CAMPO ISARCO
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Günther Rauch
Italiens vergessenes
Konzentrationslager
„Campo d’Isarco“
bei Bozen (1941-1943)
Australische, britische, indische, jugoslawische
und sowjetische Kriegsgefangene
und Zivilisten in Haft gehalten
Inhaltsverzeichnis
4 Geleitwort des Herausgebers Roland Lang
6 Geleitwort des Heimatpflegevereins Karneid
8 Geleitwort des Blumauer Gemeinderats Karl Saxer
10 Geleitwort der Schützenhauptleute Walter Falser,
Jordan Auer und Karl Schroffenegger
13 Ersterwähnung als Konzentrationslager „Campo d’Isarco“
19 Italienischer Staatsimperialismus und Rassismus der Tat
33 Ein ganzes Netz von italienischen Internierungslagern
und Haftstätten
41 Der falsche Mythos von den
„Italiani brava gente“ (Moni Ovadia)
55 Etwas zur Geschichte von Blumau und der Bierbrauerei
61 Die Entstehung des Konzentrationslagers „Campo d’Isarco“
71 Bestialische Gewalttaten in den Wirren
des Zweiten Weltkrieges
79 Südtirol als Sprungbrett
für umstrittene PNF-Partei- und Militärkarrieristen
85 Italienische Internierungslager unterschiedlich geführt
91 Papst Pius XII. für Freilassung der Gefangenen
103 Soldaten der ANZAC gegen den Faschismus,
für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker
121 Statthalter Agostino Podestà als Mitverantwortlicher
des Lagerbaues und der Psychiatriepatienten-Abschiebung
131 Slawische Häftlinge im „Campo di Prato Isarco“
137 Deportierte Zwangsarbeiter für den Virgltunnelbau
149 Das Vergessen des Bösen
ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung
159 Anmerkungen und Literaturhinweise
3
Zum Geleit
Ein gestecktes Ziel!
Ich schaute ungläubig, als mir der Heimatforscher und Buchautor
Günther Rauch einen großen Bündel Zettel in die Hand drückte
und lächelnd meinte, darüber wirst Du nichts wissen! Das „Darüber“
war die Entstehung und die Geschichte des Anhaltelagers
„Campo di concentramento Prato Isarco“ in Blumau.
Dieses italienisch-faschistische Internierungslager, errichtet in
der ehemaligen Brauerei an der alten Tierser Straße, geriet bald
nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Besonders die
italienischen Politiker machten lieber auf das deutsche Durchgangslager
in der Reschenstraße in Bozen aufmerksam. So wie
die vielen italienischen Konzentrationslager in Ost- und Nordafrika,
Griechenland und in Slowenien während des Weltkrieges,
passten solche „Einrichtungen“ nicht in das Geschichtsbild über
das „Ventennio“, wo der Duce brav und nur sein Kumpan Hitler
ein Mörder und Verbrecher war.
Verfügt wurden die Internierungen unter Bezugnahme sowohl
auf die Kriegsgesetze als auch auf die Vorschriften für die öffentliche
Sicherheit. Im „Campo di concentramento Prato Isarco“
waren britische, neuseeländische, australische, indische, jugos-
4
lawische und sowjetische Gefangene interniert. Daran, dass die
Gefangenen ihrer Freiheit beraubt waren, ließen Stacheldraht,
Wachen, Schwarzhemden und tägliche Appelle keinen Zweifel
aufkommen.
Gerade in der jetzigen Zeit, wo der römische Gruß vom italienischen
Höchstgericht wieder legalisiert wurde und der Faschismus
wieder mit „CasaPound Italia“ und „Forza Nuova“ seine
hässliche Fratze erhebt, muss auf die Verbrechen des italienischen
Faschismus hingewiesen werden.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass Kanonikus Michael
Gamper noch 1953 die italienische Politik in Südtirol öffentlich
als Todesmarsch anprangerte und Carabinieri, welche die inhaftierten
Südtiroler Freiheitskämpfer der 1950 und -60er Jahre
folterten, vom postfaschistischen italienischen General und Putschisten
Giovanni De Lorenzo ausgezeichnet wurden!
Es gab in Südtirol zwei Internierungslager. Eines war das von den
Nazis errichtete Durchgangslager in Bozen, das andere das von
den Faschisten errichtete und in den amtlichen Papieren als Konzentrationslager
(Campo di concentramento) bezeichnete Lager
in Blumau. Beide Orte sollten uns daran erinnern, welche Opfer
dafür gebracht wurden, um zwei verbrecherische Regime zu
vernichten. Diese Publikation, für deren Abfassung ich mich im
Namen des Südtiroler Heimatbundes recht herzlich beim Autor
Günther Rauch bedanken möchte, wird für viel Aufsehen sorgen.
Aber wenn sie hilft, auch nur einige Menschen vom verbrecherischen
und rassistischen Gedankengut von rechtsextremen Gruppierungen
zu überzeugen, so wurde das gesteckte Ziel erreicht.
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes
5
Vorstand Heimatpflegeverein Karneid:
v.l.n.r. Alois Rieder, Christine Wunsch, Bernhard Vieider, Julia Wörndle,
Matthias Vieider, Elfriede Vieider, Toni Tutzer
Geleitwort
des Heimatpflegevereins Karneid
Heimatpflege wird heute leider oft als eine Verherrlichung des
Vergangenen gesehen, als der Versuch, die „gute alte Zeit“ als
Idyll wiederzubeleben. Tatsächlich geht es jedoch in der Heimatpflege
nicht um den Erhalt des Alten, weil es alt ist, sondern um
den Erhalt des Alten, das gut ist. Es geht darum, bestimmte Dinge,
Bräuche und Geschehnisse aus der Vergangenheit über die
Gegenwart in die Zukunft mit zu nehmen, weil sie uns Menschen
und unserer Umwelt guttun. Dafür ist der Blick in die Vergangenheit
und die Unterscheidung zwischen erhaltenswertem Gut und
Teilen unserer Geschichte, die nicht gut waren, unabdingbar.
Ein solcher Bereich unserer Vergangenheit, der nicht gut war,
ist der zweite Weltkrieg und die damit verbundenen abscheu-
6
lichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Menschen zu
gedenken, die unter dem Nationalsozialistischen und Faschistischen
Regime gelitten haben, gefoltert, verfolgt und systematisch
getötet wurden, ist uns als Heimatpflegeverein deshalb ein
wichtiges Anliegen.
"
Diese Verbrechen
dürfen nicht vergessen werden, denn
wer vor der Vergangenheit
die Augen verschließt,
wird blind für die Gegenwart "
Richard von Weizsäcker
7
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Ich bin in Bozen geboren und in Blumau aufgewachsen und
habe meinen Heimatort in all seinen Facetten erlebt. Die frühere
Brauerei war eigentlich mein Kinderparadies. In den alten Gebäuden
trafen wir uns schon als Kinder, um zu spielen und Feste
zu feiern. Nie wären wir auf die Idee gekommen, dass hier der
italienische Staat Menschen eingesperrt und gefangen gehalten
hatte. Doch eines Tages stieß ich auf etwas, was meine Neugier
bis heute nicht mehr losließ. Auf mehreren alten Holzbalken
waren viele Familiennamen eingeritzt. Da erfuhr ich zum ersten
Mal, dass hier in der Endphase des faschistischen Regimes ein
von Polizei und Milizen geführtes Konzentrationslager eingerichtet
war.
Meine Sammelleidenschaft hatte in mir die Begeisterung für
die Dorfgeschichte und Sammlung von Ansichtskarten und alten
Brauereibildern geweckt. Dabei kam ich wieder auf die Spur
des längst vergessenen Lagers. Daran erinnerte auch das an
der Mauer am Geländeeingang zur alten Brauerei angelehnte,
schmiedeeiserne Zugangstor. Obwohl ich viel Zeit für die Suche
nach Belegen über das KZ „Prato Isarco“ aufbrachte, stieß ich
immer wieder auf große Hindernisse. Der Zugang zu den Archi-
8
ven mit den Unterlagen aus jener Zeit ist weitgehend versperrt.
Umso größer war dann meine Freude, als ich von den Recherchen
des Buchautors Günther Rauch erfuhr und ihm so manches
alte Bild und Schriftstück zur Verfügung stellen konnte. Ein Dank
geht auch an Roland Lang, Obmann des Südtiroler Heimatbundes,
der für die Herausgabe des Buches zeichnet.
Aufgrund seiner abwechlungsreichen beruflichen Laufbahn kam
Rauch mit den unterschiedlichsten Zeitzeugen in Kontakt. Er war
mit Leib und Seele Gewerkschaftsführer, später auch Spitzenmann
des Kaufleuteverbandes. Dadurch wurde er mit unzähligen
persönlichen Schicksalen konfrontiert. Das „Wider das Vergessen“
veranlasste ihn, seit seiner Pensionierung sein Wissen über
eine bisher verborgen gebliebene Geschichte niederzuschreiben.
Seine Recherche dokumentiert wichtige historische Ereignisse
nicht nur des „Ventennio fascista“ in Südtirol, sondern völlig
neue Aspekte der Zeit von 1940 bis 1945. Wie wenig die Wunden
der Vergangenheit vernarbt sind, zeigen oft die hysterischen
Reaktionen auf den Selbstbehauptungswillen der Südtiroler und
die Bagatellisierung des europaweit aufkeimenden Rechtsradikalismus.
Es ist darum gut, wenn wir uns hundert Jahre nach der
Beendigung des Ersten Weltkrieges mit all seinen verheerenden
Folgen immer wieder zum „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“
bekennen. So steht es auch auf dem KZ-Gedenkstein, der
in der Breiener Straße neben der Wegkapelle aufgestellt wurde.
Karl Saxer
Gemeinderat von Blumau-Karneid
9
Karl Schroffenegger, Hauptmann
Schützenkompanie Gummer
Walter Falser, Hauptmann
Schützenkompanie Karneid
Jordan Auer, Hauptmann
Schützenkompanie Steinegg
Vorwort der Schützenkompanien
von Karneid, Steinegg und Gummer
Seit meiner Geburt lebe ich in Karneid, und als geschichtsinteressierter
Mensch dachte ich eigentlich alles Relevante über meine
Heimatgemeinde zu wissen. Umso erstaunter war ich, als ich
bei einem Treffen mit den Herren Günther Rauch, Roland Lang
und Karl Saxer sowie Vertretern der örtlichen Schützenkompanien
zum ersten Mal von der Existenz eines Konzentrationslagers
in Blumau erfuhr. Auch in den Geschichtsbüchern fand ich nichts
über diese dunkle Episode in unserer Gemeinde.
Die Geschichte wird nun einmal von den Siegern und jenen,
die rechtzeitig die Fronten gewechselt haben, geschrieben. Daher
darf uns auch nicht verwundern, dass das Vorhandensein
eines faschistischen Konzentrationslagers so lange erfolgreich
verschleiert wurde! Viel lieber wurde das Interesse der Öffentlichkeit
nur auf das von den Nationalsozialisten geführte Durchgangslager
in der Bozner Reschenstraße gelenkt.
Bereits nach dem Ersten Weltkrieg schufen die Siegermächte mit
dem Anschluss Südtirols an Italien schweres und nie wieder gutgemachtes
Unrecht. Zweiundzwanzig Jahre danach reifte in einem
ähnlichen mörderischen Kriegsgetrommel auch die Errichtung
des Konzentrationslagers „Prato all’Isarco“ heran. Es wurde von
Milizen und Gefängnispersonal der Mussolini-Regierung geführt.
10
Die Existenz dieses Lagers war bisher verborgen geblieben.
Selbst Zeitzeugen unserer Gemeinde wussten kaum etwas über
dieses dunkle Zeitgeschehen. Erst jetzt erinnern sich so manche
ältere Dorfbewohner an Erzählungen ihrer Eltern. Ich möchte im
Namen der Schützenkompanien Gummer, Karneid und Steinegg
darum ein großes Dankeschön an den Buchautor Günther Rauch
aussprechen. Ohne seine unermüdlichen Recherchen wäre dieses
Konzentrationslager wohl nie aufgedeckt worden. Dank gilt
auch dem Obmann des Südtiroler Heimatbundes für die Veröffentlichung
dieser Geschichte.
Schließlich sollte - unabhängig wie man das beinahe vor achtzig
Jahren stattgefundene Geschehen beurteilt - nie vergessen
werden, dass die in diesem Lager eingesperrten Menschen Angehörige
alliierter Befreiungsarmeen und freiheitsliebender Widerstandsbewegungen
waren. Ohne deren Interventionen und
Einsatz wäre Europa nicht von dem fluchwürdigen, völkerversklavenden
Regime in Italien und im Deutschen Reich befreit
worden.
In diesem Sinne wollen wir Süd-Tiroler Schützen mit der Errichtung
einer Gedenktafel in Blumau und mit der Unterstützung
dieses Buches an alle Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen
und auch an das italienische Lager „Prato Isarco“ erinnern.
Für die Schützenkompanien Karneid, Steinegg und Gummer
Hauptmann Walter Falser
"
Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert,
ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."
George Santayana
11
Ersterwähnung
als Konzentrationslager „Campo d’Isarco”
Ersterwähnung
als Konzentrationslager „Campo d’Isarco“
Trientner und Bozner Faschisten
um 1922. Der kriminelle Charakter
des faschistischen Regimes
und die Verbrechen der faschistischen
Squadristen und Milizen
in den schwarzen Jahren und ihre
Beteiligung am Völkermord wurden
nach dem Zweiten Weltkrieg
arg verdrängt.
Über das vom Juli 1944 bis zum 3. Mai 1945 in der Reschenstraße in
Bozen von den Nazifaschisten betriebene „Polizeiliche Durchgangslager“
wurde viel geschrieben. Hingegen weitgehend unbeachtet, wenn
nicht total ausgeklammert blieb das vom italienischen Innenministerium
in Zusammenarbeit mit der Kommandantur
des Armeekorps und der
faschistischen Präfektur von Bozen in
Blumau (Gemeinde Karneid) geführte
Arbeits- und Internierungslager „Campo
d’Isarco“ (Campo Prigionieri Guerra
No 93). 1
In den überlieferten Papieren und offiziellen
Dokumenten der faschistischen Behörden
wird als Ortsbezeichnung einmal
„Prato di Isarco“ und ein anderes Mal
„Prato Isarco“ oder „Prato all’Isarco“
verwendet. Es handelt sich aber immer
um ein und denselben Ort. In dieses in
der ersten Jahreshälfte 1941 eröffnete
Anhaltelager wurden alliierte Kriegsgefangene
und politische Gegner aus den
von Italien widerrechtlich okkupierten
Balkangebieten eingewiesen. Zuweilen
waren hier bis zu 400 britische, serbische
und andere Gefangene interniert.
Die Existenz und der Betrieb dieses Lagers
wurden streng geheim gehalten -
auch nach dem Zweiten Weltkrieg.
14
Doch Unrechtstaten und Fakten, welche in den Schul- und Geschichtsbüchern
und in der Erinnerungskultur fehlen, sind aber gerade die, um
die sich alles dreht.
In den amtlichen Depeschen und Dokumenten des italienischen Innenministeriums
und der Präfektur der „Provincia di Bolzano“ (seit 1923
war die Landesbezeichnung „Südtirol“ verboten) wurde dieses Lager
ausdrücklich als Konzentrationslager „campo di concentramento di Prato
Isarco“ (auch „campo di concentramento per prigionieri di guerra di
Prato Isarco“) für „Prisoners of War“ (POW)-Kriegsgefangene bezeichnet.
2
Zum ersten Mal taucht dieser vom Ersten Weltkrieg her noch in üblem
Gedächtnis gestandene Begriff „Campo di concentramento“, zu
Deutsch „Konzentrationslager“, in einem Eilschreiben des italienischen
Ministeriums für Inneres vom 29. Juli 1941 an die Bozner Präfektur auf.
„Campo di concentramento di Prato Isarco“, „Konzentrationslager von Prato Isarco“,
so die offizielle Bezeichnung in den Papieren des italienischen Ministeriums für Inneres
(„Ministero dell’Interno“).
Zu diesem Zeitpunkt waren im Lager in Blumau mehrere serbische Häftlinge
interniert, deren politische Aktivität gegen das faschistische Itali-
15
en gerichtet war oder eine potentielle Bedrohung für die italienischen
Invasionstruppen auf dem Balkan darstellte.
Die seit dem späten Frühjahr 1941 im Lager internierten australischen
beziehungsweise englischen Kriegsgefangenen gebrauchten in ihren
Schilderungen ebenfalls die Bezeichnung „Konzentrationslager“: „the
concentration camp at Prato all’Isarco“. 3
Der von den Internierten und vom italienischen Innenministerium verwendete
Begriff „campo di concentramento“ suggeriert automatisch
ein „Vernichtungslager“, das heißt massenhafte und systematische
Hinrichtung menschlichen Lebens. Davon ist allerdings aus dem „KZ
Campo d’Isarco“ nichts überliefert. Außer man hat, wie vieles andere in
der Geschichte Südtirols, alles vertuscht und verschwiegen.
Im Lager „Campo d’Isarco“ dürften wohl eher die Einschüchterung,
psychologische Erniedrigung und die Zwangsarbeit im Vordergrund gestanden
sein. Es diente zur Internierung von Kriegsgefangenen und zur
Bestrafung von Deportierten und Zwangsarbeitern.
Aber auch wenn es sich in Blumau nicht um ein Vernichtungslager gehandelt
hat, darf die Existenz eines italienischen Konzentrationslagers nicht unterschätzt
werden. Das geschehene Unrecht und die Verbrechen während der schwarzen
und braunen Jahre dürfen weder geleugnet noch verharmlost werden.
Es war kein Zufall, dass die Errichtung des Lagers in Blumau in eine
Zeit fiel, als die italienische Armee in Libyen, Ost- und Nordafrika und
im Königreich Jugoslawien für unsägliche Massaker und massenhafte
Deportierungen von Soldaten und Zivilisten verantwortlich war.
„I veri barbari siamo noi“, zu Deutsch: „Die wahren Barbaren sind wir“,
soll der „Avanti“, die Zeitung der italienischen Reformsozialisten, sentenziert
haben. 4
16
„Dem Mächtigen gehört die Welt“,
prophezeite Nietzsche, der Liebingsautor
Mussolinis. Das politische Steckenpferd
dieser Großmachtpolitik war für
den Duce das „Imperium Romanum“
(„il mediterraneo, il mare nostro“).
„In Afrika ist Raum
und Ruhm für alle!“
(“In Africa c’è posto e gloria per tutti!“),
so begrüßte der Duce am 14.
April 1926 in Tagiura (Libyen) seine taten-
und gewaltfrohen „camicie nere“.
Diese kolonialistisch verseuchten Worte
standen noch am 25. August 1935 in
allen größeren Ortschaften Südtirols
auf den von den Schwarzhemden aufgeklebten
dreifarbigen Propagandaplakaten.
Die Ziele der italienischen Außenpolitik
und faschistischen Doktrin waren im
Grunde genommen nichts anderes als
Panitalianismus und Imperialismus in
Reinkultur. Adolf Hitler, der Apologet
Mussolinis, pflichtete dem bei und entwickelte
seinerseits die Theorie, dass
Die nationalistische und imperialistische
Leidenschaft und
Großmannssucht des ehemaligen
Linksradikalen und „Pfaffenfressers“
Benito Mussolini und seiner
Schwarzhemden musste über den
bewaffneten Despotismus und
gefährliche Abenteuer zwangsläufig
früher oder später zum
Krieg führen.
Deutschland das historische Recht auf Kolonialbesitz im Osten habe.
Der Zauberlehrling übertrumpfte an politischer und militärischer Brutalität
seinen Meister.
So gesehen war die seit 1940 vorangetriebene Errichtung der italienischen
Konzentrationslager nur eine der vielen Folgen des durch den
Faschismus perpetrierten, größten Zivilisationsbruches der Nachkriegs-
17
geschichte. Nicht nur die Nürnberger Prozesse haben die Verletzung
der Menschenrechte und die Angriffskriege als Kriegsverbrechen eingestuft.
Benito Mussolini und seine Getreuen (1922): „Wir hungern nach Land“ (Johann
Wilhelm Mannhardt, Der Faschismus, München 1925, S. 292). Die Schwarzhemden
wollten Expansion um jeden Preis und in jedem Sinne, moralisch, politisch, wirtschaftlich
und demagogisch. Vor den am 17. August 1935 von Neapel mit Schiffen
nach Ostafrika abfahrenden Divisionen rief der Duce den jungen Soldaten zu: „Wir
werden vorwärtsschreiten, bis wir das faschistische Imperium vollendet haben.“
Nach Südtirol und Afrika streckten sie ihre Krallen auf den Osten aus. „Die Diktatur
des Wahns“ hatte im Land, wo die Zitronen blühen, die Oberhand gewonnen,
schrieb bereits 1928 der scharfsichtige Bozner Kaufmannssohn, Schriftsteller und
Antifaschist Carl Dallago (1869-1949), Vater der Melanie Dallago (1895-1973), Gattin
des „Tiroler Märtyrers“ Josef Noldin (1888-1929).
18
Italienischer Staatsimperialismus
und Rassismus der Tat
19
Italienischer Staatsimperialismus
und Rassismus der Tat
Mussolini Triumphator - „Erst
wenn alle meine Gegner im Gefängnis
sind, werde ich über ein
wahrhaft freies Italien herrschen“
(aus „Simplicissmus, 35/1925,
S. 501.). In Südtirol sollte das
Tirolertum und alles, was an
Österreich erinnerte, vernichtet
werden.
Die ersten Lager - abgesehen von den
Anhalte-, Konfinierungs- und Internierungslagern
auf den süditalienischen
Verbannungsinseln und in der Cyrenaika
- waren für die in Ost- und Nordafrika
gefangen genommenen englischen
und australischen Soldaten entstanden.
Den größten Teil der italienischen Konzentrationslager
füllte man mit Slowenen,
Serben, Kroaten und Kommunisten
und ganz allgemein mit Antifaschisten.
Zudem waren nicht nur die Umsiedlung
(Option) der Südtiroler, sondern in ganz
Italien wie im Deutschen Reich die Vorarbeiten
für eine „Gesamtabschiebung
der Juden“ in vollem Gange. 5
Bei der Auswahl der in Betracht gezogenen
und ausgebürgerten Personen
wurde auf Nationalität, Name, Stand,
Beschäftigung und Familie keine Rücksicht
genommen.
Der Abgeordnete des „Partito Nazionale
Fascista“ und Bozner Parteisekretär
Ragioniere Bruno Stefanini (1903-
1968) aus Orvieto (Terni) war zu dem
Schluss gekommen, dass auch die Südtiroler
„Leute sind, die kein Vaterland
haben: das ist eine [Menschen-] Rasse
20
für sich. […] Glaubt nicht an deren Gefühle der Sympathie gegenüber
uns [Italienern]!“ 6
Italienischer Originaltext:
„Questa gente non ha patria: fa razza a sé ! […]
Non si creda a sentimenti di simpatia verso di noi.“
Darum war dem ehemaligen Spanienlegionär,
Vizesekretär des PNF in Triest,
Präfekturkommissar in Umbrien und in
der Toskana und nachmaligen Provinzpräfekten
(vom 12. Mai 1944 bis Ende
April 1945) der „Repubblica Sociale
Italiana“ in Aosta (Vallée d’Aoste), die
Verjagung der Südtiroler nur recht -
schon wegen des einträglichen Grundund
Immobiliengeschäftes, das sich dadurch
eröffnete. Stefanini starb im Alter
von 65 Jahren am 27. März 1968 in Rom.
Der Präfekt der Provinz „Bolzano“, Giuseppe Mastromattei (1897-
1986), hatte bereits am 1. Jänner 1939 im Amtsblatt der Bozner Präfektur,
„Bollettino Ufficiale della R[egia] Prefettura di Bolzano“, die
bevölkerungspolitischen „Maßnahmen zur Sicherung der italienischen
Rasse“ („provvedimenti per la difesa della Razza Italiana“) veröffentlicht.
Sie widerspiegeln die von den 340 Abgeordneten der italienischen
Kammer im Dezember 1938 einstimmig genehmigten und von König
Vittorio Emanuele III. (1869-1947) unterzeichneten Rassengesetze.
Bereits am 19. April 1937 hatte die Regierung ein Gesetz gegen „Rassenmischungen“
erlassen. Diese faschistische Politik entsprang einer
21
22
rassistischen und ultranationalistischen Grundeinstellung, die durchaus
zum Erbgut vieler Faschisten der Gründergeneration gehörte.
Italienische Interventionisten und Ultranationalisten haben bereits 1915
den Krieg gegen Österreich als Kampf der „guten [italienischen] Rasse“
gegen die „schlechte [österreichische]“ als heilig glorifiziert. 7
Das Faschistenorgan „Il Popolo d’Italia“ hatte schon am 4. Oktober
1921 unter dem Titel „Superba dimostrazione a Milano“ unmissverständlich
dem Primat und der „Reinhaltung“ einer über alles herrschenden
„razza italica“ das Wort geredet.
Laut dem Wegbereiter der Schwarzhemden in Südtirol, späteren
PNF-Generalsekretär, Minister und engen Vertrauten des Duce, Hauptmann
Achille Starace, hatte „der Faschismus seit jeher eine Rassenpolitik
verfolgt, die darauf gerichtet war, eine quantitative Hebung der
[italienischen] Rasse zu verwirklichen“ [Rede vom 26. Juli 1938 vor
Universitätsprofessoren in Rom].
Ähnliche Ansichten werden im „Il Popolo d’Italia“ vom 6. August 1938
auf der Titelseite wiederholt: „Il razzismo italiano data dall’anno 1919
ed è base fondamentale dello stato fascista.“
Zu Deutsch: „Der italienische Rassismus geht auf das Jahr 1919 zurück
und ist eine fundamentale Grundlage des faschistischen Staates“.
Damals waren auf den Trümmern des Ersten Weltkrieges und dem „Unterbewusstsein
der Italiener“ (Mussolini: „dall’inconscio degli italiani“)
von den Verfechtern des Nationalismus und der Remilitarisierung in
Mailand die Kampfbünde „Fasci di combattimento“ gegründet worden.
„Die Tat geht immer dem Gesetz voraus“, war einer der Sätze, die der
Duce gern wiederholte und die er aus der frühen Arbeiterbewegung
entlehnt hatte.
Wenige Monate nach dem Erlass der
Rassengesetze fädelten Hitler und Mussolini
das Optionsabkommen ein, „um
die [Südtiroler] Opfer zur Schlachtbank
zu zerren“, konstatierte der couragierte
Widerstandskämpfer Hans Egarter
(1909-1966) aus Olang.
Nicht genug des Wahns, wurde von
den Nazifaschisten auch noch die deutsche
Bevölkerung des Gottscheer Landes
(Kočevska-Slowenien) vertrieben.
Dekretierte Abschiebung der religiösen
und nationalen Minderheiten.
23
Überall in Italien rassistische Aufschriften:
„Dieses Geschäft ist
Arisch.“
Mit den Rassengesetzen von 1938 hatte
Italien seinen ursprünglich gegen die
Slawen und Afro-Araber gerichteten
faschistischen Rassismus antisemitisch
und antiziganisch aufgeladen.
Der Großteil der italienischen Massenvereine
hatte die Aufnahme eines
Mitgliedes an die „arische“ Abstammung
gekoppelt: „I soci […] devono
esclusivamente appartenere alla razza
ariana.“
Der faschistische Präfekt der „Provincia di Bolzano“, Guglielmo Froggio, machte starken
Druck, um in Südtirol die übrig gebliebenen Juden genau zu registrieren und
deren Vertreibung vorzubereiten. Seine Schandtaten waren 1946 kein Hindernis, als
Präfekt von Brescia zu amtieren, so als wäre nichts geschehen.
24
Die damit zusammenhängende Schande war, dass die meisten dieser
Vereine eine Monopolstellung hatten und dadurch viele Menschen gezwungen
waren, ihnen beizutreten, auch wenn sie mit der Ideologie der
Vereinsvorstände durchaus nicht übereinstimmten.
Der frühere Präsident der Handelskammer Potenza und von Oktober
1942 bis Juni 1943 in Bozen amtierende Präfekt der „Provincia di Bolzano“,
Dr. Guglielmo Froggio (1886-1961) aus Vibo Valentia (Catanzaro),
ließ die übrig gebliebenen Israeliten
gleich in zehn Ortschaften identifizieren.
Die Juden sollten alle ausgesiedelt werden.
Die Umsetzung der antisemitischen
Maßnahmen kam - wie sein Telegramm
vom 24. Juni 1942 belegt - in Südtirols
Amtsgemeinden nur mühsam voran.
Es war der ehemalige Faschistensekretär
von Bozen, kommissarische Leiter
der Handelskammer und Journalist des
„Il Brennero“, Carlo Barduzzi (1889-
1971) aus Vailate (Cremona), gewesen,
der als erster in Italien deren Deportation
auf die Insel Madagaskar als Lösung
der Judenfrage propagiert hatte.
Barduzzi zählte mit seinem aus Rovereto
stammenden Gefährten und
antiösterreichischen Journalisten Gino
Sottochiesa (1893- um 1960) zu den
Miturhebern des italienischen Rassenmanifestes
„Manifesto in difesa della
razza“ vom 14. Juli 1938.
Der Südtirol- und Slowenenhasser
schreckte selbst vor Gewalt nicht zu-
Der Schriftleiter der faschistischen
Tageszeitung „Il Brennero“, Sonderkommissar
der Bozner Handelsund
Gewerbekammer und Abgeordneter
des PNF, Carlo Barduzzi.
Er war einer der blindwütigsten
Gralshüter des italienischen Rassenhasses
und Nationalismus. Für
ihn gab es nur zwei Möglichkeiten,
wie die Südtiroler und alle anderen
Nicht-Italiener behandelt werden
konnten: ihre Assimilierung oder
ihre Entfernung.
25
rück. 1925 versetzte Barduzzi einem deutschen Eisenbahnbeamten
mehrere Faustschläge ins Gesicht. Im gleichen Jahr wollte er unbedingt
den altösterreichischen Bozner Bahnhof und Teile der Altstadt niederreißen,
um die Bodenfläche für italienische Bauzwecke ausnützen zu
können. Dennoch bekam der Erzfaschist und Rassist im Jahre 1965 den
Verdienstorden der Republik Italien.
Aus den Tagebucheinträgen von Clara Petacci (1912-1945) geht hervor,
dass Mussolini bereits Mitte 1938 angedroht hatte, alle 50.000 italienischen
Juden zu verbannen. Wörtliche Tagebucheintragung:
„Ich interniere sie auf einer kleinen Insel. Sie sind Aas, Feind, Feigling.
Sie werden noch sehen, wozu die stählerne Faust von Mussolini fähig
ist. Es ist Zeit, dass die Italiener merken, dass sie nicht mehr von diesen
Schlangen ausgebeutet werden dürfen […] Diese ekelhaften Juden,
man muss sie alle vernichten […] Ich werde ein Massaker anrichten,
wie es die Türken taten…“ 8
Die Verschleppung der Juden auf die Insel Madagaskar hatte ihren größten Befürworter
in Benito Mussolini und seinen handverlesenen Prätorianern. Zeitgleich sollten
die Südtiroler nach dem Beispiel der Armenier vertrieben und das Deutschtum im
südlichen Teil Tirols ausgetilgt werden.
26
Die Türken hatten zwischen 1894 und 1918 im Osmanischen Reich bis
zu 1,5 Millionen Armenier, Aramäer, Assyrer, Kurden und Pontos-Griechen
ermordet. Es handelte sich um einen der größten und schrecklichsten,
von oben gelenkten Völkermorde der Geschichte. 9
Nicht nur die Bluttollheit der asiatischen Kaukasusarmeen hatte bei der
Armeniertragödie mitgewirkt, sondern die vielzitierte „Staatsraison“
und die nationalistische Habgier der türkischen Regierung waren die
treibenden Kräfte des Verbrechens.
Wenn es nach Erzfaschisten vom Schlage der Senatoren Ettore Tolomei
(1865-1952), Spindoktors des Todesmarsches auf Südtirol, und Enrico
Corradini (1865-1931), Gründers der „Associazione Nazionalista Italiana“,
und des Professors Severino Colmano (1872-1959), ehemaligen
linksradikalen Gewerkschaftssekretärs aus Levico, gegangen wäre,
hätten auch die Südtiroler ihre deutsche Sprache und ihr Volkstum
nach dem Muster der Vorgangsweise des Türkengenerals Mustafa Kemal
Pascha (1881-1938), Atatürk genannt, entweder ausgerottet oder
zur Auswanderung gezwungen werden sollen.
Senator Tolomei war sein ganzes Leben als Feind der Südtiroler tätig.
Nach 1945 war er Berater der italienischen Regierung. Bei der Optionsentscheidung
1939 hatte er aus dem verbrecherischen Treiben der
Reichsitaliener gegen die Südtiroler kein Geheimnis gemacht. Die Aussiedlung
der Südtiroler war für ihn auch ein willkommener Anlass, um
mit dem „gemäßigten“ Flügel innerhalb der Faschistischen Partei abzurechnen.
Seine im „Archivio per l’Alto Adige“ schriftlich festgehaltenen
Worte ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: 10
„Vergebens haben wir nach dem Ende des Ersten Weltkrieges
Vorschläge für eine solche Lösung [Ausrottung der Südtiroler
Volkskultur, Option und Aussiedlung der Südtiroler] gemacht.“
27
Rückendeckung erhielt er von Ministerpräsident Benito Mussolini, der
anlässlich des ersten Jahrestages des Kriegseintritts Italiens am 10. Juni
1941 in der Kammer der Fasci und Korporationen Folgendes erklärte:
„[…] der Bevölkerungsaustausch
und der Auszug von Volksgruppen ist segenbringend,
wenn damit die Übereinstimmung der politischen
mit den Rassegrenzen erzielt wird […]“
Eine deutsche Übersetzung seiner gesamten Rede wurde auf der Titelseite
der faschistischen „Alpenzeitung“ vom 11. Juni 1941 wiedergegeben.
Der Primus inter pares unter den
verfolgten deutschen Schriftstellern,
Nobelpreisträger und Pazifist
Carl von Ossietzky, ergriff
deutlich Partei für die Freiheit
Südtirols.
Unter den zahlreichen Persönlichkeiten,
die gegen diesen italienischen Rassismus
der Tat, gegen die Einverleibung
Südtirols ins italienische Königreich
und die nachfolgenden Entnationalisierungsmaßnahmen
vehement Stellung
bezogen hatten, befand sich der Träger
des Friedensnobelpreises und von den
Nationalsozialisten arg verfolgte Chefredakteur
der Wochenzeitschrift „Die
Weltbühne“, Carl von Ossietzky (1889-
1938):
„[…] Die Süd-Tiroler sind brave, fromme
und sehr unrebellische Leute, ihr
Verbrechen besteht darin, sich ihre
Muttersprache nicht abgewöhnen zu
28
können. Deshalb sollen sie [die Süd-Tiroler] zertreten werden. Denn
der Faschismus lebt von imaginären Gegnern. Benito Mussolini, dieser
Napoleon Bonaparte des inneren Krieges, braucht immer neue Gegner,
um an innenpolitischen Marengos und Wagrams [Napoleons Siege
über die Österreicher bei Marengo und Wagram] seine Sendung zu erhärten.
Die Fiktion der ewigen Bedrohung gehört zu den Lebensnotwendigkeiten
des Faschismus, gerade so wie die Moskauer das weiße
Gespenst über die rote Mauer huschen lassen, wenn irgendeine Bilanz
schlecht aussieht […].“ 11
Der Faschismus entstand aus den Funktionsschwächen und äußeren
Belastungen einer traditionslosen italienischen Demokratie. Unter einer
nationalen Diktatur werde es sich besser
leben lassen als im freien Volksstaate,
hieß die faschistische Losung.
Mussolini wollte zurück zum Cäsarentum
und weg von Pluralismus und Demokratie.
Die Devise hieß: „Aut Caesar,
aut nihil“, entweder der Duce (das
heißt: alles) oder nichts. Der nationale
und autoritäre Staat über alles.
Daraus folgte die faschistische Formel,
die auch die Frage der Macht
und der Ausbreitung und Reinheit der
„razza [bianca] italiana“ („Gerarchia“,
Nr. 9/1928) umfasste: „Alles im Staate,
nichts außerhalb oder gegen den
Staat“. Zugleich mystifizierten nicht
nur die Faschisten ein ideokratisches,
preußisch und römisch dominiertes
Europa der Nationalstaaten, im Gegensatz
zum föderativen, antiautoritären,
29
humanistisch und freiheitlich gesinnten Europa der Regionen. Die von
der deutsch-italienischen Achse angestrebte faschistische Neuordnung
Europas und Aufräumung mit dem „Kleinstaatengerümpel“ fußte auf
dem übertriebenen Staatsnationalismus und der imperialistischen Lebensraumpolitik.
Sie waren die Hauptursache der verheerenden Kriege
und Völkermorde.
Das Mussolinisystem konnte - wie auch der teilweise nachgeahmte
Horthyismus, Hitlerismus und Franquismus - die Eigenständigkeit und
Selbstverwaltung der Regionen nicht dulden.
Dies aus dem prinzipiellen Grunde, weil Mussolini und seine Nachahmer
für den staatlichen Zentralismus und gegen die Selbstbestimmung
der Völker waren. Ihr ultranationalistischer und expansionistischer
Staatsdoktrinismus konnte nur in der kriegerischen Maxime „Kanonen
statt Butter“ enden.
Die Brüder im Geiste am 4. Mai 1938 am neuen Bahnhof Ostiense in Rom. V. l.
n. r.: Hitler, König Vittorio Emanuele III., Mussolini und Graf Galeazzo Ciano. Auf
dem Ärmel trägt Hitler das Abzeichen eines Ehrenkorporals der mörderischen italienischen
Faschistischen Milizen und am Koppel den Ehrendolch der Squadristen. Die
schwarz-braune Internationale plante die Eroberung von neuen „Lebensräumen“.
30
Im Jänner 1941 würdigte die italienische Post mit einer Briefmarke die deutsch-italienische
Waffen- und Gesinnungsbruderschaft.
Darum war es Mussolinis Plan, die Slowenen den Vernichtungsbataillonen
auszuliefern und die Südtiroler aus ihrer angestammten Heimat zu
vertreiben, wie später alle Juden aus Italien.
Unter dem Vorwand der „irredentistischen Propaganda“ sollten die
Deutsch-Südtiroler mit Sonderzügen über die Brennergrenze geschickt
werden. Das von dem Bruder Mussolinis in Mailand geleitete offizielle
Organ des Faschismus „Il Popolo d’Italia“ schrieb es in seiner Ausgabe
vom 21. August 1925 schwarz auf weiß: „In einigen Stunden könnten
einige Sonderzüge mit jenen Herren in Innsbruck ankommen […]“.
In der Vertreibung der Deutsch-Südtiroler stimmte der Duce mit dem
Ziel seines bereits sehr früh - zur Preisgabe Südtirols - mit viel Geld
gesponserten Gesinnungsgenossen und Freundes Adolf Hitler überein,
bis zum bitteren Ende. Gleiche Brüder, gleiche Kappen…(„tra gli amici
deve regnar l’eguaglianza“).
Mussolini sagte am 10. Juni 1940: „In Berlin habe ich [1922] einmal bei
einer denkwürdigen Begegnung erklärt, es entspräche den Gesetzen
der faschistischen Ethik, dass man seinen Freunden die Treue hält, auf
31
Gedeih und Verderb, bis zum letzten Tage. […] Nach den Gesetzen
der faschistischen Moral marschiert man mit seinem Freund bis an das
Ende. So haben wir [Faschisten] es gehalten, und so werden wir es
halten. […] Das Europa von morgen wird faschistisch sein.“
Die Jugend in Italien sollte auf das faschistische
Europa vorbereitet werden.
Bereits in den Schulen wurden die
Schüler unter der Devise „Si vis pacem
para bellum“ („Wenn du den Frieden
willst, bereite den Krieg vor“) ideologisch
erzogen. Dazu dienten die faschistischen
Jugendorganisationen, deren Mitglieder frühzeitig mit dem
Kriegsspiel und den Waffen in Kontakt gebracht wurden. In Südtirol
hat man tausende deutsche Schüler in die „Balilla“ hineingedrängt. Um
die deutschen Jugendzeitschriften, wie die „Jugendwacht“ oder „Der
kleine Postillon“ auszuschalten, wurde in den Schulen nur das Blatt „Il
Balilla dell’Alto Adige“ zugelassen. Ziel war es, die Kinder von ihren
deutschen Eltern zu trennen. Der oberste Chef des Reichsfrontkämpferverbandes
„Opera Nazionale Combattenti“ (ONC) und Präsident des
Alpini-Vereins „Associazione Nazionale Alpini“ (ANA) und des „Centro
Alpinistico Italiano“ (CAI), Angelo Manaresi (1890-1965), gab dies in
einem Artikel unter dem Titel „Problemi dell’Alto Adige“ im Frontkämpferorgan
„Italia Augusta“ (Februar 1928) in seltener Offenheit zu:
„Es muss getrachtet werden, dass die Kinder nicht in der deutschsprachigen
Familie gefangen bleiben, sondern in gesunde Erziehungsmilieus rein
italienischen Charakters hineingebracht werden. Spiel, Sport, Balilla,
Kindergarten, Schule müssen Herz und Sinn des Kindes rasch italianisieren.“
32
Ein ganzes Netz von italienischen
Internierungslagern und Haftstätten
33
Ein ganzes Netz von italienischen
Internierungslagern und Haftstätten
Bereits am 8. Mai 1940 wurden in einem Rundschreiben (Nr. 44/112267)
des italienischen Innenministeriums „Vorschriften für die Konzentrationslager
und die Verbannungsorte“ („prescrizioni per i campi di concentramento
e le località di confino“) erlassen. Grundlage dafür war
das italienische Polizei- und Kriegsgesetz vom November 1925 und Juli
1938.
Zehntausende begeisterter Italiener bejubeln auf der Piazza Venezia in Rom am 10.
Juni 1940 Ministerpräsident Benito Mussolinis Kriegserklärung an Frankreich und
Großbritannien. Italien war mit dem Ruf „Tunis, Savoyen, Korsika“ in den Krieg eingetreten
und endete im kompletten Desaster. In Bozen gab es auf dem Waltherplatz
eine ähnliche Freudenkundgebung.
34
Am 26. Mai 1940, zwei Wochen vor
dem wilden, kriegerischen Duce-Getöse
vom Balkon des Palazzo Venezia in Rom,
teilte der erklärte Antisemit und für die
Kriegsgefangenen und die Option und
Umsiedlung der Südtiroler zuständige
Unterstaatssekretär im Innenministerium,
Guido Buffarini-Guidi (1895-1945)
aus Pisa, dem Polizeichef Senator Arturo
Bocchini (1880-1940) mit, dass der
Duce verfügt habe, „auch Konzentrationslager
für Juden vorzubereiten“. 12
Bocchini war der mächtige Generaldirektor
der italienischen Staatspolizei
und der Spezialeinheit OVRA (Organisation
zur Überwachung und Unterdrückung
antifaschistischer Organisationen).
Er war von der ersten Stunde
an ein Flügelmann der rechtsradikalen
Terrorismusszene. Die OVRA hatte er
nach dem Muster der sowjetischen
„Tscheka“ aufgebaut.
Am Tag nach dem italienischen
Kriegseintritt am 10. Juni 1940 hatte
Buffarini-Guidi im Auftrag Mussolinis
allen Präfekten des Königreichs ein
Rundschreiben zukommen lassen, in
welchem er die Festnahme und Internierung
der als „staatsfeindlich“ eingestuften
Personen angeordnet hatte.
Dieser Arrest und Zwangsaufenthalt
Der frühere Logenmeister und
Unterstaatssekretär im Innenministerium
und Ende 1943 Innenminister
der „Republik von Salò“,
Guido Buffarini-Guidi, zögerte
keinen Augenblick, um die Säuberung
vom deutschen Element
im „Alto Adige“ mit allen Mitteln
zu beschleunigen. Dem mächtigen
„Fascio“-Boss sagte man
nach, dass er den Duce in seiner
Hand hatte, indem er dessen Geliebte,
Clara Petacci, mit hunderttausend
Lire monatlich bestach.
Deren Familienclan, darunter ihr
Bruder Marcello, der in Obermais
bei Meran den Schildhof besaß,
mischte sich in alles ein, drohte
von oben, intrigierte von unten
und stahl von allen Seiten. Davon
berichtet Graf Ciano in seinen Tagebüchern.
Buffarini-Guidi wurde
am 10. Juli 1945 auf einem
Sportplatz in Mailand von Widerstandskämpfern
erschossen.
35
36
in den bereitgestellten Lagern galt auch für sonstige „politisch unerwünschte,
unzuverlässige und potenziell gefährliche“ Personen. Es handelte
sich um ein zusätzliches Ermächtigungs- und Ausnahmegesetz,
das dem Terror und der Willkür der Faschisten faktisch freie Hand gab.
Buffarini-Guidi ging es darum mit allen kriegerischen Mitteln „die Rolle
Italiens als Großmacht aufrecht zu erhalten, seine völkische und militärische
Macht zu behaupten, sein imperiales Prestige zu sichern“ (26.
April 1940 in der Kammer).
Es ist nicht auszuschließen, dass es vor der Errichtung des nicht weit
von der reichsdeutschen (Brenner-) Grenze entfernten Internierungslagers
„Campo d’Isarco“ (N° 93) in Blumau zwischen den verbündeten
italienischen Faschisten und den deutschen Nationalsozialisten Absprachen
und Abmachungen gab. Fest steht, dass es seit 1939 zwischen
dem deutschen Reich und dem faschistischen Italien einen regen „Erfahrungsaustausch“
über die Errichtung und Verwaltung von Internierungslagern
gab. 13
Gut möglich, dass auch die abscheuliche „Transaktion mit lebendiger
Menschenware [Option der Südtiroler], würdig eines modernen Shylocks“
(Heinrich Mann, Schriftsteller, Südtirolkenner und Sprecher der
deutschen Opposition im Exil), 14 mit militärischen Strategien und Operationen
kombiniert worden war.
Buffarini-Guidi hatte aus seiner Bewunderung für die Hakenkreuzler
und seiner engen, wenn auch nicht reibungslosen Beziehung zu Adolf
Hitler, zum Sonderbeauftragten der SS in Italien, Eugen Dollmann
(1900-1985), und zum Reichsführer der SS und Chef der Deutschen
Polizei, Heinrich Himmler (1900-1945), nie ein Hehl gemacht.
Sein Parteifreund aus Brescia, Sonderkommissar des zerstrittenen Bozner
Faschistenverbandes und langjähriger Präsident der „Azienda
Generale Italiana Petroli“ (AGIP), Alfredo Giarratana (1890-1982), erläuterte
auf der Titelseite seines Hausblattes „La Provincia di Bolzano“
auch den Grund: 15
„Wir dürfen nicht vergessen,
dass Adolf Hitler der erste und der einzige Mann war,
der offen die Unverletzbarkeit der Brennergrenze
zugunsten Italiens anerkannte.“
Mitglieder des PNF und der „45. Legion Alto Adige“ vor dem im August 1923 geraubten
und zweckentfremdeten Arbeiterheim der Südtiroler Sozialdemokraten. In
vorderster Reihe der Kommissar des Bozner Faschistenverbandes, Alfredo Giarratana
(mit verschränkten Armen), und der Mitbegründer der 45. Legion der Grenzmilizen,
Giovanni Graziani (mit Fes). Letzterer war mehrfach dekorierter Oberst der
Bersaglieri, in dessen Regiment Mussolini und Starace gedient hatten. Anfang 1927
stand Graziani einer Spezialkommission vor, die in Südtirol über Antonio Gramsci
(1891-1937), posthum Ikone der italienischen und europäischen Linken, und dessen
Verbindungen zu „Südtiroler Irredentisten“ ermittelt hatte.
37
Zur Belohnung hatte Hitler den Südtirolhasser Rechtsanwalt Gran Ufficiale
Guido Buffarini-Guidi anlässlich eines Besuchs in Deutschland mit
dem „Großkreuz des Deutschen Adlerordens“ ausgezeichnet.
Vor und nach der menschenverachtenden Optionsvereinbarung 1939
war der frühere Bürgermeister von Pisa, Kommissär des Reichsverbandes
der Artilleristen, Ex-Präsident der Frontkämpfervereinigung, Konsul
der Faschistischen Miliz und PNF-Abgeordnete, Guido Buffarini-Guidi,
im Auftrag des Duce mehrmals nach Bozen gekommen, um die Abschiebung
der Südtiroler ins Deutsche Reich zu beschleunigen. Er kanzelte
selbst seine faschistischen Adepten ab, welche nach seiner Ansicht die
Deutschland- Option behinderten. Der Rechtsanwalt und Draufgänger
in allen Lebenslagen sagte es ihnen klipp und klar: 16
„Es sei völlig gleichgültig,
wenn auch 100 Prozent der Deutsch-Südtiroler abwandern“.
Die schrecklichen Perversitäten der schwarz-braunen Internationale
hatte auch die italienische, antifaschistische Opposition im Exil verstanden,
auch wenn mit unterschiedlichen Empfindlichkeiten. So schrieb der
38
den italienischen Reformsozialisten nahestehende, aus Massa Carrara
stammende Widerstandskämpfer und Rechtsanwalt Carlo Sarteschi
Ende 1946 im Magazin „Critica Sociale“:
[…] Dass das Unheil [Italiens in Südtirol] endemisch war,
zeigte sich, als die Tiroler vor das tragische Dilemma
der Option gestellt wurden. Es nützt nichts, zu leugnen oder
vorzugeben aus politischer Bequemlichkeit heute zu vergessen:
viele Italiener, sogar diejenigen, die Antifaschisten waren
und heutzutage in demokratischen Parteien kämpfen,
sahen in der abscheulichen Maßnahme [Option] ein Allheilmittel
[zur Vertreibung der Südtiroler].“
Für die gesamte Options- und Auswanderungsabwicklung waren im
Juni 1939 in Berlin der SS-Obergruppenführer und später verurteilte
Kriegsverbrecher Ulrich Greifelt (1896-1949) und der italienische Gesandte
Massimo Magistrati (1899-1964) beauftragt worden. Letzterer
war der Schwager von Galeazzo Ciano (1903-1944). Bereits am 14.
März 1938 hatte Magistrati die Auffassung vertreten, dass „es [nach
der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland] nötig werde, für
Südtirol eine radikale Lösung zu finden. Italien anerkenne die Rassenpolitik
des Reiches. Über die Deutschen in Südtirol müsse also in irgendeiner
Weise […] eine endgültige Regelung gefunden werden“ (C.
F. Latour, Südtirol und die Achse, 1962, S. 22). Graf Magistrati war mit
den nazi-faschistischen Diktaturen voll kompromittiert. Unter anderem
stand er in Verbindung mit dem italienischen Generalkonsul in Innsbruck,
Giulio Ricciardi (1876-1942), dem Strippenzieher der Schwarzhemden
nördlich und südlich des Brenners. Nachdem der Konsul von
den Tirolern als „persona non grata“ eingestuft wurde, übersiedelte er
39
Sie küssen die Stiefel, die Südtirol
treten!
- aus Sicherheitsgründen - seine Gattin
Elisabeth Ricciardi-Hagel (1880-1939)
und seine zwei Kinder Carlo und Laura
nach Untermais (Meran). Sohn Carlo
Ricciardi (1916-1966) stieg zum Leutnant
der Kavallerie auf. Dessen Ehefrau
war Elisabetta De Angelis. Sie war die
Tochter des im Herbst 1944 von seinem
Schwiegersohn und von Ultranationalisten
des lombardischen CLNAI
als „Partisanenvertreter“ nach Bozen
eingeschleusten, achtunddreißigjährigen Geschäftsmannes und Nachkriegspräfekten
Bruno De Angelis aus Mailand. Der Mann, der Südtirol
für Italien sicherte, soll sogar Mitglied der Faschistischen Partei gewesen
sein (H. K. Peterlini, 100 Jahre Südtirol, Innsbruck 2012). Dieses
dunkle Kapitel der Endphase des Zweiten Weltkrieges ist erst noch zu
schreiben. Nach Abschluss der Option sandte Buffarini-Guidi mit dem
deutsch-baltischen Vertrauensmann Himmlers und Leiter der Amtlichen
Deutschen Ein- und Rückwanderungsstelle (ADERSt) in Bozen, SS-Major
Wilhelm Luig (1900-1949), an den Duce in Rom, wie an den Führer
in Berlin, ein kurzes, aber recht aufschlussreiches Fernschreiben (wortwörtlich
übernommen):
„Beim Abschluss der Optionsarbeiten, die im Alto Adige in einer Atmosphäre
vollkommener Zusammenarbeit und in vollster Ordnung vor sich gingen,
haben wir die Ehre, Ihnen über dieses von Ihnen ausgedachte und
gewollte Ergebnis [!] von großer politischer und historischer Tragweite
alle wesentlichen Angaben zu berichten. […].“ 17
40
Der falsche Mythos von den
„Italiani brava gente“ (Moni Ovadia)
41
Der falsche Mythos von den
„Italiani brava gente“ (Moni Ovadia)
Durch die italienische Aggression und Besetzung von Teilen des Königreichs
Jugoslawien und der anderen Balkanstaaten waren die große
Masse der vornehmlich in den Konzentrationslagern Mittel- und Süditaliens
gefangen gehaltenen Häftlinge vor allem Slawen.
Italienische Landkarte mit den seit 1941 vom Königreich Italien besetzten Gebiete:
Teile Sloweniens, Kroatiens und Dalmatiens. Wer gegen die Annexion und die Italianisierung
des Balkans Widerstand leistete, wurde deportiert oder umgebracht.
42
Man ließ sie verhungern oder töten, nur
weil sie ihre Heimat verteidigten und
auf ihr Volkstum pochten und anders
waren. 18
Wo dann Mussolini, der „größte Staatsmann
des Jahrhunderts“ (so Silvio Berlusconi,
Gianfranco Fini, Lucio Colletti
und viele andere italienische Politiker),
seine altrömischen Liktorenbündel
einmal aufgesteckt hatte, wurde wirtschaftlich
ausgebeutet, kulturell entnationalisiert
und im cäsarischen Sinne
rücksichtslos romanisiert. Wer aus der
Reihe fiel, wurde verhaftet und stundenlang gepeinigt. Sein gesamtes
Hab und Gut wurde konfisziert. Die Roheit und Skrupellosigkeit der
Gewalthaber kannte keine Grenzen.
Es genügte in der slawischen Sprache zu singen oder zu sprechen, um
brutal geschlagen zu werden. In Südtirol prusteten die Italiener bereits
1918: „Per bastonare siamo qui“, „Wir sind hier, um Prügel auszuteilen“
(Eduard Reut-Nicolussi, Tirol unterm Beil, 1928, S. 223).
Allein von den 360.000 in der Provinz Laibach lebenden Menschen
steckten Mussolini und seine Helfershelfer an die 70.000 Slowenen in
die Konzentrationslager. Mehr als 15.000 davon wurden hingerichtet.
In Slowenien haben die Italiener den Genozid vorexerziert. 19
Traurig, aber wahr.
Aufklärung darüber tut Not, für alle Europäer. Die faschistischen Verbrechen
müssen in Erinnerung bleiben.
43
Kinder slawischer Kriegsgefangener wurden unter miserablen hygienischen Bedingungen
in italienischen Konzentrationslagern gehalten, wie im KZ von Arbe auf der
Insel Rab 1942.
„Non dente per dente, ma testa per dente”, „Nicht Zahn um Zahn,
sondern Zahn um Kopf”, war der entsetzliche Kernspruch von Mario
Roatta (1887-1968), Befehlshaber der
Invasionstruppen auf dem Balkan.
Sein Kommandant des XI. Armeekorps
im besetzten Slowenien und Kroatien,
General Mario Robotti (1882-1955),
putschte seine Offiziere auf, „den aggressiven
Geist der [italienischen] Soldaten
aufrechtzuerhalten. […] Hasst
Der weibliche Sektor des italienischen
Konzentrationslagers von
Rab (1943).
sie, hasst sie mehr, als diese Briganten
uns hassen. [Denn] man tötet viel zu
wenig [„si ammazza troppo poco“].“
44
Viele Hinrichtungen wurden sogar fotografisch festgehalten. In den
Archiven der Institute für Zeitgeschichte in Triest und Laibach wurden
mehrere solcher Fotos gesammelt und aufbewahrt.
Die im Wortsinn grausamen und furchtbar ergreifenden Bilder von
sterbenden Zivilisten, Frauen und Männern, oder verstümmelten Partisanen,
können schon aus Pietätsgründen nicht veröffentlicht werden.
Zwei Nahaufnahmen - ohne die Gesichter von Tätern und Opfern - sollen
gezeigt werden.
Exekution von fünf slowenischen Bauern durch italienische Granadiere
Das Bild mit dem Exekutionskommando („Divisione Granatieri di Sardegna“)
wurde am 31. Juli 1942 von einem italienischen Soldaten geknipst.
Es zeigt die Exekution von fünf Bauern und Dorfbewohnern aus
45
„Die Welt weiß gar nicht, zu welchen
Opfern ich mein Volk veranlassen
kann“, sagte im November
1935 Benito Mussolini dem deutschen
Botschafter in Rom, Ulrich
von Hassell (1881-1944).
dem slowenischen Ort Dane in Loša
Dolina (Križna Gora) durch ein italienisches
Erschießungskommando. Die Opfer
haben auch einen Namen. Im Bild
(siehe Seite 45) von links nach rechts:
Franc Žnidaršič, Janez Kranjc, Franc
Škerbec, Feliks Žnidaršič und Edvard
Škerbec.
Den Freibrief zum Töten hatte Mussolini
bereits am 24. September 1920
erteilt, als er in Pola (Istrien) bei einer
Versammlung bewaffneter Schwarzhemden
die Slawen für vogelfrei erklärte:
„Gegenüber einer niederen und barbarischen
Rasse wie den Slawen, kann
man keine Politik mit Zuckerbrot verfolgen,
sondern nur eine mit Knütteln.
[…] Die Grenzen bleiben am Brenner,
am Nevoso [Krainer Schneeberg in Slowenien] und an dem Dinarischen
Gebirge [bis zu den Albanischen Alpen…]. Ich glaube man kann
500.000 slawische Barbaren für 50.000 Italiener opfern.”
„Il Duce ha sempre ragione“, „Der Duce hat immer recht“, kann man
noch heute auf der einen oder anderen Hausfassade lesen. „Der Führer
weiß schon, was er tut.” Das waren die Schlagworte der faschistischen
und Naziparteien. Mussolinis und Hitlers Äußerungen duldeten keinen
Widerspruch.
„Niemand in Italien, weder der König, noch die Minister, weder die Marschälle
noch die Industriemagnaten wagten, ihm [dem Duce] entgegenzutreten“,
resümierte im Oktober 1947 in der Zeitschrift „Die Wiener
Bühne“ der 1943 in der US-amerikanischen Geheimdienstorganisation
46
OSS (Office of Strategic Service) dienende, ehemalige antifaschistische
Spanienkämpfer und Mitarbeiter der Radiosendung „Rot-Weiß-Rot“,
Sigmund Kennedy-Kanagur (1909-1967).
„Die wahre Tragödie Italiens war die faschistische Diktatur“,
schreibt Kennedy, „sie hat das Volk immer mehr korrumpiert und durch
ihre komplette Kontrolle über jede Form der Aktivität das italienische
soziale System verdorben. Es war so verfault, dass es zu Beginn des
Krieges kein Mittel, keine Organisation gab, mit der das italienische
Volk den Willen des Diktators Mussolini hätte bekämpfen können.“
Begeistert feierten 1935 die Italiener den Sieg ihrer Truppen über Äthiopien. Daran
erinnert in Bozen eine faschistische Stele am Park hinter dem Siegesdenkmal
und in Bruneck das Alpini-Denkmal. Der Konflikt mit den Briten zeigte sich in den
Schmäh-Plakaten gegen den Außen- und späteren Premierminister Anthony Eden.
Er hatte den Duce als einen „totalen Gangster“ bezeichnet. Dies, obwohl gescheite
Menschen, wie George Bernard Shaw und Winston Churchill, sich jahrelang vom
Gerede und Getue Mussolinis täuschen ließen.
47
Nach der Machtergreifung hatte der Faschismus nicht nur auf die Verfestigung
der Brennergrenze und den Ausbau der Alpenfestungen gedrängt.
Von Beginn an stand die Erweiterung der Staatsgrenzen nach
Osten und des italienischen Kolonialgebietes auf seiner Agenda. Die
Herrschaft Mussolinis beruhte darum auf Gewalt und Krieg, Unterdrückung
und Liquidierung.
Bereits im Oktober 1935 wurden hundertausende Abessinier, Eritreer
und Somalier niedergemetzelt.
Die italienische Armee setzte Giftgas ein und ging massiv gegen die
Zivilbevölkerung vor.
Am 31. Juli 1942 wiegelte Mussolini seine Generäle in der Kaserne von
Gorica (Gorizia, Görz) skrupellos auf, in den besetzten Gebieten auch
Zivilisten als Geiseln zu nehmen und in Lagern zu internieren und wann
immer nötig „alle männlichen Slawen zu töten.“ 20
Der Außenminister und Schwiegersohn von Benito Mussolini, Galeazzo
Ciano (1903-1944), der selbst keine reinen Hände hatte, hielt das an
den Tag gelegte radikale und blutige Vorgehen der Italiener auf dem
Balkan fest. So notierte er in seinem Tagebuch am 17. Juli 1941, dass
der ultranationalistische und monarchistisch gesinnte Oberbefehlshaber
der italienischen 9. Armee und Gouverneur in Montenegro, Alessandro
Pirzio Biroli (1877-1962), seine Soldaten zu grauenvollen Gewaltmaßnahmen
regelrecht angespornt hatte:
„Ich habe gehört, dass ihr gute Familienväter seid. Das ist daheim sehr gut,
aber nicht hier [Schlachtfeld Albanien]. Hier könnt ihr niemals Plünderer,
Mörder und Vergewaltiger genug sein.“
Für die italienische Propaganda waren die Balkanvölker verkommene
Menschen.
48
Als italienische Truppen im Oktober
1940 in Griechenland einmarschierten,
zitierte derselbe Ciano einen althergebrachten,
miesen albanischen Spruch:
„Se vedi il lupo e il greco, uccidi prima
il greco e lascia il lupo.“ Zu Deutsch:
„Wenn du den Wolf und den Griechen
triffst, töte zunächst den Griechen und
lass den Wolf in Ruhe.“
Zur Inhaftierung und Drangsalierung
der Geiseln hatten die Faschisten Italien
mit einem dichten Netz von Konzentrationslagern
überzogen.
Italienischer Alpino vor hingerichteten
Slawen.
Die Liste der noch vor dem Sommer 1940 errichteten und zumeist
bis 1944 offengehaltenen Konzentrations- und Internierungslager ist
sehr lang. In den rund zweiundsiebzig italienischen Lagern waren an
die achtzigtausend „Prisoners of War“ (POW) gefangen gehalten. 21
Neueste Forschungsarbeiten von italienischen Historikern sprechen sogar
von zweihundertfünfzig Lagern in Italien.
Die von Mussolini angeführte Staatsregierung hat in Italien und in Jugoslawien sehr
früh Konzentrationslager errichtet. Eines der schrecklichsten war das KZ von Gonars.
49
Das größte dieser Lager, Ferramonti di Tarsia in der Provinz Cosenza
in Kalabrien, war beinahe zeitgleich mit dem Kriegseintritt Italiens im
Sommer 1940 fertig gestellt worden. 22
In diesem süditalienischen Lager waren lange Zeit mehrere in Bozen
ansässige Juden interniert. Beamte der Bozner Quästur und Milizsoldaten
hatten sie zwischen dem 14. Juli 1940 und dem 12. Februar 1943
kurzerhand festgenommen.
Zeitgleich hatte man eine Reihe von Südtiroler Antifaschisten wegen
„antiitalienischer Propaganda“ zur Konfinierung auf süditalienische Inseln
verurteilt.
Seit Aristoteles ist es ein politisches Axiom, dass Diktatoren und ihre
Handlanger keine Opposition dulden. Daraus leiten sich Zensur, Kommunikationskontrolle,
Unterdrückung und Verfolgung ab. Daraus ergeben
sich die brutalsten Polizeimethoden. Hunderte von Südtirolern wurden
seit 1926 von der Bozner Quästur in einer eigenen Proskriptionsliste
als „subversive pangermanistische oder linke Elemente“ geführt.
Eduard Reut-Nicolussi (1888-1958),
einer der 500 Südtiroler Proskribierten
50
Laut Mussolini wurden diese „restlichen Elemente deutscher Herkunft“
nicht nur verfolgt und konfiniert, „weil sie Deutsche waren, sondern
weil sie Antifaschisten, das heißt Feinde der [faschistischen] Revolution
waren.“ (Mussolini am 3. März 1928 im italienischen Parlament).
Giuseppe Gueli (1887-1950), der Polizeiinspektor, der am 12. September
1943 im Hotel „Campo Imperatore“ am Gran Sasso den Duce von
seiner Gefangenschaft befreite und den SS-Männern übergab, war viele
Jahre als Polizeichef in Südtirol tätig. Wie ein von Gueli unterzeichnetes
Schreiben (siehe Abbildung Seite 50 links) der Bozner Grenzpolizei vom
2. Jänner 1930 an die Präfektur beweist, standen politisch unterschiedlich
denkende und proskribierte Südtiroler, wie Silvio Flor (1879-1938),
Eduard Reut-Nicolussi (1888-1958) und Pater Adolf Innerkofler (1872-
1942), unter polizeilicher Daueraufsicht.
Nach dem Husarenstück rund um die
Duce-Befreiung war Gueli Quästor in
Triest, wo er, wenn nicht förderte, so
doch zuließ, dass Hunderte von Juden
und Slawen in italienische und später in
deutsche Konzentrationslager gebracht
wurden.
In Südtirol ging man nicht anders vor.
Wer den italienischen Statthaltern missfiel,
wurde in den Süden deportiert oder
aus der eigenen Heimat in den Norden
verwiesen. Darunter die Geschwister
des angesehenen Bozner „Vögele-Wirtes“,
Karl Kamaun (1917-2005). Sie
Ex-Bozner Quästor Giuseppe Gueli
standen am 14. September 1940 vor der Konfinierungskommission. Die
verhängte Strafe trat nicht in Kraft, weil sie für Deutschland optiert hatten.
Der in Mezzolombardo geborene und in Leifers wohnhafte Welschtiroler
Steinmetz Luigi Ferrari wurde Anfang Mai 1940 von der Konfinie-
51
In keinem Ort wurden in ähnlicher
Härte die Freiheitsgefühle der
Süd-Tiroler so gekränkt wie in der
Stadt Bozen.
rungskommission ebenfalls verurteilt,
weil er „um Umsiedlung nach Deutschland
angesucht“ und sich dadurch „als
schlechter Italiener gezeigt“ hatte.
Die Liste der Fallbeispiele der noch
1940 von den faschistischen Behörden
eingesperrten, ausgewiesenen und verbannten
Südtiroler ließe sich um einiges
verlängern.
Dasselbe geschah mit den in Bozen
ausgehobenen Juden. Familiär und
zeitlich voneinander getrennt, wurden
sie nach Ferramonti deportiert, ohne
dass ihnen irgendetwas Schlimmes
nachgesagt werden konnte. Darunter
befanden sich folgende, in wichtigen
Wirtschaftszweigen wie Handel und
Handwerk erfolgreich tätige, jüdische
Bozner Stadtbürger:
Jankel Burg (*8.8.1913, Myedzyvzag/
Polen), Eliasz Brandsdofer (*21.11.1908,
Gribow, Polen), Albert De Nagy
(*10.6.1911, Ruzka, Tschechoslowakei),
Egon Frey (*18.10.1894, Trient), Erwin Kienwald (*4.10.1925, Bozen),
Leonard Kienwald (*15.8.1921, Bozen), Oskar Kienwald (*15.10.1888,
Przemyśl/Polen), Nadel Rachel (*17.8.1891, Jaroslaw /Polen), Franz
Kohn (*3.1.1906, Neudorf/Österreich), Jaroslaw Mratzek (*8.2.1921,
Pressburg/ Slowakei), Gisella Rosenberg (*1.3.1874, Żydaczów/Westukraine),
Luise Schmidl (*12.3.1870, Budapest/Tschechoslowakei). 23
Leonard und Erwin Kienwald waren die Söhne der Rachel Nadel und
des Schneidermeisters Oskar Kienwald. Die hochangesehene Familie
52
führte in Bozen im Ex- Hotel Kaiserkrone,
an der Ecke Muster- und Postgasse,
das erstklassige Spezialatelier „Salon
Kienwald“ für feine, elegante Damengarderobe
nach Maß.
Von Ferramonti wurden die Kienwalds 1941 in das berüchtigte Lager
von Castelnuovo Garfagnana gebracht. Dort gelang es ihnen, mit Hilfe
einiger Dorfbewohner aus dem Lager zu entkommen. Sie versteckten
sich in den toskanischen Wäldern.
„Campo di concentramento Ferramonti di Tarsia”, 1942. Die hier untergebrachten Zivilinternierten
sollten nach Mussolinis Plan Mitte 1943 in die „Provincia di Bolzano“,
vermutlich in das Lager „Campo d’Isarco“ überführt werden.
Die in Ferramonti verbliebenen Häftlinge wurden am 14. September
1943 von einer Vorhut der britischen VIII. Armee befreit. Es war das
erste von den Alliierten in Europa befreite Konzentrationslager. Viele
Häftlinge hatten bereits Tage zuvor die Flucht ergriffen, um nicht in
die Hände zurückziehender SS-Divisionen zu fallen. Sie hatten ein un-
53
Die in Jugoslawien gefangen genommenen
Widerstandskämpfer
und Zivilisten wurden unter menschenunwürdigen
Bedingungen
in Massenlagern festgehalten.
Bilder aus dem Internierungslager
auf der von den Italienern besetzten
kroatischen Insel Rab in der
nördlichen Adria. (Buch: Alessandra
Kersevan)
heimliches Glück. Denn laut Carlo Spartaco
Capogreco, Präsident der Stiftung
„Fondazione Internazionale Ferramonti“
und Autor zahlreicher Bücher über
die faschistischen Konzentrationslager
in Italien, wollte Mussolini die Gefangenen
von Ferramonti nach Südtirol
transferieren. Das steht in einem im
Zentralen Staatsarchiv in Rom aufgefundenen
Schreiben des Innenministeriums
vom 25. Juli 1943 - dem Tag von
Mussolinis Sturz. Es trägt die Unterschrift
seines Kabinettschefs. 24
Abgesehen von Ferramonti und Garfagnana
gab es weitere italienische
Horrorlager seit:
September 1940 in Tremiti-Foggia
(Konzentrationslager), Juni 1940 in
Manfredonia-Foggia (Internierungslager),
Juni 1940 in Campagna-Salerno
(Internierungslager), Juni 1943 in
Fraschette Alatri (Internierungslager),
Juli 1940 in Tortoreto-Teramo (Internierungslager),
Juli 1940 in Notaresco-Teramo
(Internierungslager), Juni
1940 in Nereto-Teramo (Internierungslager),
Juli 1940 in Lanciano-Chieti (Internierungslager), Juni 1940 in
Isola del Gran Sasso-Teramo (Konzentrationslager), Juli 1940 in Bagno
a Ripoli-Firenze (Lager), Juli 1940 Civitella in Val di Chiana/Villa Oliveto-Arezzo
(Lager), Juli 1940 in Capannori- Lucca (Lager), Juni 1940
in Urbisaglia-Macerata (Lager) und viele andere. 25
54
Etwas zur Geschichte von Blumau
und der Bierbrauerei
55
Etwas zur Geschichte von Blumau
und der Bierbrauerei
Das Konzentrationslager „Campo d’Isarco - P[rigionieri] G[uerra] N°
93“ - befand sich in Blumau, einer Fraktion der Gemeinde Karneid
(„Cornedo all’Isarco“) rund 8 km östlich der Stadt Bozen.
Die deutsche Ortsbezeichnung Blumau (1381: Plumau) geht auf eine
Au zurück, auf der die „Plummen“ gelagert
wurden. Das mittelhochdeutsche
Wort „Plummen“ bedeutete ,übereinander
gestapelte Holzstämme‘. Im
Grödnerischen gibt es beispielsweise
das verwandte Substantiv plómia,
‚Holzstoß, Bretterstoß‘. Darüber hinaus
kann eine „Plumme“ in Tiroler Dialekten
das Holzfass bezeichnen, doch dass
in „Blum(au)“ vielmehr die Bedeutung
‚übereinander gestapelte Holzstämme‘
vorliegt, gilt als wahrscheinlicher.
Die italienische Ortsbezeichnung „Prato
all’Isarco“ ist eine Konstruktion des
faschistischen Senators und Rassisten
Eine der ersten Maßnahmen der
neuen Herren aus Italien war
auch in Blumau, neben der Italianisierung
der Orts-, Flur- und
Familiennamen, die Übermalung
von deutschen Inschriften. Aus
dem kerndeutschen, nahe der
Brauerei gelegenen Gasthaus
„zum Tierser Hof“ wurde eine
„Trattoria di Tires“.
Ettore Tolomei (1865-1952). Er hat das
Element „Blum-“ wohl nicht verstanden
und es daher kurzerhand mit „Isarco“
= „Eisack“ übersetzt - den Begriff
„Au“ dagegen mit „prato“ - ,Wiese‘.
Das Wort „Au“ entspräche eigentlich
dem oberitalienischen „ischia“, was soviel
wie ‚am Wasser befindliches Land‘
bedeuten würde. 26
56
Von Blumau gelangte man in das waldreiche
Gebiet des Tierser Tales, von
woher sich stets ein starker Holzexport
nach Blumau erhalten hat.
Vor allem im Frühjahr wurden riesige
Holzstämme über den Breibach hinausgeflößt.
Ein nicht geringer Teil des Holzes
kam auch aus dem Pustertal. Dadurch
war Blumau wegen seiner Holzverarbeitung
und exzellenten Binderhandwerker
bereits sehr früh bekannt.
Einen besonderen Aufschwung erlebte
Fassbinder in der alten Brauerei
Blumau
Blumau, als die Eisenbahn, die Völser Straße und der Weg ins Tierser Tal
geschaffen wurden. Damit wurde die Ortschaft gleich nach drei Richtungen
hin mit erstklassigen Verkehrsverbindungen erschlossen.
Seit 1855 bestand in Blumau die geschichtsträchtige „Bierbrauerei Blumau“.
Das Dorf Blumau und die unweit des Breibaches angesiedelte große Bierbrauerei.
57
Blumauer Bräuhaus an der alten Reichsstraße (heute Josef-Kräutner-Platz): Zimmervermietung,
Restaurant, Festsaal, Biergarten, Radverleih und Radfahrerheim.
Josef Kräutner, der Besitzer der
Blumauer Brauerei, hatte den Ruf
eines fleißigen und hochintelligenten
Tiroler Ehrenmannes.
Der aus Fügen im Zillertal stammende
Inhaber, Josef Kräutner (1831-1896),
baute sie zu einer der größten Bierbrauereien
Tirols aus. Anfänglich war er
Braumeister der Brauerei Gossensass.
Neben der hochmodern ausgestatteten
Brauerei führte der Bierfachmann eine
herrliche Restauration, eine Korbflechterei
und große Stallungen für die Viehhaltung.
Der Brauereibetrieb war an ein firmeneigenes
Elektrizitätswerk angeschlossen.
Die Geschäfte florierten so gut, dass
Kräutner im Mai 1890 in London unter
58
Die Bierbrauerei verfügte über ein selbst betriebenes Blumauer Elektrizitätswerk.
dem Firmennamen „Kräutner’s Blumau Brewery, Bozen, South Tyrol“
eine Aktiengesellschaft bildete.
Josef Kräutner starb im Oktober 1896 im Alter von 65 Jahren.
Im Jahre 1906 ging der an der Südostseite der heutigen Staatsstraße
SS 12 befindliche riesige Brauereikomplex von Kräutners zweitältestem
Sohn Ludwig (1866-1922) und seiner Ehefrau Katharina Mayr an eine
aus Bozner Bürgern bestehende Aktiengesellschaft über.
Doch mit Beginn des Krieges ging es mit dem Blumauer Bierunternehmen
abwärts. Der Betrieb konnte sich auch nach der Fusion mit der
Vilpianer Bierbrauerei nicht mehr erholen. Im Frühjahr 1928 kam dann
das endgültige Aus.
In einer Zeitungsannonce in den „Dolomiten“
vom 31. März 1928 hatte die
Brauerei die Veräußerung ihres Vermögens
öffentlich bekannt gegeben.
Am 12. April 1929 wurde die Brauerei
aus dem Firmenregister der Handelskammer
gestrichen.
59
60
Die gesamten Liegenschaften und Realitäten der Brauerei Blumau-Vilpian
(Fabrikgelände, Bräuhaus, Wasserkraft, Wohnhäuser, Hotels, Restauration,
Sägewerk und Grundbesitze) wurden Ende 1929 an den Bozner
Weingutbesitzer und Lebensmittelhändler Friedrich Beck verkauft.
Dieser schlitterte selbst in große Schulden hinein und musste im Juni
1933 sein ganzes Vermögen auf dem Versteigerungswege veräußern.
In der Gemeinde „Blumau-Karneid-Tiers“
hatten längst der aus Cittanova
d’Istria in Istrien (heute Kroatien)
stammende Milizführer der 60. Legion
„Istria“ und amtierende Podestà, Cavaliere
Ingenieur Oreste Padovan, der
Verbandsekretär Dr. Guido Giuliani und
der Maresciallo der Carabinieri-Station
das Sagen. Ab November 1940 bis
1942 war der Bersaglieri-Hauptmann
Guido Pierucci Podestà der Gemeinde.
In Blumau hatten die Schwarzhemden
ein eigenes „Fascio-Haus“ und „Dopolavoro“
(OND). Die Freizeitorganisation
war 1933 Vorbild für die NS-Gemeinschaft „Nach der Arbeit“. Da die
Nationalsozialisten jedoch den italienischen Ursprung verbergen wollten,
wurde aus diesem Namen sehr bald „Kraft durch Freude“.
Die Entstehung des Konzentrationslagers
„Campo d’Isarco“
61
Die Entstehung des Konzentrationslagers
„Campo d’Isarco“
Nach mehreren Besitzerwechseln ging das ehemalige Brauereigelände
und das landwirtschaftliche Ökonomie-Anwesen „Gallbichlerhof“
zwischen Ende 1940 und Anfang 1941 an das italienische Kriegsministerium
in Rom über. Laut Wittfrida Mitterer vom Kuratorium für Technische
Kulturgüter erfolgte die Eintragung des Besitzwechsels 1941. Der
ehemalige, rund zwölf Hektar große Wirtschaftskomplex samt den dazugehörenden
Wiesen dürfte mit der zunehmenden Kriegsverwicklung
Italiens zum Lager „Campo d’Isarco“ (P.G. N° 93) umgestaltet worden
sein.
Von der Bahnhofstation führte ein Weg direkt zum schwer bewachten Eingangstor
des faschistischen Konzentrationslagers „Campo Isarco“ im rund zwölf Hektar großen,
ehemaligen Brauereikomplex.
62
Australische Gefangene - die in Nordafrika
an der Seite der Briten gekämpft
hatten - haben in ihren Überlieferungen
das Lager „in einer alten Brauerei an
der Seite eines Berghügels und in der
Nähe eines Baches [Breibach]“ beschrieben.
Die Ankunft der verschiedenen britischen
Gefangenen wurde von den
Dorfbewohnern sehr unterschiedlich
wahrgenommen. Sie haben gesehen,
wie die Wachposten und Carabinieri
die Gefangenen vom Zugbahnhof in
das Lager begleiteten - mehr nicht. Einigen
Blumauern waren besonders die
Sikh-Soldaten der Indischen Armee mit
ihren gepflegten und ungeschnittenen
Haaren und Bärten, den schneeweißen
Zähnen und den besonderen Uniformen
und dem kunstvoll gebundenen
Turban (Dastar) aufgefallen. Es waren
Angehörige der britschen „Indian
Army“ 1941 in Singapur. Als
Mitglied des „British Commonwealth
of Nations“ beteiligte sich
die indische Armee - wie jene aus
Australien und Neuseeland - mit
eigenen Truppenkontingenten am
Zweiten Weltkrieg.
zumeist aus dem Norden Indiens stammende, sehr große Sikhs, die in
der britischen Armee Indiens ihren Kriegsdienst leisteten und als Teil
der britischen Streitkräfte gegen die Italiener in Ägypten, Libyen und
Tunesien kämpften. Viele gerieten in Kriegsgefangenschaft, darunter
einige Brigademitglieder, die dann nach Südtirol in das „Campo di concentramento
Prato d’Isarco“ deportiert wurden.
In Blumau hatte sich herumgesprochen, dass in der früheren Brauerei
ein Gefangenenlager errichtet worden war. Kaum jemand wusste aber,
was sich hinter den Toren der alten, von den Faschisten geführten Industrieanlage
abspielte. Es gab ein ganz klares Innen und Außen.
63
Ausschnitt aus einer alten Ansichtskarte
mit einer Gruppe von Völsern
in Tracht. Die Internierten aus
fernen Ländern bewunderten diese
heimatverbundene Herrlichkeit.
Der große Teil der deutschen Dorfbewohner
hatte für Deutschland optiert.
Die Geschehnisse der italienischen
Einrichtungen und Polizei hatte man
immer schon mit Vorsicht, wenn nicht
mit Apathie verfolgt. Zudem war das
Konzentrationslager „Campo di concentramento
Prato d’Isarco“ eine „geheime
Staatssache“ und stand unter
der Aufsicht und Führung der italienischen
Armee.
Die im Lager gefangen gehaltenen Soldaten
und Zivilisten wussten ebensowenig
von den Dorfbewohnern. Es wurde
nur überliefert, dass sie jeden Sonntag
die Dorfbewohner aufmerksam beobachteten,
wie sie in ihrer Tracht zur
Messe in die dem hl. Antonius geweihte
Pfarrkirche gingen. So schreibt Cate
Carrigan, eine australische Journalistin, dass ihr im Lager eingesperrter
Vater, Carl Carrigan, auf die schöne Tracht der Dorfbewohner hinwies,
die er sehr bewunderte: „Sie trugen ihre besten Kleider, Tiroler Trachten
aus besonderem Hosenstoff und Gilet-Westen und einen Filzhut mit
Feder […]. Die Männer fuhren oft mit dem Fahrrad beim Lager vorbei,
um einen kurzen Blick ins Innere zu werfen.“
Das heute zum Großteil umgebaute Gelände lag unweit der Eisenbahnstrecke
und des Bahnhofes und des chirurgischen Sanatoriums von Dr.
Josef Clara (1872-1923) und seines ältesten Sohnes Max Clara (1899-
1966).
Die Unterkunft der Gefangenen befand sich im östlichen Gebäudetrakt
des alten Brauereikomplexes. Die Schlaflager waren auf drei Stock-
64
Bahnhof von Blumau. Hier kamen die Gefangenen an.
werke verteilt. Sie waren eigentlich als
Scheune zur Lagerung oder Lufttrocknung
von Erntegut errichtet worden.
Die drei von Stützbalken getragenen,
dachbodenartigen Raumflächen waren
durch Holzstiegen verbunden.
An den alten Stützbalken sollen am
Ende des Krieges eingeritzte Namen
von Häftlingen sichtbar gewesen sein.
Trotz Absuche der noch vorhandenen
Stützbalken konnte aber nichts mehr
gefunden werden.
Die sehr großen und rechteckigen Lagerflächen
waren aus Holzbrettern
geschaffen. Die „Betten“ bestanden
65
66
ebenfalls aus alten Holzelementen (Holzpritschen). Sie waren mit alten
Strohsäcken bedeckt. Trennwände gab es keine.
Die Bedingungen in diesen dunklen Schlaflagern waren sehr schlecht,
da alles sehr notdürftig gebaut und das
ganze Gebäude nicht isoliert war. Die
gesamte Gebäudekonstruktion war aus
Natursteinen und aus Holzbalken gebaut
worden. Die Häftlingsräume waren
schlecht belichtet und im Sommer
überhitzt. Bis auf einige Kippfenster am
Dach waren ansonsten keine Fenster
vorhanden.
Im Erdgeschoss gelangte man über
eine steile Holzstiege in sehr große
Kellergeschosse. Die Waschräume und
Toiletten befanden sich in einem Nebengebäude.
Das rund zwölf Hektar große Lager
„Campo all’Isarco“ war von hohen
Bierbrauerei in Blumau, das nachmalige, zwölf Hektar große italienisch-faschistische
Konzentrationslager „Campo di concentramento Prato d’Isarco“.
Stein- und Fabrikmauern und mit zusätzlichen Stacheldrahtzäunen umgeben.
Außerdem gab es tägliche Appelle der Internierten.
Laut Aussage eines Ex-Häftlings gelangte
man in das Lager nur über
die Reichsstraße (heute: Josef-Kräutner-Platz)
durch ein streng bewachtes
Eisentor. 27
Ein kleinerer Seiteneingang zum Lager
befand sich auch in der heutigen Breiener
Straße (Wegkapelle und KZ-Gedenkstein).
Strenge Sicherheitsmaßnahmen
und schwerbewaffnete Wärter
verhinderten jeden Versuch einer Flucht
und Rettung in die Freiheit.
67
Reste der alten Gebäude der Brauerei Blumau-Vilpian
Die Haftbedingungen waren für die Internierten des „Campo all’Isarco“
je nach Haftperiode und nach nationaler Zugehörigkeit und „politischem“
Status sehr heterogen. Es lag auch am Ermessen des faschistischen
Wachpersonals, wie die Gefangenen behandelt und diszipliniert
wurden. Darüber herrschte Stillschweigen.
Ansonsten war das Alltagsleben im Lager von Blumau ähnlich wie in
anderen italienischen Lagern. Nicht immer hielt man sich an die Vorschriften
der Genfer Konvention von 1929. Viele Gefangene litten außerdem
an einer schweren psychischen Störung, die ein englischer Offizier
und Militärpsychologe als „Gefängenitis“ bezeichnete.
Der Zugang zum Lager war nur wenigen Personen und Organisationen
erlaubt. So gelangten zum Beispiel bei Voranmeldung und nach Genehmigung
des Amtes für Kriegsgefangene Vertreter der italienischen Sektion
des Internationalen Roten Kreuzes und ein italienischer Seelsorger
ins Lager.
Die Organisation des Lagerlebens war - zumindest in der Anfangszeit
- so eingerichtet, dass die Häftlingsverwaltung von den Gefangenen
selbst durchgeführt werden konnte. Nach dem Muster des seit Ende
der zwanziger Jahre auf den Verbannungsinseln erprobten Systems wa-
68
Dieses Veranstaltungsplakat wurde
von „Australian prisoners of
war at the concentration camp
at Prato Isarco in northern Italy
(1941)“, also von australischen
Kriegsgefangenen im Konzentrationslager
von Blumau in Norditalien,
gezeichnet.
ren gemeinschaftliche Küchen errichtet
worden. Die Deportierten konnten dadurch
ihre Essensrationen selbst einteilen.
Unter den Gefangenen der „British
Kingdom-Army“ bestand allerdings
eine ausgeprägte, differente Gruppenidentität.
So kam es zwischen australischen
und englischen Soldaten immer
wieder zu schwerwiegenden Konflikten,
mitunter zu politisch motivierten
Reibereien. Ein Lagerkomitee versuchte
hier zu schlichten und abzulenken, auch
durch die Organisation von sportlichen
und kulturellen Veranstaltungen. Zur
Zerstreuung und Unterhaltung gab es
im „Campo Isarco“ - ähnlich wie in anderen
Lagern - ein (Kriegsgefangenen-)
Unterhaltungskomitee: „POW [Prisoner
oft war]-Entertainment Committee“.
Zur Ankündigung einzelner Events gestalteten
australische Gefangene eigene
Plakate (siehe Abbildung rechts).
Trotz dieser weitgehenden Bewegungsfreiheit
war der Aufenthalt im Lager
keineswegs eine Idylle. Denn die Wachmänner
und Lagerverwaltung konnten jederzeit und ohne Konsequenzen
gegen die Internierten Strafen erlassen. Gewalterfahrung hatten
die Schwarzhemden zur Genüge.
69
Bestialische Gewalttaten
in den Wirren des Zweiten Weltkrieges
Bestialische Gewalttaten
in den Wirren des Zweiten Weltkrieges
Die Schlüsselposition bei der „Konfinierung“, das heißt Verbannung der
politischen Gegner, und Errichtung und Organisation der verschiedenen
Konzentrationslager in Italien nahmen neben dem Regierungschef
Benito Mussolini und dem Unterstaatssekretär im Innenministerium
Guido Buffarini-Guidi die ihnen unterstellten Präfekten, Hauptleute der
Milizen und Korpskommandanten der italienischen Armee ein. Sie stellten
das finstere Kapitel der Kriegs- und Internierungsgeschichte dar.
Das Lager „Campo d’Isarco“ in Blumau dürfte bereits unter der Aufsicht
des aus Turin stammenden Kommandanten des XVIII. Armeekorps, Ritter
des Großkreuzes, General Marco Gamaleri, entstanden sein. Er hatte
das in Bozen stationierte Armeekorpskommando am 10. September
1939 übernommen.
Vorher war er als Vizestabschef beim Kommando der Truppen im besetzten
Albanien und Chef des Armeestabes von Mailand, Verona und
Turin sowie als Leiter des Operationsamtes im Kriegsministerium tätig.
Sein Name ist eng verbunden mit dem Ausbau des „Alpenwalls“
(„Vallo Alpino“) und mit dem am 1. April 1940 in der Talferstadt gegründeten
„XVIII. Corpo d’Armata“. Dieses Heer war auch auf dem
Kriegsschauplatz auf dem Balkan eingesetzt.
Es war dies die Zeit, als neben der regulären Armee zunehmend auch
die mörderischen Milizen der Schwarzhemden („Milizia Volontaria per
la Sicurezza Nazionale MVSN“) militärische Aufgaben übernahmen.
Die Milizen waren 1923 gebildet worden. Ihre Herkunft führten sie in
die Römerzeit und Antike zurück. Im faschistischen Regime nahmen sie
einen Ehrenplatz ein und waren für die Verteidigung der national-italienischen
Sicherheit bestimmt.
Mussolini hatte diese ehemaligen „Squadristen“, die der deutschen
Schutzstaffel (SS) sehr ähnlich waren, beinahe jeder italienischen Mi-
72
litärdivision zugewiesen. Das Gehalt dieser Sondermilizen bezahlte die
jeweilige Fabrik oder Staatsverwaltung.
In Südtirol waren diese MVSN-Sturmtruppen in der „45a Legione Alto
Adige-Bolzano“ zusammengefasst. Der Kommandant dieser rund 500
Provinzsoldaten war der berüchtigte Squadrist Konsul Ivan Scalchi. Seit
Jänner 1941 bildete er in verschiedenen Gebieten Italiens Schwarzhemden
für Terrorangriffe und sich häufende Kriegshandlungen aus.
Im Dezember 1942 wurde er von der römischen Zentrale der Schwarzhemden-Verbände
mit Enzo Emilio Galbiati (1897-1982) an der Spitze
nach Zadar (ital.: Zara) in Norddalmatien beordert. Dort führte er die
Schwarzen Brigaden „Gruppo Battaglione Camicie Nere Squadristi“
an, die ihrem brutalen Hass gegen Slowenen und Kroaten freien Lauf
ließen. 1944 wurde Ivan Scalchi von der RSI-Regierung von Salò zum
Oberst der faschistischen „Guardia Nazionale Repubblicana“ (GNR) der
Provinz Ravenna ernannt. 28
Am Vernichtungskrieg auf dem Balkan war mit seiner Armee auch der
an die Front versetzte General Marco Gamaleri beteiligt.
Seine Kommandostelle in Bozen hatte Anfang März 1942 der am 6.
Juni 1941 zum General beförderte Gastone Gambara (1890-1962) aus
Brescia eingenommen. Gambara war vorher auf dem Kriegsschauplatz
in Nordafrika im Einsatz und Oberfehlshaber der italienisch-faschistischen
Freiwilligenabteilungen „Corpo Truppe Volontarie“ in Katalonien.
Über ihn sagte Mussolini: „Er ist ein Soldat, der den Krieg liebt“ („È
un soldato che ama la guerra“). 29
Das Präludium zum Zweiten Weltkrieg, der Krieg zwischen Faschismus
und Antifaschismus, begann in Spanien, daran erinnerte der große italienische
Gelehrte und Freund der Südtiroler Gaetano Salvemini (1873-
1957). Unter der Fahne des Caudillo Francisco Franco (1892-1975) und
mit Beteiligung nationalsozialistischer Formationen trug Gambara die
Hauptverantwortung für die mit viel Blut befleckte Einkreisung und Einnahme
Barcelonas. Wenige Stunden danach nahm Gambara mit seiner
73
Bombardierung der katalanischen
Hauptstadt durch die italienische
„Aviazione Legionaria“ („Squadra
Legionaria Baleares“) im März
1938. Die vom Italienerverein
„Altraitalia“ beantragte Aufnahme
eines Verfahrens gegen einen
noch lebenden Verantwortlichen
des Bombenangriffs wurde von
Italien abgelehnt.
Soldateska auch noch die katalanische
Stadt Girona ein. Daraufhin sandte
Gambara an den Ministerpräsidenten
und Kriegsobersten Mussolini ein Telegramm:
„Der ‚Littorio‘ hat auch Girona
besetzt. Es lebe der Duce“.
Das, was sich in Katalonien abgespielt
hatte, war keine Schlacht mehr zwischen
spanischen Faschisten und Republikanern.
Das war eine Schlacht zwischen
Katalanen und Italienern. Die italienischen
Divisionen waren technisch und
artilleristisch bedeutend überlegen.
Sie bestanden zum großen Teil aus
Offizieren und Mannschaften, die in
Abessinien Kriegserfahrung erworben
hatten. An diese entsetzliche Zeit
erinnern in Bozen noch immer kolonialrassistische
Straßennamen, wie die Amba-Alagi-Straße.
Mit der Niederlage des Antifaschismus in Spanien und dem Beginn des
polnischen Feldzuges Hitlers wurden die kriegerischen Bestrebungen
des faschistischen Italien und des Dritten Reichs zunehmend blutiger
und imperialistischer. Für seine Kriegsverdienste in Katalonien wurde
Gambara Mitte 1939 zum italienischen Botschafter in Spanien ernannt.
Nach Eintritt Italiens 1940 in den Krieg wurde er zum General befördert.
Zugleich vertraute man ihm das durch die Militärreform neu gegründete
Armeekorps „Comando XIX Corpo d’Armata“ mit Sitz in Bozen
an. Gastone Gambara unterstand somit auch das Lager in Blumau.
In seinen Äußerungen traten oft die schlimmsten Abscheulichkeiten seiner
faschistischen Gedankengänge hervor. Eine Beschwerde über die
Haftbedingungen im italienischen Konzentrationslager Rab bei Kampor
74
Der Hauptsitz der XXXV. Armee war im „Palazzo Alti Comandi“ (früheres Gelände
der Kaiserjägerkaserne, heute: Corpo d’Armata) am 4.-November-Platz in Bozen. Hier
und im dritten Stock des heutigen „Palais Widmann“ befand sich viele Jahre auch
die Präfektur der Provinz Bozen. Der Innenhof des Militärgebäudes ist groteskerweise
heute noch von einer allessagenden, lebensgroßen Julius-Cäsar-Statue beherrscht.
auf der kroatischen Insel Rab (ital. Arbe) wischte Gambara mit der zynischen
Bemerkung vom Tisch: 30
„Logico ed opportuno che campo di concentramento non significhi campo
di ingrassamento. […] Internato ammalato uguale a internato tranquillo.”
Wörtlich übersetzt: „Logisch und angemessen, dass Konzentrationslager
nicht Verfettungslager bedeutet […] Kranker Internierter gleich
ruhiger Internierter”.
Seit September 1942 stand dieser kaltblütige Mann als Korpskommandant
an der Spitze der Zweiten Armee auf dem Balkan. Vorher war er
als Stabschef des Oberkommandos der Streitkräfte in Nordafrika. Dafür
75
76
wurde er im Dezember 1941 vom Führer Adolf Hitler mit dem „Eisernen
Kreuz“ ausgezeichnet. Im Jänner 1943 setzte ihn der Duce als Oberkommandant
des XI. Armeekorps Italiens in Slowenien ein. Gambara
kommandierte auch die Infanteriedivisionen „Cacciatori delle Alpi“,
„Isonzo“ und „Lombardia“.
Mit Gambara hatte auch das XIX. Armeekorps Bozen verlassen. An deren
Stelle war seit Frühjahr 1943 in der Talferstadt das in Russland zum
Einsatz gekommene XXXV. Armeekorps „Corpo di spedizione Italiano
in Russia“ (C.S.I.R.) stationiert.
Italien war aus ideologischen und bündnispolitischen Erwägungen und
in der Hoffnung auf reiche Beute mit 250.000 Soldaten gegen den
„bolschewistischen“, „verjudeten“ und „asiatischen“ Despotenstaat
Josef Stalins in den Osten gezogen. Dieser Krieg war darum von Anfang
an durch das Ziel der Raumeroberung und Vernichtung des „Jüdischen
Bolschewismus“ bestimmt. Wie die deutsche Wehrmacht kämpfte auch
die italienische Armee buchstäblich bis zur letzten Patrone im Glauben,
dadurch „einer guten Sache zu dienen“. Dieser nazifaschistische Überfall
auf die Sowjetunion war aber, wie der über jeden Verdacht erhabene
Historiker Ernst Nolte (1923-2016) in seinem Buch „Der Faschismus
in seiner Epoche“ (München 1963) festhielt, der „ungeheuerlichste
Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg, den die moderne
Geschichte kennt.“
Das Befehlskommando des 35. Armeekorps und sämtliche zivilen
Machtbefugnisse in Südtirol befanden sich seit 1943 in den Händen
des knallharten Generals der Alpini-Divisionen, Grande Ufficiale Alessandro
Gloria, Nobile dei Conti (1883-1970). Der Armeegeneral stand
im Frühjahr 1942 mit der 25. Infanteriedivision „Bologna“ im Wüstenkrieg
von El Alamein (Ägypten) im Einsatz. Sein Vorgesetzter war der
als „Schlächter von Addis Abeba“ in die Geschichte der Unmenschlichkeit
eingegangene Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Nordafrika,
Marschall von Italien, Rodolfo Graziani (1882-1959).
Zudem hatte er in der kriegerischen Offensive gegen Albanien das
Truppenkommando der 37. Infanterie-Division Modena inne. Zu dieser
zählten auch die in Südtirol leidvoll bekannten Infanteristen des berüchtigten
232. Regiments.
Insgesamt haben am italienischen Eroberungskreuzzug auf dem Balkan
und in Griechenland 31 Divisionen und 650.000 Soldaten des „Regio
Esercito Italiano“ (REI) teilgenommen.
Der Kommandobereich des Armeekorpskommandanten Alessandro
Gloria erstreckte sich von der Alpengrenze bis in die Poebene. Eine der
ersten Maßnahmen, die er nach seiner Einstellung in Bozen Ende Juli
1943 getroffen hatte, war die Ausrufung des Ausnahme- und Kriegszustandes
in der ganzen Provinz. Zu diesem Zweck wurde zum Schutz
der öffentlichen Ordnung sogar der deutsche Text eines Manifestes mit
überaus strengen Freiheitseinschränkungen und militärischen Verboten
verbreitet.
Zwischen dem 30. Juli und dem 1. September 1943 geriet General
Gloria in Kollision mit dem General der Gebirgstruppen der deutschen
Wehrmacht, Valentin Feuerstein (1885-1970). Dieser hatte nach der
Kapitulation Italiens mit seinen reichsdeutschen Truppen, hauptsächlich
Soldaten der Hoch- und Deutschmeister, den Brenner überschritten. 31
In der Nacht des 9. September 1943 um 2.00 Uhr wurde Gloria im
„Palazzo Alti Comandi“ in Bozen von der 44. Infanterie-Division der
deutschen Wehrmacht festgenommen und als Kriegsgefangener nach
Deutschland überführt. Nach kurzer Zeit freigelassen, kehrte er nach
Italien zurück. Nach dem Krieg war Alessandro Gloria von einer internationalen
Untersuchungskommission als „Kriegsverbrecher“ eingestuft
worden. Schließlich trat der General in den Ruhestand. Er ließ sich in
Genua nieder, wo er im Jahre 1970 im Alter von 87 Jahren starb.
77
Südtirol als Sprungbrett für umstrittene
PNF-Partei- und Militärkarrieristen
Südtirol als Sprungbrett für umstrittene
PNF-Partei- und Militärkarrieristen
Der General Gloria war aber bei Weitem nicht der einzige hohe Befehlshaber,
der in den Kriegsjahren auf dem Balkan und in Afrika mit
Erbarmungslosigkeit vorgegangen sein soll.
Laut Gianluca Falanga wurden „auf Initiative der obersten Führung der
italienischen Besatzungstruppen ungefähr 20 Prozent der gesamten
slawischen Bevölkerung im italienischen Machtbereich - davon mehr
als die Hälfte Frauen, Alte und Kinder - deportiert und gezwungen,
in Lagern unter Kälte, Hunger und Krankheiten zu leiden“ (Gianluca
Falanga, Mussolinis Vorposten in Hitlers Reich. Italiens Politik in Berlin
1933-1945, Berlin 2008, S. 193).
Alessandro Pirzio Biroli war einer der vielen von Jugoslawien und von der UN-Untersuchungs-Kommission
auf die Liste der Kriegsverbrecher gesetzten, aber in Italien
nie angeklagten und verurteilten Armeegeneräle. Sie kamen nach 1945 ungeschoren
davon.
80
Die Versuche Jugoslawiens und der „Crimes Commission“ der Vereinten
Nationen (UNO), nach 1945 die italienische Justiz zu einer Anklage
gegen Kriegsverbrecher zu bewegen, verliefen im Sande eines national-politisch
bestimmten Entlastungsdiskurses.
Auf der Kriegsverbrecherliste des „Central Registry of War Criminals
and Security Suspect“ (CROWCASS) der Westalliierten standen die Generäle
Mario Roatta, Pirzio Biroli, Gastone Gambara, Vittorio Ambrosio
(1879-1958), General Renato Coturri (Kommandant des V. Armeekorps
und ehemaliger Garnisonskommandant in Meran und Befehlshaber der
Division „Acqui“), Brigadegeneral Umberto Fabbri (Kommandant „Guardia
alla frontiera“ des V. Armeekorps und ehemaliger Major des Alpini-Bataillons
Trento in Innichen und Brixen), der Squadrist und Gauleiter
von Laibach, Oberkommissar Emilio Grazioli (1899-1969), der
PNF-Parteisekretär und Besatzungsgouverneur von Dalmatien, Francesco
Giunta (1887-1971), der Kommandant der faschistischen Einheit
„Xa Mas“, Prinz Junio Valerio Borghese (1906-1974), der Milizenkommandant
der schwarzen Legionen „45a Legione Alto Adige-Bolzano“
und „Gruppo Battaglione Camicie Nere Squadristi“, Oberst Ivan Scalchi,
der Hauptmann der „45a Legione Alto Adige“, Leiter des „Circolo
Unione Savoia“ in Bozen, Console Carlo Cisotti, der Mitbegründer der
„45a Legione Alto Adige“ und spätere Legionskommandant in Kalabrien,
Milizkonsul General Gino Graziani, der Quästor von Südtirol
und Laibach, Giuseppe Gueli (1887-1950), der Polizeichef in Südtirol
und Laibach, Ettore Messana (1888-1962), der Hauptmann der „Legione
dei Carabinieri Reali“ in Dalmatien (vorher in Bozen), Alfredo
Roncoroni, und der Generalsekretär der Auslandsfaschisten und Unterstaatssekretär
für auswärtige Angelegenheiten Giuseppe Bastianini
(1899-1961). 32
Nicht wenige derselben Generäle und Staatsfunktionäre, welche die
Massendeportationen von slowenischen, kroatischen und serbischen
Geiseln sowie deren Internierung in den KZ-Lagern betrieben und för-
81
derten, hatten in den schwarzen Jahren in der Verfolgung der Südtiroler
direkt oder indirekt ihre Finger mit im Spiel.
Von den durch die Internationalen Kommissionen aufgelisteten Kriegsverbrechern
wurden nach Kriegsende nur einige wenige belangt.
Von diesen wiederum saß kein einziger Täter seine volle Strafe ab. Der
„Kalte Krieg“ führte dazu, dass alle Verurteilten vor Ablauf ihrer Strafe
begnadigt und auf freien Fuß gesetzt wurden.
Der Historiker Karlo Rizicic-Kessler stellt hierzu fest, dass „die italienischen
Verbrechen auf dem Balkan von der italienischen Justiz und Politik
nach Kriegsende konsequent verschleiert wurden. Das Interesse der
Westalliierten an einem demokratischen und starken Italien ermöglichte
es, dass die italienischen Kriegsverbrecher ihr Leben unbescholten
weiterführen konnten.“ 33
Eine „Entfaschistisierung“, Verfahren oder Prozesse fanden - zum Leidwesen
der Opfer des Faschismus - in der Regel nicht statt. Italien integrierte
die Mehrheit der schwarzen Eliten und deren Kollaborateure in
den neuen Staat und entschied sich für eine Politik der Amnestie und
Amnesie.
Rund 900 Faschisten waren am 1.-2. Oktober 1922 nach Bozen gekommen, um dem
eroberten österreichischen Südtirol mit Gewalt die „Tricolore“ und die Gesetze Italiens
aufzuoktroyieren.
82
Viele Gewalttaten und Morde blieben
ungesühnt. Bereits am 24. April 1921
war in Bozen durch den Revolverschuss
eines faschistischen Obsthändlers der
Lehrer Franz Innerhofer (1884-1921) zu
Tode gekommen.
Der Sagmeister Johann Baptist Daprà
(1845-1921) starb an den Folgen des
Terrorattentats am Bozner Obstmarkt.
Am 1./2. Oktober 1922 haben faschistische
Milizen in Bozen bei einem
„Marsch auf die Talferstadt“ die Macht
ergriffen, ohne dass sie von den staatlichen
Behörden daran gehindert worden
waren. Die gleichen Gewalttäter
besetzten das Trientner Landhaus.
Die faschistischen Verbrechen wurden
bagatellisiert und vielfach geleugnet.
Das ging soweit, dass Guido Cristini
(1895-1979), der berüchtigte Präsident
des faschistischen Sondergerichtshofes,
welcher sage und schreibe 29 Todesurteile
gegen Antifaschisten und Freiheitsstrafen
von vielen hundert Jahren
ausgesprochen hatte, von jeder Schuld
freigesprochen wurde.
Die Westalliierten brauchten nach dem
Krieg in Italien zuverlässige, mit den
geostrategischen Interessen der USA
und mit dem italienischen Staatsnationalismus
sowie mit dem Vatikan über-
Die Faschistenführer, die am 1./2.
Oktober 1922 in Bozen die Besetzung
des Rathauses und der
Kaiserin-Elisabeth-Schule (heute:
Dante-Alighieri-Schule) anführten:
v.l.n.r. (oben beginnend)“;
Francesco Giunta, Alberto de Stefani,
Achille Starace, Antonio Arrivabene,
Roberto Farinacci und
Giuseppe Moschini.
83
einstimmende, politisch antikommunistisch eingestellte Militaristen,
Geheimtruppen und Politkartelle. In diesem Zusammenhang ging Italien
mit seiner Vergangenheit und den eigenen Kriegsverbrechern mit
Glacéhandschuhen um. Auf dem Altar dieses „Kalten Krieges“ wurde
auch Südtirol geopfert.
Eine sachliche Aufarbeitung der Geschichte und Beseitigung historischer
Altlasten zugunsten einer europäischen Zukunftsordnung blieb vielfach
aus. Wohin die mangelnde Erkenntnis der Tragödien des 20. Jahrhunderts,
die Missachtung der Nationalitätenfrage und das Fehlen einer echten,
paneuropäischen und regionalistischen Gesinnung führen, zeigen
die Vorgänge in Katalonien und in Südtirol sowie das Wiederaufleben
faschistischer Praktiken und national- und polizeistaatlicher Repressalien.
Zudem verleihen das Ende des Ost-West-Konfiktes und das langsame,
wenn auch schwierige Zusammenrücken Europas den jahrelang verborgen
gebliebenen dunklen Seiten der Geschichte neue Erkenntnisse und
Brisanz, die nicht wie zuvor durch ideologische und nationale Tabus
eingeschränkt sind. 34
Begräbnis von Franz Innerhofer in Bozen (April 1921). Ganz Südtirol trauerte um das
erste Todesopfer des faschistischen Terrors. Der Mörder lebte bis zu seinem Tode
unbehelligt am Obstplatz. Er wurde vom italienisch-faschistischen Staat geschützt.
84
Italienische Internierungslager
unterschiedlich geführt
85
Italienische Internierungslager
unterschiedlich geführt
Der Oberbefehlshaber der italienischen
Streitkräfte in Afrika und
Generalgouverneur in Libyen,
General Italo Gariboldi, mit dem
Ritterkreuz. Dieses hatte ihm der
deutsche Generalfeldmarschall
Erwin Rommel verliehen. Im Gegenzug
überreichte er dem „Wüstenfuchs“
im Namen Mussolinis
den Savoyerorden. 1943 erhielt
Gariboldi als Kommandant der
an der Ostfront eingesetzten 8.
italienischen Armee im Führerhauptquartier
„Wolfsschanze“
von Hitler höchstpersönlich das
Eiserne Kreuz.
Der oberste General der Armee in Oberitalien war Italo Gariboldi (1879-
1970). Seit Kriegsbeginn unterstand ihm die Gesamtführung der Territorialverteidigung
im Nordosten Italiens
und des Bozner Oberkommandos des
XXXV. Armeekorps der 8. Armee. Sein
Hauptquartier befand sich in Padua.
Von 1939 bis 1941 war Gariboldi zunächst
als Truppenbefehlshaber und
dann als Generalgouverneur in Libyen
tätig. Von Anfang 1942 bis 1943 befehligte
der „Maresciallo d’Italia“ die
italienische Armee (ARMIR) im Krieg
gegen die Sowjetunion und im Partisanenkampf
an der Grenze zu Jugoslawien.
Bereits am 10. September 1943
war diese ungenügend ausgerüstete 8.
Armee am Boden zerstört. 35
„Italien beugt sich nicht.
Eher den Tod als müde werden“,
wetterte auf der II. Internationalen
Journalistentagung in Wien am 21. Juni
1943 der Südtirolerhasser, Kammerabgeordnete,
Sonderkommissär für den
italienischen Rundfunk und spätere
86
Korporations- und Außenhandelsminister der RSI-Marionettenregierung,
Ezio Maria Gray (1885-1969) aus Novara.
General Italo Gariboldi war da ganz anderer Ansicht. Bevor der Ring
um das Achsenbündnis immer enger wurde, gab er die zur Absurdität
geführte Blutoffensive auf. Er verhielt sich wie später einige deutsche
Generäle. Daraufhin wurde Gariboldi mit anderen italienischen Generälen
und Admiralen als „Handlanger und Komplize der Kapitulation“
verhaftet und vor das faschistische Sondergericht in Verona gestellt.
Die Namensliste der zu prozessierenden „konspirativen“ und „verräterischen“
Savoyer- und Badoglio-Generäle veröffentlichte Ezio Maria
Gray höchstpersönlich in seiner Turiner Zeitung „Gazzetta del Popolo“.
Darunter befanden sich auch Namen, die der General des faschistischen
Italiens und Oberbefehlshaber der italienischen Besatzungstruppen in
Mussolini mit Ezio Maria Gray, dem Souffleur der Bozner Faschisten und späteren
Mitbegründer des neofaschistischen MSI. Er war einer der Drahtzieher des Raubes
des sozialdemokratischen Bozner Gewerkschaftshauses und der Schließung des
Parteisitzes des christlich-sozialen und deutschfreiheitlich orientierten „Deutschen
Verbandes“. 1944 denunzierte der Abgeordnete Gray seine eigenen Faschistengeneräle
wegen Feindesbegünstigung.
87
Slowenien, Serbien und Kroatien, Mario Roatta (1887-1968), - vor seinem
Frontwechsel zu den Alliierten - den nationalsozialistischen deutschen
Kommandostellen hatte zukommen lassen. Es sollen vornehmlich
Namen jener italienischen Militärs gewesen sein, die von den Untaten
und Geschäftemachereien (Waffenhandel) Roattas auf dem Balkan
wussten. Dessen Protektor war der Außenminister Galeazzo Ciano, der
sich - laut einem im Staatsarchiv in Moskau aufbewahrten Geheimdossier
- bei der Eroberung Albaniens die Aktien großer Bergwerke angeeignet
hatte. 36
Am 23. Mai 1942 hatte Roatta in Fiume vor seinen Offizieren den Duce
zitiert: „Es ist das Beste, wenn der Feind tot ist. Darum braucht es,
wann immer nötig, die Erschießungen“ (Italienisch: „la situazione migliore
è quando il nemico è morto. Occorre quindi […] la fucilazione“). 37
Pressemeldung der faschistischen RSI-Regierung über den Tod Gariboldis
Das Sondergericht der „Repubblica Sociale Italiana“ (RSI) verurteile Gariboldi
zum Tode. Die Nachricht von der Hinrichtung des Generals war
von der RSI-Presseagentur „Agenzia Stefani“ mit Sitz in Mailand Anfang
Februar 1944 verbreitet worden. Das Urteil war aber nie vollstreckt
worden. Mussolini hatte absichtlich eine Falschmeldung lanciert. Denn
der General war längst im Gefängnis von Scalzi (dem Staatsgefängnis
der RSI-Faschisten in Verona) inhaftiert worden. Im Mai 1945 wurde er
befreit und zog sich ins Privatleben nach Rom zurück, wo er 1970 starb.
Zur 8. Armee von General Italo Gariboldi zählte auch das XXXIV. Armeekorps
in Udine. Es stand unter der Führung des Generals Licurgo
88
Zannini (*1883), der auch die Infanterie-Division „Pinerolo“ kommandierte.
Ihm war das Lager „Campo 57“ unterstellt.
Obwohl dieses Lager ebenfalls den Richtlinien des Regierungsdekretes
vom 4. September 1940 (Gesetzblatt des Königreichs Italien Nr. 239
vom 11. Oktober 1940) und der Verwaltung des italienischen Innenministeriums
und damit grundsätzlich derselben politisch-militärischen
Befehlskette unterstand, unterschieden sich die Konzentrationslager
stark voneinander. Sie besaßen auch nicht die gleichen Strukturen. Die
Lager wurden auch in Bezug auf die Behandlung der Internierten nach
unterschiedlichen Gutdünken und Nuancen verwaltet. Das hatte aber
weniger mit der Zugehörigkeit der Häftlinge, sondern wohl eher mit
dem Gebiet, in dem das Lager stand, und den örtlichen Befehlshabern
zu tun. Dies schließt die Tatsache nicht aus, dass es, vor allem bezüglich
Verpflegung und Gesundheitsbetreuung, Unterschiede zwischen den
englischen Kriegsgefangenen und den aus den okkupierten Territorien
des Balkans oder aus Russland verschleppten und inhaftierten Zwangsarbeitern
beziehungsweise Zivilinternierten gab. Trotzdem wurde zum
Beispiel die Lagerunterkunft in Blumau auch für Zwangsarbeiter zuweilen
nach der etwas moderneren schönfärberischen Militärsprache als
„accantonamento“ („Lagerquartier“) bezeichnet.
89
Papst Pius XII. für Freilassung
der britischen Kriegsgefangenen
Papst Pius XII. für Freilassung
der britischen Kriegsgefangenen
Viele der australischen, neuseeländischen, indischen und britischen
Soldaten, die während der Frühjahrsoffensive 1941 auf den nordafrikanischen
Kriegsschauplätzen von den italienischen Panzer- und Infanteriedivisionen
gefangen genommen wurden, verbrachten eine längere
Zeit im Lager in Blumau.
Das mit dem Lager „Prato Isarco“ in Blumau verbundene Internierungslager „Campo
57“ in Gruppignano bei Cividale-Udine.
92
Die Männer mit Offiziersrang und die
Elite-Soldaten waren zum größten Teil
im Lager in Gruppignano di Cividale im
Friaul inhaftiert.
Ebenso die später gefangen genommenen
Soldaten des „Australian and New
Zealand Army Corps“ (ANZAC), wie zum
Beispiel der 1942 festgenommene Colin
Albert Booth (1918-1989) aus Bundanoon
(New South Wales-Australien).
Colin Albert Booth gehörte im
Er und seine Militärkameraden wurden Zweiten Weltkrieg dem ANZAC
vom süditalienischen Capua (Caserta) Corps an, das auf Seite Großbritanniens
kämpfte. Er wurde
direkt nach Gruppignano, südwestlich
in Nordafrika von den Italienern
von Cividale im Friaul, in den „Campo
gefangen genommen und in das
57“ verlegt. 38
norditalienische KZ „Campo PG
Mehrere Gefangene waren im Lager 57“ deportiert.
„Prato Isarco“ von Frühjahr bis Ende
Oktober 1941 eingeschlossen.
Von der Existenz dieses Gefangenenlagers
in Südtirol wusste auch die katholische
Kirche sehr gut Bescheid. Kein Geringerer
als Eugenio Pacelli, Papst Pius
XII. (1876-1958), hatte sich im August
1941 für die Freilassung der in Blumau internierten
englischen Kriegsgefangenen
eingesetzt, während alle anderen geschwiegen
oder weggeschaut haben. 39
Den unwiderlegbaren Beweis dafür Papst Pius XII. hat sich im August
1941 für die Freilassung der
liefert ein Protokoll des vatikanischen
australischen, neuseeländischen
Staatssekretariats vom 31. August und britischen Gefangenen im KZ
1941. 40 „Prato Isarco“ eingesetzt.
93
Repro Protokollbuch des Officium Secretum Vaticanum vom 31. Oktober 1941
Darin wird festgehalten, dass der Sekretär der Kongregation für außerordentliche
Angelegenheiten und Leiter des vatikanischen Staatssekretariates,
Monsignore Giovanni Battista Montini (1897-1978), der
spätere Papst Paul VI., 41 dem einflussreichen faschistischen Senator und
Präsidenten des Kriegsgefangenenamtes „Ufficio Prigionieri di Guerra“
der italienischen Regierung, General Ambrogio Clerici (1868-1955), 42
94
eine umfangreiche Liste mit englischen
Kriegsgefangenen (POW) überreicht
hatte.
In der vatikanischen Aktennotiz wird
darauf hingewiesen, dass Monsignore
Giovanni Battista Montini dem General
Ambrogio Clerici eine „reichhaltige
Liste von Mitteilungen englischer Gefangener
für ihre Familien“ übergeben
hat, die sich im „Campo all’Isarco (Bolzano)“
befanden. 43
Der Verbindungsmann zwischen dem
Vatikan und den 300 bis 400 seit 1941
gefangen gehaltenen Häftlingen in Blumau
war der katholische Militärkaplan
und Bruder der Gemeinschaft der Comboni-
Missionare, Padre Giovanni Cotta
(1883-1976) aus Mortara (Pavia).
Monsignore Giovanni Battista
Montini, der spätere Papst Paul
VI., führte im Vatikan das von
Papst Benedikt XV. im Jahre 1914
gegründete Informationsbüro
für Kriegsgefangene („Ufficio
Informazioni P.G.“) - eine große
Hilfs- und Informationsstelle für
Gefangene und Vermisste.
Der PNF-Senator und Präsident des Kriegsgefangenenamtes,
General Ambrogio Clerici. Nach
dem Kriegsende lebte der als „Kollaborationist
des faschistischen Regimes“ angeklagte General
in Costa de’ Nobili (Pavia). Von 1949 bis 1954
war er hochangesehener Bürgermeister von Zeccone.
95
Der Comboni-Missionar und Militärkaplan
Padre Giovanni Cotta
(1883-1976) aus Mortara bei Pavia
schmuggelte Briefe aus dem
italienischen KZ „Prato Isarco“.
Später wirkte er auch im Gefangenenlager
„Campo PG 57“ in
Gruppignano di Cividale im Friaul
und in Portugal.
Dieser italienische Militärpfarrer hatte
die Funktion eines Soldatenseelsorgers
und hatte daher freien Zugang zu den
Kriegsgefangenen. Zu Weihnachten
verteilte Cotta an die KZ-Häftlinge die
in verschiedenen Sprachen verfassten
Gebetshefte. Die Sorgen und das Unbehagen
der Gefangenen hatte er sich
zum Anliegen gemacht. Er fungierte
oft auch als Dolmetscher zwischen den
Häftlingen und der Lagerkommandantur.
Pater Cotta hatte nach seinem Theologiestudium
zwei Jahre im Comboni-Haus
in Sidcup gelebt. Sidcup ist ein
Ort im Londoner Stadtbezirk London
Borough of Bexley in England. Darum
war er bereits während des Ersten
Weltkrieges vom italienischen Heer als
Übersetzer engagiert worden.
Mehrere ehemalige Gefangene des KZ „Prato Isarco“ berichteten, dass
Pater Cotta mit ihnen sehr freundlich umging. Dies, obwohl er enge
Kontakte zu Kreisen des Regimes hatte und sich die Soldaten angesichts
seiner guten Englischkenntnisse mit Kommentaren zurückhielten. 44
Der Geistliche war nach seiner Mission im KZ „Prato Isarco“ nach Cividale
in den „Campo 57“ versetzt worden. Dort fand er viele bereits in
Blumau kennengelernte Soldaten wieder.
Nach dem Kriege setzte sich Padre Cotta nach Portugal ab, wo er in
der Stadt Viseu die Combonianische Ordensgemeinschaft gründete. Er
starb 1976 im hohen Alter von 93 Jahren an der Peripherie von Mailand.
Zum Nachfolger von Padre Cotta als Lagerkaplan war Ende 1941 der
96
italienische Pfarrer Antonio Teli ernannt
worden. Er war ein ausgesprochener
Sympathisant der Faschisten.
Für die Mehrheit der Dorfbewohner
war der aus Buchholz bei Salurn stammende
und seit 1914 als Kurat von
Blumau tätige Hochwürden August Eccli
(1870-1945) zuständig. Der Pfarrer
hatte etliche Jahre als Kooperator auch
in Rabenstein, Neumarkt, St. Ulrich,
Lajen, St. Christina, Kurtatsch, Algund
und Andrian gewirkt.
Dass Ende August bis Anfang September
des Jahres 1941 die Schwester des
Papstes Pius XII., Gräfin Rizzardi-Pacelli,
in Bozen weilte, dürfte wohl nur
Ein Gebetsbuch, das in mehreren
Sprachen gedruckte Weihnachtsgeschenk
von Pater Giovanni
Cotta für die Gefangenen.
Hochwürden August Eccli aus
Buchholz bei Salurn war von
1914 bis 1944 Kurat in Blumau.
Bis 1942 gehörte die Seelsorge
als Filiale von Völs zum Dekanat
Kastelruth.
97
Der frühere Sekretär der Kongregation
für außerordentliche kirchliche
Angelegenheiten und seit
1929 apostolische Nuntius beim
italienischen Quirinal, Monsignore
Francesco Borgongini-Duca.
Der im Rang eines Botschafters
stehende päpstliche Gesandte
visitierte im August 1941 das „KZ
Prato d’Isarco“ und berichtete
darüber seinen Kirchenoberen.
ein Zufall gewesen sein. Die Gräfin wohnte als Gast im Institut der
Marcelline in Gries und war von ihrem Gemahl und den drei Töchtern
begleitet.
Als Padre Cotta die Soldaten in Blumau besuchte, war er bereits ein
älterer Mann mit schneeweißem Bart. Es wurde erzählt, dass der Geistliche
von allen, unabhängig von der Weltanschauung, geachtet und
respektiert wurde. Er war es, der zum ersten Mal die Namen von rund
150 „katholischen“ Häftlingen aus dem KZ „Prato Isarco“ geschmuggelt
hatte, um sie Gesandtschaften des Vatikans zu übergeben. Pater
Cotta hatte auch geheim verfasste Botschaften von britischen Soldaten
eingesammelt und nach Rom weitergeleitet.
Etliche solcher Schriftstücke (von
August bis Oktober 1941) aus dem
„Campo Prato all’Isarco“ sind im Vatikanischen
Geheimarchiv in Rom aufbewahrt.
45
Aufgrund dieser von Pater Cotta übermittelten
Informationen schickte der
engste Mitarbeiter von Monsignore
Giovanni Battista Montini, Monsignore
Luigi Centoz (1883-1969) vom Informationsbüro
für Kriegsgefangene,
den Apostolischen Nuntius Italiens,
Titular-Erzbischof von Heraclea in Europa,
Francesco Borgongini-Duca (1884-
1954), im August 1941 nach Bozen. 46
Der vatikanische Botschafter wurde
bekannt, als er im September 1936 auf
dem Platz vor der Basilika von Loreto
(Marken) den über den Wallfahrtsort
nach Spanien (Balearen) fliegenden
98
Bombern den päpstlichen Segen erteilte.
Es war der Auftakt für die italienischen
Kriegsvorbereitungen.
Der apostolische Abgesandte traf am
Montag, den 11. August 1941 spätabends
mit dem Auto in der Talferstadt
ein. Er war in Begleitung des Bischofs
Gaetano Melchiori von Loreto und eines
Sekretärs. Sie wurden von Propst
und Stadtpfarrer Monsignore Josef Kalser
(1891-1971) und dessen Mitarbeitern
empfangen. Danach wurden die
hohen Geistlichen aus Rom zur Gästewohnung
in der Propstei gebracht,
wo sie Quartier nahmen. Am nächsten
Tag zelebrierten sie mit Propst Kalser in
der Pfarrkirche (heute Dom) die heilige
Messe.
Der Bozner Propst und Stadtpfarrer
Josef Kalser erneuerte mit einer
Gruppe von Süd-Tiroler Gläubigen
das alte Tiroler Gelübde.
Der vom Koflhof in Aldein stammende Geistliche war der letzte Dompropst
von Bozen.
Am 6. Februar 1944 erneuerte er mit einer Gruppe von Süd-Tiroler
Gläubigen, Dableiblern und Exponenten des anti-nazifaschistischen
„Andreas-Hofer-Bundes“ - darunter Hans Egarter (1909-1966) und Josef
Mayr-Nusser (1910-1945) -, vor dem historischen Herz-Jesu-Bild im
Luftschutzkeller des Marieninternates in Bozen das alte Tiroler Gelübde.
Für den Gottesdienst hatte Egarter ein eigenes Gebet verfasst. 47
Über den hohen vatikanischen Besuch von 1941 brachten die „Dolomiten“
in ihrer Ausgabe vom 13. August auf der Innenseite eine kurze,
etwas versteckte Meldung:
„Die Kirchenfürsten sind im Auftrag des Heiligen Vaters auf Besuche
in Kriegsgefangenenlagern. Von Bolzano [Bozen] fuhren sie gestern
99
100
[Dienstag, 12. August 1941] nach Prato-Tires [Blumau-Tiers] zum Besuche
des dortigen Gefangenenlagers. Der nächste Besuch galt den Studenten
des päpstlichen Seminars, die in Nuova Braies [Bad Neuprags]
auf Sommerfrische weilen. In Udine wird das letzte Gefangenenlager
[Campo P.G. N. 057 di Gruppignano] besucht und hierauf die Rückfahrt
nach Rom angetreten.“ 48
Über seine apostolische Visite in Blumau verfasste Monsignore Francesco
Borgongini-Duca einen Bericht, wobei er auch von den Schwierigkeiten
und Konflikten zwischen den strikt getrennten englischen und
australischen Soldaten berichtete. 49
Von einem weiteren Besuch des Apostolischen Nuntius bei den Kriegsgefangenen
und Internierten erfährt man ein gutes Jahr später. Darüber
referierte Anfang Oktober 1942 auch das offizielle Organ des Vatikans
„Osservatore Romano“:
„Monsignore Borgongini-Duca hat in den letzten Tagen ein Gefangenenlager
von 150 Engländern, Australiern und Neuseeländern besucht,
worunter sich ungefähr zwanzig Katholiken befanden. Sie waren beim
Bau eines Kanals beschäftigt, der einer elektrischen Zentrale Wasser
zuführen sollte. Alle Interessierten wurden versammelt, und der Nuntius
sprach mit ihnen über die lebhafte Teilnahme des Heiligen Vaters für
alle Gefangenen des gegenwärtigen Krieges, ohne Unterscheidung zwischen
Religion, Sprache und Nation. Er sprach ferner von dem Bestreben
des Heiligen Stuhles, den verwaisten Familien Nachrichten durch
das vatikanische Radio zu vermitteln, hörte ihre Fragen und Gesuche
an und übergab dem Pfarrer des Ortes, der zugleich Kaplan des Lagers
war, eine Geldsumme, die im Namen des Heiligen Vaters an alle zu
verteilen war. Den Katholiken übergab der Nuntius eine entsprechende
Zahl von Gebetsbüchern in ihrer Sprache und geweihte Rosenkränze,
ermunterte sie, gutes Beispiel zu geben, das Gebet zu pflegen, fleißig
die Sakramente zu empfangen und erteilte ihnen den päpstlichen Segen.
Hierauf begab sich der Vertreter Seiner Heiligkeit an einen Ort,
wo sich internierte, größtenteils aus dem Gebiet von Ex-Jugoslawien
gebürtige Frauen befanden. Dort wurde der Nuntius vom Präfekten
der Provinz und den Behörden empfangen. Von den rund 70 Frauen
waren 15 Katholikinnen. Der päpstliche
Abgesandte hörte alle an, indem er sie
gemeinsam empfing. Den katholischen
Frauen übergab er Bilder, Rosenkränze
und Gebetsbücher in ihrer Sprache. Allen
erteilte er den pästlichen Segen. Bei
seiner Abreise erscholl der Ruf: ‚Es lebe
der Papst!‘.“
Da diese Meldung auf der Lokalseite
der Tageszeitung „Dolomiten“ wiedergegeben
wurde, kann man annehmen,
dass der Bericht sich auf Blumau bezieht.
50
Wie auch immer - mit dem Gefangenenbesuch
seines Titularbischofs und
Gesandten am italienischen Königshof
in Blumau hatte der Vatikan deutlich
Position bezogen und sich aktiv an der
moralischen und wirtschaftlichen Unterstützung
der Internierten beteiligt.
Der Heilige Stuhl informierte dann die
besorgten Familien in England, Australien
und Neuseeland, dass ihre Lieben
noch lebten und italienische Kriegsgefangene
seien.
Bereits im September 1939 rief
eine „Gruppe Tiroler Patrioten“
mit illegalen Streuzetteln zum Widerstand
„gegen Hitler und Mussolini,
die landfremden Eroberer
Österreichs und des österreichischen
Süd-Tirols“, auf.
101
Soldaten der ANZAC gegen den Faschismus,
für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker
Soldaten der ANZAC gegen den Faschismus,
für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker
V.r.n.l.: Der im KZ „Campo all’Isarco“
internierte Kriegsveteran
Malcolm Reginald Webster (79) mit
seinen Kriegskameraden Len Woolscook
(84) und Bill Waller (83).
Der in Blumau gefangen gehaltene australische
Marinesoldat des „Australian
and New Zealand Army Corps“, Malcom
Reginald Webster (*25. Mai 1920
- gest. 26. Juli 2010), hat über seine
Kriegserlebnisse in Italien einen längeren
Bericht verfasst.
Seinen Militärdienst hatte er auf dem
britischen Torpedobootzerstörer „Hereward“
begonnen. 51
Der „feindliche“ Zerstörer „Hereward“
hatte eine Besatzung von 165
Mann. Am 29. Mai 1941 wurden der
Flak-Kreuzer „Calcutta“ und die Zerstörer
„Hereward“ und „Imperial“ sowie
andere englische Kriegsschiffe in der
Meerenge von Kasou von der reichsdeutschen Luft- und Unterwasserwaffe
massiv bombardiert.
Der britische Torpedobootzerstörer „Hereward“
104
Ein Großteil der Besatzungen, darunter
sehr viele junge Briten und Australier,
fanden bei diesem schrecklichen Bombenhagel
den Tod. Allein 76 Mann der
Hereward-Besatzung starben beim Untergang.
Malcolm R. Webster kam unbeschadet
davon. Ihm war das große Glück vergönnt,
mit anderen 226 Marinesoldaten,
davon 26 Schwerverletzten, dem
Tod entgangen zu sein und von Booten
der italienischen Marine gerettet zu
werden. Sie wurden dann als Kriegsgefangene
nach Rhodos, in damaliges
italienisches Hoheitsgebiet, und später
nach Bari gebracht.
Dort wurden die feindlichen Soldaten
bei ihrer Ankunft am 22. Juni 1941 von
der feindlich gesinnten italienischen Bevölkerung
mit lauten Beschimpfungen,
Schlagstöcken und Steinwürfen empfangen.
Der australische Soldat Malcolm
Reginald Webster im Alter von 23
Jahren in Uniform. Sie wurde ihm
nach seiner Befreiung aus der faschistischen
Gefangenschaft von
piemontesischen Widerstandskämpfern
zur Verfügung gestellt.
Man brachte sie in das Gefangenenlager von Capua (Caserta). Von
dort wurden sie am 12. Juli 1941 mit dem Zug nach Bozen und weiter
nach „Prato Isarco“ transportiert. Das von mehreren Milizangehörigen
bewachte Lager wurde von einem eigenen faschistischen Kommandanten
geführt. Ein Major der Wachmannschaften wurde von den Gefangenen
„Snozzle Durante“ genannt, weil er eine große Nase hatte. Er
dürfte wohl ähnlich wie der amerikanische Komiker und Schauspieler
James Francis „Jimmy“ Durante (1893-1980) ausgesehen haben.
Malcolm Reginald Webster schreibt in seinen Erinnerungen:
105
Die drei australischen Panzergrenadiere
und KZ-Häftlinge in „Prato
Isarco“ Lloyd Ledingham, Carl
und Paul Carrigan im Oktober
1943 in der Schweiz nach ihrer
Flucht aus Italien.
„Das Lager ‚Prato Isarco‘ befand sich in einer alten, stillgelegten Brauerei
mit sehr staubigen Holzgebäuden als Kasernen. Es lag an einem
steilen Berghang mit Blick auf die Etsch [Eisack], die Reichsstraße und
die Eisenbahnlinie.
Diese Eisenbahnstrecke diente der in Nordafrika operierenden deutschen
Wehrmacht. Das Leben und die Bedingungen im Lager, wenn
auch eher primitiv, waren mit ausreichenden Nahrungsmittelrationen
erträglich. Sie wurden durch die Nahrungsmittelpakete ergänzt, die
über das Internationale Rote Kreuz eintrafen. Das Internierungslager
‚Campo di Prato Isarco‘ wurde am 25. Oktober 1941 geräumt. Alle
Kriegsgefangenen wurden mit dem Zug
in das Konzentrationslager P. G. Nr. 57
in Gruppignano in der Nähe von Udine
gebracht.“ 52
Malcolm R. Webster hatte wohl vergessen,
dass im Oktober 1941 der Großteil
der Inhaftierten in Blumau in das Konzentrationslager
„Campo di concentramento
PG 78“ von Sulmona in der Provinz
L’Aquila (Abruzzen) verlegt wurde.
Dem Sitzungsprotokoll Nr. 12 vom 28.
Oktober 1941 (Seite 7: Übersiedlung
der Kriegsgefangenen „Trasferimento
di Prigionieri Guerra“) der Interministeriellen
Kommission für Kriegsgefangene
des italienischen Kriegsministeriums
in Rom kann man entnehmen, dass
von den Faschisten beschlossen wurde,
die englischen Kriegsgefangenen von
„Campo Isarco“ in Blumau auf folgende
Lager aufzuteilen:
106
Lager von Gruppignano (Cividale): die australischen Kriegsgefangenen
und jene aus den Dominions;
Lager von Sulmona: 300 (!) englische Kriegsgefangene;
Lager von Capua (Caserta): die restlichen Kriegsgefangenen. 53
Auszug aus dem Protokoll des faschistischen Interministeriellen Komitees für die
Kriegsgefangenen vom 28. Oktober 1941 (Seite 7, Kapitel: „Trasferimento Prigionieri
Guerra“, Übersiedlung der Kriegsgefangenen). Britische Häftlinge wurden nach wochenlangen
Haftstrafen in Blumau in andere Lager versetzt.
Der im Innenministerium angesiedelten Interministeriellen Kommission
für Kriegsgefangene gehörten folgende Militärs und leitende Beamte
an: Präsident: Divisionsgeneral Giorgio Cristiani; Mitglieder: Legationsrat
Commendatore Giovanni De Astis, Major Cavaliere Renato Allodi,
Schiffskapitän Kommandant Carlo Alberto Coraggio, General Commendatore
Ettore Brocchieri; Beamte und Berater: Oberst Cavaliere Eraldo
Pallotta, Leiter des Amtes für Kriegsgefangene des „Stato Maggiore
Regio Esercito“, Commendatore Dott. Vincenzo Marcolini vom Finanzministerium,
Commendatore Dott. Gaspare Franco, Ministerium für
Volkskultur, Gran Ufficiale Dott. Giuseppe Gneme, Kommunikationsministerium,
Minister Exzellenz Angelo Cassinis vom Gefangenenamt des
Italienischen Roten Kreuzes (CRI). Zudem war anwesend: Oberstleutnant
Cavaliere Ufficiale Giulio Fava.
107
Das italienische Internierungslager „Campo 57“ in Gruppignano, streng bewacht von
italienischen Milizen und Carabinieri. Hier wurden allein 1943 rund 4.600 britische,
australische und neuseeländische Kriegsgefangene festgehalten
Faschistische Milizen vor dem Eingang zum Konzentrationslager in Gruppignano.
108
Beim Konzentrationslager von Gruppignano handelte es sich um das
seit Mai 1941 in Betrieb befindliche Kriegsgefangenenlager Nr. 57 von
San Mauro in der Gemeinde Premariacco.
Einer der ärgsten Gewalttäter in diesem Lager war der Kommandant
der faschistischen Wachmilizen Colonnello dei Carabinieri Vittorio Emanuele
Calcaterra (1880-1944) aus Partanna
bei Trapani (Sizilien). 54
Der von den Briten wegen Verletzungen
der Menschenrechte schwer belastete
Militarist war von 1921 bis 1924
als „Sergente Calcaterra“ mit dem in
Gries stationierten 232. Infanterieregiment
in Südtirol.
Seit 1941 war Calcaterra auch Hauptmann
des Konzentrationslagers von
Gorizia (Görz). Die Haftbedingungen
und Strafen waren sehr schlimm. Die
Gefangenen von „Campo 57“ bezeichneten
ihn als „Sadist, Biest und Mörder“.
Lebensmittelkonserve
All diese und andere, nicht weniger schwerwiegende Anklagen der
Inhaftierten lassen erkennen, dass die Haftbedingungen extrem hart
waren. Viele waren an den unmenschlichen Bedingungen gestorben.
Andere hatten sich das Leben genommen.
Die vom Internationalen Roten Kreuz den Gefangenen gelieferten „lebensrettenden
Nahrungsmittelpakete“, zumeist Konserven, wurden im
Lager von Gruppignano von den italienischen Wachen vielfach absichtlich
vernichtet.
Im „Campo Isarco“ in Blumau hingegen war es zur Gewohnheit geworden,
dass die faschistischen KZ-Wachen die für die Häftlinge eingetroffenen
Pakete des Roten Kreuzes für eigene Zwecke entwendeten.
109
Wegen Entwendung von Paketen, die zur Häftlingsversorgung dienen sollten, zündete
der australische Internierte Lloyd Moule im KZ „Campo Isarco“ die Holzstiege an.
Dr. Katrina Kittel von der Universität Newcastle,
Mitglied der australischen Historikerkommission
und Forscherin über die POW-Kriegsgefangenen
in Italien, mit dem im „Campo No 93“ (No118)
in Blumau internierten Kriegsgefangenen Lloyd
Haig Moule. Nach der Kapitulation 1943 war er
mit anderen britischen Armeeangehörigen aus
Italien geflüchtet.
110
Um gegen solche Missetaten zu protestieren versuchte der australische
Internierte Lloyd Haig Moule (1918-2016) aus Armidale (New South
Wales), eine hölzerne Stiege in Brand zu stecken. 55
Kriegs- und Gefangenenreport von Lloyd Haig Moule
Die in den italienischen Lagern erlebten
Brutalitäten haben die meisten Gefangenen
zeitlebens nicht mehr losgelassen.
Die Tochter von Laurie Wolter
schrieb am 1. Februar 2014, dass ihr
Vater sowohl im „Campo d’Isarco“ als
auch im „Camp 57“ inhaftiert war:
„He died in 1954 as a result of the treatment
and brutality suffered in these
camps.“ Zu Deutsch: „Er starb 1954
infolge der Behandlung und Brutalität,
die er in diesen Lagern erlitten hatte.“
Kriegsgefangene im Konzentrationslager
„Campo 57“. Viele
dieser Soldaten waren vorher im
Lager „Campo Prato Isarco“ in
Blumau. (Bildnachweis: Lee Hill)
111
An den „Campo 57“ erinnert in Gruppignano heute noch eine Kapelle,
die nach einer Idee des Militärkaplans Padre Giovanni Cotta (1883-
1976) von den Gefangenen 1943 erbaut wurde.
Von Häftlingen gebaute Kapelle im Internierungslager Gruppignano (Bild: Familie
Carrigan)
Das von den Gefangenen aus Australien gefertigte Holzkreuz der Kapelle in Gruppignano.
Das Kreuz ist hinter Glas aufbewahrt.
Auf dem Rücken des Holzkreuzes haben alle britischen und australischen Soldaten
ihre Unterschrift angebracht. Im Bild sieht man die Signatur von Carl Carrigan und
Ron Fitzgerald. Die Bilder stammen aus dem Reisebericht der Familie Carrigan
112
Viele Gefangene waren nach dem Krieg zu sehr traumatisiert, um von
ihren Erlebnissen in Italien zu erzählen. Der in „Prato Isarco“ und in
Gruppignano inhaftierte australische Soldat und Farmer Carl (Alexander)
Carrigan (1913-1968) aus der Stadt Moree im australischen Bundesstaat
New South Wales fand dennoch die Kraft, seinen schweren
Leidensweg seinen Kindern zu erzählen.
Carl Carrigan erzählte seinen Kindern vom italienischen Gefangenenlager „Campo
Isarco“ in den Tiroler Alpen.
Vieles erfuhren die Kinder und Enkelkinder von Carrigan auch, weil der
Mithäftling und Freund ihres Vaters, Ron Fitzgerald, über die Kriegsund
Hafterfahrungen ein Tagebuch geführt hatte. Cate Carrigan, eine
bekannte australische Journalistin und Tochter von Carl Carrigan, hielt
die Gefangenschaft und Flucht ihres Vaters aus Italien in einem langen
Bericht fest. 56
An Bord des britischen Dampfturbinenschiffes beziehungsweise des
Truppentransporters „Orion“ haben Carl Carrigan und sein Bruder Paul
Gerald (1917-1972) und ihre drei Freunde Lloyd Ledingham, Ron Ma-
113
Mit dem Schiff Orion wurden
die australischen Soldaten zu
den Schlachtfeldern in Afrika
gebracht. Am Ende des Zweiten
Weltkrieges hatte Australien
35.000 Tote zu beklagen. Sie haben
auch für die Freiheit Europas
gekämpft.
cIntosh und Ron Fitzgerald mit anderen
Soldaten des Panzerregiments „2/3
Australian Anti-Tank Regiment“ und
des australischen Truppenregiments
„Australian and New Zealand Army
Corps“ „ANZAC-Force“ am 14. November
1940 Australien verlassen. Vom
Hafen von Pyrmont in Sydney fuhren sie
im Dunkel und in der Stille der Mitternacht
mit dem vollbesetzten Schiff in
den Nahen Osten. Dort landeten sie am
18. Dezember 1940 um 11 Uhr im Hafen
von Haifa, das damals von Arabern
und Juden strikt getrennt bewohnt
war. Von dort wurden sie dann nach
Ost- und Nordafrika gebracht. Die Panzertruppe
war von Oberstleutnant Jack Argent (1905-2004) angeführt.
Die Gebrüder Carl und Paul Carrigan waren mit Ron Fitzgerald und
anderen 13 Soldaten aus dem Nordosten Australiens beim Wüstenfort
El Mechili in Libyen am 8. März 1941 von den Italienern - mit entscheidender
Hilfe der deutschen Truppen von Generalmajor Ernst Bolbrinker
(1898-1962) und unter Führung des Afrikakorps des Generals Erwin
Rommel - in Haft genommen worden.
Zunächst hatte man die australisch-britischen Soldaten von Bengasi
mit italienischen Schiffen nach Neapel oder mit einem Flugzeug nach
Capua (Caserta) zum Lager „Campo Pg 66“ und dann nach Sulmona
(Aquila-Abruzzen) zum Lager „Campo di concentramento PG 78“ gebracht.
Dort wurden sie harten Verhören unterzogen und dann am 17. Juli 1941
mit dem Zug nach Südtirol transportiert und in Blumau im „Campo
Prato Isarco“ eingesperrt.
114
Prisoners-of -War-Report des australischen Soldaten Carl Carrigan, Gefangener vom
18. Juli bis 25. Oktober 1941 im Konzentrationslager „Prato Isarco“ in Blumau.
115
Reste des einstigen Konzentrationslagers „Campo Isarco“ in Blumau
In diesem Lager nahe des Tierser Baches, auch Breibach genannt, wurden
die Australier unterschiedlich lange, nicht selten mehr als neunundneunzig
Tage festgehalten.
Die letzten Gefangenen waren am 26. Oktober 1941 nach Gruppignano
in das Lager „Campo 57“ überführt worden. Viele kamen dann am
11. April 1943 in das Arbeitslager „Campo 106“ nach Selve bei Vercelli.
Carl und Paul Carrigan, Ron Fitzgerald und mit ihnen namentlich Ron
McIntosh, Lloyd George Ledingham (* 15. Februar 1919) und Lloyd
Haig Moule (* 24. Dezember 1918) und vielen anderen POW’s war es
gelungen, am 9. Oktober 1943 vom Internierungslager in Vercelli über
die Alpen in die Schweiz zu flüchten.
Die Geschichte dieser Australier sandte Simon Tancred im Auftrag von
Michael und Cate Carrigan, Sohn und Tochter von Carl beziehungswei-
116
Der junge Soldat Paul Gerald Carrigan aus dem australischen Bundesstaat New
South Wales war vom 28. Juni 1941 bis 27. Oktober 1941 in „Bolzano“ im „Campo
d’Isarco“ interniert.
se Neffe und Nichte von Paul Carrigan,
an Dr. Enrico Pagano, Direktor des Institutes
für Geschichte des Widerstandes
in Vercelli (Istituto per la storia
della Resistenza e della società contemporanea
nel Biellese, nel Vercellese
e in Valsesia).
2013 begab sich eine Gruppe von Familienangehörigen
der Gebrüder Carl und
Paul Carrigan auf die Reise nach Italien,
um die Leidensorte ihrer Vorfahren zu
besuchen und zu erforschen. Der ein-
Der 23-jährige Lloyd Haig Muole
aus Armidale (New South Wales)
117
Ron Fitzgerald, Paul und Carl Carrigan nach ihrer Flucht aus Italien über die Alpen
im Oktober 1943 in Adelboden. In der Schweiz konnten sich die Australier wieder
frei bewegen.
zige Ort, wo sie wenige bis keine Informationen über das Konzentrationslager
„Prato Isarco“ erhielten, war in der Stadt Bozen. Auf Anfrage
beim Tourismusamt sagte man ihnen, dass es in „Prato d’Isarco“
vom „Campo“ nichts mehr gebe. Stattdessen leitete man die Australier
zum ehemaligen Polizeilichen Durchgangslager (Lager Nr. 118) in der
Reschenstraße weiter. Niemand konnte den Frauen und Männern aus
Australien eine genaue Auskunft erteilen. In ihrem Reisebericht schrieben
sie dann Folgendes:
„[…] Für die gefangenen Männer aus den flachen Ebenen des Nordostens
Australiens muss es [in Bozen] ein unglaublicher Anblick gewesen
118
sein. […] Zusätzlich zu der majestätischen Schönheit der Bergkette,
betrachten wir festungsähnliche Gebäude und Schlösser auf gefährlichen
Klippen, hübsche Bergdörfer und sorgfältig gepflegte Bauernhöfe
mit kultivierten Weinstöcken, Apfelbäumen und anderen Kulturen.
Eine wirklich schöne Landschaft. […] An den Wänden [des ehemaligen
Durchgangslagers in der Reschenstraße] waren zahlreiche Fotos und
Kopien von Dokumenten zur Geschichte des Lagers zu sehen. […] Nach
dem Waffenstillstand von 1943 wurden in Italien zusammengetriebene
jüdische Leute in dieses Lager geschickt, wobei viele nach Deutschland
und Auschwitz kamen. Es gibt aber nichts über die australischen
Kriegsgefangenen. Diese Erinnerung an die Leiden anderer in dieser
Zeit ist ein pointierter Hinweis auf die vielen Geschichten des Krieges.“
Nachdem der wahre Ort des Lagers „Campo d’Isarco“ bekannt geworden
war, kamen in den letzten Jahren Nachfahren von australischen
Häftlingen zu Besuch nach Blumau. 57
119
Statthalter Agostino Podestà als
Mitverantwortlicher des Lagerbaues
und der Psychiatriepatienten-Abschiebung
121
Statthalter Agostino Podestà als
Mitverantwortlicher des Lagerbaues und der
Psychiatriepatienten-Abschiebung
Agostino Podestà aus Novi Ligure,
der mit eiserner Hand herrschende
„Regierungsstatthalter
des römischen Brennerogebietes“.
Er hatte alles in die Wege
geleitet, um im Frühsommer 1940
rund 450 Südtiroler Heilbedürftige
nach Zwiefalten abzuschieben.
Er war maßgeblich an der Verfolgung
der Südtiroler beteiligt.
Benito Mussolini hatte seit 17. Februar
1940 in Bozen einen neuen Präfekten
und Hochkommissar für die Umsiedlung
der Südtiroler eingesetzt. Es war der
aus Novi Ligure (Alessandria) gebürtige
Squadrist Agostino Podestà (1905-
1969), der zu den fürchterlichsten
Satrapen des faschistischen Regimes
zählte. Als Nachfolger des vom harten
Kern der Faschisten abgesetzten Bozner
Präfekten Giuseppe Mastromattei
(1897-1986) war er verantwortlich für
die Umsetzung des Lagerprojektes in
Blumau und für die Beschleunigung der
Zwangsaussiedlung der Südtiroler, darunter
der Psychiatriepatienten. Vor seinem
Wechsel nach Bozen war er Parteisekretär
der Faschisten in Verona und
Padua und danach Präfekt in Arezzo
und Perugia. In den 1930er Jahren war
er Vizegeneralsekretär der Studentenorganisation „Gruppo Universitario
fascista“ (GUF) und der rechtslastigen „Confédération internationale
des étudiants“ (CIE).
Später gehörte er der Zentralleitung („Direttorio Nazionale“) der Faschistischen
Partei in Rom an. Er war auch einer der wenigen Duzfreunde
Mussolinis. In Bozen blieb der Oberfaschist bis Ende Dezember
122
1942. Seit Anfang Jänner bis zum 20. August 1943 war er Regierungsstatthalter
im besetzten Quarnero (Fiume).
1946 wurde er wegen mehrerer Delikte vor das Kriegsgericht gestellt.
Obwohl er unter anderem wegen Veruntreuung von Geldern angeklagt
war, wurde er vollkommen freigesprochen. Danach übersiedelte Podestà
nach Uruguay, wo er viele Jahre als Unternehmer tätig war. Schließlich
kehrte er nach Italien zurück, wo er am 18. Dezember 1969 in Novi Ligure
starb. Bozen muss ihm gut in Erinnerung geblieben sein. Auf eigenen
Wunsch hin wurde er auf dem Bozner Friedhof in Oberau bestattet. 58
Die Spuren, die Agostino Podestà in Bozen hinterlassen hatte, waren
aber alles andere als rühmlich. Während seiner Amtszeit wurde nicht
nur das Blumauer Zwangslager errichtet, es passierten auch sonst
schreckliche Vorfälle, hauptsächlich rund um die Umsiedlung der Südtiroler
Optanten.
Der Duce hatte ihn mit der Aufgabe einer „schnellen und genauen
Umsetzung des unveränderlichen Willens des Regimes“ betraut, die
Deutsch-Südtiroler auszusiedeln. 59 Die Optanten sollten so rasch wie
möglich über den Brenner hinausgeschoben werden. Das durfte Agostino
Podestà allerdings nicht laut sagen, denn Italien machte gute Miene
zum bösen Spiel. Hinter den Kulissen ließ der Präfekt keine Woche
vergehen, in welcher er nicht für eine Erleichterung und Beschleunigung
der Optionsverfahren bei seinen Nazifreunden intervenierte.
Neben der Aussiedlung „kriegstauglicher“ Rekruten hatte Podestà
vorrangig auf die rasche Abwanderung von „vermögenslosen“ und
„unterstützungsbedürftigen“ Südtirolern gedrängt. Davon betroffen
waren besitzlose, minderbemittelte, schwache und psychisch kranke
Menschen, die ohnehin einen schweren Stand und Leidensweg hinter
sich hatten. Denn die faschistische Denk- und Verhaltensweise hielt von
Anfang an Geistesgestörte, Demenzkranke, Behinderte, Asoziale und
Insassen der Heilanstalten und Armenhäuser im Allgemeinen für untauglich
und minderwertig, gar lebensunwert.
123
In diese unmenschliche Einstellung passt die zynische Argumentation
des Präfekten, dass „Geisteskranke und Sozialempfänger eine große
Belastung für die Gemeinden darstellen: denn die Armenhäuser sind
überfüllt, die Einnahmen der Gemeinden aber verringert.“ 60
Die ersten, die diese ungeheuerliche Umsiedlung betraf, waren die in
der Heilanstalt Pergine (Valsugana, Trentino) und Stadlhof (Pfatten,
Südtirol) untergebrachten Psychiatriepatienten, deren Angehörige für
die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft optiert hatten. Mehr darüber erfährt
man im Buch von Maria Fiebrandt, „Auslese für die Siedlergesellschaft“
(Göttingen 2014) und von Stefan Lechner, „Die Absiedlung der
Schwachen in das ‚Reich‘“ (Innsbruck 2016).
Der faschistische Präfekt Dr. Agostino Podestà (rechts) am Bahnhof von Bozen im
Gespräch mit dem Psychiater Dr. med. Dr. jur. Wilhelm Schneider (1889-1974). Der an
den Wittenauer Heilstätten in Berlin tätige Oberarzt war seit Dezember 1939 von der
nationalsozialistischen Reichsärztekammer (RÄK) und der „Volksdeutschen Mittelstelle“
(VoMi) als Leiter der Umsiedlung der „Geisteskranken“ aus den „volksdeutschen
Siedlungsgebieten“ (z. B. aus dem Baltikum und Südtirol) eingesetzt worden. (Bild:
Bundesarchiv Berlin, R 49/2265 und Karteikarte Schneider im RAR, R 69/106, Bl. 26)
124
Der erste Abtransport der Patienten erfolgte am Sonntag, den 26. Mai
1940 um 4.30 Uhr (Walter Simek, nach anderen Quellen um 6.40 Uhr)
vom Bahnhof in Pergine. Der Zug hielt dann am Bozner Bahnhof an,
damit der „Präfekt von Bolzano“ und seine Mitarbeiter sich persönlich
über die „Kollektivübersiedlung der Pfleglinge“ („trasferimento collettivo
nel Reich“) ein Bild machen konnten.
Zwölf Frauen der Vereinigung „Donne fasciste Bolzano“ verteilten an
jeden Patienten für die Reise eine Provianttasche.
Die rund 299 Kranken (160 Männer und 139 Frauen) und weitere 40
Insassen eines Bozner Pflegeheimes in der Trientstraße wurden von
italienischen und deutschen Pflegern und Ärzten mit dem Zug nach
Zwiefalten bei Stuttgart (Baden-Württemberg) gebracht. 61 Hier wurden
die Patienten im ehemaligen und zu einer „Irrenanstalt“ umgebauten
Benediktinerkloster untergebracht.
Später kamen 150 Hilfsbedürftige aus der alten k. k. Heilanstalt Stadlhof
von Pfatten.
Unter der Regentschaft von Agostino Podestà waren auch die Deutschland-Optanten
des Jesuheims in Girlan ausgesiedelt worden. Mit
diesem Hintergedanken hatte der Präfekt am 11. Dezember 1940 in
Begleitung örtlicher Faschisten das Jesuheim besichtigt, „wo die Unheilbaren
untergebracht sind“ (Alpenzeitung, 12. Dezember 1940, XIX,
S. 3. Siehe auch Stefan Lechner, „Die Absiedlung der Schwachen in
das Reich, Kapitel: Die Absiedlung der Deutschland-Optanten im Jesuheim“,
2016, S. S. 178-184).
Nach dieser Visite forderte Podestà am 7. Jänner 1941 „die endgültige
Lösung des Problems der Geisteskranken, die sich in Girlan befinden“
(Lechner, S. 178). Daraufhin wurden die „Unheilbaren“ des Girlaner
Jesuheims - die zwanzig und mehr Jahre im Hause eine zweite Heimat
gefunden hatten - nach Deutschland gebracht. Einiges davon kann
man in dem von Dr. Josef Innerhofer verfassten Jubiläumsbuch „Sonne
im Schatten“ (Athesia, Bozen 2007, S. 112-114) lesen. Obwohl Regi-
125
Mit grau lackierten Bussen wurden
die Kranken und Behinderten
in den staatlichen Heilanstalten
abgeholt.
me und Daten etwas durcheinandergebracht wurden, zitiert er den aus
Bruneck stammenden Universitätsprofessor Dr. Hartmann Hinterhuber
(„Ermordet und vergessen. Nationalsozialistische Verbrechen an psychisch
Kranken und Behinderten“, Innsbruck-Wien 1995, S. 97):
„Am 25. März 1941 wurden […] um 5 Uhr morgens acht Pfleglinge
des Jesuheimes von Girlan abgeholt und in einen LKW verfrachtet. Der
Zielort wurde nicht angegeben, eine Begründung abgelehnt.“ Genaueres
erfährt man in der vom Geistlichen Rudolf Posch geleiteten Tageszeitung
„Dolomiten“ vom 29. März 1941, Seite 4, „Abschied vom
‚Jesuheim‘ “. Es waren nicht acht, sondern neun Pfleglinge die abgeholt
wurden: „[…] drei [von zwölf Betroffenen] waren in letzter Stunde
als nicht transportfähig ausgeschieden worden. Mit Wehmut sahen
die Zurückbleibenden den Scheidenden nach und winkten ihnen ein
herzliches ‚Lebt wohl!‘ zu. Auf Wiedersehen dereinst im ‚Jesuheim‘ im
Himmel!“.
Hatten die Schwestern ein schreckliches Ende ihrer Patienten vorausgesehen?
Es dürfte wohl klar sein, dass ohne die Genehmigung („trasferiti in
Germania“) des Präfekten Agostino Podestà kein Mensch ins Dritte
Reich auswandern konnte, schon gar nicht Pfleglinge des Girlaner Pflegeheimes
oder einer anderen Heilanstalt.
Am 2. September 1942 war bei den
wohl wegen dieser Ereignisse tief erschütterten
Schwestern im Girlaner
Jesuheim der famose antifaschistische
und deutsch- und slowenenfreundliche,
in Meran zur Schule gegangene Erzbischof
Luigi Fogàr (1882-1971) zu Besuch.
Die meisten Pfleglinge wurden nach
Schönbrunn bei Dachau und Zwiefalten
gebracht.
126
Seit August 1940 war in der Heilanstalt
Zwiefalten die Medizinalärztin Dr.
Martha Fauser (1900-1975) tätig, die
keine große Erfahrung in der „Irrenpflege“
hatte. Nebenbei war sie Kreissachbearbeiterin
für das Rassenpolitische
Amt in der NS-Frauenschaft. Sie hatte
zugelassen, dass allein im Jahr 1940
nicht weniger als 21 Transporte (sogenannte
Graue Busse) mit insgesamt
1.000 Patienten von der Staatlichen
Heilanstalt zum nur eine halbe Stunde
entfernten Schloss Grafeneck auf
der Schwäbischen Alb bei Münsingen
transportiert wurden. Hier erwartete
sie der sichere Tod. 62
Kanonikus Michael Gamper (1885-
1956), Rudolf Posch (1887-1948) und
anderen Mitarbeitern des Verlagshauses
Athesia war von Angehörigen psychisch
Kranker der furchtbare Verdacht zugetragen
worden, wonach einzelne Patienten
in Zwiefalten in andere Anstalten (Schussenried,
Weissenau) verlegt und dort beseitigt
wurden. Zunächst schien für die
in Südtirol wie Maden im Speck lebenden
italienischen Faschisten und deutschen
Nationalsozialisten (NSDAP- und
ADERSt-Funktionäre) alles in Ordnung,
bis in den „Athesia-Medien“ mehrere
Artikel über die Euthanasie erschienen. 63
Kanonikus Michael Gamper und
Rudolf Posch, Präsident und Direktor
der Athesia und Redakteure
der „Dolomiten“ und des
„Volksboten“, lösten den ersten
Alarm gegen die Euthanasie (Aktion
T4) aus. Beide Geistlichen
und Tiroler Patrioten wurden von
den italienischen Faschisten wie
von den deutschen Nationalsozialisten
arg verfolgt.
127
128
Die „options- und umsiedlungsfeindlichen“ katholischen Blätter der
Athesia standen ohnehin bereits seit längerer Zeit im Visier der Nationalsozialisten.
„Diesen Lemuren [Totengeister] muss jetzt entscheidend
der publizistische Lebensfaden abgeschnitten werden“, hatte der von
den Berliner Junkern manövrierte Südtiroler NS-Frontmann Peter Hofer
(1905-1943) bereits am 26. Jänner 1940 in einem Schreiben an den
Leiter der ADERSt, Wilhelm Luig (1900-1949), verlangt. 64
Der Obersturmbannführer versäumte keine Zeit, um von Bozen aus seinen
Vorgesetzten in der Berliner Reichszentrale über die „neuerliche
Hetze des deutschsprachigen Blattes Dolomiten- Volksbote“ zu benachrichtigen.
65
Doch die wahren von Rom eingesetzten Verantwortlichen für das Geschehen
in Südtirol waren der Präfekt Agostino Podestà und der Unterstaatssekretät
Guido Buffarini-Guidi und ihre Gefolgsleute in den
Staats-, Provinz- und Gemeindeorganen. Einer ihrer treuesten Gesinnungsgenossen
war der Alpinileutnant, Podestà von Tscherms, Marling
und Klausen, Vorsteher der Grenzliga, Sekretär Tolomeis und Schriftleiter
des „Archivio per l’Alto Adige“, Professor Paolo Drigo (1897- um 1972)
aus Padua. Bereits am 1. Juni 1925 hatte er in der „Idea Nazionale“
Mussolini aufgefordert den „deutschen Barbaren“ im Etschland das
„italienische Rassebewusstsein und die italienische Kultur“ aufzunötigen.
Im „Alto Adige“ müsse „eine starke, unverfälschte italienische
Zivilisation geschaffen“ und „das Deutschtum an der Wurzel ausgerottet“
werden. Dabei „müssen wir [Italiener] uns nicht allzusehr darüber
Gedanken machen, was die Deutschen sagen.“ Für den nach dem Kriege
weiterhin ungestört wirkenden faschistischen Publizisten „gehört das
Gebiet des Alto Adige Italien, [darum] kann es dort tun und lassen,
was es will“ (P. Drigo, Claustra Provinciae, Tivoli 1934). So dachte und
handelte auch der in seiner ideologischen Primitivität von den NS-Umsiedlungsemissären
kaum zu unterscheidende Präfekt Agostino Podestà,
während seiner relativ kurzen Amtszeit in der Provinz Bozen. In einem
mit dem Stempel der Präfektur signierten Schreiben vom 12. Mai 1941
bedrohte er die „Athesia“ mit der Einstellung des „Volksboten“. Begründung:
der „Volksbote“ hatte sich in einem Artikel gegen die „von der
öffentlichen Obrigkeit angeordnete Tötung von Personen“ gewandt,
„die infolge geistiger und körperlicher Gebrechen nicht mehr fähig sind,
der Nation zu nützen, sondern die eher als Last sowie für ein Hindernis
der Kraft und Stärke derselben erachtet“ wurden. Außerdem hatte der
„Volksbote“ zwei Artikel veröffentlicht, in denen die Liebe zur Heimat
und die Anhänglichkeit an Haus und Hof zum Ausdruck kamen. „Ich verwarne
Sie in aller Form noch weiterhin Aufsätze zu veröffentlichen, die
in irgendeiner Weise unsere mit den deutschen [nationalsozialistischen]
Kameraden wegen der Frage des Alto Adige bestehenden Beziehungen
stören können“, so der Regierungvertreter Agostino Podestà. (Die Zitate
sind einem Artikel von Kanonikus Michael Gamper im „Volksboten“
vom 13. November 1945 entnommen.) Im Fadenkreuz der italienischen
und deutschen Umsiedlungsbehörden in Bozen und der Gestapo in Innsbruck,
bis hinauf zu den höchsten Stellen der NSDAP in Berlin und München,
standen auch die „Katholische Aktion“ von Bozen und die von der
„Athesia“ gedruckte katholische „Jugendwacht“. Im Beobachtungsfeld
des NS-Presseamtes befanden sich besonders die höchstwahrscheinlich
vom Jugendführer und Jugendwacht-Redakteur Josef Mayr-Nusser
verfassten Artikel gegen den Krieg („Gedanken zu einem Brief von der
Ostfront“) und den Missbrauch der Kirche durch die Herrschenden.
Eine der ersten Maßnahmen des seit September 1943 in Bozen im
Medienbereich unerbittlich waltenden SA-Oberstandartenführers und
Berliner/Münchner Medienmannes Paul Kurt Schönwitz war die Schließung
des Athesia-Verlagshauses und die Deportierung maßgeblicher
Redaktionsmitglieder in das KZ Dachau.
Der Protest des Südtiroler Medienhauses gegen die „Euthanasie“ gehört
zu den höchsten europäischen Beispielen für den aktiven Widerstand
gegen Nationalsozialismus und Faschismus.
129
Der ungewöhnlich kräftige Alarm, den die an christlich-sozialen Werten
und am Vaterland Österreich orientierte Presse Südtirols über den
Euthanasie-Verdacht geschlagen hatte, fand wie niemals zuvor ein
wahrhaft überraschendes Echo besonders im Vatikan. Bezeichnend war
auch, dass diese Meldung im „Osservatore Romano“ in großer Evidenz
erschien.
Die Papiere, einschließlich der Optionserklärungen, mit denen harmlose
und schwache Südtiroler Menschen nach Deutschland geliefert wurden,
hatten die bewusste und blutbefleckte Unterschrift italienischer,
faschistischer Tyrannen.
Der wagemutige Weckruf der deutschen Presse Südtirols stellt eine
unerschrockene Verteidigung der Rechte der Menschen während des
faschistischen und nationalsozialistischen Regimes dar.
Trotz Geheimhaltung ließen sich die Euthanasieverbrechen im Deutschen
Reich nicht dauerhaft vor der Öffentlichkeit verbergen. Wie sich
später herausstellte, hatten die im Umkreis des Widerstandsvereins
„Andreas-Hofer-Bund“ (AHB) agierenden Journalisten des Verlagshauses
„Athesia“ nicht Unrecht.
Der jüdische Forscher und langjährige Leiter des „International Centre
for Holocaust Studies“, Yehuda Bauer, hebt in seinem hervorragend
geschriebenen Buch über den Holocaust hervor, dass der Protest der
Kirche gegen die Euthanasie Erfolg hatte und diese im August 1941 -
zur Zeit des Angriffs auf die Sowjetunion - gestoppt wurde, zumindest
offiziell. 66
Nicht aufgehalten werden konnten die weiteren Schandtaten und Vergehen
gegen die Südtiroler und die Geiselhaltungen im Lager in Blumau
und im Bozner Kerker.
130
Slawische Häftlinge im Lager
„Campo di concentramento Prato Isarco“
Slawische Häftlinge im Lager
„Campo di concentramento Prato Isarco“
Im Konzentrationslager von Blumau waren neben den britischen Internierten
auch Gefangene aus dem ehemaligen Jugoslawien eingeschlossen.
Hierfür gibt es einen Beweis durch das Internationale Komitee vom
Roten Kreuz in Genf.
Bereits am 17. Juni 1941 hatte das Kriegsgefangenenamt „Agence des
Prisoniers de guerre/Ufficio Prigionieri di guerra“ des italienischen Roten
Kreuzes der italienischen Regierung beziehungsweise dem faschistischen
Senator und Präsidenten der Interministeriellen Kommission für
Kriegsgefangene, General Ambrogio Clerici (1868-1955), 67 die Präsenz
von Gruppen nichtmilitärischer Zivilisten (junge und alte Menschen als
Gefangene im nichtmilitärischen Alter) in den italienischen Kriegsgefangenenlagern
mitgeteilt.
Bei den in Blumau internierten Gefangenen handelte es sich vornehmlich
um ältere und jüngere serbische Dorfbewohner, die in der serbisch-kosovarischen
Stadt Prizren gefangen genommen wurden. Prizren
befindet sich im Süden des Kosovo am Fuß der Šar Planina unweit
des wichtigsten Grenzübergangs zu Albanien.
Nachfolgend der italienische Originaltext der Mitteilung der „Croce
Rossa“ (Rotes Kreuz) an die italienische Regierung:
„Durante la visita del Delegato del C.I.C.R. [Comitato Internazionale
Croce Rossa] a Campi di prigionia ex-Jugoslavia dell’Italia Settentrionale
sono stati rinvenuti specie nei campi di Gorizia (ora trasferito a Gruppignano)
e di Prato all’Isarco, nuclei di civili, molti dei quali di età non militare,
variando questa dai 74 ai 15 anni.“ 68
132
Übersetzung: „Während der Visite seitens einer Abordnung des IKRK
[Internationalen Komitees vom Roten Kreuz] in oberitalienischen Gefangenenlagern
aus dem ehemaligen Jugoslawien wurden in den Lagern
von Görz (jetzt nach Gruppignano übersiedelt) und Blumau Gruppen
von Zivilisten vorgefunden, viele von ihnen in nichtmilitärischem Alter
zwischen 74 und 15 Jahren.“
Nach diesem vertraulichen Schreiben des Internationalen Komitees vom
Roten Kreuz an die italienische Regierung kam Bewegung in die Sache:
Am 8. Juli 1941 begleitete der Lagerkommandant die im „Campo
d’Isarco“ festgehaltenen serbischen Zivilisten aus Prizren zur Präfektur,
damit sie den Dispositionen des Roten Kreuzes und des Generalstabes
der italienischen Armee entsprechend in ihre Heimatländer zurück gebracht
würden. Doch in Erwartung genauer Anweisungen durch das
Innenministerium wurden die serbischen Zivilisten auf Befehl des mit
eiserner Hand waltenden Präfekten Agostino Podestà vorübergehend
in das Bozner Gefängnis in der heutigen Dantestraße überstellt. 69
Im Juli 1941 wandte sich der Bozner Präfekt mit einem Telegramm an
das Innenministerium. Die Antwort kam erst nach drei Wochen. Das
von Benito Mussolini geführte Innenministerium teilte dem Präfekten
von „Bolzano“ in dem mit 29. Juli 1941-XIX datierten Schreiben (Nr.
443/78995) mit dem Betreff „Radosavljevich Blaja di Ilija ed altri serbi
già internati nel campo di concentramento di Prato Isarco“ (Zu Deutsch:
Radosavljevich Blaja von Ilija und andere im Konzentrationslager von
Prato Isarco internierte Serben) Folgendes mit:
„Presa conoscenza di quanto è stato riferito con la nota suindicata si prega di
esaminare la possibilità di rimpatriare gli stranieri in oggetto, prendendo al riguardo
opportuni accordi con le autorità di occupazione. Ove ciò non sia possibile si prega
di informarne il Ministero per le ulteriori determinazioni. Ordine del Ministero.“
133
Übersetzung: „Nachdem wir die in dem oben genannten Vermerk erwähnten
Informationen zur Kenntnis genommen haben, bitten wir die
Möglichkeit einer Rückführung der betreffenden Ausländer zu prüfen
und diesbezügliche Vereinbarungen mit den [faschistischen] Besatzungsbehörden
zu treffen. Wenn dies nicht möglich ist, informieren Sie
bitte das Ministerium und warten Sie auf weitere Weisungen. Anordnung
des Ministeriums.“
Wäre es allein nach den Weisungen des Innenministeriums gegangen,
sollten die serbischen Zivilisten in ihre Herkunftsländer zurückgebracht
werden. Doch es scheint, dass das römische Kriegsgefangenenamt mit
seinen Vorstellungen bei den örtlichen faschistischen Behörden nicht
zum Zuge kam.
Nach mehr als sieben Monaten meldete sich das Innenministerium erneut.
Da die von der örtlichen Präfektur eingeleiteten Identifizierungsund
Repartriierungspraktiken zu keinem Ergebnis geführt hatten, ordnete
das Ministerium die Überstellung der serbischen Zivilpersonen in
das Konzentrationslager von Tollo in der Provinz Chieti (Abruzzen) an. 70
Bereits am 20. Februar 1942 war bei der Präfektur in Bozen ein weiteres
Schreiben (Nr. 443/106650) des Innenministeriums mit folgendem
Inhalt eingelangt:
„Questo Ministero dispone che le sottonotate persone
siano internate nel campo di concentramento di Tollo (Provincia di Chieti),
dove dovranno essere tradotte a cura della Questura di Bolzano
[Lista allegata internati civili serbi].
Ai predetti, se indigenti, dovrà essere corrisposto il sussidio giornaliero
nella nota misura.
D’Ordine del Ministro F/to [Commendatore Epifanio] Pennetta.“ 71
134
Deutsche Übersetzung: Dieses Ministerium ordnet an, dass die unten
angeführten Personen in das Konzentrationslager von Tollo (Chieti)
überführt werden, wo sie unter der Leitung der Quästur von Bozen
hingebracht werden müssen [Es folgt eine Namensliste der internierten
serbischen Zivilisten]. Den Genannten muss, sofern sie bedürftig sind,
die bekannte tägliche [Geld-] Zusatzentschädigung [laut Kriegsgesetz
„Trattamento dei sudditi nemici internati“, 10 agosto 1940] zugesprochen
werden. Anordnung des Ministers, gezeichnet [Comm. Epifanio]
Pennetta.
Am Ende des Schreibens wurde hinzugefügt, dass sich das Original
dieses Schreibens im Akt „Bolzano-Provvedimenti da adottare in casi
di guerra a carico di stranieri - I. 4. 21.“ (Zu Deutsch: „Bolzano - Im
Kriegsfall durchzuführende Maßnahmen gegenüber den Fremden“) befindet.
Am 5. März 1942 wurden folgende serbische Häftlinge in Begleitung
von Militäroffizieren von Bozen nach Tollo (Chieti) überführt:
Radosavljevich Blaja
Radosavljevich Ciedomir
Giorgievich Ciedomir
Tomich Bogoljiub
Tomich Nikola
Djokich Djurdje
Radulovich Hranislav
Chupalevich Arsa
Garalich Jefta
Ilicich Bogomir
Vasiljevich Strechko
Cemerikich Miodrag
(*1895, Prizren)
(*1907, Prizren)
(*1902, Prizren)
(*1919, Prizren)
(*1923, Prizren)
(*1874, Prizren)
(*1890, Grabovnica)
(*1871, Prizren)
(*1871, Prizren)
(*1920, Paovo Lepernicki)
(*1922, Prizren)
(*1912, Tesici)
135
Serbische Gefangene in der serbisch-kosovarischen Stadt Prizren.
Die genannten serbischen Geiseln stammten beinahe vollzählig aus
Prizren. Unter den 13 Häftlingen befand sich auch eine Frau. Vom
Schicksal dieser serbischen Häftlinge wurde nichts mehr überliefert.
Es gilt als wahrscheinlich, dass im „Campo Isarco“ weitere Kriegsgefangene
aus den Balkanstaaten untergebracht waren.
Laut Aussagen älterer Dorfbewohner von Blumau waren im Lager von
„Campo d’Isarco“ auch russische Kriegsgefangene festgehalten worden.
72 Vermutlich wurden all diese Geiseln sehr früh für Zwangsarbeiten
herangezogen. Hierfür gibt es einige Hinweise.
136
Deportierte Zwangsarbeiter für den Bau
des Virgltunnels zur Verfügung gestellt
137
Deportierte Zwangsarbeiter für den Bau
des Virgltunnels zur Verfügung gestellt
Eine der großen Baufirmen, die in Bozen bereits in den 30er Jahren in
der Gunst der Faschisten standen, war die Baufirma „Impresa F[ra]telli
ingg. A. M. Ragazzi“ aus Mailand. Deren Inhaber waren die Gebrüder
Attilio und Mario Ragazzi, beide diplomierte Ingenieure.
Seit April 1939 war die Baufirma am Straßen- und Brückenbau in den
von Italien besetzten Gebieten Albaniens und des Kosovo beteiligt.
Die Baufirma zählte zu den Finanziers der faschistischen Organisationen.
So übergab sie Mitte Februar 1941 dem „Frauenfascio“ von St. Leonhard
in Passeier eine - wie die faschistische „Alpenzeitung“ schrieb
- „ansehnliche Summe“ zum Kauf von Kleidern für die italienischen
Frontkämpfer.
Die Niederlassung der Firma in Bozen befand sich an der „Piazza Impero
Nr. 1“, am heutigen Mazziniplatz.
138
Die Baufirma beschäftigte nur italienische oder faschistenfreundliche
Arbeiter. Auffallend war die hohe Zahl an Arbeitsunfällen, die diese
Baufirma im Laufe eines Jahres zu verzeichnen hatte. Arbeitsschutz war
klein geschrieben, um gewinnbringend Kosten zu sparen.
Alle größeren Bauaufträge, wie zum Beispiel Militärbauarbeiten im Gebiete
von Tarsch und Glurns, der Ausbau der Jaufen- und Timmelsjochstraße
und vor allem die Tunnelbauten wurden dieser systemkonformen
Firma zugeschanzt.
Darunter befand sich auch die Übernahme des von der hoch verschuldeten
Firma „Impresa Giuseppe e Mario Appino“ aus Rom angefangenen
Baus des 700 Meter langen und 9 Meter breiten Bozner Virgltunnels.
Die Firma Appino war bereits seit 1925 über die „Società Idroelettrica
dell‘ Isarco“ (SIDI) mit Sitz in Mailand am stark umstrittenen Bau des
Elektrizitätswerkes „Centrale Isarco“ in Kardaun beteiligt.
Es war die größte Energieanlage Europas, ein Aushängeschild für das
faschistische Italien. Der dort erzeugte Strom wurde vornehmlich für
die Großkonzerne in der Lombardei und im Piemont ins oberitalienische
Elektrizitätsnetz geleitet. 73
Beim Bau dieses gigantischen Werkes wurden bis zu 5000 Arbeiter
eingesetzt. Zunächst Facharbeiter aus Belluno und dem Trentino, dann
vor allem aus Brescia. Sie waren in Barackenlagern untergebracht und
einer strikten Arbeitsdisziplin unterworfen. Es herrschten schlechte Arbeitsbedingungen.
So kamen während der vier Jahre dauernden Bauarbeiten
zwölf Arbeiter ums Leben, 1500 wurden schwer verletzt. Diese
Daten stammen von der Gesellschaft SIDI. 74 Viele Arbeitsunfälle wurden
jedoch nicht bekannt, weil sie einfach verheimlicht wurden.
„L’operaio italiano spesso si lascia docilmente sfruttare“ („Der italienische
Arbeiter lässt sich oft fügsam ausbeuten“), sagte einmal Mussolini,
um Eindruck zu schinden.
Beim Bau des E-Werks arbeitete auch eine Gruppe von antifaschistisch
gesinnten Arbeitern, darunter der Trientner Sozialist Giuseppe Tovazzi
139
Giuseppe Tovazzi aus Aldeno mit
Gattin und dem Erstgeborenen
Luigi Tovazzi.
(1896-1951) aus Aldeno. Er hatte aus dem Depot der Baustelle mehrere
Kilogramm Dynamit entwendet, das 1927 zur Sprengung des im Bau
befindlichen faschistischen Siegesdenkmals dienen sollte. Spione bekamen
Wind davon und Tovazzi wurde auf die Insel Lipari deportiert. 75
Als Prestigeprojekt wurde auch der nahezu
10 Millionen Lire teure Bau des
Virgltunnels propagiert. Es war vom
staatlichen Bauamt entworfen worden.
Es sollte in zwanzig Monaten und somit
Ende 1941 fertiggestellt sein. 76
Die Leitung der Arbeiten stand unter
Aufsicht des Staatsbauamtes „Genio
Civile“.
Die Grundsteinlegung für das gewaltige
Bauwerk zur Umfahrung der Stadt
Bozen erfolgte am 29. Juni 1939 durch
den Minister für öffentliche Arbeiten
und früheren Triester Sezessionisten,
Ingenieur Giuseppe Cobolli Gigli (1892-
1987). Südtirolern und slowenischen
Antifaschisten war der Oberfaschist
bekannt geworden, als er 1927 zum 9.
Jahrestag des Waffenstillstandes in der
Septemberausgabe der Zeitschrift „Gerarchia“
zur Lösung der Minderheitenprobleme
von einer strikten ethnischen
Säuberung, der „penetrazione italiana“
(„italienischen Durchdringung“) und
der Assimilationspolitik gesprochen hatte.
Außer dem Virgltunnel in Bozen wurde bei Kardaun der Bau einer Betonbrücke
über den Eggentaler Bach in Angriff genommen.
140
Die ersten Bohrungsarbeiten am Felsvorsprung
des Virgls wurden erst Anfang
November 1939 aufgenommen,
auch weil die Baufirma Appino pleiteging.
Die an ihre Stelle getretene Baufirma
Ragazzi beschäftigte 300 Arbeiter, die
in drei Schichten eingeteilt waren. Allein
hundert Arbeiter waren beschäftigt,
um gute 500.000 Kubikmeter harten
Porphyr wegzuschaffen. Dennoch gingen die Tunnelarbeiten sehr langsam
voran. Darum wurden zunehmend die aufs Roheste behandelten
Kriegsgefangenen und Zivilinternierten aus den Balkanländern herangezogen.
Davon zeugt ein Telegramm vom 12. Oktober 1942 (XX.) des
italienischen Militäroberkommandos „Stato Maggiore Regio Esercito“:
Al XIX Corpamiles Posta Militare / Superesercito Prigionieri Guerra Alt N.
1/52877. Scopo aderire analoghe disposizioni comando supremo pregasi
prendere immediati accordi con impresa Ing[egner] Mario Ragazzi Bolzano
appaltatrice lavori costruenda galleria del Virgolo per sistemazione cento
internati civili da adibire lavori galleria predetta riferendo risultanze questo
stamaggiore alt impiego cui trattasi riveste carattere urgenza alt ufficio
p[rigionieri] g[uerra].=P.C. C. Il Maggiore Capo Sezione G[uido] Larcher
Übersetzung (gekürzt): „Zwecks Unterstützung ähnlicher Bestimmungen
des Obersten Militärkommandos ersuchen wir um sofortige Vereinbarungen
mit Ingenieur Mario Ragazzi Bozen, Bauunternehmen des zu
errichtenden Virgltunnels, über die Unterbringung von hundert Zivilinternierten
für Tunnelarbeiten und um die Mitteilung von Ergebnissen.“
141
Vom Trentiner Irredentisten zum
Faschisten: Senator Guido Larcher.
Nach ihm ist heute noch in
der Val Venezia im Cevedale-Gebirge
im Trentino eine Schutzhütte
benannt.
Aus diesem Grunde ordnete die italienische
Regierung die Adaptierung der
Einrichtungen des Ex-Lagers „Prato
Isarco“ an. Das Fernschreiben des Obersektionschefs
vom 12. Oktober 1942
lässt keinen Raum für Interpretationen.
Es bestätigt auch die enge Allianz zwischen
den Faschisten, den staatlichen
Institutionen und der Wirtschaft als
Machtinstrument der Gewaltherrschaft.
Es zeigt auch, dass ortsfremde italienische
Unternehmen - neben einzelnen
Provinzindustriellen - als die Hauptprofiteure
des „Ventennio fascista“ in Südtirol
bezeichnet werden können.
Der oberste zuständige Abteilungsleiter,
der dieses Telegramm formuliert
und abgesandt hatte, war der Trentiner
Kaufmann, Irredentaführer und Südtirolhasser
Guido Larcher (1867-1959) aus Lamar bei Gardolo. Er war
der Leiter des faschistischen Provinzialverbandes und der italienischen
Bergsteigervereinigung S.A.T. (Società Alpinisti Tridentini) in Welschtirol
gewesen. In den Faschistenkreisen in Südtirol war er nicht sehr beliebt,
weil er deren Ansichten ignorierte. Nicht umsonst war es bereits Ende
1923 zwischen Larcher und dem von ihm delegitimierten Bozner Faschistensekretär
und früheren Fußballstar Luigi Barbesino (1894-1941)
wegen Südtiroler Fragen zu Handgreiflichkeiten gekommen. 1939 wurde
Larcher von Mussolini zum Senator und obersten Abteilungsleiter
(„Maggiore Capo Sezione“) des Amtes für Kriegsgefangene ernannt.
1944 musste auch das Unternehmen der Gebrüder Ragazzi Insolvenz
anmelden. Die Baufirma blieb auf ihren Schulden sitzen. Bereits wenige
142
Monate nach dem Kriegsausbruch wurde der Tunnel als Luftschutzkeller
und als Produktionsstätte für allerlei Kriegsmaterialien benützt. 77 So
fertigte die Rüstungsfirma IMI aus Ferrara im Virgltunnel für die faschistischen
Achsenmächte vor allem Kugeln für Kugellager zur Herstellung
von Rüstungsgütern. Als Arbeitskräfte wurden ab Ende 1944 weibliche
und männliche Gefangene aus dem neu errichteten Durchgangslager in
der Reschenstraße eingesetzt.
Für den Durchstich des 700 Meter langen Bozner Virgltunnels wurden von den
Schwarzhemden hauptsächlich Kriegsgefangene und Zivilinternierte aus den Balkanländern
herangezogen. Am Südeingang des Tunnels ist heute noch der alte römische
Legionsadler mit dem Rutenbündel in den Krallen zu sehen.
Die Strukturen des Blumauer Konzentrationslagers wurden nach der
vernichtenden Kriegsniederlage in Russland und kurz nach der am 25.
Juli 1943 vom Faschistischen Großrat vollzogenen Absetzung Mussolinis
aufgelöst. Bis dahin diente das Lager seit Jänner 1943 vorübergehend
noch als „Kontumazlager“ für die aus Russland zurückgeströmten
italienischen Truppen. Besagtes geht aus einem Telegramm von Guido
Larcher, dem obersten Abteilungsleiter der Kriegsgefangenenabteilung
der Mussolini-Regierung, hervor.
Das an die Präfektur von Bozen gerichtete Eilschreiben trägt das Datum
vom 16. März 1943. 78
143
In einem Geheimbericht des aus Ancona stammenden Oberst Cavaliere
Eraldo Pallotta (* 1893), Leiters des Amtes für Kriegsgefangene des
„Stato Maggiore Regio Esercito“ (Abk.: SMRE, zu Deutsch: Generalstab
der italienischen königlichen Armee), über die Lage der „feindlichen
Kriegsgefangenen“ („Situazione Prigionieri di guerra nemici“)
vom 28. Februar 1943 (XXI) wird das Lager von Blumau als „Campo
di concentramento“ (Konzentrationslager) und „Campo di Lavoro“ (Arbeitslager)
bezeichnet.
Das Lager „Campo Prato Isarco“ stand unter der Verantwortung des faschistischen
Staates und des Generalstabes des italienischen Heeres in Bozen und Padua. (Auszug
aus dem Geheimbericht vom 28. Februar 1943 des Amtes für Kriegsgefangene des
S.M.R.E.)
In einem ähnlichen, schlecht reproduzierten Bericht vom 31. April
1943 beziffert das römische Kriegsgefangenenamt die Zahl der Häftlinge
in „Prato Isarco“ auf 384. 79
Ein faschistisches Arbeits- und Barackenlager für rund 250 Kriegsgefangene
gab es für neun Monate auch in Avio im Trentino („Campo
P.G. n. 113“). Das von Juni 1942 bis März 1943 in Betrieb befindliche
Arbeitslager wurde ebenfalls vom „XIX. Corpo d’Armata“ in Bozen geführt.
Die ersten Zwangsarbeiter wurden in Avio für Kanalisationsarbeiten
der Elektrizitätsgesellschaft „Società Idroelettrica Medio Adige“
(SIMA) mit Sitz in Mailand eingesetzt. Die Gesellschaft hatte bereits im
144
Auszug aus: Specchio dei PG. distribuiti nei campi di concentramento, Stato Maggiore
Regio Esercito, Ufficio P. G., 15 aprile 1943-XXI.
Juni 1940 von der Präfektur in Trient die Genehmigung zur Enteignung
von verschiedenen Grundstücken und Immobilien in Ala erhalten. 80 Die
Häftlinge waren vorher im Konzentrationslager („campo di concentramento
PG n. 62“) in Grumello del Piano (Bergamo). Bei der Auswahl
der Zwangsarbeiter wurde früheren Landarbeitern und Handlangern
der Vorzug gegeben. „Verdächtige und aufrührerische Personen“ durften
nicht transferiert werden, um - wie es in den Militärpapieren vom
5. Mai 1942 (Protokoll-Nr. 29946) heißt - „mögliche Aufruhre zu verhindern“.
Bei der relativ großen Anzahl von Gefangenen in Blumau dürfte es sich
jedenfalls um slawische Zivilinternierte und Zwangsarbeiter gehandelt
haben. Vermutlich konnten diese noch vor der Kapitulation Italiens in
ihre Heimat zurückkehren. Angesichts der damaligen chaotischen Zustände
gibt es darüber aber keine Gewissheit. Viele Kriegsgefangene,
die sich in italienischen Lagern befanden, wurden ab 1943 zunehmend
ins Deutsche Reich abgeschoben.
Bemerkenswert ist auch, dass in beiden genannten Dokumenten des
Generalstabs der italienischen königlichen Armee (SMRE) das Lager
in „Prato Isarco“ die Nummer 118 trägt. Es ist jene Zahl, die ab Juli
1944 für das „Polizeiliche Durchgangslager“ in der Reschenstraße
Verwendung findet. Daraus lässt sich schließen, dass die nach Bozen
145
146
verschleppten südosteuropäischen Häftlinge im Lager von Blumau offensichtlich
zum geschlossenen Arbeitseinsatz gezwungen wurden.
Die Zahl der dafür eingesetzten Zwangsarbeiter konnte nicht genau
festgestellt werden. Sie dürfte zeitlich ziemlich geschwankt haben.
Mit der Auflösung des Lagers waren auch das Inventar und sämtliche
Unterlagen und Akten von den Faschisten vernichtet worden.
Die Verwendung der Nummer 118 des „Pol. Durchgangslagers“ lässt
den Verdacht aufkommen, dass zwischen den beiden Lagern ein kausaler
Zusammenhang besteht.
Auf jeden Fall nachgewiesen ist, dass das Lager in Blumau bald nach
der Errichtung der „Operationszone Alpenvorland“ (September 1943)
von der Organisation Todt (OT) beschlagnahmt wurde. Die OT war die
paramilitärische Bautruppe der deutschen Wehrmacht. Seit Kriegsbeginn
zog sie für die Umsetzung ihrer Bauprojekte Zwangsarbeiter, Häftlinge
und Kriegsgefangene heran.
In einem Gebäudetrakt der ehemaligen Brauerei hatte die Organisation
ihre Verwaltungsbüros eingerichtet.
Gegen Ende des Krieges wurden in Blumau auf der Völser Seite verschiedene
Objekte, vor allem der Eisenbahn, bombardiert. Bereits Anfang
Jänner 1943 waren in Bozen und Umgebung englische Flugzettel
zirkuliert, in denen zum Kampf gegen das Mussolini-Hitler-Regime aufgerufen
wurde. Die Regierung Churchill sah spät, aber umso heftiger in
Italien ein Aggressionsland und wollte das Land entsprechend bestraft
wissen. 81
„Bolzano“ beziehungsweise das Konzentrationslager „Prato Isarco“
scheint bereits 1942 auf einer in Sydney gedruckten Militärkarte auf.
Darauf sind alle faschistischen Hauptlager und Kerker eingezeichnet, in
denen australische Soldaten gefangen gehalten wurden.
Bei Kriegsende im Mai 1945 wurden im Brauereigelände in Blumau allerlei
Militär- und Panzerfahrzeuge der Wehrmacht eingeparkt und von
Soldaten der „Badoglio-Truppen“ bewacht. Später fanden hier auch
Das Konzentrationslager „Prato Isarco“ bei „Bolzano“ findet man bereits 1942 auf
einer in Sydney in Australien vom Militärkommando herausgebenen Militärkarte.
verschiedene obdachlose Rücksiedlerfamilien eine Notunterkunft. 1948
erwarb die Region den gesamten Besitz. Später gingen die Immobilien
an Familien, Handwerker und an die Gemeinde Karneid über. 82
147
Das Vergessen des Bösen
ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung
Das Vergessen des Bösen
ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung
Das seit 1940 bis 1943 von den Schwarzhemden geführte Lager „Campo
d’Isarco“ in Blumau könnte historisch den Übergang zum „Polizeilichen
Durchgangslager“ in der Reschenstraße markieren. Dieses mit
zentraler Hilfe des SS-Obersturmführers und ersten Lagerkommandanten
von Reichenau (Innsbruck), Georg Mott (geb. 1900 in Tauberbischofsheim
- gest. um 1993 in Wien) aufgebaute Lager war seit Juli
1944 für kaum zwölf Monate in Betrieb. Es diente als Aufnahme- und
Durchgangslager.
Im Gefangenenlager von Fossoli (Carpi) wurden Mussolinis RSI-Gegner, Subversive,
Kommunisten, Juden und Antifaschisten eingesperrt. Nach dem 8. September
1943 benützten es auch die Nazis als Zwischenstation für italienische Gefangene. Im
Sommer 1944 wurden die Lagerinsassen aufgrund des Näherrückens der alliierten
Front nach Bozen verlegt. (Archivio fotografico, Centro studi e documentazione della
Fondazione Fossoli)
150
Das Bozner Lager war die Folge der Einschränkung des von den Faschisten
und den Nationalsozialisten betriebenen Lagers von Fossoli
nördlich von Carpi (Provinz Modena). Dieses war seit Mai 1942 auf
Anordnung des italienischen Ministerpräsidenten und Kriegsministers
Benito Mussolini mit Dekret Nr. 73 (192) von bewährten faschistischen
Milizen geführt. In fünfzehn Baracken war für 5.000 Verfolgte und
Gepeinigte Platz. Seit März bis August 1944 wurde Fossoli direkt von
den Nationalsozialisten betrieben. Von hier aus organisierte die SS die
Transporte in die Vernichtungslager. 83
Aus militärischen und logistischen Gründen hatten RSI-Faschisten und
Nationalsozialisten vereinbart, die politischen und jüdischen Inhaftierten
von Fossoli in das neu eingerichtete Lager nach Bozen-Gries zu
verlegen, um sie möglichst weit von der Südfront und den Kampfhandlungen
der Alliierten zu entfernen. Der Standort in der „Operationszone
Alpenvorland“ garantierte die unmittelbare Einflussnahme der
deutschen Verwaltung. 84
151
Es war kein Zufall, dass ein Großteil des Personals und der Verantwortlichen
im Bozner Durchgangslager, wie etwa der SS-Untersturmführer
Karl Friedrich Titho (1911-2001) und SS-Hauptscharführer Hans Haage
(1905-1998), vorher in Fossoli waren. Das Zwischenlager von Bozen
unterstand wie das von Fossoli dem in Verona stationierten Befehlshaber
der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, SS-Gruppenführer
Wilhelm Harster (1904-1991). 85
In einem mit 8. Juli 1945 datierten Brief des Pfarrers von Verona, Don
Giuseppe Carlo Signorato (1906-1985), an das Vatikanische Informationsbüro
für Gefangene wird das Durchgangslager Bozen in italienischer
Sprache als „campo di smistamento di Bolzano“ bezeichnet. 86 Tatsache
ist aber, dass in diesem Lager Folterungen, Ermordungen und Zwangsarbeit
stattgefunden haben.
Insgesamt passierten das Bozner Lager rund 11.000 Frauen und Männer.
87 Davon blieben etwa 7.600 im Lager oder in den Außenlagern, die
zumeist Zwangsarbeitslager waren.
Aus Deutschland zurückgekehrte italienische Soldaten und Internierte vor dem ehemaligen
Polizeilichen Durchgangslager in Bozen im Juni 1945. Im Hintergrund sieht
man einen Teil der Baracken, in denen die Häftlinge untergebracht waren.
152
Viele Gefangene waren in der Bozner
Industriezone bei den Betrieben der
Firmen „Feltrinelli-Masonite“, „Lancia“
und „Magnesio“ als Zwangsarbeiter
eingesetzt. Mehrere Häftlinge wurden
in den Villen der Kommandanten oder
SS-Offiziere in Meran und Bozen als
Zwangsbedienstete für Haus- und Gartenarbeiten
zur Verfügung gestellt. Wie
etwa Elena Recanati-Foà (1922-1984),
die Tochter von Luigi Recanati und der
humanistisch gebildeten Berlinerin Louise
Simon. Elena Recanati und ihr jüdischer
Ehemann Guido Foà (1920-1944)
wurden in Canischio bei Turin am 9. August
1944 von den Sturmtruppen des
Kriegsverbrechers der faschistischen
Decima Mas, Junio Valerio Borghese
(1906-1974), gefangen genommen
und in das Durchgangslager nach Bozen
verschleppt. Am 24. Oktober 1944
wurde das Ehepaar nach Auschwitz
deportiert. Guido Foà kam dort am 22.
Jänner 1945 ums Leben. Seine Ehefrau
Elena Recanati-Foà mit ihrem
Sohn Massimo in Turin (aus: Il
libro della memoria. Fondazione
Ebraica, Milano 2002).
Elena überlebte das Todesinferno und konnte im Oktober 1945 nach
Turin zurückkehren und ihren kleinen Sohn Massimo wieder umarmen.
Ähnliche schreckliche Erfahrungen mussten viele der rund 3.500 Gefangenen
machen, die zwischen 1944 und 1945 vom Lager in Bozen in
das Deutsche Reich deportiert wurden.
Das Durchgangslager in Bozen wurde kurz vor Kriegsende, im April
1945 aufgelassen. 88
153
Große Freude nach Beendigung des Freiheitsentzuges und des Krieges im aufgelösten
Polizeilichen Durchgangslager in Bozen. Im früheren Lager wurden die von
Deutschland nach Italien zurückkehrenden italienischen Soldaten und Zivilisten aufgenommen.
Hier erhielten sie alle notwendigen Papiere und Informationen für ihre
Weiterreise. Dieses und andere Bilder vom Juni 1945 befinden sich in privatem Besitz.
Sie wurden dem Autor Günther Rauch freundlicherweise zur einmaligen Veröffentlichung
zur Verfügung gestellt.
Seit Mitte Mai wurden im Ex-Lager in Bozen die von Deutschland zurückströmenden
Gefangenen einquartiert.
Vom Konzentrationslager „Campo di concentramento di Prato Isarco“
in Blumau hatte die Südtiroler Bevölkerung wenig oder gar nichts mitbekommen.
154
Im Vergleich zum „Polizeilichen Durchgangslager“ wurde die Geschichte
des KZ „Campo d’ Isarco“ bisher auch nicht erforscht.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen hatten die Italiener nach
dem Kriege kein Interesse, beide Lager miteinander in Verbindung zu
bringen. Das Ausmaß und die Funktion der beiden Lager waren doch
sehr unterschiedlich. Andererseits hatte man es mit einer ungewissen
Zahl von Opfern und der schwierigen Quellenlage zu tun. Vom „Campo
Aus den Arbeits- und Internierungslagern zurückströmende Italiener im ehemaligen
Durchgangslager in Bozen.
d’Isarco“ ist die Anzahl der Häftlinge nicht greifbar. Ebenso wenig erfährt
man über die Haftbedingungen. Wohl auch, weil die italienischen
Faschisten und Behörden ihre äußerst brisanten Archivbestände bereits
vor 1943 gründlich eingesammelt und vernichtet haben - wie bei den
vielen anderen faschistischen Verbrechen in Südtirol.
Bereits sehr früh hatte Alexander Schifrin (1901-1951), einer der großen
Totalitarismuskritiker des 20.Jahrhunderts und wichtigsten Köpfe des
155
russischen Menschewismus und der deutschen Sozialdemokratie, daran
erinnert, nie zu vergessen, dass
„der italienische Faschismus
dem deutschen in allem voranging.“ 89
„Die Ideen der beiden totalitären Staaten [Hitler- und Mussoliniland]
waren ziemlich parallel“, hatte auch der von Hitlers
Schergen am 24. Oktober 1944 in Brandenburg mittels Guillotine hingerichtete
Antifaschist und Optant Stefan Valentinotti (1892-1944) aus
Gries (Bozen) unterstrichen. Seine heftige schriftliche Kritik an Mussolini
und Hitler, sein Festhalten am Deutschtum und sein Einsatz für
die Eigenständigkeit Südtirols kosteten ihn das Leben. Er wurde Opfer
eines Denunzianten am Arbeitsplatz, wurde im Mai 1944 verhaftet
und nach Innsbruck gebracht, bevor ihn der Volksgerichtshof in Berlin
156
zum Tod verurteilte. Valentinotti wurde mit weiteren 27 Hitler-Gegnern
hingerichtet. Darunter befanden sich zum Großteil Mitglieder reichsdeutscher,
südtirolfreundlicher Widerstandsgruppen. Ein Abschied von
seiner Familie blieb ihm verwehrt. Beinahe zeitgleich wurde seine nach
Plodn (Sappada) verheiratete Schwester Maria Kratter-Valentinotti
(1894-1944) von stalinistisch orientierten italienischen Partisanen zu
Tode gemartert, nur weil sie eine Deutsch-Südtirolerin war. 90
Die Schändlichkeiten der italienischen Diktatur und die eigene Verantwortung
für den faschistischen Pogrom wurden in Italien durch den
nationalsozialistischen Vernichtungswahn und „eliminatorischen Antisemitismus“
(Frank Bajohr, Daniel Jonah Goldhagen…) in den Schatten
gestellt. Dies, obwohl Italien in Afrika und auf dem Balkan an Brutalität
und Grausamkeit dem Deutschen Reich kaum nachstand. Der italienische
Faschismus inkorporierte von Anfang an den Keim der Gewalt und
des Rassismuses. 91
Einer der Gründe für die geringe Bekanntschaft des Blumauer Lagers
war darum wohl auch ein politischer. Viele Italiener tun sich mit den
faschistischen Kriegsverbrechen, der autochthonen Herkunft des italienischen
Rassismus und mit der Vergangenheitsbewältigung extrem
schwer. 92 Den Faschismus sehen viel zu viele Menschen noch als „Parenthese“
(Benedetto Croce), als „Zwischenfall“ der Geschichte.
Das beharrliche Festhalten an der antieuropäisch angehauchten „Qui
siamo in Italia“-Mentalität, an faschistischen Denkmälern, Orts- und
Straßennamen, das Referendum zur Namensänderung des Bozner Siegesplatzes
in Friedensplatz sprechen Bände.
Wer zu Recht über den Nationalsozialismus sprechen will,
darf schon gar nicht in Südtirol über den Faschismus
und die Österreichfeindlichkeit schweigen.
157
Man muss daran immer wieder erinnern. Nicht vergessen heißt, die
dunkle Vergangenheit und die begangenen Verbrechen genau zu kennen,
um begangenes Unrecht wiedergutzumachen und nicht mehr zu
wiederholen.
Wer die Augen verschließt,
wird nie die Wahrheit sehen.
158
Anmerkungen und Literaturverzeichnis:
1. Vgl. Campo P. G. n. 118 Prato Isarco. Diese in den meisten Publikationen gebrauchte
Angabe „Campo P. G. n. 118 Prato Isarco“ ist falsch. (http://www.campifascisti.
it). Beim PG 118 handelt es sich um das Polizeiliche Durchgangslager in der Bozner
Reschenstraße.
2. Die Kopien einiger weniger freigegebener, aber dennoch aufschlussreicher Dokumente
können im Internet auf dem Portal „campifascisti.it“ gesichtet werden. Siehe
auch: Roman Herzog, Zur Topografie des italienischen Lagerkosmos unter dem
Faschismus. Ergebnisse des Forschungsprojektes www.campifascisti.it, in: Henning
Borggräfe (Hrsg.), Freilegungen: Wege, Orte und Räume der NS-Verfolgung. Jahrbuch
des International Tracing Service. Wallstein Verlag, Göttingen 2016, S. 106-
1918.
3. Malcolm Webster, A POW in Italy, Part 1, An Italian Experience, in: Italian Historical
Society Journal, Volume 11 No 1 - January/June 2003 ISSN 1321-3881, Victoria,
Australia, S. 4-11.
4. Zitat in: http://www.welschtirol.eu/il-mito-degli-alpini-e-il-loro-passato/; http://
minv.org./news/ecco-chi -sono-gli-alpini-italiani/; Benito Mussolini selbst hatte
bereits 1911 als Linksextremist in seinem Buch „Il Trentino“ die „Blutgierigkeit der
italienischen Polizei“ hervorgehoben. Vgl. Eduard Reut-Nicolussi, in: Tiroler Anzeiger,
20. 6. 1929, S. 2. Ders.: Tirol unterm Beil. München 1928, S. 211; Michael Gehler,
Eduard Reut-Nicolussi und die Südtirolfrage 1918-1958: Streiter für die Freiheit
und die Einheit Tirols, Innsbruck 2007.
5. Christopher Browning: Judenmord. NS-Politik, Zwangsarbeit u. das Verhalten der
Täter. S. Fischer, Frankfurt a. Main 2001, S. 33-38; Lutz Klinkhammer, Leben im
Lager. Die italienischen Kriegsgefangenen und Deportierten im Zweiten Weltkrieg.
Ein Literaturbericht, in: „Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und
Bibliotheken“ 67 (1987); Andrzej J. Kaminski, Konzentrationslager 1896 bis heute.
Geschichte, Funktion, Typologie, München-Zürich 1990.
6. Zitiert nach: Michael Wedekind, Das „Dritte Reich” und die „bleichen Berge”: Entwürfe
und Implementierung nationalsozialistischer Volksgruppenpolitik in Ladinien,
Ladinia XXXVI (2012), S. 116, April 1943: Partito Nazionale Fascista - Federazione
dei Fasci di Combattimento di Bolzano / Segreteria Politica (segretario federale
Bruno Stefanini) al Prefetto della Provincia di Bolzano (Agostino Podestà falsch:
Froggio Guglielmo), oggetto: Malcontento tra gli optanti per la Germania in Ortisei
(riservata personale - doppia busta) Bolzano, 7.4.1943; Archivio del Commissariato
del Governo di Bolzano, IX/1: Situazione politica in Alto Adige (1943) - Opzioni.
Bruno Stefanini war 1934 auch Schriftleiter des Faschistenblattes “Puglia Fascista”.
7. Sofia Bisi Albini, in: La Nostra Rivista anno II, No 11, novembre 1915, pag. 825.
8. Alle Zitate in: Mauro Suttora (Hg.), Clara Petacci, Mussolini segreto, Diari 1932-
1938, Rizzoli, Milano 2009; Giorgio Fabre, Mussolinis engagierter früher Antisemi-
160
tismus, in:QFIAB, 90/2010, S. 347-372. Ders.: Mussolini razzista. Dal socialismo al
fascismo: la formazione di un antisemita, Milano 2005.
9. Mihran Dabag, Kristin Platt, Verlust und Vermächtnis. Überlebende des Genozids
an den Armeniern erinnern sich, Paderborn 2015; Johannes Lepsius, Die Ausrottung
der Armenier, Tempelverlag, Potsdam 1919.
10. Ettore Tolomei, in: Archivio per l’Alto Adige, 1943, S. 543.
11. Die Weltbühne, 13. 3. 1928.
12. Quelle: ACS Roma, MI, DGPS, Divisione Affari Generali e Riservati, categoria Massime,
b 116. Zitat in: Roberto Roggero, Oneri e Onori. Le verità militari e politiche
della guerra di Liberazione in Italia. Edit. Greco e Greco, Milano 2006, S. 473; Il
campo di Villa Oliveto. Associazione per la storia e le memorie della Repubblica,
www.storiaememoria.it; Anna Lisa Carlotti, Italia 1939-1945: Storia e memoria.
Vita e Pensiero, Milano 1996, S. 543-544; Enzo Collotti, Sul razzismo antislavo,
in: Alberto Burgio, Nel nome della razza. Il razzismo nella storia d’Italia 1870-
1945, Bologna 1999. Ders.: Zur italienischen Repressionspolitik auf dem Balkan, in:
Loukia Droulia, Hagen Fleischer (Hrsg.), Von Lidice bis Kalavryta. Widerstand und
Besatzungsterror. Studien zur Repressionspraxis im Zweiten Weltkrieg, Berlin 1999,
S. 105-124.
13. Vgl. Patrick Bernhard, Die „Kolonialachse“. Der NS-Staat und Italienisch-Afrika
1935-1943, in: Thomas Schlemmer, Lutz Klinkhammer, Amedeo Osti (Hrsg.): Die
„Achse“ im Krieg, Paderbon 2010, S. 147-1975; ders.: Konzertierte Gegnerbekämpfung
im Achsenbündnis: Die Polizei im Dritten Reich und im faschistischen
Italien 1933 bis 1943, in Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), S. 229-
262.
14. Zitiert nach Franz Henndorfer, Shylock Hitler. Zum Menschenhandel in Sued-Tirol.
In: Deutsches Volksecho (German people’s echo, New York), 5. 8. 1939, S. 3., Herausgeber:
Stefan Heym (1913-2001). Der Artikel dürfte aus dem in Paris gedruckten
und von der KPD finanzierten Exilantenblatt „Österreichische Informationen“
(Oe. I.) beziehungsweise „Deutschen Informationen“ („Nouvelles d’Allemagne“)
übernommen worden sein. (Vielen Dank für den Hinweis an Michael Müller vom
Vorstand der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft in Chemnitz). Chefredakteur
der Zeitschrift war der aus einer jüdischen Familie stammende österreichische
Sozialkommunist Bruno Frei (1897-1988). Er wurde am 31. August 1939 in seiner
Pariser Wohnung verhaftet und im Lager von Le Vernet interniert. Hinter dem
Pseudonym F. Henndorfer verbarg sich Heinrich Mann (1871-1950), der Schriftsteller,
frühere Präsident der Dichterabteilung der Preußischen Akademie der Künste
und Ehrenpräsident der SPD. Er und sein älterer Bruder Thomas Mann kannten
Südtirol aus mehreren Aufenthalten. Der Nobelpreisträger für Literatur, Thomas
Mann, hatte bereits, nachdem „Bozen, das deutsche Weinstädtchen mit Walther
von der Vogelweide italienisch geworden ist“, verlauten lassen, dass dies „das Zustandekommen
einer deutschen Irredenta in Südtirol rechtfertigen würde.“ Hein-
161
162
rich Manns einzige Tochter, Leonie Aškenazy-Mann, lebte von 1976 bis 1986 mit
ihrer Familie am oberen Obstplatz in Bozen. Ihr Vater hatte Ende Juli 1939 im Exil
in Frankreich, als Sprecher des „Aktionsausschusses deutscher Oppositioneller“,
die in mehreren Sprachen verbreitete Flugschrift „Deutsche! Hitler verkauft euch“
verfasst. Das Dokument ist eine beeindruckende Anklage gegen die Freiheitsberaubung
und Verschacherung Südtirols. Manns Anklage fand ein großes Echo auch
in der amerikanischen Tageszeitung „The New York Times“ vom 9. August 1939.
Teile des Flugblattinhaltes stammen aus einem sehr ausführlichen Aufsatz des
deutschen Historikers Kurt Kersten (1891-1962) alias Georg Forster, der am 29. Juli
1939 unter dem Titel „Kultur und Geschichte Südtirols“ im „Deutschen Volksecho“
veröffentlicht wurde.
15. La Provincia di Bolzano, 6. Jänner 1932, S. 1: „Non dobbiamo dimenticare che
Hitler è stato il primo e l’unico a riconoscere apertamente la intangibilità del confine
del Brennero nei confronti dell’Italia. […]”
16. Siehe Werner Thaler, Montan 2. Band. Hg. Schützenkompanie Montan 2003, S.
314.
17. Vgl. La Stampa, 11. 1. 1940, S. 1.
18. Der Historiker Luciano Casali wies auf 259 Konzentrations- u. Internierungslager
(campi di concentramento, campi di internamento…) hin. Siehe dazu auch Mario
Quaia, Sloveni e croati, genocidio ancora avvolto dal silenzio, in: Messaggero
Veneto, Edizione Udine, 13. 2. 2013; Filippo Focardi, Il cattivo tedesco e il bravo
italiano. La rimozione delle colpe della seconda guerra mondiale, Laterza, Roma
Bari 2013; David Bidussa, Il mito del bravo italiano, Milano 1994; Mario Pacor,
Confine orientale: questione nazionale e Resistenza nel Friuli e Venezia Giulia, Milano
1964; Angelo Del Boca, Italiani brava gente?, Neri Pozza Editore, Vicenza,
2005. Ders.: Faschismus und Kolonialismus. Der Mythos von den „anständigen
Italienern. In: Fritz Bauer Institut (Hg.), Völkermord und Kriegsverbrechen in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004, S.
193-202; Costantino Di Sante, Italiani senza onore: i crimini in Jugoslavia e i processi
negati, 1941-1951. Edit. Ombre corte, Verona 2005. Unterlagen auch in: Rom,
Archivio del Ministero degli Esteri, fondo Affari politici Jugoslavia 1931-1945, b. 39,
fasc. „Commissione d’inchiesta per presunti criminali di guerra”.
19. Boris Pahor, Tatjana Rojc, Così ho vissuto, biografia di un secolo. Bompiani, Milano
2013, S. 82; Sonˇa Mikulová, Das zweite Gesicht der „guten Italiener“. Faschistische
Verfolgung der Juden in Italien und ihre Reintegration nach dem zweiten Weltkrieg
(1938-1948), Karls-Universität Prag, 2011.
20. Vgl. Metka Gombacˇ, I bambini sloveni nei campi di concentramento italiani (1942-
1943), Rivista DEP (Deportate, esuli, profughe). Slovenia; Alessandra Kersevan,
Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento fascisti per civili jugoslavi
1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile 2008, S. 47, Anm. 64; Mark Mazover, Hitlers
Imperium. Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. C. H. Beck, Mün-
chen 2009, S. 325-327; Aram Mattioli, Experimentierfeld der Gewalt. Der Abessinienkrieg
u. seine internationale Bedeutung 1935-1941. Zürich 2005, S. 14; Gerald
Steinacher, Dall’Amba Alagi a Bolzano. Tracce d’Africa in Alto Adige, http://www.
museodellaguerra.it/wp-content/uploads/2017/09/Gerald-Steinacher_75-90.pdf.
21. Statistik des britschen War Office, August 1943. Siehe auch Carlo Spartaco Capogreco,
I campi del duce. L’Internamento civile nell’Italia fascista (1940-1943), Einaudi,
Torino 2004. Ders.: Renicci. Un campo di concentramento in riva al Tevere,
Fondazione Ferramonti, Cosenza 1998, (Milano 2003); Karlo Ruzicic-Kessler, Italiener
auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien 1941-1943. De Gruyter,
Oldenbourg 2017.
22. Alessandra Kersevan, Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento
fascisti per civili jugoslavi 1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile 2008, pag. 106;
Francesco Folino, Ferramonti: un lager di Mussolini. Gli internati durante la guerra,
Cosenza 1985. Ders.: Ebrei destinazione Calabria, Palermo 1988; Carlo Spartaco
Capogreco, I campi del duce. L’internamento civile nell’Italia fascista (1940-1943),
Einaudi, Torino 2004. Ders.: Renicci. Un campo di concentramento in riva al Tevere,
Fondazione Ferramonti, Cosenza 1998, (Milano 2003); Gina Antoniani Persichilli,
Disposizioni normative e fonti archivistiche per lo studio dell’Internamento in Italia
(giugno 1940-luglio 1943), in: Rassegna degli Archivi di Stato 38 (1978), S. 77-96.
23. Daten aus: Anna Pizzuti, Ebrei stranieri internati in Italia durante il periodo bellico
(Lista Ministero dell’Interno, Direzione generale per la demografia e la razza). Über
die Familie Kienwalder siehe Joachim Innerhofer, Sabine Mayer, Mörderische Heimat:
Verdrängte Lebensgeschichte jüdischer Familien in Bozen und Meran, Kapitel:
Jüdische Schneiderkunst in Bozen: Oskar Kienwald und die ägyptische Königin.
Jüdisches Museum Meran, Raetia Verlag, Bozen 2015; Sfuggire ad Auschwitz. Dal
memoriale di Leo Kienwald, ebreo internato a Castelnuovo. Übersetzung aus der
jüdischen Zeitschrift „Hamaor“, Escape from Castelnuovo Garfagnana (Flucht aus
Castelnuovo Garfagnana).
24. Francesco Volpe, Ferramonti: un lager nel sud: atti del convegno internazionale
di studi: 15-16 maggio 1987, Edizioni Orizzonti meridionali, Cosenza 1990, S. 88,
Anm. 47; Enrico Deaglio, Il Lager della Salvezza, La Stampa 9. 12. 2013 (Storia della
Shoah) https://ilgridodelsilenzio. wordpress.com/.
25. Vgl. Fabio Galluccio, I Lager in Italia: La Memoria Sepolta nei Duecento Luoghi di
Deportazione Fascisti, Libere Edizioni, Civezzano-Trento 2002, S. 218-220; Carlo
Spartaco Capogreco, I campi del duce. L‘internamento civile nell‘Italia fascista
(1940 - 1943, Einaudi, Torino 2006; Francesca Fausta Gallo, I campi di concentramento
in Provincia di Teramo: 1940-1944, Catalogo della mostra Tenuta a Teramo
nel 2002. Teramo 2014; Alessandra Kersevan, Un campo di concentramento fascista:
Gonars 1942-1943. Kappa, Udine 2014; La deportazione dei civili sloveni e croati
nei campi di concentramento italiani: 1942 - 1943: i campi del confine orientale
/ a cura di Boris M. Gombac e Dario Mattiussi, Grafica goriziana, Gorizia 2004; Le
163
164
leggi razziali del 1938 e i campi di concentramento nel Molise / Michele Colabella,
introduzione di Anna Sgherri; a cura di Lucia Guastaferri. IRRE stampa, Campobasso
2004; Boris M. Gombac, Triest zwischen Mythos und Realität. Ein Spaziergang
durch die Geschichte, Zeitgeschichte 1/27. Jg. 2000; Ferenc, La Provincia „italiana”
di Lubiana, Udine 1994.
26. Herzlichen Dank für die Information an den Sprachwissenschaftler Dr. Cristian Kollmann
(5. Jänner 2018).
27. Alex Barnett, Hitler’s Digger Slaves-Caught in the Web of Axis Labour Camps, Published
by Australian Military History Publications ISBN 1 876439-73-4. 2001 (2nd
Edition, 2008). Hinweis über die Stacheldrahtzäune in: Kuratorium für Technische
Kulturgüter-Bierbrauerei Blumau, http://www.tecneum.eu (Wittfrieda Mitterer /
Geom. Dieter Pircher)
28. Gianpaolo Pansa, I vinti non dimenticano: I crimini ignorati della nostra guerra
civile, Bur Big-Rizzoli, Milano 2010; Mimmo Franzinelli, L’Amnistia Togliatti 1946.
Colpo di spugna sui crimini fascisti, Feltrinelli, Milano 2016. Franco Giustolisi, Armadio
della vergogna 2, arrivano le prime prove, in: Il Manifesto, 27. 6. 2008.
Ders.: Armadio o “cassonetto”, è sempre una vergogna, Il Manifesto 12. 8. 2008,
S. 6.
29. Giovanni Cecini, I generali di Mussolini, Newton Compton edit., Roma 2016 (Capitolo:
Gambara).
30. Zitiert nach: Gianluca Falanga, Mussolini Vorposten in Hitlers Reich, Ch. Links Verlag,
Berlin 2008, S. 193; Alessandra Kersevan, Lager italiani. Pulizia etnica e campi
di concentramento fascisti per civili jugoslavi 1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile
2008, S. 47, Anm. 64; Gambara (Wikipedia); Le Foibe e i lager italiani, in: http://
sanand. altervista.org/le-foibe-e-i-lager-italiani/
31. Conrad F. Latour, Südtirol und die Achse Berlin -Rom 1938-1945, Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart 1962. S. 111-113; Thomas Schlemmer (Hg.), Die Italiener
an der Ostfront 1942/43. Dokumente zu Mussolinis Krieg gegen die Sowjetunion,
München 2005.
32. Enrico Vigna, Pagine di storia „rimosse“. La politica e i crimini di guerra dell’Italia
fascista in Jugoslavia. Arterigere-EsseZeta, Varese 2005; Alberto Stramaccioni,
Crimini di guerra. Storia e memoria del caso italiano, Editori Laterza, Bari-Roma
2016; Davide Conti, Criminali di guerra italiani, Odradek, Roma 2011. Siehe auch
Brief des Präsidenten der slowenischen Widerstandsvereinigung an den ehemaligen
Präsidenten der Republik Italien, Giorgio Napolitano (http://www.diecifebbraio.info/2012/04/lettera-al-presidente-napolitano-zdruzenje-borcev-za-vrednote-nob-cerknica/).
33. Karlo Rizicic-Kessler, Italiener auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien
1941-1943.Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2017, S. 341; Vitaliano Peduzzi, La divisione
alpina “Pusteria“. Dall’Africa Orientale al Montenegro, Ugo Mursia Editore,
Milano 2009.
34. Karlo Rizicic-Kessler, Italiener auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien
1941-1943.Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2017, S. 341. Ders., Die Besatzung Jugoslawiens
in der ital. Historiographie, in: Linda Erker/Alexander Salzmann/Lucile
Dreidemy/Klaudija Sabo, Update, Perspektiven der Zeitgeschichte. Zeitgeschichtetage
210, Innsbruck/Wien/Bozen 2014, S. 148-155.
35. Siehe Italo Gariboldi, Dizionario Biografico degli Italiani, Vol. 52 (1999); Giovanni
Cecini, I generali di Mussolini, Newton Compton edit., Roma 2016; Mario Torsiello,
Le operazioni delle unità italiane nel settembre-ottobre 1943, Stato maggiore dell’Esercito,
Ufficio storico, Roma 1975, S. 143-1969; Domenico Bartoli, 8 settembre
1943. L’Italia si arrende. Editoriale Nuova, Milano 1984, S. 151. Über die Rückkehr
der italienischen Kriegsgefangenen aus Russland in Bozen siehe: Giampaolo Pansa,
La guerra sporca dei partigiani e dei fascisti. RCS Libri, Milano 2012, Kapitel 39;
Mimmo Franzinelli, Salvate quei generali! Ad ogni costo e la memoria censurata,
in: Millenovecento n. 3 gennaio 2003, S. 112-120; Dokumentarfilm von Ken Kirby,
BBC, Fascist legacy, Londra 1990.
36. Siehe: Henrik Eberle, Mattias Uhl (Hg.), Das Buch Hitler, Geheimdossier des NKWD
für Josef W. Stalin, zusammengestellt aufgrund der Verhörprotokolle des Persönlichen
Adjutanten Hitlers, Otto Günsche, u. des Kammerdieners Heinz Linge, Moskau
1948/49. Bastei Lübbe Taschenbuch, Bd. 64219, Köln 2005, S. 228. Ähnliche Anschuldigungen
gegen Ciano hatte der Oberst des ital. Geheimdienstes Sante Emanuele
(1893-1977) beim Prozess gegen Mario Roatta am 31. Jänner 1945 in Rom erhoben.
37. Giovanni Cecini, I generali di Mussolini, Newton Compton edit., Roma 2016 (Kapitel:
Baistrocchi generale d’armata).
38. Herzlichen Dank für die Hinweise und Informationen von Frau Dr. Katrina Kittel,
geborene Booth, von der Universität Newcastle und Mitglied der australischen Historikerkommission
sowie Forscherin über die POW-Kriegsgefangenen in Italien. Sie
ist die Tochter von Colin Booth (1918-1989), der seit 1942 im „Campo 57“ interniert
war.
39. Günther Rauch, Bozner Obstplatz-Historisches und Alltägliches, Athesia Bozen
2012; „Campo all’Isarco“, la prigione dimenticata dei militari inglesi, A. Adige, 29.
1. 2013, S. 32.
40. Documenti Archivium Secretum Vaticanum Inter arma caritas (Pio XII) Digital Vatikan,
S. 912 Documenti, Nr. 10. Appunti della Segreteria di Stato Vaticano, 31
agosto 1941, Ufficio Inf. Vat. 1102, prot. 00182062.
41. G. Montini führte im Vatikan ein eigenes Amt für die Suche von Kriegsgefangenen.
Siehe: L’Ufficio di ricerca dei prigionieri di guerra, in: Domenica del Corriere, 31
agosto 1941.
42. Über die Funktionen und die Biografie des Generals A. Clerici siehe: Enrico E.
Clerici, Carlo Alfredo, Il Conte Generale Ambrogio Clerici, Nuova Prhomos, Città
di Castello 2014 (https://de.scribd.com/document/ 248082172/Il conte-Generale-Ambrogio-Clerici).
165
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43. Italienischer Text: Montini ha portato „pure una ricca lista di messaggi di prigionieri
inglesi che si ritrovano a Campo all’Isarco (Bolzano) per le loro famiglie, dati in seguito
alla Visita del Nunzio Apostolico e già censurati.” Vgl. Documenti Archivium
Secretum Vaticanum Inter arma caritas (Pio XII) Digital Vatikan, S. 912 Documenti,
Nr. 10. Appunti della Segreteria di Stato Vaticano, 31 agosto 1941, Ufficio Inf. Vat.
1102, prot. 00182062.
44. Hinweis der australischen Historikern Katrina Kittel an den Buchautor. E-Mail vom
18. 12. 2017, 9.18 Uhr.
45. Vatikanisches Geheimarchiv, „Inter arma caritas“ - „Ufficio Informazioni Vaticano
per i PG“ - Archivnummer 446, Faszikel 9 (messaggi di prigionieri britannici
internati nei campi di Capua, Montalbo, Prato all’Isarco e Rezzanello, trasmessi
dall’agosto all’ottobre 1941).
46. Siehe Archivio segreto vaticano, Ufficio Informazioni Vaticano (Prigionieri di guerra,
1939-1947), 518, fasc.29: In un documento senza data il Nunzio apostolico
Francesco Borgongini Duca riferisce di aver visitato un campo per prigionieri di
guerra „a Prato Isarco sulla sponda dell‘Isarco a 7 chilometri da Bolzano. Il campo
è costituito dai locali di una fabbrica di birra sulle pendici di un monte, coperto di
abeti, che scende al fiume ove è Prato. Di essi [prigionieri] circa 150 sono cattolici;
il Comandante, benché tenga divisi gli Inglesi dagli Australiani, perché non sembra
che tra loro vadano d‘accordo, gentilmente li fece adunare insieme nel prato“ (dankenswerter
Hinweis von Andrea Giuseppini von der Vereinigung „Campi fascisti italiani”).
Carlo Spartaco Capogreco, I campi del duce. L’Internamento civile nell’Italia
fascista (1940-1943), Einaudi, Torino 2004, S. 162-164.
47. Josef Innerhofer: Die Kirche in Südtirol: Gestern und Heute, Bozen 1982.
48. Dolomiten, 13. 8. 1941, S. 3., 8. 10. 1942, S. 2. und 17. 10. 1942, S. 4.
49. I campi fascisti dalle guerre in Africa alla Repubblica di Salò; http://www.campifascisti.it,
Archivio segreto vaticano, Ufficio informazioni Vaticano, (Prigionieri di
guerra, 1939-1947), 518, fasc. 29: Rapporto relativo alla visita nel campo della
Provincia di Bolzano, 30 agosto 1941 (Protocollo 00181767). Relazione, in copia,
della visita al campo di prigionia di Prato all’Isarco, 23 ottbre 1941.
50. Dolomiten Nr. 41 vom 8. 10. 1942/XX, S. 2 u. Nr. 124 vom 17. 10. 1942 /XX, S. 4.
51. Malcolm R. Webster, Un australiano tra i partigiani biellesi, in: l’Impegno, a. IX, n.
1. Aprile 1989, Istituto per la storia della Resistenza e della società contemporanea
nelle provincie di Biella e Vercelli; Malcolm Webster, An Italian experience, 1995; A
POW in Italy, Malcolm Webster, An Italian Experience, in: Italian Historical Society
Journal, Volume 11 No 1 - January/June 2003 ISSN 1321-3881, Victoria, Australia,
S. 4- 11.
52. Malcolm R. Webster, Un australiano tra i partigiani biellesi, memorie di un ex prigioniero
di guerra che prese parte alla Resistenza italiana, in: L’Impegno, a. IX, n.
1. Aprile 1989, Istituto per la storia della Resistenza e della società contemporanea
nelle provincie di Biella e Vercelli.
53. Aus: Protocollo della Commissione Interministeriale per i Prigionieri di Guerra, Ministero
Guerra -Gabinetto foglio 161078 (75.1. 6.) del 16. corr. (pag. 7), Archivio
storico centrale della Croce Rossa Italiana, Roma, Fondo Prigionieri di Guerra, Busta
Z 28/4, Fascicolo 26.
54. Vgl. Alex Barnett, Hitler’s Digger Slaves-Caught in the Web of Axis Labour Camps
(2nd Edition), 2008; .
55. Aus dem Reisebericht 2013 der Familie Carrigan „Italy To The Alps In WW11“. Vgl.
http://italytothealps.blogspot.it/2013/09/bolzano-camp-in-brenner-pass.html.
Kriegsbericht von Carl Carrigan, Britisches Nationalarchiv, report sourced by Mr
Brian Sims on behalf of Katrina Kittel and Carrigan family.
56. Siehe: Cate Carrigan, Un’odissea in tempo di guerra. La storia di Carl Carrigan,
soldato australiano. In: l’impegno, a. XXXIII, n. s., n. 1, giugno 2013, pag. 33-52;
http://italytothealps.blogspot.it/2013/09/bolzano-camp-in-brenner-pass.html.
57. Dank für die vielen Hinweise an Karl Saxer, Gemeinderat von Blumau-Karneid.
58. Agostino Podestà wurde 1946 vor das Kriegsgericht gestellt. A. Cifelli, I prefetti del
regno nel ventennio fascista, Roma 1999, pag. 233; Agostino Podestà, L’Alto Adige;
alcuni documenti del passato, Bergamo 1942; Treccani, Enciclopedia Italiana,
Agostino Podestà.
59. Vgl. La Provincia di Bolzano, 18. 2. 1940: „una sollecita e precisa esecuzione della
sua [Mussolini] immutabile volontà del Regime [fascista]”.
60. Zitiert nach: Maria Fiebrandt, Auslese für die Siedlergesellschaft. Die Einbeziehung
Volksdeutscher in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939-
1945. Göttingen 2014, S. 563-566. Anm.: 22-24. Protokoll der Besprechung im Hotel
Greif (Bozen) am 16. 4. 1940. O. D., S. 3 (Bundesarchiv Berlin, R 49/2114, unpag.)
61. Alpenzeitung, 29. 5. 1940, S. 3; La Provincia di Bolzano, 29. 5. 1940, S. 3; Giuseppe
Pantozzi, Die Verschleppung der Psychiatriepatienten aus Pergine nach
Zwiefalten (26. Mai 1940), in: Wahnsinn und ethnische Säuberung. Deportation
und Vernichtung psychisch Kranker aus Südtirol 1939-1945, hrsg. vom Verband
Angehöriger u. Freunde psychisch Kranker, Bozen 1999, S. 43-47; Stefan Lechner,
Die Absiedlung der Schwachen in das „Dritte Reich“; Autonome Provinz Bozen-Südtirol,
Innsbruck 2016; Maria Fiebrandt, Auslese für die Siedlergesellschaft.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, S. 526 ff; Hartmann Hinterhuber, Uccisi
e dimenticati: crimini nazisti contro malati psichici e disabili del Nordtirolo e dell’Alto
Adige, Trento, Museo storico in Trento, 2003; Die vergessenen Südtiroler in
Pergine. In: Dolomiten, 10. 3. 2004, S. 11. „Pepi, hier darfst du bleiben!“, in: Dolomiten,
8. 3. 2004, S. 8; Umsiedlung u. Vernichtung der Südtiroler Geisteskranken,
in: Tandem, 13. 10. 1982, S. 9; Ein vergessenes Kapitel Südtiroler Geschichte, in:
Skolast Nr. 1/1983, S. 26; Archivi del Trentino: Fonti, Strumenti di ricerca e studi,
Ospedale Psichiatrico di Pergine Valsugana (AOPP, serie 4.2 Dir., Carteggio ed atti
di direzione ordinati per oggetto, b. 1716, „Trasferimenti in Germania”), Trento.
Landesarchiv Bozen, 0.1. Stadlhof (1907-1968) Handakten Dr. Giuseppe Pantozzi.
167
168
62. Jörg Kinzig/Thomas Stöckle (Hg.): 60 Jahre Tübinger Grafeneck-Prozess. Betrachtungen
aus historischer, juristischer, medizinethischer und publizistischer Perspektive,
Zwiefalten 2011 (Verlag Psychiatrie und Geschichte); Thomas Stöckle,
Grafeneck 1940. Euthanasie-Verbrechen in Südwestdeutschland, Tübingen 2012,
Hermann J. Pretsch, (Hg.): Euthanasie. Krankenmorde in Südwestdeutschland.
Zwiefalten 1996.
63. Siehe „Wer ist Gott“, in: „Dolomiten 26. 10. 1940, S. 3; „Zerstörung aller Logik“,
ebd., 9. 11. 1940, S. 4; „Ist das Volk Gott?“, ebd., 16. 11. 1940, S. 3; „Tötung
Harmloser unerlaubt“, ebd., 14. 12. 1940, S. 2, ebd., 24. 1. 1941; „Ein furchtbarer
Verdacht“, in: Volksbote Nr. 51 v. 19. 12. 1940, S. 6 (Repro.: Dolomiten Nr. 61 vom
13./14. 3. 2004, S. 22).
64. Peter Hofer an die ADERSt-Hauptstelle Bozen. Zitat nach: Karl Stuhlpfarrer, Umsiedlung
Südtirol 1939-1940, Wien-München 1985, Bd. 2. S. 502.
65. Maria Fiebrandt, Auslese für die Siedlergesellschaft. Die Einbeziehung Volksdeutscher
in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939-1945.
Göttingen 2014, S. 579, Anm. 101.
66. Yehuda Bauer, Jüdische Reaktionen auf den Holocaust, Lit Verlag, Berlin 2012, S.
97.
67. Über die “Croce Rossa” und General Clerici siehe Enrico E. Clerici, Carlo Alfredo,
Il Conte Generale Ambrogio Clerici, Nuova Prhomos, Città di Castello 2014, S.
104-108: https://de.scribd.com/document /248082172/Il conte-Generale-Ambrogio-Clerici)
68. Text in: Alessandra Kersevan, Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento
fascisti per civili jugoslavi 1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile 2008, pag.
45-46, ann. 61: Archivio di Stato, A5G, b. 117, Ufficio Prigionieri della CRI, 17 luglio
1941. Località nominate, Blumau è in Provincia di Bolzano.
69. Archivio Centrale dello Stato, Ministero dell‘Interno, Direzione Generale di Pubblica
Sicurezza, Divisione affari generali e riservati. Archivio generale, Ufficio internati
(1939-1945), A4 bis, internati stranieri e spionaggio 1939-1945, Busta 294, Fascicolo
Radulovic Hranislav di Radenko (eingesperrt zunächst in Tollo, ab 28. Mai
1943 im „Campo di concentramento Villa La Selva di Bagno Ripoli“).
70. Poiché „le pratiche di identificazione e di rimpatrio [...] iniziate dalla locale Questura,
non hanno portato sinora ad alcuno esito e poiché si prevede che esse potranno
ancora durare a lungo“, il Ministero dell‘interno ordina di inviare i civili serbi presso
il campo di concentramento per civili di Tollo, località in provincia di Chieti. Copia
della nota N° 09221 in data 5. 3. 1942 della Regia Prefettura di Bolzano diretta alla
R. Prefettura di Chieti e p. c. R. Ministero Interno P. G. Sezione III, Roma, Originale
in Bolzano Cat. I 4.21/16 1942.
71. Der aus Avellino in Kampanien stammende Epifanio Pennetta (*1881) war von
1940 bis 1943 Leiter der „Divisione Affari Generali e Riservati“ (DAGR) und des
„Ufficio Internati“ (Amt für Gefangene) im Innenministeriun und später faschisti-
scher Polizeikommssar in Rom. Der Vorraum des Büros von Pennetta wurde von
den Familienangehörigen der Verbannten „il muro del pianto“ genannt. (Guido
Leto, Ovra: fascismo, antifascismo. Cappelli Editore, Roma 1952, S. 67; Jonathan
Dunnage, Mussolini’s policemen: behaviour, ideology and institutional culture in
representation and practice, Manchester University Press, Manchester 2012, S.
137-1938; Roberto Roggero, Oneri e Onori. Le verità militari e politiche della guerra
di Liberazione in Italia, Milano 2006, S. 364). Pennetta war 1924 als Chef der Gerichtspolizei
auch mit der Untersuchung des Matteotti-Mordes beauftragt worden.
Dieser Mussolini-Anhänger wurde 1957 auf Vorschlag des Ministerratspräsidiums
mit dem Titel „Grande Ufficiale Ordine al merito della Repubblica Italiana“ ausgezeichnet.
72. Dankenswerter Hinweis von Marialuise Codalonga, Bar Flora (Blumau).
73. Alessandro Taccani, Le forze idrauliche della Venezia tridentina ed il loro sfruttamento,
in “L’Energia Elettrica”, Luglio 1929, pp. 736-738; Il Sole, Milano 25. 6.
1946.
74. Alpenzeitung, 27. 8. 1929, S. 164.
75. Vgl. Marco Boato, Luca Paci und andere, Il caso del “socialista irredentista” Giuseppe
Tovazzi, Gli anni del confino (1930-1932), Archivio di Stato, Roma-Trento
(ohne Datum); Arthur F. Stoffella, Trentiner Aktivisten wollten „Siegesdenkmal“
sprengen, in: Reimmichl Volkskalender, 2008, S. 266-270. Ders.: Das Schicksal
Welschtirols am Beispiel von Giuseppe Tovazzi, Tiroler Schützenzeitung, Nr. 3, Juni
2014, S. 9-10; Luigi Tovazzi, Il caso del socialista irredentista. In: L’Airone, Comune
di Aldeno, 2007.
76. La Provincia di Bolzano, 24. 6. 1939 u. 11. 11. 1039.
77. La Provincia di Bolzano, 16. 2. 1943 u. 3. 6. 1943.
78. Telegramm vom 16. März 1943: Superesercito prigionieri guerra alt N. 1/83430
destinatario XIX corpamiles et conoscenza guerra genio rif. Telegramma 1/79515
data 27. 2. us. Questo stamaggiore alt pregasi disporre che immobile e baraccamenti
ex campo PG. Prato Isarco non appena esaurite funzioni contumaciali
connesse rimpatri truppe fronte orientale siano P.G. tempestivamente adattati ed
utilizzati sede campo lavoro base per prigionieri di guerra. Destinato accentrare gestione
disciplinare amministrativa costituendi distaccamenti lavoro PG. Alt Ufficio
[Prigionieri] G[uerra]. f/to: Col. E(raldo]/Pallotta P.C.C. Il Maggiore capo Sezione
G. Larcher. Herzlichen Dank für die Hinweise an Andrea Giuseppini. Text in: http://
www.campifascisti.it.
79. POW Prigionieri di Guerra Alleati in Italia 1940-1945. Una piccola parte dei documenti
ritrovati. Associazione storia viva Verona: https://powitalia.jimdo.com/
80. Fogli Annunzi Legali Prefettura Trento, 27 giugno 1940, S. 1. u. 10. 8. 1940, S. 2.
81. Vgl. Jens Petersen, Sommer 1943, in: Hans Woller, Italien u. die Großmächte 1943-
1949, München 1988, S. 23-48; Antonio Varsori, Bestrafung oder Aussöhnung?
Italien u. Großbritanien 1943-1948: in: ebenda, S. 131-160.
169
170
82. Geschichte der Bierbrauerei Blumau, Kuratorium für Technische Kulturgüter. http://
www.tecneum.eu (Wittfrieda Mitterer, Geom. Dieter Pircher)
83. Liliana Picciotto, L’alba ci colse come un tradimento: Gli ebrei nel campo di Fossoli,
1943-1944, Mondadori, Milano 2010.
84. Wolfgang Benz, Barbara Distl, Der Ort des Terrors, Bd. 9. Verlag C. H. Beck, München
2009, S. 299.
85. W. Harster wurde am 10. Mai 1945 in der Nähe von Bozen von britischen Truppen
verhaftet und bis zur Übergabe an die Gerichtsbarkeit in Den Haag in ein Gefängnis
nach London gebracht. Vgl. Prozesse/Harster, Der Spiegel Nr. 5 vom 23. 1. 1967, S. 33.
86. Don Carlo Signorato, Stadtviertel-Pfarrer in Verona, teilt in einem Brief vom 15. Juni
1945 an das Gefangenenamt des Vatikans (E. 1517/A) die Namen der vier am 12.
September 1944 in Bozen erschossenen Soldaten mit.
87. Carla Giacomozzi, Giuseppe Paleari, Das Pol. Durchgangslager Bozen. Geschichtlicher
Überblick und Dokumente. Projekt „Geschichte und Erinnerung: Das NS-Lager
Bozen“. Hg. Gemeinde Bozen 2006; Giorgio Mezzalira, Cinzia Villani, Anche a volerlo
raccontare è impossibile. Scritti e testimonianze sul Lager di Bolzano, ANPI,
Quaderni della memoria 1 (1999); Anita Rauch, Polizeiliches Durchgangslager Bozen,
Universität Innsbruck, 2003.
88. Im Vatikanischen Geheimarchiv liegt auch eine Nachricht über nicht näher genannte
„deutsche“ Lager in Bozen auf. Archiv Ufficio Informazioni Vaticano „Sezione
prigionieri in lingua tedesca e slava“ Nr. 464, fasc. 12: arrivo di liste dai campi di
Bolzano, 12 ottobre 1945.
89. Alexander Schifrin, Gedankenschatz des Hakenkreuzes, Die Gesellschaft 2 (1931),
S. 101.
90. Über die Geschichte der Bozner Familie Valentinotti arbeitet Günther Rauch an
einem neuen Buch.
91. Wippermann, Wolfgang: War der italienische Faschismus rassistisch? Anmerkungen
zur Kritik an der Verwendung eines allgemeinen Faschismusbegriffes, in: Röhr,
Werner (Hg.): Faschismus und Rassismus. Kontroversen um Ideologie und Opfer,
Berlin 1992,108-122.
92. Vgl. Filippo Focardi, „Die Unsitte des Vergleichs. Die Rezeption von Faschismus und
Nationalsozialismus in Italien und die Schwierigkeiten, sich der eigenen Vergangenheit
zu stellen“, in Parallele Geschichte? Italien und Deutschland 1945-2000,
hrsg. v. Gian Enrico Rusconi u. Hans Woller (Berlin: Duncker & Humblot, 2006),
107-139; Lutz Klinkhammer, „Der Resistenza-Mythos und Italiens faschistische Vergangenheit“,
in Sieger und Besiegte: Materielle u. ideelle Neuorientierungen nach
1945, hrsg. v. Holger Afflerbach (Tübingen, Basel: Francke 1997), S. 119-139; Gian
Enrico Rusconi, „Die italienische Resistenza auf dem Prüfstand“, Vierteljahreshefte
für Zeitgeschichte 42, Nr. 3 (1994), S. 379-402.
Abbildungen und Materialien:
Katrina Kittel: 110; Wikimedia/Public Domain: 17, 26-1, 26-2, 28, 34, 63, 74, 86; Andrea
Giuseppini, Campi Fascisti italiani: 15, 42, 44-1, 49, 92-1; Fotostoria Italiana, Editori Riuniti
– Edit. L’unità, Roma 1971: 24; Salzburger Volksblatt, 6. 1. 1938: 12; History of
campo 51 Gruppignano: 108-1, 108-2; Herald Sun, 25. 4. 2001: 97; Museum Laibach
u. Istituto Regionale per la storia del movimento di liberazione nel Friuli Venezia Giulia,
Trieste: 44-1, 44-2, 45, 49-1; Archivio storico giornale L’Unità: 53; Postkarte „Bolzano
Palazzo del Corpo D’Armata” (1937): 75; Marika Lisi, Archivio fotografico, Centro studi
e documentazione della Fondazione Fossoli, Otello Sangiorgi-Museo civico del Risorgimento
Bologna: 150; Familie Carrigan: 106, 112-1; 112-2, 112-3; Enrico E. Clerici, Carlo
Alfredo Clerici, „Il conte generale Carlo Ambrogio Clerici”, Nuova Prhomos, Citta di
Castello, 2014: 94; Aus: Gruppo di Studio Isarcus, Opzioni 1939-1989, Centro di Studi
Atesini, Bolzano 1989: 122; Stadtarchiv Bozen: 24, 87-2; National Archives of Australia,
Australian Military History Publications (Thank you: K. Kittel): 93, 109, 110, 111, 113-1,
113-2, 115, 117-1, 117-2, 117-3; Karl Saxer, Blumau: 56-1, 57-1; 57-2, 58-1, 58-2, 62, 67;
Italian Historical Society Journal N° 1 (2003): 69, 105; Alessandra Kersevan, Un campo
di concentramento fascista: Gonars 1942-1943, Ed. Kappa, Udine 2014: 54; Zeitschrift
„Simplicissimus”: 19, 20, 40; Staatsarchiv Bozen, Akten Reut-Nicolussi (herzlichen Dank
für den Hinweis an Mag. Phil. Harald Toniatti u. Pietro Vezzani): 50-1; 50-2; L’impegno,
Rivista di storia contemporanea, a. XXXIII, nuova serie, n. 1, giugno 2013. Dott. Enrico
Pagano, Direttore Istituto per la storia della Resistenza e della società contemporanea nel
Biellese, nel Vercellese e in Valsesia: 152, 154, 155; Il libro della memoria. Fondazione
Ebraica, Milano 2002: 153; Hans Pörnbacher (†), Bozen: 44; alle anderen Abbildungen:
Archiv Günther Rauch.
171
Zum Autor:
Günther Rauch, geboren am 13. September
1951 im St.-Johann-Viertel in
Bozen, war langjähriger Vorsitzender
des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes
in Südtirol, Mitglied des Bundesvorstandes
der Confederazione Generale
Italiana del Lavoro (CGIL) in Rom
und Mitarbeiter des Europäischen Gewerkschaftsbundes,
Initiator der Friedensbewegung
sowie Herausgeber der
Oberschülerzeitung „Neuer Weg“, der
„Südtiroler Arbeiterzeitung“ und der Kaufleutezeitung für Konsumenten
„Ladengugger“. Von 1993 bis 1997 war er Geschäftsführer der
Fachgruppen und ab 1998 bis 2003 Vizedirektor des Verbandes für
Kaufleute und Dienstleister. Günther Rauch veröffentlichte unter anderem
Studien über die Handelswirtschaft und das Nahrungsmittelhandwerk,
zahlreiche Forschungsarbeiten und Aufsätze über die Südtiroler
Sozial- und Arbeiterbewegung. Er ist unter anderem Autor der Tirolensie
„Bozner Obstplatz - Historisches und Alltägliches“. Er lebt in Vilpian
bei Terlan.
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Impressum
Herausgeber:
Südtiroler Heimatbund
Roland Lang
Greifensteiner Weg 12
39018 Terlan - Süd-Tirol
info@suedtiroler-freiheitskampf.net
www.suedtiroler-freiheitskampf.net
Verfasser:
Günther Rauch
Lektorat:
Armin Benedikter
Druck:
Hauger-Fritz, Meran
Erscheinungsdatum: September 2018
Alle Rechte vorbehalten.
Dieses Buch oder Teile dieses Buches dürfen nicht
ohne die schriftliche Genehmigung des Autors
oder des Herausgebers vervielfältigt, in Datenbanken gespeichert
oder in irgendeiner Form übertragen werden.
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Unglaublich, aber wahr! In Blumau (Karneid), in dem 1918 von Italien gewaltsam
annektierten südlichen Teil Tirols (Süd-Tirol), bestand von 1941 bis 1943 ein vom
italienischen Innenministerium, von der Bozner Präfektur und von der Armee und
den faschistischen Milizen geführtes Konzentrationslager: „Campo di concentramento
Prato Isarco“. Dieses italienische KZ geriet bald nach dem Zweiten Weltkrieg
in Vergessenheit. So wie die vielen italienischen Straflager in Afrika und in
den Balkanstaaten, passten solche Terroreinrichtungen nicht in das Geschichtsbild
des „Ventennio fascista“, wo der Duce brav und nur sein Kumpan Hitler ein Mörder
und Verbrecher war. Im „Campo Prato Isarco“ waren britische, neuseeländische,
australische, indische, jugoslawische und sowjetische Gefangene interniert.
In diesem Buch wird zum ersten Mal, anhand bislang teils geheim gehaltener
Akten und Überlieferungen, das wahre Gesicht der eroberungssüchtigen und
blutrünstigen italienischen Faschistenherrschaft enthüllt.
Der in der Breiener Straße in Blumau vom Südtiroler Heimatbund, den Schützenkompanien, dem
Heimatpflegeverein und der Gemeinde aufgestellte Gedenkstein erinnert an die im italienisch-faschistischen
Konzentrationslager „Campo di concentramento Prato Isarco“ gefangen gehaltenen
Soldaten und Regimegegner.