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ZETT No. 3

900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg Kulturförderung. Wer bekommt was? Angst in der Kunst ...

900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg
Kulturförderung. Wer bekommt was?
Angst in der Kunst
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#3 ∙ Dezember 2019

Schutzgebühr 5 5

Das Kulturmagazin für Freiburg

900 Jahre

Stadtjubiläum Freiburg

Kulturförderung

Wer bekommt wieviel?

Karrikatur: Klaus Karlitzky

Angst in der Kunst

Fräulein Lucys Geheimnis

Alles Schiebung

Monchi im Interview

Porträt Igor Kamenz

Aufklärung bitte!

Aus dem Zypresse Verlag

www.zett-magazin.de



Editorial

Wie feiert man eigentlich eine 365 Tage lange

Geburtstagsparty für 230.000 Menschen?

Kann das überhaupt gutgehen? Mit diesen

Fragen über dem leeren Notizblatt hat das

Kulturmagazin ZETT. gleich mehrfach das Büro

des Zeremonienmeisters Holger Thiemann besucht,

um der Sprache der bunten Zettelchen

auf einem riesigen Wandkalender auf den

Grund zu gehen. 900 Jahre Freiburg sind

kein Pappenstiel, und wir vom Kulturmagazin

wollen unbedingt mitfeiern.

Übrigens: Der Begriff ‚Pappenstiel‘

– das verriet mir gerade eben beim

Schreiben dieses Editorials der bekannte

Wanderratgeber für schwedische

Kinder „Wikipedia“ - kommt

vom niederdeutschen Wort ‚Papenblome‘,

auch Pfaffenblume oder Pusteblume

genannt. Auch unsere Redaktion hat

ein bisschen gepustet, welch ein Übergang,

um für Sie mal jene Zahlen aus dem dicken Fell

des städtischen Doppelhaushalts freizulegen,

mit denen die Stadtverwaltung ihre Kulturförderung

betreibt.

Und natürlich habe ich kurz darüber nachgedacht,

dieses Editorial handschriftlich zu

verfassen. Dann wäre ich aber womöglich direkt

irgendwo eingeliefert worden, weil das

noch nicht mal altgediente Apotheker unter

dem Elektronenmikroskop hätten entziffern

können. Ich gebe es zu: Meine Handschrift

ist degeneriert; als Schreiberling drücke ich

fast nur noch auf irgendwelchen Tasten

herum. Dass das jenseits vom Einkaufszettel

auch anders geht, zeigen Ihnen hier, in

unserer dritten Ausgabe, ein paar echte

Könner.

Wo war ich? Kunst! Natürlich! Von

Horst Sobotta, Piotr Iwicki, Ricardo Pulido

und Erwin Otzepowski - unter vielen,

vielen anderen. Alles Made in Freiburg.

Und obwohl wir vom ZETT.-Redaktionsteam

gar nichts dafür können, sind wir

doch ein kleines bisschen stolz auf das,

was die internationale Kreativszene

in unserem Breisgaumetropölchen so

hervorbringt.

Meine südbadische Dauersehnsucht nach

dem Meer durfte ich derweil in zwei Verkostungen

mit gefühltem Sand unter den Füßen

und in einem Telefonat nach Rostock stillen

- letzteres mit einem feinsahnigen Punkrocksänger,

der

sein Herz am

rechten Fleck zu

haben scheint,

und den ein

Heitzer für uns

gemalt hat.

Dem so geweiteten

Blick offenbaren wir

im Magazin auch ungewohnte Freiburg-Panorama-Fotos,

deren Motto

„breit sein heißt frei sein“ auch für die

vertikale Breite eines trockengelegten

Schwimmbades gilt, in das man immer

noch ab- und eintauchen kann. Ich hab’s

ausprobiert und behaupte: Unser Kunstverein

ist ein Delphinarium!

Das ZETT. wächst derweil um ein neues

Format: Die Stadtbibliothek pustet uns ab

sofort regelmäßig einzelne ihrer Schätze

in den Lottozahlenslot, die wir dann nur

noch abzulesen brauchen. Ach ja: Was

macht viel Werbung, ist für alle in Freiburg

weithin offen sichtbar und dennoch ein Geheim-,

oder eher ein Gehin-Tipp? Schauen

Sie mal auf Seite 54 nach. Aber lassen Sie

sich Zeit auf den Seiten davor, denn, wie

heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel.

Lassen Sie sich inspirieren!

Herzlichst

Arne Bicker

Arne Bicker, Redaktionsleiter Zett.

Feine Torte

Jubiläumsfilet

Foto: Martin Koswig

Impressum

„ZETT. – Das Kulturmagazin für

Freiburg“ ist eine Magazinpublikation

der Zypresse Verlags GmbH,

Brunnenstraße 6, 79098 Freiburg.

redaktion@zett-magazin.de

www.zett-magazin.de

www.zypresse.com

Geschäftsführung:

Dr. Manfred Kross

Gestaltung: Schleiner & Partner

Grafik, Layout: Jutta Schmidt

Redaktionelle Leitung: Arne Bicker

Redaktionelle Mitarbeit:

Jennifer Reyes, Tom Teuffel

Titelgrafik: Klaus Karlitzky

Fotografie: Janine Machiedo,

Martin Koswig, Arne Bicker

Illustration: Andreas Verstappen

Für Druckfehler keine Haftung.

Das Copyright für Texte und Fotos

liegt beim Verlag und den

Autoren / Fotografen.

Nachdruck, Vervielfältigungen und

elektronische Speicherung nur mit

schriftlicher Genehmigung des

Verlages.

zett. November 2019

3


Inhalt

8

Stadtjubiläum

Freiburg feiert 900. Geburtstag

54

Elfenträume

Ricardo Pulido

60

Von wegen Blockflöte

Interview mit Jan ’Monchi‘ Gorkow

Editorial

Editorial – Feine Torte Jubiläumsfilet 3

Leidkultur

Leidkultur – Aufklärung bitte! 6

Stadtjubiläum 900 Jahre

Von wegen Hubschrauber –

Freiburg feiert 900. Geburtstag 8

Wie gemalt - Vauban & Co. 11

Zeitreiseführer – Alles Schiebung 12

Telemach Wiesinger – Freiburger Kabinett 13

Thomas Kitzinger - Freiburger Köpfe 16

Blick in die Glaskugel – Freiburg am Meer? 17

Im Big-Band-Swing-Sound – Eine Liebeserklärung 20

Kulturförderung

Ein rares Gut - Kulturförderung in Freiburg 21

Kulturstadt Freiburg – Freiräume 22

Kultur am Start

Geheintipp - Kulturbörse 2020 24

Kunst im Alltag – OPEN ART 2020 26

Premiere – Jekyll & Hyde 26

Spektakel - Circolo, Dinner-Show, Traumfabrik 27

Bleibender Eindruck - Kunst aus der Straßenschule 29

Kalligraphie

Die schöne Schrift – Old Letterhand 30

ZETT.-Künstler-Treffen – Der schöne Brief 32

Fotografie

Stefan Düsseldorf – Kunstflieger 34

Kunst als Notausgang – Piotr Iwicki 35

Horst Sobotta – Vom Licht 36

Jan Deichner – Zwischenstationen 38

Fotoausstellung - Das Motiv ist weiblich 39

Jörg Dietrich – Panoramastreetline 40

55

40

36

Kriegerin

Eva Kneipp

So 'ne allee

Panoramastreetline

Vom Licht

Horst Sobotta

4 zett. November 2019


32

69

Der schöne Brief

ZETT.-Künstlertreffen

Meer her

Gins mit Strand-Geschmack

49

Fräulein lucy und UWE

Kurzgeschichte

Bücher

Janine Machiedo - Balanced Life 43

Herzrutschen - Angst in der Kunst 44

Ein weites Feld – Kultur im Abriss 46

Hören & Staunen - Lesungen 47

Luv- und Leesenswert – Buchtipps 48

Fräulein Lucy und Uwe - Kurzgeschichte 49

Der Tyrann im Tann - Karlitzky liefert 50

Schöne Geschichten – Neuzugänge in der Stadtbib 51

Kunst

En Marche -Stepan Capek 52

Hohe Luft – Effekte des Sublimen 53

Ricardo Pulido – Elfenträume 54

Eva Kneipp – Kriegerin 55

Die Akte Scherer – Ausstellung 57

Mediatheken - Sehenswert 58

Erwin Otzepowski – Scyscraper VII 59

Musik

Von wegen Blockflöte –

Interview mit Jan ‚Monchi‘ Gorkow 60

Junge Freiburger Bands – CD-Tipps 63

Igor Kamenz - Das Genie am Flügel 65

Live in Freiburg - Konzerte 67

GESELLSCHAFT

Charisma 2 – Streich traf Brandt 68

Der Preis ist heiß - Auszeichnung der FWTM 68

Meer her – Gins mit Strand-Geschmack 69

900 Jahre Stadtgeschichte – Das schwarze Loch 70

Stimmen zur zweiten Ausgabe –

ZETT. Das Kulturmagazin für Freiburg 70

52

51

En marche

Stepan Capek

Schöne geschichten

Neuzugänge in der Stadtbib

29

Bleibender Eindruck

Kunst aus der Straßenschule

zett. November 2019

5


leidkultur

Aufklärung bitte!

von Arne Bicker

Als ich zum ersten Mal im Spätjahr

2018 von einer Fridays- For-Future-

Demonstration hörte, dachte ich in den

ersten Sekunden der Nachricht: Ja cool,

junge Menschen gehen endlich massiv

und unnachgiebig auf die Straße für Frieden

und gegen die vielen Kriege in unserer

Welt. Ich hatte mich geirrt, wie ich

kurz darauf erfuhr.

Es ging um die Rettung des Klimas,

das wir Menschen erwiesenermaßen so

nachhaltig stören, dass ich selbst die Auswirkungen

in Freiburg schon deutlich zu

spüren bekomme. Auch das ist ein hehres

Ziel für weltweite Proteste gegen einen

kaum zu verstehenden Teilstillstand in

der Weiterentwicklung der Menschheit.

Wir können der schwedischen Aktivistin

Greta Thunberg dankbar sein, dass sie

dieses Thema aufs Tapet gebracht und

innerhalb nur eines Jahres ein massives

weltweites Bewusstsein für den Klimaschutz

und darauf bezogene Handlungsnotwendigkeiten

losgetreten hat. Das

heißt indes nicht, dass absolut alles, was

diese junge Dame nun sagt, wie göttliche

Gebote behandelt werden muss.

Es bedarf der Aufklärung. Genau wie

in jener Frage, warum Morde weltweit

streng geahndet werden, solange sie

nicht von Staatslenkern beauftragt sind,

das Führen einer kriegerischen Auseinandersetzung,

in deren Rahmen Menschen

Körperteile abgehackt, Frauen vergewaltigt

und Kinder mit Nervengift besprüht

werden – nur so zum Beispiel – jedoch

als schicksalhaft hingenommen werden.

Warum ist im Jahr 2019 weltweiter Friede

noch lange keine Selbstverständlichkeit?

28 kriegerische Konflikte weltweit, von

der Türkei über Syrien und Myanmar bis

in den Jemen zählt die Arbeitsgemeinschaft

Kriegsursachenforschung (AKUF)

an der Universität Hamburg für 2018 auf.

Sollten wir alle nicht auch dagegen protestieren,

bis es aufhört? Während unsere

Nation sehr fleißig Waffen exportiert, die

danach aber – bitteschön, also wirklich! -

nicht benutzt werden sollten.

Handlungsdruck? Hier eher weniger.

Stattdessen versucht sich unsere deutsche

Bundesregierung erst mal an einem

Klimapaket, das Fragen aufwirft.

Was glauben unsere Volksvertreter, was

sie den Bürgern, die einen Klimawandel

verbal herbeisehnen, aber mehrheitlich

SUVs kaufen und nach Mallorca, Dubai

und von München nach Frankfurt fliegen,

zumuten können? Ist es wirklich realisierbar,

den gesamten Individualverkehr auf

Elektroantriebe umzustellen? Macht es

Sinn, mit einer hohen CO2-Bepreisung

und teuren Innovationstechniken Fortbewegung

zu einem Refugium für Reiche

zu machen? Wir brauchen Aufklärung.

Wie wäre es, nur so als Anfang, wenn

wir weltweit einzelnen, meist männlichen

Zeitgenossen nicht mehr die Möglichkeit

einräumten, zum Beispiel als

Foto: ZDF / getty images / Matthew Steward Bennett

Liebe und Hass - wir Menschen sind zu beidem fähig.

Die ZDF-TV-Doku „Warum wir hassen“ klärt auf.

QR-Code Doku

„Warum wir

hassen“

6 zett. November 2019


LeiDkultur

Staatsführer Hass zu säen, um Macht zu

ernten und Kriege, Verfolgung, Folter und

Verlag Droemer, 304 Seiten,

19,99 Euro.

Benedikt Herles

Foto: Fotostudio am

Kurfürstenplatz

Inhaftierungen anzuzetteln? Fallen Ihnen

dazu Namen ein? In einem nächsten

Schritt könnten wir die betreffenden Personen

auf ihren altruistischen Gemeinsinn

hin prüfen und beschränkte Macht

vielleicht ganz grundsätzlich strukturell

an ausgewogener handelnde Gremien

verteilen.

Wer zum Beispiel ganz grundsätzlich

wissen will, wie es mit der Energiewende

weitergehen könnte, der findet in

„Der globale Green New Deal“, dem

brandneuen Buch des renommierten Zukunftsforschers

Jeremy Rifkin, Hinweise

und Denkansätze zu einer weltweiten

Energiewende, die schon bald sehr viel

leichter fallen und eintreten könnte, als

heute noch gedacht.

Ganz neu gedacht ist Benedikt Herles‘

Titel „Zukunftsblind“, hinter dem der Autor

eine messerscharfe und ungemein erhellende

Bestandsanalyse menschlichen

Wirtschaftens im Woher und Wohin

abliefert. Herles verdichtet dies schließlich

zu einem konstruktiven Zehn-Punkte-Plan

voller bestechender, politischer

Handlungsanregungen, dem man nicht

in jedem Detail zustimmen muss, der

aber jedem politisch Handelnden die

Schamesblässe ins Gesicht treiben müsste,

weil er so viel weitsichtiger, klüger und

griffiger ist als jeder derzeit erkennbare

politische Impetus.

Politik. Sollten Sie sich fragen, ob Björn

Höcke irgendwann Bundeskanzler werden

könnte, ob der Mann denkt und

handeln möchte wie ein aufs brutalste

menschenverachtender Nationalsozialist,

der schon über die Zustimmung größerer,

nein großer, gemessen am Was sogar

riesengroßer Bevölkerungsteile verfügt,

so empfehle ich einen Blick in Cornelia

Koppetschs Buch „Die Gesellschaft des

Zorns“. Sie klärt uns sehr analytisch,

nüchtern, genau und verständlich darüber

auf, warum „ganze Bevölkerungsgruppen

den Boden der gemeinsamen

Wirklichkeit verlassen“.

transcript Verlag, 283 Seiten,

19,99 Euro.

Cornelia

Koppetsch

Foto: transcript Verlag

Das sollte man, das darf man ruhig wissen.

Es gäbe so viel dazu zu sagen. Aber

Lesen hilft. Und Schauen: „Warum wir

hassen“ heißt eine sechsteilige TV-Dokumentation,

die in der ZDF-Mediathek

zu sehen ist. Der US-Regisseur und Produzent

Steven Spielberg geht darin den

Fragen nach, warum Menschen hassen

und was sie ihre Menschlichkeit verlieren

lässt, woher Hass kommt, wie er sich verbreitet

und wie er sich eindämmen lässt.

Sehenswert.

campus Verlag, 319 Seiten,

26,95 Euro.

Jeremy Rifkin

Foto: FOET.org

Als Zwischenfazit ließe sich vielleicht

festhalten: Jeder Form des Extremismus

und der Aufwiegelung zum Hass sollten

wir mit allergrößter Vorsicht begegnen.

Denn Hass ist selten ein guter Ratgeber,

und einer Partei, die genau damit Politik

machte, lässt man am besten die Luft

dadurch raus, dass alle anderen Parteien

eine gute, eine bessere Politik im Sinne

derer machen, die sie vertreten.

Gut 300 Jahre nach dem ersten Zeitalter

der Aufklärung ist es gerade jetzt Zeit

für eine neue Ära der Akzeptanz für seither

neu erlangtes Menschheitswissen

und eine ausgewogene und kluge Umsetzung

der Schlussfolgerungen daraus

durch friedfertige Reformen - anstelle

verbohrten und gewaltbereiten Beharrens

auf Deutungshoheiten.

zett. November 2019

7


900 Jahre Freiburg

Freiburg feiert 900. Geburtstag

Von wegen

Hubschrauber

von Arne Bicker

Haben Sie schon mal einen

Kindergeburtstag ausgerichtet?

Für 10, 20, 30 Kinder?

Zum 900. Geburtstag der

Stadt Freiburg sind nicht nur

die Kinder, sondern auch die

Erwachsenen eingeladen. Alle.

Plus Gäste. Also 230.000 Einwohner

+ 760.000 Touristen.

Und die Party dauert ein ganzes

Jahr lang, 2020, und ach

Holger Thiemann,

Jubiläumsorganisator:

„Wir arbeiten gegen die Zeit.

Das spürt man auf allen Ebenen.

Trotzdem werden wir

eine schöne Feier basteln.“

ja, sie begann schon etwas

früher, am 23. November 2019,

mit der Ausstellung „900

Jahre Leben in der Stadt“ im

Augustinermuseum. Es gab

also einen Prolog zum Warmwerden,

wie bei der Tour de

France.

Und mindestens so anstrengend

wie das schwierigste

Radrennen der Welt ist auch

die Organisation der Feierlichkeiten.

„Uns fehlt mindestens

ein Jahr an Vorbereitungszeit“,

sagt Holger Thiemann

(67), seit dem 31. März 2018

Pensionär und seit dem 1. April

2018 Projektverantwortlicher

für das Stadtjubiläum. Zuvor

war der in Rottweil geborene

Thiemann Leiter der vor 30

Jahren gegründeten Kleinkunstmesse

„Kulturbörse“;

er arbeitete für die FWTM, im

Kulturamt und organisierte

das Rahmenprogramm der

Landesgartenschau 1986.

Die modernen Büroräume

der Jubiläumsplaner in

der Günterstalstraße 7 – davor

als Szene-Bar ‚Freigeist‘

firmierend – sind hell und

freundlich. Man möchte gern

Martin Horn,

Oberbürgermeister:

„Wir wollen wirklich feiern,

aber auch kritisch denken.

Wir wollen ein Jahr machen,

das Menschen verbindet.

Es geht um gestern, heute

und auch um morgen in der

Stadt.“

hier arbeiten, nur vielleicht

nicht unter diesem Zeitdruck.

Und die Kaffeemaschine hat

so ihre Launen, auch wenn

sie an guten Tagen einen

schwarzen Sprit produziert,

der geschmacklich nichts zu

wünschen übrig lässt.

Zum Projektteam gehören

neben Thiemann dessen

Stellvertreter Thomas

Tischler, Kristina Müller und

Susann Herbstritt, plus die

‚Teilprojektverantwortlichen‘

Sportreferatsleiter Herbert

Mayer, FWTM-Geschäftsführer

Daniel Strowitzki, der stellvertretende

Kulturamtsleiter

Udo Eichmeier und sein Mitarbeiter

Manuel Brenneisen,

sowie der Leiter des Referats

für Internationale Kontakte

Günter Burger und dessen

Mitarbeiterin Lena Walter.

Mindestens einmal pro Woche

tauscht sich Thiemann zudem

mit Kulturbürgermeister Ulrich

von Kirchbach aus.

Andere Eventmanager

planen ein Konzert oder ein

mehrtägiges Festival. Holger

Thiemann hat ein Festival mit

365 Veranstaltungstagen an

der Backe - das schlaucht. „Ja

klar, wenn ich das nicht spüren

würde, würde irgendwas

schieflaufen. Das ist eine Riesen-Herausforderung,

aber es

ist auch eine spannende Angelegenheit,

eben gerade weil

es nicht eine punktuelle Sache

8 zett. November 2019


900 Jahre Freiburg

ist. Wir zünden nicht nur fünf

Feuerwerke – und das wars.“

Bei jedem Weg zu seinem

Büroschreibtisch streift Thiemanns

Blick zwangsläufig

eine große Kalenderwand,

an der zahllose neonfarbene

Zettelchen hängen, die die

verschiedenen Aktionen markieren.

Das grellbunte Bild

überdeckt dabei die Anfangsschwierigkeiten,

mit denen

Thiemann und seine Mitstreiter

zu kämpfen hatten: „Das

Thema war zum Planungsstart

nicht mehr wirklich in

der Stadt präsent. Das Stadtjubiläum

war einfach nicht da.

Und aus der kleinen Flamme

wieder ein Feuer zu machen,

das war schwer.“

Inzwischen lodert das Feuer

– und wie. Allerdings weniger

zentralolympisch als

vielmehr von vielen kleinen

Grillstellen, wie an einem

lauen Sommerabend auf der

Sternwaldwiese. Genau das

ist Thiemanns Absicht: „Das

Cecile Verny,

Jubiläumsbotschafterin:

„Dadurch, dass ich Mischling

bin - meine Mutter war

Französin, mein Vater war

Togolese – kann ich auch dieses

offene Bild von Freiburg

vermitteln.“

ist kein Jubiläum, für das wir

einkaufen und große Veranstaltungen

präsentieren, die

man auch irgendwo anders

machen könnte, sondern es ist

ein Fest der Bürgerinnen und

Bürger Freiburgs. Und wenn

die keine Lust haben sollten,

dann wird es auch kein gutes

Fest geben. Aber das sieht inzwischen

gottseidank gänzlich

anders aus.“

Rund 500 Projektanträge

liefen bei den Machern auf;

gut 185 Projekte sollen (Stand

November 2019) realisiert

werden. Dazu kommen 35

Eigenproduktionen des städtischen

Jubiläums-Komitees

wie ein Riesen-Neujahrsempfang

in der Messe, ein 900

Meter langer Mitsommernachtstisch

am 21. Juni in der

Innenstadt, das zentrale Festwochenende

vom 10. bis 14.

Juli mit unzähligen Bühnen

(Thiemann: „An einem Punkt

muss es ja auch mal wirklich

brummen“) und eine große

Abschlussveranstaltung im

Dezember 2020.

Etliche Anträge mussten

abgelehnt werden, besonders

allzu teure oder solche,

die nicht direkt mit der Stadt

in Verbindung standen. „Es

gab auch mehrere große

Festival-Ideen mit Kosten im

dreistelligen Bereich“, erzählt

Thiemann, „aber es muss ja

auch etwas mit der Stadt zu

tun haben, sonst könnte das ja

Betty BBQ,

Jubiläumsbotschafterin:

„Endlich mal wieder was los

in der Stadt. Da kann man

ordentlich Schalala machen.“

Fotos: Arne Bicker

Stelldichein der Jubiläumsbotschafter: Auf unserem Bild posieren sieben der neun Jubiläumsbotschafter mit Planern der Stadt: (v.l.) Peter Neske (Pfizer

Healthcare), Alain Stockmayr (Bächleputzer), Cécile Verny (Jazzsängerin), Ulrich von Kirchbach (Kulturbürgermeister), Martin Horn (Oberbürgermeister),

Christian Würtz (Weihbischof), Matthias Blattmann (Tanzschule Gutmann), Betty BBQ (Stadtführerin), Birgit Bauer (Managerin SC-Frauen), Laura Kiefer

(Straßenbahnfahrerin) und Holger Thiemann (Jubiläumsorganisator).

zett. November 2019

9


900 Jahre Freiburg

auch in der Lüneburger Heide

stattfinden.“

Die teuerste Bürgeridee, die

nun umgesetzt wird, ist das

‚Hosanna-Projekt‘, bei dem

900 Musiker am 12. September

2020 sternförmig anmarschieren

und rund ums Münster

eigene Kompositionen

präsentieren, die den Ton der

760 Jahre alten Hosanna-Glocke

im Münsterturm aufgrei-

Bauwagen rotieren um das Münster –

Puzzlestücke der Freiburger Stadtgeschichte.

Illustration: Andreas Verstappen

Felicia Maier,

Kulturamtsleiterin:

„Die vielfältigen Aktionen

des Stadtjubiläums werden

viele Freiburger neugierig

machen und auf die Straße

locken. In einem solchen

Jubiläum steckt das Potenzial,

eine neue Dynamik für

künftige Fragen der Stadtgestaltung

und des Zusammenlebens

auszulösen.“

Ulrich von Kirchbach,

Kulturbürgermeister:

„So ein Jubiläum, dessen

Jahreszahl durch hundert

teilbar ist – das erleben wir

alle nur einmal. Das letzte

war kurz nach dem ersten

Weltkrieg. Und von dem

vorletzten vor 200 Jahren

ist nichts dokumentiert; da

gab es noch keine Film- oder

Tonaufzeichnung. Das wird

jetzt das erste Jubiläum,

das auch festgehalten wird.

Wir können uns alle darauf

freuen.“

x 900 Euro“: Die Spender

werden namentlich auf einer

Tafel an der Seitenwand des

Rotteckringbächles verewigt.

Rund 200.000 Euro waren bis

Anfang November 2019 eingesammelt.

Die Stadt verdoppelt

die Spenden bis weit ins Jubiläumsjahr

hinein, so dass am

Ende maximal 1,62 Millionen

Foto: Hans-Joachim Wuthenow

Das neue 20-Euro-Zahlungsmittel

in Silber. Künstler: Bastian Prillwi,

Berlin.

mer ja bekanntlich zehn Monate

andauert - mindestens.

Und einen Hubschrauber, wie

ihn Sommermärchenkaiser

Franz Beckenbauer seinerzeit

bei der WM 2006 nutzte, würde

Thiemann auf keinen Fall

besteigen: „Ich denke eher

nicht. Ich habe Höhenangst.“

fen. Das finanziell schmalste

Projekt umfasst derweil eine

Handvoll Fotokopien, die die

kirchenbegeisterte Freiburgerin

Veronika Biechele zur

Ergänzung von Führungen

durch Freiburger Gotteshäuser

beantragte.

Insgesamt drei Millionen

Euro umfasst der Gesamt etat;

die Hälfte davon wird für Personal-

und Planungskosten

gebraucht – der Rest geht in

die Projekte. Dazu kommt

noch die Spendenaktion „900

Karrikatur: Klaus Karlitzky

Das Freiburger Bobbele in Partylaune.

Euro zusätzlich für bestehende,

bislang noch zurückgewiesene

oder neue Projekte

bereitstehen könnten.

Wichtig ist Holger Thiemann,

dass aus dem Stadtjubiläum

kein reines Sommermärchen

wird: „Wir versuchen

das ganze Jahr im Visier zu haben,

damit sich nicht nur alles

auf wenige Veranstaltungen

im Sommer konzentriert.“ Das

Gerippe bilden deshalb zwölf

sogenannte Monatshighlights

– wobei der Freiburger Som-

Grafik: Arne Bicker

Erst seit 1965 regelt der absichtlich

abstrakt gehaltene und keineswegs

verwitterte Ritter Bertold den

Straßenbahnverkehr an Freiburgs

zentraler Kreuzung. Gewidmet ist

er den Stadtgründern Freiburgs, den

Herzögen von Zähringen.

Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen einige Jubiläumsprojekte vor.

Das vollständige Programm finden Sie unter "www.2020.freiburg.de".

10 zett. November 2019


900 Jahre Freiburg

Ein Spanier aus Cadiz hält

die Geschichte der Stadt Freiburg

in Comics fest: Jonatan

Alcina Segura (37) lebt seit vier Jahren in Freiburg. Im Auftrag

des Landesamts für Denkmalpflege in Stuttgart und in Kooperation

mit den Regierungspräsidien Stuttgart und Freiburg sowie

den städtischen Museen entsteht derzeit ein bunt bebildertes

Buch über das Wachsen der Stadt seit ihrer Gründung bis

heute. „Hier werden die wichtigsten Momente erzählt, so dass

die Leute die Stadtgeschichte leicht verstehen können“, sagte

der Illustrator dem Kulturmagazin ZETT. Unser Auszug zeigt

einen Entwurf zum Einfluss des französischen Festungsbaumeisters

Vauban gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Wann genau

das Buch erscheinen wird – Überraschung!

Vauban & Co.

zett. November 2019

11


900 Jahre Freiburg

Alles Schiebung

Sie sind ein eher visueller Mensch und wollen mehr über

Geschichte und Zukunft der Stadt erfahren, in der Sie leben

oder in der Sie gerade als Tourist zu Gast sind? Und Sie sind

eher weniger der Typ für eine Gruppen-Stadtführung oder

den damit verbundenen, fixen Termin? Dann losspaziert,

wann immer Sie wollen, mit Handy oder Tablet und der

Stadt-App „Future History“!

Fotos: Arne Bicker

Bild: Future History

Rolf Mathis hat die Stadtführungs-

App entwickelt.

Das Icon

zur App.

Das Martinstor lässt sich historisch verschieben –

es war früher deutlich kleiner.

Im Rahmen des 900-Jahre-Stadtjubiläums

unterstützt die Stadt Freiburg die

Entwicklung einer kleinen Zeitreise-App,

in der Großes steckt: In sechs Touren mit

rund 100 Stationen wird nicht nur die

Geschichte der Stadt beleuchtet, sondern

zum Teil auch deren Zukunft. Die

kostenlose App führt ihre wissbegierigen

Nutzer zu Standorten, von denen aus sich

das Echtzeitbild des Kameraauges per

Finger-Schieberegler mit Ansichten von

Freiburgs Vergangenheit oder Zukunft

überlagern lässt.

Welch ein Gadget –t so macht Stadtgeschichte

Spaß! Mastermind hinter der

App ist Rolf Mathis, dessen sechsköpfiges

Unternehmen „Future History“ auf ganz

Deutschland verteilt ist. Er selbst sitzt

als Freiburger Statthalter im obersten

Stockwerk des Gebäudekomplexes am

Martinstor. Der Weg dorthin führt durch

Wolken aus Frittenfettgeruch und vorbei

an zahllosen Mülltonnen auf fast allen

Stockwerken in ein helles, luftiges Co-

Working-Büro. Der Ausblick über die Kajo

ist sagenhaft. Im Besprechungsraum hat

Mathis (46) den Beamer angeschmissen.

Er möchte gleich zeigen, was Sache ist.

12 zett. November 2019

Mathis erklärt: „Jede Tour schlägt dem

Nutzer Stationen entlang eines Spaziergangs

vor, an denen jeweils historische

oder zukünftige Ansichten des Ortes auf

Smartphone und Tablet eingeblendet

werden.“ Das nenne sich „Augmented Reality“

(kurz AR) – eine computergestützte

Realitätserweiterung.

Die sechs Touren beschäftigen sich mit:

➊ Altstadt: Überblick Stadtgeschichte /

1120 - heute

➋ Vauban: Entstehung des neuen

Stadtteils / 1992 - 2006

➌ Stühlinger: Einst Industrie und

Gewerbe, heute Wohnen / 1890 - heute

➍ Altstadt / Neuburg: Zerstörung und

Wiederaufbau / 1944 - heute

➎ Dörfer am Tuniberg: Freiburg am

Tuniberg / 1900 - heute

➏ Altstadt / Stühlinger: Alles neu –

Freiburgs Stadtentwicklung / 2015 – 2030

Ergänzt werden diese Zeitsprünge

durch erläuternde Texte, Audios und

Videos – letztere unter anderem mit sonorer

Stimme eingesprochen vom langjährigen

Freiburger Theaterschauspieler

Bernd Kolarik. In den Videos sind historisch

kostümierte Gestalten ebenso zu

sehen wie luftige Drohnenaufnahmen

von Niclas Dreier.

„Da, wo wir keine Fotos hatten, waren

wir eben kreativ“, erzählt Rolf Mathis

beim virtuellen Streifzug durch die Betaversion

seiner App. Dann packt er sein

Tablet ein, und wir gehen runter auf die

Kajo. Auf dem Bürgersteig vor einer Bäckereifiliale

dreht sich Mathis um und betrachtet

das Martinstor durch die Kamera

auf seinem Bildschirm. Dann schiebt er

mit dem Finger langsam ein historisches

Schwarz-Weiß-Bild über die Echtzeitansicht:

Das Martinstor war früher nur halb

so hoch!

Die Bilder locken neugierige Blicke an,

während der Selbst-ist-der-Stadtführer

aus der Jackentasche aufklärt und unterhält.

Es empfiehlt sich das Aufsetzen eines

Kopfhörers – ansonsten ist man ruckzuck

das, was man ja eben nicht sein

wollte: Der Mittelpunkt in einer neugierigen

Touristentraube.

www.freiburg2020.future-history.eu


900 Jahre Freiburg

Freiburger Kabinett

Foto: Telemach Wiesinger

Panos Kounadis porträtierte Wiesinger

2003 vor einer extra für dieses

Foto mit Airbrush-Technik erstellten

Schwarzwald-Kulissenwand in

Kounidis‘ Atelier in der Eschholzstraße.

Der 1961 in Freiburg geborene

Künstler arbeitet als Maler und nebenher

auch als Bühnenbildner, zum

Beispiel für die ‚Schönen der Nacht‘.

Telemach Wiesinger (51) kommuniziert mit

Vorliebe zweidimensional und visuell. In seinen

Schwarz-Weiß-Porträts finden sich mal mehr,

mal weniger prominente Figuren der Freiburger

Stadtgeschichte aus den letzten 25 Jahren

wieder. „Einen subjektiven Querschnitt“ nennt

Wiesinger seine selbst entwickelten, ausdrucksstarken

Arbeiten, die er in drei Phasen

(1997-1999, 2003-2004 und 2019-2020) fertigte

und noch fertigt: Es sind sehr menschliche und

nahbare, niemals aber aufdringliche Lichtbilder

seiner Zeitgenossen.

Rund 100 Bilder, von Melise Mellinger und

Gernot Erler über Thomas Nonnenmacher und

Jens Todt zu Manu Mühl und Holger Thiemann

zeigt eine große Fotoausstellung im Rahmen

des Stadtjubiläums vom 16. Dezember 2020

bis zum 8. Januar 2021 in der Meckelhalle der

Sparkasse Freiburg.

Beeilen Sie sich, dann schaffen Sie es vielleicht

auch noch auf dem Weg durch Telemach

Wiesingers analoge Großformatkamera an die

Wand des repräsentativen Sparkassensaals in

der Kaiser-Josef-Straße.

www.telemach-wiesinger.de

zett. November 2019

13


900 Jahre Freiburg

Petra Dallmann porträtierte Wiesinger 2003 vor einer Fachwerkwand

seines Studios in Riegel – weil ihn diese an einen Sprungturm erinnerte.

Das war waschechte künstlerische Freiheit, da Dallmann lieber waagerecht

sprang, um dann zum Beispiel 2004 eine olympische Bronzemedaille

über 4 x 200 m Freistil zu gewinnen.

Foto: Telemach Wiesinger

14 zett. November 2019


900 Jahre Freiburg

Der 2009 verstorbene SC-Präsident Achim Stocker verfolgte die Heimspiele

seines Sportclubs wegen der damit verbundenen Aufregung

lieber im heimischen Wohnzimmer vor dem Teletext, oder, wie hier bei

einer verabredeten Begegnung mit Wiesinger im Jahr 2003, mit Radio

am Ohr beim Spaziergang mit Hund Thommy auf dem Schlossberg.

Foto: Telemach Wiesinger

zett. November 2019

15


900 Jahre Freiburg

Freiburger

Köpfe

Foto: privat

Thomas Kitzinger malt Freiburgerinnen

und Freiburger.

Eine Einzelausstellung des

Freiburger Malers und Reinhold-Schneider-Kulturpreisträgers,

der 1955 in Neunkirchen

/ Saar zur Welt kam,

würdigt seine fast schon chronistisch

anmutenden Porträtbilder.

2008 begann Kitzinger

damit, enge Freunde und

Künstlerkollegen wie auch andere,

in Freiburg bekannte Persönlichkeiten

fotorealistisch

zu malen. Und die Arbeit ist

noch nicht beendet – bis zur

Ausstellung im Rahmen des

Freiburger 900-Jahre-Stadtjubiläums

will Kitzinger am Ball

bleiben. Zu sehen sind seine

Bilder vom 17. Mai bis 20. September

in der Paul Ege Art Collection

(PEAC), Robert-Bunsen-Straße

5.

www.thomas-kitzinger.de

Erkennen Sie diese Freiburger?

Bilder: Thomas Kitzinger

Das WIR

schafft

Energie

900 Jahre Freiburg.

Wir bringen das Münster zum Leuchten!

20. - 29. März 2020

16 zett. November 2019


900 Jahre Freiburg

Spielfreude pur: Die Mondo Musical

Gruppe mit Regisseurin Stephanie Heine

(rechts) und dem musikalischen Leiter

Dominik Hormuth (links) will: Meer.

Foto: Arne Bicker

Glaskugelgucker

von Arne Bicker

Im Rahmen des Freiburger Stadtjubiläums

wird die Mondo-Musical-Gruppe

des Freiburger Studentenwerks ihr neues

Stück „Freiburg liegt am Meer“ präsentieren.

Der Titel klingt nach einer Sehnsuchtsschnulze

aus dem Schlagerfach.

Tatsächlich geht es aber, sehr viel ernster,

um die Zukunft Freiburgs: Was wird hier

in 900 Jahren los sein?

„Der Titel ist eine Gratwanderung, bezogen

auf den Spruch: Wenn Frankreich

nicht wär‘, läg‘ Freiburg am Meer“, sagte

uns die Regisseurin Stephanie Heine.

„Wir machen ein Stück über die Zukunft,

weil unsere Darsteller Studentinnen sind.

Und die Zukunft geht sie an.“ Heine weiter:

„Wer weiß, vielleicht liegt Freiburg in

900 Jahren ja wirklich am Meer?“ Wird

hier also der Klimawandel besungen?

„Wir drehen Aspekte aus der Freiburger

Vergangenheit ins Absurde und entwerfen

dann fünf verschiedene Visionen von

Freiburg in 900 Jahren, vom Schreckensszenario

bis zur Heile-Welt-Variante.“

Neun studierende Darstellerinnen verschiedener

Freiburger Hochschulen, eine

Live-Band mit fünf Musikern, drei Choreographinnen

und die Regisseurin proben

derzeit intensiv an dem Stück, in dem

Stephanie Heine ihren Darstellerinnen

ziemlich freie Hand lässt: „Wir entwickeln

das Stück gemeinsam.“ Für die studierte

Sängerin, Chorleiterin und Theaterpädagogin

ist dies die 11. Mondo-Produktion -

die studentische Musicalgruppe war 2007

zum 550. Jubiläum der Freiburger Universität

aus der Taufe gehoben worden. Man

kennt sich also aus mit den großen, runden

Zahlen.

Spielort ist die MensaBar in der Mensa II

an der Rempart straße. In der Vergangenheit

ging die Gruppe aber gelegentlich

auch auf Tour. Zum ersten Mal sind bei der

Meeresproduktion nur Studentinnen am

Werk. „Wir hatten diesmal keine Männer

beim Casting und wollten das auch nicht

mit Gewalt erzwingen“, meint Stephanie

Heine und verweist auf ihre neunköpfige

Gruppe, die sehr harmonisch und gefestigt

sei.

Und dieses Ensemble wagt nun also einen

Ausblick in die ferne Zukunft der

Stadt. Es geht um Utopien, Visionen und

Phantasien, wie Freiburg in einigen hundert

Jahren aussehen könnte. Wie wird

man dann leben und studieren? Wie wohnen?

Was essen? Das Stück sei etwas ernster

als die vorherigen Produktionen, sagt

Heine, auch, wenn es durchaus komische

Elemente gebe. Und die dürfen auch einfach

nicht fehlen bei den Machern von

„One Night in Schwarzwald“, „The Rhythm

Of Life“, „Endlich FREIburg!“ „Hinterwald“

und „Café Europa“.

Vorstellungen am 10., 11., 17. 18., 24.

und 25. Januar 2020, jeweils um 20 Uhr.

Am 19. und 26. Januar jeweils um 18

Uhr. Zusatzvorstellung am 31. Januar,

19.30 Uhr, im Theatersaal des Augustinums

St. Georgen, Weierweg 10.

www.mondomusical.de

zett. November 2019

17


900 Jahre Freiburg

Reinhild Dettmer-Finke (links) und Britt Schilling

sind ein eingespieltes Team.

Knastbrüder

von Arne Bicker

Foto: www.peterundpablo.de

Die erste große Fotosession fand am 3. und

4. November statt. Es hat ein gutes Jahr an

Vorbereitungen dafür gebraucht. Gespräche

mussten geführt, Anträge gestellt, Sicherheitsnachweise

erbracht werden. Dann erst

durfte die Freiburger Fotografin Britt Schilling

mit ihrem Team loslegen. In der Justizvollzugsanstalt

Freiburg. Im Café Fünfeck. Im

Knast.

Im Rahmen des Freiburger Stadtjubiläums

wolle sie „den blinden Fleck sichtbar machen“,

den die 1878 erbaute Freiburger Haftanstalt

im Herzen der Stadt bildet. Die Festung

zwischen Finanzamt und Institutsviertel,

zwischen Keplerturm und Uni-Rechenzentrum

birgt rund 300 Arbeitsplätze und 500

Gefangene, ausschließlich Männer, die zumeist

lange Haftstrafen verbüßen. Auch ist

die JVA Freiburg die zentrale Unterbringung

für männliche Sicherungsverwahrte für ganz

Baden-Württemberg.

Schillings Idee: Mit großformatigen Fotos

will sie zeigen, wie es hinter den roten Backsteinmauern

aussieht. Und sie will die Insassen

sichtbar machen und darstellen, wie

sie leben, was sie denken. Dafür durfte sie

einige teilweise recht häuslich eingerichtete

Zellen fotografieren – allerdings ohne deren

Insassen. „Wenn das Foto meiner Zelle draußen

hängt“, so ein Häftling, „dann kann meine

Frau mal sehen, wie ich hier lebe.“

Fotomontage: Brit Schilling

18 zett. November 2019


900 Jahre Freiburg

Strafgefangene hat Britt Schilling auch fotografiert,

auf einem Stuhl sitzend, von vorn

und von hinten. Die Bilder, die die Häftlinge

frontal zeigen, werden innen auf die Gefängnismauer

tapeziert. Sie werden dann auch

nur für die Menschen innerhalb der Mauern

zu sehen sein. Nur die Rückansichten werden

auf Fotoplanen gedruckt an der Außenmauer

hängen, für alle sichtbar.

Für die Anbringung der Fotoplanen fertigt

die Gefängniswerkstatt spezielle Stahlrohrrahmen.

„Es darf ja keine Übersteighilfe

sein“, erklärt Reinhild Dettmer-Finke, die das

ambitionierte Foto- und Informationsprojekt

„Strafraum“ gemeinsam mit Britt Schilling entwickelt

hat. „Da gab es wohl schon mal betrunkene

junge Männer, die das versucht haben“,

erklärt Schilling. 'Rübermachen' dürfen natürlich

nur die digitalen Daten der Fotografien.

„Ein herzliches Willkommen auf der Internetseite

der Justizvollzugsanstalt Freiburg!“

Das steht auf der Startseite der JVA-Homepage.

Und direkt darunter: „Um einen Staat

zu beurteilen, muss man seine Gefängnisse

von innen sehen (Leo Tolstoi).“ Genau damit

macht dieses Projekt nun ernst. Finanziert

von der Freiburger Bürgerstiftung, der Baden-Württemberg-Stiftung,

der Stadt Freiburg

und einer privaten Stiftung werden die dicken

JVA-Mauern durch das Projekt „Strafraum /

Absitzen in Freiburg“ virtuell ein kleines bisschen

transparent gemacht.

Die offizielle Eröffnung der Foto-Ausstellung

ist für Donnerstag, 14. Mai 2020, 18.30 Uhr, auf

dem Mitarbeiterparkplatz direkt vor der JVA

geplant. Die großformatigen und zum Teil mit

Tagebuchzitaten von Insassen ergänzten Bilder

sollen über fünf Monate bis Ende Oktober

im Außenbereich zu sehen sein. Danach werden

die Fotoplanen in der JVA-eigenen Näherei

zu Tragetaschen umgearbeitet. Die Erlöse

sollen an einen Opferfond gehen.

Während der Ausstellung wird es ein umfangreiches

Informationsprogramm mit dem

Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht,

dem Kommunalen Kino und der Evangelischen

Hochschule geben. Zusätzlich ist ein

Begleitbuch geplant.

Bliebe die Frage: Was treibt die beiden Damen

an? „Wir wollen diesen verdrängten Teil

der Stadt für die Bevölkerung sichtbar machen

und eine Auseinandersetzung mit Strafvollzug,

Resozialisierung und Wegen zurück in die

Gesellschaft anregen“, so Reinhild Dettmer-Finke.

Und Britt Schilling, die seit vier Jahren

einmal pro Woche ehrenamtlich an einem

Gesprächskreis mit dem JVA-Seelsorger Michael

Philippi und lebenslänglichen Gefangenen

teilnimmt, meint: „Es geht um den Sinn

des Strafens. Das Projekt macht eine Grenzüberschreitung,

einen Gedankenflug möglich.“

So könnte die JVA-Fotoaktion aussehen.

zett. November 2019

19


900 Jahre Freiburg

Die Sängerin Camilla Chimiak und Swing-Musiker

Martin Schreck posieren mit einem Ford-Pickup Model A

von 1930 vor dem Café Ruefino in Freiburg.

Foto: Charlotte Großmann

Freiburg-Hymne

im Big-Band-Sound

„Eine Liebeserklärung an die Stadt Freiburg

im Bigband-Format“ – so nennt der in

Freiburg geborene und im nahen Bötzingen

lebende Martin Schreck seine Eigenkomposition,

die nicht weniger ist als eine herzerwärmende

Hymne an die südbadische Metropole.

Der Titel des Stücks? „FREIBURG“ – was sonst.

Er wolle mit seinem Bigband-Arrangement

„die Stadt und das Lebensgefühl der Freiburger

musikalisch und mit einem Augenzwinkern

positiv darstellen“, sagte Schreck

unserem Kulturmagazin im Gespräch. Das

ganze geschehe in Form eines musikalischen

Spaziergangs, vorbei an Bächlen, Bollenhüten

oder der Treppe am Augustinerplatz.

„Du hast nun eingecheckt – Freiburg, ich

hab‘ entdeckt, was noch so in dir steckt…“ – so

lautet eine Songzeile. Leichtfüßig und mit viel

Swing-Feeling kommt die im Text besungene

Unbeschwertheit der Stadt daher. Verschiedene

Instrumentengruppen begleiten den

von Camilla Chimiak eingesungenen Text.

Das Big-Band-Arrangement hinter der

Sängerin wurde im Studio mit einzelnen

Freiburger Jazzmusikern im Sommer 2018

realisiert. Eine Live-Aufführung ist zunächst

nicht vorgesehen, wäre aber „ein kleiner, großer

Traum“ für Martin Schreck, der als Musiklehrer,

Trompeter und Bandleader der Freiburger

Swing-Formation „Jitterbug Perfume“

mit seiner komplett selbst arrangierten Eigenkomposition

im Retro-Swing-Feeling den

Geist der Zeit trifft - just zum 900-Jahre-Jubiläum

der Stadt.

Man könnte auch sagen: Gesucht wird -

eine Bigband! Die Studioproduktion der

Hymne kann unter dem unten stehenden

QR-Code-Link für 1,29 Euro heruntergeladen

werden; 50 Prozent der Einnahmen

werden an die Initiative

„lovingromania.de“

für Kinder in dem rumänischen

Ort Tichindeal weitergeleitet.

20

zett. November 2019


Kennen Sie das „Once-Festival“,

das „Open Air Theatersport Festival“

oder das „international screendance

festival“? Und worum geht es

bei der schlicht und einfach „Freiburg

Festival“ genannten Eventreihe,

worum bei „LocArtista“, und

wann, wo und wie oft findet das

alles statt?

Die Zahl der kulturellen Veranstaltungen

in Freiburg wächst und

wächst – Festivals und einzelne

Events scheinen sich von selbst zu

vermehren; man könnte meinen,

die Freiburger schwelgten im kulturellen

Luxus. Doch dem ist nicht

so; es klemmt an allen Ecken und

Enden, vor allem finanziell.

Das Kulturamt der Stadt muss

hier den Überblick wahren und gemäß

der städtischen Richtlinien fördern,

so gut es kann. Gefragt sind

eine „kontinuierliche und verlässliche“

Förderung „herausragender“

Projekte, die „dem städtischen Kulturleben

eine Dynamik und Offenheit

verleihen“. Auch „risikofreudige,

experimentelle und innovative

Formen“, Generationenund

Geschlechtergerechtigkeit

finden sich

gelistet im städtischen

Kulturmasterplan, ebenso

Verteilungsgerechtigkeit,

Vielfalt, Kommerzlosigkeit

und eine gute Ressourcennutzung.

Herauskommen soll dabei

am Ende eine „Stadt

der Künste“ - so fordert es

das Freiburger Kulturkonzept.

„Es ist nicht leicht,

da ein Gleichgewicht zu

finden, und man darf auf

keinen Fall den eigenen

Geschmack als Maßstab

anlegen“, sagt Felicia Maier,

die am 1. Januar 2019

die Leitung des Freiburger

Kulturamts von Achim Könneke

übernommen hat. „Und klar, die

Zahl der Veranstaltungen hat deutlich

zugenommen. Wenn ich zum

Beispiel an das letzte Juni-Wochenende

zurückdenke – da hätte man

sich zehnteilen müssen“.

Oberbürgermeister Martin Horn

gibt derweil ein klares Bekenntnis

zur Kulturförderung ab: „Freiburg

ist eine wunderbare Kulturstadt;

da geht es nicht nur um Hochkultur,

auch um Jugend- und Subkultur

– die volle Bandbreite. Das gilt es

weiter zu fördern und zu bewahren.

Gerade auch in Zeiten von immer

mehr Kommerzialisierung und immer

mehr Stress wollen wir allen

Menschen Freiräume bieten, sich

zu entwickeln. Und das geht nicht

nur in Museen und Theatern, aber

auch dort. Zusätzlich brauchen wir

freischaffende Kultur, die nicht von

oben herab gelenkt wird.“

Im offiziellen Freiburger „Handlungskonzept

Stadt der Künste“

findet sich derweil ein interessanter

Satz: „Der Konkurrenzkampf um

die Aufmerksamkeit des knappen

Guts Publikum hat sich verschärft.“

Stimmt das? Gibt es mehr Veranstaltungen

bei einem gleichbleibenden

oder gar schwindenden Publikum

in einer wachsenden Stadt?

„Die Kultur steht quasi dauerhaft

Felicia Maier leitet seit Januar 2019 die Freiburger

Kulturamtsstube am Münsterplatz.

in Konkurrenz zum sehr beliebten

Sport, zu gastronomischen Angeboten

oder zur digitalen Unterhaltung

in den eigenen vier Wänden“, sagt

Felicia Maier.

Die studierte Kulturwissenschaftlerin

hat Berufserfahrung in Zürich,

Basel, Baden-Baden und Karlsruhe

gesammelt - sie kennt ihre Klientel.

Und geht es nicht in einer Welt mit

zunehmender Freizeit und Individualisierung

auch im kulturellen Bereich

um Geld, Zeit und Prioritäten?

Seit der vorherige Kulturamtschef

Könneke nach 15 Jahren den Dienst

quittierte, um in das Amt des Referenten

für Kultur, Schule und Sport

nach Würzburg zu wechseln, sind in

Freiburg etliche neue Förderanträge

im Eingangskorb des Kulturamts

am Münsterplatz gelandet: Über 80

Kultureinrichtungen werden inzwischen

von der Stadt Freiburg institutionell

unterstützt; daneben gibt

es rund 260 einzelne, sogenannte

‚Projektförderungen‘.

Ein rares Gut

von Arne Bicker

Für letztere stehen dem Kulturamt

580.000 Euro im Jahr zur

Verfügung. Die institutionelle Förderung

schlägt mit 7,75 Millionen

Euro zu Buche – und da ist das

Stadt theater als städtischer Eigenbetrieb

mit einem Zuschuss in Höhe

von 13 Millionen Euro noch außen

vor, ebenso die städtischen Museen

und Bibliotheken.

„Etwa vier Fünftel aller

Anträge“ würden positiv

beschieden, schätzt Maier,

wobei das Amt ausdrücklich

versuche, keine

Gießkannenförderung zu

betreiben. Und immer sei

es ein Zuschuss – Eigenleistung

vorausgesetzt.

Ausgeschlossen würden

lediglich rechteverletzende

oder die weit gefassten

Förderrichtlinien nicht erfüllende

Ideen. „Und in

Einzelfällen kam es schon

vor, dass man aus dem

schriftlichen Antrag zunächst

gar nicht so genau

verstanden hat, was der

Antragsteller eigentlich

wollte“, so Maier.

In einer weiteren Schublade mit

Förderempfängern stecken städtische

Eigenveranstaltungen wie das

„Kindermusikfestival Klong“ oder

„Konzerte im Freien“. Einmalig sind

im kommenden Jahr 200.000 Euro

für den Bundeswettbewerb „Jugend

musiziert“ vorgesehen, der

vom 28. Mai bis 4. Juni 2020 im

Breisgau Station macht. Unter

„Sonstige Kulturpflege“ finden sich

zum Beispiel das „Lirum-Larum-Lesefest“

oder die „Deutsch-Französischen

Kulturgespräche“.

Foto: Arne Bicker

Kulturförderung

zett. November 2019

21


Kulturförderung

Auf der Webseite des Freiburger Kulturamts (www.freiburg.

de/pb/229672.html) heißt es: „Das Kulturamt fördert und entwickelt

durch unterschiedliche Maßnahmen ein vielfältiges

Freiräume

schaffen

Kunst- und Kulturleben in der Stadt. Es berät und unterstützt

Künstler_innen, Gruppen und Einrichtungen in allen Belangen

ihrer Arbeit, steuert Netzwerke und Kooperationen und entwickelt

die kulturellen Infrastrukturen in der Stadt weiter. Für

Kunst- und Kulturprojekte werden meist über Fachjurys einmalige

und mehrjährige Zuschüsse vergeben. Einzelne Veranstaltungen

und Einrichtungen werden auf Basis von Beschlüssen

des Gemeinderates institutionell gefördert.“

Über die institutionellen Förderungen entscheidet also direkt

der Freiburger Gemeinderat in seinen Sitzungen; die Projektförderung

wird vom Kulturamt, zum Teil mit Hilfe externer

Experten beschieden, wobei der Gemeinderat hier zumindest

den ideologischen und finanziellen Handlungsrahmen vorgibt.

In unserer Auflistung zeigen wir, welche Kultureinrichtungen

in Freiburg im kommenden Jahr 2020 in welchem Maße gefördert

werden. Die Zahlen finden sich im frei zugänglichen Doppelhaushaltsplan

der Stadt. Unsere Auflistung erhebt keinen

Anspruch auf Vollständigkeit und wird hier vom Kulturmagazin

ZETT. ohne Gewähr veröffentlicht.

Zuschussempfänger Ansatz 2020

EUR

Teilhaushalt 12 - Teilbudget Kulturamt

Archiv

Projektförderung

Wissenschaftliche Arbeiten zur Stadtgeschichte 2.140

Institutionelle Förderung

Archiv Soziale Bewegungen e.V. 63.510

Breisgau Geschichtsverein Schau-ins-Land 3.210

Musik

Projektförderung

Basisförderung der Chöre 42.870

Förderung der Musik- und Gesangsvereine 122.880

Förderung der Chöre 37.720

Förderung der Musik 39.570

Förderung der Jazz- und Popmusik 13.930

Anton-Webern-Chor 10.720

Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble e.V . 36.770

Bluesfreunde Freiburg e.V. 8.000

Bretterbude 7.000

Camerata Vocale 28.000

Choeur3 15.760

Chorstadt Freiburg 15.000

Ensemble-Akademie Freiburg 20.000

Ensemble Aventure 26.790

Ensemble Recherche 89.300

E-Werk: Jazzfestival 21.430

Experimentalstudio für akustische Kunst e.V. 85.330

Freiburg stimmt ein 25.000

Freiburger Barockorchester 619.550

Freiburger Booking Fonds e.V. 30.000

Holst Sinfonietta 15.000

Jazz am Schönberg 5.000

Jazzchor 36.270

Jazzkongress 23.520

Mehrklang-Gesellschaft für Neue Musik e.V. 57.870

multicore 15.000

Musik im Dialog e.V. 10.000

Stiftung BW Ensemble-Akademie Freiburg e.V. (Erbbaupacht) 25.600

Tamburi Mundi e.V. 28.830

Zuschussempfänger Ansatz 2020

EUR

Vereinigung Freiburger Jazzhaus e.V. 20.950

Vereinigung Freiburger Jazzhaus e.V. (Mietzuschuss) 44.700

Voice Event 26.000

Zelt-Musik-Festival GmbH 48.950

Kulturförderung

Sonstige Veranstaltungszuschüsse 6.270

Sonstige Projektzuschüsse Internationales 15.760

Bildende Kunst

Projektförderung

Förderung der Bildenden Kunst 28.240

Institutionelle Förderung

Depot K e.V. 7.880

ILLU Freiburg e.V. 10.000

Kulturwerk des BBK (T66) 16.070

KünstlerWerkstatt L6 e.V. 8.600

Kunstkonzept 63.290

Kunstverein Freiburg e.V. 148.200

Kunstverein Freiburg e.V. (Mietzuschuss) 269.550

Kunst im Faulerbad 15.510

Freie Theater

Projektförderung

Freie Theaterprojekte (Kleinbühnen) 128.390

InstitutionelleFörderung

Aktionstheater Panoptikum 16.070

Bewegungs-art freiburg e.V. 68.040

Cala Theater 30.000

Cargo Theater 30.760

Die Schönen der Nacht 45.180

E-Werk: Festival Theater und Tanz 187.170

E-Werk: Tanzplattform 25.000

Theater der Immoralisten GbR 51.520

Theater im Marienbad 533.260

Theater im Marienbad (Mietzuschuss) 385.270

Theater Harrys Depot 51.270

Wallgraben Theater 246.140

Opera Factory Freiburg e.V. 16.070

22 zett. November 2019


Kulturförderung

Zuschussempfänger Ansatz 2020

EUR

Literatur, Film, Soziokultur

Projektförderung

Sonstige Projektzuschüsse Film 41.010

Sonstige Projektzuschüsse Literatur 5.380

Institutionelle Förderung

Breisgauer Narrenzunft e.V. 10.720

Breisgauer Narrenzunft e.V. (Mietzuschuss) 21.810

E-Werk Freiburg e.V. 297.990

E-Werk: (Mietzuschuss) 265.600

E-Werk: Spenden refinanziert 18.000

E-Werk: Zuschuss Südufer 117.030

E-Werk: Erbbauzins Südufer 2.290

Fabrik für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. 182.580

Fabrik für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.

Spenden refinanziert 47.000

Freiburger Lesbenfilmtage e.V. 15.760

Freundes- und Förderkreis der Zinnfigurenklause

im Schwabentor Freiburg e.V. 7.770

Freundes- und Förderkreis der Zinnfigurenklause

im Schwabentor Freiburg e.V. (Mietzuschuss) 4.210

Greenmotions Filmfestival 10.700

Heinrich-Hansjakob-Gesellschaft 220

Historische Freiburger Bürgerwehr e.V. 550

Kulturaggregat 36.270

Kommunales Kino e.V. 235.930

Kommunales Kino e.V. (Mietzuschuss) 53.350

Kommunales Kino e.V. Freiburger Filmforum 32.570

Literatur-Forum Südwest e.V. 160.270

Literatur-Forum Südwest e.V. (Mietzuschuss) 45.480

Literatur-Forum Südwest e.V. Freiburger Literaturgespräch 34.150

Medienwerkstatt Freiburg e.V., SchülerFilmForum 11.560

Muettersproch-Gsellschaft 340

Radio Dreyeckland 5.250

Schwarzwaldverein e.V. 220

Schwule Filmwoche Freiburg e.V. 8.410

Slow Club 20.510

Zuschussempfänger Ansatz 2020

EUR

Proberäume Kepler-Gymnasium 29.700

Wallgraben Theater 140.650

KünstlerWerkstatt L6 e.V. 20.790

Centre Culturel Francais Freiburg e.V. 110.800

Summe Entgeltfreie Überlassungen THH 12 -

Teilbudget Kulturamt 764.580

Teilbudget Kulturamt:

Sonstige Kulturpflege:

Kulturelle Aktivitäten (einschl. Andruck) 24.000

Deutsch-Französische Kulturgespräche 40.000

Lirum-Larum Lesefest 37.000

Internationaler Kulturaustausch 15.000

Reinhold-Schneider-Preis 52.000

Eigene Ausstellungen Kunsthaus L6 30.000

Sonst. Kulturaktivitäten 3.500

Kulturagenten für kreative Schulen 30.000

Interkulturelles Stattfest 30.000

Kunstkommission 13.500

Gesamtsumme 275.000

Musikpflege:

Klong, Kindermusikfestival 32.000

Konzerte im Freien 17.000

Creole Reihe 10.000

Bundeswettbewerb Jugend musiziert 200.000

Gesamtsumme 259.000

Foto: Arne Bicker

Kulturelle Bildung

Institutionelle Förderung

Carl-Schurz-Haus 99.810

Centre Culturel Francais Freiburg e.V. 164.730

Community Oper 22.500

Erwachsenenbildung-Bildungswerke 19.290

E-Werk: Jugendkunstparcours 21.010

Feministisches Zentrum Freiburg e.V. 13.930

Jugendbildungswerk e.V., Haus der Jugend 648.450

Jugendbildungswerk e.V., Haus der Jugend

Schulraummiete ASB 22.000

Konfuzius-Institut 24.180

Kulturwunsch Freiburg e.V. 35.610

Landesverband Badische Heimat 10.510

Nachbarschaftswerk Freiburg e.V. 3.870

Schwere(s)Los! e.V. 41.010

Zwetajewa-Zentrum 18.910

Summe Teilhaushalt 12 - Teilbudget Kulturamt 7.656.940

Entgeltfreie Überlassungen (Mieten/Mietnebenkosten)

Förderverein Subkultur (KTS-Ini), inklusive Ateliers 265.060

Jugendbildungswerk e.V., Haus der Jugend 197.580

Am 19.10.2019 feierte das erste Freiburger Atelierhaus 40. Geburtstag: Die

Villa Mitscherlich in der Günterstalstraße (unser Foto zeigt das Treppenhaus)

beherbergt städtisch geförderte Ateliers für 19 Künstler. Das Haus wurde 1890

vom Chemiker Alexander Mitscherlich erbaut und war zwischenzeitlich Sitz

des Max-Planck-Instituts für internationales Strafrecht.

zett. November 2019

23


kultur am start

Foto: Felix Groteloh

Geheimtipp

Kulturbörse

von Arne Bicker

von Arne Bicker

Die Freiburger Funkband FATCAT bereichert 2020 die

große Eröffnungsgala der Kulturbörse.

24

zett. November 2019


kultur am start

32. Internationale Kulturbörse Freiburg

26. - 29. Januar 2020

Sonntag 26. Januar | 20 Uhr | Theatersaal 1

Opening Gala

mit Siegfried & Joy (D - unkonventionelle Magie), Lisa Christ

(CH - Slam-Poetin), Franco & Lolla (US - Counterweight Rope

Duo), Kaiser & Plain (D, Musikkabarett), FatCat (Freiburger

Funkband) und Matthias Romir (D – Schwarzclown).

Montag, 27. Januar | 20.15 Uhr | Theatersaal 1

Körpertheatershow „Nautilus“

des umwerfend komischen Neuseeländers Trygve Wakenshaw.

Dienstag, 28. Januar | 19.30 Uhr | Theatersaal 1

Varieté-Abend

mit Helena Jans (BE) und Johannes Prinz (D - Strapaten), Chu

Chuan-Ho (TW - Diabolo), Duo Cardio (FR - Stangenbalance),

Lotta & Stina (BE - Rola-Bola), Tori Boggs & the Boys (US -

Springseil) und Martin Sierp (D – Comedian).

Dienstag, 28. Januar | 20 Uhr | Theatersaal 1

Freiburg Vocal Night Vol. II

Mittwoch, 29. Januar | 19.30 Uhr | Theatersaal 3

Poetry-Slam-Abend

www.kulturboerse-freiburg.de

Und dann gibt es da noch die abendfüllenden Leuchttürme der

Kulturbörsen-Unterhaltung: Die Opening-Gala, das Körpertheater

Nautilus, das Varieté, die Freiburger Vocal Night und den

Poetry-Slam.

Bekannt ist die IKF vor allem dem Fachpublikum – Künstlern,

Agenturen, Veranstaltern. „Für unsere Fachbesucher ist die Kulturbörse

fast so etwas wie ein Klassentreffen - man kennt sich,

tauscht sich aus und knüpft neue Verbindungen.“, so Susanne

Göhner. Sie möchte in den kommenden Jahren im Großen und

Ganzen am Konzept der IKF festhalten und die Messe zudem

als Plattform für neue Kunstformen wie den zeitgenössischen

Zirkus etablieren, noch internationaler werden und auch die

Förderung von Nachwuchskünstlern noch mehr als bislang in

den Vordergrund rücken.

Zwar ist das flächenmäßige Potential der Messe Freiburg

durch die IKF ausgeschöpft (Göhner: „Wir können hier kaum

noch weiter wachsen“), aber für Besuche des Freiburger Publikums

gilt das nicht. Ganz normale Freiburger

können sich hier an abwechslungsreichen

und innovativen Zwanzig-Minuten-Auftritten

bekannter oder weniger bekannter

Künstler berauschen – kein noch so

opulentes TV-Programm hat das zu

bieten. ZETT. meint: Nix wie hin.

Susanne Göhner leitet

die Freiburger Kulturbörse.

Foto: IKF

Kann so etwas wie eine große und seit Jahrzehnten stattfindende,

öffentliche Messe in Freiburg noch ein Geheimtipp sein?

Wie wäre es mit einem Besuch der Internationalen Kulturbörse

Freiburg (IKF), die von Montag, 27., bis Mittwoch, 29. Januar

2020, zum 32. Mal über die Bühne geht?

Genauer gesagt über deren fünf: Die größte Fachmesse für

Bühnenproduktionen, Musik und Events im deutschsprachigen

Raum beherbergt eine Straßentheaterbühne, drei Bühnen

für darstellende Kunst und eine Musikbühne - die letzteren in

vier separaten Theatersälen, die vom Aachener Unternehmen

„Artec“ hochprofessionell eingerichtet und betrieben werden.

Hier zeigen Varieté-Artisten, Comedians, Kabarettisten, Musiker,

Zirkusartisten und Straßentheaterkünstler Ausschnitte aus

ihren aktuellen Produktionen und Programmen. Rund 5.000

Besucher, davon etwa 95% Fachpublikum, plus rund 400 Aussteller

- das sind die Eckdaten der IKF, die seit 2018 von Susanne

Göhner geleitet wird.

Die gebürtige Reutlingerin löste Holger Thiemann ab, der der

Messe 30 Jahre lang vorstand und sich nun um das Freiburger

Stadtjubiläum kümmert (wir berichten ausführlich in diesem

Magazin). Göhner war zuvor viele Jahre als Mitgeschäftsführerin

im Burghof Lörrach und für das Basler Festival „Culturescapes“

sowie freiberuflich im Kulturbereich tätig und fände es

„schön, wenn die Kulturbörse noch mehr in der Stadt wahrgenommen“

würde.

Gründe genug für diesen Wunsch hat sie: Zahlreiche innovative

Straßentheaterensembles, Kabarettisten, Comedians,

Artisten und Musikbands geben sich auf den fünf Bühnen die

Klinke in die Hand. Zu den Kurzauftritten kommen noch Sonderschauen,

Specials und zahlreiche Walking Acts, die der IKF

einen ganz eigenen Flair verleihen.

Seit 2008 wird darüber hinaus während der Messe für die

Bereiche Musik, darstellende Kunst und Straßentheater ein

spezieller Kulturbörsenpreis, die „Freiburger Leiter“, verliehen.

Martin Lamster

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Maria Tsianaka-Kaiser

Fachanwältin für Erbrecht

Kaiser-Joseph-Straße 269

79098 Freiburg

Telefon 0761 / 590 48 22

info@lamster-kanzlei.de

www.lamster-kanzlei.de

Jan Kuhlicke

Rechtsanwalt

Julia Kuberski

Rechtsanwältin

Lamster Kanzlei –

Ihre Rechtsanwälte

in Freiburg

zett. November 2019

25


KULTUR AM START

Kunst im Alltag

Foto: Arne Bicker

Freiburger OPEN-ART-Macher

(von links): Alfonso Lipardi,

Franziska Rist, Marcel Oettrich

und Cecilia Kaiser.

Zum dritten Mal nach 2016 und 2018 werden vom 2.

bis 10. Mai rund 150 Künstlerinnen und Künstler an 100

Orte in ganz Freiburg ausschwärmen, um Kunst zu machen

und zu zeigen. Das Ganze nennt sich „OPEN ART

2020“ – ein Festival der Kunst im alltäglichen Lebensraum.

Die feierliche Eröffnung findet am Samstag, 2.

Mai 2020, um 11 Uhr, auf dem Platz der alten Synagoge

statt.

Geboten sind diverse Kunstrichtungen wie Malerei,

Skulptur, Installation, Land Art, Tanz, Fotografie, Video,

Klang, Performance oder Aktionskunst mit selbstorganisierten

und eigenverantwortlichen Konzepten unter

dem Dach einer ehrenamtlichen Organisation, für die

in diesem Jahr Clemens Baldszun, Cecilia Kaiser, Daniel

Kuttner, Alfonso Lipardi, Marcel Oettrich, Franziska Rist

und Carina Scherer geradestehen.

Die Idee ist, dass Kunst im öffentlichen Raum, zum Beispiel

in Parks, auf Straßen, in Cafés, Büros, Supermärkten

oder Ladengeschäften auf sich aufmerksam macht und

in den alltäglichen Lebensräumen der Menschen aufploppen

soll. Künstler und Passanten oder Besucher

treten so in einen kommunikativen und direkten Austausch.

So soll der Leitgedanke von der „Kunst im alltäglichen

Lebensraum“ und dem „Alltag auf dem Prüfstand

der Kunst“ neun Tage lang gelebt werden.

www.open-art.org

Jekyll & Hyde

Daniel Leers als Dr. Jekyll (links)

und Jochen Kruß als Mr. Hyde.

Foto: Manuel Kreitmeier

Eine Polizeistation in London. Es herrscht Ausnahmezustand.

Die Zeugen geben sich die Klinke in die Hand:

Ein brutaler Gewalttäter treibt sein Unwesen in der

Stadt. Der Inspektor ist verwirrt von den Fakten. Bei dem

Täter handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um

einen gewissen Mister Hyde. Doch Hyde selbst bleibt

ein Phantom. Eben noch am Tatort, ist er im nächsten

Moment wie vom Erdboden verschluckt. Die Spur führt

zum Haus des ehrenwerten Doktor Jekyll, einer wissenschaftlichen

Koryphäe. Dem Inspektor dämmert ein

schrecklicher Verdacht. Sollten Doktor Jekyll und Mister

Hyde etwa identisch sein?

Robert Louis Stevensons berühmte Novelle ist die Vorlage

zur Theater-Studie der Freiburger Immoralisten

über das Gute und Böse in jedem von uns. In Zeiten der

politischen Correctness gilt der ‚Gutmensch‘ vielleicht

als Ideal. Doch Wut und Aggression sind im Menschen

selbst verankert. Wir alle sind Teil einer schizophrenen

Gesellschaft, deren tolerantes Verhalten auf Sand gebaut

ist.

Musik: Florian Wetter (Komposition, Klavier) & Hannah

Schwegler (Cello, Live-Elektronik). Text, Regie und

Bühne: Manuel Kreitmeier. Premiere am Samstag,

21.12.2019, 20 Uhr. Weitere Aufführungen am Freitag,

27., und Samstag, 28.12., jeweils um 20 Uhr

www.immoralisten.de

26 zett. November 2019


kultur am start

Spektakel

Manege frei

Vom 21. Dezember 2019 bis zum 5. Januar 2020 heißt es im großen Zelt auf

dem Messegelände ‚Manege frei‘ im Freiburger Weihnachtszirkus Circolo. Im 25.

Jahr seines Bestehens wartet die Traditionsveranstaltung mit einem waschechten

Jubiläums-Programm auf: Ein „Best of“ der vergangenen Circolo-Jahre wird

kombiniert mit großartigen Neuentdeckungen zu einem internationalen Reigen

spektakulärer, faszinierender und atemberaubender Weltklasse-Künstler.

Es geht um Magie, Comedy und Artistik, moderiert von Baden-FM-Moderatorin

Julica Goldschmidt. Zum Programm gehören die Gruppe Cheban mit verrückten

Riesenreifen, das Luftakrobatik-Duo Skyline, Flamenco, Gitarre, Bälle und Artistik

mit dem Duett Komplett, der Clown-Mime Daniel, das Duo Yingling mit seinen

rotierenden Schirmen, die Gruppe Space Elements, die kolumbianischen Hochseilartisten

Los Ortiz und die Würzburger Breakdance-Truppe Dreamscape. Dazu

spielt das unverzichtbare Circolo-Orchester live auf.

www.circolo-freiburg.de

Erstklassige Verführung

20-jähriges Jubiläum feiert die Dinner-Show im Europa-Park Rust zwischen

dem 15. November 2019 und dem 2. Februar 2020. Der Klassiker unter den

Rundum-Genuss-Darbietern entführt die Gäste ins schillernde New York der

wilden 70er Jahre. Im „Europa-Park Teatro“ heißt es dreieinhalb Stunden lang

Eintauchen in eine fantastische Welt aus Unterhaltung und Genuss, mit einer

einmaligen Kombinationen aus artistischer Meisterleistung, Livemusik und

Comedy. Unvergessliche Momente garniert Sterne Koch Peter Hagen-Wiest mit

einem exquisiten Vier-Gänge-Menü. Verwöhnen lassen kann man sich zudem

am 17. November 2019 und am 19. Januar 2020 mit einer exklusiven Matinée

zur Mittagszeit.

Die Reise durch New York, die Stadt, die niemals schläft, streift legendäre Clubs

und Studios, vibrierendes Nachtleben und Entertainment vom Allerfeinsten. Die

Zeit der wilden 70er erwacht im „Europa-Park Teatro“ zu neuem Leben. 25 Weltklasse-Künstler

präsentieren ein hochkarätiges Abendprogramm. Die Besucher

erwartet eine einmalige Mischung aus Musik, Tanz und Artistik – extravagant

und glanzvoll, unter anderem mit den Rollerskatern Andrej Taletski und Katsiaryna

Taletskaya, mit dem Akrobatik-Duo Alansia, dem finnischen Magier Jay Niemy,

dem Schleuderbrett-Duo Up & Down oder dem beidhändigen Speedpainter

Denys Dytyniuk. Dazu tanzt das Europa-Park Showballett.

www.europapark.de/dinnershow

Mondlandung

Vier Mal im Freiburger Konzerthaus zu sehen ist die "Traumfabrik", ein zweistündiges

Showtheater der Phantasie und Lebensfreude. Am Freitag, 10., und

Samstag, 11. Januar 2020, jeweils in zwei Vorstellungen um 16 und 20 Uhr, gibt

es Geschichten zum Eintauchen durch eine Verschmelzung von Artistik, Tanz

und Schauspiel – inszeniert mit viel Fantasie, Witz, Charme und Poesie. Artisten

mit innovativer LED-Akrobatik aus Österreich, Handschattenspiel aus Indien,

Schleuderakrobatik aus England und Dänemark, georgisches Mimenschauspiel

und Neukompositionen des Traumfabrik-Ensembles werden das Publikum verzaubern.

Die Traumfabrik lässt die verschiedenen Stile aus Varieté, Cirque Nouveau,

Tanz und Theater mit Elementen aus Artistik, Schauspiel, Musik und Licht zu

einer faszinierenden Inszenierung auf höchstem Niveau verschmelzen. Über

30 Weltklasse-Künstler aus aller Herren Länder, perfekt abgestimmte Musik

von Klassik über Pop bis Rock und faszinierende Lichtkompositionen lassen

die Zuschauer mit Witz, Charme und Poesie in eine mal nostalgische, mal futuristische

Technikwelt abtauchen. Dabei entstehen kleine Geschichten, die so

abwechslungsreich sind wie unsere Träume.

www.traumfabrik.de

zett. Monat 2019

27


Kultur am Start

Lachen kommt an

Freiburg | E-Werk | 22. und 23.12.2019

Oropax

Am Sonntag, 22., und Montag, 23.12.2019, jeweils um 20 Uhr, spielt das Chaos theater

Oropax sein Programm „Der 54. November – Die Weihnachtsshow“ im Freiburger E-Werk.

Als Brüderpaar feiert Oropax Weihnachten traditionell sehr hemmungslos. Zwischen erschossenen

Lebkuchen, den beiden Heiligen Drei Königen und gnadenlosen Enthüllungen

schneit es auf alles nieder, was Sinn macht. Nichts ist heilig außer den Scheinheiligen.

Befreit vom Ballast der konsumierten Seligkeit freut sich sogar der Osterhase. Oropax

warnt beherzt vor: „An Wein8en sollst du auf den Wein achten. So wird das frohe Fest

zum herrlichen Flüssig.“

Freiburg | verschiedene Veranstaltungsorte | 26.01.–08.02.2020

21. genzenlos-festival

Vom 26. Januar bis 8. Februar 2020 steigt in Freiburg das 21. grenzenlos-festival. An elf

Veranstaltungstagen präsentiert das Freiburger Festival für Kleinkunst, Kabarett und

Comedy frivole Jonglagen, böse Zungen, ein Satire-SEK-Quartett, ein australisches Orakel

mit Vibrationshintergrund, einen charmanten Misantropen und kabarettistische Feingeister.

Geboten werden tödlicher Wortwitz, Wiener Schmäh und Schweizer Charme in

rotzfrecher Leichtigkeit. Es gibt wilde Shows zu erleben mit absurden Alltagsgeschichten,

schräger Komik und rasantem Slapstick. Den Verstand verdrehen, das Publikumsherz erobern

und die Lachmuskeln terrorisieren werden im Vorderhaus, im SWR-Studio Freiburg

und im Berghotel Schauinsland unter anderen Fabian Flender, Severin Gröbner, Patrick

Salmen und Erika Ratcliff. www.freiburg-grenzenlos-festival.de/

Foto: Philipp Rathmer

Freiburg | Paulussaal | 05.03.2020

Özcan Cosar

Sein inzwischen viertes Programm „Cosar Nostra – Organisierte Comedy“ trägt Özcan

Cosar am Donnerstag, 5. März 2020, 20 Uhr, in den Freiburger Paulussaal. Es geht um

die Quadratur des Kreises, um Besessenheit, Wahnsinn, Träume und Visionen. Die Comedian

fragt sich: Wie schafft man es, alle Menschen zum Lachen zu bringen? Gibt es

dafür einen geheimen Code oder einen Mechanismus? Özcan Cosar begibt sich auf eine

Expedition, um die Formel zu finden. Mit Beobachtungsgabe und Humor, mit Schauspiel

und Tanz, mit Gesang und Gitarrenspiel, mit Spontanität und Kreativität kommt Cosar

als Schlitz ohr und Situationskomiker daher und erzählt derart detail- und pointenreich,

dass es nur so am Zwerchfell zwickt.

Freiburg | Theater Freiburg | 30.04.2020

Matthias Deutschmann

Am Donnerstag, 30. April, 19.30 Uhr besucht Matthias Deutschmann das große Haus im

Freiburger Theater. Nicht als Zuschauer natürlich, sondern als Wandler und Deuter auf

der Bühne. Seine Botschaft: "900 Jahre sind genug". Der Freiburger Kabarettist präsentiert

sein Lokalkolorit-Special als Freiburg-Gala und wird musikalisch begleitet vom "Silver

City Trio" (Helmut Lörscher, Dieter Ilg, Matthias Daneck), denn: Freiburg will sich feiern.

Jubiläumsberater sind in der Ökocity unterwegs und verbreiten gute und nachhaltige

Laune. Das Jubiläum ist nicht mehr aufzuhalten. Aus diesem Grunde hat sich Matthias

Deutschmann entschlossen, sein 40jähriges Bühnenjubiläum ganz in den Dienst der

900-Jahr-Feierlichkeiten zu stellen und die Schwarzwaldmetropole mit einer Jubiläumsgala

zu feiern: "Wir verbeugen uns vor dieser Stadt, mal sehen, wie tief wir kommen."

28 zett. November 2019


kultur am start

Foto: Pascal Jesser

Foto: Pascal Jesser

Foto: Pascal Jesser

Künstlerin: Anna Monte

Künstlerin: Sarah Anstey

Künstlerin: Anna Monte

Ein Bleibender Eindruck

Die Freiburger Straßenschule kümmert

sich um rund 500 junge Menschen,

meist im Alter zwischen 15 und

27 Jahren, die mit ihrem Leben aus den

verschiedensten Gründen weniger gut

klarkommen als manche Altersgenossen.

Viele von ihnen führen ein Leben

auf der Straße. 1997 wurde die Freiburger

Hilfseinrichtung gegründet, die

heute mit zehn Mitarbeitern unter dem

Dach der ‚SOS Kinderdörfer‘ firmiert.

Für die Betreuung der oftmals aufgrund

ihrer Erlebnisse sehr erwachsenenscheuen,

jungen Menschen

spielen in der Tagesanlaufstelle in der

Schwarzwaldstraße 101 auch ein offener

Kreativraum sowie ein Werkraum

eine wichtige Rolle. Hier entstehen regelmäßig

künstlerische Arbeiten, die

nicht nur ein bestimmtes Milieu widerspiegeln

sondern, wie jede andere

Kunst auch, die Freiheit der Darstellung

ausloten.

Viele dieser Arbeiten sind absolut sehenswert

und werden in der hauseigenen

‚Galerie Up Art‘ ausgestellt oder in

einem jährlichen Kalender abgedruckt.

Der aktuelle Kalender für 2019 ist ausverkauft.

Gern zeigen wir hier im

ZETT.-Magazin einige Beispiele künstlerischer

Arbeiten, die in der Freiburger

Straßenschule entstanden sind.

Foto: Felix Groteloh

www.sos-kinderdorf.de/freiburger-strassenschule

Künstlerin: Lu

zett. November 2019

29


Kalligraphie

Foto: Lisa Seger

Anna Wolf

handlettert

gern und leitet

Kurse, wie hier

im Freiburger

Grünhof.

Old Letterhand

Warum noch Schönschreiben?

von Jennifer Reyes

30 zett. November 2019

Eine Email, eine Nachricht per

WhatsApp oder noch besser: eine

Sprachnachricht! Längst gibt es

viele Wege handschriftliche Nachrichten

zu umgehen. Ich mache das,

ehrlich gesagt, ziemlich gern, denn

es sind die Zeit, die Umstände und

… ja, ich habe ein Problem mit meiner

Handschrift. Ich kann sie nicht

mehr leiden. Sie ist weder schön

noch leserlich. Also schlicht nicht

vorzeigbar.

Wenn meine Erinnerungen zurückschweifen

in die 3. Klasse der

Grundschule, dann sehe ich meine

Schreibhefte, voller glitzernder Sticker,

daneben die motivierenden

Kommentare „Toll gemacht!“ oder

„Weiter so!“. Tatsache ist: Heute

brauche ich mindestens fünf Anläufe,

bis eine Botschaft per Post-it

mit der verhassten Kugelschreiber-Sauklaue

einigermaßen anschaulich

ist. Erst dann traue ich

mich, das an einen Kollegen weiterzugeben.

Hat das Bemühen nach einer

schönen Handschrift aufgehört,

nur weil einem niemand mehr über

die Schulter schaut?

„Ihr nehmt den Brushpen zwischen

Daumen und Zeigefinger,

haltet ihn etwa in einem

45-Grad-Winkel und übt zum Aufwärmen

erstmal die kleinen Tupfer

in Tropfenform“, sagt Anna, während

sie um den Tisch mit ihren 16

fleißigen Workshop-Teilnehmerinnen

herumgeht und die Ergebnisse

kontrolliert. Anna Wolf (30) unterrichtet

Handlettering.

Seit zwei Jahren betreibt sie das

neue Schönschreiben als Hobby,

dabei vor allem das Brushlettering

(schreiben mit dem Pinsel), und kurbelt

mit ihren Workshops fleißig die

Schönschreibszene in Freiburg an.

Wenn sie nicht „lettert“, arbeitet

sie als Geschäftsführerin im Familienunternehmen

'Autohaus Wolf'

in Schelingen, einem Teilort von

Vogtsburg im Kaiserstuhl, wo sie

aufgewachsen ist.

Kaum zu glauben, aber Anna bezeichnet

sich selbst als schüchtern.

Für die Durchführung ihrer ersten

Workshops musste sie all ihren Mut

zusammennehmen: „Ich musste es

einfach ausprobieren. Jetzt oder

nie.“ Heute bietet sie in regelmäßigen

Abständen in unterschiedlichen

Locations in Freiburg Handletteringkurse

für Anfänger und

Fortgeschrittene an. Wer ihrem Instagram-Account

„aenna.art“ folgt,

erfährt alles über ihre Projekte, die

neusten Workshop-Termine, und

kann sich über einen Link auch von

Hand gefertigte Produkte bestellen.

Als Anleitung für das Lettering

teilt Anna zu Anfang des Workshops

einen Handlettering-Guide

aus. Darin werden die Technik

beschrieben und verschiedene

Schriftarten vorgestellt. In einem

Goodie-Bag finde ich verschiedene

Arten von Papier und Stiften. „Nur

über das Angleichen des Drucks

über die Pinselspitze kann man di-


cke und dünne Linien zeichnen, wodurch

dann der Kon trast zwischen

den Linien entsteht“, erklärt Anna

die grundlegende Lettering-Technik

in wenigen Worten.

Während ihres „irgendetwas

mit Druck und Medien“-Studiums

an der Hochschule für Medien in

Stuttgart, so bezeichnet sie das

gerne selbst, legte sie 2017 ein Auslandssemester

in Madrid ein. Dort

erfasste sie der Handlettering-Hype

über die soziale Plattform Pinterest.

Und das große Üben begann.

„Beim Lettering liegt der Fokus

auf jedem einzelnen Buchstaben“,

erklärt Anna. In der Kalligrafie, der

hohen Kunst des schönen Schreibens,

wird als Königsdisziplin mit

Feder und Tusche gezeichnet. Für

Kalligrafie-Einsteiger eignet sich am

besten das Brushlettering, da hier

mit einem festen Stift mit Pinselspitze,

einem sogenannten „Brushpen“,

gezeichnet wird.

Ich setze die feine Spitze des

langen Brushpens immer wieder

vorsichtig auf das feste Papier. Die

Tropfenform gelingt schnell. Die

ersten Bögen laufen auch. Jetzt

wäre es eigentlich Zeit für meinen

ersten Glitzersticker als Belohnung.

Anna? „Wenn ihr soweit seid, können

wir zusammen die ersten Buchstaben

angehen“, sagt Anna.

Ok, das Tempo zieht an! Der Druck

steigt. Aber genau den gilt es im

Handlettering regulieren zu lernen.

Nur keine Scheu, den Stift über das

Papier schwingen zu lassen. Schlimmer

als meine Handschrift kann es

eh nicht werden. Und tatsächlich:

die ersten wunderbar tanzenden

Buchstaben sind erkennbar. Ein

Blick nach links, einer nach rechts:

Bei den anderen läuft es auch.

Was mir sonst noch auffällt? Es

sind nur Frauen im Workshop. Kein

einziger Mann, der sich an einen

Brushpen traut? „Ja, hier könnte

man so leicht nette Frauen kennenlernen,

aber die Jungs trauen sich

nicht“, grinst Anna.

Es folgen das kleine „d“ in Druckschrift,

das große „B“ in Schreibschriftvariante.

Die Reihen mit den

Übungslinien füllen sich schnell. Sehen

die Buchstaben ordentlich aus,

werden sie zu Wörtern verbunden.

Später wird alles aus einem Fluss

gezeichnet. Das braucht viel Zeit

und Übung. Anna gibt Hilfestellung

und gute Tipps gegen die Ungeduld,

wenn es nicht gleich auf Anhieb

klappt.

Oft bekommt sie die Frage gestellt,

wie lange es dauert, bis man

so gut lettern kann wie sie. „Es geht

nicht darum, perfekte Buchstaben

zu erzeugen, sondern Spaß am

Lettern zu haben. Es ist alles eine

Frage der Geduld. Ich zeige gerne

jedem mein Skizzenbuch von vor

zwei Jahren, wenn mir jemand nicht

glaubt“, lacht sie. Dranbleiben lohnt

sich also.

Annas wichtigster Tipp für angehende

Letterer: „Das richtige Material

verwenden und bitte keine Vergleiche

ziehen! Einfach toll finden,

was man gemacht hat. Handlettering

ist ein Hobby, das viel Zeit und

Geduld in Anspruch nimmt. Aber jeder

kann es lernen. Auch Leute mit

einer schlimmen Handschrift“, sagt

sie. Natürlich verkneife ich mir die

Frage nicht, die mir schon die ganze

Zeit auf der Zunge brennt: „Hat

sich auch deine Alltagshandschrift

durch das Handlettering verbessert?“

Darauf erhalte ich eine Antwort,

die mich überrascht. Im gewöhnlichen

Alltag bleibe auch bei Anna

keine Zeit für die Schönschrift, sagt

sie. Doch zu sehen, was man mit

einer Handschrift kreieren könne,

sei sehr inspirierend. Ein Stück

hochwertiges Papier, ein ordentlicher

Brushpen und ein flotter

Spruch: Auf Karten und Geschenken

kann man nun auf jeden Fall wieder

mit einer ganz persönlichen Note

glänzen.

www.aenna-and-art.de

Kalligraphie

Foto: Lisa Seger

Gegen das

Vergessen:

Im Schönschreib-Workshop

erfährt

die verdrängte

Handschrift

neue Aufmerksamkeit.

zett. November 2019

31


Kalligraphie

Freiburger

Schriftkünstler

unter sich:

Rie Takeda,

Pál Mathias,

Judith Beck und

Franziska Jilg

(v.l.).

Alle Fotos:

Arne Bicker

Der schöne Brief

Künstler unter sich

von Arne Bicker

Es gibt sie natürlich auch in Freiburg: Menschen, die auf ihre Handschrift Wert legen. Mit vier von

ihnen, die das gar mit künstlerischen Ambitionen betreiben, hat sich ZETT. an einem sonnigen

Montagmittag verabredet. Schauplatz des Geschehens ist die ‚Galerie in der Freiau‘, ein beschauliches

Fleckchen Freiburg, direkt am Gewerbebach unweit des Hauptbahnhofs.

32 zett. November 2019

Als erste greift die Kalligraphin Rie Takeda

(43) zu Tusche und Pinsel. Die in Japan geborene

und seit 2002 in Freiburg lebende Schriftmalerin

gibt Workshops – sie befasst sich mit

Malerei und der Kunst in der japanischen

Kalli graphie. „Meine Kurse besuchen ganz

verschiedene Menschen“, erzählte sie ZETT.

„Es sind aber auffällig viele klassische Musiker,

Yogalehrer, Maler und Physiotherapeuten

darunter.“

Dann kniet sich Rie Takeda kurzerhand über

eine lange Papierrolle und malt die japanischen

Schriftzeichen für „ZETT. Kultur“ - direkt auf

den Brückenbohlen über dem Gewerbebach.

Alles fließt.

www.rietakeda.com


Kalligraphie

Währenddessen hat es sich Franziska Jilg (33) an einer nahen

Werkbank bequem gemacht. Im Halbschatten der Tischoberfläche

beugt sie sich über ein schwarzes Kartonblatt. Goldene

Wasserfarben stehen zur Gestaltung eines eleganten Schriftzugs

bereit. Die Pädagogin aus Gundelfingen gibt Kurse für

Zeitgenossen, die, wie sie sagt, „ihren Alltag schön gestalten

wollen“. Und dazu können eben auch Einladungs-, Platz- oder

Grußkarten gehören. Und warum nicht mal der oder dem Liebsten

ein paar im wahrsten Sinne ‚schöne‘ Worte neben das Frühstück

legen?

www.handlettering-freiburg.de

Die Lyrikerin, Kreativitätstrainerin und Kognitionswissenschaftlerin

Judith Beck (35) wartet in der Galerie. Hier hängen

zwei schwere Bronzetafeln unterschiedlicher Größe an der linken

Stirnwand – sechs Quadrate in einer, ein einzelnes in der anderen

Tafel. Es sieht ein bisschen aus wie ein archaisches Tetris.

Ihre selbstverfassten, handschriftlichen Gedichte zu den sieben

Schöpfungstagen der Erde hat Beck in Bronze gießen lassen. Auf

der großen Tafel geht es um die ersten sechs, auf der kleineren

Extratafel um den siebten Schöpfungs-, also den Ruhetag.

Biblische Schrifttafeln? „Nein, mit der Bibel hat das nicht direkt

zu tun“, so Judith Beck. „Es geht um diese sieben Tage im

Rahmen einer streng befristeten Zeitlosigkeit.“ Die beiden Arbeiten

heißen „Gaia 0.X“ und „Gaia X.0“. Inhaltlich bezögen sich

ihre Gedichte auf „den Beginn des Planeten Erde, die Evolution,

wiederholtes menschliches Versagen an der Natur und an sich

selbst, auf technischen Fortschritt und Künstliche Intelligenz, das

Ende der Menschheit und den algorithmisierten Beginn einer

neuen, beziehungsweise anderen Menschheitsform.“ Wow, von

wegen Tetris…

www.wortkunst-los.de

Der Bildhauer und Bronzeskulpturist Pál Mathias (72) bestaunt

und genießt das Treiben in seiner Galerie. Er hatte

die kleine Mini-Lawine ins Rollen gebracht, indem er an die

ZETT.-Redaktion einen kommentierenden Brief zum Lebenssinn-Thema

der zweiten Ausgabe verfasste. Der Umschlag war

durch seine äußerst ungewöhnliche und sehr schwungvolle

Tusche-Adressierung im Postberg aufgefallen.

„Der Briefumschlag trägt das Gesicht davon, was ich dem

Adressaten vermitteln will“, so Pál Mathias. „Dazu gehört auch

eine schöne oder vielleicht eine selbst erdachte Briefmarke.“

Wenn er selbst solche Briefe von Künstlerfreunden bekomme,

so bewahre er diese auf „wie einen Schatz“.

www.palmathias.de

zett. November 2019

33


Fotografie

Foto: Arne Bicker

Sonnenseiten

Stadt auf Alu

Stefan Düsseldorf hat Freiburger Strukturen neu ersonnen

und die Stadt auf Alu gebannt.

Stefan Düsseldorf (54) stürzt sich

nach Jahren als Grafikdesigner und

Kneipier in die Kunst. „Seit zwölf Jahren

mache ich alles groß“, sagt der gebürtige

Freiburger, der mütterlicherseits

Wurzeln in Andalusien hat und

dort viel Zeit zubringt. „Ein bissel

trashy Design“ nennt Düsseldorf seine

Fotokollagen, die „auch mal fünf Jahre

dauern“ können, „weil man ja nie zufrieden

ist“. Dann folgt ein Direktdruck

auf gebürstete Aluminiumplatten. Seine

rund 25 Bilder erscheinen als hitzige

Landkarten mit im wahrsten Wortsinn

verrückten Bergen, Burgen, Straßen,

Häusern, Rissen und zerbröselnden

Kanten. Sie sind mehrschichtig-geheimnisvoll;

die Techniken - Pinselstriche,

Zeichentablett, Überlagerungen

– treiben kreative Blüten. Je nach Platzierung

entfaltet das Umgebungslicht

zudem im kühlen Metalluntergrund

sein Eigenleben; Sonnenstrahlen gar

lassen die Bilder förmlich leben – man

kann dann darin spazieren gehen. Was

für eine Einladung.

34 zett. November 2019


FOTOGRAFIE

Die eigenen Gedanken fotografieren zu wollen,

ist ein aberwitziges Geschäft. Aber was

soll man machen, wenn die Imaginationen hinausdrängen

in die Welt? Der Freiburger Piotr

Iwicki schildert Notsituationen der Menschheit

mit den Mitteln einer digital konstruierten Fotografie,

die Schein und doch Sein ist und selten

Schwein hat. Das gilt auch für den Künstler

selbst, zu dessen defätistischen Arbeiten ein Galerist

synonymisierte: „beeindruckend“, „furchteinflößend“,

„allerdings nicht kompatibel“, „das

traut sich fast niemand“, „nichts für übers Sofa“.

Piotr Iwicki kann nun mal nicht aus seiner

Haut: „Mich interessiert die dunkle Seite der

Menschen.“ Und so konstruiert der gebürtige

Pole akribisch aus Nullen und Einsen Landschaften

einer entrückten Unmenschlichkeit,

voller Kraft, Präzision und Düsternis - die reinste

Bürde. Seine Bilder sind wie Krieg. Denn der ist

Bilder der Serie: „IMAGINARY PIX – Die Bilder der Vergangenheit

sind die Bilder der Gegenwart sind die Bilder

der Zukunft“. Fine Art Print, jeweils 90 x 200 cm.

für den Künstler das verbindende Element der

Menschheitsgeschichte schlechthin zwischen

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Iwickis Bilder strotzen vor Dopplungen, geisterhaften

Randerscheinungen und in Auflösung

oder im Auftauchen begriffenen Details der

blanken Not. Sie alle wollen gesucht und gefunden

werden - das Betrachten ein Prozess. Piotr

Iwickis Bilder ergießen aus der scheinbaren Ruhe

und Abstraktion eines fotografisch anmutenden

Bildkonstrukts eine lauernde, lautlose und überbordende

Eindringlichkeit mit allergrößter

Wucht. Das muss ihm erst mal einer nachmachen.

Oder vielleicht auch besser nicht.

von Arne Bicker

Kunst als

Notausgang

zett. November 2019

35


Fotografie

36 zett. Monat 2019


Fotografie

Vom Licht

Die Fotografie hat eine große

Entwicklung und Verletzung

erfahren: Die Transformation

in die Moderne, sprich,

ins Digitale. Explodierendes

Magnesiumpulver auf in die

Höhe gehaltenen Blitztafeln,

erfunden 1861 vom Essener

Eduard Liesegang, zauberte

das Erschrecken in die Gesichter

der Porträtierten. Heute

findet das Leiden eher hinter

der Kamera statt, bei weinenden

Dunkelkammerfotografen.

Der Freiburger Ablichter

Horst Sobotta (69) hat daraus

eine Tugend entwickelt und

stellt in seinen De-Lux-Installationen

eine Verbindung her

zwischen den fotografischen

Epochen, wie sie direkter nicht

sein könnte: In seinem Atelier

unter dem Dach der Villa Mitscherlich

in der Günterstalstraße

arrangiert er von Hand

entwickelte Fotografien seiner

vergangenen Ära mit früher

gängigen Fotolabor-Utensilien

zu Installationen und lichtet

all dies sodann – digital

– ab. Hier zu sehen „De Lux(e)

Nr. 1“ - Installation 2019, ca.

180 x 250 x 50 cm. In seinen

Worten: „Ich laufe nicht mehr

rum und fotografiere; ich resümiere

und rekapituliere“.

www. horst-sobotta.de

zett. Monat 2019

37


Fotografie

Zwischen

stationen

Jan Deichner (51) wurde im tschechischen

Liberec geboren, kam aber als

Dreijähriger schon nach Freiburg, wo

er aufwuchs und nach Zwischenstationen

in Mailand und Hamburg heute

wieder lebt und arbeitet. Betätigungsfelder

des Analogfotografen sind Porträts,

Reportagen, Magazinarbeiten,

Inklusionsprojekte und Werbefotografie.

Im künstlerischen Bereich sucht

Deichner mit Vorliebe nach „Halbheiten,

Unschärfe und Zwischenwelten“.

www.deichner.de

38

zett. Monat 2019


FOTOGRAFIE

“Dreams of addiction”

Foto: Janine Machiedo

Neun Freiburger Fotografinnen und Fotografen zeigen in einer

kuratierten Gemeinschaftsausstellung ihre verschiedenen

Sichtweisen auf das weibliche Geschlecht. Die Fotoausstellung

„das motiv ist weiblich“ findet von Samstag, 2., bis Sonntag, 10.

Mai 2020 in der Fritz‘ Galerie in Freiburg statt.

das motiv

ist weiblich

Jenseits von Feminismus, MeToo-Debatte, reiner Porträtarbeit

oder oberflächlicher Ästhetik fokussieren die durchweg künstlerischen

Fotografien sehr verschiedene subjektive Blicke auf

Alltag, Träume, Stärken, Visionen und Leiden der einen Hälfte

unserer Gesellschaft. Das Menschsein steht im Mittelpunkt.

Sorgfältig wurden für diese Freiburger Ausstellung Momentaufnahmen

zusammengetragen voller Strahlkraft, Bewunderung,

Selbstironie und Stärke. Zu sehen sind ausnahmslos starke

Frauen ohne überhöhende Mission. Das Kulturmagazin ZETT.

und der Zypresse-Verlag unterstützen die Ausstellung mit einem

Katalog. Zu sehen sind unter anderem Bilder von Janine Machiedo,

Judith Reinhardt, Jan Deichner und Piotr Iwicki.

www.visionfreiburg.de

HiFi Gogler | Oliver Gogler

for a better

sound @ home

Niemensstr. 9 (1.OG)

79098 Freiburg

Tel.: 0761–26666

info@hifi-gogler.de

www.hifi-gogler.de

zett. November 2019

39


? Fotografie

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Foto: Jörg Dietrich Foto: Jörg Dietrich

Foto: Jörg Dietrich

40

zett. November 2019


FOTOGRAFIE ? ? ? ? ?

So 'ne Allee…

"Panoramastreetline" nennt der Leipziger Fotograf Jörg

Dietrich seine linearen Straßenfronten, auf die er sich seit

2010 eingeschossen hat. Eine bildgewaltige Ausstellung mit

seinen begradigten Straßenansichten zeigt der gelernte Naturwissenschaftler

demnächst in den USA und in Dresden.

Bei der Begleitung der Freundin zu einem Tagungsbesuch in

Freiburg entstanden diese drei beeindruckenden Sichtfenster.

www.panoramastreetline.com

zett. November 2019

41


DAS UC CAFÉ BEFINDET SICH IM HERZEN

DER STUDENTENSTADT FREIBURG

UND IST MIT SEINER LAGE EINMALIG!

Mit seinen 160 Sitzplätzen auf der wunderschönen Außenterrasse

und 120 Sitzplätzen im Cafe bietet das UC Café

alles, was das Herz begehrt. Egal ob nach einer anstrengenden

Shopping-Tour, Unistress oder einfach nur so.

Genieße unsere große Auswahl an leckeren Speisen und

Getränken. Unsere Kaffeespezialitäten werden von unserem

ausgebildeten Barista mit Liebe zubereitet, aber auch

unsere Cocktails werden alle frisch für jeden Gast zubereitet

und liebevoll dekoriert! Überzeuge dich selber von

unserem freundlichen Personal und hole dir etwas Urlaub

in den Alltag!

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42 zett. November 2019


Bücher

„Balanced Life“ nennt Janine

Machiedo dieses Selbstporträt,

das die freischaffende

Fine-Art-Fotografin und Bücherliebhaberin

aus Freiburg

in ungewöhnlicher Lektüre-

Position zeigt. Machiedos

Konzeptfotografien erzählen

surreal-skurrile und märchenhafte

Geschichten, immer mit

einem visuellen Anklang an

vergangene Tage.

Buch macht kluch

www.janine-machiedo.de

zett. November 2019

43


Bücher

Herzrutschen

Angst in der Kunst

Frau Domschke, als ich gestern Freunden gegenüber

Ihren Buchtitel „Angst in der Kunst“ erwähnte, meinten

diese, oh, da gehe es bestimmt um Wolfgang Beltracchi

und seine damalige Angst vor Entdeckung. Ist das eine

typische Freiburger Interpretation, weil Beltracchi hier

gelebt hat und wohl auch ziemlich beliebt ist?

Man kann sich gut vorstellen, dass ein Kunstfälscher

Angst hat entdeckt zu werden; das ist eine ganz reale

Angst. In dem Buch geht es aber weniger um Angst der

Künstler, sondern darum, wie Künstler Angst verarbeiten,

also um Fragen wie: Wie sieht Angst aus? Kann man

Angst begreifen? Manchmal versteht man Angst gar

nicht, wenn sie verbal beschrieben wird. Manchmal ist

sie auch geradezu unaussprechlich schrecklich. Künstler

haben das Talent, Gefühle und eben auch Angst sichtbar

zu machen; darum geht es hier: Ein Bilderbuch der Angst

sozusagen.

Foto: Arne Bicker

von Arne Bicker

In Ihrem Buch erklären Sie, dass Angst etwas sehr

Natürliches sei. Übertriebene und vor allem grundlose

Angst könne jedoch ein Krankheitsbild prägen. Leidet

unser Land oder leiden große Teile davon aktuell an einer

krankhaften Angststörung?

Man muss da die reale, die Überlebensangst, von der

pathologischen Angst unterscheiden. Pathologische

Angst ist dadurch gekennzeichnet, dass sie übermäßig

häufig auftritt, übermäßig lange andauert, in Situationen

auftritt, in denen man eigentlich gar keine Angst

haben muss und dass es Beeinträchtigungen im alltäglichen

sozialen oder beruflichen Leben und dementsprechend

einen Leidensdruck gibt. Diese spezifischen

Phobien, soziale Phobie, Agoraphobie, Panikstörung

und Generalisierte Angststörung, betreffen ungefähr

14 Prozent aller Menschen in Europa innerhalb eines

Jahres; das sind 60 Millionen Menschen in der EU. Das

sind doppelt so viele Erkrankungen wie zum Beispiel bei

Depressionen – zusätzlich zur Angst als ganz normaler

Grundemotion – und darum geht es in dem Buch.

Die Frage bezog sich eigentlich eher auf gesellschaftlich-politische

Tendenzen wie einer kollektiven Angst

vor Flüchtlingen, Angst vor Neofaschismus oder vor dem

Klimawandel…

Ich bin kein Soziologe, muss also hier ein bisschen dilettieren.

Ich kann aber berichten von der R+V Versicherung,

die jährlich eine Umfrage macht zu den Ängsten

der Deutschen. Das geht in diese Richtung: Migration,

Terrorismus, Naturkatastrophen, CO2 und so weiter.

Angst spielt in Deutschland schon eine gewisse Rolle,

man spricht ja auch von der ‚German Angst‘. Ich kann

nur sagen, dass diese subklinischen Ängste, die nicht

krankhaft sind sondern vielleicht eher einer gewissen

psychologischen Wellenbewegung folgen, laut einer

wissenschaftlichen Erhebung zumindest nicht zunehmen.

Vielleicht liegt ein anderes Empfinden auch darin

begründet, dass Medien diese Ängste aufgreifen und

ihnen dadurch ein Forum schaffen.

Das hatte ich befürchtet. Wir Deutsche lesen und sehen

auch überdurchschnittlich gerne Krimis, also Geschichten

um Angst einflößende Verbrechen. Ist es ein Teil der

deutschen Seele, Angst haben zu wollen?

Das betrifft nicht nur die Deutschen, sondern die ganze

Welt. Man spricht hier von der sogenannten Angstlust,

bei der man die Angst sucht als Nervenkitzel, als

Thrill, aber in der sicheren Überzeugung, dass die Angst

nicht in die Gefahr oder in den Tod führt. Das betrifft

auch Horrorfilme, Achterbahnen und Geisterbahnen

oder Bungee-Jumping. Das sind Situationen, in denen

man mit dem Adrenalin der Angst spielt; für manche

ist das das Salz in der Suppe. Angst ist also nicht immer

nur negativ; sie kann einen auch beflügeln und letztlich

auch Mut machen.

Haben Sie denn selber manchmal Angst, als Ärztin in

dem diagnostisch schwierigen Bereich der Psychiatrie

vielleicht einen Fehler zu machen?

Also ich glaube, die Fehlerkultur ist etwas ganz wichtiges,

dass man keine Angst haben darf, Fehler zu machen.

Aber selbstverständlich muss man sich bemühen,

Fehler, so gut es geht, zu vermeiden. Deshalb haben wir

eine sehr, sehr lange Ausbildung, arbeiten immer unter

44 zett. November 2019


Bücher

einer Supervision und im kollegialen Kontext, der uns

auch schützt. Es ist auch wichtig, dass uns Ärzten Zeit

bleibt, Entscheidungen fundiert zu treffen, was bei der

aktuellen Personal- und damit Zeitverknappung nicht

immer ganz einfach ist. Ich glaube aber ganz grundsätzlich,

dass die Angst vor dem Fehler schon der erste Fehler

ist, weil einen die Angst dann auch hemmt, die richtige

Entscheidung zu treffen. Wie das Zitat von Hegel an

der Fassade des Stuttgarter Bahnhofs sagt: „...dass diese

Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist.“

Beim Titel Ihres Buches „Angst in der Kunst“ dachte ich

sofort an Edvard Munchs „Der Schrei“. Sie haben jedoch

sein in meinen Augen vergleichsweise freundlich wirkendes

Bild „Angst“ zur Betrachtung ausgewählt. Ging es

Ihnen da rein um den Titel?

Ja, so ist es. Ich habe mich entschieden, nur solche

Werke aufzunehmen, die vom jeweiligen Künstler explizit

über den Titel oder den wortwörtlichen Inhalt in

den Kontext der Angst gestellt wurden. Sonst wäre es

uferlos geworden. Aber es kann ja vielleicht einen zweiten

Band zur impliziten Angst in der Kunst geben. ‚Der

Schrei‘ ist natürlich ganz berühmt, unter anderem auch,

weil er im alltäglichen Smartphone-Gebrauch auftaucht;

in den Emoticons finden Sie diesen kleinen Geist mit

dem blau verfärbten Mund und schreckverzerrt aufgerissenen

Augen, der offiziell Munchs Schrei nachempfunden

ist. Dieses Emoticon heißt entsprechend ‚Face

screaming with fear‘.

Sie beschreiben ein Bild des französischen Künstlers

James Tissot: „Die Angst des heiligen Josef“. Dabei geht

es um die Angst jenes Tischlers, der als Vater Jesu gilt, in

der Frage, wer denn wohl seine Frau Maria geschwängert

habe. Er wusste wohl, dass er selbst es nicht war. Erkennen

Sie in der Religion eine Methodik: Erst mal eine Angst

schüren, um dann die Erlösung anzubieten - ähnlich etwa

wie bei Geldeintreibern, Diktatoren oder der Mafia?

Ja, Geldeintreiber, Versicherungen, Regierungen und

Geschäftemacher schlagen manchmal einen kapitalistischen

Gewinn aus der Angst. Jemandem Angst zu

machen, hilft natürlich auch dabei die Dinge, die vor der

Angst schützen, zu verkaufen. Pfeffersprays und Lebensoder

Unfallversicherungen sind Beispiele dafür. Mit der

Religion möchte ich mich nicht auf dünnes Eis begeben.

Ich finde aber, das ‚Fürchte Dich nicht‘ überwiegt in der

Bibel, vor allem im neuen Testament. Diese psychotherapeutische

Funktion von Religion ist ja auch belegt. Ob

das eine Jenseits-Vertröstung ist, vermag ich hier nicht

zu sagen - das ist eine Frage des Glaubens.

Apropos Jenseits – was ist mit der Angst vor der Hölle?

Die habe ich künstlerisch nicht dokumentiert gefunden,

aber durchaus die Angst vor dem Tod, die die Angst

vor dem Jenseits, vor dem ‚Was ist danach‘ sicherlich

impliziert. Es gibt ein Bild von Andreas Paul Weber, in

dem der Tod als Skelett die Menschheit vor sich her

treibt auf eine Turmspirale, die mit Sicherheit ins Verderben

führt. Ich denke schon, dass die Angst vor der

Hölle in früheren Zeiten von der Kirche geschürt wurde.

Wenn man mit modernen Theologen spricht, ist das

wohl nichts mehr, was den Menschen gepredigt oder

als Zerrspiegel des Jenseits vorgehalten wird.

(weiter auf Seite 40)

Professor Dr. Dr. Katharina

Domschke ist seit 2016 Ärztliche

Direktorin der Klinik für

Psychiatrie und Psychotherapie

der Uni Freiburg. Die

renommierte Angstforscherin

stammt aus Münster in

Westfalen. Sie studierte unter

anderem dort und in Boston,

promovierte in Münster

und Maastricht und arbeitete

zuletzt in Würzburg. Vor

kurzem erschien ihr Buch

„Angst in der Kunst – Ikonographie

einer Grundemotion“

im Kohlhammer-Verlag,

Stuttgart (200 Seiten, 49

Euro). Hier hat die Medizinerin

70 Gemälde und Skulpturen,

Fotografien und Installationen

zusammengetragen

und kommentiert, die von

den Künstlern in den Kontext

von Angst, Furcht oder

Schrecken gestellt wurden.

An diesen Beispielen sowie

in einer ausführlichen Einleitung

erläutert Domschke das

Wesen menschlicher Ängste.

Zu den zitierten Künstlern

gehört auch der weltweit anerkannte

Freiburger Mundund

Kieferchirurg Professor

Rainer Schmelzeisen, der in

seiner raren Freizeit Kunstobjekte

erschafft - eines davon

nimmt einen Ehrenplatz

im Buch wie auch im stilvoll

eingerichteten Chefarztbüro

in der Hauptstraße 5 ein.

zett. November 2019

45


Bücher

Können Ängste auch entgegengesetzte Pole haben

oder Antipoden – im Gegensatz zum heiligen Josef fiele

mir die Torschlusspanik ein bei älter werdenden Frauen

mit unerfülltem Kinderwunsch. Oder die Angst des Bauern,

es könne zu viel oder eben auch gar nicht regnen?

Die Angst impliziert natürlich immer, dass man eigentlich

wissen müsste, was richtig ist. Man muss wissen,

was das gute und was das schlechte Ergebnis ist und

müsste sich vor dem schlechten fürchten. Das ist aber,

wie Sie sagen, nicht immer so eindeutig. Dieser Aspekt

kommt auch als psychotherapeutische Technik zur Anwendung,

dass man eben alle Eventualitäten durchspricht

und nicht nur das vermeintlich Gefährliche. Das

erlaubt dann oftmals eine gewisse gedankliche Balance

und damit eine Reduktion der Angst.

Die AfD hat oder schürt Angst vor Flüchtlingen; viele

Menschen haben nun Angst vor der AfD – ist Angst vielleicht

auch eine Katze, die sich in den Schwanz beißt?

Das kann durchaus sein, aber da wage ich es als Psychiaterin

nicht, eine Aussage zu treffen.

Sie nennen in Ihrem Buch Humor, Selbstironie, Stressreduktion,

Sport und ein positiv-erfülltes Sozialverhalten

als natürliche Hilfen gegen allgemeine Ängste. Sollten

wir alle öfter ins Kabarett gehen oder uns mit Freunden

zum Kochen und Politisieren treffen?

Ja, das sind ganz wichtige Aspekte, um das seelische

Gleichgewicht zu erhalten. Ich glaube, dass gerade im

Zeitalter der Digitalisierung, die ja sehr viel Gutes hat,

die Psyche aber angestrengt ist. Digitalisierung kann Untersuchungen

zufolge psychischen Stress auslösen. Das

Gegenteil der Digitalisierung ist der persönliche Kontakt

und Austausch. Der ist zu pflegen. Man kann einiges

an Psychotherapie ersetzen durch funktionierende Familien

und Freundschaften; da können viele Probleme

besprochen und entaktualisiert werden. Das gleiche gilt

für Sport, ein belegtes Antidepressivum, für Achtsamkeitsübungen,

Meditation, Yoga und für Humor. Lachen

ist eine exzellente Therapie. Für klinisch relevante Angsterkrankungen

steht dann professionelle Hilfe in Form

von Psychotherapie und sehr gut verträglichen Medikamenten

zur Verfügung.

Sie selbst leben noch nicht lange in Freiburg – haben

Sie hier schon mal ein Kabarett besucht?

Ja, ich kann das Vorderhaus und Matthias Deutschmann

nur sehr empfehlen.

Welche umgangssprachliche Umschreibung der Angst

gefällt Ihnen am besten: Zum Beispiel Schiss haben oder

Muffensausen, der Arsch geht auf Grundeis oder mir geht

die Düse?

Naja, diese ganzen Volksmund-Begriffe weisen zunächst

darauf hin, dass die Symptome der Angst auch

körperliche sind. Angst findet nicht nur in der Psyche

oder der Seele statt, sondern äußert sich auch in Durchfall,

Schwitzen, Übelkeit, Schwindel, Ohnmachtsgefühlen,

Zittern und so weiter. Mir würde am nächsten liegen:

Das Herz rutscht mir in die Hose.

Ein weites Feld

Kultur ist ein enorm weites

Feld: Ob Kunst, Literatur und

Musik, Philosophie, Mythologie

und Religion - es gibt viel

zu entdecken. Die Journalistin

und Sachbuchautorin Christa

Pöppelmann zeigt, dass Kultur

keineswegs nur in Beutel

gehört und unternimmt in ihrem

Buch „Allgemeinbildung

LERNEN EINFACH GEMACHT

Allgemeinbildung

Kultur

Von der Höhlenmalerei

bis zur Digitalgesellschaft

Kunst und Literatur,

Musik und Schauspiel,

Philosophie und Religion

Neue Medien und moderne

Alltagskultur

Christa Pöppelmann

Verlag Wiley-VCH, 340 Seiten,

19,99 Euro

Kultur für Dummies“ einen

unterhaltsamen Ritt durch unsere

Kultur, von den Anfängen

bis heute und quer durch alle

Disziplinen.

Der geneigte Handbuchleser

kann sich also in dem

jüngst erschienenen Werk

durch die Kulturgeschichte

der Menschheit flanieren und

sich einen Überblick über die

schönen Künste, Literatur,

Musik, Schauspiel und Tanz

verschaffen. Auch die Welt

des Glaubens und Denkens

wird nicht ausgespart.

In einem „Top-Ten“-Kapitel

gibt es noch dazu ein Ranking

der Meisterwerke der Kunstgeschichte,

populärer Musikstücke,

interessanter Bücher

und Filme. Und für alle, die es

eilig haben, bieten „Schummelseiten“

einen gewieften,

schnellen Einblick. Und

schwupps – schon können Sie

mitreden.

Denkst Du?

Schreibst Du?

Interssieren Dich

die Stadt Freiburg,

Kunst und Kultur?

sucht noch

eine freie Mitarbeiterin /

einen freien Mitarbeiter

für die Redaktion zur

Ergänzung des Teams.

Journalistische Erfahrungen

werden vorausgesetzt.

Eine Teilnahme an unserer

Ideenschmiede ist möglich.

Formlose Bewerbung mit

bislang veröffentlichten

Artikelbeispielen bitte an

redaktion@zett-magazin.de

Dabeisein

ist alles.

46 zett. November 2019


Bücher

Mittwoch | 18.12.2019 | 19.30Uhr | Literaturhaus Freiburg

Peter Stamm liest

Langstreckenflüge schaden der Umwelt. Die gute Nachricht ist: Es gibt Alternativen!

Zum Beispiel die Langstreckenlesung des Schweizer Schriftstellers

Peter Stamm (56). Der befördert seinen neuesten Roman, „Marcia aus Vermont“,

sicher umweltfreundlich mit dem Zug nach Freiburg und liest 80 Seiten in zwei

Stunden. „Marcia aus Vermont“ ist eine Weihnachtsgeschichte, die in New York

beginnt und den Erzähler – einen Künstler namens Peter – 30 Jahre später in

Vermont einholt. Große Kunst in einfachen Sätzen. Eine Erzählung, die gefangen

nimmt wie „Ungefähre Landschaft“ oder „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“.

Oder „Agnes“, Stamms zum Schulbuchklassiker gewordener Roman, zu dem der

Autor und Theaterschreiber den letzten Abiturjahrgängen Baden-Württembergs

vielerorts persönlich Rede und Antwort stand. www.literaturhaus-freiburg.de

Hören & Staunen

Freitag | 20.12.2019 | 20 Uhr | E-Werk Freiburg

Max Goldt in Freiburg

Äh, was? Eigentlich egal. Dass Max Goldts Werk sehr komisch ist, weiß inzwischen

jeder zwischen Freiburg und Puttgarden. Dass Goldts Striche und Fäden

aber zum am feinsten Gearbeiteten gehört, das unsere Literatur zu bieten hat,

dass es wahre Wunder an Eleganz und Poesie enthält und dass sich hinter seinen

trügerischen Gedankenfluchten die genaueste Komposition und eine blendend

helle moralische Intelligenz verbergen, entgeht noch immer vielen, die nur aufs

Lachen und auf Pointen aus sind. Da bedarf es der feingeistigen Darstellung und

Interpretation – ein Glück, falls man dabei sein darf, wenn Goldt (61, bürgerlich

Matthias Ernst) dies selbst in die Hand nimmt. www.ewerk-freiburg.de

Sonntag | 22.12.2019 | 18 Uhr | Wallgraben Theater Freiburg

Die Tanne brennt

„Advent, Advent, die Tanne brennt – Weihnachten für Neueinsteiger und

Fortgeschrittene“ – unter diesem Blätterdach lesen Natalia Herrera und Dirk

Schröter kurz vor Weihnachten im Wallgraben Theater seltsame und skurrile Geschichten

wie zum Beispiel Loriots „Advent“ oder Jess Jochimsens „Grippenspiel“

vor. Denn: Für manche Menschen gerät die Vorweihnachtszeit zum Alptraum.

Der Friede auf Erden wird mit Geschenkestress und dem Streben nach dem

perfekten Festakt teuer erkauft. Gleichzeitig gilt es, maximal-beschaulich große

Mengen an Glühwein zu konsumieren. Das Wallgraben Theater macht es sich

zur Aufgabe, diesem mehrklanglichen Drängen mit Humor zu begegnen und

uns mit absurden und seltsamen Anekdoten und Geschichten auf den großen

Weihnachts-Show-Down einzustimmen. www.wallgraben-theater.com

Foto: Buzz Andersen / Unsplash

zett. November 2019

47


Bücher

Luv- und Leesenswert

Gedankenpower

Foto: Dorothee Wetzel

Karls Leben scheint völlig in Ordnung, trotzdem fühlt er, dass alles ins Wanken

gerät. Die Nähe zu Frau und Sohn schwindet immer mehr, ihre Gespräche laufen

ins Leere, auch die Beziehung zu seinem pflegebedürftigen Vater ist kompliziert.

Zum Nachdenken über sein Leben bringen ihn nicht nur seine Schüler,

die Gefängnisinsassen sind, sondern auch Homer, ein ganz besonderer Junge,

den er täglich auf seinem Weg zur Arbeit trifft. Und dann ist da Karoline, die er

gar nicht wirklich kennt, an die er aber immer öfter denken muss. Kai Weyand

erzählt kraftvoll und beweist viel Sinn für Komisches und Skurriles.

Kai Weyand „Die Entdeckung der Fliehkraft – Roman“

198 Seiten, 20 Euro, Wallstein Verlag, Göttingen.

Freigeister

Foto: Arne Bicker

Der SC Freiburg wird oft genannt, wenn es darum geht, wie man mit wenig

Geld erfolgreich im Profifußball bestehen kann. Der Karlsruher Fußballjournalist

Christoph Ruf ist Buchautor und schreibt regelmäßig für den Zypresse-„Anpfiff“.

Nun porträtiert er einen ungewöhnlichen Verein, in dem Trainer Christian Streich,

Sportvorstand Jochen Saier und Scoutingchef Klemens Hartenbach zusammen

rund 70 Jahre tätig sind. Sie stellen ihre Prinzipientreue über alles andere. Ruf

beschreibt einen liebenswerten, manchmal zögerlichen Club, der ja in seiner

aktuellen, 20. Bundesliga-Spielzeit einen furiosen Saisonstart hingelegt hat.

Christoph Ruf „Bundesliga anders / Der SC Freiburg und die Ära Streich“

186 Seiten, 18 Euro, Verlag Die Werkstatt, Göttingen.

Auge um Auge

Foto: Arne Bicker

Staatsanwalt Antonio Tedeschi erhält einen Anruf: Die Mutter seines Jugendfreundes

Vittorio Schreiber erzählt ihm mit tränenerstickter Stimme vom Tod

ihres Sohnes. Er hat sich zu Tode gehungert. Entsetzt sucht Antonio nach Gründen

für diesen grausamen Tod und gelangt bei seiner Suche an ein von Jesuiten

betriebenes Internat, das Kolleg in St. Blasien – dorthin, wo ihre Freundschaft

einst zerbrach. Eindringlich und mit psychologischer Tiefe erzählt der Freiburger

Rechtsanwalt und Romanautor Sascha Berst-Frediani von Scham, Schuld und

Schmerz – und lässt den Leser fassungslos zurück.

Sascha Berst-Frediani „Verjährung – ein Justiz-Thriller“

256 Seiten, 14 Euro, Gmeiner Verlag, Meßkirch.

Besessen

Foto: Yvonne Berardi

Der in Freiburg geborene Joachim Zelter erzählt von der Sogwirkung eines rastlosen

Pelotons. Das Zusammenwirken von Fahrrad, Mensch und sozialer Gruppe

erscheint als Räderwerk der Tempoverschärfungen, Höhenmeter und immer

größer werdenden Distanzen, ein fortwährendes Weiter und Immer-weiter-so.

Am Ende erzählt Zelters neuer Roman von uns allen, von Anpassung und Bereitwilligkeit,

von Leistungsdruck und subtiler Tempoverschärfung, von der

Unfähigkeit, auch nur eine Pedalumdrehung auszulassen. Es ist der Roman

einer Besessenheit.

Joachim Zelter „Im Feld - Roman einer Obsession“

156 Seiten, 20 Euro, Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen.

48 zett. November 2019


Bücher

Foto: privat

Hier schreibt die Freiburgerin Simone Harre, Schriftstellerin, Glücksforscherin und China-Kennerin, für das Kulturmagazin ZETT.

Fräulein Lucy und Uwe

ZETT. Kurzgeschichte

So geht das nicht. Sagt Lucy. Und krabbelt bedenklich nah an

mich ran. Du gehst jeden Morgen aus der Tür um Wasauchimmer

zu machen und ich bin hier. Du bist eine Hausspinne. Antworte

ich. Betonung auf Haus. Nimm mich mit. Fordert Lucy unbeirrt.

Nach Wasauchimmer. Nein. Lucy krabbelt näher. Wenn

du mich morgen nicht mitnimmst, krabble ich heute Nacht auf

dein Kopfkissen. Nein. Laufe über dein Gesicht. Lucy. Auf deinen

Mund. Lucyyyy! Wie viel Uhr? Lucy schwenkt ihre Vorderbeinchen!

Sie hat sehr lange Beine. Und sehr lange Haare. Okay,

sage ich. Ich nehme dich mit. Nur einmal. Um 7 Uhr. Alles klar.

Am nächsten Morgen: Was ist das? Ich deute auf etwas Kleines

auf ihrem Rücken. Ein Rucksack. Ist da was drin??? Getrocknete

Männchen. Du magst die Männchen nicht, sage ich, wieso

isst du sie dann? Wegen der Proteine. Lucy wippt froh mit frisch

geflochtenen Zöpfen, die unter einer kleinen Mütze hervorlugen

und steckt sich ein erstes Beinchen in den Mund. Ich hab

auch ein Geschenk. Fährt sie vieldeutig fort. Ein Geschenk? Für

Uwe. Ich geh nicht zu Uwe. Ich geh zu Wasauchimmer. Du gehst

jeden Morgen zu Uwe. Bevor du zu Wasauchimmer gehst. Das

weiß ich. Und jetzt gehe ich mit. Verdammt.

Wir gehen. Ich laufend. Lucy hockend. Auf meiner Schulter.

Ich laufe durch die Wiehre. Lucy zieht sich ihre Mütze enger

über den Kopf. Die Luft ist noch feucht und kühl. Frühnebel

spinnen sich die Dachgiebel entlang und hinterlassen immer

neue Muster. Mystische Himmelskalligrafien in verspielter

Jugendstilkulisse. Gefällt mir nicht. Lucy verzieht abfällig ihr

Gesicht. Was? Die Häuser. So viel Schnickschnack. Lucy ist sehr

pragmatisch. Fleischfressend, männermordend, intellektuell

und sehr pragmatisch. Wie wäre es denn besser? Quadratisch.

Weiß. Klare Struktur. Strukturen sind wichtig. Ein Spinnennetz

ohne Struktur und du verhungerst.

Die Menschen hier verhungern nicht. Wende ich ein. Sie wohnen

hier, weil sie sich in diesen Häusern besonders wohl fühlen.

Bah, sagt Lucy. Wohl fühlen. Ihr mit euren Emotionen! Alles

Quatsch. Dein Spinnennetz ist auch Kunst, erwidere ich. Nebenbei,

sagt Lucy, und steckt sich ein weiteres Stück Männchen

in den Mund. Frische Luft macht hungrig. Kunst erschaffen,

schmatzt sie, und gleichzeitig satt werden, so muss man es

machen. Das ist die richtige Balance. Ich sage: Die Chinesen

sind der Meinung: Erst essen, dann die Kunst. Und du bist doch

Taoistin.

Lucy schnaubt. Und wenn das Essen weg ist? Im Bauch vom

1,3 Milliarden Chinesen. Was ist dann? Auch beim Essen muss

man denken, findet sie. Vorausdenken. Ein Männchen, das weiß,

dass es gefressen wird, wird keinen Lebenssinn entwickeln, sich

nicht mehr fortpflanzen und es wird keine neuen Männchen

geben, die ich dann später essen kann. Also muss ich immer ein

paar übrig lassen und sie glauben machen, es sei ein Betriebsunfall.

Lucy lacht. Der Schlauere gewinnt. Ich schaudere. Das ist

nicht Kunst, das ist unethisch. Mordlüstern, Lucy.

zett. November 2019

49


Bücher

Oder aber, erwidert sie leichthin, sehr zukunftsorientierte

Selektion, ökonomisch und ökologisch einwandfrei. Ich blicke

auf meine Schulter, sehe ihre kleinen geflochtenen Zöpfe unschuldig

im Takt meines Ganges wippen, aber ihren Rucksack

verdächtig fest festhaltend. Lucy, du bist Greta Thunberg in bös,

sage ich. Lucy grinst. Danke, sagt sie. Ich blicke wieder auf die

Straße. Ein Mann mit Hund kommt uns entgegen. Der Hund

zerrt an der Leine, bleibt stehen und drückt schließlich neben

den nächsten Baum zwischen frischen Röschen und vereinzelten

ungehörigen Brennesseln sein Hinterteil an die Erde.

Lucy rümpft angewidert ihre Spinnennase. Eine Frau schießt

aus dem angrenzenden Hauseingang und zetert: Muss das

sein? Ihr Hund scheißt in meine Baumscheibe. Der Hund arbeitet

schwer. Es macht noch einmal Plöpp. Dann ist er fertig.

Die Frau zetert weiter. Das ist ein Ort für Bienen, nicht für Ihren

Köter. Wie ein Messer zückt sie ein Prospekt hervor und wedelt

damit durch die Luft. Freiburg blüht auf. Kann man dort

lesen. Seien Sie einer von 900 Baumpaten zur 900Jahrfeier

und unterstützen Sie die Artenvielfalt am Straßenrand. Der

Mann bückt sich und entfernt ungerührt mit einem Plastikbeutel

den stattlichen Haufen. Die Frau wedelt nun in Richtung

Baumscheibe. So ist das immer, die einen geben sich Mühe, die

anderen zerstören.

Der Mann erhebt sich wieder, blickt in die zarte Baumkrone

und erwidert: Ihre frommen Blümchen nehmen dem schmalen

Baum hier einfach nur den Saft. Nichts sonst. Baumscheiben

sind blanker Unsinn. Das geht ein Jahr gut. Mehr nicht. Von

wegen Unsinn. Greta wäre stolz auf mich. Der Mann bückt

sich noch einmal, bricht ein Röschen, reicht es stumm der Frau

und läuft weiter. Der Hund hinterher. Erleichtert. Jawohl, das

wäre sie, stößt die Frau noch einmal hervor. Dann starrt sie das

Röschen in ihrer Hand an. Wir laufen auch. Lucy ist still. Kein

Kommentar? Lucy schüttelt mit dem Kopf. Lächelt jedoch ein

wenig abwesend.

Wir biegen in den Sternwald ein. Mein Herz klopft bedenklich.

Ob Lucy das hört? Ich kann Uwe schon sehen. Oh Uwe. So stattlich.

Seufze innerlich. Hier, sage ich, und bleibe stehen. Wir sind

da. Guten Tag, Uwe. Ich berühre Uwe leicht an der Rinde. Mehr

geht heute nicht. Auch Uwe knarzt nur verhalten. Ich habe eine

Freundin ... meine... unterbricht mich Lucy... also heute habe ich

meine Freundin mitgebracht. Sie heißt Lucy. Hallo Uwe, höre ich

Lucy spitz, doch gut vernehmlich sagen. Uwes Zweige rauschen

zur Antwort. Lucy nimmt dies zufrieden zur Kenntnis.

Dann klettert sie von meiner Schulter bis auf den Erdboden.

Ich sehe wie sie ihren Rucksack öffnet, ihm etwas entnimmt,

wie sie etwas im Erboden rund um Uwe vergräbt und dann

zufrieden wieder an mir hochkrabbelt. Waren das Männchen?

Flüstere ich argwöhnisch. Du weißt, Uwe mag keine Proteine.

Lucy sagt wieder nichts, guckt nur triumphierend in das Antlitz

von Uwe. Dann dämmert es mir. SAMEN??? Lucy du bist wirklich

böse. Lucy lächelt noch breiter. Wir müssen jetzt leider weiter,

Wasauchimmer wartet. Wir beide. Sie schaut missbilligend auf

Uwes strammen Stamm. Dann auf ihre acht langen Beine und

schiebt ihre Mütze zurecht. Also, byebye. Uwe krümmt ein wenig

seine Wurzeln. Aber sein Blick ist zuversichtlich: Ich schaff

das. Wieauchimmer.

Tyrann im Tann

von Arne Bicker

Der mit dem Hirsch ist wieder

da: Nach dem Erfolg von

„Schwarzwälder Hirschwasser“

hat der Cartoonist Klaus

Karlitzky einen Humorschinken

nachgelegt, der ordentlich

Mundwinkelzunder in sich birgt.

In seinen „Schwarzwald-Cartoons“

geht

der in Freiamt

lebende

Künstler

mal derbe, mal zartfühlend und gelegentlich

auch mit rabiatrabenschwarzem Humor zu

Werke. Die Briten haben ja gar keine Ahnung.

Nichts, aber auch wirklich gar nichts ist

vor Klaus Karlitzky und seiner spitzen Feder

sicher. Die beliebteste Ferienregion Deutschlands

erlebt unter seinem sezierenden Blick

ihr grünes Wunder. Da wird Karlitzky als studierter

Kunsthistoriker zum Brunfthysteriker

in jenem Walde, in den er hineinruft und aus

dem ihm das Lachen zurückschallt.

Oder ist es doch nur der Hirsch, der hustend

röhrt oder röhrend hustet oder maulfaul den

Specht befeuert? Und was hat es zu bedeuten,

wenn in Sachen Weihnachtsschmuck

der menschliche Faktor zum Tragen kommt

- hängt da etwa ein Tyrann am Tann, frei nach

50 zett. November 2019

144 Seiten, über 100 Abbildungen,

Silberburg-Verlag, 14,99 Euro.

der Gewissheit, man muss sich ja nicht immer die Kugel geben?

Der Schwarzwald ist jedenfalls bei Klaus Karlitzky eine höchst

emotions- und auch sonstwie geladene Gegend, in der das

menschliche, tierische und pflanzliche Leben stets in einem

freudvollen Scheitern begriffen scheint und die Bewohner

auf einer nie endenden Suche nach Sinn und Verstand sind.

Es bleiben vor allem Fragen übrig, die wie Steinpilzpulver aus

den „Schwarzwald-Cartoons“ herausrieseln.

Ist das „Hier und Jetzt“ womöglich nur ein

Mythos? Verwandelt der Schwarzwald in einem

Prozess natürlicher Gärung Klimawandel,

Wirtschaftskrisen und gesellschaftspolitische

Veränderungen in ländliche Legenden,

die sich im Unterholz verstecken, um den

Fortschritt zu erschrecken? Überhaupt, warum

nennt man das Fortschreiten hier noch

„Wandern“? Und was hat die Freiburger Mülltrennung

mit Altglashütten zu tun oder Hunde

mit Stöckchen mit dem Belchen?

Fest steht, der Tann ist allein aus Gründen

der Tradition ein finstrer und bedarf der Erhellung

durch einen wachen Geist. Karlitzky

liefert.

Klaus Karlitzkys Cartoons sind in einer Ausstellung

vom 22. November bis 22. Dezember

2019 in der Alten Wache am Freiburger

Münsterplatz zu sehen.

www.kk-cartoon.de


Bücher

Schöne Geschichten

Die Freiburger Bibliothekarin Esther Kuschke-Rösch

mit ihrem aktuellen Lieblingsbuch.

Foto: Arne Bicker

Lesen für umsonst: Dieses oft unterschätzte und doch stets

greifbare Vergnügen bietet die Freiburger Stadtbibliothek

mit ihren vier Standorten am Münsterplatz 17, in der

Staudingerschule in Haslach, in der Falkenbergstraße 21 im

Mooswald und im Rieselfeld (Maria-von-Rudloff-Platz 2).

Im Kulturmagazin ZETT. empfehlen Bibliothekarinnen

und Bibliothekare Neuzugänge im Bestand der Freiburger

Stadtbücherei als besonders lesenswert. Heute mit Esther

Kuschke-Rösch aus der Stadtteilbibliothek Rieselfeld.

www.stadtbibliothek.freiburg.de

Johannes Krause - Die Reise unserer Gene | Propyläen-Verlag 2019 | Standnummer: „Eem Krau“

„Das Buch hat mir gefallen, weil das Thema Genetik und was man aus menschlichen Genen

nach heutigem Stand herauslesen kann, auf so unterhaltsame und informative Art und Weise

dargestellt wird, dass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Mit so manchen ironischen

Seitenhieben auf die heutige Migrationsdebatte zeichnen die Autoren die Wege, die unsere

Vorfahren nach Europa geführt haben, auf und zeigen, dass wir alle von Migranten abstammen

– die einen ganz neu, die anderen schon länger.“

Kent Haruf - Abendrot | Diogenes 2019 | Standnummer: „Zba Haru“

„Kent Harufs sechs Romane spielen alle in der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorado. Einfühlsam,

warmherzig und etwas melancholisch beschreibt er das Leben von verschiedenen Menschen in

dieser Kleinstadt, wie z.B. jenes von zwei alten Viehzüchter-Brüdern, die bereits im ersten Band

(Das Lied der Weite) ein schwangeres Mädchen bei sich aufnehmen. Nun verlässt die inzwischen

junge Frau mit ihrem Kind die Farm, und die beiden Brüder, die nach Jahren der Einsamkeit das

quirlige neue Leben lieben gelernt haben, müssen wieder mit der Stille zurechtkommen. Der

2014 verstorbene Autor ist eine richtige (Wieder-)Entdeckung. Er hat die Gabe, mit seinen Geschichten

zu berühren, uns mitzunehmen in die Welt einfacher Leute, die auch mit (Waffen-)

Gewalt ausgetragene Konflikte und mehr oder weniger alltägliche Probleme und Hoffnungen

birgt. Dabei wünscht man sich, dass die Geschichten immer weiter erzählt werden.“

Matthias Brandt - Blackbird | KiWi 2019 | Standnummer: „Zba Bran“

„Das ist eine große Empfehlung, weil der Autor es schafft, die chaotische Gefühlswelt seines

15-jährigen Protagonisten Motte nachvollziehbar zu machen, der seine Jugend in den 1970er

Jahren in der Bundesrepublik erlebt. Die Schrecken des kranken Freundes auf der einen, die ersten

Erfahrungen mit Mädchen auf der anderen Seite sind zeitlos und sehr berührend geschildert.

Eingestreute Kleinigkeiten wie das Einhaken der Gartentüre, das mühsame Trinken- und Rauchen

lernen, die Beschreibungen zweier Lehrer, der eine ein gewalttätiger Alt-Nazi, der andere

ein antiautoritärer Selbstdarsteller mit Hang zu minderjährigen Schülerinnen, lassen die Welt

der 70er glaubhaft wieder auferstehen. Ein Buch zum Lachen und Weinen – einfach schön.“

zett. November 2019 51


kunst

Fotos: Arne Bicker

En Marche

Läuft im Dienste der Kunst:

Stepan Capek

Stepan Capek (37) ist freischaffender Skulpturist, stammt aus

Schopfheim und lebt in Bollschweil bei Freiburg. Skulpturen

und Plastiken sind sein Ding. Jetzt hilft er Naturschwämmen

auf die Beine: „Escape of the Ocean“ ist eine 17 Zentimeter kleine

Skulptur, Evolutionskunst gewissermaßen, bestehend aus

einem Naturschwamm in einem handgemischten, ultramarinblauen

Pigment-Acrylat, das das Meer in sich zu tragen und

förmlich von innen zu leuchten scheint, auf einzeln modellierten

Beinen aus Epoxidharz. Eine stehende, korallenrote

Schwammschwester „Refugee“ (siehe ZETT.-Inhaltsübersicht)

misst 35 cm. Der Kunstfreund hat also die Wahl zwischen geduckter

Dynamik und aufrechter Standhaftigkeit, zwischen

Loslaufen, Verweilenmüssen und Ankommen. Betrachtungsbegleitend

empfiehlt sich eine knisternde Schallplatte mit

Charles Trenets „La Mer“.

52 zett. November 2019


? kunst ? ? ? ?

Effekte

des Sublimen

Foto: Arne Bicker

Muss sich die Kunst Gesetzen unterwerfen? Wie färbt künstlerische

Freiheit auf die Freiheit des Menschen ab? Und wie

eng darf das Verhältnis sein zwischen Ästhetik und Ökonomie?

Mit diesen und weiteren hochaktuellen Fragen beschäftigt

sich eine Sonderausgabe des Philosophie-Magazins „Hohe

Luft“. In „Der Wert der Kunst“ (9,50 Euro) wird eine Bestandsaufnahme

jener Kunst unternommen, die heute so präsent erscheint

wie nie zuvor, weil die Grenzen zwischen Kunst, Design

und Technologie zunehmend verschwimmen.

Unter anderem behandelt das Magazin folgende Themen:

Was ist schön? Kultur als Marke. Kunst und Kapitalismus. Geschmack.

Ästhetisches Erleben. Wann ist Kunst?

Auch Künstler kommen zu Wort. Das sehr lesenswerte Heft

lädt förmlich zum Debattieren ein: Welchem Kanon ist die

Kunst verpflichtet und was sind die Effekte des Sublimen? Die

Philosophie kann uns dabei helfen, subjektive ästhetische Erfahrungen

zu reflektieren und zu verstehen, was Kunst heute

eigentlich ist und soll.

www.hoheluft-magazin.de

Lina liest in Hoher Luft.

Indoor-Soccer pur!

4 Soccer Courts

(30 m x 15 m)

Neuer Kunstrasen

Tel. 07665 - 6068 • www.sportpark-umkirch.de

www.stepancapek.de

zett. November 2019

53


kunst

Elfenträume

Ricardo Pulido ist ein

freundlicher Mann, höflich,

zuvorkommend. Etwas wilder

muss es wohl in seinem Kopf

aussehen. Die Bilderwelten

des seit 2017 im Freiburger

Stadtteil Stühlinger lebenden

Kolumbianers durchwehen

ineinander verwobene Tiere,

Geister, Dämonen, Ufos, Bäume

und Türme – und alles

schwebt. Neo-Surrealismus

nennt das Pulido. Seine psychedelischen

Landschaften

haben jede Bodenhaftung verloren,

sie sind eine farbenfrohe

Orgie der Fantasie, lebendig

gewordene Träume, reich

an geheimen Botschaften und

Ausdruckskraft. „Ich interessiere

mich sehr für das Geheimnisvolle,

für Mythologien,

parallele Welten und

andere Dimensionen“, sagt

Ricardo Pulido, dessen Bilder

und Skulpturen in seiner kolumbianischen

Heimat sehr

gefragt sind. Das Studium der

Malerei in Bogota hatte er abgebrochen,

es schien ihm zu

eindimensional. Pulido baute

Ufos aus Aluminium, erschuf

ein fliegendes Schiff aus Bronze,

malte „auch mit Kaffee

und Wein“, verarbeitete Polyester

und Zement. Das hier

gezeigte Bild „Elfenträume“

entstand aus Acryl und Ölfarben

auf Leinwand und ist eines

seiner wenigen Selbstporträts.

www.pulidoart.com

54 zett. November 2019


KUNST

Fotos: Arne Bicker

Kriegerin

Eva Kneipp (54) lebt in Eisenbach

bei Titisee-Neustadt.

Ein Burnout führte die Maschinenbedienerin

erst spät

zur Kunst. Nun konnten endlich

ungehindert Erinnerungen

an die Hochzeitsreise mit

Ehemann Peter 1985 nach Kenia

auf Leinwände fließen.

Starke und schöne Frauen Afrikas

sind es, die Eva Kneipp

mit Vorliebe und Liebe malt.

Auch wenn es nie zu einer

zweiten Afrikareise reichte, so

sind die Erinnerungen der

Schwarzwald-Österreicherin

an Farben, Augen und Lebensfreude

frisch wie heute. Zum

Blick auf ihre Arbeiten empfiehlt

sich Musik von Meitz:

„Africa (Mayi buye I)“.

www.kunstvombraend.com

zett. November 2019

55


Kunst

Ort des Ausblicks

Besuch im Kunstverein

von Arne Bicker

Foto: Arne Bicker

Videos, Fotos, Texte, Plastiken und

absichtsvoll verstreute Erde: Alles ist

Action im Freiburger Kunstverein.

Ein riesengroßes, rotes „KV“ markiert

die gesamte Vorderfront des ansonsten

unscheinbaren, mausgrauen und sichtbar

nicht mehr ganz jungen Hauses an

der Dreisamstraße 21 in Freiburg. Hier residiert,

was man dem schmalen Gebäude

bis auf die genannten Lettern kaum

ansieht, der Freiburger Kunstverein mit

einem galerieumrankten Ausstellungssaal,

der einmal das große Erweiterungsbecken

des Freiburger Marienbads beherbergte.

Man darf also getrost sagen:

Das Haus hat Tiefe.

Oder: Das große „KV“ könnte auch für

„Krankenversicherung“ gegen geistige

Leere durch Kunstmangel stehen. Doch

das sind Wortspielereien. ZETT. meint,

ganz handfest: Ein Besuch im Haus

lohnt sich. Architektonisch, künstlerisch,

tiefen erlebnistechnisch.

Man kann in dieser

Sternwarte des Kunstalls

problemlos und direkt in

Kontakt treten zu feuchter

Geschichte, künstlerischer

Gegenwart und

visionärer Zukunft.

„Wir sind für zeitgenössische,

bildende

Kunst zuständig“, erklärt

Direktor Heinrich Dietz,

der mit seinen 39 Jahren Heinrich Dietz.

56 zett. November 2019

noch so jung ist, dass er sich lieber Henri

nennt. Der gebürtige Münchner war

2016 vom ‚Museum Kurhaus‘ im rheinischen

Kleve nach Freiburg gekommen

und führt nun den 1827 gegründeten

Freiburger Kunstverein e. V. durch das

Fahrwasser einer Moderne, die manchmal,

so scheint es, nicht so recht weiß,

wohin mit sich. Kann die Kunst helfen?

Oder gar heilen?

Das ist viel verlangt, vor allem von zumeist

junger und internationaler Kunst,

„die noch nicht Teil des Mainstreams

ist“, wie Dietz sagt, die also ebenfalls

durch das Hier und Jetzt mäandert und

eine Richtung sucht. Und schwupps,

da taucht es auch schon auf, aus den

azurblauen Tiefen des ehemaligen

Schwimmbeckens, das Wort „Avantgarde“.

Die Vorhut des kreativen

Fortschritts, das

moderne, das zeitgenössische,

das innovative

Denken in werkgewordenen

Metaphern, in

Ahnungen vom Werden

und Sein und Sein-Können

oder Vielleicht-

Auch-Nicht-Werden vor

dem Hintergrund einer

dimensionslosen Horizonterweiterung.

Foto: Arne Bicker

Ähem. Verzeihen Sie den delirierenden

Ausflug in die verschwurbelte Feuilletonistendidaktik.

Zurück zu Herrn Dietz

im zweiten Stock: „Im kommenden Jahr

2020 beschäftigen wir uns mit der Frage,

wie wir in den Ruinen und Trümmerlandschaften

der Moderne überleben

können und heften uns dabei auch auf

die Spuren des Klimawandels.“ Im Freiburger

Kunstverein wird es wie schon in

der zweiten Jahreshälfte 2019 um fassbare

Dinge gehen wie die Besiedlung eines

Wüsten planten in den Koordinaten

Zeit, Form und Fiktion.

Science-Fiction und Kunst sollen verschmelzen

am Freiburger Ort des Ausblicks

in eine ungewisse Zukunft: Die

Ausstellung der dreiköpfigen Künstlergruppe

„The Kalpana“ aus Oslo, vom 27.

März bis 11. Mai 2020, wird „In Desert

Times“ heißen. Ausgerechnet im ehe-


maligen Freiburger Schwimmbad. 1938 wurde

die große Halle des Marienbades eingerichtet;

seit 1997 dient sie, längst als unrentabel stillgelegt,

mit ihren 400 Quadratmetern Fläche

und einer umlaufenden Galerie dem Kunstverein

als Sitz und Ausstellungssaal.

Wenn New York, Neu-Delhi, London, Paris,

Manila oder eben Oslo in Freiburg zu finden

sind, dann hier. Planmäßig präsentiert der

Kunstverein fünf Ausstellungen im Jahr. 2018

kamen 5.587 Besucher – „das einzig quantifizierbare,

aber extrem schwierige Kriterium“,

meint Dietz und führt Gründe an: „Wir wollen

Dinge zeigen, die noch unbekannt sind, unentdeckt,

die Besucher in vielen Fällen auch

vor den Kopf stoßen oder verwundern können.“

578 Mitglieder beweisen derweil das starke,

bürgerschaftliche Fundament im Freiburger

Kunstverein, der zu den ältesten Deutschlands

zählt und, fast schon wie ein britischer

Club, an jedem ersten Donnerstag im Monat

zur „till-ten-Bar“ bittet. Die nun bevorstehende

Ausstellung heißt, ganz im oben skizzierten

Forschergeist, „The Sun To Come“ und ist

vom 23. November 2019 bis zum 5. Januar

2020 als Bestandteil des grenzüberschreitenden

Kunstfestivals „Regionale 20“ zu sehen.

Gelegenheit also, mal wieder zum Trockenschwimmen

zu gehen.

Foto: Staatsarchiv Freiburg W 134 Nr. 027359a

www.kunstvereinfreiburg.de

Kunst

Hier wurde früher gebadet, Frauen

und Männer zeitlich getrennt:

Das ehemals große Becken des

Marienbads.

Das Kulturmagazin für Freiburg auch im Netz

www.zett-magazin.de

90 Sekunden mit…

CDs | Literatur

Festivals

Fotogalerien

Kolumne Zett.

Kultur am Start

Kulturreport

Kuriose Polizeimeldungen

Mediatheken

zett. November 2019

57


Kunst

Die Akte Scherer

Foto: Axel Killian

Hermann Scherer – Männerporträt, um 1925.

Akte in freier Natur, zerklüftete Bergwelten,

Porträts von Freundinnen und

Freunden oder literarische Gestalten

wie Dostojewskis berühmter Raskolnikow:

In seinem kurzen Leben hat

Hermann Scherer ein eindrucksvolles

Werk geschaffen. Mit der Ausstellung

„Expressionist Scherer – direkter, roher,

emotionaler“ zeigt das Museum

für Neue Kunst in Freiburg bis Sonntag,

15. März 2020, über hundert seiner

Gemälde, Grafiken und Skulpturen aus

den Jahren 1923 bis 1926.

Der 1893 in Rümmingen bei Lörrach

geborene Künstler absolvierte eine

Steinmetzlehre in Lörrach und zog

dann nach Basel, wo er begann in Gips

zu modellieren und Assistent des renommierten

Künstlers Carl Burkhardt

wurde. Die Beschäftigung mit Bildern

von Edvard Munch, der 1922 eine große

Ausstellung in der Schweiz hatte, verstärkte

Scherers Impuls selbst zu malen.

Ein Jahr später begegnete er Ernst

Ludwig Kirchner, der ihn zu sich nach

Davos einlud.

Inspiriert durch den Künstlerkollegen

entwickelte Scherer eine expressive

Formensprache und malte in starken,

leuchtenden Farben. Es geht um

Sehnsüchte und innere Konflikte, um

Liebe und Leidenschaft, Angst und Einsamkeit.

In den Jahren bis zu seinem

frühen Tod 1927 war Scherer äußerst

produktiv.

Diese Zeit steht im Fokus der Freiburger

Ausstellung, die Werke aus dem

Museumsbestand und zahlreiche Leihgaben

zeigt: Holzskulpturen, Arbeiten

auf Papier und Gemälde, die teils doppelseitig

bemalt sind und so auch präsentiert

werden. Das Museum für

Neue Kunst lädt ein, Hermann Scherer

neu zu entdecken.

Agnes (Deborah Müller)

und Albrecht Dürer (Jakob

Tögel) waren erfolgreiche

Unternehmer.

Foto: ZDF / Iris Kreidel

Dürers Kraft

Die ZDF-TV-Dokumentation „Albrecht Dürer – Superstar“

zeigt die Welt, aus der Dürer kam: das aufstrebende Nürnberg

um 1500. Eine deutsche Weltstadt, aber eng und von Seuchen

geplagt. Dürer zog los und schulte sein Auge in Venedig an

Gemälden der italienischen Meister. Mit 29 Jahren malte er

sich als Jesus Christus – ein überragendes Selbstbildnis, das

der Welt zeigte, was er konnte. Mit modernster Animationstechnik

wird die feine Machart von Dürers Werken erforscht:

das silbrige Fell des „Feldhasen“ etwa oder die vielen Details

im Horrorszenario der „Apokalyptischen Reiter“. Gleichzeitig

wird Dürers Monogramm „AD“ als erstes Logo der Geschichte

identifiziert.

Dürer schuf das erste Akt-Selbstbildnis, das erste weibliche

Aktporträt und arbeitete als Erster für das große Publikum.

Mit seinen Meisterwerken ist er noch heute allgegenwärtig.

Mediatheken

Bilder allein zuhaus

Die ARTE-Kurzfilmserie „Bilder allein zuhaus“ nimmt mit

humorvollen Nachstellungen Meisterwerke der Malerei unter

die Lupe. Die Bilder werden durch Schauspieler, die aufgrund

ihrer Ähnlichkeit zu den gemalten Figuren ausgewählt wurden,

zum Leben erweckt – ein großartiger Spaß! Zu sehen sind u.a.

Johannes Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“,

Andy Warhols „Marilyn“, Francis Barrauds „His Master‘s Voice“,

Albrecht Dürer „Sebstbildnis im Pelzrock“, Edouard Manets

„Frühstück im Grünen“, Grant Woods „Töchter der Revolution“,

Edward Hoppers „Sommerabend“, Caravaggios „Narziss“ oder

Renoirs „Die Lesung“ - so macht klassische Kunst richtig Spaß.

Screenshot: arte.de

"Das Frühstück

im Grünen" von

Edouard Manet

entwickelt bei

ARTE ein krasses

Eigenleben.

58

zett. November 2019


Satire

Scyscraper VII

Kunst nach oben

von Tom Teuffel

Emporstrebend: Skulptur „Scyscraper VII“ von Erwin Otzepowski.

„Skyscraper VII“ heißt diese Skulptur des Freiburger Künstlers

Erwin Otzepowski. Sein und Vergänglichkeit scheinen sich

in diesem Werk des Essentialismus widerzuspiegeln, doch für

Otzepowski steckt mehr in dieser Arbeit. Sehr viel mehr. „Es

ging mir darum, die Frage, wann kratzt etwas am Himmel, zu

beantworten. Also: Wo fängt der Himmel an? Einen Millimeter,

einen Meter oder einen Kilometer über der Erdoberfläche?“

Erwin Otzepowski wirft Fragen auf, beziehungsweise: er

häuft sie auf, könnte man auch sagen. Vier nur grob behauene

oder angesägte Steine, darauf eine halbvolle (oder halbleere?)

Minderalwasserflasche wie ein Richtungspfeil – alles zeigt,

Foto: Arne Bicker

strebt, drängt, weist förmlich nach oben. Die deutsche Begrifflichkeit

des Wolkenkratzers sei völlig falsch übersetzt, erläutert

Otzepowski. Es gehe dem Wortschöpfer um den Himmel und

um diesen allein. Und ob der Betrachter schon von selbst auf

die Idee gekommen sei, dass die halbvolle Mineralwasserflasche

eine natürliche Wasserwaage sei?

„Das Verb ‚scrape‘ bedeutet aber auch sparen oder abheben“,

führt der Künstler weiter aus. Das habe ihn dazu inspiriert, nur

wenige, einfache Materialien und diese sparsam einzusetzen.

Nur dem dritten Stein habe er ein simples Relief hinzugefügt,

dass grob der Erdoberfläche nachempfunden sei. Wichtig sei es,

hier weiße Steine zu sehen und nicht etwa Ziegel. Schließlich

wohne dem Material an sich eine Unschuld inne, die ihm erst

durch den Menschen selbst genommen werde.

Die vier Steine untereinander und die Mineralwasserflasche

als himmelweisenden Abschluss nicht fest miteinander zu verbinden,

sei ihm als Künstler „schon schwergefallen“, aber die

„Filigranheit des Konstrukts“, die geradezu „lauernde Vergänglichkeit“

und „Einstürzbarkeit“ der Skulptur als Synonym allen

menschlichen Trachtens und fortwährenden "Aufstreben-Wollens"

sei das zentrale Element schlechthin.

Auf Nachfrage von ZETT., warum das Werk „Skysraper Seven“

heiße, welche Bedeutung der „Sieben“ in der Titelgebung zukomme,

verriet uns Erwin Otzepowski: „Das hat eine zweifache

Bedeutung. Zum einen war ich sieben Jahre alt, als mir erstmals

die Idee, oder sagen wir der Gedanke an diese Skulptur kam. In

dem Alter sind die Gedanken noch maximal frei, unbelastet,

und zum Glück habe ich mich eines Tages erinnert und mich

dann gleich an die Arbeit gemacht.“

Und der zweite Sinn? Otzepowski denkt kurz nach: „Die Sieben

ist eine Primzahl und ungerade, wie der Scyscraper VII. Und

in der chinesischen Kamigraphi holt die Göttin Xiwangmu sieben

Pfirsiche aus ihrem Feengarten, um sie mit dem Kaiser zu

verspeisen.“ Und dann lacht Otzepowski plötzlich auf und sagt,

er habe nur „ein Spässle“ gemacht. „Tatsächlich ist es natürlich

viel ernster: Die Religion schreibt uns vor, am siebten Tage

zu ruhen. Ich habe die Skulptur aber ganz bewusst an einem

siebten Tag fertiggestellt, um ein Zeichen für die Freiheit zu

setzen und zu zeigen, dass ich mir nicht und von niemandem

vorschreiben lasse, wann ich meine Skulpturen erschaffe.“

Wow, das ist ein Statement! Der „Scysraper VII“ als eine Art

symbolische Freiheitsstatue, nein, eher ein Freiheitsstatut! Mitten

in Freiburg geht es also ums Große und Ganze, ums Aufstreben

und Freisein, um Vergänglichkeit und permanente

Widersinnlichkeit. Eine großartige Arbeit.

zett. November 2019

59


Musik

Jan ‚Monchi‘

Gorkow

Bild: Jörg Heitz

Er nennt sich „der Heitzer“

und malt wie der Teufel: Jörg

Heitz (52) lebt in Steinen, arbeitet

als Grafiker in Freiburg und

malt mit Vorliebe Rockmusiker.

Seine Lieblingsband sind

die Foo-Fighters, aber auch

drei Alben von Feine Sahne

Fischfilet stehen im CD-Regal.

Für ZETT. bannte der Heitzer

deren Frontmann Monchi in

Acryl auf Leinwand – ein starkes

Bild. Klar, welche Musik

Jörg Heitz beim Malen hörte…

www.derheitzer.de

60 zett. November 2019


Musik

Herr Gorkow, Ihr Auftritt am 11. Dezember in Freiburg ist der

Ersatztermin für Ihr am 2. August ausgefallenes ZMF-Konzert.

Grund war eine Armverletzung Ihres Gitarristen Christoph Sell.

Andere Bands bekommen einen Ersatzmann von der Plattenfirma,

und ab geht die Post. Warum nicht so bei Ihnen?

Es war einfach eine krasse Situation für uns. Christoph hatte es

kopfüber vom Rennrad geballert und er hatte den linken Ellbogen

um 180 Grad verdreht. Das war ein Schreck; gleichzeitig waren

wir froh, dass es nichts noch schlimmeres war, zum Beispiel eine

Kopfverletzung. Wir wollten uns da nicht einfach irgendeinen

Berufsmusiker reinholen und Christoph mal eben locker flockig

austauschen und sagen: Scheiß drauf. Das hätten wir nicht so

geil gefunden.

Von wegen

Blockflöte

von Arne Bicker

In diesem Sommer haben Sie bei zwei Konzerten rund 25 Schüler

aus dem Jugendchor des Demminer Musikgymnasiums für Ihren

Song „Alles Anders“ mit auf die Bühne geholt. Mich hat das an

Pink Floyds „Another Brick In The Wall“ erinnert - war das Ihr

Vorbild?

Äh, nö. Einige von uns waren auf einer Schule, an der es einen

Schülerchor gab. Und da viele von den Kids öfter zu unseren Konzerten

gekommen sind, hat sich diese Idee entwickelt. Das war

richtig gut, ich kann mir gut vorstellen, dass wir das nochmal

machen.

Jetzt spielen Sie zum dritten Mal in Freiburg – ist Ihre Entwicklung

hier in Südbaden sinnbildlich für die Karriere der Band?

Wir haben 2013 in der KTS vor ungefähr 150 Leuten gespielt,

darauf hatten wir uns riesig gefreut. Letztes Jahr hatten wir ein

fettes Konzert im Jazzhaus, das war ausverkauft und fühlte sich

an wie Sauna. Und jetzt erscheint es mir irgendwie völlig absurd,

dass wir in der SICK-Arena auftreten werden, für die schon ein

paar tausend Karten verkauft sind. Wir haben ein paar sehr, sehr

geile Erinnerungen an Freiburg.

Freiburg nennt sich Green City, Öko-Hauptstadt, Fair Trade

City – wie sehen Sie dieses beschauliche Metropölchen aus der

640-km-Distanz von der Ostsee aus?

Ich war früher schon mal mit Hansa Rostock da und fand das

Freiburger Stadion geil, weil es direkt neben einem Schwimmbad

lag. Da sind wir vom Stadion aus gleich reingesprungen, das

fand ich genial an Freiburg. Und ich empfand das immer als sehr

idyllisch dort. Aber grün hin oder her - es gibt überall coole Leute

und eben leider auch Arschlöcher.

Naja, hier sind jedenfalls die Mieten exorbitant hoch. Als Journalist

muss ich deshalb wohl als Wirtschaftsflüchtling zur Rente

nach Mecklenburg-Vorpommern umziehen…

…Also erst mal würde ich denken, dann sollten Sie nicht in die

Rostocker Innenstadt kommen, denn hier sind die Mieten auch

sehr hoch. Es ist nicht so, dass das vor dem Osten halt macht. Ich

habe Freunde mit Kindern, die können sich keine Wohnung in

Rostock mehr leisten. Ich denke, das ist ein gesamtgesellschaftliches

Problem, und es wäre wichtig, etwas dagegen zu tun. Aber

wenn Leute nach Mecklenburg-Vorpommern ziehen, finde ich

das erst mal toll. Für mich ist die Ostsee schöner als Berge.

Foto: Andreas Hornoff

Jan ‚Monchi‘ Gorkow (32),

ist Sänger der Punkrockband

Feine Sahne Fischfilet

aus Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern.

Sein Erweckungserlebnis

hatte Gorkow,

als er auf einem Schulhof

gefragt wurde, ob er in einer

Band mitmachen wolle. Da

Gorkow schon weit früher

den Blockflötenunterricht

mutwillig abgebrochen hatte

und kein Instrument spielte,

wurde er Sänger. Inzwischen

spielt Feine Sahne Fischfilet

auf den großen Bühnen der

Republik und hat sich einen

Namen gemacht für ihr Engagement

gegen Neonazis.

Am Mittwoch, 11. Dezember,

20 Uhr, spielt die Band in der

Halle 4 der Freiburger Messe,

der SICK-Arena, vor tausenden

Besuchern im Rahmen

ihrer „Wir haben immer noch

uns“-Tour.

Freiburger Studenten proben grad ein Musical für die 900-Jahre-Feier

ein mit dem Titel „Freiburg liegt am Meer“. Klingt das

für Sie wie absurder Quatsch oder wie ein romantischer Traum?

Das hört sich für mich nach Sehnsucht an…

Mittwoch, 11. Dezember, 20 Uhr,

SICK-Arena Freiburg:

Feine Sahne Fischfilet

zett. November 2019

61


musik

…ich persönlich kann das bestätigen.

Ich bin gern und viel unterwegs, aber ich fahre immer gern

wieder nach Hause. Es ist schon ein großer Luxus, am Meer zu

wohnen.

Ich habe gelesen, dass Ihre Band erst seit dem letzten Jahr einen

eigenen Proberaum hat in Greifswald - gibt es heute überhaupt

noch so etwas wie Subkultur, also einen Gegenentwurf zur etablierten

Kulturszene mit kommerziellen Großkonzerten, wie Sie

sie ja inzwischen auch geben?

Klar gibt es die, speziell im Punkrock und im Hip-Hop. Wir hatten

uns jahrelang Proberäume mit anderen geteilt, und jetzt

haben wir einen eigenen mit unseren Vätern zusammen eingerichtet.

Das ist ein immenser Luxus. Jetzt können wir auch mal

chillen und haben nicht den Druck, dass gleich schon wieder die

nächste Band kommt.

Noch eine weitere Frage zum Thema Gegenentwurf: Sind Sie

deshalb ein wilder Punkrocksänger geworden, weil Sie als Kind

mal Blockflöte lernen mussten?

[lacht] Nein, keine Ahnung. Ich hatte das ja damals als Kind

schon nach zwei, drei Mal abgebrochen. Wenn ich gewusst hätte,

dass man da Noten können muss, hätte ich ja auch gleich Klavier

lernen können.

In diesem Jahr haben Sie als Statist in einem Polizeiruf mitgespielt.

Davor gab es einen Dokumentarfilm über Sie und Ihre Band

von Charly Hübner mit dem Titel „Mein wildes Herz“. Werden wir

Sie in zwanzig Jahren, nach all den wilden Sprüngen auf der Bühne,

als Polizeikommissar im Fernsehen erleben, zieht es Sie da hin?

Ich konnte es mir genauso wenig vorstellen, mal in einem Polizeiruf

mitzuspielen, wie ich es mir damals vorstellen konnte, in

einer Band in Rock am Ring zu spielen. Ich bin da einfach immer

offen für ganz viele Sachen. Vor ein paar Jahren haben wir auch

Lieder für eine moderne Version des Theaterstücks „Die Leiden

des jungen Werthers“ geschrieben und eingespielt. Ich habe da

später auch noch eine Schauspielrolle gespielt. Ich hatte keine

Ahnung, aber Bock drauf. So ist das bei uns mit vielen Sachen.

Oft sieht man Ihre Beine auf Fotos und im TV – was schätzen

Sie, wie viele Menschen haben sich ihre Eltern auf den Körper

tätowieren lassen?

Das kann ich nicht sagen. Aber ich habe ja den Song „Niemand

wie Ihr“ auf der neuen Platte als Geschenk für meine Eltern geschrieben.

Seither schicken mir dauernd Leute Fotos, darunter

auch immer wieder welche, die ihre Eltern tätowiert haben. Da

bin ich also keine Ausnahme. Aber in meinem engsten Umfeld

kenne ich auch wenig Leute mit sowas. Aber ich finde das bis heute

immer noch cool und freue mich, dass ich das gemacht habe.

Noch so eine Frage nach den modernen Zeiten: Politisch rechts

und links – gibt es das überhaupt noch? Oder verlaufen die Gräben

inzwischen woanders? Zwischen klug und dumm, reich und arm

oder Stadt und Land?

Ja, es gibt viele Gräben, aber es gibt auch noch rechts und links,

in vielerlei Hinsicht. Wenn heute Leute kein Problem damit haben,

wieder dem Nationalismus zu frönen und nach unten zu

treten, dann ist das für mich eine klare, rechte Einstellung. Natürlich

gibt es auch Unterschiede zwischen Stadt und Land und

noch viele andere Dinge, die die Leute trennen oder eben auch

vereinen.

Thema Neonazis: Wie groß ist die Gefahr wirklich? Droht uns

ein zweites 1933, ist es so ernst?

Vor zehn Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass

die AfD heute im Bundestag sitzt und bei Wahlen zweistellige

Ergebnisse erzielt, auch im Westen. Da stellt sich jetzt die Frage:

Was wird sein in nochmal zehn Jahren, wenn die Leute nicht den

Arsch hochbekommen, dagegen vorzugehen? Es gibt die

NSU-Morde, Todeslisten bei einzelnen Bundeswehr-Soldaten,

den Fall Walter Lübcke, der zuhause von Neonazis hingerichtet

wurde, die Synagoge in Halle. Was de facto schon passiert ist,

dass Leichensäcke bestellt wurden mussten, da weiß man, dass

die Gefahr doch immens ist. Ich glaube, es ist wichtig, sich auf

die coolen Leute zu fokussieren und die zu stärken und Projekte,

die sich gegen Neonazis einsetzen und gegen all die, die diesem

Rechtsruck hinterherlaufen. Es gibt viele Leute, die auf die Straße

gehen und sagen, OK, bis hierhin und nicht weiter. Es ist wichtig

für das eigene Leben, diese Leute zu supporten.

Foto: Andreas Hornoff

Foto: Andreas Hornoff

Positioniert sich klar gegen rechts: Die Greifswalder Band Feine Sahne Fischfilet.

62 zett. Monat November 2019 2019


Musik

Otto Normal

Lava

Neue CDs

Die Freiburger Hip-Hop-Band Otto Normal

legt nach: Brandneu auf dem Markt ist die EP

("Extended Play" - halb Single, halb CD) "Lava"

mit sechs frischen Titeln. Die vier Jungs um

Frontmann und Sänger Peter Stöcklin lassen

mit schwelenden Liebesliedern wie „Vom Bettler

zum König“ Herzen schmelzen, fackeln in

„Optimist“ eine kritisch-zeitgeistige Brandrede

zu lodernden Rhythmen ab und lassen in der

Beziehungs-Ballade und Single-Auskopplung

„Mit dir ohne dich“ erdkernige Lyrics los. Die

weiteren Songs heißen "Genesis", "Trabant"

und "Boom Booam Bang". Die Songs tanzen

direkt aus dem Leben heraus, sind, wie der

letztgenannte, politisch und emotional – voll

Otto Normal halt. Die Plattenfirma verspricht

einen „Tanz auf dem Vulkan“; es hat ja keiner

gesagt, dass man dabei nicht auch ein bisschen

verträumt sein darf.

Das blanke Extrem

Alles in schönster Ordnung

„Alles in schönster Ordnung“ heißt die CD der

Freiburger Post-Punk-Band „Das blanke Extrem“.

Die 2018 gegründete Formation lässt es

in Titeln wie „Wohnzimmergardinen“, „Herdenschaf“

oder „Wohlstandsstadt“ ordentlich

krachen – wie es sich gehört. Der Titelsong „Alles

in schönster Ordnung“ ist der melodischste

Track mit anmutigen Textzeilen, aber ansonsten

will Punk laut sein, sich gesellschaftskritisch

Gehör verschaffen. „Die Leuchtraketen

fliegen! Wir winken nur zurück. Wir haben zu

tun und davon genug“, schreiben die blanken

Extremer und kommentieren „die Ödnis der

Borniertheit“ und die „uniformierte Monotonie“

im passenden Singsang; es ist eben „Alles

in schönster Ordnung“.

Heirs to the Wild

The Promise

Singer-Songwriter-Jazz-Pop könnte man nennen,

was das Freiburger Trio „Heirs to the

Wild“ auf seiner CD „The Promise“ präsentiert.

Als „Poetic Crossover Jazz“ bezeichnen

die drei Musiker selbst ihren Stil. Gefühlvoller

Gesang, klare Gitarrenklänge und eine Prise

Groove sind zu hören auf Stücken wie „Laws

Of Gravity“ oder „Strange People“. Sängerin

Rabea Hussain, Micha Scheiffele und Jan Klementz

wollen ihre Zuhörer dazu anstiften, auf

die Suche nach Antworten zu gehen, die sie

selbst nicht bieten können. Das erste Studioalbum

„The Promise“ soll schließlich nur „das

erste Kapitel einer Reise sein, die für „Heirs to

the Wild“ gerade erst begonnen hat.“

zett. November 2019

63


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Klavierspielen bringt Menschen zusammen. Ob Jung oder Alt, Groß oder Klein –

die harmonische Begegnung mit den schwarzen und weißen Tasten fördert Kreativität,

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Piano, crescendo oder fortissimo – auch wir sind diesem Tastenzauber erlegen.

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64 zett. November 2019


Musik

Foto: Arne Bicker

Das Genie

am Flügel

von Iko Bebic

Im Proberaum: Hier verbringt

Igor Kamenz einen Großteil seiner

Lebenszeit.

Es ist nicht immer von Vorteil, mit 13

Jahren so begabt zu sein, dass man einen

Jumbo Jet problemlos fliegen kann.

Wer will schon in ein Flugzeug einsteigen,

wenn er weiß, dass ein 13-jähriger

für den gesamten Flug verantwortlich

ist? So könnte man, übertragen auf die

klassische Musik, die Fähigkeiten des Igor

Kamenz umschreiben, der als 13-jähriger

schon so besonders war, dass er ein großes

Orchester dirigieren konnte.

Das geschah am 25. April 1978, als Igor

Kamenz mit dem ehemaligen Staatsorchester

der UdSSR im Moskauer Kreml

„The Gadfly“ von Dmitri Schostakowitsch

mit über 60 Musikern aufführte. Unter

den Zuhörern befand sich der damalige

Staats- und Parteichef Leonid Iljitsch

Breschnew. Auch er galt als ein Bewunderer

des jungen Dirigenten, mit dem

sich die damalige UdSSR Führung gerne

schmückte.

Das Konzert wurde in der gesamten Sowjetunion

und in allen sogenannten Bruderländern,

darunter Polen, Ungarn und

die ehemalige DDR, live im Fernsehen

übertragen. Die Begeisterung war riesig,

und eine große Karriere wurde dem Jungen

prophezeit, der 1965 in Chabarowsk,

im fernen Osten der ehemaligen Sowjetunion,

das Licht der Welt erblickt hatte.

Bereits im Alter von vier Jahren erkannten

seine Eltern, die ebenfalls Pianisten waren,

die außergewöhnliche musikalische

Begabung ihres Sohnes.

Drei Monate nach dem Konzert im

Kreml stellten die Eltern in Novosibirsk

einen Ausreiseantrag für sich und ihren

hochbegabten Sohn, mit dem Vorhaben,

nicht mehr in die Sowjetunion zurückzukehren.

Dass dieser Antrag von den

Behörden in Sibirien bewilligt wurde, lag

zum einen am Respekt vor dem selbst

in Moskau gefeierten Wunderkind, zum

anderen an der geografischen Ahnungslosigkeit

der lokalen Beamten, die Westund

Ostdeutschland nicht zu unterscheiden

wussten. Am 6. Juli 1978 nahm Igor

Kamenz die letzte Klavierstunde bei seiner

damaligen Lehrerin, und noch am selben

Tag ließ er Russland hinter sich und

„floh“ mit seinen Eltern nach Hamburg.

Im Westen war es nicht einfach, einen

13jährigen Jungen anzupreisen, der ein

Staatsorchester dirigieren konnte. Der

Anspruch, dass ein Kind vor erwachsenen

Berufsmusikern den Taktstock schwingen

sollte, war den Konzerthäusern und speziell

den älteren Kollegen suspekt. So entschied

die Familie, die weitere Laufbahn

des Jungen nicht auf eine Dirigentenkarriere,

sondern vor allem auf das Klavier

auszurichten.

In den Jahren 1974 bis 2000 nahm das

Wunderkind Igor Kamenz an 77 internationalen

Klavierwettbewerben teil und

sammelte 60 Preise, davon 18 für erste

Plätze. Sich immer wieder dem Urteil einer

internationalen Jury, dem Druck des

Wettbewerbs und der Missgunst mancher

Konkurrenten zu stellen, ist eine

große Herausforderung, und wer diese

Tortur auf sich nimmt, muss aus einem

besonderen Holz geschnitzt sein. Er muss

sich ganz auf sich selbst und seine Aufgabe

konzentrieren können, auf kleinste

Details Wert legen und unendlich viel

üben. Diese Besessenheit ist kennzeichnend

für Igor Kamenz und schlägt sich

in dem nieder, was man hört, wenn er

sich an den Flügel setzt. Selbst vielfach

gehörte Stücke erscheinen unter seinen

Händen in einem neuen Licht.

Parallel zu diesen Wettbewerben studierte

Igor Kamenz an der Musikhochschule

in Hamburg, wo er 1998 sein Diplom

„Dirigieren Orchester“, 1999 sein

Diplom „Klavier“ und 2002 sein Diplom

„Konzert-Examen Klavier“ bekam. Daneben

war er zwischen 1981 und 1986

Schüler von Sergio Celebidache in München

und von 1981 bis 2006 Schüler von

Vitali Margulis in Freiburg. Beide haben

ihn nach eigenen Aussagen sehr geprägt,

ohne dass er diesen Einfluss genau definieren

könne: „Jede Erklärung wäre zu

zett. November 2019

65


Musik

Igor Kamenz (54) liebt Spaziergänge – auch mit

seiner Notentasche.

profan, man muss sie persönlich erlebt

haben.“

Bis heute hat Kamenz in 41 Ländern

Klavierkonzerte gegeben. Die Reaktion

des Publikums war oft überschwänglich,

wie 1994 bei einem Konzert in Bologna,

wo gleich sechs Zugaben gefordert wurden.

Der Erfolg eines Konzertpianisten

hängt aber nicht allein vom Publikum ab,

sondern auch vom Konzertveranstalter

und vom Orchesterdirigenten. Dies war

nicht immer einfach für Igor Kamenz, der

schon als ganz junger Mensch seine eigenen

musikalischen Vorstellungen hatte.

Dennoch hat er viel mit Orchestern und

auch Kammermusik gespielt und an dem

Zusammenwirken mit anderen besondere

Freude.

Dies umso mehr, als die täglichen

Übungsstunden am Klavier eine einsame

Angelegenheit sind. Igor Kamenz übt bis

zu zehn Stunden am Tag und vor Konzerten

auch mal mehr, wie er sagt. Gewiss

war ihm ein großes Talent mitgegeben,

doch man wird, so Kamenz, „durch Talent

allein kein guter Musiker. Dazu gehören

Disziplin und harte Arbeit.“ Und Disziplin

und harte Arbeit haben sein Leben seit

frühester Kindheit geprägt und Spuren

hinterlassen.

Igor Kamenz kann hart sein gegen sich

selbst, gleichgültig, ob es ums Üben oder

ums Genießen geht. Bis heute hat er nach

eigener Angabe nie einen Tropfen Alkohol

getrunken oder eine Zigarette geraucht.

2001 fasste er den Entschluss, kein Fleisch

mehr zu essen und ist seitdem Vegetarier.

Auch den zuvor erheblichen Kaffeekonsum,

den er rückblickend als „Sucht“

bezeichnet, hat er im harten Ringen mit

sich selbst aufgegeben und 1990 seinen

letzten Kaffee getrunken.

Die Nebeninteressen seiner Altersgenossen

hat er nie geteilt; er war immer

ein Sonderling im eigentlichen Wortsinn.

Seine Bezugspersonen in der Kindheit

waren in erster Linie die Lehrer und

Eltern, insbesondere seine Mutter, die

in seinem Leben die größte Bedeutung

hatte und deren Tod im Jahre 1999 er nur

schwer verschmerzt hat. Eine Hilfe ist ihm

sein kleiner Freundeskreis, der über Musikschaffende

hinausgeht.

Neben der Musik gilt sein Interesse

vornehmlich der Geschichte, insbesondere

der russischen und europäischen

Geschichte des 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich

ist er auch in der Musikgeschichte

bewandert und hat ein phänomenales

Zahlengedächtnis, so dass er

Ereignisse nicht nur einem spezifischen

Jahr, sondern einem Tag und oftmals einer

Stunde zuordnen kann. Er liebt alte

Filme – von Hollywood-Produktionen

der 30er und 40er Jahre bis hin zu James

Bond –, das Ballett und den Eiskunstlauf

und ganz besonders auch Eisenbahnen.

Dieses Interesse rührt aus der frühen

Kindheit, als in Chabarovsk die eintreffenden

und abfahrenden Züge das einzige

waren, das die abgeschiedene Provinz mit

der großen Welt verband. Immer wieder

ging Igor Kamenz damals mit seinem

Vater zum Bahnhof und schaute den Zügen

hinterher, die in unbekannte Welten

fuhren. Seine Kenntnisse der Eisenbahngeschichte

sind frappant, und wer

sich für die Spurbreite der chinesischen

Eisenbahn im letzten Jahrzehnt des 19.

Jahrhunderts interessiert, findet in Igor

Kamenz einen unschlagbaren Experten.

Foto: Arne Bicker

Selbst in historischen Zügen legendäre

Strecken kennenzulernen, bereitet Igor

Kamenz große Freude, sein Erkundungsdrang

ist auch hier enorm.

Bei seinen Konzertreisen kamen solche

Hobbies oft zu kurz. Wenig Zeit blieb auf

den Reisen von einem Ort zum anderen,

zwischen den Proben und den Konzerten.

Jeder Konzertsaal, jedes Instrument ist

anders, und die Art und Weise, wie ein

Stück gespielt wird, muss den akustischen

Bedingungen angepasst werden.

In diesen Punkten ist Igor Kamenz ein

Perfektionist, der nichts dem Zufall überlassen

will.

Die Zeit zum Proben, die im Konzertsaal

bleibt, um sich auf das Konzert einzustimmen,

ist ihm fast immer zu knapp

bemessen und er nutzt sie aus bis zur

letzten Minute. Neben den Konzerten

hat Igor Kamenz in verschiedenen Ländern

auch Meisterkurse abgehalten. Für

Rundfunkanstalten hat er viele Stücke

eingespielt. Von seinen Aufnahmen ist

nur eine kleine Auswahl auf insgesamt

acht CDs erschienen.

Nach seiner Zeit in Hamburg lebte

Igor Kamenz zwischen 2002 und 2007 in

Berlin und siedelte dann nach Freiburg

über. Dort ist es ihm im Sommer viel

zu warm – Igor Kamenz liebt moderate

Temperaturen und hat schon deshalb ein

Faible für nordische Länder wie Schweden,

Norwegen oder Island – doch er fühlt

sich hier trotzdem wohl, da Freiburg, so

Kamenz, „die Ruhe einer Kleinstadt mit

den kulturellen Angeboten einer Großstadt

verbindet“.

Seit 2014 wohnt Kamenz in einem Freiburger

Vorort. Von seiner Wohnung hat

er es nicht weit bis zu seinem Studio; es

ist nur ein kurzer Spaziergang den Schönberg

hinauf mit einem herrlichen Blick

auf Freiburg und die nähere Umgebung.

Dort oben steht sein Yamaha-Flügel, an

dem Igor Kamenz tagein, tagaus seine

Zeit verbringt.

Igor Kamenz gilt heute als einer der

größten lebenden Pianisten, als „Titan

am Klavier“, wie die Zeitschrift „International

Piano“ schrieb. In Freiburg zu bewundern

ist Igor Kamenz am 15. Februar

2020, 18 Uhr, im Konzerthaus, wo er zum

250. Geburtstag von Ludwig von Beethoven

spielen wird. Das Grußwort spricht

Oberbürgermeister Martin Horn; den

Festvortrag „Beethoven und die Politik“

hält Dr. Eleonore Büning.

15.02.2020, 18 Uhr, Konzerthaus: Igor Kamenz live

66 zett. November 2019


MUSIK

Konzerte

Freiburg | Jazzhaus | 11.12.2019

Sarah Lesch

Am Mittwoch, 11. Dezember 2019, 20 Uhr, spielt Sarah Lesch im Freiburger Jazzhaus.

“Da Draussen” heißt das neueste Album der 33-jährigen Liedermacherin,

die im thüringischen Altenburg geboren wurde, in Tübingen aufwuchs und nun

in Leipzig lebt. Ihr Blick richtet sich auf eine Welt, die verrücktspielt, schreckliche

Dinge zulässt und gleichzeitig alles ist, was wir haben: stark, schön und

zerbrechlich. Sarah Lesch zeigt eine klare Haltung und blickt mit geschärfter

Perspektive durch ihre Lieder auf die Welt.

Sarah Lesch tritt im Jazzhaus auf.

Foto: Benjamin Hiller

Freiburg | Konzerthaus | 05.03.2020

Gregory Porter

Gregory Porter ist schon 48 Jahre alt, erschien aber erst 2010 auf der internationalen

Bildfläche mit seinem Debütalbum "Water". Sein zweites Album „Be

Good“ (2012) sorgte für Aufsehen; sein souliger Jazz traf den Nerv der Zeit. Es

folgten der große Durchbruch “Liquid Spirit“ (2013) und „Take Me To The Alley“

(2016). Der Mann aus der kalifornischen Hauptstadt Sacramento vermag es mit

seiner Musik, Sehnsüchte zu erfüllem. Porters Stimme ist auch deshalb so umwerfend,

weil seine große Liebe zu Soul, Blues und Gospel in jedem Takt hörbar

mitschwingt. In der Begeleitung einer großartigen Band kann diese Mischung

live zu einem großartigen Erlebnis werden.

Freiburg | Messehalle 2 | 16.06.2020

Udo Lindenberg

Er stammt aus dem westfälischen Gronau und begann seine Musikerkarriere als

Schlagzeuger – inzwischen ist Udo Gerhard Lindenberg 73 Jahre alt und durchaus

ein bisschen weise. Der Altrocker präsentiert sich in seinen Konzerten öfter

auch mal leise, nachdenklich. Doch keine Angst, das bleibt die Ausnahme. „Udo

Lindenberg ist nicht von dieser Welt“, schrieb die Berliner Morgenpost, und die

FAZ berichtete von einem „Rocktheaterspektakel“. Am Dienstag, 16. Juni 2020,

20 Uhr, gastiert er mit seinem Panikorchester in der Freiburger Messehalle 2.

Und er hat Stoff dabei: Frisches Udopium.

Freiburg | ZMF | 15.07. bis 02.08.2020

Meute bis Schneider

Mit der Techno-Marching-Band „Meute“ wird das 38. Zelt-Musik-Festival (15.7. –

2.8.2020) losdonnern. Die Hamburger Musiker fegen derzeit in ihren roten Militärkapelluniformen

durch halb Europa und versetzen ihre Fans in Ekstase. Mit an

Bord des ZMF-Dampfers ist am 26. Juli die in Island geborene Sóley, die sich mit

dunklen, märchenhaften Liedern eine große Fangemeinde ersungen hat. Mit Beth

Hart wird eine weitere Ausnahmesängerin förmlich in Erscheinung treten: Die

amerikanische Bluesrockmusikerin nannte ihre jüngste CD „War In My Mind“, und

so singt sie auch: roh, authentisch, großartig. Den Schlusspunkt unter das Festival

setzt Helge Schneider. Der Titel seines Programms „Die Wiederkehr des blaugrünen

Smaragdkäfers“ könnte auch „Luftpumpen in Itzehoe“ heißen; es spielt

einfach nur keine Rolle mehr, weil Helge Schneider schon jenseits von Gut und

Böse wandelt und seine Fans ihn schlicht sehen wollen, wenn nicht gar müssen.

Gregory Porter spielt im Konzerthaus.

Udo Lindenberg kommt in die Freiburger Messe.

Beth Hart kommt zum 38. ZMF im Sommer 2020.

zett. November 2019

Foto: Greg Watermann

Foto: Tine Acke

Foto: Erik Umphery

67


Gesellschaft

Charisma 2

Foto: Arne Bicker

Die Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes

(DFB) hatte eingeladen, und

der große Saal im Freurger E-Werk war

ruckzuck ausverkauft wie das Schwarzwaldstadion:

Christian Streich, Bundesliga-Trainer

beim SC Freiburg, und

Matthias Brandt, Schauspieler, Autor

und Werder-Bremen-Fan, sprachen am

Dienstag, 12. November 2019, auf offener

Bühne über den Fußball und ihre Lebensweisheiten,

über das Schauspielern, Lesen

und Selbstergriffenheit.

Ziemlich genau 48 Stunden, nachdem

Streich im SC-Stadion von Eintracht

Frankfurts David Abraham unsanft von

den Beinen geraspelt worden war, zeigte

sich der Freiburger Fußballlehrer aufgekratzt

und in allerbester Laune – schließlich

hatte der SC das Spiel am Ende mit

1:0 gewonnen.

Zwei eminent populäre Männer in den

50ern unterhielten rund 400 Gäste mit

scheinbar allergrößter Leichtigkeit aufs

Vortrefflichste, allein mit ihrem Charisma

– als wär’s geprobt. Dabei hatte Christian

Streich vorher noch gemeint: „Ich bin

ganz schön nervös.“

Preis 3

Foto: Felix Groteloh

Bei der Preisverleihung im Konzerthaus

(v. l.): Hanna Böhme, Oberbürgermeister

Martin Horn, Alexander

Heisler, Peter Wien, Marc Oßwald,

Mirjam Kost, Michaela Herr, Daniel

Strowitzki und Thomas Meier.

Die Freiburg Wirtschaft Touristik und

Messe (FWTM) hat im runden Saal des

Konzerthauses zum vierten Mal den

„Freiburger Entrepreneur-Preis“ in den

Kategorien „Kongress- & Messewesen

und Veranstaltungen“, „Wirtschaft“ sowie

„Handel & Touristik“ vergeben. Preisträger

2019 sind das Zelt-Musik-Festival

(ZMF), vertreten durch Geschäftsführer

Marc Oßwald und Gründer Alexander

Heisler, Peter Wien als Inhaber des Sanitätshauses

Schaub, und die Gemeinschaft

68 zett. November 2019

der Marktbeschicker des Münstermarktes.

Überreicht wurden die Auszeichnungen

am Abend des Dienstags, 19. Novembers,

erstmalig durch den FWTM-Aufsichtsratsvorsitzenden

Martin Horn.

Dem Freiburger Oberbürgermeister

standen dabei die FWTM-Geschäftsführer

Hanna Böhme und Daniel Strowitzki

zur Seite. Der Preis zeichnet Unternehmerinnen

und Unternehmer aus, die sich

in besonderer Weise für den Wirtschaftsstandort

Freiburg eingesetzt und verdient

gemacht haben. „Diese Entrepreneure

zeigen in ganz besonderer Weise

die Verbundenheit von wirtschaftlichem

Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung“,

so Horn.

Die FWTM-Spitze lobte, dass sich die

diesjährigen Preisträger durch ein klares

Bekenntnis zum Standort Freiburg sowie

durch eine langfristige herausragende,

unternehmerische Leistung auszeichneten.

Sie alle seien damit wichtige Botschafter

Freiburgs.


Mischen possible

Fotos: Arne Bicker

Dem Destillateur ist eben nichts zu schwör. Der blaue ‚Brandschatz‘

schmeckt im Aroma nach coolem Zitrus, Kräutern

und Alge und zaubert so das Meer auf den Gaumen. Man

kann die Wellen förmlich sehen, riechen, schmecken und

hören. Zum Mischen empfiehlt Martin Winter „Fever-Tree

Mediterranean Tonic Water“.

www.brandschaetze.com

Der Kapitän: Martin Winter.

Freiburg hat alles, nur kein Meer. Da liegt es nahe, das Ferne

hierher zu befördern - wie sonst als in flüssiger Form. Der

ehemalige Fregattenkapitän Martin Winter (52) stammt aus

Kiel. Doch auch nachdem es ihn, der Liebe wegen, an den Kaiserstuhl

verschlug, lässt ihn diese eine, ganz spezielle Sehnsucht

nicht los. Seit 2013 brennt Winter seinen „MeerGin“.

Zur Herstellung verwendet er neben der obligatorischen

Wacholderbeere auch Muschelkalk von der Ostsee, Meersalz,

Limette und den natürlichen Farbstoff der Spirulina-Alge.

Meer her

Der Freiburger Cornel Kiesel (56) hat es mit dem Meer – der

Ehefrau wegen mit dem in Spanien. 2005 reifte an den fernen

Gestaden Tarragonas die Idee, einen Gin im heimischen

Schwarzwald zu brennen, der die Glutsonne und das Meer

Spaniens und die Kräuter der Heimat vereinen möge. Nach

vielen Versuchen bescheinigen Kenner der Materie Cornel

Kiesel inzwischen ein exquisites Ergebnis: Der „Kiesel-Gin“

birgt die Aromen 23 pflanzlicher Zutaten, im neudeutschen

Brenner-Jargon ‚Botanicals‘ geheißen. Orange, Zitrone, Olive

und Rosmarin bringen das Mittelmeer auf den Gaumen;

gebrannt wird über dem Holzfeuer. Zum Mischen empfiehlt

Cornel Kiesel „Schweppes Premium Mixer Tonic Pink Pepper“.

www.kieselgin.com

Der Mittelmeer-Pirat: Cornel Kiesel.

zett. November 2019

69


Gesellschaft

Ausgrabungen, Funde und Infos: Das

Augustinermuseum präsentiert

einen archäologischen Blick zurück auf

900 Jahre Freiburg.

Foto: Axel Kilian

Es ist wie ein Blick in ein schwarzes

Loch: Was war in den vergangenen

900 Jahren in Freiburg los?

Das schwarze

Loch

Das ist eine lange Zeit, und die Videoaufnahmen

aus dem Mittelalter

sind – sagen wir es mal so: arg

verwackelt. Doch zum Glück gibt es

Menschen, die ihre Spürnasen in die

Erde versenken und mit archäologischen

Fundstücken wieder auftauchen.

Solche Hinweise auf 900

Jahre Leben in der Stadt zeigt das

Augustinermuseum, ergänzt durch

oberirdische Fundstücke und Überbleibsel.

Dazu gibt es Grafiken, digitale

Rekonstruktionsbilder, Erklärungen

und Animationen. So wird

die Geschichte der Stadt wieder lebendig

und man erfährt unter anderem,

dass der Münsterplatz früher

ein Friedhof war und das Marktgeschehen

in der Kaiser-Josef-Straße

stattfand. Auch für Kinder ist das

interessant, können sie hier doch

Audio-Erklärungen von Altersgenossen

lauschen, ihre Körpergröße

mit mittelalterlichen Erwachsenen

vergleichen oder mit Holzbächlen

und –häusern ihr ganz eigenes

Stadtbild entwerfen. Und das Beste:

Im kompletten Jubiläumsjahr 2020

ist der Eintritt für Kinder und junge

Erwachsene unter 27 Jahren frei.

Wir sind schlichtweg

begeistert.

Das ganze Magazin ist

toll aufgemacht und

repräsentiert einen

schönen Überblick

des kreativen

Schaffens.“

S.T.

„Ist super gelungen, das Titelbild ein echter Hingucker.

Mit Vergnügen habe ich alles über den Bollenhut

gelesen und weiß jetzt Bescheid – klasse Karikaturen.

Bin überrascht, wie viele Künstler sich mit diesem Thema

befassen. Auch sonst ist das Heft sehr unterhaltsam,

informativ und vor allem vielseitig!“ B.F.

Das Kulturmagazin für Freiburg

#2 ∙ JULI 2019 ∙ SCHUTZGEBÜHR 5 €

Ich bin begeistert über

Inhalt, Ausführung und

Qualität des Magazins.

Sie haben das Thema

Bollenhut originell auf

den Punkt gebracht.

Gratulation!“

S.Z.

70

Stimmen zur

zweiten Ausgabe

Die

neue Ausgabe von

Zett. gefällt mir

ausgesprochen gut.

Gratuliere!

F.L.

zett. Monat 2019

Foto: Martin Koswig

Aus dem ZYPRESSE VERLAG

www.zett-magazin.de

MYTHOS

Schwarzwaldmädel

Der Sinn des Lebens

Gela Samsonidse

Eine Seilbahn für Dietenbach?

„ Vor Kurzem fiel mir Ihr Magazin „ZETT. - Das

Kulturmagazin für Freiburg“, Ausgabe #2, Juli

2019, in die Hände, und ich konnte es nicht mehr

weglegen, bis ich alles gelesen und betrachtet

hatte. Themen, Inhalte und Erscheinungsbild

gefielen mir sehr gut.“

R.W.

uniCROSS

Literatur

Musik

Theater

„Ein tolles Magazin, in und mit

dem es viel zu entdecken gibt. Kultur

in und um Freiburg und deren

Zusammenhänge übersichtlich

aufbereitet. Wirtschaftlichkeit und

Kommerz sind sicher auch immer

Thema, aber das Hauptthema ist

und bleibt hier die Kultur selbst

und das in ihrer vielfältigsten

Form und mit ihren Hintergründen.

Und das ist ein Punkt, warum

das Magazin (auch optisch) so angenehm

daher kommt. Weiter so.“

K.K.

ZETT. #4 erscheint im April 2020


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