Ergebnisse_MUMA_Konferenz_11_2019
Ergebnisse der MUMA - Musik und Maschine 2019 Konferenz 22. & 23.11.2019, Dortmund
Ergebnisse der MUMA - Musik und Maschine 2019 Konferenz
22. & 23.11.2019, Dortmund
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MUMA – MUSIK UND MASCHINE KONFERENZ 2019
22. & 23. November 2019, Phoenixhalle Dortmund
Wie steht es um elektronische Musik und Nachtkultur im Ruhrgebiet?
Besonderer Schwerpunkt der Konferenz MUMA – Musik und Maschine 2019 lag auf einem Workshop am ersten
Konferenztag, der für alle Teilnehmenden der Konferenz offen war und zur Diskussion einlud. Anknüpfend an die
Ergebnisse des “First Calls” im Juni 2019 wurde in Gruppen die übergeordnete Frage “Was braucht das
Ruhrgebiet in Bezug auf Club- bzw. Nachtkultur heute?” unter den folgenden fünf Oberpunkten spezifischer
diskutiert:
1. Räume finden/ Leerstände nutzen
2. Veranstaltungskoordination/-kalender in der Region, mediale Plattformen
3. Lobby, Verbandsgründung, Behördenansprache
4. Mobilität/ ÖPNV (nachts)
5. Vergnügungssteuer, Sperrstunde, Sicherheitsauflagen
ERGEBNISSE
Das Ruhrgebiet braucht in Bezug auf Club- bzw. Nachtkultur:
Eine institutionalisierte Lobby für Nachtkultur (vgl. z.B. Clubcommission Berlin oder Vienna Club Commission) –
bestehend aus gewählten Vertreter*innen und einem Board der Clubbetreiber*innen
Mindestens eine Vermittlungsperson, die aktiv und idealerweise hauptberuflich zwischen Politik/Verwaltung
und (Nacht-)Kulturproduzent*innen agiert
• Eine Web-Plattform, die Informationen bereitstellt (Stichwort „Clubkataster“), Vernetzung ermöglicht, über Termine
informiert – sowie Ressourcen für deren Pflege
• Eine Nachtkulturstudie, um Fakten zu sammeln und konkrete Bedarfe zu definieren und belegbar zumachen
• Einen eng getakteten, günstigen und übersichtlichen ÖPNV, auch nachts
• Die Abschaffung der Sperrstunde und Vergnügungssteuer
• Einen Runden Tisch der Akteur*innen zum regelmäßigen Treffen und Austausch von Know-how
• Allianzen zwischen Stadtverwaltungen, Verkehrsverbänden und vor allem den Akteur*innen der Nachtkultur
• Eine Programm-, Spielstätten- und Künstler*innen-Förderung (vgl. z.B. Musicboard, Amplify Berlin oder
Institut für Klangforschung)
• Langfristige Planungssicherheit
Die entsprechenden Ergebnisse und Forderungen der Diskussionsgruppen ausformuliert:
1 RÄUME FINDEN/ LEERSTAND NUTZEN
DISKUSSION Zuerst einmal fehlt im Ruhrgebiet der Zugang zu Räumlichkeiten, in denen unkompliziert, kurzfristig
und kostengünstig künstlerische Produktionen und Veranstaltungen stattfinden können. Dies ist ganz elementar
für die Ausrichtung von freien Kulturveranstaltungen, insbesondere im Bereich der Nachtkultur. Außerdem fehlt
das Know-how für deren Nutzung. Konkret stellen sich die Fragen: Wo gibt es Räume? Wie kann ich diese finden?
Wie kann man sie nutzen und bespielen? Welche Aufgaben und (rechtliche) Pflichten gehen damit einher?
Was muss bei einer Veranstaltungsplanung alles bedacht werden?
FORDERUNG Um zukünftig vor allem kurzfristige, temporäre Veranstaltungsplanungen mit geringem Budget auf
allen Ebenen zu erleichtern, braucht es eine Strukturhilfe; diese sollte Hinweise auf mögliche
Veranstaltungsräumlichkeiten und auszubauende Finanzierungshilfen, sowie Unterstützung in Sachen
Sicherheitsauflagen und Veranstalterpflichten bieten.
Notwendig ist mindestens ein*e Schnittstellenbeauftragte*r, die/der zwischen Veranstalter*innen/Engagierten
und Politik/Verwaltung vermittelt und Informationen und Kontakte weitergeben kann. Eine nachhaltige Bindung
dieser Person ist wichtig.
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MUMA – MUSIK UND MASCHINE KONFERENZ 2019
22. & 23. November 2019, Phoenixhalle Dortmund
Denkbar ist in diesem Zusammenhang die Schaffung einer neuen Arbeitsstelle (Ehrenamtliche können hier
unterstützend wirken), welche längerfristig und nachhaltig Kontakte aufbauen und sich in Verwaltungsstrukturen
einarbeiten kann. Außerdem sollten von der/dem Schnittstellenbeauftragten Informationen gebündelt vermittelt
werden, etwa eine “Checkliste” aufgesetzt werden, die dabei hilft strukturiert eine Veranstaltung umzusetzen.
Ein (online) Leerstandsmelder über freie Veranstaltungsorte würde den Zugang zu Räumlichkeiten erleichtern –
mitgedacht werden sollte hier unbedingt eine Mehrfachnutzung von Räumlichkeiten; was mittags ein Café ist,
kann abends beispielsweise zum Ausstellungsraum mit Bar werden. Außerdem sollte ein Online-Pool eingerichtet
werden, um Material und Wissen zu teilen (z.B. Wo kann ich mir am Wochenende ein Soundsystem ausleihen?).
All diese Informationen könnten auf einer Web-Plattform gebündelt werden.
2 VERANSTALTUNGSKOORDINATION/ -KALENDER IN DER REGION, MEDIALE PLATTFORMEN
DISKUSSION Es existiert eine “Mobilitätslust”, aber es fehlt eine Community, mit der man Abendveranstaltungen
besuchen kann. Wer kommt mit? Wer ist da? Es kann festgehalten werden, dass tendenziell viele Teilnehmende gut
informiert über aktuelle Veranstaltungen und Künstler*innen in der Region sind, die lokale Musikszene aber eher
klein und vor allem über die Region verstreut ist. Es fehlt an Vernetzung unter den Akteur*innen und an einer
Bündelung und Koordination der Veranstaltungen.
FORDERUNG Um eine Szene aufbauen zu können, müssen Interessierte über Veranstaltungen informiert werden.
Ein sinnvolles Tool stellt die Einrichtung eines städteübergreifenden Veranstaltungskalenders dar. Hier sollten auch
Informationen über die Szene zu finden sein, z.B. Informationen zu Veranstalter*innen, DJs, Räumlichkeiten – damit
das Gefühl des gegenseitigen Kennens entstehen und wachsen kann. Der Aufbau und die Pflege des Kalenders liegt
bei der Szene selbst und muss von Aktiven gespeist werden. Nötig sind eine oder mehrere Hauptverantwortliche,
die den Kalender prüfen und betreuen. Konferenzveranstaltungen zum Informationsaustausch sowie zur
Vernetzung müssen in regelmäßigen Abständen stattfinden – auch hier muss die Szene selbst aktiv bleiben/werden.
3 LOBBY, VERBANDSGRÜNDUNG, BEHÖRDENANSPRACHE
DISKUSSION Primär stand die Frage im Raum, wie man eine Lobby schafft, die Städte, Politiker*innen und
Akteur*innen der Nachtkultur miteinander vernetzt. Finden sich Personen, die in solch einer Lobby agieren?
Wie kann das Netzwerk erweitert werden? Wie kann ein Netzwerk aufgebaut werden, das wirkungsvolle Kontakte
zur Politik pflegt? Wichtig ist es, Politiker*innen und Journalist*innen zu Veranstaltungen einzuladen, um eine
größere Aufmerksamkeit zu schaffen. Bei der weiteren Vernetzung sollten nicht nur Soziale Medien, sondern auch
Presse und Radio eingebunden werden, um eine breitere Streuung zu gewährleisten. Ein weiterer Schritt im
Zusammenbringen verschiedenster Akteur*innen könnte auch die Organisation einer Demonstration sein (siehe
Wirkungsmacht der Demonstrationen in Georgien/Solidarisierung mit Demonstrierenden, Bassiani Club, Georgien).
FORDERUNG Neben der Wahl von Vertretungsmitglieder*innen einer Lobby sollte ein Board aus
Clubbetreiber*innen gegründet werden, um eine Vernetzung und einheitliche Interessensvertretung zu
gewährleisten. Gewählte Vertreter*innen und ein Clubbetreiber*innen-Board können dabei in einer Lobby
gemeinsam organisiert sein. Ein nächster Schritt besteht in der Auftragsvergabe einer Studie, um (wissenschaftlich)
zu bestätigen, was es im Ruhrgebiet braucht und Handlungsempfehlungen zu validieren. Bei allem Handeln und
Herantreten an die Politik benötigt es eine gemeinsame Sprachregelung. Wichtig ist notwendige und einheitliche
Formulierungen festzuhalten, mit denen alle Akteur*innen arbeiten können.
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© Sari Schildt
MUMA – MUSIK UND MASCHINE KONFERENZ 2019
22. & 23. November 2019, Phoenixhalle Dortmund
4 MOBILITÄT/ ÖPNV (NACHTS)
DISKUSSION Ein zugänglicher, günstiger und eng getakteter ÖPNV ist ruhrgebietsübergreifend nicht vorhanden.
Ein Tagesticket für den ÖPNV endet um 3 Uhr nachts, also zu einer Uhrzeit, zu der man am Wochenende
tendenziell noch im Club, in der Bar, etc. ist. Für die Heimfahrt muss dann beispielsweise ein zusätzliches Ticket
gekauft werden. Sollte man Partys an die ÖPNV-Zeiten anpassen oder den ÖPNV an die Bedarfszeiten der
Nachtgänger*innen? Welche Möglichkeiten gibt es noch, um die Mobilität (in der Nacht) zu erhöhen?
FORDERUNG Ein Ausbau des nächtlichen ÖPNV-Angebots ist dringend notwendig, ebenso wie ein vergünstigtes
VRR-Ticket, bzw. idealerweise NRW-Ticket. Das Ruhrgebiet ist als Ballungsraum einzigartig in Deutschland und die
Mobilität zwischen den Städten essentiell für eine lebendige (Nacht- )Kulturszene in der Region.
Die Beschränkung der Tarifgebiete auf einzelne Städte, wie es an anderen Orten in der Bundesrepublik
gehandhabt wird, macht im Ruhrgebiet wenig Sinn. Außerdem sollte es einen Nachttarif geben, der einem
ermöglicht auch nach 3 Uhr mit demselben Ticket zu fahren. Neben dem Ausbau des ÖPNV könnte auch das
Angebot von Sammeltaxis/Ridesharing-Diensten attraktiv sein (Orientierung am Berliner „BerlKönig“, ein
Sammeltaxi-Service der BVG). Neben den formellen Angeboten könnten InfoPoints in den Clubs/Nachtbetrieben
aufgebaut werden, die über die nächsten Busse, Züge und Sammeltaxis informieren. Außerdem könnten sich hier
Fahrgemeinschaften bilden. Bei langen Wartezeiten auf den ÖPNV sollten auch andere Betriebe mit einbezogen
werden. Könnte man das Warten auf den Zug mit einer “Wartestation” bei einer Bäckerei überbrücken? Vor allem
bei Open-Airs sollten auch Taxi-Unternehmen im Vorhinein über Veranstaltungszeit und -ort informiert werden,
um einen reibungslosen Abholservice zu gewährleisten. Insgesamt ist eine bessere Informationsübermittlung
sowie Infrastrukturdienste über Ab-/Anreise zu Veranstaltungsorten notwendig; diese Aufgabe wird zum einen
auf politischer Ebene, zum anderen auf Veranstalter*innenebene gesehen. Zudem gilt es das bisherige Angebot
von Übernachtungsmöglichkeiten zu erweitern – z.B. wäre eine unkomplizierte Buchung von Hostels in der Nähe
von Clubs, beispielsweise über QR-Codes, wünschenswert.
5 VERGNÜGUNGSSTEUER, SPERRSTUNDE, SICHERHEITSAUFLAGEN
DISKUSSION Benötigt werden starke Allianzen, nicht nur zwischen einzelnen Akteur*innen, sondern auch
zwischen den Städten im Ruhrgebiet. Es ist notwendig eine Nachhaltigkeit und Transparenz in der Nachtkultur zu
schaffen, die das Publikum bindet und zugleich verständlich macht, was es bedeutet eine Veranstaltung zu
organisieren und damit verbundene Kosten aufschlüsselt – mit dem Ziel eine höhere Solidarität und Akzeptanz
innerhalb der “Szene” zu erreichen. Das betrifft zum Beispiel erhöhte Eintrittspreise für Veranstaltungen aufgrund
der vom Veranstalter*in zu zahlenden Vergnügungssteuer. Sperrstunde nervt! Man könnte allerdings kreative
Überbrückungen der Sperrstunde erfinden. Die Sperrstunde sollte generell auch im Club überbrückbar sein,
durch beispielsweise ein Angebot von Kaffee und Brötchen zur nächtlichen Stärkung.
FORDERUNG Mit Politiker*innen sollte eine “Informations-Reise” nach beispielsweise Berlin stattfinden, um ein
Positiv-Beispiel von Nachtkultur, nächtlicher ÖPNV-Anbindung und Abwesenheit von Sperrstunden und
Vergnügungssteuern für die Nachtkultur beobachten zu können – und ebenfalls mit Mitarbeiter*innen
einschlägiger Behörden (Stichwort: „Creative Bureaucracy“). Außerdem soll ein “Runder-Tisch” eingerichtet
werden, um Nachhaltigkeit und Bündnisse zu schaffen – unter Einbezug von sowohl kommerziellen, als auch
freien/alternativen Veranstalter*innen. Dieses Format soll sich langfristig selbst tragen und durch wechselnde
Austragungsorte Akteur*innen und ihre (Veranstaltungs-)Orte näher zusammenrücken lassen.
“Wir sind viele” – nach diesem Motto könnte eine Clubnacht mit allen Ruhrgebietsclubs stattfinden
(gemeinsame Veranstaltung mit einem Ticket für alle Clubs an einem Wochenende), um Aufmerksamkeit,
Bekanntheit und Vernetzung zu steigern.
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