robert Renk<br />
Die Reise in den Westen (2 Bände)<br />
Reclam Verlag, 1320 S., € 45,30
Radioperlen zum Nachhören<br />
Ö1 gehört gehört! Dem, was Wolf Haas einst so treffend<br />
formuliert hat, schließen wir uns vollinhaltlich an.<br />
Die Wagner’sche ist ab sofort Ö1-Buchhandelspartner !<br />
© Hummel-Berger<br />
Haben Sie einen Lieblings-Radiosender?<br />
So einen, den man nur aufdreht und sicher<br />
sein kann, jetzt bekommt man etwas zu<br />
hören, das man nicht gern versäumt hätte:<br />
spannend, unterhaltsam, aufwühlend oder<br />
voll neuer Erkenntnisse. Einen Sender, der<br />
Sie immer mit aktuellen Nachrichten aus<br />
dem In- und Ausland versorgt; einen, dessen<br />
Features Ihnen einen Wissenszuwachs<br />
verschaffen; dessen Musikprogramm neue<br />
(Spiel-)Räume erschließt; der mit Ihnen live<br />
vor Ort ist, wenn Opernpremieren, spannende<br />
Diskussionen oder Kabarett (direkt) live<br />
gesendet werden. Solche Sender gibt es. Und<br />
einer der besten Europas sitzt in Österreich.<br />
„Österreich 1 ist der erfolgreichste Kultursender<br />
Europas und bietet werbefreies Programm<br />
auf höchstem Niveau“, konstatiert<br />
der ORF über sein kulturelles Aushängeschild.<br />
Rund 111 Formate unterschiedlichster<br />
Länge und Gestaltungsvariation<br />
werden von den Redakteur/innen für den<br />
Sender produziert. Rund 50 Mal am Tag<br />
markiert eine von Christian Muthspiel<br />
eigens komponierte Signation den Beginn<br />
einer neuen Sendung on air. Hinzu kommen<br />
unzählige Möglichkeiten, die Sendungen<br />
nachzuhören – sieben Tage online, im<br />
Ö1-Player, mit den Ö1 Podcasts, …<br />
Doch was geschieht dann mit ihnen?<br />
Ein Großteil davon scheint nach dem<br />
großen Auftritt wie von der Bildfläche<br />
verschwunden. Ausnahmslos alle wandern<br />
in das Archiv von Ö1 und werden dort im<br />
digitalen Speicher von versierten Archivar/<br />
innen gehütet. Für das Publikum sind sie,<br />
als Einzelsendungen, zwar nach wie vor<br />
über das Ö1 Audioservice bestellbar. Aus<br />
rechtlichen Gründen ist es dem Sender<br />
nicht möglich, sein gesamtes Repertoire<br />
ständig verfügbar zu halten. Doch ein<br />
kleiner Teil lässt sich auch nach Ablauf<br />
der sieben Tage noch genießen, denn der<br />
Sender hat sein hauseigenes CD-Label.<br />
Die Edition Ö1 präsentiert ausgewählte<br />
Sendungen, Mitschnitte und Archivproduktionen<br />
auf CD sowie im Download.<br />
Im Zentrum steht die Intention, Inhalte<br />
des Kultursenders in adäquater Form zu<br />
präsentieren und das vielfältige Programm<br />
abseits der Vergänglichkeit des Formates<br />
Radio für sein Publikum zu erhalten.<br />
Dabei gilt es, einerseits auf das aktuelle<br />
Programm mit raschen Veröffentlichungen<br />
zu reagieren, andererseits will ein umfassendes<br />
Archiv beachtet und bearbeitet<br />
werden. Und es ist gar nicht so einfach, sich<br />
bei dieser Fülle an Material zu entscheiden,<br />
welcher Produktion man sich zuerst widmet.<br />
Perlen-Tauchen ist daher das Gebot<br />
der Stunde – Radioperlen, die sich in den<br />
Tiefen des Archivs verstecken; oder wie<br />
Sternschnuppen im aktuellen Programm<br />
aufblitzen und, kaum dass sie am Radiohimmel<br />
funkeln konnten, schon wieder<br />
verschwunden sind.<br />
Zum Heben dieser Schätze braucht es<br />
versierte Redakteur/innen, die Vorschläge<br />
zur Auswahl für die Edition Ö1 beisteuern<br />
(wie die Sommerproduktion „Der Himmel<br />
voller Götter“, die 28 Gottheiten im<br />
Kurzporträt präsentierte – ein Vorschlag<br />
von Peter Klein, bis vor Kurzem Chef des<br />
Senders). Oder Hörer/innen, die sich beim<br />
Sender melden und auf eine Produktion<br />
hinweisen, die sie gern wieder hören würden<br />
(wie zum Beispiel die Compilations der zeitlosen<br />
„Schalldämpfer“-Sendungen von Axel<br />
Corti, nach denen regelmäßig gefragt wird).<br />
Oder gute Planung (wie die CD-Produktion<br />
zu Andreas Vitáseks aktuellem Kabarettprogramm<br />
„Austrophobia“, das im März<br />
2019 aufgezeichnet wurde, um pünktlich<br />
zum 25-Jahr-Jubiläum des Ö1-Kulturzeltes<br />
auf dem Wiener Donauinselfest und Vitáseks<br />
Auftritt dort präsentiert zu werden).<br />
Letztendlich „entscheidet nicht die<br />
Mühsal, sondern der Fund“ (so der Lyriker<br />
Heinz Piontek), wenn es an die Arbeit<br />
geht. Allen Agierenden gemeinsam scheint<br />
eben jene Freude am Finden und die an<br />
der neuerlichen Verfügbarmachung von<br />
wertvollen Inhalten für ein interessiertes<br />
Publikum. Und vielleicht ist das auch das<br />
Erfolgsgeheimnis des Senders im Allgemeinen,<br />
die wertvollen Inhalte und das<br />
Wissen um ein treues Publikum, das<br />
ebendiese schätzt.<br />
Wahre Archivperlen<br />
Auch im aktuellen Herbst gibt es einiges<br />
(wieder) zu entdecken. Zum Beispiel eine<br />
Dramatisierung von Friedrich Torbergs<br />
„Der Schüler Gerber“ aus dem Jahr 1968<br />
mit Michael Heltau in der Titelrolle (Bearbeitung<br />
& Regie: Klaus Gmeiner) – eine<br />
wahre Archivperle; oder auch Erzählungen<br />
und Musik rund um die amerikanischen<br />
„Westernhelden“ mit Michael Köhlmeier<br />
und Hans Theessink. Ein besonderes<br />
Gustostückerl bietet, zum 40-jährigen Jubiläum,<br />
eine Produktion zu Christine Nöstlingers<br />
„Dschi Dsche-i Dschunior“, dem<br />
sprachbegabten Fabelwesen, das im Jahr<br />
1979 täglich im Ö3 Wecker zu hören war.<br />
Und auch erfolgreiche Reihen wie jene zum<br />
Ö1 Radiokolleg werden diesen Herbst mit<br />
der CD-Produktion „Gefühle“ von Margarethe<br />
Engelhardt-Krajanek fortgesetzt.<br />
„Ö1 Jazz contemporary“ widmet sich Leonhard<br />
Skorupa und Sketchbook Orchestra,<br />
einer 13-köpfigen Jazzformation, die in der<br />
Edition Ö1 ihr Debutalbum präsentiert.<br />
Und die CD-Reihe Zeit-Ton präsentiert<br />
mit Elisabeth Harnik und <strong>No</strong>rbert Zehm<br />
neuerlich zwei Größen der Neuen Musik<br />
aus Österreich.<br />
Neben den Neuproduktionen sei jedoch<br />
nicht auf die Klassiker von Ö1 vergessen,<br />
wie zum Beispiel Michael Köhlmeiers<br />
„Sagen des klassischen Altertums“, die<br />
in jedes zweite Wohnzimmer Österreichs<br />
Einzug gehalten haben. Auch Stefan Zweigs<br />
„Die Welt von gestern“ (wieder mit Michael<br />
Heltau) zählt zu jenen Produktionen, die<br />
aus den Regalen der Österreicher/innen<br />
nicht wegzudenken sind. Axel Corti hat sich<br />
mit drei Ausgaben des „Schalldämpfer“<br />
verewigt und ist mit seinem unverwechselbaren<br />
Stil der lakonisch-satirischen Berichterstattung<br />
über die großen und die<br />
kleinen Dinge des Lebens auf CD wieder<br />
nachzuhören. Nicht zu vergessen die CD zu<br />
Werner Pirchners „Signations“, die für alle<br />
<strong>No</strong>stalgiker/innen den alten Klang von Ö1<br />
nach wie vor hörbar macht.<br />
Um das Publikum nicht nur über den<br />
Sender und den ORF-Shop zu erreichen,<br />
sondern auch im Stadtbild österreichischer<br />
Hauptstädte präsent zu sein, pflegt Ö1<br />
seit Oktober 2018 eine Kooperation mit<br />
fachkundigen Buchhandlungen, die – als<br />
Edition Ö1 Buchhandlungen – in ihren<br />
Räumlichkeiten die Eigenproduktionen<br />
der Edition Ö1 sowie zum Sender passende<br />
Produktionen aus dem Bereich Buch,<br />
CD und DVD präsentieren. Die Partner<br />
greifen dabei Informationen des Senders<br />
über Buchbesprechungen, die Ö1 CD<br />
des Monats oder auch das Ö1 Buch des<br />
Monats zurück und präsentieren Aktuelles<br />
und Klassiker der Edition Ö1. Ö1 Clubmitglieder<br />
genießen 10 % Ermäßigung auf<br />
die Produktionen der Edition Ö1. Und<br />
Kunden, die noch kein Clubmitglied sind,<br />
können dies bei ihrem Einkauf vor Ort<br />
werden.<br />
Wagner’sche ist neuer<br />
Buchhandelspartner<br />
Ö1 und seine Buchhandelspartner sind<br />
überzeugt, dass sich das Publikum des gut<br />
sortierten Buchhandels zu einem großen<br />
Teil mit jenem des Senders Ö1 deckt.<br />
Und die Partner freuen sich, dass sich die<br />
Edition Ö1 nicht nur on air, auf CD oder<br />
im Download findet – sondern auch in<br />
der Buchhandlung Kuppitsch in Wien, der<br />
Buchhandlung Alex in Linz, der Buchhandlung<br />
Heyn in Klagenfurt und ab sofort<br />
auch in Ihrer Wagner’schen Buchhandlung<br />
in Innsbruck!<br />
Hörtipps:<br />
Kerstin Tretina:<br />
Der Himmel voller Götter<br />
2 CDs<br />
€ 21,70 (Ö1 Club: € 19,53)<br />
Friedrich Torberg /<br />
Michael Heltau:<br />
Der Schüler Gerber<br />
4 CDs<br />
€ 36,20 (Ö1 Club: € 32,58)<br />
Christine Nöstlinger:<br />
Dschi Dsche-i Dschunior<br />
1 CD<br />
€ 18,10 (Ö1 Club: € 16,29)<br />
Margarethe Engelhardt-<br />
Krajanek:<br />
Gefühle<br />
1 CD<br />
€ 18,10 (Ö1 Club: € 16,29)<br />
Michael Köhlmeier &<br />
Hans Theessink:<br />
Westernhelden<br />
2 CDs<br />
€ 21,70 (Ö1 Club: € 19,53)<br />
Andreas Vitásek:<br />
Austrophobia<br />
2 CDs<br />
€ 21,70 (Ö1 Club: € 19,53)<br />
Axel Corti:<br />
Der Schalldämpfer, Vol. 3<br />
1 CD<br />
€ 18,10 (Ö1 Club: € 16,29)<br />
Willi Resetarits:<br />
Glück<br />
1 CD<br />
€ 18,10 (Ö1 Club: € 16,29)
Im Jänner freuen wir uns …<br />
Corporate Design<br />
Fotografie<br />
Packaging<br />
Buchgestaltung<br />
Informationsdesign<br />
Editorial<br />
Ausstellungen<br />
Specials<br />
www.himmel.co.at<br />
… – neben einem Besuch von Peter Filzmaier – vor allem auf<br />
Johannes Huber. Der bekannte Arzt und noch bekanntere<br />
Vortragende kommt mit seinem neuen Buch „Die Anatomie<br />
des Schicksals“ Ende Jänner zu uns.<br />
Wieso brachte die Strauß-Dynastie so viele<br />
Musiker hervor? Zufall? Gene? Schicksal?<br />
Die moderne Medizin sieht das anders. Sie<br />
geht davon aus, dass in dieser Familie schon<br />
die Ungeborenen im Bauch der Mutter so<br />
viel Musik gehört haben, dass ihr Leben<br />
dadurch vorbestimmt war.<br />
Das ist nur eins von vielen Beispielen dafür,<br />
wie die medizinische Forschung die wahren<br />
Zusammenhänge hinter dem erkennt, was<br />
die Menschheit bisher für schicksalshaft<br />
hielt. So bestimmen über die so genannte<br />
„Epigenetik“ Verhaltensweisen von Vorfahren,<br />
die wir gar nicht gekannt haben,<br />
über unsere eigenen mit. Ob wir zum Übergewicht<br />
neigen oder fit und schlank sind,<br />
hat wie vieles andere mit dem Akt unserer<br />
Zeugung zu tun: Wie war die Temperatur?<br />
Wie fit war unser Vater? Auch scheinbar<br />
schicksalhafte gesellschaftliche Entwicklung<br />
wie die zunehmende Aggressivität haben<br />
einen nüchternen medizinischen Hintergrund:<br />
So weisen aktuelle Untersuchungen<br />
nach, dass Umweltbelastungen Aggressionen<br />
und auch Depressionen fördern.<br />
Der Reproduktionsmediziner Johannes<br />
Huber zeigt in seinem neuen Buch „Die<br />
Anatomie des Schicksals“, was wirklich<br />
über uns bestimmt, und er liefert nicht nur<br />
beeindruckende Fakten aus dem aktuellen<br />
Stand der Forschung. Er hat auch eine gute<br />
Nachricht: Wir sind dem, was wir für unser<br />
Schicksal halten, nie ausgeliefert. Wir haben<br />
immer die Chance, es mit den richtigen<br />
Methoden selbst in die Hand zu nehmen<br />
und damit unser Leben in unserem eigenen<br />
Sinn zu verändern. Diese Methoden können<br />
so einfach sein, z. B. grünen Tee<br />
trinken.<br />
© Lukas Beck<br />
Buchtipp:<br />
Johannes Huber:<br />
Die Anatomie des Schicksals<br />
edition a,<br />
256 S., € 24,–<br />
Buchpräsentation:<br />
Fotoprojekt: Fashion victim – Monbrée (2019)<br />
Mit Johannes Huber<br />
Fr., 28. Jänner 2020, 19:30 Uhr<br />
Wagner’sche Universitätsbuchhandlung<br />
Eintritt: 9,– / 7,–<br />
(Ö1- oder Wagner-Card)
Trio Lepschi’s<br />
rabenschwarze<br />
Sonntagsmatinee<br />
© XXX<br />
Frischer Wind<br />
in der<br />
Wagner’schen<br />
Haben Sie gewusst, dass 50 Prozent aller<br />
Geschäftsführer und 35 Prozent aller<br />
Unternehmensgründer Österreichs eine<br />
Lehre absolviert haben? Wir sind stolz, dass<br />
wir, trotz aller Medienberichte über den<br />
Lehrlingsmangel, allein heuer vier Lehrlinge<br />
einstellen konnten. Es ist schön, wenn junge<br />
Leute den Buchhandel von der Pike auf lernen<br />
wollen. Das muss natürlich unterstützt<br />
werden. Für uns „alte Hasen“ ist die frische<br />
Energie sehr spannend und angenehm!<br />
Alle vier neuen Kolleginnen und Kollegen<br />
– Ana, Lisa, Selina und David – sind schon<br />
gut im Team integriert. Wir wünschen<br />
ihnen auch für die Berufsschule, die sie in<br />
drei Blöcken in der Berufsschule St. Pölten<br />
besuchen, alles Gute!<br />
24 / 7.<br />
Rund um die Uhr<br />
shoppen bei der<br />
Wagner’schen<br />
Wenn das Trio Lepschi, mit Kultautor Kennen Sie schon unseren neuen Internetshop<br />
www.wagnersche.at? Seit Ende April<br />
Stefan Slupetzky, auftritt, bleibt kein<br />
Auge trocken. Besonders Liebhaber<br />
präsentiert sich dieser völlig neu und das<br />
des Schwarzen Humors sind da dann mit noch mehr Auswahl! Sie finden bei<br />
stark gefährdet. Zu Slupetzky (Texte, uns über 6 Millionen Bücher, Hörbücher,<br />
Gesang, Säge, Posaune), gesellen sich E-Books, Filme und Spiele. Aber auch jede<br />
Martin Zrost (Komposition, Arrangement,<br />
Gesang, Gitarre, Klarinetten), Außerdem zeigen wir Ihnen unsere Lieb-<br />
Menge persönlicher Buchbesprechungen.<br />
Michael Kunz (Komposition, Arrangement,<br />
Gesang, Gitarre, Nasenflöte):<br />
gerade lesen, und stellen wöchentlich unter<br />
lingsbücher, verraten Ihnen, was wir selbst<br />
Keiner dieser drei kann alles, aber der Rubrik „Schaufenster“ verschiedene,<br />
alle können eines: aus Musik und<br />
meist etwas verrückte, Bücher-Auswahllisten<br />
zusammen.<br />
Texten einen raffinierten Cocktail<br />
Buchtipp:<br />
komponieren, der gleichermaßen rührt<br />
und schüttelt.<br />
Stefan Slupetzky:<br />
Was schreibt Klaus Nüchtern vom<br />
Der letzte große Trost<br />
Falter über sie: Lustig, brutal, deppert<br />
Rowohlt Verlag,<br />
und gemein: die fantastischen Lieder<br />
1256 S., € 11,30<br />
des Trio Lepschi.<br />
Was schreibt Ernst Molden im<br />
Kurier: Vor allem aber: Trio Lepschi.<br />
Veranstaltungstipp: Dieses tintenrabenpechschwarze<br />
Wunder versüßt mir meinen Herbst am<br />
Das Trio LEPSCHI<br />
nachhaltigsten.<br />
voll im Bild – Matinee<br />
Und was werden erst Sie schreiben,<br />
So., 23. <strong>No</strong>vember 2019,<br />
wenn sie das Trio Lepschi einmal live<br />
71<br />
11 Uhr<br />
erlebt haben, und das bei freiem Eintritt!<br />
Galerie Art-Depot,<br />
Maximilianstraße 3/Stöckl,<br />
6020 Innsbruck<br />
Eintritt frei<br />
Bücher seit 1639<br />
Autorinnen und Autoren<br />
dieser Ausgabe<br />
Michael Carli, gelernter Kulturvermittler, Werber und<br />
Lebensmittelhändler. Lebt in Innsbruck, liebt Sardinien.<br />
Ágnes Czingulszki, 1987 geboren in Baja (Südungarn), lebt<br />
– nach einigen Stationen in Europa – nun als Journalistin<br />
und Autorin in Innsbruck. U. a. „ich dachte an siracusa“<br />
(ed. Exil)<br />
Christine Frei, geboren 1966 in Baden-Württemberg, aufgewachsen<br />
in Deutschland und in Südtirol, lebt seit 1986<br />
in <strong>No</strong>rdtirol. Studium der Germanistik und Geschichte,<br />
Post-Graduate-Ausbildungen in Kommunikation. Schreibt<br />
seit Mitte der neunziger Jahre, vor allem lyrische und dramatische<br />
Texte. Zuletzt etwa die Farce „entweder es brennt oder<br />
es dauert“ (Westbahntheater).<br />
Martin Fritz, geboren 1982, studierte Vergleichende<br />
Literaturwissenschaft und Deutsche Philologie in Innsbruck,<br />
hört sich in seiner Freizeit gerne DJ Patex’ Coverversion des<br />
Songs „I Wish I Was Him“ an. War Teil der 1. Innsbrucker<br />
Lesebühne „Text ohne Reiter“, ist Teil der Innsbrucker Lesebühne<br />
„FHK5K“.<br />
Nina Gruber, geboren 1988, studierte Slawistik mit Schwerpunkt<br />
auf russischer Kultur- und Literaturwissenschaft. Seit<br />
2015 ist sie als Lektorin beim Haymon Verlag tätig.<br />
Klaudia Grünfelder, 1995 im schönen Südtirol geboren, ist<br />
leidenschaftliche Buchhändlerin und hat immer ein Buch in<br />
der Tasche. Im Moment unterstützt sie die Literaturabteilung<br />
und betreut die Fremdsprachen sowie Jugendbuch, Fantasy<br />
und Manga.<br />
Susanne Gurschler lebt als freie Journalistin und Autorin<br />
in Innsbruck. Zuletzt erschienen: „111 Orte in Tirol, die<br />
man gesehen haben muss“ und „111 Orte in Innsbruck,<br />
die man gesehen haben muss“ (beide Emons Verlag) sowie<br />
„Zeitblende Tirol. Defner Fotografien von 1925 bis heute“<br />
zusammen mit Thomas Defner (Tyrolia Verlag). Weitere<br />
Infos unter: www.susannegurschler.at<br />
Andreas Hauser erbte die Liebe zur Kriminalliteratur von<br />
seinem Vater, schrieb lang im Tiroler Magazin ECHO Beiträge<br />
zu Wissenschaft und Zeitgeschichte, Empfehlungen von<br />
Krimis, Thrillern und Literatur. Seit 2015 Mitarbeiter und<br />
CP-Redakteur der KULTIG Werbeagentur in Innsbruck.<br />
Marina Höfler, 1994 in Feldkirch/Vorarlberg geboren, fürs<br />
Studium der Translationswissenschaft und Vergleichenden<br />
Literaturwissenschaft nach Innsbruck gezogen. Studiert im<br />
Master Vergleichende Literaturwissenschaft, arbeitet seit<br />
März 2019 beim Haymon Verlag.<br />
Isa Hörmann, geboren 1979 in Innsbruck, kreativ als Texterin<br />
und Autorin. Schreibverliebt. Fasziniert von Wort und<br />
Sprache. Debütroman „Dünnes Glas“, erhältlich – u. a. – in<br />
der Wagner’schen!<br />
Markus Köhle (geboren 1975, Nassereith) ist Sprachinstallateur,<br />
Literaturzeitschriftenaktivist und Papa Slam<br />
Österreichs. Er schreibt, um gehört zu werden, ist aber auch<br />
da und dort zu lesen. Aktuell: „Rohrköhlauer – Foto-Text-<br />
Interferenzen“ (Sonderzahl 2019); www.autohr.at<br />
Christophe Koroknai, geboren 1988, Studium der Komparatistik<br />
in Innsbruck. Arbeitet seit 2014 im Haymon Verlag.<br />
Lena Kripahle-Wiek, Wagner’sche-Buchhändlerin in Karenz.<br />
Neben Nähen von Babykleidung immer noch süchtig nach<br />
Büchern und Hörbüchern.<br />
Joachim Leitner, studierter Komparatist, ist seit 2012<br />
Kulturredakteur der Tiroler Tageszeitung – und macht<br />
gelegentlich Radio.<br />
Maria Neumayr, geboren 1994, studierte Germanistik<br />
und Anglistik in Innsbruck. Liebt Bücher so lange sie sich<br />
zurückerinnern kann und ist, wenn sie nicht gerade liest, in<br />
der Kinderbuch- und Ratgeberabteilung der Wagner’schen<br />
zu finden.<br />
Ruth Pearce, geborene Innsbruckerin, porträtiert unter dem<br />
Namen pearceX Charaktere nach persönlichem Gefallen.<br />
Ausstellungen finden spontan in ungewöhnlichen Locations<br />
statt. (www.fotoruth.at, www.pearceX.space)<br />
Thomas Raab, geboren 1970 in Wien. Kindheit in Ordnung,<br />
Schulzeit eher mühsam, dann doch Matura. Danach Liedermacher,<br />
inklusive Studienabschluss Mathematik & Sport,<br />
seit 2006 freier Schriftsteller. Die Metzger-Serie wurde mit<br />
Robert Pallfrader in der Rolle des Adrian Metzger verfilmt.<br />
2017 erhielt Raab den 1. Österreichischen Krimipreis. Zuletzt<br />
erschien „Walter muss weg“ (KiWi 2018).<br />
Uschi Reichholf, die gelernte Drogistin und Naturliebhaberin,<br />
arbeitet seit 2,5 Jahren in der Wagner’schen.<br />
Markus Renk, seit 33 Jahren in der Buchbranche. Fachgruppen-Obmann<br />
der Buch- und Medienwirtschaft Tirol<br />
und seit Oktober 2015 neuer Chef der Wagner’schen.<br />
Robert Renk, Buchhändler und Kulturveranstalter. Gastdozent<br />
an der Uni Innsbruck. Sortimentsleiter in der<br />
Wagner’schen. Gibt das Wagner-Magazin heraus.<br />
Beatrix Rettenbacher, geb. 1969, ist in Tirol aufgewachsen.<br />
Nach dem Kunststudium an der Angewandten in Wien<br />
war sie Texterin bei Demner, Merlicek & Bergmann und<br />
bei Scholz & Friends in Hamburg. Seit 2000 betreibt sie gemeinsam<br />
mit Heidi Sutterlüty-Kathan das Gestaltungsbüro<br />
Weiberwirtschaft in Innsbruck.<br />
Nina Rettenbacher brachte uns der Koch- und Gärtnerhimmel<br />
in die Wagner’sche. Erste Stadtgärtnerin und<br />
grandiose Köchin & Gastgeberin im 1. Stock.<br />
Florian Josef Rinderer, geboren in einem seitentalverzweigtem<br />
Seitental, hat Berge gegen Berge getauscht, um<br />
in Innsbruck zu leben. Schreibt nur seriöseste Kürzestbiografien.<br />
Anna Rottensteiner, Autorin und Leiterin des Literaturhauses<br />
am Inn. Publikationen: „Lithops. Lebende Steine“ (2013),<br />
„Nur ein Wimpernschlag“ (2016) – beide ed. laurin.<br />
Bernhard Sandbichler, geboren 1965, studierte Germanistik<br />
und Romanistik in Innsbruck und Besançon. Literaturvermittler<br />
und Sprach-Therapeut.<br />
Peter Schafferer, geboren 1968, verfasst seit 1993 Porträts<br />
und Kurzgeschichten von Menschen. Als Öffentlichkeitsarbeiter<br />
für die Lebenshilfe nutzt er die reiche Schatzkiste an<br />
Begegnungen und Entwicklungsgeschichten: vom Zivildiener<br />
bis zum Pensionisten, der sich mit 70 noch mal auf Reisen<br />
begibt.<br />
Andrea Scheiber, seit 1992 in der Wagner’schen Buchhandlung,<br />
liest natürlich gerne Kinderbücher und Krimis,<br />
liebt Backen und lange Spaziergänge.<br />
Siljarosa Schletterer studiert u. a. Musikwissenschaft (partiell<br />
Literaturwissenschaft); schreibt Rezensionen und Kritiken in<br />
verschiedenen Magazinen; feiert den Widerstand, die Kunst<br />
und die Poesie: u. a. Moderation der Lyriksendung „wortflair“<br />
auf freirad.<br />
Bernd Schuchter, geboren 1977 in Innsbruck, studierte<br />
Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität<br />
Innsbruck. Autor und Verleger (Limbus Verlag). Zuletzt:<br />
„Gebrauchsanweisung für Tirol“ (Piper), „Aufwachsen in<br />
Innsbruck“ (Wagner’sche) und „Rikolas letzter Auftritt“<br />
(braumüller)-<br />
Evelyn Unterfrauner, Online Marketing Managerin bei<br />
Random House (btb und Luchterhand) und Buchbloggerin<br />
im Netz. Sie schaffte es drei Jahre in Folge auf die Shortlist<br />
des Buchblog Awards und betreibt den Blog Book Broker<br />
auf www.bookbroker.wordpress.com.<br />
Marlene Walder, geboren 1994. Seit 2013 in der Wagner’-<br />
schen. Steckt hinter den Blind Dates und ist seit <strong>No</strong>vember<br />
2017 Abteilungsleiterin für Ratgeber und Kinderbuch.<br />
Verena Zankl, geboren 1980 in Lienz, Studium der Germanistik<br />
in Innsbruck (Promotion 2014), freie Lektorin und<br />
Literaturwissenschaftlerin.<br />
Jenni Zeller, geboren 1993. Von klein auf passionierte<br />
Sprachliebhaberin. Liebt Bücher, Zeichnen, Wandern und<br />
Kanada. Studiert im Master Konferenzdolmetschen und<br />
Philosophie an der Uni Innsbruck. Freiberufliche Journalistin<br />
bei der Oberländer Rundschau, seit Februar 2019 in der<br />
Wagner’schen daheim.<br />
Klaus Zeyringer war Univ.-Prof. für Germanistik in Frankreich.<br />
Ist Literaturkritiker insbesondere für Der Standard<br />
(Wien), Jurymitglied der „ORF-Bestenliste“; Bücher zuletzt:<br />
„Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte von 1896 bis<br />
heute“. Bd. 1: Sommer (S. Fischer 2016); Bd. 2: Winter (S.<br />
Fischer 2018); „Das wunde Leder. Wie Kommerz und Korruption<br />
den Fußball kaputt machen“ (mit Stefan Gmünder;<br />
Suhrkamp 2018).<br />
Gernot Zimmermann, 1962 in Innsbruck geboren und in den<br />
Stadteilen Höttinger Au, Wilten, Reichenau und Amras aufgewachsen.<br />
Nach Abschluss seiner kaufmännischen Lehre<br />
hat Zimmermann 1983 den Taxiführerschein gemacht und<br />
war danach 24 Jahre lang als Taxifahrer in Innsbruck unterwegs.<br />
Heute ist Gernot Zimmermann Journalist, Redakteur<br />
und Autor.
Wagner’sche.<br />
Bücher seit 1639<br />
Museumstraße 4<br />
6020 Innsbruck<br />
T. +43 512 59505 0<br />
info@wagnersche.at<br />
www.wagnersche.at