Ausgabe 191
Monatsmagazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: sechs bis acht Mal jährlich mit bis zu 100 Seiten Österreich. 14.187 pdf-Downloads im April 2020 auf http://www.oesterreichjournal.at/
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>191</strong> / 11. 03. 2020<br />
Österreich, Europa und die Welt<br />
Eine immerwährende Aufgabe<br />
Das Parlament gedachte des 75. Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz-<br />
Birkenau – Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka: Gedenken muß zu Handlungen<br />
führen – Bundesratspräsident Robert Seeber sieht Erinnerung als Auftrag<br />
7<br />
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen<br />
Bundesratspräsident Robert Seeber am Rednerpult beim Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau<br />
Es sei wichtig, das Gedenken an die Opfer Rede die Verpflichtung von Politik und Ge - Nägele: Judenhaß muß<br />
der Shoah in die Zukunft zu tragen. Nicht sellschaft hervor, sich kritisch mit der Vergangenheit<br />
aktiv bekämpft werden<br />
nur unermüdlich daran zu erinnern, was<br />
damals geschah, sondern auch darauf aufmerksam<br />
zu machen, wohin Hass und Hetze<br />
letzten Endes führen können. Das war der<br />
Tenor bei der Veranstaltung des Parlaments<br />
zum Internationalen Holocaust-Gedenktag<br />
am 27. Jänner in den Wiener Börsesälen, zu<br />
der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka<br />
gemeinsam mit Bundesratspräsident Robert<br />
Seeber geladen hatte. Gedacht wurde dabei<br />
insbesondere des 75. Jahrestags der Befreiung<br />
des Konzentrationslagers Auschwitz-Bir -<br />
kenau. Neben zahlreichen Mitgliedern der<br />
Bundesregierung waren auch viele Abgeordnete<br />
und ehemalige PolitikerInnen, unter<br />
ihnen Ex-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein,<br />
sowie VertreterInnen der Religionsgemeinschaften<br />
und des Diplomatischen Corps der<br />
Einladung gefolgt.<br />
Seeber: Kampf gegen Hass und Hetze<br />
auch heute bedeutsam<br />
Begrüßt wurden die Gäste durch Bundesratspräsident<br />
Robert Seeber. Er hob in seiner<br />
auseinanderzusetzen und die<br />
Lehren des Holocaust im Bewußtsein künftiger<br />
Generationen zu verankern. Niemand dür -<br />
fe wegsehen, wenn Menschen gemobbt oder<br />
erniedrigt werden, bekräftigte er. Daß je mand<br />
anders ist oder anders denkt, „darf weder<br />
heute noch morgen ein Anlaß für Herabwürdigung,<br />
Haß oder Hetze sein“.<br />
Die Keynote zur Gedenkveranstaltung<br />
kam von der Historikerin Martha Keil, Di -<br />
rektorin des Instituts für jüdische Ge schichte<br />
Österreichs Sie setzte sich mit der Frage aus -<br />
einander, was Erinnern an Auschwitz heute<br />
bedeutet, und ging dabei auch auf den ge -<br />
genwärtigen Umgang mit Flüchtlingen und<br />
den vielfach aggressiven Diskurs in Sozialen<br />
Medien ein. Sexistische, antisemitische und<br />
rassistische Beleidigungen und Drohungen<br />
seien auch heute für viele Menschen Alltag,<br />
gab sie zu bedenken und warnte vor einer<br />
allmählichen Verschiebung der moralischen<br />
Grenzen. Derartige „Shifting Baselines“ hätten<br />
auch die damaligen Massendeportationen<br />
ohne Proteste erst möglich gemacht.<br />
Vor der Keynote hatte Benjamin Nägele,<br />
Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde<br />
Wien, in seiner Gedenkrede daran<br />
er innert, daß das Konzentrationslager Ausch -<br />
witz-Birkenau wie kein zweites Lager für<br />
das unmenschlichste Verbrechen der Ge -<br />
schichte stehe. Er rief dazu auf, Antisemitis -<br />
mus und Extremismus aktiv zu bekämpfen<br />
und über die Vermittlung historischer Fakten<br />
hinaus eine werteorientierte innere Haltung,<br />
ein Gewissen, zu fördern.<br />
75 Jahre nach Ende der Shoah seien Ös -<br />
terreich und Europa noch immer nicht von<br />
Judenhaß befreit, sagte Nägele. Das sei be -<br />
schämend. Es brauche die Fähigkeit, Antisemitismus<br />
im Alltag zu erkennen und entsprechend<br />
darauf zu reagieren. „Wer sich Antisemitismus<br />
und Extremismus nicht widersetzt,<br />
der verspielt nicht nur die eigene Freiheit,<br />
sondern setzt die Freiheit von uns allen aufs<br />
Spiel“, mahnte er.<br />
Was passieren kann, wenn man Haß ge -<br />
währen läßt und den Anfängen nicht wehrt,<br />
zeigt die Geschichte Nägele zufolge klar.<br />
»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at