ZETT No. 3
900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg Kulturförderung. Wer bekommt was? Angst in der Kunst ...
900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg
Kulturförderung. Wer bekommt was?
Angst in der Kunst
...
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#3 ∙ Dezember 2019
Schutzgebühr 5 5
Das Kulturmagazin für Freiburg
900 Jahre
Stadtjubiläum Freiburg
Kulturförderung
Wer bekommt wieviel?
Karrikatur: Klaus Karlitzky
Angst in der Kunst
Fräulein Lucys Geheimnis
Alles Schiebung
Monchi im Interview
Porträt Igor Kamenz
Aufklärung bitte!
Aus dem Zypresse Verlag
www.zett-magazin.de
Editorial
Wie feiert man eigentlich eine 365 Tage lange
Geburtstagsparty für 230.000 Menschen?
Kann das überhaupt gutgehen? Mit diesen
Fragen über dem leeren Notizblatt hat das
Kulturmagazin ZETT. gleich mehrfach das Büro
des Zeremonienmeisters Holger Thiemann besucht,
um der Sprache der bunten Zettelchen
auf einem riesigen Wandkalender auf den
Grund zu gehen. 900 Jahre Freiburg sind
kein Pappenstiel, und wir vom Kulturmagazin
wollen unbedingt mitfeiern.
Übrigens: Der Begriff ‚Pappenstiel‘
– das verriet mir gerade eben beim
Schreiben dieses Editorials der bekannte
Wanderratgeber für schwedische
Kinder „Wikipedia“ - kommt
vom niederdeutschen Wort ‚Papenblome‘,
auch Pfaffenblume oder Pusteblume
genannt. Auch unsere Redaktion hat
ein bisschen gepustet, welch ein Übergang,
um für Sie mal jene Zahlen aus dem dicken Fell
des städtischen Doppelhaushalts freizulegen,
mit denen die Stadtverwaltung ihre Kulturförderung
betreibt.
Und natürlich habe ich kurz darüber nachgedacht,
dieses Editorial handschriftlich zu
verfassen. Dann wäre ich aber womöglich direkt
irgendwo eingeliefert worden, weil das
noch nicht mal altgediente Apotheker unter
dem Elektronenmikroskop hätten entziffern
können. Ich gebe es zu: Meine Handschrift
ist degeneriert; als Schreiberling drücke ich
fast nur noch auf irgendwelchen Tasten
herum. Dass das jenseits vom Einkaufszettel
auch anders geht, zeigen Ihnen hier, in
unserer dritten Ausgabe, ein paar echte
Könner.
Wo war ich? Kunst! Natürlich! Von
Horst Sobotta, Piotr Iwicki, Ricardo Pulido
und Erwin Otzepowski - unter vielen,
vielen anderen. Alles Made in Freiburg.
Und obwohl wir vom ZETT.-Redaktionsteam
gar nichts dafür können, sind wir
doch ein kleines bisschen stolz auf das,
was die internationale Kreativszene
in unserem Breisgaumetropölchen so
hervorbringt.
Meine südbadische Dauersehnsucht nach
dem Meer durfte ich derweil in zwei Verkostungen
mit gefühltem Sand unter den Füßen
und in einem Telefonat nach Rostock stillen
- letzteres mit einem feinsahnigen Punkrocksänger,
der
sein Herz am
rechten Fleck zu
haben scheint,
und den ein
Heitzer für uns
gemalt hat.
Dem so geweiteten
Blick offenbaren wir
im Magazin auch ungewohnte Freiburg-Panorama-Fotos,
deren Motto
„breit sein heißt frei sein“ auch für die
vertikale Breite eines trockengelegten
Schwimmbades gilt, in das man immer
noch ab- und eintauchen kann. Ich hab’s
ausprobiert und behaupte: Unser Kunstverein
ist ein Delphinarium!
Das ZETT. wächst derweil um ein neues
Format: Die Stadtbibliothek pustet uns ab
sofort regelmäßig einzelne ihrer Schätze
in den Lottozahlenslot, die wir dann nur
noch abzulesen brauchen. Ach ja: Was
macht viel Werbung, ist für alle in Freiburg
weithin offen sichtbar und dennoch ein Geheim-,
oder eher ein Gehin-Tipp? Schauen
Sie mal auf Seite 54 nach. Aber lassen Sie
sich Zeit auf den Seiten davor, denn, wie
heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel.
Lassen Sie sich inspirieren!
Herzlichst
Arne Bicker
Arne Bicker, Redaktionsleiter Zett.
Feine Torte
Jubiläumsfilet
Foto: Martin Koswig
Impressum
„ZETT. – Das Kulturmagazin für
Freiburg“ ist eine Magazinpublikation
der Zypresse Verlags GmbH,
Brunnenstraße 6, 79098 Freiburg.
redaktion@zett-magazin.de
www.zett-magazin.de
www.zypresse.com
Geschäftsführung:
Dr. Manfred Kross
Gestaltung: Schleiner & Partner
Grafik, Layout: Jutta Schmidt
Redaktionelle Leitung: Arne Bicker
Redaktionelle Mitarbeit:
Jennifer Reyes, Tom Teuffel
Titelgrafik: Klaus Karlitzky
Fotografie: Janine Machiedo,
Martin Koswig, Arne Bicker
Illustration: Andreas Verstappen
Für Druckfehler keine Haftung.
Das Copyright für Texte und Fotos
liegt beim Verlag und den
Autoren / Fotografen.
Nachdruck, Vervielfältigungen und
elektronische Speicherung nur mit
schriftlicher Genehmigung des
Verlages.
zett. November 2019
3
Inhalt
8
Stadtjubiläum
Freiburg feiert 900. Geburtstag
54
Elfenträume
Ricardo Pulido
60
Von wegen Blockflöte
Interview mit Jan ’Monchi‘ Gorkow
Editorial
Editorial – Feine Torte Jubiläumsfilet 3
Leidkultur
Leidkultur – Aufklärung bitte! 6
Stadtjubiläum 900 Jahre
Von wegen Hubschrauber –
Freiburg feiert 900. Geburtstag 8
Wie gemalt - Vauban & Co. 11
Zeitreiseführer – Alles Schiebung 12
Telemach Wiesinger – Freiburger Kabinett 13
Thomas Kitzinger - Freiburger Köpfe 16
Blick in die Glaskugel – Freiburg am Meer? 17
Im Big-Band-Swing-Sound – Eine Liebeserklärung 20
Kulturförderung
Ein rares Gut - Kulturförderung in Freiburg 21
Kulturstadt Freiburg – Freiräume 22
Kultur am Start
Geheintipp - Kulturbörse 2020 24
Kunst im Alltag – OPEN ART 2020 26
Premiere – Jekyll & Hyde 26
Spektakel - Circolo, Dinner-Show, Traumfabrik 27
Bleibender Eindruck - Kunst aus der Straßenschule 29
Kalligraphie
Die schöne Schrift – Old Letterhand 30
ZETT.-Künstler-Treffen – Der schöne Brief 32
Fotografie
Stefan Düsseldorf – Kunstflieger 34
Kunst als Notausgang – Piotr Iwicki 35
Horst Sobotta – Vom Licht 36
Jan Deichner – Zwischenstationen 38
Fotoausstellung - Das Motiv ist weiblich 39
Jörg Dietrich – Panoramastreetline 40
55
40
36
Kriegerin
Eva Kneipp
So 'ne allee
Panoramastreetline
Vom Licht
Horst Sobotta
4 zett. November 2019
32
69
Der schöne Brief
ZETT.-Künstlertreffen
Meer her
Gins mit Strand-Geschmack
49
Fräulein lucy und UWE
Kurzgeschichte
Bücher
Janine Machiedo - Balanced Life 43
Herzrutschen - Angst in der Kunst 44
Ein weites Feld – Kultur im Abriss 46
Hören & Staunen - Lesungen 47
Luv- und Leesenswert – Buchtipps 48
Fräulein Lucy und Uwe - Kurzgeschichte 49
Der Tyrann im Tann - Karlitzky liefert 50
Schöne Geschichten – Neuzugänge in der Stadtbib 51
Kunst
En Marche -Stepan Capek 52
Hohe Luft – Effekte des Sublimen 53
Ricardo Pulido – Elfenträume 54
Eva Kneipp – Kriegerin 55
Die Akte Scherer – Ausstellung 57
Mediatheken - Sehenswert 58
Erwin Otzepowski – Scyscraper VII 59
Musik
Von wegen Blockflöte –
Interview mit Jan ‚Monchi‘ Gorkow 60
Junge Freiburger Bands – CD-Tipps 63
Igor Kamenz - Das Genie am Flügel 65
Live in Freiburg - Konzerte 67
GESELLSCHAFT
Charisma 2 – Streich traf Brandt 68
Der Preis ist heiß - Auszeichnung der FWTM 68
Meer her – Gins mit Strand-Geschmack 69
900 Jahre Stadtgeschichte – Das schwarze Loch 70
Stimmen zur zweiten Ausgabe –
ZETT. Das Kulturmagazin für Freiburg 70
52
51
En marche
Stepan Capek
Schöne geschichten
Neuzugänge in der Stadtbib
29
Bleibender Eindruck
Kunst aus der Straßenschule
zett. November 2019
5
leidkultur
Aufklärung bitte!
von Arne Bicker
Als ich zum ersten Mal im Spätjahr
2018 von einer Fridays- For-Future-
Demonstration hörte, dachte ich in den
ersten Sekunden der Nachricht: Ja cool,
junge Menschen gehen endlich massiv
und unnachgiebig auf die Straße für Frieden
und gegen die vielen Kriege in unserer
Welt. Ich hatte mich geirrt, wie ich
kurz darauf erfuhr.
Es ging um die Rettung des Klimas,
das wir Menschen erwiesenermaßen so
nachhaltig stören, dass ich selbst die Auswirkungen
in Freiburg schon deutlich zu
spüren bekomme. Auch das ist ein hehres
Ziel für weltweite Proteste gegen einen
kaum zu verstehenden Teilstillstand in
der Weiterentwicklung der Menschheit.
Wir können der schwedischen Aktivistin
Greta Thunberg dankbar sein, dass sie
dieses Thema aufs Tapet gebracht und
innerhalb nur eines Jahres ein massives
weltweites Bewusstsein für den Klimaschutz
und darauf bezogene Handlungsnotwendigkeiten
losgetreten hat. Das
heißt indes nicht, dass absolut alles, was
diese junge Dame nun sagt, wie göttliche
Gebote behandelt werden muss.
Es bedarf der Aufklärung. Genau wie
in jener Frage, warum Morde weltweit
streng geahndet werden, solange sie
nicht von Staatslenkern beauftragt sind,
das Führen einer kriegerischen Auseinandersetzung,
in deren Rahmen Menschen
Körperteile abgehackt, Frauen vergewaltigt
und Kinder mit Nervengift besprüht
werden – nur so zum Beispiel – jedoch
als schicksalhaft hingenommen werden.
Warum ist im Jahr 2019 weltweiter Friede
noch lange keine Selbstverständlichkeit?
28 kriegerische Konflikte weltweit, von
der Türkei über Syrien und Myanmar bis
in den Jemen zählt die Arbeitsgemeinschaft
Kriegsursachenforschung (AKUF)
an der Universität Hamburg für 2018 auf.
Sollten wir alle nicht auch dagegen protestieren,
bis es aufhört? Während unsere
Nation sehr fleißig Waffen exportiert, die
danach aber – bitteschön, also wirklich! -
nicht benutzt werden sollten.
Handlungsdruck? Hier eher weniger.
Stattdessen versucht sich unsere deutsche
Bundesregierung erst mal an einem
Klimapaket, das Fragen aufwirft.
Was glauben unsere Volksvertreter, was
sie den Bürgern, die einen Klimawandel
verbal herbeisehnen, aber mehrheitlich
SUVs kaufen und nach Mallorca, Dubai
und von München nach Frankfurt fliegen,
zumuten können? Ist es wirklich realisierbar,
den gesamten Individualverkehr auf
Elektroantriebe umzustellen? Macht es
Sinn, mit einer hohen CO2-Bepreisung
und teuren Innovationstechniken Fortbewegung
zu einem Refugium für Reiche
zu machen? Wir brauchen Aufklärung.
Wie wäre es, nur so als Anfang, wenn
wir weltweit einzelnen, meist männlichen
Zeitgenossen nicht mehr die Möglichkeit
einräumten, zum Beispiel als
Foto: ZDF / getty images / Matthew Steward Bennett
Liebe und Hass - wir Menschen sind zu beidem fähig.
Die ZDF-TV-Doku „Warum wir hassen“ klärt auf.
QR-Code Doku
„Warum wir
hassen“
6 zett. November 2019
LeiDkultur
Staatsführer Hass zu säen, um Macht zu
ernten und Kriege, Verfolgung, Folter und
Verlag Droemer, 304 Seiten,
19,99 Euro.
Benedikt Herles
Foto: Fotostudio am
Kurfürstenplatz
Inhaftierungen anzuzetteln? Fallen Ihnen
dazu Namen ein? In einem nächsten
Schritt könnten wir die betreffenden Personen
auf ihren altruistischen Gemeinsinn
hin prüfen und beschränkte Macht
vielleicht ganz grundsätzlich strukturell
an ausgewogener handelnde Gremien
verteilen.
Wer zum Beispiel ganz grundsätzlich
wissen will, wie es mit der Energiewende
weitergehen könnte, der findet in
„Der globale Green New Deal“, dem
brandneuen Buch des renommierten Zukunftsforschers
Jeremy Rifkin, Hinweise
und Denkansätze zu einer weltweiten
Energiewende, die schon bald sehr viel
leichter fallen und eintreten könnte, als
heute noch gedacht.
Ganz neu gedacht ist Benedikt Herles‘
Titel „Zukunftsblind“, hinter dem der Autor
eine messerscharfe und ungemein erhellende
Bestandsanalyse menschlichen
Wirtschaftens im Woher und Wohin
abliefert. Herles verdichtet dies schließlich
zu einem konstruktiven Zehn-Punkte-Plan
voller bestechender, politischer
Handlungsanregungen, dem man nicht
in jedem Detail zustimmen muss, der
aber jedem politisch Handelnden die
Schamesblässe ins Gesicht treiben müsste,
weil er so viel weitsichtiger, klüger und
griffiger ist als jeder derzeit erkennbare
politische Impetus.
Politik. Sollten Sie sich fragen, ob Björn
Höcke irgendwann Bundeskanzler werden
könnte, ob der Mann denkt und
handeln möchte wie ein aufs brutalste
menschenverachtender Nationalsozialist,
der schon über die Zustimmung größerer,
nein großer, gemessen am Was sogar
riesengroßer Bevölkerungsteile verfügt,
so empfehle ich einen Blick in Cornelia
Koppetschs Buch „Die Gesellschaft des
Zorns“. Sie klärt uns sehr analytisch,
nüchtern, genau und verständlich darüber
auf, warum „ganze Bevölkerungsgruppen
den Boden der gemeinsamen
Wirklichkeit verlassen“.
transcript Verlag, 283 Seiten,
19,99 Euro.
Cornelia
Koppetsch
Foto: transcript Verlag
Das sollte man, das darf man ruhig wissen.
Es gäbe so viel dazu zu sagen. Aber
Lesen hilft. Und Schauen: „Warum wir
hassen“ heißt eine sechsteilige TV-Dokumentation,
die in der ZDF-Mediathek
zu sehen ist. Der US-Regisseur und Produzent
Steven Spielberg geht darin den
Fragen nach, warum Menschen hassen
und was sie ihre Menschlichkeit verlieren
lässt, woher Hass kommt, wie er sich verbreitet
und wie er sich eindämmen lässt.
Sehenswert.
campus Verlag, 319 Seiten,
26,95 Euro.
Jeremy Rifkin
Foto: FOET.org
Als Zwischenfazit ließe sich vielleicht
festhalten: Jeder Form des Extremismus
und der Aufwiegelung zum Hass sollten
wir mit allergrößter Vorsicht begegnen.
Denn Hass ist selten ein guter Ratgeber,
und einer Partei, die genau damit Politik
machte, lässt man am besten die Luft
dadurch raus, dass alle anderen Parteien
eine gute, eine bessere Politik im Sinne
derer machen, die sie vertreten.
Gut 300 Jahre nach dem ersten Zeitalter
der Aufklärung ist es gerade jetzt Zeit
für eine neue Ära der Akzeptanz für seither
neu erlangtes Menschheitswissen
und eine ausgewogene und kluge Umsetzung
der Schlussfolgerungen daraus
durch friedfertige Reformen - anstelle
verbohrten und gewaltbereiten Beharrens
auf Deutungshoheiten.
zett. November 2019
7
900 Jahre Freiburg
Freiburg feiert 900. Geburtstag
Von wegen
Hubschrauber
von Arne Bicker
Haben Sie schon mal einen
Kindergeburtstag ausgerichtet?
Für 10, 20, 30 Kinder?
Zum 900. Geburtstag der
Stadt Freiburg sind nicht nur
die Kinder, sondern auch die
Erwachsenen eingeladen. Alle.
Plus Gäste. Also 230.000 Einwohner
+ 760.000 Touristen.
Und die Party dauert ein ganzes
Jahr lang, 2020, und ach
Holger Thiemann,
Jubiläumsorganisator:
„Wir arbeiten gegen die Zeit.
Das spürt man auf allen Ebenen.
Trotzdem werden wir
eine schöne Feier basteln.“
ja, sie begann schon etwas
früher, am 23. November 2019,
mit der Ausstellung „900
Jahre Leben in der Stadt“ im
Augustinermuseum. Es gab
also einen Prolog zum Warmwerden,
wie bei der Tour de
France.
Und mindestens so anstrengend
wie das schwierigste
Radrennen der Welt ist auch
die Organisation der Feierlichkeiten.
„Uns fehlt mindestens
ein Jahr an Vorbereitungszeit“,
sagt Holger Thiemann
(67), seit dem 31. März 2018
Pensionär und seit dem 1. April
2018 Projektverantwortlicher
für das Stadtjubiläum. Zuvor
war der in Rottweil geborene
Thiemann Leiter der vor 30
Jahren gegründeten Kleinkunstmesse
„Kulturbörse“;
er arbeitete für die FWTM, im
Kulturamt und organisierte
das Rahmenprogramm der
Landesgartenschau 1986.
Die modernen Büroräume
der Jubiläumsplaner in
der Günterstalstraße 7 – davor
als Szene-Bar ‚Freigeist‘
firmierend – sind hell und
freundlich. Man möchte gern
Martin Horn,
Oberbürgermeister:
„Wir wollen wirklich feiern,
aber auch kritisch denken.
Wir wollen ein Jahr machen,
das Menschen verbindet.
Es geht um gestern, heute
und auch um morgen in der
Stadt.“
hier arbeiten, nur vielleicht
nicht unter diesem Zeitdruck.
Und die Kaffeemaschine hat
so ihre Launen, auch wenn
sie an guten Tagen einen
schwarzen Sprit produziert,
der geschmacklich nichts zu
wünschen übrig lässt.
Zum Projektteam gehören
neben Thiemann dessen
Stellvertreter Thomas
Tischler, Kristina Müller und
Susann Herbstritt, plus die
‚Teilprojektverantwortlichen‘
Sportreferatsleiter Herbert
Mayer, FWTM-Geschäftsführer
Daniel Strowitzki, der stellvertretende
Kulturamtsleiter
Udo Eichmeier und sein Mitarbeiter
Manuel Brenneisen,
sowie der Leiter des Referats
für Internationale Kontakte
Günter Burger und dessen
Mitarbeiterin Lena Walter.
Mindestens einmal pro Woche
tauscht sich Thiemann zudem
mit Kulturbürgermeister Ulrich
von Kirchbach aus.
Andere Eventmanager
planen ein Konzert oder ein
mehrtägiges Festival. Holger
Thiemann hat ein Festival mit
365 Veranstaltungstagen an
der Backe - das schlaucht. „Ja
klar, wenn ich das nicht spüren
würde, würde irgendwas
schieflaufen. Das ist eine Riesen-Herausforderung,
aber es
ist auch eine spannende Angelegenheit,
eben gerade weil
es nicht eine punktuelle Sache
8 zett. November 2019
900 Jahre Freiburg
ist. Wir zünden nicht nur fünf
Feuerwerke – und das wars.“
Bei jedem Weg zu seinem
Büroschreibtisch streift Thiemanns
Blick zwangsläufig
eine große Kalenderwand,
an der zahllose neonfarbene
Zettelchen hängen, die die
verschiedenen Aktionen markieren.
Das grellbunte Bild
überdeckt dabei die Anfangsschwierigkeiten,
mit denen
Thiemann und seine Mitstreiter
zu kämpfen hatten: „Das
Thema war zum Planungsstart
nicht mehr wirklich in
der Stadt präsent. Das Stadtjubiläum
war einfach nicht da.
Und aus der kleinen Flamme
wieder ein Feuer zu machen,
das war schwer.“
Inzwischen lodert das Feuer
– und wie. Allerdings weniger
zentralolympisch als
vielmehr von vielen kleinen
Grillstellen, wie an einem
lauen Sommerabend auf der
Sternwaldwiese. Genau das
ist Thiemanns Absicht: „Das
Cecile Verny,
Jubiläumsbotschafterin:
„Dadurch, dass ich Mischling
bin - meine Mutter war
Französin, mein Vater war
Togolese – kann ich auch dieses
offene Bild von Freiburg
vermitteln.“
ist kein Jubiläum, für das wir
einkaufen und große Veranstaltungen
präsentieren, die
man auch irgendwo anders
machen könnte, sondern es ist
ein Fest der Bürgerinnen und
Bürger Freiburgs. Und wenn
die keine Lust haben sollten,
dann wird es auch kein gutes
Fest geben. Aber das sieht inzwischen
gottseidank gänzlich
anders aus.“
Rund 500 Projektanträge
liefen bei den Machern auf;
gut 185 Projekte sollen (Stand
November 2019) realisiert
werden. Dazu kommen 35
Eigenproduktionen des städtischen
Jubiläums-Komitees
wie ein Riesen-Neujahrsempfang
in der Messe, ein 900
Meter langer Mitsommernachtstisch
am 21. Juni in der
Innenstadt, das zentrale Festwochenende
vom 10. bis 14.
Juli mit unzähligen Bühnen
(Thiemann: „An einem Punkt
muss es ja auch mal wirklich
brummen“) und eine große
Abschlussveranstaltung im
Dezember 2020.
Etliche Anträge mussten
abgelehnt werden, besonders
allzu teure oder solche,
die nicht direkt mit der Stadt
in Verbindung standen. „Es
gab auch mehrere große
Festival-Ideen mit Kosten im
dreistelligen Bereich“, erzählt
Thiemann, „aber es muss ja
auch etwas mit der Stadt zu
tun haben, sonst könnte das ja
Betty BBQ,
Jubiläumsbotschafterin:
„Endlich mal wieder was los
in der Stadt. Da kann man
ordentlich Schalala machen.“
Fotos: Arne Bicker
Stelldichein der Jubiläumsbotschafter: Auf unserem Bild posieren sieben der neun Jubiläumsbotschafter mit Planern der Stadt: (v.l.) Peter Neske (Pfizer
Healthcare), Alain Stockmayr (Bächleputzer), Cécile Verny (Jazzsängerin), Ulrich von Kirchbach (Kulturbürgermeister), Martin Horn (Oberbürgermeister),
Christian Würtz (Weihbischof), Matthias Blattmann (Tanzschule Gutmann), Betty BBQ (Stadtführerin), Birgit Bauer (Managerin SC-Frauen), Laura Kiefer
(Straßenbahnfahrerin) und Holger Thiemann (Jubiläumsorganisator).
zett. November 2019
9
900 Jahre Freiburg
auch in der Lüneburger Heide
stattfinden.“
Die teuerste Bürgeridee, die
nun umgesetzt wird, ist das
‚Hosanna-Projekt‘, bei dem
900 Musiker am 12. September
2020 sternförmig anmarschieren
und rund ums Münster
eigene Kompositionen
präsentieren, die den Ton der
760 Jahre alten Hosanna-Glocke
im Münsterturm aufgrei-
Bauwagen rotieren um das Münster –
Puzzlestücke der Freiburger Stadtgeschichte.
Illustration: Andreas Verstappen
Felicia Maier,
Kulturamtsleiterin:
„Die vielfältigen Aktionen
des Stadtjubiläums werden
viele Freiburger neugierig
machen und auf die Straße
locken. In einem solchen
Jubiläum steckt das Potenzial,
eine neue Dynamik für
künftige Fragen der Stadtgestaltung
und des Zusammenlebens
auszulösen.“
Ulrich von Kirchbach,
Kulturbürgermeister:
„So ein Jubiläum, dessen
Jahreszahl durch hundert
teilbar ist – das erleben wir
alle nur einmal. Das letzte
war kurz nach dem ersten
Weltkrieg. Und von dem
vorletzten vor 200 Jahren
ist nichts dokumentiert; da
gab es noch keine Film- oder
Tonaufzeichnung. Das wird
jetzt das erste Jubiläum,
das auch festgehalten wird.
Wir können uns alle darauf
freuen.“
x 900 Euro“: Die Spender
werden namentlich auf einer
Tafel an der Seitenwand des
Rotteckringbächles verewigt.
Rund 200.000 Euro waren bis
Anfang November 2019 eingesammelt.
Die Stadt verdoppelt
die Spenden bis weit ins Jubiläumsjahr
hinein, so dass am
Ende maximal 1,62 Millionen
Foto: Hans-Joachim Wuthenow
Das neue 20-Euro-Zahlungsmittel
in Silber. Künstler: Bastian Prillwi,
Berlin.
mer ja bekanntlich zehn Monate
andauert - mindestens.
Und einen Hubschrauber, wie
ihn Sommermärchenkaiser
Franz Beckenbauer seinerzeit
bei der WM 2006 nutzte, würde
Thiemann auf keinen Fall
besteigen: „Ich denke eher
nicht. Ich habe Höhenangst.“
fen. Das finanziell schmalste
Projekt umfasst derweil eine
Handvoll Fotokopien, die die
kirchenbegeisterte Freiburgerin
Veronika Biechele zur
Ergänzung von Führungen
durch Freiburger Gotteshäuser
beantragte.
Insgesamt drei Millionen
Euro umfasst der Gesamt etat;
die Hälfte davon wird für Personal-
und Planungskosten
gebraucht – der Rest geht in
die Projekte. Dazu kommt
noch die Spendenaktion „900
Karrikatur: Klaus Karlitzky
Das Freiburger Bobbele in Partylaune.
Euro zusätzlich für bestehende,
bislang noch zurückgewiesene
oder neue Projekte
bereitstehen könnten.
Wichtig ist Holger Thiemann,
dass aus dem Stadtjubiläum
kein reines Sommermärchen
wird: „Wir versuchen
das ganze Jahr im Visier zu haben,
damit sich nicht nur alles
auf wenige Veranstaltungen
im Sommer konzentriert.“ Das
Gerippe bilden deshalb zwölf
sogenannte Monatshighlights
– wobei der Freiburger Som-
Grafik: Arne Bicker
Erst seit 1965 regelt der absichtlich
abstrakt gehaltene und keineswegs
verwitterte Ritter Bertold den
Straßenbahnverkehr an Freiburgs
zentraler Kreuzung. Gewidmet ist
er den Stadtgründern Freiburgs, den
Herzögen von Zähringen.
Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen einige Jubiläumsprojekte vor.
Das vollständige Programm finden Sie unter "www.2020.freiburg.de".
10 zett. November 2019
900 Jahre Freiburg
Ein Spanier aus Cadiz hält
die Geschichte der Stadt Freiburg
in Comics fest: Jonatan
Alcina Segura (37) lebt seit vier Jahren in Freiburg. Im Auftrag
des Landesamts für Denkmalpflege in Stuttgart und in Kooperation
mit den Regierungspräsidien Stuttgart und Freiburg sowie
den städtischen Museen entsteht derzeit ein bunt bebildertes
Buch über das Wachsen der Stadt seit ihrer Gründung bis
heute. „Hier werden die wichtigsten Momente erzählt, so dass
die Leute die Stadtgeschichte leicht verstehen können“, sagte
der Illustrator dem Kulturmagazin ZETT. Unser Auszug zeigt
einen Entwurf zum Einfluss des französischen Festungsbaumeisters
Vauban gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Wann genau
das Buch erscheinen wird – Überraschung!
Vauban & Co.
zett. November 2019
11
900 Jahre Freiburg
Alles Schiebung
Sie sind ein eher visueller Mensch und wollen mehr über
Geschichte und Zukunft der Stadt erfahren, in der Sie leben
oder in der Sie gerade als Tourist zu Gast sind? Und Sie sind
eher weniger der Typ für eine Gruppen-Stadtführung oder
den damit verbundenen, fixen Termin? Dann losspaziert,
wann immer Sie wollen, mit Handy oder Tablet und der
Stadt-App „Future History“!
Fotos: Arne Bicker
Bild: Future History
Rolf Mathis hat die Stadtführungs-
App entwickelt.
Das Icon
zur App.
Das Martinstor lässt sich historisch verschieben –
es war früher deutlich kleiner.
Im Rahmen des 900-Jahre-Stadtjubiläums
unterstützt die Stadt Freiburg die
Entwicklung einer kleinen Zeitreise-App,
in der Großes steckt: In sechs Touren mit
rund 100 Stationen wird nicht nur die
Geschichte der Stadt beleuchtet, sondern
zum Teil auch deren Zukunft. Die
kostenlose App führt ihre wissbegierigen
Nutzer zu Standorten, von denen aus sich
das Echtzeitbild des Kameraauges per
Finger-Schieberegler mit Ansichten von
Freiburgs Vergangenheit oder Zukunft
überlagern lässt.
Welch ein Gadget –t so macht Stadtgeschichte
Spaß! Mastermind hinter der
App ist Rolf Mathis, dessen sechsköpfiges
Unternehmen „Future History“ auf ganz
Deutschland verteilt ist. Er selbst sitzt
als Freiburger Statthalter im obersten
Stockwerk des Gebäudekomplexes am
Martinstor. Der Weg dorthin führt durch
Wolken aus Frittenfettgeruch und vorbei
an zahllosen Mülltonnen auf fast allen
Stockwerken in ein helles, luftiges Co-
Working-Büro. Der Ausblick über die Kajo
ist sagenhaft. Im Besprechungsraum hat
Mathis (46) den Beamer angeschmissen.
Er möchte gleich zeigen, was Sache ist.
12 zett. November 2019
Mathis erklärt: „Jede Tour schlägt dem
Nutzer Stationen entlang eines Spaziergangs
vor, an denen jeweils historische
oder zukünftige Ansichten des Ortes auf
Smartphone und Tablet eingeblendet
werden.“ Das nenne sich „Augmented Reality“
(kurz AR) – eine computergestützte
Realitätserweiterung.
Die sechs Touren beschäftigen sich mit:
➊ Altstadt: Überblick Stadtgeschichte /
1120 - heute
➋ Vauban: Entstehung des neuen
Stadtteils / 1992 - 2006
➌ Stühlinger: Einst Industrie und
Gewerbe, heute Wohnen / 1890 - heute
➍ Altstadt / Neuburg: Zerstörung und
Wiederaufbau / 1944 - heute
➎ Dörfer am Tuniberg: Freiburg am
Tuniberg / 1900 - heute
➏ Altstadt / Stühlinger: Alles neu –
Freiburgs Stadtentwicklung / 2015 – 2030
Ergänzt werden diese Zeitsprünge
durch erläuternde Texte, Audios und
Videos – letztere unter anderem mit sonorer
Stimme eingesprochen vom langjährigen
Freiburger Theaterschauspieler
Bernd Kolarik. In den Videos sind historisch
kostümierte Gestalten ebenso zu
sehen wie luftige Drohnenaufnahmen
von Niclas Dreier.
„Da, wo wir keine Fotos hatten, waren
wir eben kreativ“, erzählt Rolf Mathis
beim virtuellen Streifzug durch die Betaversion
seiner App. Dann packt er sein
Tablet ein, und wir gehen runter auf die
Kajo. Auf dem Bürgersteig vor einer Bäckereifiliale
dreht sich Mathis um und betrachtet
das Martinstor durch die Kamera
auf seinem Bildschirm. Dann schiebt er
mit dem Finger langsam ein historisches
Schwarz-Weiß-Bild über die Echtzeitansicht:
Das Martinstor war früher nur halb
so hoch!
Die Bilder locken neugierige Blicke an,
während der Selbst-ist-der-Stadtführer
aus der Jackentasche aufklärt und unterhält.
Es empfiehlt sich das Aufsetzen eines
Kopfhörers – ansonsten ist man ruckzuck
das, was man ja eben nicht sein
wollte: Der Mittelpunkt in einer neugierigen
Touristentraube.
www.freiburg2020.future-history.eu
900 Jahre Freiburg
Freiburger Kabinett
Foto: Telemach Wiesinger
Panos Kounadis porträtierte Wiesinger
2003 vor einer extra für dieses
Foto mit Airbrush-Technik erstellten
Schwarzwald-Kulissenwand in
Kounidis‘ Atelier in der Eschholzstraße.
Der 1961 in Freiburg geborene
Künstler arbeitet als Maler und nebenher
auch als Bühnenbildner, zum
Beispiel für die ‚Schönen der Nacht‘.
Telemach Wiesinger (51) kommuniziert mit
Vorliebe zweidimensional und visuell. In seinen
Schwarz-Weiß-Porträts finden sich mal mehr,
mal weniger prominente Figuren der Freiburger
Stadtgeschichte aus den letzten 25 Jahren
wieder. „Einen subjektiven Querschnitt“ nennt
Wiesinger seine selbst entwickelten, ausdrucksstarken
Arbeiten, die er in drei Phasen
(1997-1999, 2003-2004 und 2019-2020) fertigte
und noch fertigt: Es sind sehr menschliche und
nahbare, niemals aber aufdringliche Lichtbilder
seiner Zeitgenossen.
Rund 100 Bilder, von Melise Mellinger und
Gernot Erler über Thomas Nonnenmacher und
Jens Todt zu Manu Mühl und Holger Thiemann
zeigt eine große Fotoausstellung im Rahmen
des Stadtjubiläums vom 16. Dezember 2020
bis zum 8. Januar 2021 in der Meckelhalle der
Sparkasse Freiburg.
Beeilen Sie sich, dann schaffen Sie es vielleicht
auch noch auf dem Weg durch Telemach
Wiesingers analoge Großformatkamera an die
Wand des repräsentativen Sparkassensaals in
der Kaiser-Josef-Straße.
www.telemach-wiesinger.de
zett. November 2019
13
900 Jahre Freiburg
Petra Dallmann porträtierte Wiesinger 2003 vor einer Fachwerkwand
seines Studios in Riegel – weil ihn diese an einen Sprungturm erinnerte.
Das war waschechte künstlerische Freiheit, da Dallmann lieber waagerecht
sprang, um dann zum Beispiel 2004 eine olympische Bronzemedaille
über 4 x 200 m Freistil zu gewinnen.
Foto: Telemach Wiesinger
14 zett. November 2019
900 Jahre Freiburg
Der 2009 verstorbene SC-Präsident Achim Stocker verfolgte die Heimspiele
seines Sportclubs wegen der damit verbundenen Aufregung
lieber im heimischen Wohnzimmer vor dem Teletext, oder, wie hier bei
einer verabredeten Begegnung mit Wiesinger im Jahr 2003, mit Radio
am Ohr beim Spaziergang mit Hund Thommy auf dem Schlossberg.
Foto: Telemach Wiesinger
zett. November 2019
15
900 Jahre Freiburg
Freiburger
Köpfe
Foto: privat
Thomas Kitzinger malt Freiburgerinnen
und Freiburger.
Eine Einzelausstellung des
Freiburger Malers und Reinhold-Schneider-Kulturpreisträgers,
der 1955 in Neunkirchen
/ Saar zur Welt kam,
würdigt seine fast schon chronistisch
anmutenden Porträtbilder.
2008 begann Kitzinger
damit, enge Freunde und
Künstlerkollegen wie auch andere,
in Freiburg bekannte Persönlichkeiten
fotorealistisch
zu malen. Und die Arbeit ist
noch nicht beendet – bis zur
Ausstellung im Rahmen des
Freiburger 900-Jahre-Stadtjubiläums
will Kitzinger am Ball
bleiben. Zu sehen sind seine
Bilder vom 17. Mai bis 20. September
in der Paul Ege Art Collection
(PEAC), Robert-Bunsen-Straße
5.
www.thomas-kitzinger.de
Erkennen Sie diese Freiburger?
Bilder: Thomas Kitzinger
Das WIR
schafft
Energie
900 Jahre Freiburg.
Wir bringen das Münster zum Leuchten!
20. - 29. März 2020
16 zett. November 2019
900 Jahre Freiburg
Spielfreude pur: Die Mondo Musical
Gruppe mit Regisseurin Stephanie Heine
(rechts) und dem musikalischen Leiter
Dominik Hormuth (links) will: Meer.
Foto: Arne Bicker
Glaskugelgucker
von Arne Bicker
Im Rahmen des Freiburger Stadtjubiläums
wird die Mondo-Musical-Gruppe
des Freiburger Studentenwerks ihr neues
Stück „Freiburg liegt am Meer“ präsentieren.
Der Titel klingt nach einer Sehnsuchtsschnulze
aus dem Schlagerfach.
Tatsächlich geht es aber, sehr viel ernster,
um die Zukunft Freiburgs: Was wird hier
in 900 Jahren los sein?
„Der Titel ist eine Gratwanderung, bezogen
auf den Spruch: Wenn Frankreich
nicht wär‘, läg‘ Freiburg am Meer“, sagte
uns die Regisseurin Stephanie Heine.
„Wir machen ein Stück über die Zukunft,
weil unsere Darsteller Studentinnen sind.
Und die Zukunft geht sie an.“ Heine weiter:
„Wer weiß, vielleicht liegt Freiburg in
900 Jahren ja wirklich am Meer?“ Wird
hier also der Klimawandel besungen?
„Wir drehen Aspekte aus der Freiburger
Vergangenheit ins Absurde und entwerfen
dann fünf verschiedene Visionen von
Freiburg in 900 Jahren, vom Schreckensszenario
bis zur Heile-Welt-Variante.“
Neun studierende Darstellerinnen verschiedener
Freiburger Hochschulen, eine
Live-Band mit fünf Musikern, drei Choreographinnen
und die Regisseurin proben
derzeit intensiv an dem Stück, in dem
Stephanie Heine ihren Darstellerinnen
ziemlich freie Hand lässt: „Wir entwickeln
das Stück gemeinsam.“ Für die studierte
Sängerin, Chorleiterin und Theaterpädagogin
ist dies die 11. Mondo-Produktion -
die studentische Musicalgruppe war 2007
zum 550. Jubiläum der Freiburger Universität
aus der Taufe gehoben worden. Man
kennt sich also aus mit den großen, runden
Zahlen.
Spielort ist die MensaBar in der Mensa II
an der Rempart straße. In der Vergangenheit
ging die Gruppe aber gelegentlich
auch auf Tour. Zum ersten Mal sind bei der
Meeresproduktion nur Studentinnen am
Werk. „Wir hatten diesmal keine Männer
beim Casting und wollten das auch nicht
mit Gewalt erzwingen“, meint Stephanie
Heine und verweist auf ihre neunköpfige
Gruppe, die sehr harmonisch und gefestigt
sei.
Und dieses Ensemble wagt nun also einen
Ausblick in die ferne Zukunft der
Stadt. Es geht um Utopien, Visionen und
Phantasien, wie Freiburg in einigen hundert
Jahren aussehen könnte. Wie wird
man dann leben und studieren? Wie wohnen?
Was essen? Das Stück sei etwas ernster
als die vorherigen Produktionen, sagt
Heine, auch, wenn es durchaus komische
Elemente gebe. Und die dürfen auch einfach
nicht fehlen bei den Machern von
„One Night in Schwarzwald“, „The Rhythm
Of Life“, „Endlich FREIburg!“ „Hinterwald“
und „Café Europa“.
Vorstellungen am 10., 11., 17. 18., 24.
und 25. Januar 2020, jeweils um 20 Uhr.
Am 19. und 26. Januar jeweils um 18
Uhr. Zusatzvorstellung am 31. Januar,
19.30 Uhr, im Theatersaal des Augustinums
St. Georgen, Weierweg 10.
www.mondomusical.de
zett. November 2019
17
900 Jahre Freiburg
Reinhild Dettmer-Finke (links) und Britt Schilling
sind ein eingespieltes Team.
Knastbrüder
von Arne Bicker
Foto: www.peterundpablo.de
Die erste große Fotosession fand am 3. und
4. November statt. Es hat ein gutes Jahr an
Vorbereitungen dafür gebraucht. Gespräche
mussten geführt, Anträge gestellt, Sicherheitsnachweise
erbracht werden. Dann erst
durfte die Freiburger Fotografin Britt Schilling
mit ihrem Team loslegen. In der Justizvollzugsanstalt
Freiburg. Im Café Fünfeck. Im
Knast.
Im Rahmen des Freiburger Stadtjubiläums
wolle sie „den blinden Fleck sichtbar machen“,
den die 1878 erbaute Freiburger Haftanstalt
im Herzen der Stadt bildet. Die Festung
zwischen Finanzamt und Institutsviertel,
zwischen Keplerturm und Uni-Rechenzentrum
birgt rund 300 Arbeitsplätze und 500
Gefangene, ausschließlich Männer, die zumeist
lange Haftstrafen verbüßen. Auch ist
die JVA Freiburg die zentrale Unterbringung
für männliche Sicherungsverwahrte für ganz
Baden-Württemberg.
Schillings Idee: Mit großformatigen Fotos
will sie zeigen, wie es hinter den roten Backsteinmauern
aussieht. Und sie will die Insassen
sichtbar machen und darstellen, wie
sie leben, was sie denken. Dafür durfte sie
einige teilweise recht häuslich eingerichtete
Zellen fotografieren – allerdings ohne deren
Insassen. „Wenn das Foto meiner Zelle draußen
hängt“, so ein Häftling, „dann kann meine
Frau mal sehen, wie ich hier lebe.“
Fotomontage: Brit Schilling
18 zett. November 2019
900 Jahre Freiburg
Strafgefangene hat Britt Schilling auch fotografiert,
auf einem Stuhl sitzend, von vorn
und von hinten. Die Bilder, die die Häftlinge
frontal zeigen, werden innen auf die Gefängnismauer
tapeziert. Sie werden dann auch
nur für die Menschen innerhalb der Mauern
zu sehen sein. Nur die Rückansichten werden
auf Fotoplanen gedruckt an der Außenmauer
hängen, für alle sichtbar.
Für die Anbringung der Fotoplanen fertigt
die Gefängniswerkstatt spezielle Stahlrohrrahmen.
„Es darf ja keine Übersteighilfe
sein“, erklärt Reinhild Dettmer-Finke, die das
ambitionierte Foto- und Informationsprojekt
„Strafraum“ gemeinsam mit Britt Schilling entwickelt
hat. „Da gab es wohl schon mal betrunkene
junge Männer, die das versucht haben“,
erklärt Schilling. 'Rübermachen' dürfen natürlich
nur die digitalen Daten der Fotografien.
„Ein herzliches Willkommen auf der Internetseite
der Justizvollzugsanstalt Freiburg!“
Das steht auf der Startseite der JVA-Homepage.
Und direkt darunter: „Um einen Staat
zu beurteilen, muss man seine Gefängnisse
von innen sehen (Leo Tolstoi).“ Genau damit
macht dieses Projekt nun ernst. Finanziert
von der Freiburger Bürgerstiftung, der Baden-Württemberg-Stiftung,
der Stadt Freiburg
und einer privaten Stiftung werden die dicken
JVA-Mauern durch das Projekt „Strafraum /
Absitzen in Freiburg“ virtuell ein kleines bisschen
transparent gemacht.
Die offizielle Eröffnung der Foto-Ausstellung
ist für Donnerstag, 14. Mai 2020, 18.30 Uhr, auf
dem Mitarbeiterparkplatz direkt vor der JVA
geplant. Die großformatigen und zum Teil mit
Tagebuchzitaten von Insassen ergänzten Bilder
sollen über fünf Monate bis Ende Oktober
im Außenbereich zu sehen sein. Danach werden
die Fotoplanen in der JVA-eigenen Näherei
zu Tragetaschen umgearbeitet. Die Erlöse
sollen an einen Opferfond gehen.
Während der Ausstellung wird es ein umfangreiches
Informationsprogramm mit dem
Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht,
dem Kommunalen Kino und der Evangelischen
Hochschule geben. Zusätzlich ist ein
Begleitbuch geplant.
Bliebe die Frage: Was treibt die beiden Damen
an? „Wir wollen diesen verdrängten Teil
der Stadt für die Bevölkerung sichtbar machen
und eine Auseinandersetzung mit Strafvollzug,
Resozialisierung und Wegen zurück in die
Gesellschaft anregen“, so Reinhild Dettmer-Finke.
Und Britt Schilling, die seit vier Jahren
einmal pro Woche ehrenamtlich an einem
Gesprächskreis mit dem JVA-Seelsorger Michael
Philippi und lebenslänglichen Gefangenen
teilnimmt, meint: „Es geht um den Sinn
des Strafens. Das Projekt macht eine Grenzüberschreitung,
einen Gedankenflug möglich.“
So könnte die JVA-Fotoaktion aussehen.
zett. November 2019
19
900 Jahre Freiburg
Die Sängerin Camilla Chimiak und Swing-Musiker
Martin Schreck posieren mit einem Ford-Pickup Model A
von 1930 vor dem Café Ruefino in Freiburg.
Foto: Charlotte Großmann
Freiburg-Hymne
im Big-Band-Sound
„Eine Liebeserklärung an die Stadt Freiburg
im Bigband-Format“ – so nennt der in
Freiburg geborene und im nahen Bötzingen
lebende Martin Schreck seine Eigenkomposition,
die nicht weniger ist als eine herzerwärmende
Hymne an die südbadische Metropole.
Der Titel des Stücks? „FREIBURG“ – was sonst.
Er wolle mit seinem Bigband-Arrangement
„die Stadt und das Lebensgefühl der Freiburger
musikalisch und mit einem Augenzwinkern
positiv darstellen“, sagte Schreck
unserem Kulturmagazin im Gespräch. Das
ganze geschehe in Form eines musikalischen
Spaziergangs, vorbei an Bächlen, Bollenhüten
oder der Treppe am Augustinerplatz.
„Du hast nun eingecheckt – Freiburg, ich
hab‘ entdeckt, was noch so in dir steckt…“ – so
lautet eine Songzeile. Leichtfüßig und mit viel
Swing-Feeling kommt die im Text besungene
Unbeschwertheit der Stadt daher. Verschiedene
Instrumentengruppen begleiten den
von Camilla Chimiak eingesungenen Text.
Das Big-Band-Arrangement hinter der
Sängerin wurde im Studio mit einzelnen
Freiburger Jazzmusikern im Sommer 2018
realisiert. Eine Live-Aufführung ist zunächst
nicht vorgesehen, wäre aber „ein kleiner, großer
Traum“ für Martin Schreck, der als Musiklehrer,
Trompeter und Bandleader der Freiburger
Swing-Formation „Jitterbug Perfume“
mit seiner komplett selbst arrangierten Eigenkomposition
im Retro-Swing-Feeling den
Geist der Zeit trifft - just zum 900-Jahre-Jubiläum
der Stadt.
Man könnte auch sagen: Gesucht wird -
eine Bigband! Die Studioproduktion der
Hymne kann unter dem unten stehenden
QR-Code-Link für 1,29 Euro heruntergeladen
werden; 50 Prozent der Einnahmen
werden an die Initiative
„lovingromania.de“
für Kinder in dem rumänischen
Ort Tichindeal weitergeleitet.
20
zett. November 2019
Kennen Sie das „Once-Festival“,
das „Open Air Theatersport Festival“
oder das „international screendance
festival“? Und worum geht es
bei der schlicht und einfach „Freiburg
Festival“ genannten Eventreihe,
worum bei „LocArtista“, und
wann, wo und wie oft findet das
alles statt?
Die Zahl der kulturellen Veranstaltungen
in Freiburg wächst und
wächst – Festivals und einzelne
Events scheinen sich von selbst zu
vermehren; man könnte meinen,
die Freiburger schwelgten im kulturellen
Luxus. Doch dem ist nicht
so; es klemmt an allen Ecken und
Enden, vor allem finanziell.
Das Kulturamt der Stadt muss
hier den Überblick wahren und gemäß
der städtischen Richtlinien fördern,
so gut es kann. Gefragt sind
eine „kontinuierliche und verlässliche“
Förderung „herausragender“
Projekte, die „dem städtischen Kulturleben
eine Dynamik und Offenheit
verleihen“. Auch „risikofreudige,
experimentelle und innovative
Formen“, Generationenund
Geschlechtergerechtigkeit
finden sich
gelistet im städtischen
Kulturmasterplan, ebenso
Verteilungsgerechtigkeit,
Vielfalt, Kommerzlosigkeit
und eine gute Ressourcennutzung.
Herauskommen soll dabei
am Ende eine „Stadt
der Künste“ - so fordert es
das Freiburger Kulturkonzept.
„Es ist nicht leicht,
da ein Gleichgewicht zu
finden, und man darf auf
keinen Fall den eigenen
Geschmack als Maßstab
anlegen“, sagt Felicia Maier,
die am 1. Januar 2019
die Leitung des Freiburger
Kulturamts von Achim Könneke
übernommen hat. „Und klar, die
Zahl der Veranstaltungen hat deutlich
zugenommen. Wenn ich zum
Beispiel an das letzte Juni-Wochenende
zurückdenke – da hätte man
sich zehnteilen müssen“.
Oberbürgermeister Martin Horn
gibt derweil ein klares Bekenntnis
zur Kulturförderung ab: „Freiburg
ist eine wunderbare Kulturstadt;
da geht es nicht nur um Hochkultur,
auch um Jugend- und Subkultur
– die volle Bandbreite. Das gilt es
weiter zu fördern und zu bewahren.
Gerade auch in Zeiten von immer
mehr Kommerzialisierung und immer
mehr Stress wollen wir allen
Menschen Freiräume bieten, sich
zu entwickeln. Und das geht nicht
nur in Museen und Theatern, aber
auch dort. Zusätzlich brauchen wir
freischaffende Kultur, die nicht von
oben herab gelenkt wird.“
Im offiziellen Freiburger „Handlungskonzept
Stadt der Künste“
findet sich derweil ein interessanter
Satz: „Der Konkurrenzkampf um
die Aufmerksamkeit des knappen
Guts Publikum hat sich verschärft.“
Stimmt das? Gibt es mehr Veranstaltungen
bei einem gleichbleibenden
oder gar schwindenden Publikum
in einer wachsenden Stadt?
„Die Kultur steht quasi dauerhaft
Felicia Maier leitet seit Januar 2019 die Freiburger
Kulturamtsstube am Münsterplatz.
in Konkurrenz zum sehr beliebten
Sport, zu gastronomischen Angeboten
oder zur digitalen Unterhaltung
in den eigenen vier Wänden“, sagt
Felicia Maier.
Die studierte Kulturwissenschaftlerin
hat Berufserfahrung in Zürich,
Basel, Baden-Baden und Karlsruhe
gesammelt - sie kennt ihre Klientel.
Und geht es nicht in einer Welt mit
zunehmender Freizeit und Individualisierung
auch im kulturellen Bereich
um Geld, Zeit und Prioritäten?
Seit der vorherige Kulturamtschef
Könneke nach 15 Jahren den Dienst
quittierte, um in das Amt des Referenten
für Kultur, Schule und Sport
nach Würzburg zu wechseln, sind in
Freiburg etliche neue Förderanträge
im Eingangskorb des Kulturamts
am Münsterplatz gelandet: Über 80
Kultureinrichtungen werden inzwischen
von der Stadt Freiburg institutionell
unterstützt; daneben gibt
es rund 260 einzelne, sogenannte
‚Projektförderungen‘.
Ein rares Gut
von Arne Bicker
Für letztere stehen dem Kulturamt
580.000 Euro im Jahr zur
Verfügung. Die institutionelle Förderung
schlägt mit 7,75 Millionen
Euro zu Buche – und da ist das
Stadt theater als städtischer Eigenbetrieb
mit einem Zuschuss in Höhe
von 13 Millionen Euro noch außen
vor, ebenso die städtischen Museen
und Bibliotheken.
„Etwa vier Fünftel aller
Anträge“ würden positiv
beschieden, schätzt Maier,
wobei das Amt ausdrücklich
versuche, keine
Gießkannenförderung zu
betreiben. Und immer sei
es ein Zuschuss – Eigenleistung
vorausgesetzt.
Ausgeschlossen würden
lediglich rechteverletzende
oder die weit gefassten
Förderrichtlinien nicht erfüllende
Ideen. „Und in
Einzelfällen kam es schon
vor, dass man aus dem
schriftlichen Antrag zunächst
gar nicht so genau
verstanden hat, was der
Antragsteller eigentlich
wollte“, so Maier.
In einer weiteren Schublade mit
Förderempfängern stecken städtische
Eigenveranstaltungen wie das
„Kindermusikfestival Klong“ oder
„Konzerte im Freien“. Einmalig sind
im kommenden Jahr 200.000 Euro
für den Bundeswettbewerb „Jugend
musiziert“ vorgesehen, der
vom 28. Mai bis 4. Juni 2020 im
Breisgau Station macht. Unter
„Sonstige Kulturpflege“ finden sich
zum Beispiel das „Lirum-Larum-Lesefest“
oder die „Deutsch-Französischen
Kulturgespräche“.
Foto: Arne Bicker
Kulturförderung
zett. November 2019
21
Kulturförderung
Auf der Webseite des Freiburger Kulturamts (www.freiburg.
de/pb/229672.html) heißt es: „Das Kulturamt fördert und entwickelt
durch unterschiedliche Maßnahmen ein vielfältiges
Freiräume
schaffen
Kunst- und Kulturleben in der Stadt. Es berät und unterstützt
Künstler_innen, Gruppen und Einrichtungen in allen Belangen
ihrer Arbeit, steuert Netzwerke und Kooperationen und entwickelt
die kulturellen Infrastrukturen in der Stadt weiter. Für
Kunst- und Kulturprojekte werden meist über Fachjurys einmalige
und mehrjährige Zuschüsse vergeben. Einzelne Veranstaltungen
und Einrichtungen werden auf Basis von Beschlüssen
des Gemeinderates institutionell gefördert.“
Über die institutionellen Förderungen entscheidet also direkt
der Freiburger Gemeinderat in seinen Sitzungen; die Projektförderung
wird vom Kulturamt, zum Teil mit Hilfe externer
Experten beschieden, wobei der Gemeinderat hier zumindest
den ideologischen und finanziellen Handlungsrahmen vorgibt.
In unserer Auflistung zeigen wir, welche Kultureinrichtungen
in Freiburg im kommenden Jahr 2020 in welchem Maße gefördert
werden. Die Zahlen finden sich im frei zugänglichen Doppelhaushaltsplan
der Stadt. Unsere Auflistung erhebt keinen
Anspruch auf Vollständigkeit und wird hier vom Kulturmagazin
ZETT. ohne Gewähr veröffentlicht.
Zuschussempfänger Ansatz 2020
EUR
Teilhaushalt 12 - Teilbudget Kulturamt
Archiv
Projektförderung
Wissenschaftliche Arbeiten zur Stadtgeschichte 2.140
Institutionelle Förderung
Archiv Soziale Bewegungen e.V. 63.510
Breisgau Geschichtsverein Schau-ins-Land 3.210
Musik
Projektförderung
Basisförderung der Chöre 42.870
Förderung der Musik- und Gesangsvereine 122.880
Förderung der Chöre 37.720
Förderung der Musik 39.570
Förderung der Jazz- und Popmusik 13.930
Anton-Webern-Chor 10.720
Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble e.V . 36.770
Bluesfreunde Freiburg e.V. 8.000
Bretterbude 7.000
Camerata Vocale 28.000
Choeur3 15.760
Chorstadt Freiburg 15.000
Ensemble-Akademie Freiburg 20.000
Ensemble Aventure 26.790
Ensemble Recherche 89.300
E-Werk: Jazzfestival 21.430
Experimentalstudio für akustische Kunst e.V. 85.330
Freiburg stimmt ein 25.000
Freiburger Barockorchester 619.550
Freiburger Booking Fonds e.V. 30.000
Holst Sinfonietta 15.000
Jazz am Schönberg 5.000
Jazzchor 36.270
Jazzkongress 23.520
Mehrklang-Gesellschaft für Neue Musik e.V. 57.870
multicore 15.000
Musik im Dialog e.V. 10.000
Stiftung BW Ensemble-Akademie Freiburg e.V. (Erbbaupacht) 25.600
Tamburi Mundi e.V. 28.830
Zuschussempfänger Ansatz 2020
EUR
Vereinigung Freiburger Jazzhaus e.V. 20.950
Vereinigung Freiburger Jazzhaus e.V. (Mietzuschuss) 44.700
Voice Event 26.000
Zelt-Musik-Festival GmbH 48.950
Kulturförderung
Sonstige Veranstaltungszuschüsse 6.270
Sonstige Projektzuschüsse Internationales 15.760
Bildende Kunst
Projektförderung
Förderung der Bildenden Kunst 28.240
Institutionelle Förderung
Depot K e.V. 7.880
ILLU Freiburg e.V. 10.000
Kulturwerk des BBK (T66) 16.070
KünstlerWerkstatt L6 e.V. 8.600
Kunstkonzept 63.290
Kunstverein Freiburg e.V. 148.200
Kunstverein Freiburg e.V. (Mietzuschuss) 269.550
Kunst im Faulerbad 15.510
Freie Theater
Projektförderung
Freie Theaterprojekte (Kleinbühnen) 128.390
InstitutionelleFörderung
Aktionstheater Panoptikum 16.070
Bewegungs-art freiburg e.V. 68.040
Cala Theater 30.000
Cargo Theater 30.760
Die Schönen der Nacht 45.180
E-Werk: Festival Theater und Tanz 187.170
E-Werk: Tanzplattform 25.000
Theater der Immoralisten GbR 51.520
Theater im Marienbad 533.260
Theater im Marienbad (Mietzuschuss) 385.270
Theater Harrys Depot 51.270
Wallgraben Theater 246.140
Opera Factory Freiburg e.V. 16.070
22 zett. November 2019
Kulturförderung
Zuschussempfänger Ansatz 2020
EUR
Literatur, Film, Soziokultur
Projektförderung
Sonstige Projektzuschüsse Film 41.010
Sonstige Projektzuschüsse Literatur 5.380
Institutionelle Förderung
Breisgauer Narrenzunft e.V. 10.720
Breisgauer Narrenzunft e.V. (Mietzuschuss) 21.810
E-Werk Freiburg e.V. 297.990
E-Werk: (Mietzuschuss) 265.600
E-Werk: Spenden refinanziert 18.000
E-Werk: Zuschuss Südufer 117.030
E-Werk: Erbbauzins Südufer 2.290
Fabrik für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. 182.580
Fabrik für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.
Spenden refinanziert 47.000
Freiburger Lesbenfilmtage e.V. 15.760
Freundes- und Förderkreis der Zinnfigurenklause
im Schwabentor Freiburg e.V. 7.770
Freundes- und Förderkreis der Zinnfigurenklause
im Schwabentor Freiburg e.V. (Mietzuschuss) 4.210
Greenmotions Filmfestival 10.700
Heinrich-Hansjakob-Gesellschaft 220
Historische Freiburger Bürgerwehr e.V. 550
Kulturaggregat 36.270
Kommunales Kino e.V. 235.930
Kommunales Kino e.V. (Mietzuschuss) 53.350
Kommunales Kino e.V. Freiburger Filmforum 32.570
Literatur-Forum Südwest e.V. 160.270
Literatur-Forum Südwest e.V. (Mietzuschuss) 45.480
Literatur-Forum Südwest e.V. Freiburger Literaturgespräch 34.150
Medienwerkstatt Freiburg e.V., SchülerFilmForum 11.560
Muettersproch-Gsellschaft 340
Radio Dreyeckland 5.250
Schwarzwaldverein e.V. 220
Schwule Filmwoche Freiburg e.V. 8.410
Slow Club 20.510
Zuschussempfänger Ansatz 2020
EUR
Proberäume Kepler-Gymnasium 29.700
Wallgraben Theater 140.650
KünstlerWerkstatt L6 e.V. 20.790
Centre Culturel Francais Freiburg e.V. 110.800
Summe Entgeltfreie Überlassungen THH 12 -
Teilbudget Kulturamt 764.580
Teilbudget Kulturamt:
Sonstige Kulturpflege:
Kulturelle Aktivitäten (einschl. Andruck) 24.000
Deutsch-Französische Kulturgespräche 40.000
Lirum-Larum Lesefest 37.000
Internationaler Kulturaustausch 15.000
Reinhold-Schneider-Preis 52.000
Eigene Ausstellungen Kunsthaus L6 30.000
Sonst. Kulturaktivitäten 3.500
Kulturagenten für kreative Schulen 30.000
Interkulturelles Stattfest 30.000
Kunstkommission 13.500
Gesamtsumme 275.000
Musikpflege:
Klong, Kindermusikfestival 32.000
Konzerte im Freien 17.000
Creole Reihe 10.000
Bundeswettbewerb Jugend musiziert 200.000
Gesamtsumme 259.000
Foto: Arne Bicker
Kulturelle Bildung
Institutionelle Förderung
Carl-Schurz-Haus 99.810
Centre Culturel Francais Freiburg e.V. 164.730
Community Oper 22.500
Erwachsenenbildung-Bildungswerke 19.290
E-Werk: Jugendkunstparcours 21.010
Feministisches Zentrum Freiburg e.V. 13.930
Jugendbildungswerk e.V., Haus der Jugend 648.450
Jugendbildungswerk e.V., Haus der Jugend
Schulraummiete ASB 22.000
Konfuzius-Institut 24.180
Kulturwunsch Freiburg e.V. 35.610
Landesverband Badische Heimat 10.510
Nachbarschaftswerk Freiburg e.V. 3.870
Schwere(s)Los! e.V. 41.010
Zwetajewa-Zentrum 18.910
Summe Teilhaushalt 12 - Teilbudget Kulturamt 7.656.940
Entgeltfreie Überlassungen (Mieten/Mietnebenkosten)
Förderverein Subkultur (KTS-Ini), inklusive Ateliers 265.060
Jugendbildungswerk e.V., Haus der Jugend 197.580
Am 19.10.2019 feierte das erste Freiburger Atelierhaus 40. Geburtstag: Die
Villa Mitscherlich in der Günterstalstraße (unser Foto zeigt das Treppenhaus)
beherbergt städtisch geförderte Ateliers für 19 Künstler. Das Haus wurde 1890
vom Chemiker Alexander Mitscherlich erbaut und war zwischenzeitlich Sitz
des Max-Planck-Instituts für internationales Strafrecht.
zett. November 2019
23
kultur am start
Foto: Felix Groteloh
Geheimtipp
Kulturbörse
von Arne Bicker
von Arne Bicker
Die Freiburger Funkband FATCAT bereichert 2020 die
große Eröffnungsgala der Kulturbörse.
24
zett. November 2019
kultur am start
32. Internationale Kulturbörse Freiburg
26. - 29. Januar 2020
Sonntag 26. Januar | 20 Uhr | Theatersaal 1
Opening Gala
mit Siegfried & Joy (D - unkonventionelle Magie), Lisa Christ
(CH - Slam-Poetin), Franco & Lolla (US - Counterweight Rope
Duo), Kaiser & Plain (D, Musikkabarett), FatCat (Freiburger
Funkband) und Matthias Romir (D – Schwarzclown).
Montag, 27. Januar | 20.15 Uhr | Theatersaal 1
Körpertheatershow „Nautilus“
des umwerfend komischen Neuseeländers Trygve Wakenshaw.
Dienstag, 28. Januar | 19.30 Uhr | Theatersaal 1
Varieté-Abend
mit Helena Jans (BE) und Johannes Prinz (D - Strapaten), Chu
Chuan-Ho (TW - Diabolo), Duo Cardio (FR - Stangenbalance),
Lotta & Stina (BE - Rola-Bola), Tori Boggs & the Boys (US -
Springseil) und Martin Sierp (D – Comedian).
Dienstag, 28. Januar | 20 Uhr | Theatersaal 1
Freiburg Vocal Night Vol. II
Mittwoch, 29. Januar | 19.30 Uhr | Theatersaal 3
Poetry-Slam-Abend
www.kulturboerse-freiburg.de
Und dann gibt es da noch die abendfüllenden Leuchttürme der
Kulturbörsen-Unterhaltung: Die Opening-Gala, das Körpertheater
Nautilus, das Varieté, die Freiburger Vocal Night und den
Poetry-Slam.
Bekannt ist die IKF vor allem dem Fachpublikum – Künstlern,
Agenturen, Veranstaltern. „Für unsere Fachbesucher ist die Kulturbörse
fast so etwas wie ein Klassentreffen - man kennt sich,
tauscht sich aus und knüpft neue Verbindungen.“, so Susanne
Göhner. Sie möchte in den kommenden Jahren im Großen und
Ganzen am Konzept der IKF festhalten und die Messe zudem
als Plattform für neue Kunstformen wie den zeitgenössischen
Zirkus etablieren, noch internationaler werden und auch die
Förderung von Nachwuchskünstlern noch mehr als bislang in
den Vordergrund rücken.
Zwar ist das flächenmäßige Potential der Messe Freiburg
durch die IKF ausgeschöpft (Göhner: „Wir können hier kaum
noch weiter wachsen“), aber für Besuche des Freiburger Publikums
gilt das nicht. Ganz normale Freiburger
können sich hier an abwechslungsreichen
und innovativen Zwanzig-Minuten-Auftritten
bekannter oder weniger bekannter
Künstler berauschen – kein noch so
opulentes TV-Programm hat das zu
bieten. ZETT. meint: Nix wie hin.
Susanne Göhner leitet
die Freiburger Kulturbörse.
Foto: IKF
Kann so etwas wie eine große und seit Jahrzehnten stattfindende,
öffentliche Messe in Freiburg noch ein Geheimtipp sein?
Wie wäre es mit einem Besuch der Internationalen Kulturbörse
Freiburg (IKF), die von Montag, 27., bis Mittwoch, 29. Januar
2020, zum 32. Mal über die Bühne geht?
Genauer gesagt über deren fünf: Die größte Fachmesse für
Bühnenproduktionen, Musik und Events im deutschsprachigen
Raum beherbergt eine Straßentheaterbühne, drei Bühnen
für darstellende Kunst und eine Musikbühne - die letzteren in
vier separaten Theatersälen, die vom Aachener Unternehmen
„Artec“ hochprofessionell eingerichtet und betrieben werden.
Hier zeigen Varieté-Artisten, Comedians, Kabarettisten, Musiker,
Zirkusartisten und Straßentheaterkünstler Ausschnitte aus
ihren aktuellen Produktionen und Programmen. Rund 5.000
Besucher, davon etwa 95% Fachpublikum, plus rund 400 Aussteller
- das sind die Eckdaten der IKF, die seit 2018 von Susanne
Göhner geleitet wird.
Die gebürtige Reutlingerin löste Holger Thiemann ab, der der
Messe 30 Jahre lang vorstand und sich nun um das Freiburger
Stadtjubiläum kümmert (wir berichten ausführlich in diesem
Magazin). Göhner war zuvor viele Jahre als Mitgeschäftsführerin
im Burghof Lörrach und für das Basler Festival „Culturescapes“
sowie freiberuflich im Kulturbereich tätig und fände es
„schön, wenn die Kulturbörse noch mehr in der Stadt wahrgenommen“
würde.
Gründe genug für diesen Wunsch hat sie: Zahlreiche innovative
Straßentheaterensembles, Kabarettisten, Comedians,
Artisten und Musikbands geben sich auf den fünf Bühnen die
Klinke in die Hand. Zu den Kurzauftritten kommen noch Sonderschauen,
Specials und zahlreiche Walking Acts, die der IKF
einen ganz eigenen Flair verleihen.
Seit 2008 wird darüber hinaus während der Messe für die
Bereiche Musik, darstellende Kunst und Straßentheater ein
spezieller Kulturbörsenpreis, die „Freiburger Leiter“, verliehen.
Martin Lamster
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Maria Tsianaka-Kaiser
Fachanwältin für Erbrecht
Kaiser-Joseph-Straße 269
79098 Freiburg
Telefon 0761 / 590 48 22
info@lamster-kanzlei.de
www.lamster-kanzlei.de
Jan Kuhlicke
Rechtsanwalt
Julia Kuberski
Rechtsanwältin
Lamster Kanzlei –
Ihre Rechtsanwälte
in Freiburg
zett. November 2019
25
KULTUR AM START
Kunst im Alltag
Foto: Arne Bicker
Freiburger OPEN-ART-Macher
(von links): Alfonso Lipardi,
Franziska Rist, Marcel Oettrich
und Cecilia Kaiser.
Zum dritten Mal nach 2016 und 2018 werden vom 2.
bis 10. Mai rund 150 Künstlerinnen und Künstler an 100
Orte in ganz Freiburg ausschwärmen, um Kunst zu machen
und zu zeigen. Das Ganze nennt sich „OPEN ART
2020“ – ein Festival der Kunst im alltäglichen Lebensraum.
Die feierliche Eröffnung findet am Samstag, 2.
Mai 2020, um 11 Uhr, auf dem Platz der alten Synagoge
statt.
Geboten sind diverse Kunstrichtungen wie Malerei,
Skulptur, Installation, Land Art, Tanz, Fotografie, Video,
Klang, Performance oder Aktionskunst mit selbstorganisierten
und eigenverantwortlichen Konzepten unter
dem Dach einer ehrenamtlichen Organisation, für die
in diesem Jahr Clemens Baldszun, Cecilia Kaiser, Daniel
Kuttner, Alfonso Lipardi, Marcel Oettrich, Franziska Rist
und Carina Scherer geradestehen.
Die Idee ist, dass Kunst im öffentlichen Raum, zum Beispiel
in Parks, auf Straßen, in Cafés, Büros, Supermärkten
oder Ladengeschäften auf sich aufmerksam macht und
in den alltäglichen Lebensräumen der Menschen aufploppen
soll. Künstler und Passanten oder Besucher
treten so in einen kommunikativen und direkten Austausch.
So soll der Leitgedanke von der „Kunst im alltäglichen
Lebensraum“ und dem „Alltag auf dem Prüfstand
der Kunst“ neun Tage lang gelebt werden.
www.open-art.org
Jekyll & Hyde
Daniel Leers als Dr. Jekyll (links)
und Jochen Kruß als Mr. Hyde.
Foto: Manuel Kreitmeier
Eine Polizeistation in London. Es herrscht Ausnahmezustand.
Die Zeugen geben sich die Klinke in die Hand:
Ein brutaler Gewalttäter treibt sein Unwesen in der
Stadt. Der Inspektor ist verwirrt von den Fakten. Bei dem
Täter handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um
einen gewissen Mister Hyde. Doch Hyde selbst bleibt
ein Phantom. Eben noch am Tatort, ist er im nächsten
Moment wie vom Erdboden verschluckt. Die Spur führt
zum Haus des ehrenwerten Doktor Jekyll, einer wissenschaftlichen
Koryphäe. Dem Inspektor dämmert ein
schrecklicher Verdacht. Sollten Doktor Jekyll und Mister
Hyde etwa identisch sein?
Robert Louis Stevensons berühmte Novelle ist die Vorlage
zur Theater-Studie der Freiburger Immoralisten
über das Gute und Böse in jedem von uns. In Zeiten der
politischen Correctness gilt der ‚Gutmensch‘ vielleicht
als Ideal. Doch Wut und Aggression sind im Menschen
selbst verankert. Wir alle sind Teil einer schizophrenen
Gesellschaft, deren tolerantes Verhalten auf Sand gebaut
ist.
Musik: Florian Wetter (Komposition, Klavier) & Hannah
Schwegler (Cello, Live-Elektronik). Text, Regie und
Bühne: Manuel Kreitmeier. Premiere am Samstag,
21.12.2019, 20 Uhr. Weitere Aufführungen am Freitag,
27., und Samstag, 28.12., jeweils um 20 Uhr
www.immoralisten.de
26 zett. November 2019
kultur am start
Spektakel
Manege frei
Vom 21. Dezember 2019 bis zum 5. Januar 2020 heißt es im großen Zelt auf
dem Messegelände ‚Manege frei‘ im Freiburger Weihnachtszirkus Circolo. Im 25.
Jahr seines Bestehens wartet die Traditionsveranstaltung mit einem waschechten
Jubiläums-Programm auf: Ein „Best of“ der vergangenen Circolo-Jahre wird
kombiniert mit großartigen Neuentdeckungen zu einem internationalen Reigen
spektakulärer, faszinierender und atemberaubender Weltklasse-Künstler.
Es geht um Magie, Comedy und Artistik, moderiert von Baden-FM-Moderatorin
Julica Goldschmidt. Zum Programm gehören die Gruppe Cheban mit verrückten
Riesenreifen, das Luftakrobatik-Duo Skyline, Flamenco, Gitarre, Bälle und Artistik
mit dem Duett Komplett, der Clown-Mime Daniel, das Duo Yingling mit seinen
rotierenden Schirmen, die Gruppe Space Elements, die kolumbianischen Hochseilartisten
Los Ortiz und die Würzburger Breakdance-Truppe Dreamscape. Dazu
spielt das unverzichtbare Circolo-Orchester live auf.
www.circolo-freiburg.de
Erstklassige Verführung
20-jähriges Jubiläum feiert die Dinner-Show im Europa-Park Rust zwischen
dem 15. November 2019 und dem 2. Februar 2020. Der Klassiker unter den
Rundum-Genuss-Darbietern entführt die Gäste ins schillernde New York der
wilden 70er Jahre. Im „Europa-Park Teatro“ heißt es dreieinhalb Stunden lang
Eintauchen in eine fantastische Welt aus Unterhaltung und Genuss, mit einer
einmaligen Kombinationen aus artistischer Meisterleistung, Livemusik und
Comedy. Unvergessliche Momente garniert Sterne Koch Peter Hagen-Wiest mit
einem exquisiten Vier-Gänge-Menü. Verwöhnen lassen kann man sich zudem
am 17. November 2019 und am 19. Januar 2020 mit einer exklusiven Matinée
zur Mittagszeit.
Die Reise durch New York, die Stadt, die niemals schläft, streift legendäre Clubs
und Studios, vibrierendes Nachtleben und Entertainment vom Allerfeinsten. Die
Zeit der wilden 70er erwacht im „Europa-Park Teatro“ zu neuem Leben. 25 Weltklasse-Künstler
präsentieren ein hochkarätiges Abendprogramm. Die Besucher
erwartet eine einmalige Mischung aus Musik, Tanz und Artistik – extravagant
und glanzvoll, unter anderem mit den Rollerskatern Andrej Taletski und Katsiaryna
Taletskaya, mit dem Akrobatik-Duo Alansia, dem finnischen Magier Jay Niemy,
dem Schleuderbrett-Duo Up & Down oder dem beidhändigen Speedpainter
Denys Dytyniuk. Dazu tanzt das Europa-Park Showballett.
www.europapark.de/dinnershow
Mondlandung
Vier Mal im Freiburger Konzerthaus zu sehen ist die "Traumfabrik", ein zweistündiges
Showtheater der Phantasie und Lebensfreude. Am Freitag, 10., und
Samstag, 11. Januar 2020, jeweils in zwei Vorstellungen um 16 und 20 Uhr, gibt
es Geschichten zum Eintauchen durch eine Verschmelzung von Artistik, Tanz
und Schauspiel – inszeniert mit viel Fantasie, Witz, Charme und Poesie. Artisten
mit innovativer LED-Akrobatik aus Österreich, Handschattenspiel aus Indien,
Schleuderakrobatik aus England und Dänemark, georgisches Mimenschauspiel
und Neukompositionen des Traumfabrik-Ensembles werden das Publikum verzaubern.
Die Traumfabrik lässt die verschiedenen Stile aus Varieté, Cirque Nouveau,
Tanz und Theater mit Elementen aus Artistik, Schauspiel, Musik und Licht zu
einer faszinierenden Inszenierung auf höchstem Niveau verschmelzen. Über
30 Weltklasse-Künstler aus aller Herren Länder, perfekt abgestimmte Musik
von Klassik über Pop bis Rock und faszinierende Lichtkompositionen lassen
die Zuschauer mit Witz, Charme und Poesie in eine mal nostalgische, mal futuristische
Technikwelt abtauchen. Dabei entstehen kleine Geschichten, die so
abwechslungsreich sind wie unsere Träume.
www.traumfabrik.de
zett. Monat 2019
27
Kultur am Start
Lachen kommt an
Freiburg | E-Werk | 22. und 23.12.2019
Oropax
Am Sonntag, 22., und Montag, 23.12.2019, jeweils um 20 Uhr, spielt das Chaos theater
Oropax sein Programm „Der 54. November – Die Weihnachtsshow“ im Freiburger E-Werk.
Als Brüderpaar feiert Oropax Weihnachten traditionell sehr hemmungslos. Zwischen erschossenen
Lebkuchen, den beiden Heiligen Drei Königen und gnadenlosen Enthüllungen
schneit es auf alles nieder, was Sinn macht. Nichts ist heilig außer den Scheinheiligen.
Befreit vom Ballast der konsumierten Seligkeit freut sich sogar der Osterhase. Oropax
warnt beherzt vor: „An Wein8en sollst du auf den Wein achten. So wird das frohe Fest
zum herrlichen Flüssig.“
Freiburg | verschiedene Veranstaltungsorte | 26.01.–08.02.2020
21. genzenlos-festival
Vom 26. Januar bis 8. Februar 2020 steigt in Freiburg das 21. grenzenlos-festival. An elf
Veranstaltungstagen präsentiert das Freiburger Festival für Kleinkunst, Kabarett und
Comedy frivole Jonglagen, böse Zungen, ein Satire-SEK-Quartett, ein australisches Orakel
mit Vibrationshintergrund, einen charmanten Misantropen und kabarettistische Feingeister.
Geboten werden tödlicher Wortwitz, Wiener Schmäh und Schweizer Charme in
rotzfrecher Leichtigkeit. Es gibt wilde Shows zu erleben mit absurden Alltagsgeschichten,
schräger Komik und rasantem Slapstick. Den Verstand verdrehen, das Publikumsherz erobern
und die Lachmuskeln terrorisieren werden im Vorderhaus, im SWR-Studio Freiburg
und im Berghotel Schauinsland unter anderen Fabian Flender, Severin Gröbner, Patrick
Salmen und Erika Ratcliff. www.freiburg-grenzenlos-festival.de/
Foto: Philipp Rathmer
Freiburg | Paulussaal | 05.03.2020
Özcan Cosar
Sein inzwischen viertes Programm „Cosar Nostra – Organisierte Comedy“ trägt Özcan
Cosar am Donnerstag, 5. März 2020, 20 Uhr, in den Freiburger Paulussaal. Es geht um
die Quadratur des Kreises, um Besessenheit, Wahnsinn, Träume und Visionen. Die Comedian
fragt sich: Wie schafft man es, alle Menschen zum Lachen zu bringen? Gibt es
dafür einen geheimen Code oder einen Mechanismus? Özcan Cosar begibt sich auf eine
Expedition, um die Formel zu finden. Mit Beobachtungsgabe und Humor, mit Schauspiel
und Tanz, mit Gesang und Gitarrenspiel, mit Spontanität und Kreativität kommt Cosar
als Schlitz ohr und Situationskomiker daher und erzählt derart detail- und pointenreich,
dass es nur so am Zwerchfell zwickt.
Freiburg | Theater Freiburg | 30.04.2020
Matthias Deutschmann
Am Donnerstag, 30. April, 19.30 Uhr besucht Matthias Deutschmann das große Haus im
Freiburger Theater. Nicht als Zuschauer natürlich, sondern als Wandler und Deuter auf
der Bühne. Seine Botschaft: "900 Jahre sind genug". Der Freiburger Kabarettist präsentiert
sein Lokalkolorit-Special als Freiburg-Gala und wird musikalisch begleitet vom "Silver
City Trio" (Helmut Lörscher, Dieter Ilg, Matthias Daneck), denn: Freiburg will sich feiern.
Jubiläumsberater sind in der Ökocity unterwegs und verbreiten gute und nachhaltige
Laune. Das Jubiläum ist nicht mehr aufzuhalten. Aus diesem Grunde hat sich Matthias
Deutschmann entschlossen, sein 40jähriges Bühnenjubiläum ganz in den Dienst der
900-Jahr-Feierlichkeiten zu stellen und die Schwarzwaldmetropole mit einer Jubiläumsgala
zu feiern: "Wir verbeugen uns vor dieser Stadt, mal sehen, wie tief wir kommen."
28 zett. November 2019
kultur am start
Foto: Pascal Jesser
Foto: Pascal Jesser
Foto: Pascal Jesser
Künstlerin: Anna Monte
Künstlerin: Sarah Anstey
Künstlerin: Anna Monte
Ein Bleibender Eindruck
Die Freiburger Straßenschule kümmert
sich um rund 500 junge Menschen,
meist im Alter zwischen 15 und
27 Jahren, die mit ihrem Leben aus den
verschiedensten Gründen weniger gut
klarkommen als manche Altersgenossen.
Viele von ihnen führen ein Leben
auf der Straße. 1997 wurde die Freiburger
Hilfseinrichtung gegründet, die
heute mit zehn Mitarbeitern unter dem
Dach der ‚SOS Kinderdörfer‘ firmiert.
Für die Betreuung der oftmals aufgrund
ihrer Erlebnisse sehr erwachsenenscheuen,
jungen Menschen
spielen in der Tagesanlaufstelle in der
Schwarzwaldstraße 101 auch ein offener
Kreativraum sowie ein Werkraum
eine wichtige Rolle. Hier entstehen regelmäßig
künstlerische Arbeiten, die
nicht nur ein bestimmtes Milieu widerspiegeln
sondern, wie jede andere
Kunst auch, die Freiheit der Darstellung
ausloten.
Viele dieser Arbeiten sind absolut sehenswert
und werden in der hauseigenen
‚Galerie Up Art‘ ausgestellt oder in
einem jährlichen Kalender abgedruckt.
Der aktuelle Kalender für 2019 ist ausverkauft.
Gern zeigen wir hier im
ZETT.-Magazin einige Beispiele künstlerischer
Arbeiten, die in der Freiburger
Straßenschule entstanden sind.
Foto: Felix Groteloh
www.sos-kinderdorf.de/freiburger-strassenschule
Künstlerin: Lu
zett. November 2019
29
Kalligraphie
Foto: Lisa Seger
Anna Wolf
handlettert
gern und leitet
Kurse, wie hier
im Freiburger
Grünhof.
Old Letterhand
Warum noch Schönschreiben?
von Jennifer Reyes
30 zett. November 2019
Eine Email, eine Nachricht per
WhatsApp oder noch besser: eine
Sprachnachricht! Längst gibt es
viele Wege handschriftliche Nachrichten
zu umgehen. Ich mache das,
ehrlich gesagt, ziemlich gern, denn
es sind die Zeit, die Umstände und
… ja, ich habe ein Problem mit meiner
Handschrift. Ich kann sie nicht
mehr leiden. Sie ist weder schön
noch leserlich. Also schlicht nicht
vorzeigbar.
Wenn meine Erinnerungen zurückschweifen
in die 3. Klasse der
Grundschule, dann sehe ich meine
Schreibhefte, voller glitzernder Sticker,
daneben die motivierenden
Kommentare „Toll gemacht!“ oder
„Weiter so!“. Tatsache ist: Heute
brauche ich mindestens fünf Anläufe,
bis eine Botschaft per Post-it
mit der verhassten Kugelschreiber-Sauklaue
einigermaßen anschaulich
ist. Erst dann traue ich
mich, das an einen Kollegen weiterzugeben.
Hat das Bemühen nach einer
schönen Handschrift aufgehört,
nur weil einem niemand mehr über
die Schulter schaut?
„Ihr nehmt den Brushpen zwischen
Daumen und Zeigefinger,
haltet ihn etwa in einem
45-Grad-Winkel und übt zum Aufwärmen
erstmal die kleinen Tupfer
in Tropfenform“, sagt Anna, während
sie um den Tisch mit ihren 16
fleißigen Workshop-Teilnehmerinnen
herumgeht und die Ergebnisse
kontrolliert. Anna Wolf (30) unterrichtet
Handlettering.
Seit zwei Jahren betreibt sie das
neue Schönschreiben als Hobby,
dabei vor allem das Brushlettering
(schreiben mit dem Pinsel), und kurbelt
mit ihren Workshops fleißig die
Schönschreibszene in Freiburg an.
Wenn sie nicht „lettert“, arbeitet
sie als Geschäftsführerin im Familienunternehmen
'Autohaus Wolf'
in Schelingen, einem Teilort von
Vogtsburg im Kaiserstuhl, wo sie
aufgewachsen ist.
Kaum zu glauben, aber Anna bezeichnet
sich selbst als schüchtern.
Für die Durchführung ihrer ersten
Workshops musste sie all ihren Mut
zusammennehmen: „Ich musste es
einfach ausprobieren. Jetzt oder
nie.“ Heute bietet sie in regelmäßigen
Abständen in unterschiedlichen
Locations in Freiburg Handletteringkurse
für Anfänger und
Fortgeschrittene an. Wer ihrem Instagram-Account
„aenna.art“ folgt,
erfährt alles über ihre Projekte, die
neusten Workshop-Termine, und
kann sich über einen Link auch von
Hand gefertigte Produkte bestellen.
Als Anleitung für das Lettering
teilt Anna zu Anfang des Workshops
einen Handlettering-Guide
aus. Darin werden die Technik
beschrieben und verschiedene
Schriftarten vorgestellt. In einem
Goodie-Bag finde ich verschiedene
Arten von Papier und Stiften. „Nur
über das Angleichen des Drucks
über die Pinselspitze kann man di-
cke und dünne Linien zeichnen, wodurch
dann der Kon trast zwischen
den Linien entsteht“, erklärt Anna
die grundlegende Lettering-Technik
in wenigen Worten.
Während ihres „irgendetwas
mit Druck und Medien“-Studiums
an der Hochschule für Medien in
Stuttgart, so bezeichnet sie das
gerne selbst, legte sie 2017 ein Auslandssemester
in Madrid ein. Dort
erfasste sie der Handlettering-Hype
über die soziale Plattform Pinterest.
Und das große Üben begann.
„Beim Lettering liegt der Fokus
auf jedem einzelnen Buchstaben“,
erklärt Anna. In der Kalligrafie, der
hohen Kunst des schönen Schreibens,
wird als Königsdisziplin mit
Feder und Tusche gezeichnet. Für
Kalligrafie-Einsteiger eignet sich am
besten das Brushlettering, da hier
mit einem festen Stift mit Pinselspitze,
einem sogenannten „Brushpen“,
gezeichnet wird.
Ich setze die feine Spitze des
langen Brushpens immer wieder
vorsichtig auf das feste Papier. Die
Tropfenform gelingt schnell. Die
ersten Bögen laufen auch. Jetzt
wäre es eigentlich Zeit für meinen
ersten Glitzersticker als Belohnung.
Anna? „Wenn ihr soweit seid, können
wir zusammen die ersten Buchstaben
angehen“, sagt Anna.
Ok, das Tempo zieht an! Der Druck
steigt. Aber genau den gilt es im
Handlettering regulieren zu lernen.
Nur keine Scheu, den Stift über das
Papier schwingen zu lassen. Schlimmer
als meine Handschrift kann es
eh nicht werden. Und tatsächlich:
die ersten wunderbar tanzenden
Buchstaben sind erkennbar. Ein
Blick nach links, einer nach rechts:
Bei den anderen läuft es auch.
Was mir sonst noch auffällt? Es
sind nur Frauen im Workshop. Kein
einziger Mann, der sich an einen
Brushpen traut? „Ja, hier könnte
man so leicht nette Frauen kennenlernen,
aber die Jungs trauen sich
nicht“, grinst Anna.
Es folgen das kleine „d“ in Druckschrift,
das große „B“ in Schreibschriftvariante.
Die Reihen mit den
Übungslinien füllen sich schnell. Sehen
die Buchstaben ordentlich aus,
werden sie zu Wörtern verbunden.
Später wird alles aus einem Fluss
gezeichnet. Das braucht viel Zeit
und Übung. Anna gibt Hilfestellung
und gute Tipps gegen die Ungeduld,
wenn es nicht gleich auf Anhieb
klappt.
Oft bekommt sie die Frage gestellt,
wie lange es dauert, bis man
so gut lettern kann wie sie. „Es geht
nicht darum, perfekte Buchstaben
zu erzeugen, sondern Spaß am
Lettern zu haben. Es ist alles eine
Frage der Geduld. Ich zeige gerne
jedem mein Skizzenbuch von vor
zwei Jahren, wenn mir jemand nicht
glaubt“, lacht sie. Dranbleiben lohnt
sich also.
Annas wichtigster Tipp für angehende
Letterer: „Das richtige Material
verwenden und bitte keine Vergleiche
ziehen! Einfach toll finden,
was man gemacht hat. Handlettering
ist ein Hobby, das viel Zeit und
Geduld in Anspruch nimmt. Aber jeder
kann es lernen. Auch Leute mit
einer schlimmen Handschrift“, sagt
sie. Natürlich verkneife ich mir die
Frage nicht, die mir schon die ganze
Zeit auf der Zunge brennt: „Hat
sich auch deine Alltagshandschrift
durch das Handlettering verbessert?“
Darauf erhalte ich eine Antwort,
die mich überrascht. Im gewöhnlichen
Alltag bleibe auch bei Anna
keine Zeit für die Schönschrift, sagt
sie. Doch zu sehen, was man mit
einer Handschrift kreieren könne,
sei sehr inspirierend. Ein Stück
hochwertiges Papier, ein ordentlicher
Brushpen und ein flotter
Spruch: Auf Karten und Geschenken
kann man nun auf jeden Fall wieder
mit einer ganz persönlichen Note
glänzen.
www.aenna-and-art.de
Kalligraphie
Foto: Lisa Seger
Gegen das
Vergessen:
Im Schönschreib-Workshop
erfährt
die verdrängte
Handschrift
neue Aufmerksamkeit.
zett. November 2019
31
Kalligraphie
Freiburger
Schriftkünstler
unter sich:
Rie Takeda,
Pál Mathias,
Judith Beck und
Franziska Jilg
(v.l.).
Alle Fotos:
Arne Bicker
Der schöne Brief
Künstler unter sich
von Arne Bicker
Es gibt sie natürlich auch in Freiburg: Menschen, die auf ihre Handschrift Wert legen. Mit vier von
ihnen, die das gar mit künstlerischen Ambitionen betreiben, hat sich ZETT. an einem sonnigen
Montagmittag verabredet. Schauplatz des Geschehens ist die ‚Galerie in der Freiau‘, ein beschauliches
Fleckchen Freiburg, direkt am Gewerbebach unweit des Hauptbahnhofs.
32 zett. November 2019
Als erste greift die Kalligraphin Rie Takeda
(43) zu Tusche und Pinsel. Die in Japan geborene
und seit 2002 in Freiburg lebende Schriftmalerin
gibt Workshops – sie befasst sich mit
Malerei und der Kunst in der japanischen
Kalli graphie. „Meine Kurse besuchen ganz
verschiedene Menschen“, erzählte sie ZETT.
„Es sind aber auffällig viele klassische Musiker,
Yogalehrer, Maler und Physiotherapeuten
darunter.“
Dann kniet sich Rie Takeda kurzerhand über
eine lange Papierrolle und malt die japanischen
Schriftzeichen für „ZETT. Kultur“ - direkt auf
den Brückenbohlen über dem Gewerbebach.
Alles fließt.
www.rietakeda.com
Kalligraphie
Währenddessen hat es sich Franziska Jilg (33) an einer nahen
Werkbank bequem gemacht. Im Halbschatten der Tischoberfläche
beugt sie sich über ein schwarzes Kartonblatt. Goldene
Wasserfarben stehen zur Gestaltung eines eleganten Schriftzugs
bereit. Die Pädagogin aus Gundelfingen gibt Kurse für
Zeitgenossen, die, wie sie sagt, „ihren Alltag schön gestalten
wollen“. Und dazu können eben auch Einladungs-, Platz- oder
Grußkarten gehören. Und warum nicht mal der oder dem Liebsten
ein paar im wahrsten Sinne ‚schöne‘ Worte neben das Frühstück
legen?
www.handlettering-freiburg.de
Die Lyrikerin, Kreativitätstrainerin und Kognitionswissenschaftlerin
Judith Beck (35) wartet in der Galerie. Hier hängen
zwei schwere Bronzetafeln unterschiedlicher Größe an der linken
Stirnwand – sechs Quadrate in einer, ein einzelnes in der anderen
Tafel. Es sieht ein bisschen aus wie ein archaisches Tetris.
Ihre selbstverfassten, handschriftlichen Gedichte zu den sieben
Schöpfungstagen der Erde hat Beck in Bronze gießen lassen. Auf
der großen Tafel geht es um die ersten sechs, auf der kleineren
Extratafel um den siebten Schöpfungs-, also den Ruhetag.
Biblische Schrifttafeln? „Nein, mit der Bibel hat das nicht direkt
zu tun“, so Judith Beck. „Es geht um diese sieben Tage im
Rahmen einer streng befristeten Zeitlosigkeit.“ Die beiden Arbeiten
heißen „Gaia 0.X“ und „Gaia X.0“. Inhaltlich bezögen sich
ihre Gedichte auf „den Beginn des Planeten Erde, die Evolution,
wiederholtes menschliches Versagen an der Natur und an sich
selbst, auf technischen Fortschritt und Künstliche Intelligenz, das
Ende der Menschheit und den algorithmisierten Beginn einer
neuen, beziehungsweise anderen Menschheitsform.“ Wow, von
wegen Tetris…
www.wortkunst-los.de
Der Bildhauer und Bronzeskulpturist Pál Mathias (72) bestaunt
und genießt das Treiben in seiner Galerie. Er hatte
die kleine Mini-Lawine ins Rollen gebracht, indem er an die
ZETT.-Redaktion einen kommentierenden Brief zum Lebenssinn-Thema
der zweiten Ausgabe verfasste. Der Umschlag war
durch seine äußerst ungewöhnliche und sehr schwungvolle
Tusche-Adressierung im Postberg aufgefallen.
„Der Briefumschlag trägt das Gesicht davon, was ich dem
Adressaten vermitteln will“, so Pál Mathias. „Dazu gehört auch
eine schöne oder vielleicht eine selbst erdachte Briefmarke.“
Wenn er selbst solche Briefe von Künstlerfreunden bekomme,
so bewahre er diese auf „wie einen Schatz“.
www.palmathias.de
zett. November 2019
33
Fotografie
Foto: Arne Bicker
Sonnenseiten
Stadt auf Alu
Stefan Düsseldorf hat Freiburger Strukturen neu ersonnen
und die Stadt auf Alu gebannt.
Stefan Düsseldorf (54) stürzt sich
nach Jahren als Grafikdesigner und
Kneipier in die Kunst. „Seit zwölf Jahren
mache ich alles groß“, sagt der gebürtige
Freiburger, der mütterlicherseits
Wurzeln in Andalusien hat und
dort viel Zeit zubringt. „Ein bissel
trashy Design“ nennt Düsseldorf seine
Fotokollagen, die „auch mal fünf Jahre
dauern“ können, „weil man ja nie zufrieden
ist“. Dann folgt ein Direktdruck
auf gebürstete Aluminiumplatten. Seine
rund 25 Bilder erscheinen als hitzige
Landkarten mit im wahrsten Wortsinn
verrückten Bergen, Burgen, Straßen,
Häusern, Rissen und zerbröselnden
Kanten. Sie sind mehrschichtig-geheimnisvoll;
die Techniken - Pinselstriche,
Zeichentablett, Überlagerungen
– treiben kreative Blüten. Je nach Platzierung
entfaltet das Umgebungslicht
zudem im kühlen Metalluntergrund
sein Eigenleben; Sonnenstrahlen gar
lassen die Bilder förmlich leben – man
kann dann darin spazieren gehen. Was
für eine Einladung.
34 zett. November 2019
FOTOGRAFIE
Die eigenen Gedanken fotografieren zu wollen,
ist ein aberwitziges Geschäft. Aber was
soll man machen, wenn die Imaginationen hinausdrängen
in die Welt? Der Freiburger Piotr
Iwicki schildert Notsituationen der Menschheit
mit den Mitteln einer digital konstruierten Fotografie,
die Schein und doch Sein ist und selten
Schwein hat. Das gilt auch für den Künstler
selbst, zu dessen defätistischen Arbeiten ein Galerist
synonymisierte: „beeindruckend“, „furchteinflößend“,
„allerdings nicht kompatibel“, „das
traut sich fast niemand“, „nichts für übers Sofa“.
Piotr Iwicki kann nun mal nicht aus seiner
Haut: „Mich interessiert die dunkle Seite der
Menschen.“ Und so konstruiert der gebürtige
Pole akribisch aus Nullen und Einsen Landschaften
einer entrückten Unmenschlichkeit,
voller Kraft, Präzision und Düsternis - die reinste
Bürde. Seine Bilder sind wie Krieg. Denn der ist
Bilder der Serie: „IMAGINARY PIX – Die Bilder der Vergangenheit
sind die Bilder der Gegenwart sind die Bilder
der Zukunft“. Fine Art Print, jeweils 90 x 200 cm.
für den Künstler das verbindende Element der
Menschheitsgeschichte schlechthin zwischen
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Iwickis Bilder strotzen vor Dopplungen, geisterhaften
Randerscheinungen und in Auflösung
oder im Auftauchen begriffenen Details der
blanken Not. Sie alle wollen gesucht und gefunden
werden - das Betrachten ein Prozess. Piotr
Iwickis Bilder ergießen aus der scheinbaren Ruhe
und Abstraktion eines fotografisch anmutenden
Bildkonstrukts eine lauernde, lautlose und überbordende
Eindringlichkeit mit allergrößter
Wucht. Das muss ihm erst mal einer nachmachen.
Oder vielleicht auch besser nicht.
von Arne Bicker
Kunst als
Notausgang
zett. November 2019
35
Fotografie
36 zett. Monat 2019
Fotografie
Vom Licht
Die Fotografie hat eine große
Entwicklung und Verletzung
erfahren: Die Transformation
in die Moderne, sprich,
ins Digitale. Explodierendes
Magnesiumpulver auf in die
Höhe gehaltenen Blitztafeln,
erfunden 1861 vom Essener
Eduard Liesegang, zauberte
das Erschrecken in die Gesichter
der Porträtierten. Heute
findet das Leiden eher hinter
der Kamera statt, bei weinenden
Dunkelkammerfotografen.
Der Freiburger Ablichter
Horst Sobotta (69) hat daraus
eine Tugend entwickelt und
stellt in seinen De-Lux-Installationen
eine Verbindung her
zwischen den fotografischen
Epochen, wie sie direkter nicht
sein könnte: In seinem Atelier
unter dem Dach der Villa Mitscherlich
in der Günterstalstraße
arrangiert er von Hand
entwickelte Fotografien seiner
vergangenen Ära mit früher
gängigen Fotolabor-Utensilien
zu Installationen und lichtet
all dies sodann – digital
– ab. Hier zu sehen „De Lux(e)
Nr. 1“ - Installation 2019, ca.
180 x 250 x 50 cm. In seinen
Worten: „Ich laufe nicht mehr
rum und fotografiere; ich resümiere
und rekapituliere“.
www. horst-sobotta.de
zett. Monat 2019
37
Fotografie
Zwischen
stationen
Jan Deichner (51) wurde im tschechischen
Liberec geboren, kam aber als
Dreijähriger schon nach Freiburg, wo
er aufwuchs und nach Zwischenstationen
in Mailand und Hamburg heute
wieder lebt und arbeitet. Betätigungsfelder
des Analogfotografen sind Porträts,
Reportagen, Magazinarbeiten,
Inklusionsprojekte und Werbefotografie.
Im künstlerischen Bereich sucht
Deichner mit Vorliebe nach „Halbheiten,
Unschärfe und Zwischenwelten“.
www.deichner.de
38
zett. Monat 2019
FOTOGRAFIE
“Dreams of addiction”
Foto: Janine Machiedo
Neun Freiburger Fotografinnen und Fotografen zeigen in einer
kuratierten Gemeinschaftsausstellung ihre verschiedenen
Sichtweisen auf das weibliche Geschlecht. Die Fotoausstellung
„das motiv ist weiblich“ findet von Samstag, 2., bis Sonntag, 10.
Mai 2020 in der Fritz‘ Galerie in Freiburg statt.
das motiv
ist weiblich
Jenseits von Feminismus, MeToo-Debatte, reiner Porträtarbeit
oder oberflächlicher Ästhetik fokussieren die durchweg künstlerischen
Fotografien sehr verschiedene subjektive Blicke auf
Alltag, Träume, Stärken, Visionen und Leiden der einen Hälfte
unserer Gesellschaft. Das Menschsein steht im Mittelpunkt.
Sorgfältig wurden für diese Freiburger Ausstellung Momentaufnahmen
zusammengetragen voller Strahlkraft, Bewunderung,
Selbstironie und Stärke. Zu sehen sind ausnahmslos starke
Frauen ohne überhöhende Mission. Das Kulturmagazin ZETT.
und der Zypresse-Verlag unterstützen die Ausstellung mit einem
Katalog. Zu sehen sind unter anderem Bilder von Janine Machiedo,
Judith Reinhardt, Jan Deichner und Piotr Iwicki.
www.visionfreiburg.de
HiFi Gogler | Oliver Gogler
for a better
sound @ home
Niemensstr. 9 (1.OG)
79098 Freiburg
Tel.: 0761–26666
info@hifi-gogler.de
www.hifi-gogler.de
zett. November 2019
39
? Fotografie
? ? ?
Foto: Jörg Dietrich Foto: Jörg Dietrich
Foto: Jörg Dietrich
40
zett. November 2019
FOTOGRAFIE ? ? ? ? ?
So 'ne Allee…
"Panoramastreetline" nennt der Leipziger Fotograf Jörg
Dietrich seine linearen Straßenfronten, auf die er sich seit
2010 eingeschossen hat. Eine bildgewaltige Ausstellung mit
seinen begradigten Straßenansichten zeigt der gelernte Naturwissenschaftler
demnächst in den USA und in Dresden.
Bei der Begleitung der Freundin zu einem Tagungsbesuch in
Freiburg entstanden diese drei beeindruckenden Sichtfenster.
www.panoramastreetline.com
zett. November 2019
41
DAS UC CAFÉ BEFINDET SICH IM HERZEN
DER STUDENTENSTADT FREIBURG
UND IST MIT SEINER LAGE EINMALIG!
Mit seinen 160 Sitzplätzen auf der wunderschönen Außenterrasse
und 120 Sitzplätzen im Cafe bietet das UC Café
alles, was das Herz begehrt. Egal ob nach einer anstrengenden
Shopping-Tour, Unistress oder einfach nur so.
Genieße unsere große Auswahl an leckeren Speisen und
Getränken. Unsere Kaffeespezialitäten werden von unserem
ausgebildeten Barista mit Liebe zubereitet, aber auch
unsere Cocktails werden alle frisch für jeden Gast zubereitet
und liebevoll dekoriert! Überzeuge dich selber von
unserem freundlichen Personal und hole dir etwas Urlaub
in den Alltag!
WIR FREUEN UNS AUF DICH!!
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Durchgehend warme Küche bis 23 Uhr
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42 zett. November 2019
Bücher
„Balanced Life“ nennt Janine
Machiedo dieses Selbstporträt,
das die freischaffende
Fine-Art-Fotografin und Bücherliebhaberin
aus Freiburg
in ungewöhnlicher Lektüre-
Position zeigt. Machiedos
Konzeptfotografien erzählen
surreal-skurrile und märchenhafte
Geschichten, immer mit
einem visuellen Anklang an
vergangene Tage.
Buch macht kluch
www.janine-machiedo.de
zett. November 2019
43
Bücher
Herzrutschen
Angst in der Kunst
Frau Domschke, als ich gestern Freunden gegenüber
Ihren Buchtitel „Angst in der Kunst“ erwähnte, meinten
diese, oh, da gehe es bestimmt um Wolfgang Beltracchi
und seine damalige Angst vor Entdeckung. Ist das eine
typische Freiburger Interpretation, weil Beltracchi hier
gelebt hat und wohl auch ziemlich beliebt ist?
Man kann sich gut vorstellen, dass ein Kunstfälscher
Angst hat entdeckt zu werden; das ist eine ganz reale
Angst. In dem Buch geht es aber weniger um Angst der
Künstler, sondern darum, wie Künstler Angst verarbeiten,
also um Fragen wie: Wie sieht Angst aus? Kann man
Angst begreifen? Manchmal versteht man Angst gar
nicht, wenn sie verbal beschrieben wird. Manchmal ist
sie auch geradezu unaussprechlich schrecklich. Künstler
haben das Talent, Gefühle und eben auch Angst sichtbar
zu machen; darum geht es hier: Ein Bilderbuch der Angst
sozusagen.
Foto: Arne Bicker
von Arne Bicker
In Ihrem Buch erklären Sie, dass Angst etwas sehr
Natürliches sei. Übertriebene und vor allem grundlose
Angst könne jedoch ein Krankheitsbild prägen. Leidet
unser Land oder leiden große Teile davon aktuell an einer
krankhaften Angststörung?
Man muss da die reale, die Überlebensangst, von der
pathologischen Angst unterscheiden. Pathologische
Angst ist dadurch gekennzeichnet, dass sie übermäßig
häufig auftritt, übermäßig lange andauert, in Situationen
auftritt, in denen man eigentlich gar keine Angst
haben muss und dass es Beeinträchtigungen im alltäglichen
sozialen oder beruflichen Leben und dementsprechend
einen Leidensdruck gibt. Diese spezifischen
Phobien, soziale Phobie, Agoraphobie, Panikstörung
und Generalisierte Angststörung, betreffen ungefähr
14 Prozent aller Menschen in Europa innerhalb eines
Jahres; das sind 60 Millionen Menschen in der EU. Das
sind doppelt so viele Erkrankungen wie zum Beispiel bei
Depressionen – zusätzlich zur Angst als ganz normaler
Grundemotion – und darum geht es in dem Buch.
Die Frage bezog sich eigentlich eher auf gesellschaftlich-politische
Tendenzen wie einer kollektiven Angst
vor Flüchtlingen, Angst vor Neofaschismus oder vor dem
Klimawandel…
Ich bin kein Soziologe, muss also hier ein bisschen dilettieren.
Ich kann aber berichten von der R+V Versicherung,
die jährlich eine Umfrage macht zu den Ängsten
der Deutschen. Das geht in diese Richtung: Migration,
Terrorismus, Naturkatastrophen, CO2 und so weiter.
Angst spielt in Deutschland schon eine gewisse Rolle,
man spricht ja auch von der ‚German Angst‘. Ich kann
nur sagen, dass diese subklinischen Ängste, die nicht
krankhaft sind sondern vielleicht eher einer gewissen
psychologischen Wellenbewegung folgen, laut einer
wissenschaftlichen Erhebung zumindest nicht zunehmen.
Vielleicht liegt ein anderes Empfinden auch darin
begründet, dass Medien diese Ängste aufgreifen und
ihnen dadurch ein Forum schaffen.
Das hatte ich befürchtet. Wir Deutsche lesen und sehen
auch überdurchschnittlich gerne Krimis, also Geschichten
um Angst einflößende Verbrechen. Ist es ein Teil der
deutschen Seele, Angst haben zu wollen?
Das betrifft nicht nur die Deutschen, sondern die ganze
Welt. Man spricht hier von der sogenannten Angstlust,
bei der man die Angst sucht als Nervenkitzel, als
Thrill, aber in der sicheren Überzeugung, dass die Angst
nicht in die Gefahr oder in den Tod führt. Das betrifft
auch Horrorfilme, Achterbahnen und Geisterbahnen
oder Bungee-Jumping. Das sind Situationen, in denen
man mit dem Adrenalin der Angst spielt; für manche
ist das das Salz in der Suppe. Angst ist also nicht immer
nur negativ; sie kann einen auch beflügeln und letztlich
auch Mut machen.
Haben Sie denn selber manchmal Angst, als Ärztin in
dem diagnostisch schwierigen Bereich der Psychiatrie
vielleicht einen Fehler zu machen?
Also ich glaube, die Fehlerkultur ist etwas ganz wichtiges,
dass man keine Angst haben darf, Fehler zu machen.
Aber selbstverständlich muss man sich bemühen,
Fehler, so gut es geht, zu vermeiden. Deshalb haben wir
eine sehr, sehr lange Ausbildung, arbeiten immer unter
44 zett. November 2019
Bücher
einer Supervision und im kollegialen Kontext, der uns
auch schützt. Es ist auch wichtig, dass uns Ärzten Zeit
bleibt, Entscheidungen fundiert zu treffen, was bei der
aktuellen Personal- und damit Zeitverknappung nicht
immer ganz einfach ist. Ich glaube aber ganz grundsätzlich,
dass die Angst vor dem Fehler schon der erste Fehler
ist, weil einen die Angst dann auch hemmt, die richtige
Entscheidung zu treffen. Wie das Zitat von Hegel an
der Fassade des Stuttgarter Bahnhofs sagt: „...dass diese
Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist.“
Beim Titel Ihres Buches „Angst in der Kunst“ dachte ich
sofort an Edvard Munchs „Der Schrei“. Sie haben jedoch
sein in meinen Augen vergleichsweise freundlich wirkendes
Bild „Angst“ zur Betrachtung ausgewählt. Ging es
Ihnen da rein um den Titel?
Ja, so ist es. Ich habe mich entschieden, nur solche
Werke aufzunehmen, die vom jeweiligen Künstler explizit
über den Titel oder den wortwörtlichen Inhalt in
den Kontext der Angst gestellt wurden. Sonst wäre es
uferlos geworden. Aber es kann ja vielleicht einen zweiten
Band zur impliziten Angst in der Kunst geben. ‚Der
Schrei‘ ist natürlich ganz berühmt, unter anderem auch,
weil er im alltäglichen Smartphone-Gebrauch auftaucht;
in den Emoticons finden Sie diesen kleinen Geist mit
dem blau verfärbten Mund und schreckverzerrt aufgerissenen
Augen, der offiziell Munchs Schrei nachempfunden
ist. Dieses Emoticon heißt entsprechend ‚Face
screaming with fear‘.
Sie beschreiben ein Bild des französischen Künstlers
James Tissot: „Die Angst des heiligen Josef“. Dabei geht
es um die Angst jenes Tischlers, der als Vater Jesu gilt, in
der Frage, wer denn wohl seine Frau Maria geschwängert
habe. Er wusste wohl, dass er selbst es nicht war. Erkennen
Sie in der Religion eine Methodik: Erst mal eine Angst
schüren, um dann die Erlösung anzubieten - ähnlich etwa
wie bei Geldeintreibern, Diktatoren oder der Mafia?
Ja, Geldeintreiber, Versicherungen, Regierungen und
Geschäftemacher schlagen manchmal einen kapitalistischen
Gewinn aus der Angst. Jemandem Angst zu
machen, hilft natürlich auch dabei die Dinge, die vor der
Angst schützen, zu verkaufen. Pfeffersprays und Lebensoder
Unfallversicherungen sind Beispiele dafür. Mit der
Religion möchte ich mich nicht auf dünnes Eis begeben.
Ich finde aber, das ‚Fürchte Dich nicht‘ überwiegt in der
Bibel, vor allem im neuen Testament. Diese psychotherapeutische
Funktion von Religion ist ja auch belegt. Ob
das eine Jenseits-Vertröstung ist, vermag ich hier nicht
zu sagen - das ist eine Frage des Glaubens.
Apropos Jenseits – was ist mit der Angst vor der Hölle?
Die habe ich künstlerisch nicht dokumentiert gefunden,
aber durchaus die Angst vor dem Tod, die die Angst
vor dem Jenseits, vor dem ‚Was ist danach‘ sicherlich
impliziert. Es gibt ein Bild von Andreas Paul Weber, in
dem der Tod als Skelett die Menschheit vor sich her
treibt auf eine Turmspirale, die mit Sicherheit ins Verderben
führt. Ich denke schon, dass die Angst vor der
Hölle in früheren Zeiten von der Kirche geschürt wurde.
Wenn man mit modernen Theologen spricht, ist das
wohl nichts mehr, was den Menschen gepredigt oder
als Zerrspiegel des Jenseits vorgehalten wird.
(weiter auf Seite 40)
Professor Dr. Dr. Katharina
Domschke ist seit 2016 Ärztliche
Direktorin der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie
der Uni Freiburg. Die
renommierte Angstforscherin
stammt aus Münster in
Westfalen. Sie studierte unter
anderem dort und in Boston,
promovierte in Münster
und Maastricht und arbeitete
zuletzt in Würzburg. Vor
kurzem erschien ihr Buch
„Angst in der Kunst – Ikonographie
einer Grundemotion“
im Kohlhammer-Verlag,
Stuttgart (200 Seiten, 49
Euro). Hier hat die Medizinerin
70 Gemälde und Skulpturen,
Fotografien und Installationen
zusammengetragen
und kommentiert, die von
den Künstlern in den Kontext
von Angst, Furcht oder
Schrecken gestellt wurden.
An diesen Beispielen sowie
in einer ausführlichen Einleitung
erläutert Domschke das
Wesen menschlicher Ängste.
Zu den zitierten Künstlern
gehört auch der weltweit anerkannte
Freiburger Mundund
Kieferchirurg Professor
Rainer Schmelzeisen, der in
seiner raren Freizeit Kunstobjekte
erschafft - eines davon
nimmt einen Ehrenplatz
im Buch wie auch im stilvoll
eingerichteten Chefarztbüro
in der Hauptstraße 5 ein.
zett. November 2019
45
Bücher
Können Ängste auch entgegengesetzte Pole haben
oder Antipoden – im Gegensatz zum heiligen Josef fiele
mir die Torschlusspanik ein bei älter werdenden Frauen
mit unerfülltem Kinderwunsch. Oder die Angst des Bauern,
es könne zu viel oder eben auch gar nicht regnen?
Die Angst impliziert natürlich immer, dass man eigentlich
wissen müsste, was richtig ist. Man muss wissen,
was das gute und was das schlechte Ergebnis ist und
müsste sich vor dem schlechten fürchten. Das ist aber,
wie Sie sagen, nicht immer so eindeutig. Dieser Aspekt
kommt auch als psychotherapeutische Technik zur Anwendung,
dass man eben alle Eventualitäten durchspricht
und nicht nur das vermeintlich Gefährliche. Das
erlaubt dann oftmals eine gewisse gedankliche Balance
und damit eine Reduktion der Angst.
Die AfD hat oder schürt Angst vor Flüchtlingen; viele
Menschen haben nun Angst vor der AfD – ist Angst vielleicht
auch eine Katze, die sich in den Schwanz beißt?
Das kann durchaus sein, aber da wage ich es als Psychiaterin
nicht, eine Aussage zu treffen.
Sie nennen in Ihrem Buch Humor, Selbstironie, Stressreduktion,
Sport und ein positiv-erfülltes Sozialverhalten
als natürliche Hilfen gegen allgemeine Ängste. Sollten
wir alle öfter ins Kabarett gehen oder uns mit Freunden
zum Kochen und Politisieren treffen?
Ja, das sind ganz wichtige Aspekte, um das seelische
Gleichgewicht zu erhalten. Ich glaube, dass gerade im
Zeitalter der Digitalisierung, die ja sehr viel Gutes hat,
die Psyche aber angestrengt ist. Digitalisierung kann Untersuchungen
zufolge psychischen Stress auslösen. Das
Gegenteil der Digitalisierung ist der persönliche Kontakt
und Austausch. Der ist zu pflegen. Man kann einiges
an Psychotherapie ersetzen durch funktionierende Familien
und Freundschaften; da können viele Probleme
besprochen und entaktualisiert werden. Das gleiche gilt
für Sport, ein belegtes Antidepressivum, für Achtsamkeitsübungen,
Meditation, Yoga und für Humor. Lachen
ist eine exzellente Therapie. Für klinisch relevante Angsterkrankungen
steht dann professionelle Hilfe in Form
von Psychotherapie und sehr gut verträglichen Medikamenten
zur Verfügung.
Sie selbst leben noch nicht lange in Freiburg – haben
Sie hier schon mal ein Kabarett besucht?
Ja, ich kann das Vorderhaus und Matthias Deutschmann
nur sehr empfehlen.
Welche umgangssprachliche Umschreibung der Angst
gefällt Ihnen am besten: Zum Beispiel Schiss haben oder
Muffensausen, der Arsch geht auf Grundeis oder mir geht
die Düse?
Naja, diese ganzen Volksmund-Begriffe weisen zunächst
darauf hin, dass die Symptome der Angst auch
körperliche sind. Angst findet nicht nur in der Psyche
oder der Seele statt, sondern äußert sich auch in Durchfall,
Schwitzen, Übelkeit, Schwindel, Ohnmachtsgefühlen,
Zittern und so weiter. Mir würde am nächsten liegen:
Das Herz rutscht mir in die Hose.
Ein weites Feld
Kultur ist ein enorm weites
Feld: Ob Kunst, Literatur und
Musik, Philosophie, Mythologie
und Religion - es gibt viel
zu entdecken. Die Journalistin
und Sachbuchautorin Christa
Pöppelmann zeigt, dass Kultur
keineswegs nur in Beutel
gehört und unternimmt in ihrem
Buch „Allgemeinbildung
LERNEN EINFACH GEMACHT
Allgemeinbildung
Kultur
Von der Höhlenmalerei
bis zur Digitalgesellschaft
Kunst und Literatur,
Musik und Schauspiel,
Philosophie und Religion
Neue Medien und moderne
Alltagskultur
Christa Pöppelmann
Verlag Wiley-VCH, 340 Seiten,
19,99 Euro
Kultur für Dummies“ einen
unterhaltsamen Ritt durch unsere
Kultur, von den Anfängen
bis heute und quer durch alle
Disziplinen.
Der geneigte Handbuchleser
kann sich also in dem
jüngst erschienenen Werk
durch die Kulturgeschichte
der Menschheit flanieren und
sich einen Überblick über die
schönen Künste, Literatur,
Musik, Schauspiel und Tanz
verschaffen. Auch die Welt
des Glaubens und Denkens
wird nicht ausgespart.
In einem „Top-Ten“-Kapitel
gibt es noch dazu ein Ranking
der Meisterwerke der Kunstgeschichte,
populärer Musikstücke,
interessanter Bücher
und Filme. Und für alle, die es
eilig haben, bieten „Schummelseiten“
einen gewieften,
schnellen Einblick. Und
schwupps – schon können Sie
mitreden.
Denkst Du?
Schreibst Du?
Interssieren Dich
die Stadt Freiburg,
Kunst und Kultur?
sucht noch
eine freie Mitarbeiterin /
einen freien Mitarbeiter
für die Redaktion zur
Ergänzung des Teams.
Journalistische Erfahrungen
werden vorausgesetzt.
Eine Teilnahme an unserer
Ideenschmiede ist möglich.
Formlose Bewerbung mit
bislang veröffentlichten
Artikelbeispielen bitte an
redaktion@zett-magazin.de
Dabeisein
ist alles.
46 zett. November 2019
Bücher
Mittwoch | 18.12.2019 | 19.30Uhr | Literaturhaus Freiburg
Peter Stamm liest
Langstreckenflüge schaden der Umwelt. Die gute Nachricht ist: Es gibt Alternativen!
Zum Beispiel die Langstreckenlesung des Schweizer Schriftstellers
Peter Stamm (56). Der befördert seinen neuesten Roman, „Marcia aus Vermont“,
sicher umweltfreundlich mit dem Zug nach Freiburg und liest 80 Seiten in zwei
Stunden. „Marcia aus Vermont“ ist eine Weihnachtsgeschichte, die in New York
beginnt und den Erzähler – einen Künstler namens Peter – 30 Jahre später in
Vermont einholt. Große Kunst in einfachen Sätzen. Eine Erzählung, die gefangen
nimmt wie „Ungefähre Landschaft“ oder „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“.
Oder „Agnes“, Stamms zum Schulbuchklassiker gewordener Roman, zu dem der
Autor und Theaterschreiber den letzten Abiturjahrgängen Baden-Württembergs
vielerorts persönlich Rede und Antwort stand. www.literaturhaus-freiburg.de
Hören & Staunen
Freitag | 20.12.2019 | 20 Uhr | E-Werk Freiburg
Max Goldt in Freiburg
Äh, was? Eigentlich egal. Dass Max Goldts Werk sehr komisch ist, weiß inzwischen
jeder zwischen Freiburg und Puttgarden. Dass Goldts Striche und Fäden
aber zum am feinsten Gearbeiteten gehört, das unsere Literatur zu bieten hat,
dass es wahre Wunder an Eleganz und Poesie enthält und dass sich hinter seinen
trügerischen Gedankenfluchten die genaueste Komposition und eine blendend
helle moralische Intelligenz verbergen, entgeht noch immer vielen, die nur aufs
Lachen und auf Pointen aus sind. Da bedarf es der feingeistigen Darstellung und
Interpretation – ein Glück, falls man dabei sein darf, wenn Goldt (61, bürgerlich
Matthias Ernst) dies selbst in die Hand nimmt. www.ewerk-freiburg.de
Sonntag | 22.12.2019 | 18 Uhr | Wallgraben Theater Freiburg
Die Tanne brennt
„Advent, Advent, die Tanne brennt – Weihnachten für Neueinsteiger und
Fortgeschrittene“ – unter diesem Blätterdach lesen Natalia Herrera und Dirk
Schröter kurz vor Weihnachten im Wallgraben Theater seltsame und skurrile Geschichten
wie zum Beispiel Loriots „Advent“ oder Jess Jochimsens „Grippenspiel“
vor. Denn: Für manche Menschen gerät die Vorweihnachtszeit zum Alptraum.
Der Friede auf Erden wird mit Geschenkestress und dem Streben nach dem
perfekten Festakt teuer erkauft. Gleichzeitig gilt es, maximal-beschaulich große
Mengen an Glühwein zu konsumieren. Das Wallgraben Theater macht es sich
zur Aufgabe, diesem mehrklanglichen Drängen mit Humor zu begegnen und
uns mit absurden und seltsamen Anekdoten und Geschichten auf den großen
Weihnachts-Show-Down einzustimmen. www.wallgraben-theater.com
Foto: Buzz Andersen / Unsplash
zett. November 2019
47
Bücher
Luv- und Leesenswert
Gedankenpower
Foto: Dorothee Wetzel
Karls Leben scheint völlig in Ordnung, trotzdem fühlt er, dass alles ins Wanken
gerät. Die Nähe zu Frau und Sohn schwindet immer mehr, ihre Gespräche laufen
ins Leere, auch die Beziehung zu seinem pflegebedürftigen Vater ist kompliziert.
Zum Nachdenken über sein Leben bringen ihn nicht nur seine Schüler,
die Gefängnisinsassen sind, sondern auch Homer, ein ganz besonderer Junge,
den er täglich auf seinem Weg zur Arbeit trifft. Und dann ist da Karoline, die er
gar nicht wirklich kennt, an die er aber immer öfter denken muss. Kai Weyand
erzählt kraftvoll und beweist viel Sinn für Komisches und Skurriles.
Kai Weyand „Die Entdeckung der Fliehkraft – Roman“
198 Seiten, 20 Euro, Wallstein Verlag, Göttingen.
Freigeister
Foto: Arne Bicker
Der SC Freiburg wird oft genannt, wenn es darum geht, wie man mit wenig
Geld erfolgreich im Profifußball bestehen kann. Der Karlsruher Fußballjournalist
Christoph Ruf ist Buchautor und schreibt regelmäßig für den Zypresse-„Anpfiff“.
Nun porträtiert er einen ungewöhnlichen Verein, in dem Trainer Christian Streich,
Sportvorstand Jochen Saier und Scoutingchef Klemens Hartenbach zusammen
rund 70 Jahre tätig sind. Sie stellen ihre Prinzipientreue über alles andere. Ruf
beschreibt einen liebenswerten, manchmal zögerlichen Club, der ja in seiner
aktuellen, 20. Bundesliga-Spielzeit einen furiosen Saisonstart hingelegt hat.
Christoph Ruf „Bundesliga anders / Der SC Freiburg und die Ära Streich“
186 Seiten, 18 Euro, Verlag Die Werkstatt, Göttingen.
Auge um Auge
Foto: Arne Bicker
Staatsanwalt Antonio Tedeschi erhält einen Anruf: Die Mutter seines Jugendfreundes
Vittorio Schreiber erzählt ihm mit tränenerstickter Stimme vom Tod
ihres Sohnes. Er hat sich zu Tode gehungert. Entsetzt sucht Antonio nach Gründen
für diesen grausamen Tod und gelangt bei seiner Suche an ein von Jesuiten
betriebenes Internat, das Kolleg in St. Blasien – dorthin, wo ihre Freundschaft
einst zerbrach. Eindringlich und mit psychologischer Tiefe erzählt der Freiburger
Rechtsanwalt und Romanautor Sascha Berst-Frediani von Scham, Schuld und
Schmerz – und lässt den Leser fassungslos zurück.
Sascha Berst-Frediani „Verjährung – ein Justiz-Thriller“
256 Seiten, 14 Euro, Gmeiner Verlag, Meßkirch.
Besessen
Foto: Yvonne Berardi
Der in Freiburg geborene Joachim Zelter erzählt von der Sogwirkung eines rastlosen
Pelotons. Das Zusammenwirken von Fahrrad, Mensch und sozialer Gruppe
erscheint als Räderwerk der Tempoverschärfungen, Höhenmeter und immer
größer werdenden Distanzen, ein fortwährendes Weiter und Immer-weiter-so.
Am Ende erzählt Zelters neuer Roman von uns allen, von Anpassung und Bereitwilligkeit,
von Leistungsdruck und subtiler Tempoverschärfung, von der
Unfähigkeit, auch nur eine Pedalumdrehung auszulassen. Es ist der Roman
einer Besessenheit.
Joachim Zelter „Im Feld - Roman einer Obsession“
156 Seiten, 20 Euro, Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen.
48 zett. November 2019
Bücher
Foto: privat
Hier schreibt die Freiburgerin Simone Harre, Schriftstellerin, Glücksforscherin und China-Kennerin, für das Kulturmagazin ZETT.
Fräulein Lucy und Uwe
ZETT. Kurzgeschichte
So geht das nicht. Sagt Lucy. Und krabbelt bedenklich nah an
mich ran. Du gehst jeden Morgen aus der Tür um Wasauchimmer
zu machen und ich bin hier. Du bist eine Hausspinne. Antworte
ich. Betonung auf Haus. Nimm mich mit. Fordert Lucy unbeirrt.
Nach Wasauchimmer. Nein. Lucy krabbelt näher. Wenn
du mich morgen nicht mitnimmst, krabble ich heute Nacht auf
dein Kopfkissen. Nein. Laufe über dein Gesicht. Lucy. Auf deinen
Mund. Lucyyyy! Wie viel Uhr? Lucy schwenkt ihre Vorderbeinchen!
Sie hat sehr lange Beine. Und sehr lange Haare. Okay,
sage ich. Ich nehme dich mit. Nur einmal. Um 7 Uhr. Alles klar.
Am nächsten Morgen: Was ist das? Ich deute auf etwas Kleines
auf ihrem Rücken. Ein Rucksack. Ist da was drin??? Getrocknete
Männchen. Du magst die Männchen nicht, sage ich, wieso
isst du sie dann? Wegen der Proteine. Lucy wippt froh mit frisch
geflochtenen Zöpfen, die unter einer kleinen Mütze hervorlugen
und steckt sich ein erstes Beinchen in den Mund. Ich hab
auch ein Geschenk. Fährt sie vieldeutig fort. Ein Geschenk? Für
Uwe. Ich geh nicht zu Uwe. Ich geh zu Wasauchimmer. Du gehst
jeden Morgen zu Uwe. Bevor du zu Wasauchimmer gehst. Das
weiß ich. Und jetzt gehe ich mit. Verdammt.
Wir gehen. Ich laufend. Lucy hockend. Auf meiner Schulter.
Ich laufe durch die Wiehre. Lucy zieht sich ihre Mütze enger
über den Kopf. Die Luft ist noch feucht und kühl. Frühnebel
spinnen sich die Dachgiebel entlang und hinterlassen immer
neue Muster. Mystische Himmelskalligrafien in verspielter
Jugendstilkulisse. Gefällt mir nicht. Lucy verzieht abfällig ihr
Gesicht. Was? Die Häuser. So viel Schnickschnack. Lucy ist sehr
pragmatisch. Fleischfressend, männermordend, intellektuell
und sehr pragmatisch. Wie wäre es denn besser? Quadratisch.
Weiß. Klare Struktur. Strukturen sind wichtig. Ein Spinnennetz
ohne Struktur und du verhungerst.
Die Menschen hier verhungern nicht. Wende ich ein. Sie wohnen
hier, weil sie sich in diesen Häusern besonders wohl fühlen.
Bah, sagt Lucy. Wohl fühlen. Ihr mit euren Emotionen! Alles
Quatsch. Dein Spinnennetz ist auch Kunst, erwidere ich. Nebenbei,
sagt Lucy, und steckt sich ein weiteres Stück Männchen
in den Mund. Frische Luft macht hungrig. Kunst erschaffen,
schmatzt sie, und gleichzeitig satt werden, so muss man es
machen. Das ist die richtige Balance. Ich sage: Die Chinesen
sind der Meinung: Erst essen, dann die Kunst. Und du bist doch
Taoistin.
Lucy schnaubt. Und wenn das Essen weg ist? Im Bauch vom
1,3 Milliarden Chinesen. Was ist dann? Auch beim Essen muss
man denken, findet sie. Vorausdenken. Ein Männchen, das weiß,
dass es gefressen wird, wird keinen Lebenssinn entwickeln, sich
nicht mehr fortpflanzen und es wird keine neuen Männchen
geben, die ich dann später essen kann. Also muss ich immer ein
paar übrig lassen und sie glauben machen, es sei ein Betriebsunfall.
Lucy lacht. Der Schlauere gewinnt. Ich schaudere. Das ist
nicht Kunst, das ist unethisch. Mordlüstern, Lucy.
zett. November 2019
49
Bücher
Oder aber, erwidert sie leichthin, sehr zukunftsorientierte
Selektion, ökonomisch und ökologisch einwandfrei. Ich blicke
auf meine Schulter, sehe ihre kleinen geflochtenen Zöpfe unschuldig
im Takt meines Ganges wippen, aber ihren Rucksack
verdächtig fest festhaltend. Lucy, du bist Greta Thunberg in bös,
sage ich. Lucy grinst. Danke, sagt sie. Ich blicke wieder auf die
Straße. Ein Mann mit Hund kommt uns entgegen. Der Hund
zerrt an der Leine, bleibt stehen und drückt schließlich neben
den nächsten Baum zwischen frischen Röschen und vereinzelten
ungehörigen Brennesseln sein Hinterteil an die Erde.
Lucy rümpft angewidert ihre Spinnennase. Eine Frau schießt
aus dem angrenzenden Hauseingang und zetert: Muss das
sein? Ihr Hund scheißt in meine Baumscheibe. Der Hund arbeitet
schwer. Es macht noch einmal Plöpp. Dann ist er fertig.
Die Frau zetert weiter. Das ist ein Ort für Bienen, nicht für Ihren
Köter. Wie ein Messer zückt sie ein Prospekt hervor und wedelt
damit durch die Luft. Freiburg blüht auf. Kann man dort
lesen. Seien Sie einer von 900 Baumpaten zur 900Jahrfeier
und unterstützen Sie die Artenvielfalt am Straßenrand. Der
Mann bückt sich und entfernt ungerührt mit einem Plastikbeutel
den stattlichen Haufen. Die Frau wedelt nun in Richtung
Baumscheibe. So ist das immer, die einen geben sich Mühe, die
anderen zerstören.
Der Mann erhebt sich wieder, blickt in die zarte Baumkrone
und erwidert: Ihre frommen Blümchen nehmen dem schmalen
Baum hier einfach nur den Saft. Nichts sonst. Baumscheiben
sind blanker Unsinn. Das geht ein Jahr gut. Mehr nicht. Von
wegen Unsinn. Greta wäre stolz auf mich. Der Mann bückt
sich noch einmal, bricht ein Röschen, reicht es stumm der Frau
und läuft weiter. Der Hund hinterher. Erleichtert. Jawohl, das
wäre sie, stößt die Frau noch einmal hervor. Dann starrt sie das
Röschen in ihrer Hand an. Wir laufen auch. Lucy ist still. Kein
Kommentar? Lucy schüttelt mit dem Kopf. Lächelt jedoch ein
wenig abwesend.
Wir biegen in den Sternwald ein. Mein Herz klopft bedenklich.
Ob Lucy das hört? Ich kann Uwe schon sehen. Oh Uwe. So stattlich.
Seufze innerlich. Hier, sage ich, und bleibe stehen. Wir sind
da. Guten Tag, Uwe. Ich berühre Uwe leicht an der Rinde. Mehr
geht heute nicht. Auch Uwe knarzt nur verhalten. Ich habe eine
Freundin ... meine... unterbricht mich Lucy... also heute habe ich
meine Freundin mitgebracht. Sie heißt Lucy. Hallo Uwe, höre ich
Lucy spitz, doch gut vernehmlich sagen. Uwes Zweige rauschen
zur Antwort. Lucy nimmt dies zufrieden zur Kenntnis.
Dann klettert sie von meiner Schulter bis auf den Erdboden.
Ich sehe wie sie ihren Rucksack öffnet, ihm etwas entnimmt,
wie sie etwas im Erboden rund um Uwe vergräbt und dann
zufrieden wieder an mir hochkrabbelt. Waren das Männchen?
Flüstere ich argwöhnisch. Du weißt, Uwe mag keine Proteine.
Lucy sagt wieder nichts, guckt nur triumphierend in das Antlitz
von Uwe. Dann dämmert es mir. SAMEN??? Lucy du bist wirklich
böse. Lucy lächelt noch breiter. Wir müssen jetzt leider weiter,
Wasauchimmer wartet. Wir beide. Sie schaut missbilligend auf
Uwes strammen Stamm. Dann auf ihre acht langen Beine und
schiebt ihre Mütze zurecht. Also, byebye. Uwe krümmt ein wenig
seine Wurzeln. Aber sein Blick ist zuversichtlich: Ich schaff
das. Wieauchimmer.
Tyrann im Tann
von Arne Bicker
Der mit dem Hirsch ist wieder
da: Nach dem Erfolg von
„Schwarzwälder Hirschwasser“
hat der Cartoonist Klaus
Karlitzky einen Humorschinken
nachgelegt, der ordentlich
Mundwinkelzunder in sich birgt.
In seinen „Schwarzwald-Cartoons“
geht
der in Freiamt
lebende
Künstler
mal derbe, mal zartfühlend und gelegentlich
auch mit rabiatrabenschwarzem Humor zu
Werke. Die Briten haben ja gar keine Ahnung.
Nichts, aber auch wirklich gar nichts ist
vor Klaus Karlitzky und seiner spitzen Feder
sicher. Die beliebteste Ferienregion Deutschlands
erlebt unter seinem sezierenden Blick
ihr grünes Wunder. Da wird Karlitzky als studierter
Kunsthistoriker zum Brunfthysteriker
in jenem Walde, in den er hineinruft und aus
dem ihm das Lachen zurückschallt.
Oder ist es doch nur der Hirsch, der hustend
röhrt oder röhrend hustet oder maulfaul den
Specht befeuert? Und was hat es zu bedeuten,
wenn in Sachen Weihnachtsschmuck
der menschliche Faktor zum Tragen kommt
- hängt da etwa ein Tyrann am Tann, frei nach
50 zett. November 2019
144 Seiten, über 100 Abbildungen,
Silberburg-Verlag, 14,99 Euro.
der Gewissheit, man muss sich ja nicht immer die Kugel geben?
Der Schwarzwald ist jedenfalls bei Klaus Karlitzky eine höchst
emotions- und auch sonstwie geladene Gegend, in der das
menschliche, tierische und pflanzliche Leben stets in einem
freudvollen Scheitern begriffen scheint und die Bewohner
auf einer nie endenden Suche nach Sinn und Verstand sind.
Es bleiben vor allem Fragen übrig, die wie Steinpilzpulver aus
den „Schwarzwald-Cartoons“ herausrieseln.
Ist das „Hier und Jetzt“ womöglich nur ein
Mythos? Verwandelt der Schwarzwald in einem
Prozess natürlicher Gärung Klimawandel,
Wirtschaftskrisen und gesellschaftspolitische
Veränderungen in ländliche Legenden,
die sich im Unterholz verstecken, um den
Fortschritt zu erschrecken? Überhaupt, warum
nennt man das Fortschreiten hier noch
„Wandern“? Und was hat die Freiburger Mülltrennung
mit Altglashütten zu tun oder Hunde
mit Stöckchen mit dem Belchen?
Fest steht, der Tann ist allein aus Gründen
der Tradition ein finstrer und bedarf der Erhellung
durch einen wachen Geist. Karlitzky
liefert.
Klaus Karlitzkys Cartoons sind in einer Ausstellung
vom 22. November bis 22. Dezember
2019 in der Alten Wache am Freiburger
Münsterplatz zu sehen.
www.kk-cartoon.de
Bücher
Schöne Geschichten
Die Freiburger Bibliothekarin Esther Kuschke-Rösch
mit ihrem aktuellen Lieblingsbuch.
Foto: Arne Bicker
Lesen für umsonst: Dieses oft unterschätzte und doch stets
greifbare Vergnügen bietet die Freiburger Stadtbibliothek
mit ihren vier Standorten am Münsterplatz 17, in der
Staudingerschule in Haslach, in der Falkenbergstraße 21 im
Mooswald und im Rieselfeld (Maria-von-Rudloff-Platz 2).
Im Kulturmagazin ZETT. empfehlen Bibliothekarinnen
und Bibliothekare Neuzugänge im Bestand der Freiburger
Stadtbücherei als besonders lesenswert. Heute mit Esther
Kuschke-Rösch aus der Stadtteilbibliothek Rieselfeld.
www.stadtbibliothek.freiburg.de
Johannes Krause - Die Reise unserer Gene | Propyläen-Verlag 2019 | Standnummer: „Eem Krau“
„Das Buch hat mir gefallen, weil das Thema Genetik und was man aus menschlichen Genen
nach heutigem Stand herauslesen kann, auf so unterhaltsame und informative Art und Weise
dargestellt wird, dass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Mit so manchen ironischen
Seitenhieben auf die heutige Migrationsdebatte zeichnen die Autoren die Wege, die unsere
Vorfahren nach Europa geführt haben, auf und zeigen, dass wir alle von Migranten abstammen
– die einen ganz neu, die anderen schon länger.“
Kent Haruf - Abendrot | Diogenes 2019 | Standnummer: „Zba Haru“
„Kent Harufs sechs Romane spielen alle in der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorado. Einfühlsam,
warmherzig und etwas melancholisch beschreibt er das Leben von verschiedenen Menschen in
dieser Kleinstadt, wie z.B. jenes von zwei alten Viehzüchter-Brüdern, die bereits im ersten Band
(Das Lied der Weite) ein schwangeres Mädchen bei sich aufnehmen. Nun verlässt die inzwischen
junge Frau mit ihrem Kind die Farm, und die beiden Brüder, die nach Jahren der Einsamkeit das
quirlige neue Leben lieben gelernt haben, müssen wieder mit der Stille zurechtkommen. Der
2014 verstorbene Autor ist eine richtige (Wieder-)Entdeckung. Er hat die Gabe, mit seinen Geschichten
zu berühren, uns mitzunehmen in die Welt einfacher Leute, die auch mit (Waffen-)
Gewalt ausgetragene Konflikte und mehr oder weniger alltägliche Probleme und Hoffnungen
birgt. Dabei wünscht man sich, dass die Geschichten immer weiter erzählt werden.“
Matthias Brandt - Blackbird | KiWi 2019 | Standnummer: „Zba Bran“
„Das ist eine große Empfehlung, weil der Autor es schafft, die chaotische Gefühlswelt seines
15-jährigen Protagonisten Motte nachvollziehbar zu machen, der seine Jugend in den 1970er
Jahren in der Bundesrepublik erlebt. Die Schrecken des kranken Freundes auf der einen, die ersten
Erfahrungen mit Mädchen auf der anderen Seite sind zeitlos und sehr berührend geschildert.
Eingestreute Kleinigkeiten wie das Einhaken der Gartentüre, das mühsame Trinken- und Rauchen
lernen, die Beschreibungen zweier Lehrer, der eine ein gewalttätiger Alt-Nazi, der andere
ein antiautoritärer Selbstdarsteller mit Hang zu minderjährigen Schülerinnen, lassen die Welt
der 70er glaubhaft wieder auferstehen. Ein Buch zum Lachen und Weinen – einfach schön.“
zett. November 2019 51
kunst
Fotos: Arne Bicker
En Marche
Läuft im Dienste der Kunst:
Stepan Capek
Stepan Capek (37) ist freischaffender Skulpturist, stammt aus
Schopfheim und lebt in Bollschweil bei Freiburg. Skulpturen
und Plastiken sind sein Ding. Jetzt hilft er Naturschwämmen
auf die Beine: „Escape of the Ocean“ ist eine 17 Zentimeter kleine
Skulptur, Evolutionskunst gewissermaßen, bestehend aus
einem Naturschwamm in einem handgemischten, ultramarinblauen
Pigment-Acrylat, das das Meer in sich zu tragen und
förmlich von innen zu leuchten scheint, auf einzeln modellierten
Beinen aus Epoxidharz. Eine stehende, korallenrote
Schwammschwester „Refugee“ (siehe ZETT.-Inhaltsübersicht)
misst 35 cm. Der Kunstfreund hat also die Wahl zwischen geduckter
Dynamik und aufrechter Standhaftigkeit, zwischen
Loslaufen, Verweilenmüssen und Ankommen. Betrachtungsbegleitend
empfiehlt sich eine knisternde Schallplatte mit
Charles Trenets „La Mer“.
52 zett. November 2019
? kunst ? ? ? ?
Effekte
des Sublimen
Foto: Arne Bicker
Muss sich die Kunst Gesetzen unterwerfen? Wie färbt künstlerische
Freiheit auf die Freiheit des Menschen ab? Und wie
eng darf das Verhältnis sein zwischen Ästhetik und Ökonomie?
Mit diesen und weiteren hochaktuellen Fragen beschäftigt
sich eine Sonderausgabe des Philosophie-Magazins „Hohe
Luft“. In „Der Wert der Kunst“ (9,50 Euro) wird eine Bestandsaufnahme
jener Kunst unternommen, die heute so präsent erscheint
wie nie zuvor, weil die Grenzen zwischen Kunst, Design
und Technologie zunehmend verschwimmen.
Unter anderem behandelt das Magazin folgende Themen:
Was ist schön? Kultur als Marke. Kunst und Kapitalismus. Geschmack.
Ästhetisches Erleben. Wann ist Kunst?
Auch Künstler kommen zu Wort. Das sehr lesenswerte Heft
lädt förmlich zum Debattieren ein: Welchem Kanon ist die
Kunst verpflichtet und was sind die Effekte des Sublimen? Die
Philosophie kann uns dabei helfen, subjektive ästhetische Erfahrungen
zu reflektieren und zu verstehen, was Kunst heute
eigentlich ist und soll.
www.hoheluft-magazin.de
Lina liest in Hoher Luft.
Indoor-Soccer pur!
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(30 m x 15 m)
Neuer Kunstrasen
Tel. 07665 - 6068 • www.sportpark-umkirch.de
www.stepancapek.de
zett. November 2019
53
kunst
Elfenträume
Ricardo Pulido ist ein
freundlicher Mann, höflich,
zuvorkommend. Etwas wilder
muss es wohl in seinem Kopf
aussehen. Die Bilderwelten
des seit 2017 im Freiburger
Stadtteil Stühlinger lebenden
Kolumbianers durchwehen
ineinander verwobene Tiere,
Geister, Dämonen, Ufos, Bäume
und Türme – und alles
schwebt. Neo-Surrealismus
nennt das Pulido. Seine psychedelischen
Landschaften
haben jede Bodenhaftung verloren,
sie sind eine farbenfrohe
Orgie der Fantasie, lebendig
gewordene Träume, reich
an geheimen Botschaften und
Ausdruckskraft. „Ich interessiere
mich sehr für das Geheimnisvolle,
für Mythologien,
parallele Welten und
andere Dimensionen“, sagt
Ricardo Pulido, dessen Bilder
und Skulpturen in seiner kolumbianischen
Heimat sehr
gefragt sind. Das Studium der
Malerei in Bogota hatte er abgebrochen,
es schien ihm zu
eindimensional. Pulido baute
Ufos aus Aluminium, erschuf
ein fliegendes Schiff aus Bronze,
malte „auch mit Kaffee
und Wein“, verarbeitete Polyester
und Zement. Das hier
gezeigte Bild „Elfenträume“
entstand aus Acryl und Ölfarben
auf Leinwand und ist eines
seiner wenigen Selbstporträts.
www.pulidoart.com
54 zett. November 2019
KUNST
Fotos: Arne Bicker
Kriegerin
Eva Kneipp (54) lebt in Eisenbach
bei Titisee-Neustadt.
Ein Burnout führte die Maschinenbedienerin
erst spät
zur Kunst. Nun konnten endlich
ungehindert Erinnerungen
an die Hochzeitsreise mit
Ehemann Peter 1985 nach Kenia
auf Leinwände fließen.
Starke und schöne Frauen Afrikas
sind es, die Eva Kneipp
mit Vorliebe und Liebe malt.
Auch wenn es nie zu einer
zweiten Afrikareise reichte, so
sind die Erinnerungen der
Schwarzwald-Österreicherin
an Farben, Augen und Lebensfreude
frisch wie heute. Zum
Blick auf ihre Arbeiten empfiehlt
sich Musik von Meitz:
„Africa (Mayi buye I)“.
www.kunstvombraend.com
zett. November 2019
55
Kunst
Ort des Ausblicks
Besuch im Kunstverein
von Arne Bicker
Foto: Arne Bicker
Videos, Fotos, Texte, Plastiken und
absichtsvoll verstreute Erde: Alles ist
Action im Freiburger Kunstverein.
Ein riesengroßes, rotes „KV“ markiert
die gesamte Vorderfront des ansonsten
unscheinbaren, mausgrauen und sichtbar
nicht mehr ganz jungen Hauses an
der Dreisamstraße 21 in Freiburg. Hier residiert,
was man dem schmalen Gebäude
bis auf die genannten Lettern kaum
ansieht, der Freiburger Kunstverein mit
einem galerieumrankten Ausstellungssaal,
der einmal das große Erweiterungsbecken
des Freiburger Marienbads beherbergte.
Man darf also getrost sagen:
Das Haus hat Tiefe.
Oder: Das große „KV“ könnte auch für
„Krankenversicherung“ gegen geistige
Leere durch Kunstmangel stehen. Doch
das sind Wortspielereien. ZETT. meint,
ganz handfest: Ein Besuch im Haus
lohnt sich. Architektonisch, künstlerisch,
tiefen erlebnistechnisch.
Man kann in dieser
Sternwarte des Kunstalls
problemlos und direkt in
Kontakt treten zu feuchter
Geschichte, künstlerischer
Gegenwart und
visionärer Zukunft.
„Wir sind für zeitgenössische,
bildende
Kunst zuständig“, erklärt
Direktor Heinrich Dietz,
der mit seinen 39 Jahren Heinrich Dietz.
56 zett. November 2019
noch so jung ist, dass er sich lieber Henri
nennt. Der gebürtige Münchner war
2016 vom ‚Museum Kurhaus‘ im rheinischen
Kleve nach Freiburg gekommen
und führt nun den 1827 gegründeten
Freiburger Kunstverein e. V. durch das
Fahrwasser einer Moderne, die manchmal,
so scheint es, nicht so recht weiß,
wohin mit sich. Kann die Kunst helfen?
Oder gar heilen?
Das ist viel verlangt, vor allem von zumeist
junger und internationaler Kunst,
„die noch nicht Teil des Mainstreams
ist“, wie Dietz sagt, die also ebenfalls
durch das Hier und Jetzt mäandert und
eine Richtung sucht. Und schwupps,
da taucht es auch schon auf, aus den
azurblauen Tiefen des ehemaligen
Schwimmbeckens, das Wort „Avantgarde“.
Die Vorhut des kreativen
Fortschritts, das
moderne, das zeitgenössische,
das innovative
Denken in werkgewordenen
Metaphern, in
Ahnungen vom Werden
und Sein und Sein-Können
oder Vielleicht-
Auch-Nicht-Werden vor
dem Hintergrund einer
dimensionslosen Horizonterweiterung.
Foto: Arne Bicker
Ähem. Verzeihen Sie den delirierenden
Ausflug in die verschwurbelte Feuilletonistendidaktik.
Zurück zu Herrn Dietz
im zweiten Stock: „Im kommenden Jahr
2020 beschäftigen wir uns mit der Frage,
wie wir in den Ruinen und Trümmerlandschaften
der Moderne überleben
können und heften uns dabei auch auf
die Spuren des Klimawandels.“ Im Freiburger
Kunstverein wird es wie schon in
der zweiten Jahreshälfte 2019 um fassbare
Dinge gehen wie die Besiedlung eines
Wüsten planten in den Koordinaten
Zeit, Form und Fiktion.
Science-Fiction und Kunst sollen verschmelzen
am Freiburger Ort des Ausblicks
in eine ungewisse Zukunft: Die
Ausstellung der dreiköpfigen Künstlergruppe
„The Kalpana“ aus Oslo, vom 27.
März bis 11. Mai 2020, wird „In Desert
Times“ heißen. Ausgerechnet im ehe-
maligen Freiburger Schwimmbad. 1938 wurde
die große Halle des Marienbades eingerichtet;
seit 1997 dient sie, längst als unrentabel stillgelegt,
mit ihren 400 Quadratmetern Fläche
und einer umlaufenden Galerie dem Kunstverein
als Sitz und Ausstellungssaal.
Wenn New York, Neu-Delhi, London, Paris,
Manila oder eben Oslo in Freiburg zu finden
sind, dann hier. Planmäßig präsentiert der
Kunstverein fünf Ausstellungen im Jahr. 2018
kamen 5.587 Besucher – „das einzig quantifizierbare,
aber extrem schwierige Kriterium“,
meint Dietz und führt Gründe an: „Wir wollen
Dinge zeigen, die noch unbekannt sind, unentdeckt,
die Besucher in vielen Fällen auch
vor den Kopf stoßen oder verwundern können.“
578 Mitglieder beweisen derweil das starke,
bürgerschaftliche Fundament im Freiburger
Kunstverein, der zu den ältesten Deutschlands
zählt und, fast schon wie ein britischer
Club, an jedem ersten Donnerstag im Monat
zur „till-ten-Bar“ bittet. Die nun bevorstehende
Ausstellung heißt, ganz im oben skizzierten
Forschergeist, „The Sun To Come“ und ist
vom 23. November 2019 bis zum 5. Januar
2020 als Bestandteil des grenzüberschreitenden
Kunstfestivals „Regionale 20“ zu sehen.
Gelegenheit also, mal wieder zum Trockenschwimmen
zu gehen.
Foto: Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 027359a
www.kunstvereinfreiburg.de
Kunst
Hier wurde früher gebadet, Frauen
und Männer zeitlich getrennt:
Das ehemals große Becken des
Marienbads.
Das Kulturmagazin für Freiburg auch im Netz
www.zett-magazin.de
90 Sekunden mit…
CDs | Literatur
Festivals
Fotogalerien
Kolumne Zett.
Kultur am Start
Kulturreport
Kuriose Polizeimeldungen
Mediatheken
zett. November 2019
57
Kunst
Die Akte Scherer
Foto: Axel Killian
Hermann Scherer – Männerporträt, um 1925.
Akte in freier Natur, zerklüftete Bergwelten,
Porträts von Freundinnen und
Freunden oder literarische Gestalten
wie Dostojewskis berühmter Raskolnikow:
In seinem kurzen Leben hat
Hermann Scherer ein eindrucksvolles
Werk geschaffen. Mit der Ausstellung
„Expressionist Scherer – direkter, roher,
emotionaler“ zeigt das Museum
für Neue Kunst in Freiburg bis Sonntag,
15. März 2020, über hundert seiner
Gemälde, Grafiken und Skulpturen aus
den Jahren 1923 bis 1926.
Der 1893 in Rümmingen bei Lörrach
geborene Künstler absolvierte eine
Steinmetzlehre in Lörrach und zog
dann nach Basel, wo er begann in Gips
zu modellieren und Assistent des renommierten
Künstlers Carl Burkhardt
wurde. Die Beschäftigung mit Bildern
von Edvard Munch, der 1922 eine große
Ausstellung in der Schweiz hatte, verstärkte
Scherers Impuls selbst zu malen.
Ein Jahr später begegnete er Ernst
Ludwig Kirchner, der ihn zu sich nach
Davos einlud.
Inspiriert durch den Künstlerkollegen
entwickelte Scherer eine expressive
Formensprache und malte in starken,
leuchtenden Farben. Es geht um
Sehnsüchte und innere Konflikte, um
Liebe und Leidenschaft, Angst und Einsamkeit.
In den Jahren bis zu seinem
frühen Tod 1927 war Scherer äußerst
produktiv.
Diese Zeit steht im Fokus der Freiburger
Ausstellung, die Werke aus dem
Museumsbestand und zahlreiche Leihgaben
zeigt: Holzskulpturen, Arbeiten
auf Papier und Gemälde, die teils doppelseitig
bemalt sind und so auch präsentiert
werden. Das Museum für
Neue Kunst lädt ein, Hermann Scherer
neu zu entdecken.
Agnes (Deborah Müller)
und Albrecht Dürer (Jakob
Tögel) waren erfolgreiche
Unternehmer.
Foto: ZDF / Iris Kreidel
Dürers Kraft
Die ZDF-TV-Dokumentation „Albrecht Dürer – Superstar“
zeigt die Welt, aus der Dürer kam: das aufstrebende Nürnberg
um 1500. Eine deutsche Weltstadt, aber eng und von Seuchen
geplagt. Dürer zog los und schulte sein Auge in Venedig an
Gemälden der italienischen Meister. Mit 29 Jahren malte er
sich als Jesus Christus – ein überragendes Selbstbildnis, das
der Welt zeigte, was er konnte. Mit modernster Animationstechnik
wird die feine Machart von Dürers Werken erforscht:
das silbrige Fell des „Feldhasen“ etwa oder die vielen Details
im Horrorszenario der „Apokalyptischen Reiter“. Gleichzeitig
wird Dürers Monogramm „AD“ als erstes Logo der Geschichte
identifiziert.
Dürer schuf das erste Akt-Selbstbildnis, das erste weibliche
Aktporträt und arbeitete als Erster für das große Publikum.
Mit seinen Meisterwerken ist er noch heute allgegenwärtig.
Mediatheken
Bilder allein zuhaus
Die ARTE-Kurzfilmserie „Bilder allein zuhaus“ nimmt mit
humorvollen Nachstellungen Meisterwerke der Malerei unter
die Lupe. Die Bilder werden durch Schauspieler, die aufgrund
ihrer Ähnlichkeit zu den gemalten Figuren ausgewählt wurden,
zum Leben erweckt – ein großartiger Spaß! Zu sehen sind u.a.
Johannes Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“,
Andy Warhols „Marilyn“, Francis Barrauds „His Master‘s Voice“,
Albrecht Dürer „Sebstbildnis im Pelzrock“, Edouard Manets
„Frühstück im Grünen“, Grant Woods „Töchter der Revolution“,
Edward Hoppers „Sommerabend“, Caravaggios „Narziss“ oder
Renoirs „Die Lesung“ - so macht klassische Kunst richtig Spaß.
Screenshot: arte.de
"Das Frühstück
im Grünen" von
Edouard Manet
entwickelt bei
ARTE ein krasses
Eigenleben.
58
zett. November 2019
Satire
Scyscraper VII
Kunst nach oben
von Tom Teuffel
Emporstrebend: Skulptur „Scyscraper VII“ von Erwin Otzepowski.
„Skyscraper VII“ heißt diese Skulptur des Freiburger Künstlers
Erwin Otzepowski. Sein und Vergänglichkeit scheinen sich
in diesem Werk des Essentialismus widerzuspiegeln, doch für
Otzepowski steckt mehr in dieser Arbeit. Sehr viel mehr. „Es
ging mir darum, die Frage, wann kratzt etwas am Himmel, zu
beantworten. Also: Wo fängt der Himmel an? Einen Millimeter,
einen Meter oder einen Kilometer über der Erdoberfläche?“
Erwin Otzepowski wirft Fragen auf, beziehungsweise: er
häuft sie auf, könnte man auch sagen. Vier nur grob behauene
oder angesägte Steine, darauf eine halbvolle (oder halbleere?)
Minderalwasserflasche wie ein Richtungspfeil – alles zeigt,
Foto: Arne Bicker
strebt, drängt, weist förmlich nach oben. Die deutsche Begrifflichkeit
des Wolkenkratzers sei völlig falsch übersetzt, erläutert
Otzepowski. Es gehe dem Wortschöpfer um den Himmel und
um diesen allein. Und ob der Betrachter schon von selbst auf
die Idee gekommen sei, dass die halbvolle Mineralwasserflasche
eine natürliche Wasserwaage sei?
„Das Verb ‚scrape‘ bedeutet aber auch sparen oder abheben“,
führt der Künstler weiter aus. Das habe ihn dazu inspiriert, nur
wenige, einfache Materialien und diese sparsam einzusetzen.
Nur dem dritten Stein habe er ein simples Relief hinzugefügt,
dass grob der Erdoberfläche nachempfunden sei. Wichtig sei es,
hier weiße Steine zu sehen und nicht etwa Ziegel. Schließlich
wohne dem Material an sich eine Unschuld inne, die ihm erst
durch den Menschen selbst genommen werde.
Die vier Steine untereinander und die Mineralwasserflasche
als himmelweisenden Abschluss nicht fest miteinander zu verbinden,
sei ihm als Künstler „schon schwergefallen“, aber die
„Filigranheit des Konstrukts“, die geradezu „lauernde Vergänglichkeit“
und „Einstürzbarkeit“ der Skulptur als Synonym allen
menschlichen Trachtens und fortwährenden "Aufstreben-Wollens"
sei das zentrale Element schlechthin.
Auf Nachfrage von ZETT., warum das Werk „Skysraper Seven“
heiße, welche Bedeutung der „Sieben“ in der Titelgebung zukomme,
verriet uns Erwin Otzepowski: „Das hat eine zweifache
Bedeutung. Zum einen war ich sieben Jahre alt, als mir erstmals
die Idee, oder sagen wir der Gedanke an diese Skulptur kam. In
dem Alter sind die Gedanken noch maximal frei, unbelastet,
und zum Glück habe ich mich eines Tages erinnert und mich
dann gleich an die Arbeit gemacht.“
Und der zweite Sinn? Otzepowski denkt kurz nach: „Die Sieben
ist eine Primzahl und ungerade, wie der Scyscraper VII. Und
in der chinesischen Kamigraphi holt die Göttin Xiwangmu sieben
Pfirsiche aus ihrem Feengarten, um sie mit dem Kaiser zu
verspeisen.“ Und dann lacht Otzepowski plötzlich auf und sagt,
er habe nur „ein Spässle“ gemacht. „Tatsächlich ist es natürlich
viel ernster: Die Religion schreibt uns vor, am siebten Tage
zu ruhen. Ich habe die Skulptur aber ganz bewusst an einem
siebten Tag fertiggestellt, um ein Zeichen für die Freiheit zu
setzen und zu zeigen, dass ich mir nicht und von niemandem
vorschreiben lasse, wann ich meine Skulpturen erschaffe.“
Wow, das ist ein Statement! Der „Scysraper VII“ als eine Art
symbolische Freiheitsstatue, nein, eher ein Freiheitsstatut! Mitten
in Freiburg geht es also ums Große und Ganze, ums Aufstreben
und Freisein, um Vergänglichkeit und permanente
Widersinnlichkeit. Eine großartige Arbeit.
zett. November 2019
59
Musik
Jan ‚Monchi‘
Gorkow
Bild: Jörg Heitz
Er nennt sich „der Heitzer“
und malt wie der Teufel: Jörg
Heitz (52) lebt in Steinen, arbeitet
als Grafiker in Freiburg und
malt mit Vorliebe Rockmusiker.
Seine Lieblingsband sind
die Foo-Fighters, aber auch
drei Alben von Feine Sahne
Fischfilet stehen im CD-Regal.
Für ZETT. bannte der Heitzer
deren Frontmann Monchi in
Acryl auf Leinwand – ein starkes
Bild. Klar, welche Musik
Jörg Heitz beim Malen hörte…
www.derheitzer.de
60 zett. November 2019
Musik
Herr Gorkow, Ihr Auftritt am 11. Dezember in Freiburg ist der
Ersatztermin für Ihr am 2. August ausgefallenes ZMF-Konzert.
Grund war eine Armverletzung Ihres Gitarristen Christoph Sell.
Andere Bands bekommen einen Ersatzmann von der Plattenfirma,
und ab geht die Post. Warum nicht so bei Ihnen?
Es war einfach eine krasse Situation für uns. Christoph hatte es
kopfüber vom Rennrad geballert und er hatte den linken Ellbogen
um 180 Grad verdreht. Das war ein Schreck; gleichzeitig waren
wir froh, dass es nichts noch schlimmeres war, zum Beispiel eine
Kopfverletzung. Wir wollten uns da nicht einfach irgendeinen
Berufsmusiker reinholen und Christoph mal eben locker flockig
austauschen und sagen: Scheiß drauf. Das hätten wir nicht so
geil gefunden.
Von wegen
Blockflöte
von Arne Bicker
In diesem Sommer haben Sie bei zwei Konzerten rund 25 Schüler
aus dem Jugendchor des Demminer Musikgymnasiums für Ihren
Song „Alles Anders“ mit auf die Bühne geholt. Mich hat das an
Pink Floyds „Another Brick In The Wall“ erinnert - war das Ihr
Vorbild?
Äh, nö. Einige von uns waren auf einer Schule, an der es einen
Schülerchor gab. Und da viele von den Kids öfter zu unseren Konzerten
gekommen sind, hat sich diese Idee entwickelt. Das war
richtig gut, ich kann mir gut vorstellen, dass wir das nochmal
machen.
Jetzt spielen Sie zum dritten Mal in Freiburg – ist Ihre Entwicklung
hier in Südbaden sinnbildlich für die Karriere der Band?
Wir haben 2013 in der KTS vor ungefähr 150 Leuten gespielt,
darauf hatten wir uns riesig gefreut. Letztes Jahr hatten wir ein
fettes Konzert im Jazzhaus, das war ausverkauft und fühlte sich
an wie Sauna. Und jetzt erscheint es mir irgendwie völlig absurd,
dass wir in der SICK-Arena auftreten werden, für die schon ein
paar tausend Karten verkauft sind. Wir haben ein paar sehr, sehr
geile Erinnerungen an Freiburg.
Freiburg nennt sich Green City, Öko-Hauptstadt, Fair Trade
City – wie sehen Sie dieses beschauliche Metropölchen aus der
640-km-Distanz von der Ostsee aus?
Ich war früher schon mal mit Hansa Rostock da und fand das
Freiburger Stadion geil, weil es direkt neben einem Schwimmbad
lag. Da sind wir vom Stadion aus gleich reingesprungen, das
fand ich genial an Freiburg. Und ich empfand das immer als sehr
idyllisch dort. Aber grün hin oder her - es gibt überall coole Leute
und eben leider auch Arschlöcher.
Naja, hier sind jedenfalls die Mieten exorbitant hoch. Als Journalist
muss ich deshalb wohl als Wirtschaftsflüchtling zur Rente
nach Mecklenburg-Vorpommern umziehen…
…Also erst mal würde ich denken, dann sollten Sie nicht in die
Rostocker Innenstadt kommen, denn hier sind die Mieten auch
sehr hoch. Es ist nicht so, dass das vor dem Osten halt macht. Ich
habe Freunde mit Kindern, die können sich keine Wohnung in
Rostock mehr leisten. Ich denke, das ist ein gesamtgesellschaftliches
Problem, und es wäre wichtig, etwas dagegen zu tun. Aber
wenn Leute nach Mecklenburg-Vorpommern ziehen, finde ich
das erst mal toll. Für mich ist die Ostsee schöner als Berge.
Foto: Andreas Hornoff
Jan ‚Monchi‘ Gorkow (32),
ist Sänger der Punkrockband
Feine Sahne Fischfilet
aus Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern.
Sein Erweckungserlebnis
hatte Gorkow,
als er auf einem Schulhof
gefragt wurde, ob er in einer
Band mitmachen wolle. Da
Gorkow schon weit früher
den Blockflötenunterricht
mutwillig abgebrochen hatte
und kein Instrument spielte,
wurde er Sänger. Inzwischen
spielt Feine Sahne Fischfilet
auf den großen Bühnen der
Republik und hat sich einen
Namen gemacht für ihr Engagement
gegen Neonazis.
Am Mittwoch, 11. Dezember,
20 Uhr, spielt die Band in der
Halle 4 der Freiburger Messe,
der SICK-Arena, vor tausenden
Besuchern im Rahmen
ihrer „Wir haben immer noch
uns“-Tour.
Freiburger Studenten proben grad ein Musical für die 900-Jahre-Feier
ein mit dem Titel „Freiburg liegt am Meer“. Klingt das
für Sie wie absurder Quatsch oder wie ein romantischer Traum?
Das hört sich für mich nach Sehnsucht an…
Mittwoch, 11. Dezember, 20 Uhr,
SICK-Arena Freiburg:
Feine Sahne Fischfilet
zett. November 2019
61
musik
…ich persönlich kann das bestätigen.
Ich bin gern und viel unterwegs, aber ich fahre immer gern
wieder nach Hause. Es ist schon ein großer Luxus, am Meer zu
wohnen.
Ich habe gelesen, dass Ihre Band erst seit dem letzten Jahr einen
eigenen Proberaum hat in Greifswald - gibt es heute überhaupt
noch so etwas wie Subkultur, also einen Gegenentwurf zur etablierten
Kulturszene mit kommerziellen Großkonzerten, wie Sie
sie ja inzwischen auch geben?
Klar gibt es die, speziell im Punkrock und im Hip-Hop. Wir hatten
uns jahrelang Proberäume mit anderen geteilt, und jetzt
haben wir einen eigenen mit unseren Vätern zusammen eingerichtet.
Das ist ein immenser Luxus. Jetzt können wir auch mal
chillen und haben nicht den Druck, dass gleich schon wieder die
nächste Band kommt.
Noch eine weitere Frage zum Thema Gegenentwurf: Sind Sie
deshalb ein wilder Punkrocksänger geworden, weil Sie als Kind
mal Blockflöte lernen mussten?
[lacht] Nein, keine Ahnung. Ich hatte das ja damals als Kind
schon nach zwei, drei Mal abgebrochen. Wenn ich gewusst hätte,
dass man da Noten können muss, hätte ich ja auch gleich Klavier
lernen können.
In diesem Jahr haben Sie als Statist in einem Polizeiruf mitgespielt.
Davor gab es einen Dokumentarfilm über Sie und Ihre Band
von Charly Hübner mit dem Titel „Mein wildes Herz“. Werden wir
Sie in zwanzig Jahren, nach all den wilden Sprüngen auf der Bühne,
als Polizeikommissar im Fernsehen erleben, zieht es Sie da hin?
Ich konnte es mir genauso wenig vorstellen, mal in einem Polizeiruf
mitzuspielen, wie ich es mir damals vorstellen konnte, in
einer Band in Rock am Ring zu spielen. Ich bin da einfach immer
offen für ganz viele Sachen. Vor ein paar Jahren haben wir auch
Lieder für eine moderne Version des Theaterstücks „Die Leiden
des jungen Werthers“ geschrieben und eingespielt. Ich habe da
später auch noch eine Schauspielrolle gespielt. Ich hatte keine
Ahnung, aber Bock drauf. So ist das bei uns mit vielen Sachen.
Oft sieht man Ihre Beine auf Fotos und im TV – was schätzen
Sie, wie viele Menschen haben sich ihre Eltern auf den Körper
tätowieren lassen?
Das kann ich nicht sagen. Aber ich habe ja den Song „Niemand
wie Ihr“ auf der neuen Platte als Geschenk für meine Eltern geschrieben.
Seither schicken mir dauernd Leute Fotos, darunter
auch immer wieder welche, die ihre Eltern tätowiert haben. Da
bin ich also keine Ausnahme. Aber in meinem engsten Umfeld
kenne ich auch wenig Leute mit sowas. Aber ich finde das bis heute
immer noch cool und freue mich, dass ich das gemacht habe.
Noch so eine Frage nach den modernen Zeiten: Politisch rechts
und links – gibt es das überhaupt noch? Oder verlaufen die Gräben
inzwischen woanders? Zwischen klug und dumm, reich und arm
oder Stadt und Land?
Ja, es gibt viele Gräben, aber es gibt auch noch rechts und links,
in vielerlei Hinsicht. Wenn heute Leute kein Problem damit haben,
wieder dem Nationalismus zu frönen und nach unten zu
treten, dann ist das für mich eine klare, rechte Einstellung. Natürlich
gibt es auch Unterschiede zwischen Stadt und Land und
noch viele andere Dinge, die die Leute trennen oder eben auch
vereinen.
Thema Neonazis: Wie groß ist die Gefahr wirklich? Droht uns
ein zweites 1933, ist es so ernst?
Vor zehn Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass
die AfD heute im Bundestag sitzt und bei Wahlen zweistellige
Ergebnisse erzielt, auch im Westen. Da stellt sich jetzt die Frage:
Was wird sein in nochmal zehn Jahren, wenn die Leute nicht den
Arsch hochbekommen, dagegen vorzugehen? Es gibt die
NSU-Morde, Todeslisten bei einzelnen Bundeswehr-Soldaten,
den Fall Walter Lübcke, der zuhause von Neonazis hingerichtet
wurde, die Synagoge in Halle. Was de facto schon passiert ist,
dass Leichensäcke bestellt wurden mussten, da weiß man, dass
die Gefahr doch immens ist. Ich glaube, es ist wichtig, sich auf
die coolen Leute zu fokussieren und die zu stärken und Projekte,
die sich gegen Neonazis einsetzen und gegen all die, die diesem
Rechtsruck hinterherlaufen. Es gibt viele Leute, die auf die Straße
gehen und sagen, OK, bis hierhin und nicht weiter. Es ist wichtig
für das eigene Leben, diese Leute zu supporten.
Foto: Andreas Hornoff
Foto: Andreas Hornoff
Positioniert sich klar gegen rechts: Die Greifswalder Band Feine Sahne Fischfilet.
62 zett. Monat November 2019 2019
Musik
Otto Normal
Lava
Neue CDs
Die Freiburger Hip-Hop-Band Otto Normal
legt nach: Brandneu auf dem Markt ist die EP
("Extended Play" - halb Single, halb CD) "Lava"
mit sechs frischen Titeln. Die vier Jungs um
Frontmann und Sänger Peter Stöcklin lassen
mit schwelenden Liebesliedern wie „Vom Bettler
zum König“ Herzen schmelzen, fackeln in
„Optimist“ eine kritisch-zeitgeistige Brandrede
zu lodernden Rhythmen ab und lassen in der
Beziehungs-Ballade und Single-Auskopplung
„Mit dir ohne dich“ erdkernige Lyrics los. Die
weiteren Songs heißen "Genesis", "Trabant"
und "Boom Booam Bang". Die Songs tanzen
direkt aus dem Leben heraus, sind, wie der
letztgenannte, politisch und emotional – voll
Otto Normal halt. Die Plattenfirma verspricht
einen „Tanz auf dem Vulkan“; es hat ja keiner
gesagt, dass man dabei nicht auch ein bisschen
verträumt sein darf.
Das blanke Extrem
Alles in schönster Ordnung
„Alles in schönster Ordnung“ heißt die CD der
Freiburger Post-Punk-Band „Das blanke Extrem“.
Die 2018 gegründete Formation lässt es
in Titeln wie „Wohnzimmergardinen“, „Herdenschaf“
oder „Wohlstandsstadt“ ordentlich
krachen – wie es sich gehört. Der Titelsong „Alles
in schönster Ordnung“ ist der melodischste
Track mit anmutigen Textzeilen, aber ansonsten
will Punk laut sein, sich gesellschaftskritisch
Gehör verschaffen. „Die Leuchtraketen
fliegen! Wir winken nur zurück. Wir haben zu
tun und davon genug“, schreiben die blanken
Extremer und kommentieren „die Ödnis der
Borniertheit“ und die „uniformierte Monotonie“
im passenden Singsang; es ist eben „Alles
in schönster Ordnung“.
Heirs to the Wild
The Promise
Singer-Songwriter-Jazz-Pop könnte man nennen,
was das Freiburger Trio „Heirs to the
Wild“ auf seiner CD „The Promise“ präsentiert.
Als „Poetic Crossover Jazz“ bezeichnen
die drei Musiker selbst ihren Stil. Gefühlvoller
Gesang, klare Gitarrenklänge und eine Prise
Groove sind zu hören auf Stücken wie „Laws
Of Gravity“ oder „Strange People“. Sängerin
Rabea Hussain, Micha Scheiffele und Jan Klementz
wollen ihre Zuhörer dazu anstiften, auf
die Suche nach Antworten zu gehen, die sie
selbst nicht bieten können. Das erste Studioalbum
„The Promise“ soll schließlich nur „das
erste Kapitel einer Reise sein, die für „Heirs to
the Wild“ gerade erst begonnen hat.“
zett. November 2019
63
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Klavierspielen bringt Menschen zusammen. Ob Jung oder Alt, Groß oder Klein –
die harmonische Begegnung mit den schwarzen und weißen Tasten fördert Kreativität,
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Piano, crescendo oder fortissimo – auch wir sind diesem Tastenzauber erlegen.
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64 zett. November 2019
Musik
Foto: Arne Bicker
Das Genie
am Flügel
von Iko Bebic
Im Proberaum: Hier verbringt
Igor Kamenz einen Großteil seiner
Lebenszeit.
Es ist nicht immer von Vorteil, mit 13
Jahren so begabt zu sein, dass man einen
Jumbo Jet problemlos fliegen kann.
Wer will schon in ein Flugzeug einsteigen,
wenn er weiß, dass ein 13-jähriger
für den gesamten Flug verantwortlich
ist? So könnte man, übertragen auf die
klassische Musik, die Fähigkeiten des Igor
Kamenz umschreiben, der als 13-jähriger
schon so besonders war, dass er ein großes
Orchester dirigieren konnte.
Das geschah am 25. April 1978, als Igor
Kamenz mit dem ehemaligen Staatsorchester
der UdSSR im Moskauer Kreml
„The Gadfly“ von Dmitri Schostakowitsch
mit über 60 Musikern aufführte. Unter
den Zuhörern befand sich der damalige
Staats- und Parteichef Leonid Iljitsch
Breschnew. Auch er galt als ein Bewunderer
des jungen Dirigenten, mit dem
sich die damalige UdSSR Führung gerne
schmückte.
Das Konzert wurde in der gesamten Sowjetunion
und in allen sogenannten Bruderländern,
darunter Polen, Ungarn und
die ehemalige DDR, live im Fernsehen
übertragen. Die Begeisterung war riesig,
und eine große Karriere wurde dem Jungen
prophezeit, der 1965 in Chabarowsk,
im fernen Osten der ehemaligen Sowjetunion,
das Licht der Welt erblickt hatte.
Bereits im Alter von vier Jahren erkannten
seine Eltern, die ebenfalls Pianisten waren,
die außergewöhnliche musikalische
Begabung ihres Sohnes.
Drei Monate nach dem Konzert im
Kreml stellten die Eltern in Novosibirsk
einen Ausreiseantrag für sich und ihren
hochbegabten Sohn, mit dem Vorhaben,
nicht mehr in die Sowjetunion zurückzukehren.
Dass dieser Antrag von den
Behörden in Sibirien bewilligt wurde, lag
zum einen am Respekt vor dem selbst
in Moskau gefeierten Wunderkind, zum
anderen an der geografischen Ahnungslosigkeit
der lokalen Beamten, die Westund
Ostdeutschland nicht zu unterscheiden
wussten. Am 6. Juli 1978 nahm Igor
Kamenz die letzte Klavierstunde bei seiner
damaligen Lehrerin, und noch am selben
Tag ließ er Russland hinter sich und
„floh“ mit seinen Eltern nach Hamburg.
Im Westen war es nicht einfach, einen
13jährigen Jungen anzupreisen, der ein
Staatsorchester dirigieren konnte. Der
Anspruch, dass ein Kind vor erwachsenen
Berufsmusikern den Taktstock schwingen
sollte, war den Konzerthäusern und speziell
den älteren Kollegen suspekt. So entschied
die Familie, die weitere Laufbahn
des Jungen nicht auf eine Dirigentenkarriere,
sondern vor allem auf das Klavier
auszurichten.
In den Jahren 1974 bis 2000 nahm das
Wunderkind Igor Kamenz an 77 internationalen
Klavierwettbewerben teil und
sammelte 60 Preise, davon 18 für erste
Plätze. Sich immer wieder dem Urteil einer
internationalen Jury, dem Druck des
Wettbewerbs und der Missgunst mancher
Konkurrenten zu stellen, ist eine
große Herausforderung, und wer diese
Tortur auf sich nimmt, muss aus einem
besonderen Holz geschnitzt sein. Er muss
sich ganz auf sich selbst und seine Aufgabe
konzentrieren können, auf kleinste
Details Wert legen und unendlich viel
üben. Diese Besessenheit ist kennzeichnend
für Igor Kamenz und schlägt sich
in dem nieder, was man hört, wenn er
sich an den Flügel setzt. Selbst vielfach
gehörte Stücke erscheinen unter seinen
Händen in einem neuen Licht.
Parallel zu diesen Wettbewerben studierte
Igor Kamenz an der Musikhochschule
in Hamburg, wo er 1998 sein Diplom
„Dirigieren Orchester“, 1999 sein
Diplom „Klavier“ und 2002 sein Diplom
„Konzert-Examen Klavier“ bekam. Daneben
war er zwischen 1981 und 1986
Schüler von Sergio Celebidache in München
und von 1981 bis 2006 Schüler von
Vitali Margulis in Freiburg. Beide haben
ihn nach eigenen Aussagen sehr geprägt,
ohne dass er diesen Einfluss genau definieren
könne: „Jede Erklärung wäre zu
zett. November 2019
65
Musik
Igor Kamenz (54) liebt Spaziergänge – auch mit
seiner Notentasche.
profan, man muss sie persönlich erlebt
haben.“
Bis heute hat Kamenz in 41 Ländern
Klavierkonzerte gegeben. Die Reaktion
des Publikums war oft überschwänglich,
wie 1994 bei einem Konzert in Bologna,
wo gleich sechs Zugaben gefordert wurden.
Der Erfolg eines Konzertpianisten
hängt aber nicht allein vom Publikum ab,
sondern auch vom Konzertveranstalter
und vom Orchesterdirigenten. Dies war
nicht immer einfach für Igor Kamenz, der
schon als ganz junger Mensch seine eigenen
musikalischen Vorstellungen hatte.
Dennoch hat er viel mit Orchestern und
auch Kammermusik gespielt und an dem
Zusammenwirken mit anderen besondere
Freude.
Dies umso mehr, als die täglichen
Übungsstunden am Klavier eine einsame
Angelegenheit sind. Igor Kamenz übt bis
zu zehn Stunden am Tag und vor Konzerten
auch mal mehr, wie er sagt. Gewiss
war ihm ein großes Talent mitgegeben,
doch man wird, so Kamenz, „durch Talent
allein kein guter Musiker. Dazu gehören
Disziplin und harte Arbeit.“ Und Disziplin
und harte Arbeit haben sein Leben seit
frühester Kindheit geprägt und Spuren
hinterlassen.
Igor Kamenz kann hart sein gegen sich
selbst, gleichgültig, ob es ums Üben oder
ums Genießen geht. Bis heute hat er nach
eigener Angabe nie einen Tropfen Alkohol
getrunken oder eine Zigarette geraucht.
2001 fasste er den Entschluss, kein Fleisch
mehr zu essen und ist seitdem Vegetarier.
Auch den zuvor erheblichen Kaffeekonsum,
den er rückblickend als „Sucht“
bezeichnet, hat er im harten Ringen mit
sich selbst aufgegeben und 1990 seinen
letzten Kaffee getrunken.
Die Nebeninteressen seiner Altersgenossen
hat er nie geteilt; er war immer
ein Sonderling im eigentlichen Wortsinn.
Seine Bezugspersonen in der Kindheit
waren in erster Linie die Lehrer und
Eltern, insbesondere seine Mutter, die
in seinem Leben die größte Bedeutung
hatte und deren Tod im Jahre 1999 er nur
schwer verschmerzt hat. Eine Hilfe ist ihm
sein kleiner Freundeskreis, der über Musikschaffende
hinausgeht.
Neben der Musik gilt sein Interesse
vornehmlich der Geschichte, insbesondere
der russischen und europäischen
Geschichte des 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich
ist er auch in der Musikgeschichte
bewandert und hat ein phänomenales
Zahlengedächtnis, so dass er
Ereignisse nicht nur einem spezifischen
Jahr, sondern einem Tag und oftmals einer
Stunde zuordnen kann. Er liebt alte
Filme – von Hollywood-Produktionen
der 30er und 40er Jahre bis hin zu James
Bond –, das Ballett und den Eiskunstlauf
und ganz besonders auch Eisenbahnen.
Dieses Interesse rührt aus der frühen
Kindheit, als in Chabarovsk die eintreffenden
und abfahrenden Züge das einzige
waren, das die abgeschiedene Provinz mit
der großen Welt verband. Immer wieder
ging Igor Kamenz damals mit seinem
Vater zum Bahnhof und schaute den Zügen
hinterher, die in unbekannte Welten
fuhren. Seine Kenntnisse der Eisenbahngeschichte
sind frappant, und wer
sich für die Spurbreite der chinesischen
Eisenbahn im letzten Jahrzehnt des 19.
Jahrhunderts interessiert, findet in Igor
Kamenz einen unschlagbaren Experten.
Foto: Arne Bicker
Selbst in historischen Zügen legendäre
Strecken kennenzulernen, bereitet Igor
Kamenz große Freude, sein Erkundungsdrang
ist auch hier enorm.
Bei seinen Konzertreisen kamen solche
Hobbies oft zu kurz. Wenig Zeit blieb auf
den Reisen von einem Ort zum anderen,
zwischen den Proben und den Konzerten.
Jeder Konzertsaal, jedes Instrument ist
anders, und die Art und Weise, wie ein
Stück gespielt wird, muss den akustischen
Bedingungen angepasst werden.
In diesen Punkten ist Igor Kamenz ein
Perfektionist, der nichts dem Zufall überlassen
will.
Die Zeit zum Proben, die im Konzertsaal
bleibt, um sich auf das Konzert einzustimmen,
ist ihm fast immer zu knapp
bemessen und er nutzt sie aus bis zur
letzten Minute. Neben den Konzerten
hat Igor Kamenz in verschiedenen Ländern
auch Meisterkurse abgehalten. Für
Rundfunkanstalten hat er viele Stücke
eingespielt. Von seinen Aufnahmen ist
nur eine kleine Auswahl auf insgesamt
acht CDs erschienen.
Nach seiner Zeit in Hamburg lebte
Igor Kamenz zwischen 2002 und 2007 in
Berlin und siedelte dann nach Freiburg
über. Dort ist es ihm im Sommer viel
zu warm – Igor Kamenz liebt moderate
Temperaturen und hat schon deshalb ein
Faible für nordische Länder wie Schweden,
Norwegen oder Island – doch er fühlt
sich hier trotzdem wohl, da Freiburg, so
Kamenz, „die Ruhe einer Kleinstadt mit
den kulturellen Angeboten einer Großstadt
verbindet“.
Seit 2014 wohnt Kamenz in einem Freiburger
Vorort. Von seiner Wohnung hat
er es nicht weit bis zu seinem Studio; es
ist nur ein kurzer Spaziergang den Schönberg
hinauf mit einem herrlichen Blick
auf Freiburg und die nähere Umgebung.
Dort oben steht sein Yamaha-Flügel, an
dem Igor Kamenz tagein, tagaus seine
Zeit verbringt.
Igor Kamenz gilt heute als einer der
größten lebenden Pianisten, als „Titan
am Klavier“, wie die Zeitschrift „International
Piano“ schrieb. In Freiburg zu bewundern
ist Igor Kamenz am 15. Februar
2020, 18 Uhr, im Konzerthaus, wo er zum
250. Geburtstag von Ludwig von Beethoven
spielen wird. Das Grußwort spricht
Oberbürgermeister Martin Horn; den
Festvortrag „Beethoven und die Politik“
hält Dr. Eleonore Büning.
15.02.2020, 18 Uhr, Konzerthaus: Igor Kamenz live
66 zett. November 2019
MUSIK
Konzerte
Freiburg | Jazzhaus | 11.12.2019
Sarah Lesch
Am Mittwoch, 11. Dezember 2019, 20 Uhr, spielt Sarah Lesch im Freiburger Jazzhaus.
“Da Draussen” heißt das neueste Album der 33-jährigen Liedermacherin,
die im thüringischen Altenburg geboren wurde, in Tübingen aufwuchs und nun
in Leipzig lebt. Ihr Blick richtet sich auf eine Welt, die verrücktspielt, schreckliche
Dinge zulässt und gleichzeitig alles ist, was wir haben: stark, schön und
zerbrechlich. Sarah Lesch zeigt eine klare Haltung und blickt mit geschärfter
Perspektive durch ihre Lieder auf die Welt.
Sarah Lesch tritt im Jazzhaus auf.
Foto: Benjamin Hiller
Freiburg | Konzerthaus | 05.03.2020
Gregory Porter
Gregory Porter ist schon 48 Jahre alt, erschien aber erst 2010 auf der internationalen
Bildfläche mit seinem Debütalbum "Water". Sein zweites Album „Be
Good“ (2012) sorgte für Aufsehen; sein souliger Jazz traf den Nerv der Zeit. Es
folgten der große Durchbruch “Liquid Spirit“ (2013) und „Take Me To The Alley“
(2016). Der Mann aus der kalifornischen Hauptstadt Sacramento vermag es mit
seiner Musik, Sehnsüchte zu erfüllem. Porters Stimme ist auch deshalb so umwerfend,
weil seine große Liebe zu Soul, Blues und Gospel in jedem Takt hörbar
mitschwingt. In der Begeleitung einer großartigen Band kann diese Mischung
live zu einem großartigen Erlebnis werden.
Freiburg | Messehalle 2 | 16.06.2020
Udo Lindenberg
Er stammt aus dem westfälischen Gronau und begann seine Musikerkarriere als
Schlagzeuger – inzwischen ist Udo Gerhard Lindenberg 73 Jahre alt und durchaus
ein bisschen weise. Der Altrocker präsentiert sich in seinen Konzerten öfter
auch mal leise, nachdenklich. Doch keine Angst, das bleibt die Ausnahme. „Udo
Lindenberg ist nicht von dieser Welt“, schrieb die Berliner Morgenpost, und die
FAZ berichtete von einem „Rocktheaterspektakel“. Am Dienstag, 16. Juni 2020,
20 Uhr, gastiert er mit seinem Panikorchester in der Freiburger Messehalle 2.
Und er hat Stoff dabei: Frisches Udopium.
Freiburg | ZMF | 15.07. bis 02.08.2020
Meute bis Schneider
Mit der Techno-Marching-Band „Meute“ wird das 38. Zelt-Musik-Festival (15.7. –
2.8.2020) losdonnern. Die Hamburger Musiker fegen derzeit in ihren roten Militärkapelluniformen
durch halb Europa und versetzen ihre Fans in Ekstase. Mit an
Bord des ZMF-Dampfers ist am 26. Juli die in Island geborene Sóley, die sich mit
dunklen, märchenhaften Liedern eine große Fangemeinde ersungen hat. Mit Beth
Hart wird eine weitere Ausnahmesängerin förmlich in Erscheinung treten: Die
amerikanische Bluesrockmusikerin nannte ihre jüngste CD „War In My Mind“, und
so singt sie auch: roh, authentisch, großartig. Den Schlusspunkt unter das Festival
setzt Helge Schneider. Der Titel seines Programms „Die Wiederkehr des blaugrünen
Smaragdkäfers“ könnte auch „Luftpumpen in Itzehoe“ heißen; es spielt
einfach nur keine Rolle mehr, weil Helge Schneider schon jenseits von Gut und
Böse wandelt und seine Fans ihn schlicht sehen wollen, wenn nicht gar müssen.
Gregory Porter spielt im Konzerthaus.
Udo Lindenberg kommt in die Freiburger Messe.
Beth Hart kommt zum 38. ZMF im Sommer 2020.
zett. November 2019
Foto: Greg Watermann
Foto: Tine Acke
Foto: Erik Umphery
67
Gesellschaft
Charisma 2
Foto: Arne Bicker
Die Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes
(DFB) hatte eingeladen, und
der große Saal im Freurger E-Werk war
ruckzuck ausverkauft wie das Schwarzwaldstadion:
Christian Streich, Bundesliga-Trainer
beim SC Freiburg, und
Matthias Brandt, Schauspieler, Autor
und Werder-Bremen-Fan, sprachen am
Dienstag, 12. November 2019, auf offener
Bühne über den Fußball und ihre Lebensweisheiten,
über das Schauspielern, Lesen
und Selbstergriffenheit.
Ziemlich genau 48 Stunden, nachdem
Streich im SC-Stadion von Eintracht
Frankfurts David Abraham unsanft von
den Beinen geraspelt worden war, zeigte
sich der Freiburger Fußballlehrer aufgekratzt
und in allerbester Laune – schließlich
hatte der SC das Spiel am Ende mit
1:0 gewonnen.
Zwei eminent populäre Männer in den
50ern unterhielten rund 400 Gäste mit
scheinbar allergrößter Leichtigkeit aufs
Vortrefflichste, allein mit ihrem Charisma
– als wär’s geprobt. Dabei hatte Christian
Streich vorher noch gemeint: „Ich bin
ganz schön nervös.“
Preis 3
Foto: Felix Groteloh
Bei der Preisverleihung im Konzerthaus
(v. l.): Hanna Böhme, Oberbürgermeister
Martin Horn, Alexander
Heisler, Peter Wien, Marc Oßwald,
Mirjam Kost, Michaela Herr, Daniel
Strowitzki und Thomas Meier.
Die Freiburg Wirtschaft Touristik und
Messe (FWTM) hat im runden Saal des
Konzerthauses zum vierten Mal den
„Freiburger Entrepreneur-Preis“ in den
Kategorien „Kongress- & Messewesen
und Veranstaltungen“, „Wirtschaft“ sowie
„Handel & Touristik“ vergeben. Preisträger
2019 sind das Zelt-Musik-Festival
(ZMF), vertreten durch Geschäftsführer
Marc Oßwald und Gründer Alexander
Heisler, Peter Wien als Inhaber des Sanitätshauses
Schaub, und die Gemeinschaft
68 zett. November 2019
der Marktbeschicker des Münstermarktes.
Überreicht wurden die Auszeichnungen
am Abend des Dienstags, 19. Novembers,
erstmalig durch den FWTM-Aufsichtsratsvorsitzenden
Martin Horn.
Dem Freiburger Oberbürgermeister
standen dabei die FWTM-Geschäftsführer
Hanna Böhme und Daniel Strowitzki
zur Seite. Der Preis zeichnet Unternehmerinnen
und Unternehmer aus, die sich
in besonderer Weise für den Wirtschaftsstandort
Freiburg eingesetzt und verdient
gemacht haben. „Diese Entrepreneure
zeigen in ganz besonderer Weise
die Verbundenheit von wirtschaftlichem
Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung“,
so Horn.
Die FWTM-Spitze lobte, dass sich die
diesjährigen Preisträger durch ein klares
Bekenntnis zum Standort Freiburg sowie
durch eine langfristige herausragende,
unternehmerische Leistung auszeichneten.
Sie alle seien damit wichtige Botschafter
Freiburgs.
Mischen possible
Fotos: Arne Bicker
Dem Destillateur ist eben nichts zu schwör. Der blaue ‚Brandschatz‘
schmeckt im Aroma nach coolem Zitrus, Kräutern
und Alge und zaubert so das Meer auf den Gaumen. Man
kann die Wellen förmlich sehen, riechen, schmecken und
hören. Zum Mischen empfiehlt Martin Winter „Fever-Tree
Mediterranean Tonic Water“.
www.brandschaetze.com
Der Kapitän: Martin Winter.
Freiburg hat alles, nur kein Meer. Da liegt es nahe, das Ferne
hierher zu befördern - wie sonst als in flüssiger Form. Der
ehemalige Fregattenkapitän Martin Winter (52) stammt aus
Kiel. Doch auch nachdem es ihn, der Liebe wegen, an den Kaiserstuhl
verschlug, lässt ihn diese eine, ganz spezielle Sehnsucht
nicht los. Seit 2013 brennt Winter seinen „MeerGin“.
Zur Herstellung verwendet er neben der obligatorischen
Wacholderbeere auch Muschelkalk von der Ostsee, Meersalz,
Limette und den natürlichen Farbstoff der Spirulina-Alge.
Meer her
Der Freiburger Cornel Kiesel (56) hat es mit dem Meer – der
Ehefrau wegen mit dem in Spanien. 2005 reifte an den fernen
Gestaden Tarragonas die Idee, einen Gin im heimischen
Schwarzwald zu brennen, der die Glutsonne und das Meer
Spaniens und die Kräuter der Heimat vereinen möge. Nach
vielen Versuchen bescheinigen Kenner der Materie Cornel
Kiesel inzwischen ein exquisites Ergebnis: Der „Kiesel-Gin“
birgt die Aromen 23 pflanzlicher Zutaten, im neudeutschen
Brenner-Jargon ‚Botanicals‘ geheißen. Orange, Zitrone, Olive
und Rosmarin bringen das Mittelmeer auf den Gaumen;
gebrannt wird über dem Holzfeuer. Zum Mischen empfiehlt
Cornel Kiesel „Schweppes Premium Mixer Tonic Pink Pepper“.
www.kieselgin.com
Der Mittelmeer-Pirat: Cornel Kiesel.
zett. November 2019
69
Gesellschaft
Ausgrabungen, Funde und Infos: Das
Augustinermuseum präsentiert
einen archäologischen Blick zurück auf
900 Jahre Freiburg.
Foto: Axel Kilian
Es ist wie ein Blick in ein schwarzes
Loch: Was war in den vergangenen
900 Jahren in Freiburg los?
Das schwarze
Loch
Das ist eine lange Zeit, und die Videoaufnahmen
aus dem Mittelalter
sind – sagen wir es mal so: arg
verwackelt. Doch zum Glück gibt es
Menschen, die ihre Spürnasen in die
Erde versenken und mit archäologischen
Fundstücken wieder auftauchen.
Solche Hinweise auf 900
Jahre Leben in der Stadt zeigt das
Augustinermuseum, ergänzt durch
oberirdische Fundstücke und Überbleibsel.
Dazu gibt es Grafiken, digitale
Rekonstruktionsbilder, Erklärungen
und Animationen. So wird
die Geschichte der Stadt wieder lebendig
und man erfährt unter anderem,
dass der Münsterplatz früher
ein Friedhof war und das Marktgeschehen
in der Kaiser-Josef-Straße
stattfand. Auch für Kinder ist das
interessant, können sie hier doch
Audio-Erklärungen von Altersgenossen
lauschen, ihre Körpergröße
mit mittelalterlichen Erwachsenen
vergleichen oder mit Holzbächlen
und –häusern ihr ganz eigenes
Stadtbild entwerfen. Und das Beste:
Im kompletten Jubiläumsjahr 2020
ist der Eintritt für Kinder und junge
Erwachsene unter 27 Jahren frei.
Wir sind schlichtweg
begeistert.
Das ganze Magazin ist
toll aufgemacht und
repräsentiert einen
schönen Überblick
des kreativen
Schaffens.“
S.T.
„Ist super gelungen, das Titelbild ein echter Hingucker.
Mit Vergnügen habe ich alles über den Bollenhut
gelesen und weiß jetzt Bescheid – klasse Karikaturen.
Bin überrascht, wie viele Künstler sich mit diesem Thema
befassen. Auch sonst ist das Heft sehr unterhaltsam,
informativ und vor allem vielseitig!“ B.F.
Das Kulturmagazin für Freiburg
#2 ∙ JULI 2019 ∙ SCHUTZGEBÜHR 5 €
Ich bin begeistert über
Inhalt, Ausführung und
Qualität des Magazins.
Sie haben das Thema
Bollenhut originell auf
den Punkt gebracht.
Gratulation!“
S.Z.
70
Stimmen zur
zweiten Ausgabe
Die
neue Ausgabe von
Zett. gefällt mir
ausgesprochen gut.
Gratuliere!
F.L.
zett. Monat 2019
Foto: Martin Koswig
Aus dem ZYPRESSE VERLAG
www.zett-magazin.de
MYTHOS
Schwarzwaldmädel
Der Sinn des Lebens
Gela Samsonidse
Eine Seilbahn für Dietenbach?
„ Vor Kurzem fiel mir Ihr Magazin „ZETT. - Das
Kulturmagazin für Freiburg“, Ausgabe #2, Juli
2019, in die Hände, und ich konnte es nicht mehr
weglegen, bis ich alles gelesen und betrachtet
hatte. Themen, Inhalte und Erscheinungsbild
gefielen mir sehr gut.“
R.W.
uniCROSS
Literatur
Musik
Theater
„Ein tolles Magazin, in und mit
dem es viel zu entdecken gibt. Kultur
in und um Freiburg und deren
Zusammenhänge übersichtlich
aufbereitet. Wirtschaftlichkeit und
Kommerz sind sicher auch immer
Thema, aber das Hauptthema ist
und bleibt hier die Kultur selbst
und das in ihrer vielfältigsten
Form und mit ihren Hintergründen.
Und das ist ein Punkt, warum
das Magazin (auch optisch) so angenehm
daher kommt. Weiter so.“
K.K.
ZETT. #4 erscheint im April 2020
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