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CAMPO ISARCO

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Günther Rauch

Italiens vergessenes

Konzentrationslager

„Campo d’Isarco“

bei Bozen (1941-1943)

Australische, britische, indische, jugoslawische

und sowjetische Kriegsgefangene

und Zivilisten in Haft gehalten


Inhaltsverzeichnis

4 Geleitwort des Herausgebers Roland Lang

6 Geleitwort des Heimatpflegevereins Karneid

8 Geleitwort des Blumauer Gemeinderats Karl Saxer

10 Geleitwort der Schützenhauptleute Walter Falser,

Jordan Auer und Karl Schroffenegger

13 Ersterwähnung als Konzentrationslager „Campo d’Isarco“

19 Italienischer Staatsimperialismus und Rassismus der Tat

33 Ein ganzes Netz von italienischen Internierungslagern

und Haftstätten

41 Der falsche Mythos von den

„Italiani brava gente“ (Moni Ovadia)

55 Etwas zur Geschichte von Blumau und der Bierbrauerei

61 Die Entstehung des Konzentrationslagers „Campo d’Isarco“

71 Bestialische Gewalttaten in den Wirren

des Zweiten Weltkrieges

79 Südtirol als Sprungbrett

für umstrittene PNF-Partei- und Militärkarrieristen

85 Italienische Internierungslager unterschiedlich geführt

91 Papst Pius XII. für Freilassung der Gefangenen

103 Soldaten der ANZAC gegen den Faschismus,

für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker

121 Statthalter Agostino Podestà als Mitverantwortlicher

des Lagerbaues und der Psychiatriepatienten-Abschiebung

131 Slawische Häftlinge im „Campo di Prato Isarco“

137 Deportierte Zwangsarbeiter für den Virgltunnelbau

149 Das Vergessen des Bösen

ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung

159 Anmerkungen und Literaturhinweise

3


Zum Geleit

Ein gestecktes Ziel!

Ich schaute ungläubig, als mir der Heimatforscher und Buchautor

Günther Rauch einen großen Bündel Zettel in die Hand drückte

und lächelnd meinte, darüber wirst Du nichts wissen! Das „Darüber“

war die Entstehung und die Geschichte des Anhaltelagers

„Campo di concentramento Prato Isarco“ in Blumau.

Dieses italienisch-faschistische Internierungslager, errichtet in

der ehemaligen Brauerei an der alten Tierser Straße, geriet bald

nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Besonders die

italienischen Politiker machten lieber auf das deutsche Durchgangslager

in der Reschenstraße in Bozen aufmerksam. So wie

die vielen italienischen Konzentrationslager in Ost- und Nordafrika,

Griechenland und in Slowenien während des Weltkrieges,

passten solche „Einrichtungen“ nicht in das Geschichtsbild über

das „Ventennio“, wo der Duce brav und nur sein Kumpan Hitler

ein Mörder und Verbrecher war.

Verfügt wurden die Internierungen unter Bezugnahme sowohl

auf die Kriegsgesetze als auch auf die Vorschriften für die öffentliche

Sicherheit. Im „Campo di concentramento Prato Isarco“

waren britische, neuseeländische, australische, indische, jugos-

4


lawische und sowjetische Gefangene interniert. Daran, dass die

Gefangenen ihrer Freiheit beraubt waren, ließen Stacheldraht,

Wachen, Schwarzhemden und tägliche Appelle keinen Zweifel

aufkommen.

Gerade in der jetzigen Zeit, wo der römische Gruß vom italienischen

Höchstgericht wieder legalisiert wurde und der Faschismus

wieder mit „CasaPound Italia“ und „Forza Nuova“ seine

hässliche Fratze erhebt, muss auf die Verbrechen des italienischen

Faschismus hingewiesen werden.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass Kanonikus Michael

Gamper noch 1953 die italienische Politik in Südtirol öffentlich

als Todesmarsch anprangerte und Carabinieri, welche die inhaftierten

Südtiroler Freiheitskämpfer der 1950 und -60er Jahre

folterten, vom postfaschistischen italienischen General und Putschisten

Giovanni De Lorenzo ausgezeichnet wurden!

Es gab in Südtirol zwei Internierungslager. Eines war das von den

Nazis errichtete Durchgangslager in Bozen, das andere das von

den Faschisten errichtete und in den amtlichen Papieren als Konzentrationslager

(Campo di concentramento) bezeichnete Lager

in Blumau. Beide Orte sollten uns daran erinnern, welche Opfer

dafür gebracht wurden, um zwei verbrecherische Regime zu

vernichten. Diese Publikation, für deren Abfassung ich mich im

Namen des Südtiroler Heimatbundes recht herzlich beim Autor

Günther Rauch bedanken möchte, wird für viel Aufsehen sorgen.

Aber wenn sie hilft, auch nur einige Menschen vom verbrecherischen

und rassistischen Gedankengut von rechtsextremen Gruppierungen

zu überzeugen, so wurde das gesteckte Ziel erreicht.

Roland Lang

Obmann des Südtiroler Heimatbundes

5


Vorstand Heimatpflegeverein Karneid:

v.l.n.r. Alois Rieder, Christine Wunsch, Bernhard Vieider, Julia Wörndle,

Matthias Vieider, Elfriede Vieider, Toni Tutzer

Geleitwort

des Heimatpflegevereins Karneid

Heimatpflege wird heute leider oft als eine Verherrlichung des

Vergangenen gesehen, als der Versuch, die „gute alte Zeit“ als

Idyll wiederzubeleben. Tatsächlich geht es jedoch in der Heimatpflege

nicht um den Erhalt des Alten, weil es alt ist, sondern um

den Erhalt des Alten, das gut ist. Es geht darum, bestimmte Dinge,

Bräuche und Geschehnisse aus der Vergangenheit über die

Gegenwart in die Zukunft mit zu nehmen, weil sie uns Menschen

und unserer Umwelt guttun. Dafür ist der Blick in die Vergangenheit

und die Unterscheidung zwischen erhaltenswertem Gut und

Teilen unserer Geschichte, die nicht gut waren, unabdingbar.

Ein solcher Bereich unserer Vergangenheit, der nicht gut war,

ist der zweite Weltkrieg und die damit verbundenen abscheu-

6


lichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Menschen zu

gedenken, die unter dem Nationalsozialistischen und Faschistischen

Regime gelitten haben, gefoltert, verfolgt und systematisch

getötet wurden, ist uns als Heimatpflegeverein deshalb ein

wichtiges Anliegen.

"

Diese Verbrechen

dürfen nicht vergessen werden, denn

wer vor der Vergangenheit

die Augen verschließt,

wird blind für die Gegenwart "

Richard von Weizsäcker

7


Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Ich bin in Bozen geboren und in Blumau aufgewachsen und

habe meinen Heimatort in all seinen Facetten erlebt. Die frühere

Brauerei war eigentlich mein Kinderparadies. In den alten Gebäuden

trafen wir uns schon als Kinder, um zu spielen und Feste

zu feiern. Nie wären wir auf die Idee gekommen, dass hier der

italienische Staat Menschen eingesperrt und gefangen gehalten

hatte. Doch eines Tages stieß ich auf etwas, was meine Neugier

bis heute nicht mehr losließ. Auf mehreren alten Holzbalken

waren viele Familiennamen eingeritzt. Da erfuhr ich zum ersten

Mal, dass hier in der Endphase des faschistischen Regimes ein

von Polizei und Milizen geführtes Konzentrationslager eingerichtet

war.

Meine Sammelleidenschaft hatte in mir die Begeisterung für

die Dorfgeschichte und Sammlung von Ansichtskarten und alten

Brauereibildern geweckt. Dabei kam ich wieder auf die Spur

des längst vergessenen Lagers. Daran erinnerte auch das an

der Mauer am Geländeeingang zur alten Brauerei angelehnte,

schmiedeeiserne Zugangstor. Obwohl ich viel Zeit für die Suche

nach Belegen über das KZ „Prato Isarco“ aufbrachte, stieß ich

immer wieder auf große Hindernisse. Der Zugang zu den Archi-

8


ven mit den Unterlagen aus jener Zeit ist weitgehend versperrt.

Umso größer war dann meine Freude, als ich von den Recherchen

des Buchautors Günther Rauch erfuhr und ihm so manches

alte Bild und Schriftstück zur Verfügung stellen konnte. Ein Dank

geht auch an Roland Lang, Obmann des Südtiroler Heimatbundes,

der für die Herausgabe des Buches zeichnet.

Aufgrund seiner abwechlungsreichen beruflichen Laufbahn kam

Rauch mit den unterschiedlichsten Zeitzeugen in Kontakt. Er war

mit Leib und Seele Gewerkschaftsführer, später auch Spitzenmann

des Kaufleuteverbandes. Dadurch wurde er mit unzähligen

persönlichen Schicksalen konfrontiert. Das „Wider das Vergessen“

veranlasste ihn, seit seiner Pensionierung sein Wissen über

eine bisher verborgen gebliebene Geschichte niederzuschreiben.

Seine Recherche dokumentiert wichtige historische Ereignisse

nicht nur des „Ventennio fascista“ in Südtirol, sondern völlig

neue Aspekte der Zeit von 1940 bis 1945. Wie wenig die Wunden

der Vergangenheit vernarbt sind, zeigen oft die hysterischen

Reaktionen auf den Selbstbehauptungswillen der Südtiroler und

die Bagatellisierung des europaweit aufkeimenden Rechtsradikalismus.

Es ist darum gut, wenn wir uns hundert Jahre nach der

Beendigung des Ersten Weltkrieges mit all seinen verheerenden

Folgen immer wieder zum „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“

bekennen. So steht es auch auf dem KZ-Gedenkstein, der

in der Breiener Straße neben der Wegkapelle aufgestellt wurde.

Karl Saxer

Gemeinderat von Blumau-Karneid

9


Karl Schroffenegger, Hauptmann

Schützenkompanie Gummer

Walter Falser, Hauptmann

Schützenkompanie Karneid

Jordan Auer, Hauptmann

Schützenkompanie Steinegg

Vorwort der Schützenkompanien

von Karneid, Steinegg und Gummer

Seit meiner Geburt lebe ich in Karneid, und als geschichtsinteressierter

Mensch dachte ich eigentlich alles Relevante über meine

Heimatgemeinde zu wissen. Umso erstaunter war ich, als ich

bei einem Treffen mit den Herren Günther Rauch, Roland Lang

und Karl Saxer sowie Vertretern der örtlichen Schützenkompanien

zum ersten Mal von der Existenz eines Konzentrationslagers

in Blumau erfuhr. Auch in den Geschichtsbüchern fand ich nichts

über diese dunkle Episode in unserer Gemeinde.

Die Geschichte wird nun einmal von den Siegern und jenen,

die rechtzeitig die Fronten gewechselt haben, geschrieben. Daher

darf uns auch nicht verwundern, dass das Vorhandensein

eines faschistischen Konzentrationslagers so lange erfolgreich

verschleiert wurde! Viel lieber wurde das Interesse der Öffentlichkeit

nur auf das von den Nationalsozialisten geführte Durchgangslager

in der Bozner Reschenstraße gelenkt.

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg schufen die Siegermächte mit

dem Anschluss Südtirols an Italien schweres und nie wieder gutgemachtes

Unrecht. Zweiundzwanzig Jahre danach reifte in einem

ähnlichen mörderischen Kriegsgetrommel auch die Errichtung

des Konzentrationslagers „Prato all’Isarco“ heran. Es wurde von

Milizen und Gefängnispersonal der Mussolini-Regierung geführt.

10


Die Existenz dieses Lagers war bisher verborgen geblieben.

Selbst Zeitzeugen unserer Gemeinde wussten kaum etwas über

dieses dunkle Zeitgeschehen. Erst jetzt erinnern sich so manche

ältere Dorfbewohner an Erzählungen ihrer Eltern. Ich möchte im

Namen der Schützenkompanien Gummer, Karneid und Steinegg

darum ein großes Dankeschön an den Buchautor Günther Rauch

aussprechen. Ohne seine unermüdlichen Recherchen wäre dieses

Konzentrationslager wohl nie aufgedeckt worden. Dank gilt

auch dem Obmann des Südtiroler Heimatbundes für die Veröffentlichung

dieser Geschichte.

Schließlich sollte - unabhängig wie man das beinahe vor achtzig

Jahren stattgefundene Geschehen beurteilt - nie vergessen

werden, dass die in diesem Lager eingesperrten Menschen Angehörige

alliierter Befreiungsarmeen und freiheitsliebender Widerstandsbewegungen

waren. Ohne deren Interventionen und

Einsatz wäre Europa nicht von dem fluchwürdigen, völkerversklavenden

Regime in Italien und im Deutschen Reich befreit

worden.

In diesem Sinne wollen wir Süd-Tiroler Schützen mit der Errichtung

einer Gedenktafel in Blumau und mit der Unterstützung

dieses Buches an alle Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen

und auch an das italienische Lager „Prato Isarco“ erinnern.

Für die Schützenkompanien Karneid, Steinegg und Gummer

Hauptmann Walter Falser

"

Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert,

ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."

George Santayana

11


Ersterwähnung

als Konzentrationslager „Campo d’Isarco”


Ersterwähnung

als Konzentrationslager „Campo d’Isarco“

Trientner und Bozner Faschisten

um 1922. Der kriminelle Charakter

des faschistischen Regimes

und die Verbrechen der faschistischen

Squadristen und Milizen

in den schwarzen Jahren und ihre

Beteiligung am Völkermord wurden

nach dem Zweiten Weltkrieg

arg verdrängt.

Über das vom Juli 1944 bis zum 3. Mai 1945 in der Reschenstraße in

Bozen von den Nazifaschisten betriebene „Polizeiliche Durchgangslager“

wurde viel geschrieben. Hingegen weitgehend unbeachtet, wenn

nicht total ausgeklammert blieb das vom italienischen Innenministerium

in Zusammenarbeit mit der Kommandantur

des Armeekorps und der

faschistischen Präfektur von Bozen in

Blumau (Gemeinde Karneid) geführte

Arbeits- und Internierungslager „Campo

d’Isarco“ (Campo Prigionieri Guerra

No 93). 1

In den überlieferten Papieren und offiziellen

Dokumenten der faschistischen Behörden

wird als Ortsbezeichnung einmal

„Prato di Isarco“ und ein anderes Mal

„Prato Isarco“ oder „Prato all’Isarco“

verwendet. Es handelt sich aber immer

um ein und denselben Ort. In dieses in

der ersten Jahreshälfte 1941 eröffnete

Anhaltelager wurden alliierte Kriegsgefangene

und politische Gegner aus den

von Italien widerrechtlich okkupierten

Balkangebieten eingewiesen. Zuweilen

waren hier bis zu 400 britische, serbische

und andere Gefangene interniert.

Die Existenz und der Betrieb dieses Lagers

wurden streng geheim gehalten -

auch nach dem Zweiten Weltkrieg.

14


Doch Unrechtstaten und Fakten, welche in den Schul- und Geschichtsbüchern

und in der Erinnerungskultur fehlen, sind aber gerade die, um

die sich alles dreht.

In den amtlichen Depeschen und Dokumenten des italienischen Innenministeriums

und der Präfektur der „Provincia di Bolzano“ (seit 1923

war die Landesbezeichnung „Südtirol“ verboten) wurde dieses Lager

ausdrücklich als Konzentrationslager „campo di concentramento di Prato

Isarco“ (auch „campo di concentramento per prigionieri di guerra di

Prato Isarco“) für „Prisoners of War“ (POW)-Kriegsgefangene bezeichnet.

2

Zum ersten Mal taucht dieser vom Ersten Weltkrieg her noch in üblem

Gedächtnis gestandene Begriff „Campo di concentramento“, zu

Deutsch „Konzentrationslager“, in einem Eilschreiben des italienischen

Ministeriums für Inneres vom 29. Juli 1941 an die Bozner Präfektur auf.

„Campo di concentramento di Prato Isarco“, „Konzentrationslager von Prato Isarco“,

so die offizielle Bezeichnung in den Papieren des italienischen Ministeriums für Inneres

(„Ministero dell’Interno“).

Zu diesem Zeitpunkt waren im Lager in Blumau mehrere serbische Häftlinge

interniert, deren politische Aktivität gegen das faschistische Itali-

15


en gerichtet war oder eine potentielle Bedrohung für die italienischen

Invasionstruppen auf dem Balkan darstellte.

Die seit dem späten Frühjahr 1941 im Lager internierten australischen

beziehungsweise englischen Kriegsgefangenen gebrauchten in ihren

Schilderungen ebenfalls die Bezeichnung „Konzentrationslager“: „the

concentration camp at Prato all’Isarco“. 3

Der von den Internierten und vom italienischen Innenministerium verwendete

Begriff „campo di concentramento“ suggeriert automatisch

ein „Vernichtungslager“, das heißt massenhafte und systematische

Hinrichtung menschlichen Lebens. Davon ist allerdings aus dem „KZ

Campo d’Isarco“ nichts überliefert. Außer man hat, wie vieles andere in

der Geschichte Südtirols, alles vertuscht und verschwiegen.

Im Lager „Campo d’Isarco“ dürften wohl eher die Einschüchterung,

psychologische Erniedrigung und die Zwangsarbeit im Vordergrund gestanden

sein. Es diente zur Internierung von Kriegsgefangenen und zur

Bestrafung von Deportierten und Zwangsarbeitern.

Aber auch wenn es sich in Blumau nicht um ein Vernichtungslager gehandelt

hat, darf die Existenz eines italienischen Konzentrationslagers nicht unterschätzt

werden. Das geschehene Unrecht und die Verbrechen während der schwarzen

und braunen Jahre dürfen weder geleugnet noch verharmlost werden.

Es war kein Zufall, dass die Errichtung des Lagers in Blumau in eine

Zeit fiel, als die italienische Armee in Libyen, Ost- und Nordafrika und

im Königreich Jugoslawien für unsägliche Massaker und massenhafte

Deportierungen von Soldaten und Zivilisten verantwortlich war.

„I veri barbari siamo noi“, zu Deutsch: „Die wahren Barbaren sind wir“,

soll der „Avanti“, die Zeitung der italienischen Reformsozialisten, sentenziert

haben. 4

16


„Dem Mächtigen gehört die Welt“,

prophezeite Nietzsche, der Liebingsautor

Mussolinis. Das politische Steckenpferd

dieser Großmachtpolitik war für

den Duce das „Imperium Romanum“

(„il mediterraneo, il mare nostro“).

„In Afrika ist Raum

und Ruhm für alle!“

(“In Africa c’è posto e gloria per tutti!“),

so begrüßte der Duce am 14.

April 1926 in Tagiura (Libyen) seine taten-

und gewaltfrohen „camicie nere“.

Diese kolonialistisch verseuchten Worte

standen noch am 25. August 1935 in

allen größeren Ortschaften Südtirols

auf den von den Schwarzhemden aufgeklebten

dreifarbigen Propagandaplakaten.

Die Ziele der italienischen Außenpolitik

und faschistischen Doktrin waren im

Grunde genommen nichts anderes als

Panitalianismus und Imperialismus in

Reinkultur. Adolf Hitler, der Apologet

Mussolinis, pflichtete dem bei und entwickelte

seinerseits die Theorie, dass

Die nationalistische und imperialistische

Leidenschaft und

Großmannssucht des ehemaligen

Linksradikalen und „Pfaffenfressers“

Benito Mussolini und seiner

Schwarzhemden musste über den

bewaffneten Despotismus und

gefährliche Abenteuer zwangsläufig

früher oder später zum

Krieg führen.

Deutschland das historische Recht auf Kolonialbesitz im Osten habe.

Der Zauberlehrling übertrumpfte an politischer und militärischer Brutalität

seinen Meister.

So gesehen war die seit 1940 vorangetriebene Errichtung der italienischen

Konzentrationslager nur eine der vielen Folgen des durch den

Faschismus perpetrierten, größten Zivilisationsbruches der Nachkriegs-

17


geschichte. Nicht nur die Nürnberger Prozesse haben die Verletzung

der Menschenrechte und die Angriffskriege als Kriegsverbrechen eingestuft.

Benito Mussolini und seine Getreuen (1922): „Wir hungern nach Land“ (Johann

Wilhelm Mannhardt, Der Faschismus, München 1925, S. 292). Die Schwarzhemden

wollten Expansion um jeden Preis und in jedem Sinne, moralisch, politisch, wirtschaftlich

und demagogisch. Vor den am 17. August 1935 von Neapel mit Schiffen

nach Ostafrika abfahrenden Divisionen rief der Duce den jungen Soldaten zu: „Wir

werden vorwärtsschreiten, bis wir das faschistische Imperium vollendet haben.“

Nach Südtirol und Afrika streckten sie ihre Krallen auf den Osten aus. „Die Diktatur

des Wahns“ hatte im Land, wo die Zitronen blühen, die Oberhand gewonnen,

schrieb bereits 1928 der scharfsichtige Bozner Kaufmannssohn, Schriftsteller und

Antifaschist Carl Dallago (1869-1949), Vater der Melanie Dallago (1895-1973), Gattin

des „Tiroler Märtyrers“ Josef Noldin (1888-1929).

18


Italienischer Staatsimperialismus

und Rassismus der Tat

19


Italienischer Staatsimperialismus

und Rassismus der Tat

Mussolini Triumphator - „Erst

wenn alle meine Gegner im Gefängnis

sind, werde ich über ein

wahrhaft freies Italien herrschen“

(aus „Simplicissmus, 35/1925,

S. 501.). In Südtirol sollte das

Tirolertum und alles, was an

Österreich erinnerte, vernichtet

werden.

Die ersten Lager - abgesehen von den

Anhalte-, Konfinierungs- und Internierungslagern

auf den süditalienischen

Verbannungsinseln und in der Cyrenaika

- waren für die in Ost- und Nordafrika

gefangen genommenen englischen

und australischen Soldaten entstanden.

Den größten Teil der italienischen Konzentrationslager

füllte man mit Slowenen,

Serben, Kroaten und Kommunisten

und ganz allgemein mit Antifaschisten.

Zudem waren nicht nur die Umsiedlung

(Option) der Südtiroler, sondern in ganz

Italien wie im Deutschen Reich die Vorarbeiten

für eine „Gesamtabschiebung

der Juden“ in vollem Gange. 5

Bei der Auswahl der in Betracht gezogenen

und ausgebürgerten Personen

wurde auf Nationalität, Name, Stand,

Beschäftigung und Familie keine Rücksicht

genommen.

Der Abgeordnete des „Partito Nazionale

Fascista“ und Bozner Parteisekretär

Ragioniere Bruno Stefanini (1903-

1968) aus Orvieto (Terni) war zu dem

Schluss gekommen, dass auch die Südtiroler

„Leute sind, die kein Vaterland

haben: das ist eine [Menschen-] Rasse

20


für sich. […] Glaubt nicht an deren Gefühle der Sympathie gegenüber

uns [Italienern]!“ 6

Italienischer Originaltext:

„Questa gente non ha patria: fa razza a sé ! […]

Non si creda a sentimenti di simpatia verso di noi.“

Darum war dem ehemaligen Spanienlegionär,

Vizesekretär des PNF in Triest,

Präfekturkommissar in Umbrien und in

der Toskana und nachmaligen Provinzpräfekten

(vom 12. Mai 1944 bis Ende

April 1945) der „Repubblica Sociale

Italiana“ in Aosta (Vallée d’Aoste), die

Verjagung der Südtiroler nur recht -

schon wegen des einträglichen Grundund

Immobiliengeschäftes, das sich dadurch

eröffnete. Stefanini starb im Alter

von 65 Jahren am 27. März 1968 in Rom.

Der Präfekt der Provinz „Bolzano“, Giuseppe Mastromattei (1897-

1986), hatte bereits am 1. Jänner 1939 im Amtsblatt der Bozner Präfektur,

„Bollettino Ufficiale della R[egia] Prefettura di Bolzano“, die

bevölkerungspolitischen „Maßnahmen zur Sicherung der italienischen

Rasse“ („provvedimenti per la difesa della Razza Italiana“) veröffentlicht.

Sie widerspiegeln die von den 340 Abgeordneten der italienischen

Kammer im Dezember 1938 einstimmig genehmigten und von König

Vittorio Emanuele III. (1869-1947) unterzeichneten Rassengesetze.

Bereits am 19. April 1937 hatte die Regierung ein Gesetz gegen „Rassenmischungen“

erlassen. Diese faschistische Politik entsprang einer

21


22

rassistischen und ultranationalistischen Grundeinstellung, die durchaus

zum Erbgut vieler Faschisten der Gründergeneration gehörte.

Italienische Interventionisten und Ultranationalisten haben bereits 1915

den Krieg gegen Österreich als Kampf der „guten [italienischen] Rasse“

gegen die „schlechte [österreichische]“ als heilig glorifiziert. 7

Das Faschistenorgan „Il Popolo d’Italia“ hatte schon am 4. Oktober

1921 unter dem Titel „Superba dimostrazione a Milano“ unmissverständlich

dem Primat und der „Reinhaltung“ einer über alles herrschenden

„razza italica“ das Wort geredet.

Laut dem Wegbereiter der Schwarzhemden in Südtirol, späteren

PNF-Generalsekretär, Minister und engen Vertrauten des Duce, Hauptmann

Achille Starace, hatte „der Faschismus seit jeher eine Rassenpolitik

verfolgt, die darauf gerichtet war, eine quantitative Hebung der

[italienischen] Rasse zu verwirklichen“ [Rede vom 26. Juli 1938 vor

Universitätsprofessoren in Rom].

Ähnliche Ansichten werden im „Il Popolo d’Italia“ vom 6. August 1938

auf der Titelseite wiederholt: „Il razzismo italiano data dall’anno 1919

ed è base fondamentale dello stato fascista.“

Zu Deutsch: „Der italienische Rassismus geht auf das Jahr 1919 zurück

und ist eine fundamentale Grundlage des faschistischen Staates“.


Damals waren auf den Trümmern des Ersten Weltkrieges und dem „Unterbewusstsein

der Italiener“ (Mussolini: „dall’inconscio degli italiani“)

von den Verfechtern des Nationalismus und der Remilitarisierung in

Mailand die Kampfbünde „Fasci di combattimento“ gegründet worden.

„Die Tat geht immer dem Gesetz voraus“, war einer der Sätze, die der

Duce gern wiederholte und die er aus der frühen Arbeiterbewegung

entlehnt hatte.

Wenige Monate nach dem Erlass der

Rassengesetze fädelten Hitler und Mussolini

das Optionsabkommen ein, „um

die [Südtiroler] Opfer zur Schlachtbank

zu zerren“, konstatierte der couragierte

Widerstandskämpfer Hans Egarter

(1909-1966) aus Olang.

Nicht genug des Wahns, wurde von

den Nazifaschisten auch noch die deutsche

Bevölkerung des Gottscheer Landes

(Kočevska-Slowenien) vertrieben.

Dekretierte Abschiebung der religiösen

und nationalen Minderheiten.

23


Überall in Italien rassistische Aufschriften:

„Dieses Geschäft ist

Arisch.“

Mit den Rassengesetzen von 1938 hatte

Italien seinen ursprünglich gegen die

Slawen und Afro-Araber gerichteten

faschistischen Rassismus antisemitisch

und antiziganisch aufgeladen.

Der Großteil der italienischen Massenvereine

hatte die Aufnahme eines

Mitgliedes an die „arische“ Abstammung

gekoppelt: „I soci […] devono

esclusivamente appartenere alla razza

ariana.“

Der faschistische Präfekt der „Provincia di Bolzano“, Guglielmo Froggio, machte starken

Druck, um in Südtirol die übrig gebliebenen Juden genau zu registrieren und

deren Vertreibung vorzubereiten. Seine Schandtaten waren 1946 kein Hindernis, als

Präfekt von Brescia zu amtieren, so als wäre nichts geschehen.

24


Die damit zusammenhängende Schande war, dass die meisten dieser

Vereine eine Monopolstellung hatten und dadurch viele Menschen gezwungen

waren, ihnen beizutreten, auch wenn sie mit der Ideologie der

Vereinsvorstände durchaus nicht übereinstimmten.

Der frühere Präsident der Handelskammer Potenza und von Oktober

1942 bis Juni 1943 in Bozen amtierende Präfekt der „Provincia di Bolzano“,

Dr. Guglielmo Froggio (1886-1961) aus Vibo Valentia (Catanzaro),

ließ die übrig gebliebenen Israeliten

gleich in zehn Ortschaften identifizieren.

Die Juden sollten alle ausgesiedelt werden.

Die Umsetzung der antisemitischen

Maßnahmen kam - wie sein Telegramm

vom 24. Juni 1942 belegt - in Südtirols

Amtsgemeinden nur mühsam voran.

Es war der ehemalige Faschistensekretär

von Bozen, kommissarische Leiter

der Handelskammer und Journalist des

„Il Brennero“, Carlo Barduzzi (1889-

1971) aus Vailate (Cremona), gewesen,

der als erster in Italien deren Deportation

auf die Insel Madagaskar als Lösung

der Judenfrage propagiert hatte.

Barduzzi zählte mit seinem aus Rovereto

stammenden Gefährten und

antiösterreichischen Journalisten Gino

Sottochiesa (1893- um 1960) zu den

Miturhebern des italienischen Rassenmanifestes

„Manifesto in difesa della

razza“ vom 14. Juli 1938.

Der Südtirol- und Slowenenhasser

schreckte selbst vor Gewalt nicht zu-

Der Schriftleiter der faschistischen

Tageszeitung „Il Brennero“, Sonderkommissar

der Bozner Handelsund

Gewerbekammer und Abgeordneter

des PNF, Carlo Barduzzi.

Er war einer der blindwütigsten

Gralshüter des italienischen Rassenhasses

und Nationalismus. Für

ihn gab es nur zwei Möglichkeiten,

wie die Südtiroler und alle anderen

Nicht-Italiener behandelt werden

konnten: ihre Assimilierung oder

ihre Entfernung.

25


rück. 1925 versetzte Barduzzi einem deutschen Eisenbahnbeamten

mehrere Faustschläge ins Gesicht. Im gleichen Jahr wollte er unbedingt

den altösterreichischen Bozner Bahnhof und Teile der Altstadt niederreißen,

um die Bodenfläche für italienische Bauzwecke ausnützen zu

können. Dennoch bekam der Erzfaschist und Rassist im Jahre 1965 den

Verdienstorden der Republik Italien.

Aus den Tagebucheinträgen von Clara Petacci (1912-1945) geht hervor,

dass Mussolini bereits Mitte 1938 angedroht hatte, alle 50.000 italienischen

Juden zu verbannen. Wörtliche Tagebucheintragung:

„Ich interniere sie auf einer kleinen Insel. Sie sind Aas, Feind, Feigling.

Sie werden noch sehen, wozu die stählerne Faust von Mussolini fähig

ist. Es ist Zeit, dass die Italiener merken, dass sie nicht mehr von diesen

Schlangen ausgebeutet werden dürfen […] Diese ekelhaften Juden,

man muss sie alle vernichten […] Ich werde ein Massaker anrichten,

wie es die Türken taten…“ 8

Die Verschleppung der Juden auf die Insel Madagaskar hatte ihren größten Befürworter

in Benito Mussolini und seinen handverlesenen Prätorianern. Zeitgleich sollten

die Südtiroler nach dem Beispiel der Armenier vertrieben und das Deutschtum im

südlichen Teil Tirols ausgetilgt werden.

26


Die Türken hatten zwischen 1894 und 1918 im Osmanischen Reich bis

zu 1,5 Millionen Armenier, Aramäer, Assyrer, Kurden und Pontos-Griechen

ermordet. Es handelte sich um einen der größten und schrecklichsten,

von oben gelenkten Völkermorde der Geschichte. 9

Nicht nur die Bluttollheit der asiatischen Kaukasusarmeen hatte bei der

Armeniertragödie mitgewirkt, sondern die vielzitierte „Staatsraison“

und die nationalistische Habgier der türkischen Regierung waren die

treibenden Kräfte des Verbrechens.

Wenn es nach Erzfaschisten vom Schlage der Senatoren Ettore Tolomei

(1865-1952), Spindoktors des Todesmarsches auf Südtirol, und Enrico

Corradini (1865-1931), Gründers der „Associazione Nazionalista Italiana“,

und des Professors Severino Colmano (1872-1959), ehemaligen

linksradikalen Gewerkschaftssekretärs aus Levico, gegangen wäre,

hätten auch die Südtiroler ihre deutsche Sprache und ihr Volkstum

nach dem Muster der Vorgangsweise des Türkengenerals Mustafa Kemal

Pascha (1881-1938), Atatürk genannt, entweder ausgerottet oder

zur Auswanderung gezwungen werden sollen.

Senator Tolomei war sein ganzes Leben als Feind der Südtiroler tätig.

Nach 1945 war er Berater der italienischen Regierung. Bei der Optionsentscheidung

1939 hatte er aus dem verbrecherischen Treiben der

Reichsitaliener gegen die Südtiroler kein Geheimnis gemacht. Die Aussiedlung

der Südtiroler war für ihn auch ein willkommener Anlass, um

mit dem „gemäßigten“ Flügel innerhalb der Faschistischen Partei abzurechnen.

Seine im „Archivio per l’Alto Adige“ schriftlich festgehaltenen

Worte ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: 10

„Vergebens haben wir nach dem Ende des Ersten Weltkrieges

Vorschläge für eine solche Lösung [Ausrottung der Südtiroler

Volkskultur, Option und Aussiedlung der Südtiroler] gemacht.“

27


Rückendeckung erhielt er von Ministerpräsident Benito Mussolini, der

anlässlich des ersten Jahrestages des Kriegseintritts Italiens am 10. Juni

1941 in der Kammer der Fasci und Korporationen Folgendes erklärte:

„[…] der Bevölkerungsaustausch

und der Auszug von Volksgruppen ist segenbringend,

wenn damit die Übereinstimmung der politischen

mit den Rassegrenzen erzielt wird […]“

Eine deutsche Übersetzung seiner gesamten Rede wurde auf der Titelseite

der faschistischen „Alpenzeitung“ vom 11. Juni 1941 wiedergegeben.

Der Primus inter pares unter den

verfolgten deutschen Schriftstellern,

Nobelpreisträger und Pazifist

Carl von Ossietzky, ergriff

deutlich Partei für die Freiheit

Südtirols.

Unter den zahlreichen Persönlichkeiten,

die gegen diesen italienischen Rassismus

der Tat, gegen die Einverleibung

Südtirols ins italienische Königreich

und die nachfolgenden Entnationalisierungsmaßnahmen

vehement Stellung

bezogen hatten, befand sich der Träger

des Friedensnobelpreises und von den

Nationalsozialisten arg verfolgte Chefredakteur

der Wochenzeitschrift „Die

Weltbühne“, Carl von Ossietzky (1889-

1938):

„[…] Die Süd-Tiroler sind brave, fromme

und sehr unrebellische Leute, ihr

Verbrechen besteht darin, sich ihre

Muttersprache nicht abgewöhnen zu

28


können. Deshalb sollen sie [die Süd-Tiroler] zertreten werden. Denn

der Faschismus lebt von imaginären Gegnern. Benito Mussolini, dieser

Napoleon Bonaparte des inneren Krieges, braucht immer neue Gegner,

um an innenpolitischen Marengos und Wagrams [Napoleons Siege

über die Österreicher bei Marengo und Wagram] seine Sendung zu erhärten.

Die Fiktion der ewigen Bedrohung gehört zu den Lebensnotwendigkeiten

des Faschismus, gerade so wie die Moskauer das weiße

Gespenst über die rote Mauer huschen lassen, wenn irgendeine Bilanz

schlecht aussieht […].“ 11

Der Faschismus entstand aus den Funktionsschwächen und äußeren

Belastungen einer traditionslosen italienischen Demokratie. Unter einer

nationalen Diktatur werde es sich besser

leben lassen als im freien Volksstaate,

hieß die faschistische Losung.

Mussolini wollte zurück zum Cäsarentum

und weg von Pluralismus und Demokratie.

Die Devise hieß: „Aut Caesar,

aut nihil“, entweder der Duce (das

heißt: alles) oder nichts. Der nationale

und autoritäre Staat über alles.

Daraus folgte die faschistische Formel,

die auch die Frage der Macht

und der Ausbreitung und Reinheit der

„razza [bianca] italiana“ („Gerarchia“,

Nr. 9/1928) umfasste: „Alles im Staate,

nichts außerhalb oder gegen den

Staat“. Zugleich mystifizierten nicht

nur die Faschisten ein ideokratisches,

preußisch und römisch dominiertes

Europa der Nationalstaaten, im Gegensatz

zum föderativen, antiautoritären,

29


humanistisch und freiheitlich gesinnten Europa der Regionen. Die von

der deutsch-italienischen Achse angestrebte faschistische Neuordnung

Europas und Aufräumung mit dem „Kleinstaatengerümpel“ fußte auf

dem übertriebenen Staatsnationalismus und der imperialistischen Lebensraumpolitik.

Sie waren die Hauptursache der verheerenden Kriege

und Völkermorde.

Das Mussolinisystem konnte - wie auch der teilweise nachgeahmte

Horthyismus, Hitlerismus und Franquismus - die Eigenständigkeit und

Selbstverwaltung der Regionen nicht dulden.

Dies aus dem prinzipiellen Grunde, weil Mussolini und seine Nachahmer

für den staatlichen Zentralismus und gegen die Selbstbestimmung

der Völker waren. Ihr ultranationalistischer und expansionistischer

Staatsdoktrinismus konnte nur in der kriegerischen Maxime „Kanonen

statt Butter“ enden.

Die Brüder im Geiste am 4. Mai 1938 am neuen Bahnhof Ostiense in Rom. V. l.

n. r.: Hitler, König Vittorio Emanuele III., Mussolini und Graf Galeazzo Ciano. Auf

dem Ärmel trägt Hitler das Abzeichen eines Ehrenkorporals der mörderischen italienischen

Faschistischen Milizen und am Koppel den Ehrendolch der Squadristen. Die

schwarz-braune Internationale plante die Eroberung von neuen „Lebensräumen“.

30


Im Jänner 1941 würdigte die italienische Post mit einer Briefmarke die deutsch-italienische

Waffen- und Gesinnungsbruderschaft.

Darum war es Mussolinis Plan, die Slowenen den Vernichtungsbataillonen

auszuliefern und die Südtiroler aus ihrer angestammten Heimat zu

vertreiben, wie später alle Juden aus Italien.

Unter dem Vorwand der „irredentistischen Propaganda“ sollten die

Deutsch-Südtiroler mit Sonderzügen über die Brennergrenze geschickt

werden. Das von dem Bruder Mussolinis in Mailand geleitete offizielle

Organ des Faschismus „Il Popolo d’Italia“ schrieb es in seiner Ausgabe

vom 21. August 1925 schwarz auf weiß: „In einigen Stunden könnten

einige Sonderzüge mit jenen Herren in Innsbruck ankommen […]“.

In der Vertreibung der Deutsch-Südtiroler stimmte der Duce mit dem

Ziel seines bereits sehr früh - zur Preisgabe Südtirols - mit viel Geld

gesponserten Gesinnungsgenossen und Freundes Adolf Hitler überein,

bis zum bitteren Ende. Gleiche Brüder, gleiche Kappen…(„tra gli amici

deve regnar l’eguaglianza“).

Mussolini sagte am 10. Juni 1940: „In Berlin habe ich [1922] einmal bei

einer denkwürdigen Begegnung erklärt, es entspräche den Gesetzen

der faschistischen Ethik, dass man seinen Freunden die Treue hält, auf

31


Gedeih und Verderb, bis zum letzten Tage. […] Nach den Gesetzen

der faschistischen Moral marschiert man mit seinem Freund bis an das

Ende. So haben wir [Faschisten] es gehalten, und so werden wir es

halten. […] Das Europa von morgen wird faschistisch sein.“

Die Jugend in Italien sollte auf das faschistische

Europa vorbereitet werden.

Bereits in den Schulen wurden die

Schüler unter der Devise „Si vis pacem

para bellum“ („Wenn du den Frieden

willst, bereite den Krieg vor“) ideologisch

erzogen. Dazu dienten die faschistischen

Jugendorganisationen, deren Mitglieder frühzeitig mit dem

Kriegsspiel und den Waffen in Kontakt gebracht wurden. In Südtirol

hat man tausende deutsche Schüler in die „Balilla“ hineingedrängt. Um

die deutschen Jugendzeitschriften, wie die „Jugendwacht“ oder „Der

kleine Postillon“ auszuschalten, wurde in den Schulen nur das Blatt „Il

Balilla dell’Alto Adige“ zugelassen. Ziel war es, die Kinder von ihren

deutschen Eltern zu trennen. Der oberste Chef des Reichsfrontkämpferverbandes

„Opera Nazionale Combattenti“ (ONC) und Präsident des

Alpini-Vereins „Associazione Nazionale Alpini“ (ANA) und des „Centro

Alpinistico Italiano“ (CAI), Angelo Manaresi (1890-1965), gab dies in

einem Artikel unter dem Titel „Problemi dell’Alto Adige“ im Frontkämpferorgan

„Italia Augusta“ (Februar 1928) in seltener Offenheit zu:

„Es muss getrachtet werden, dass die Kinder nicht in der deutschsprachigen

Familie gefangen bleiben, sondern in gesunde Erziehungsmilieus rein

italienischen Charakters hineingebracht werden. Spiel, Sport, Balilla,

Kindergarten, Schule müssen Herz und Sinn des Kindes rasch italianisieren.“

32


Ein ganzes Netz von italienischen

Internierungslagern und Haftstätten

33


Ein ganzes Netz von italienischen

Internierungslagern und Haftstätten

Bereits am 8. Mai 1940 wurden in einem Rundschreiben (Nr. 44/112267)

des italienischen Innenministeriums „Vorschriften für die Konzentrationslager

und die Verbannungsorte“ („prescrizioni per i campi di concentramento

e le località di confino“) erlassen. Grundlage dafür war

das italienische Polizei- und Kriegsgesetz vom November 1925 und Juli

1938.

Zehntausende begeisterter Italiener bejubeln auf der Piazza Venezia in Rom am 10.

Juni 1940 Ministerpräsident Benito Mussolinis Kriegserklärung an Frankreich und

Großbritannien. Italien war mit dem Ruf „Tunis, Savoyen, Korsika“ in den Krieg eingetreten

und endete im kompletten Desaster. In Bozen gab es auf dem Waltherplatz

eine ähnliche Freudenkundgebung.

34


Am 26. Mai 1940, zwei Wochen vor

dem wilden, kriegerischen Duce-Getöse

vom Balkon des Palazzo Venezia in Rom,

teilte der erklärte Antisemit und für die

Kriegsgefangenen und die Option und

Umsiedlung der Südtiroler zuständige

Unterstaatssekretär im Innenministerium,

Guido Buffarini-Guidi (1895-1945)

aus Pisa, dem Polizeichef Senator Arturo

Bocchini (1880-1940) mit, dass der

Duce verfügt habe, „auch Konzentrationslager

für Juden vorzubereiten“. 12

Bocchini war der mächtige Generaldirektor

der italienischen Staatspolizei

und der Spezialeinheit OVRA (Organisation

zur Überwachung und Unterdrückung

antifaschistischer Organisationen).

Er war von der ersten Stunde

an ein Flügelmann der rechtsradikalen

Terrorismusszene. Die OVRA hatte er

nach dem Muster der sowjetischen

„Tscheka“ aufgebaut.

Am Tag nach dem italienischen

Kriegseintritt am 10. Juni 1940 hatte

Buffarini-Guidi im Auftrag Mussolinis

allen Präfekten des Königreichs ein

Rundschreiben zukommen lassen, in

welchem er die Festnahme und Internierung

der als „staatsfeindlich“ eingestuften

Personen angeordnet hatte.

Dieser Arrest und Zwangsaufenthalt

Der frühere Logenmeister und

Unterstaatssekretär im Innenministerium

und Ende 1943 Innenminister

der „Republik von Salò“,

Guido Buffarini-Guidi, zögerte

keinen Augenblick, um die Säuberung

vom deutschen Element

im „Alto Adige“ mit allen Mitteln

zu beschleunigen. Dem mächtigen

„Fascio“-Boss sagte man

nach, dass er den Duce in seiner

Hand hatte, indem er dessen Geliebte,

Clara Petacci, mit hunderttausend

Lire monatlich bestach.

Deren Familienclan, darunter ihr

Bruder Marcello, der in Obermais

bei Meran den Schildhof besaß,

mischte sich in alles ein, drohte

von oben, intrigierte von unten

und stahl von allen Seiten. Davon

berichtet Graf Ciano in seinen Tagebüchern.

Buffarini-Guidi wurde

am 10. Juli 1945 auf einem

Sportplatz in Mailand von Widerstandskämpfern

erschossen.

35


36

in den bereitgestellten Lagern galt auch für sonstige „politisch unerwünschte,

unzuverlässige und potenziell gefährliche“ Personen. Es handelte

sich um ein zusätzliches Ermächtigungs- und Ausnahmegesetz,

das dem Terror und der Willkür der Faschisten faktisch freie Hand gab.

Buffarini-Guidi ging es darum mit allen kriegerischen Mitteln „die Rolle

Italiens als Großmacht aufrecht zu erhalten, seine völkische und militärische

Macht zu behaupten, sein imperiales Prestige zu sichern“ (26.

April 1940 in der Kammer).

Es ist nicht auszuschließen, dass es vor der Errichtung des nicht weit

von der reichsdeutschen (Brenner-) Grenze entfernten Internierungslagers

„Campo d’Isarco“ (N° 93) in Blumau zwischen den verbündeten

italienischen Faschisten und den deutschen Nationalsozialisten Absprachen

und Abmachungen gab. Fest steht, dass es seit 1939 zwischen

dem deutschen Reich und dem faschistischen Italien einen regen „Erfahrungsaustausch“

über die Errichtung und Verwaltung von Internierungslagern

gab. 13

Gut möglich, dass auch die abscheuliche „Transaktion mit lebendiger

Menschenware [Option der Südtiroler], würdig eines modernen Shylocks“

(Heinrich Mann, Schriftsteller, Südtirolkenner und Sprecher der

deutschen Opposition im Exil), 14 mit militärischen Strategien und Operationen

kombiniert worden war.

Buffarini-Guidi hatte aus seiner Bewunderung für die Hakenkreuzler

und seiner engen, wenn auch nicht reibungslosen Beziehung zu Adolf

Hitler, zum Sonderbeauftragten der SS in Italien, Eugen Dollmann

(1900-1985), und zum Reichsführer der SS und Chef der Deutschen

Polizei, Heinrich Himmler (1900-1945), nie ein Hehl gemacht.

Sein Parteifreund aus Brescia, Sonderkommissar des zerstrittenen Bozner

Faschistenverbandes und langjähriger Präsident der „Azienda

Generale Italiana Petroli“ (AGIP), Alfredo Giarratana (1890-1982), erläuterte

auf der Titelseite seines Hausblattes „La Provincia di Bolzano“

auch den Grund: 15


„Wir dürfen nicht vergessen,

dass Adolf Hitler der erste und der einzige Mann war,

der offen die Unverletzbarkeit der Brennergrenze

zugunsten Italiens anerkannte.“

Mitglieder des PNF und der „45. Legion Alto Adige“ vor dem im August 1923 geraubten

und zweckentfremdeten Arbeiterheim der Südtiroler Sozialdemokraten. In

vorderster Reihe der Kommissar des Bozner Faschistenverbandes, Alfredo Giarratana

(mit verschränkten Armen), und der Mitbegründer der 45. Legion der Grenzmilizen,

Giovanni Graziani (mit Fes). Letzterer war mehrfach dekorierter Oberst der

Bersaglieri, in dessen Regiment Mussolini und Starace gedient hatten. Anfang 1927

stand Graziani einer Spezialkommission vor, die in Südtirol über Antonio Gramsci

(1891-1937), posthum Ikone der italienischen und europäischen Linken, und dessen

Verbindungen zu „Südtiroler Irredentisten“ ermittelt hatte.

37


Zur Belohnung hatte Hitler den Südtirolhasser Rechtsanwalt Gran Ufficiale

Guido Buffarini-Guidi anlässlich eines Besuchs in Deutschland mit

dem „Großkreuz des Deutschen Adlerordens“ ausgezeichnet.

Vor und nach der menschenverachtenden Optionsvereinbarung 1939

war der frühere Bürgermeister von Pisa, Kommissär des Reichsverbandes

der Artilleristen, Ex-Präsident der Frontkämpfervereinigung, Konsul

der Faschistischen Miliz und PNF-Abgeordnete, Guido Buffarini-Guidi,

im Auftrag des Duce mehrmals nach Bozen gekommen, um die Abschiebung

der Südtiroler ins Deutsche Reich zu beschleunigen. Er kanzelte

selbst seine faschistischen Adepten ab, welche nach seiner Ansicht die

Deutschland- Option behinderten. Der Rechtsanwalt und Draufgänger

in allen Lebenslagen sagte es ihnen klipp und klar: 16

„Es sei völlig gleichgültig,

wenn auch 100 Prozent der Deutsch-Südtiroler abwandern“.

Die schrecklichen Perversitäten der schwarz-braunen Internationale

hatte auch die italienische, antifaschistische Opposition im Exil verstanden,

auch wenn mit unterschiedlichen Empfindlichkeiten. So schrieb der

38


den italienischen Reformsozialisten nahestehende, aus Massa Carrara

stammende Widerstandskämpfer und Rechtsanwalt Carlo Sarteschi

Ende 1946 im Magazin „Critica Sociale“:

[…] Dass das Unheil [Italiens in Südtirol] endemisch war,

zeigte sich, als die Tiroler vor das tragische Dilemma

der Option gestellt wurden. Es nützt nichts, zu leugnen oder

vorzugeben aus politischer Bequemlichkeit heute zu vergessen:

viele Italiener, sogar diejenigen, die Antifaschisten waren

und heutzutage in demokratischen Parteien kämpfen,

sahen in der abscheulichen Maßnahme [Option] ein Allheilmittel

[zur Vertreibung der Südtiroler].“

Für die gesamte Options- und Auswanderungsabwicklung waren im

Juni 1939 in Berlin der SS-Obergruppenführer und später verurteilte

Kriegsverbrecher Ulrich Greifelt (1896-1949) und der italienische Gesandte

Massimo Magistrati (1899-1964) beauftragt worden. Letzterer

war der Schwager von Galeazzo Ciano (1903-1944). Bereits am 14.

März 1938 hatte Magistrati die Auffassung vertreten, dass „es [nach

der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland] nötig werde, für

Südtirol eine radikale Lösung zu finden. Italien anerkenne die Rassenpolitik

des Reiches. Über die Deutschen in Südtirol müsse also in irgendeiner

Weise […] eine endgültige Regelung gefunden werden“ (C.

F. Latour, Südtirol und die Achse, 1962, S. 22). Graf Magistrati war mit

den nazi-faschistischen Diktaturen voll kompromittiert. Unter anderem

stand er in Verbindung mit dem italienischen Generalkonsul in Innsbruck,

Giulio Ricciardi (1876-1942), dem Strippenzieher der Schwarzhemden

nördlich und südlich des Brenners. Nachdem der Konsul von

den Tirolern als „persona non grata“ eingestuft wurde, übersiedelte er

39


Sie küssen die Stiefel, die Südtirol

treten!

- aus Sicherheitsgründen - seine Gattin

Elisabeth Ricciardi-Hagel (1880-1939)

und seine zwei Kinder Carlo und Laura

nach Untermais (Meran). Sohn Carlo

Ricciardi (1916-1966) stieg zum Leutnant

der Kavallerie auf. Dessen Ehefrau

war Elisabetta De Angelis. Sie war die

Tochter des im Herbst 1944 von seinem

Schwiegersohn und von Ultranationalisten

des lombardischen CLNAI

als „Partisanenvertreter“ nach Bozen

eingeschleusten, achtunddreißigjährigen Geschäftsmannes und Nachkriegspräfekten

Bruno De Angelis aus Mailand. Der Mann, der Südtirol

für Italien sicherte, soll sogar Mitglied der Faschistischen Partei gewesen

sein (H. K. Peterlini, 100 Jahre Südtirol, Innsbruck 2012). Dieses

dunkle Kapitel der Endphase des Zweiten Weltkrieges ist erst noch zu

schreiben. Nach Abschluss der Option sandte Buffarini-Guidi mit dem

deutsch-baltischen Vertrauensmann Himmlers und Leiter der Amtlichen

Deutschen Ein- und Rückwanderungsstelle (ADERSt) in Bozen, SS-Major

Wilhelm Luig (1900-1949), an den Duce in Rom, wie an den Führer

in Berlin, ein kurzes, aber recht aufschlussreiches Fernschreiben (wortwörtlich

übernommen):

„Beim Abschluss der Optionsarbeiten, die im Alto Adige in einer Atmosphäre

vollkommener Zusammenarbeit und in vollster Ordnung vor sich gingen,

haben wir die Ehre, Ihnen über dieses von Ihnen ausgedachte und

gewollte Ergebnis [!] von großer politischer und historischer Tragweite

alle wesentlichen Angaben zu berichten. […].“ 17

40


Der falsche Mythos von den

„Italiani brava gente“ (Moni Ovadia)

41


Der falsche Mythos von den

„Italiani brava gente“ (Moni Ovadia)

Durch die italienische Aggression und Besetzung von Teilen des Königreichs

Jugoslawien und der anderen Balkanstaaten waren die große

Masse der vornehmlich in den Konzentrationslagern Mittel- und Süditaliens

gefangen gehaltenen Häftlinge vor allem Slawen.

Italienische Landkarte mit den seit 1941 vom Königreich Italien besetzten Gebiete:

Teile Sloweniens, Kroatiens und Dalmatiens. Wer gegen die Annexion und die Italianisierung

des Balkans Widerstand leistete, wurde deportiert oder umgebracht.

42


Man ließ sie verhungern oder töten, nur

weil sie ihre Heimat verteidigten und

auf ihr Volkstum pochten und anders

waren. 18

Wo dann Mussolini, der „größte Staatsmann

des Jahrhunderts“ (so Silvio Berlusconi,

Gianfranco Fini, Lucio Colletti

und viele andere italienische Politiker),

seine altrömischen Liktorenbündel

einmal aufgesteckt hatte, wurde wirtschaftlich

ausgebeutet, kulturell entnationalisiert

und im cäsarischen Sinne

rücksichtslos romanisiert. Wer aus der

Reihe fiel, wurde verhaftet und stundenlang gepeinigt. Sein gesamtes

Hab und Gut wurde konfisziert. Die Roheit und Skrupellosigkeit der

Gewalthaber kannte keine Grenzen.

Es genügte in der slawischen Sprache zu singen oder zu sprechen, um

brutal geschlagen zu werden. In Südtirol prusteten die Italiener bereits

1918: „Per bastonare siamo qui“, „Wir sind hier, um Prügel auszuteilen“

(Eduard Reut-Nicolussi, Tirol unterm Beil, 1928, S. 223).

Allein von den 360.000 in der Provinz Laibach lebenden Menschen

steckten Mussolini und seine Helfershelfer an die 70.000 Slowenen in

die Konzentrationslager. Mehr als 15.000 davon wurden hingerichtet.

In Slowenien haben die Italiener den Genozid vorexerziert. 19

Traurig, aber wahr.

Aufklärung darüber tut Not, für alle Europäer. Die faschistischen Verbrechen

müssen in Erinnerung bleiben.

43


Kinder slawischer Kriegsgefangener wurden unter miserablen hygienischen Bedingungen

in italienischen Konzentrationslagern gehalten, wie im KZ von Arbe auf der

Insel Rab 1942.

„Non dente per dente, ma testa per dente”, „Nicht Zahn um Zahn,

sondern Zahn um Kopf”, war der entsetzliche Kernspruch von Mario

Roatta (1887-1968), Befehlshaber der

Invasionstruppen auf dem Balkan.

Sein Kommandant des XI. Armeekorps

im besetzten Slowenien und Kroatien,

General Mario Robotti (1882-1955),

putschte seine Offiziere auf, „den aggressiven

Geist der [italienischen] Soldaten

aufrechtzuerhalten. […] Hasst

Der weibliche Sektor des italienischen

Konzentrationslagers von

Rab (1943).

sie, hasst sie mehr, als diese Briganten

uns hassen. [Denn] man tötet viel zu

wenig [„si ammazza troppo poco“].“

44


Viele Hinrichtungen wurden sogar fotografisch festgehalten. In den

Archiven der Institute für Zeitgeschichte in Triest und Laibach wurden

mehrere solcher Fotos gesammelt und aufbewahrt.

Die im Wortsinn grausamen und furchtbar ergreifenden Bilder von

sterbenden Zivilisten, Frauen und Männern, oder verstümmelten Partisanen,

können schon aus Pietätsgründen nicht veröffentlicht werden.

Zwei Nahaufnahmen - ohne die Gesichter von Tätern und Opfern - sollen

gezeigt werden.

Exekution von fünf slowenischen Bauern durch italienische Granadiere

Das Bild mit dem Exekutionskommando („Divisione Granatieri di Sardegna“)

wurde am 31. Juli 1942 von einem italienischen Soldaten geknipst.

Es zeigt die Exekution von fünf Bauern und Dorfbewohnern aus

45


„Die Welt weiß gar nicht, zu welchen

Opfern ich mein Volk veranlassen

kann“, sagte im November

1935 Benito Mussolini dem deutschen

Botschafter in Rom, Ulrich

von Hassell (1881-1944).

dem slowenischen Ort Dane in Loša

Dolina (Križna Gora) durch ein italienisches

Erschießungskommando. Die Opfer

haben auch einen Namen. Im Bild

(siehe Seite 45) von links nach rechts:

Franc Žnidaršič, Janez Kranjc, Franc

Škerbec, Feliks Žnidaršič und Edvard

Škerbec.

Den Freibrief zum Töten hatte Mussolini

bereits am 24. September 1920

erteilt, als er in Pola (Istrien) bei einer

Versammlung bewaffneter Schwarzhemden

die Slawen für vogelfrei erklärte:

„Gegenüber einer niederen und barbarischen

Rasse wie den Slawen, kann

man keine Politik mit Zuckerbrot verfolgen,

sondern nur eine mit Knütteln.

[…] Die Grenzen bleiben am Brenner,

am Nevoso [Krainer Schneeberg in Slowenien] und an dem Dinarischen

Gebirge [bis zu den Albanischen Alpen…]. Ich glaube man kann

500.000 slawische Barbaren für 50.000 Italiener opfern.”

„Il Duce ha sempre ragione“, „Der Duce hat immer recht“, kann man

noch heute auf der einen oder anderen Hausfassade lesen. „Der Führer

weiß schon, was er tut.” Das waren die Schlagworte der faschistischen

und Naziparteien. Mussolinis und Hitlers Äußerungen duldeten keinen

Widerspruch.

„Niemand in Italien, weder der König, noch die Minister, weder die Marschälle

noch die Industriemagnaten wagten, ihm [dem Duce] entgegenzutreten“,

resümierte im Oktober 1947 in der Zeitschrift „Die Wiener

Bühne“ der 1943 in der US-amerikanischen Geheimdienstorganisation

46


OSS (Office of Strategic Service) dienende, ehemalige antifaschistische

Spanienkämpfer und Mitarbeiter der Radiosendung „Rot-Weiß-Rot“,

Sigmund Kennedy-Kanagur (1909-1967).

„Die wahre Tragödie Italiens war die faschistische Diktatur“,

schreibt Kennedy, „sie hat das Volk immer mehr korrumpiert und durch

ihre komplette Kontrolle über jede Form der Aktivität das italienische

soziale System verdorben. Es war so verfault, dass es zu Beginn des

Krieges kein Mittel, keine Organisation gab, mit der das italienische

Volk den Willen des Diktators Mussolini hätte bekämpfen können.“

Begeistert feierten 1935 die Italiener den Sieg ihrer Truppen über Äthiopien. Daran

erinnert in Bozen eine faschistische Stele am Park hinter dem Siegesdenkmal

und in Bruneck das Alpini-Denkmal. Der Konflikt mit den Briten zeigte sich in den

Schmäh-Plakaten gegen den Außen- und späteren Premierminister Anthony Eden.

Er hatte den Duce als einen „totalen Gangster“ bezeichnet. Dies, obwohl gescheite

Menschen, wie George Bernard Shaw und Winston Churchill, sich jahrelang vom

Gerede und Getue Mussolinis täuschen ließen.

47


Nach der Machtergreifung hatte der Faschismus nicht nur auf die Verfestigung

der Brennergrenze und den Ausbau der Alpenfestungen gedrängt.

Von Beginn an stand die Erweiterung der Staatsgrenzen nach

Osten und des italienischen Kolonialgebietes auf seiner Agenda. Die

Herrschaft Mussolinis beruhte darum auf Gewalt und Krieg, Unterdrückung

und Liquidierung.

Bereits im Oktober 1935 wurden hundertausende Abessinier, Eritreer

und Somalier niedergemetzelt.

Die italienische Armee setzte Giftgas ein und ging massiv gegen die

Zivilbevölkerung vor.

Am 31. Juli 1942 wiegelte Mussolini seine Generäle in der Kaserne von

Gorica (Gorizia, Görz) skrupellos auf, in den besetzten Gebieten auch

Zivilisten als Geiseln zu nehmen und in Lagern zu internieren und wann

immer nötig „alle männlichen Slawen zu töten.“ 20

Der Außenminister und Schwiegersohn von Benito Mussolini, Galeazzo

Ciano (1903-1944), der selbst keine reinen Hände hatte, hielt das an

den Tag gelegte radikale und blutige Vorgehen der Italiener auf dem

Balkan fest. So notierte er in seinem Tagebuch am 17. Juli 1941, dass

der ultranationalistische und monarchistisch gesinnte Oberbefehlshaber

der italienischen 9. Armee und Gouverneur in Montenegro, Alessandro

Pirzio Biroli (1877-1962), seine Soldaten zu grauenvollen Gewaltmaßnahmen

regelrecht angespornt hatte:

„Ich habe gehört, dass ihr gute Familienväter seid. Das ist daheim sehr gut,

aber nicht hier [Schlachtfeld Albanien]. Hier könnt ihr niemals Plünderer,

Mörder und Vergewaltiger genug sein.“

Für die italienische Propaganda waren die Balkanvölker verkommene

Menschen.

48


Als italienische Truppen im Oktober

1940 in Griechenland einmarschierten,

zitierte derselbe Ciano einen althergebrachten,

miesen albanischen Spruch:

„Se vedi il lupo e il greco, uccidi prima

il greco e lascia il lupo.“ Zu Deutsch:

„Wenn du den Wolf und den Griechen

triffst, töte zunächst den Griechen und

lass den Wolf in Ruhe.“

Zur Inhaftierung und Drangsalierung

der Geiseln hatten die Faschisten Italien

mit einem dichten Netz von Konzentrationslagern

überzogen.

Italienischer Alpino vor hingerichteten

Slawen.

Die Liste der noch vor dem Sommer 1940 errichteten und zumeist

bis 1944 offengehaltenen Konzentrations- und Internierungslager ist

sehr lang. In den rund zweiundsiebzig italienischen Lagern waren an

die achtzigtausend „Prisoners of War“ (POW) gefangen gehalten. 21

Neueste Forschungsarbeiten von italienischen Historikern sprechen sogar

von zweihundertfünfzig Lagern in Italien.

Die von Mussolini angeführte Staatsregierung hat in Italien und in Jugoslawien sehr

früh Konzentrationslager errichtet. Eines der schrecklichsten war das KZ von Gonars.

49


Das größte dieser Lager, Ferramonti di Tarsia in der Provinz Cosenza

in Kalabrien, war beinahe zeitgleich mit dem Kriegseintritt Italiens im

Sommer 1940 fertig gestellt worden. 22

In diesem süditalienischen Lager waren lange Zeit mehrere in Bozen

ansässige Juden interniert. Beamte der Bozner Quästur und Milizsoldaten

hatten sie zwischen dem 14. Juli 1940 und dem 12. Februar 1943

kurzerhand festgenommen.

Zeitgleich hatte man eine Reihe von Südtiroler Antifaschisten wegen

„antiitalienischer Propaganda“ zur Konfinierung auf süditalienische Inseln

verurteilt.

Seit Aristoteles ist es ein politisches Axiom, dass Diktatoren und ihre

Handlanger keine Opposition dulden. Daraus leiten sich Zensur, Kommunikationskontrolle,

Unterdrückung und Verfolgung ab. Daraus ergeben

sich die brutalsten Polizeimethoden. Hunderte von Südtirolern wurden

seit 1926 von der Bozner Quästur in einer eigenen Proskriptionsliste

als „subversive pangermanistische oder linke Elemente“ geführt.

Eduard Reut-Nicolussi (1888-1958),

einer der 500 Südtiroler Proskribierten

50


Laut Mussolini wurden diese „restlichen Elemente deutscher Herkunft“

nicht nur verfolgt und konfiniert, „weil sie Deutsche waren, sondern

weil sie Antifaschisten, das heißt Feinde der [faschistischen] Revolution

waren.“ (Mussolini am 3. März 1928 im italienischen Parlament).

Giuseppe Gueli (1887-1950), der Polizeiinspektor, der am 12. September

1943 im Hotel „Campo Imperatore“ am Gran Sasso den Duce von

seiner Gefangenschaft befreite und den SS-Männern übergab, war viele

Jahre als Polizeichef in Südtirol tätig. Wie ein von Gueli unterzeichnetes

Schreiben (siehe Abbildung Seite 50 links) der Bozner Grenzpolizei vom

2. Jänner 1930 an die Präfektur beweist, standen politisch unterschiedlich

denkende und proskribierte Südtiroler, wie Silvio Flor (1879-1938),

Eduard Reut-Nicolussi (1888-1958) und Pater Adolf Innerkofler (1872-

1942), unter polizeilicher Daueraufsicht.

Nach dem Husarenstück rund um die

Duce-Befreiung war Gueli Quästor in

Triest, wo er, wenn nicht förderte, so

doch zuließ, dass Hunderte von Juden

und Slawen in italienische und später in

deutsche Konzentrationslager gebracht

wurden.

In Südtirol ging man nicht anders vor.

Wer den italienischen Statthaltern missfiel,

wurde in den Süden deportiert oder

aus der eigenen Heimat in den Norden

verwiesen. Darunter die Geschwister

des angesehenen Bozner „Vögele-Wirtes“,

Karl Kamaun (1917-2005). Sie

Ex-Bozner Quästor Giuseppe Gueli

standen am 14. September 1940 vor der Konfinierungskommission. Die

verhängte Strafe trat nicht in Kraft, weil sie für Deutschland optiert hatten.

Der in Mezzolombardo geborene und in Leifers wohnhafte Welschtiroler

Steinmetz Luigi Ferrari wurde Anfang Mai 1940 von der Konfinie-

51


In keinem Ort wurden in ähnlicher

Härte die Freiheitsgefühle der

Süd-Tiroler so gekränkt wie in der

Stadt Bozen.

rungskommission ebenfalls verurteilt,

weil er „um Umsiedlung nach Deutschland

angesucht“ und sich dadurch „als

schlechter Italiener gezeigt“ hatte.

Die Liste der Fallbeispiele der noch

1940 von den faschistischen Behörden

eingesperrten, ausgewiesenen und verbannten

Südtiroler ließe sich um einiges

verlängern.

Dasselbe geschah mit den in Bozen

ausgehobenen Juden. Familiär und

zeitlich voneinander getrennt, wurden

sie nach Ferramonti deportiert, ohne

dass ihnen irgendetwas Schlimmes

nachgesagt werden konnte. Darunter

befanden sich folgende, in wichtigen

Wirtschaftszweigen wie Handel und

Handwerk erfolgreich tätige, jüdische

Bozner Stadtbürger:

Jankel Burg (*8.8.1913, Myedzyvzag/

Polen), Eliasz Brandsdofer (*21.11.1908,

Gribow, Polen), Albert De Nagy

(*10.6.1911, Ruzka, Tschechoslowakei),

Egon Frey (*18.10.1894, Trient), Erwin Kienwald (*4.10.1925, Bozen),

Leonard Kienwald (*15.8.1921, Bozen), Oskar Kienwald (*15.10.1888,

Przemyśl/Polen), Nadel Rachel (*17.8.1891, Jaroslaw /Polen), Franz

Kohn (*3.1.1906, Neudorf/Österreich), Jaroslaw Mratzek (*8.2.1921,

Pressburg/ Slowakei), Gisella Rosenberg (*1.3.1874, Żydaczów/Westukraine),

Luise Schmidl (*12.3.1870, Budapest/Tschechoslowakei). 23

Leonard und Erwin Kienwald waren die Söhne der Rachel Nadel und

des Schneidermeisters Oskar Kienwald. Die hochangesehene Familie

52


führte in Bozen im Ex- Hotel Kaiserkrone,

an der Ecke Muster- und Postgasse,

das erstklassige Spezialatelier „Salon

Kienwald“ für feine, elegante Damengarderobe

nach Maß.

Von Ferramonti wurden die Kienwalds 1941 in das berüchtigte Lager

von Castelnuovo Garfagnana gebracht. Dort gelang es ihnen, mit Hilfe

einiger Dorfbewohner aus dem Lager zu entkommen. Sie versteckten

sich in den toskanischen Wäldern.

„Campo di concentramento Ferramonti di Tarsia”, 1942. Die hier untergebrachten Zivilinternierten

sollten nach Mussolinis Plan Mitte 1943 in die „Provincia di Bolzano“,

vermutlich in das Lager „Campo d’Isarco“ überführt werden.

Die in Ferramonti verbliebenen Häftlinge wurden am 14. September

1943 von einer Vorhut der britischen VIII. Armee befreit. Es war das

erste von den Alliierten in Europa befreite Konzentrationslager. Viele

Häftlinge hatten bereits Tage zuvor die Flucht ergriffen, um nicht in

die Hände zurückziehender SS-Divisionen zu fallen. Sie hatten ein un-

53


Die in Jugoslawien gefangen genommenen

Widerstandskämpfer

und Zivilisten wurden unter menschenunwürdigen

Bedingungen

in Massenlagern festgehalten.

Bilder aus dem Internierungslager

auf der von den Italienern besetzten

kroatischen Insel Rab in der

nördlichen Adria. (Buch: Alessandra

Kersevan)

heimliches Glück. Denn laut Carlo Spartaco

Capogreco, Präsident der Stiftung

„Fondazione Internazionale Ferramonti“

und Autor zahlreicher Bücher über

die faschistischen Konzentrationslager

in Italien, wollte Mussolini die Gefangenen

von Ferramonti nach Südtirol

transferieren. Das steht in einem im

Zentralen Staatsarchiv in Rom aufgefundenen

Schreiben des Innenministeriums

vom 25. Juli 1943 - dem Tag von

Mussolinis Sturz. Es trägt die Unterschrift

seines Kabinettschefs. 24

Abgesehen von Ferramonti und Garfagnana

gab es weitere italienische

Horrorlager seit:

September 1940 in Tremiti-Foggia

(Konzentrationslager), Juni 1940 in

Manfredonia-Foggia (Internierungslager),

Juni 1940 in Campagna-Salerno

(Internierungslager), Juni 1943 in

Fraschette Alatri (Internierungslager),

Juli 1940 in Tortoreto-Teramo (Internierungslager),

Juli 1940 in Notaresco-Teramo

(Internierungslager), Juni

1940 in Nereto-Teramo (Internierungslager),

Juli 1940 in Lanciano-Chieti (Internierungslager), Juni 1940 in

Isola del Gran Sasso-Teramo (Konzentrationslager), Juli 1940 in Bagno

a Ripoli-Firenze (Lager), Juli 1940 Civitella in Val di Chiana/Villa Oliveto-Arezzo

(Lager), Juli 1940 in Capannori- Lucca (Lager), Juni 1940

in Urbisaglia-Macerata (Lager) und viele andere. 25

54


Etwas zur Geschichte von Blumau

und der Bierbrauerei

55


Etwas zur Geschichte von Blumau

und der Bierbrauerei

Das Konzentrationslager „Campo d’Isarco - P[rigionieri] G[uerra] N°

93“ - befand sich in Blumau, einer Fraktion der Gemeinde Karneid

(„Cornedo all’Isarco“) rund 8 km östlich der Stadt Bozen.

Die deutsche Ortsbezeichnung Blumau (1381: Plumau) geht auf eine

Au zurück, auf der die „Plummen“ gelagert

wurden. Das mittelhochdeutsche

Wort „Plummen“ bedeutete ,übereinander

gestapelte Holzstämme‘. Im

Grödnerischen gibt es beispielsweise

das verwandte Substantiv plómia,

‚Holzstoß, Bretterstoß‘. Darüber hinaus

kann eine „Plumme“ in Tiroler Dialekten

das Holzfass bezeichnen, doch dass

in „Blum(au)“ vielmehr die Bedeutung

‚übereinander gestapelte Holzstämme‘

vorliegt, gilt als wahrscheinlicher.

Die italienische Ortsbezeichnung „Prato

all’Isarco“ ist eine Konstruktion des

faschistischen Senators und Rassisten

Eine der ersten Maßnahmen der

neuen Herren aus Italien war

auch in Blumau, neben der Italianisierung

der Orts-, Flur- und

Familiennamen, die Übermalung

von deutschen Inschriften. Aus

dem kerndeutschen, nahe der

Brauerei gelegenen Gasthaus

„zum Tierser Hof“ wurde eine

„Trattoria di Tires“.

Ettore Tolomei (1865-1952). Er hat das

Element „Blum-“ wohl nicht verstanden

und es daher kurzerhand mit „Isarco“

= „Eisack“ übersetzt - den Begriff

„Au“ dagegen mit „prato“ - ,Wiese‘.

Das Wort „Au“ entspräche eigentlich

dem oberitalienischen „ischia“, was soviel

wie ‚am Wasser befindliches Land‘

bedeuten würde. 26

56


Von Blumau gelangte man in das waldreiche

Gebiet des Tierser Tales, von

woher sich stets ein starker Holzexport

nach Blumau erhalten hat.

Vor allem im Frühjahr wurden riesige

Holzstämme über den Breibach hinausgeflößt.

Ein nicht geringer Teil des Holzes

kam auch aus dem Pustertal. Dadurch

war Blumau wegen seiner Holzverarbeitung

und exzellenten Binderhandwerker

bereits sehr früh bekannt.

Einen besonderen Aufschwung erlebte

Fassbinder in der alten Brauerei

Blumau

Blumau, als die Eisenbahn, die Völser Straße und der Weg ins Tierser Tal

geschaffen wurden. Damit wurde die Ortschaft gleich nach drei Richtungen

hin mit erstklassigen Verkehrsverbindungen erschlossen.

Seit 1855 bestand in Blumau die geschichtsträchtige „Bierbrauerei Blumau“.

Das Dorf Blumau und die unweit des Breibaches angesiedelte große Bierbrauerei.

57


Blumauer Bräuhaus an der alten Reichsstraße (heute Josef-Kräutner-Platz): Zimmervermietung,

Restaurant, Festsaal, Biergarten, Radverleih und Radfahrerheim.

Josef Kräutner, der Besitzer der

Blumauer Brauerei, hatte den Ruf

eines fleißigen und hochintelligenten

Tiroler Ehrenmannes.

Der aus Fügen im Zillertal stammende

Inhaber, Josef Kräutner (1831-1896),

baute sie zu einer der größten Bierbrauereien

Tirols aus. Anfänglich war er

Braumeister der Brauerei Gossensass.

Neben der hochmodern ausgestatteten

Brauerei führte der Bierfachmann eine

herrliche Restauration, eine Korbflechterei

und große Stallungen für die Viehhaltung.

Der Brauereibetrieb war an ein firmeneigenes

Elektrizitätswerk angeschlossen.

Die Geschäfte florierten so gut, dass

Kräutner im Mai 1890 in London unter

58


Die Bierbrauerei verfügte über ein selbst betriebenes Blumauer Elektrizitätswerk.

dem Firmennamen „Kräutner’s Blumau Brewery, Bozen, South Tyrol“

eine Aktiengesellschaft bildete.

Josef Kräutner starb im Oktober 1896 im Alter von 65 Jahren.

Im Jahre 1906 ging der an der Südostseite der heutigen Staatsstraße

SS 12 befindliche riesige Brauereikomplex von Kräutners zweitältestem

Sohn Ludwig (1866-1922) und seiner Ehefrau Katharina Mayr an eine

aus Bozner Bürgern bestehende Aktiengesellschaft über.

Doch mit Beginn des Krieges ging es mit dem Blumauer Bierunternehmen

abwärts. Der Betrieb konnte sich auch nach der Fusion mit der

Vilpianer Bierbrauerei nicht mehr erholen. Im Frühjahr 1928 kam dann

das endgültige Aus.

In einer Zeitungsannonce in den „Dolomiten“

vom 31. März 1928 hatte die

Brauerei die Veräußerung ihres Vermögens

öffentlich bekannt gegeben.

Am 12. April 1929 wurde die Brauerei

aus dem Firmenregister der Handelskammer

gestrichen.

59


60

Die gesamten Liegenschaften und Realitäten der Brauerei Blumau-Vilpian

(Fabrikgelände, Bräuhaus, Wasserkraft, Wohnhäuser, Hotels, Restauration,

Sägewerk und Grundbesitze) wurden Ende 1929 an den Bozner

Weingutbesitzer und Lebensmittelhändler Friedrich Beck verkauft.

Dieser schlitterte selbst in große Schulden hinein und musste im Juni

1933 sein ganzes Vermögen auf dem Versteigerungswege veräußern.

In der Gemeinde „Blumau-Karneid-Tiers“

hatten längst der aus Cittanova

d’Istria in Istrien (heute Kroatien)

stammende Milizführer der 60. Legion

„Istria“ und amtierende Podestà, Cavaliere

Ingenieur Oreste Padovan, der

Verbandsekretär Dr. Guido Giuliani und

der Maresciallo der Carabinieri-Station

das Sagen. Ab November 1940 bis

1942 war der Bersaglieri-Hauptmann

Guido Pierucci Podestà der Gemeinde.

In Blumau hatten die Schwarzhemden

ein eigenes „Fascio-Haus“ und „Dopolavoro“

(OND). Die Freizeitorganisation

war 1933 Vorbild für die NS-Gemeinschaft „Nach der Arbeit“. Da die

Nationalsozialisten jedoch den italienischen Ursprung verbergen wollten,

wurde aus diesem Namen sehr bald „Kraft durch Freude“.


Die Entstehung des Konzentrationslagers

„Campo d’Isarco“

61


Die Entstehung des Konzentrationslagers

„Campo d’Isarco“

Nach mehreren Besitzerwechseln ging das ehemalige Brauereigelände

und das landwirtschaftliche Ökonomie-Anwesen „Gallbichlerhof“

zwischen Ende 1940 und Anfang 1941 an das italienische Kriegsministerium

in Rom über. Laut Wittfrida Mitterer vom Kuratorium für Technische

Kulturgüter erfolgte die Eintragung des Besitzwechsels 1941. Der

ehemalige, rund zwölf Hektar große Wirtschaftskomplex samt den dazugehörenden

Wiesen dürfte mit der zunehmenden Kriegsverwicklung

Italiens zum Lager „Campo d’Isarco“ (P.G. N° 93) umgestaltet worden

sein.

Von der Bahnhofstation führte ein Weg direkt zum schwer bewachten Eingangstor

des faschistischen Konzentrationslagers „Campo Isarco“ im rund zwölf Hektar großen,

ehemaligen Brauereikomplex.

62


Australische Gefangene - die in Nordafrika

an der Seite der Briten gekämpft

hatten - haben in ihren Überlieferungen

das Lager „in einer alten Brauerei an

der Seite eines Berghügels und in der

Nähe eines Baches [Breibach]“ beschrieben.

Die Ankunft der verschiedenen britischen

Gefangenen wurde von den

Dorfbewohnern sehr unterschiedlich

wahrgenommen. Sie haben gesehen,

wie die Wachposten und Carabinieri

die Gefangenen vom Zugbahnhof in

das Lager begleiteten - mehr nicht. Einigen

Blumauern waren besonders die

Sikh-Soldaten der Indischen Armee mit

ihren gepflegten und ungeschnittenen

Haaren und Bärten, den schneeweißen

Zähnen und den besonderen Uniformen

und dem kunstvoll gebundenen

Turban (Dastar) aufgefallen. Es waren

Angehörige der britschen „Indian

Army“ 1941 in Singapur. Als

Mitglied des „British Commonwealth

of Nations“ beteiligte sich

die indische Armee - wie jene aus

Australien und Neuseeland - mit

eigenen Truppenkontingenten am

Zweiten Weltkrieg.

zumeist aus dem Norden Indiens stammende, sehr große Sikhs, die in

der britischen Armee Indiens ihren Kriegsdienst leisteten und als Teil

der britischen Streitkräfte gegen die Italiener in Ägypten, Libyen und

Tunesien kämpften. Viele gerieten in Kriegsgefangenschaft, darunter

einige Brigademitglieder, die dann nach Südtirol in das „Campo di concentramento

Prato d’Isarco“ deportiert wurden.

In Blumau hatte sich herumgesprochen, dass in der früheren Brauerei

ein Gefangenenlager errichtet worden war. Kaum jemand wusste aber,

was sich hinter den Toren der alten, von den Faschisten geführten Industrieanlage

abspielte. Es gab ein ganz klares Innen und Außen.

63


Ausschnitt aus einer alten Ansichtskarte

mit einer Gruppe von Völsern

in Tracht. Die Internierten aus

fernen Ländern bewunderten diese

heimatverbundene Herrlichkeit.

Der große Teil der deutschen Dorfbewohner

hatte für Deutschland optiert.

Die Geschehnisse der italienischen

Einrichtungen und Polizei hatte man

immer schon mit Vorsicht, wenn nicht

mit Apathie verfolgt. Zudem war das

Konzentrationslager „Campo di concentramento

Prato d’Isarco“ eine „geheime

Staatssache“ und stand unter

der Aufsicht und Führung der italienischen

Armee.

Die im Lager gefangen gehaltenen Soldaten

und Zivilisten wussten ebensowenig

von den Dorfbewohnern. Es wurde

nur überliefert, dass sie jeden Sonntag

die Dorfbewohner aufmerksam beobachteten,

wie sie in ihrer Tracht zur

Messe in die dem hl. Antonius geweihte

Pfarrkirche gingen. So schreibt Cate

Carrigan, eine australische Journalistin, dass ihr im Lager eingesperrter

Vater, Carl Carrigan, auf die schöne Tracht der Dorfbewohner hinwies,

die er sehr bewunderte: „Sie trugen ihre besten Kleider, Tiroler Trachten

aus besonderem Hosenstoff und Gilet-Westen und einen Filzhut mit

Feder […]. Die Männer fuhren oft mit dem Fahrrad beim Lager vorbei,

um einen kurzen Blick ins Innere zu werfen.“

Das heute zum Großteil umgebaute Gelände lag unweit der Eisenbahnstrecke

und des Bahnhofes und des chirurgischen Sanatoriums von Dr.

Josef Clara (1872-1923) und seines ältesten Sohnes Max Clara (1899-

1966).

Die Unterkunft der Gefangenen befand sich im östlichen Gebäudetrakt

des alten Brauereikomplexes. Die Schlaflager waren auf drei Stock-

64


Bahnhof von Blumau. Hier kamen die Gefangenen an.

werke verteilt. Sie waren eigentlich als

Scheune zur Lagerung oder Lufttrocknung

von Erntegut errichtet worden.

Die drei von Stützbalken getragenen,

dachbodenartigen Raumflächen waren

durch Holzstiegen verbunden.

An den alten Stützbalken sollen am

Ende des Krieges eingeritzte Namen

von Häftlingen sichtbar gewesen sein.

Trotz Absuche der noch vorhandenen

Stützbalken konnte aber nichts mehr

gefunden werden.

Die sehr großen und rechteckigen Lagerflächen

waren aus Holzbrettern

geschaffen. Die „Betten“ bestanden

65


66

ebenfalls aus alten Holzelementen (Holzpritschen). Sie waren mit alten

Strohsäcken bedeckt. Trennwände gab es keine.

Die Bedingungen in diesen dunklen Schlaflagern waren sehr schlecht,

da alles sehr notdürftig gebaut und das

ganze Gebäude nicht isoliert war. Die

gesamte Gebäudekonstruktion war aus

Natursteinen und aus Holzbalken gebaut

worden. Die Häftlingsräume waren

schlecht belichtet und im Sommer

überhitzt. Bis auf einige Kippfenster am

Dach waren ansonsten keine Fenster

vorhanden.

Im Erdgeschoss gelangte man über

eine steile Holzstiege in sehr große

Kellergeschosse. Die Waschräume und

Toiletten befanden sich in einem Nebengebäude.

Das rund zwölf Hektar große Lager

„Campo all’Isarco“ war von hohen


Bierbrauerei in Blumau, das nachmalige, zwölf Hektar große italienisch-faschistische

Konzentrationslager „Campo di concentramento Prato d’Isarco“.

Stein- und Fabrikmauern und mit zusätzlichen Stacheldrahtzäunen umgeben.

Außerdem gab es tägliche Appelle der Internierten.

Laut Aussage eines Ex-Häftlings gelangte

man in das Lager nur über

die Reichsstraße (heute: Josef-Kräutner-Platz)

durch ein streng bewachtes

Eisentor. 27

Ein kleinerer Seiteneingang zum Lager

befand sich auch in der heutigen Breiener

Straße (Wegkapelle und KZ-Gedenkstein).

Strenge Sicherheitsmaßnahmen

und schwerbewaffnete Wärter

verhinderten jeden Versuch einer Flucht

und Rettung in die Freiheit.

67


Reste der alten Gebäude der Brauerei Blumau-Vilpian

Die Haftbedingungen waren für die Internierten des „Campo all’Isarco“

je nach Haftperiode und nach nationaler Zugehörigkeit und „politischem“

Status sehr heterogen. Es lag auch am Ermessen des faschistischen

Wachpersonals, wie die Gefangenen behandelt und diszipliniert

wurden. Darüber herrschte Stillschweigen.

Ansonsten war das Alltagsleben im Lager von Blumau ähnlich wie in

anderen italienischen Lagern. Nicht immer hielt man sich an die Vorschriften

der Genfer Konvention von 1929. Viele Gefangene litten außerdem

an einer schweren psychischen Störung, die ein englischer Offizier

und Militärpsychologe als „Gefängenitis“ bezeichnete.

Der Zugang zum Lager war nur wenigen Personen und Organisationen

erlaubt. So gelangten zum Beispiel bei Voranmeldung und nach Genehmigung

des Amtes für Kriegsgefangene Vertreter der italienischen Sektion

des Internationalen Roten Kreuzes und ein italienischer Seelsorger

ins Lager.

Die Organisation des Lagerlebens war - zumindest in der Anfangszeit

- so eingerichtet, dass die Häftlingsverwaltung von den Gefangenen

selbst durchgeführt werden konnte. Nach dem Muster des seit Ende

der zwanziger Jahre auf den Verbannungsinseln erprobten Systems wa-

68


Dieses Veranstaltungsplakat wurde

von „Australian prisoners of

war at the concentration camp

at Prato Isarco in northern Italy

(1941)“, also von australischen

Kriegsgefangenen im Konzentrationslager

von Blumau in Norditalien,

gezeichnet.

ren gemeinschaftliche Küchen errichtet

worden. Die Deportierten konnten dadurch

ihre Essensrationen selbst einteilen.

Unter den Gefangenen der „British

Kingdom-Army“ bestand allerdings

eine ausgeprägte, differente Gruppenidentität.

So kam es zwischen australischen

und englischen Soldaten immer

wieder zu schwerwiegenden Konflikten,

mitunter zu politisch motivierten

Reibereien. Ein Lagerkomitee versuchte

hier zu schlichten und abzulenken, auch

durch die Organisation von sportlichen

und kulturellen Veranstaltungen. Zur

Zerstreuung und Unterhaltung gab es

im „Campo Isarco“ - ähnlich wie in anderen

Lagern - ein (Kriegsgefangenen-)

Unterhaltungskomitee: „POW [Prisoner

oft war]-Entertainment Committee“.

Zur Ankündigung einzelner Events gestalteten

australische Gefangene eigene

Plakate (siehe Abbildung rechts).

Trotz dieser weitgehenden Bewegungsfreiheit

war der Aufenthalt im Lager

keineswegs eine Idylle. Denn die Wachmänner

und Lagerverwaltung konnten jederzeit und ohne Konsequenzen

gegen die Internierten Strafen erlassen. Gewalterfahrung hatten

die Schwarzhemden zur Genüge.

69



Bestialische Gewalttaten

in den Wirren des Zweiten Weltkrieges


Bestialische Gewalttaten

in den Wirren des Zweiten Weltkrieges

Die Schlüsselposition bei der „Konfinierung“, das heißt Verbannung der

politischen Gegner, und Errichtung und Organisation der verschiedenen

Konzentrationslager in Italien nahmen neben dem Regierungschef

Benito Mussolini und dem Unterstaatssekretär im Innenministerium

Guido Buffarini-Guidi die ihnen unterstellten Präfekten, Hauptleute der

Milizen und Korpskommandanten der italienischen Armee ein. Sie stellten

das finstere Kapitel der Kriegs- und Internierungsgeschichte dar.

Das Lager „Campo d’Isarco“ in Blumau dürfte bereits unter der Aufsicht

des aus Turin stammenden Kommandanten des XVIII. Armeekorps, Ritter

des Großkreuzes, General Marco Gamaleri, entstanden sein. Er hatte

das in Bozen stationierte Armeekorpskommando am 10. September

1939 übernommen.

Vorher war er als Vizestabschef beim Kommando der Truppen im besetzten

Albanien und Chef des Armeestabes von Mailand, Verona und

Turin sowie als Leiter des Operationsamtes im Kriegsministerium tätig.

Sein Name ist eng verbunden mit dem Ausbau des „Alpenwalls“

(„Vallo Alpino“) und mit dem am 1. April 1940 in der Talferstadt gegründeten

„XVIII. Corpo d’Armata“. Dieses Heer war auch auf dem

Kriegsschauplatz auf dem Balkan eingesetzt.

Es war dies die Zeit, als neben der regulären Armee zunehmend auch

die mörderischen Milizen der Schwarzhemden („Milizia Volontaria per

la Sicurezza Nazionale MVSN“) militärische Aufgaben übernahmen.

Die Milizen waren 1923 gebildet worden. Ihre Herkunft führten sie in

die Römerzeit und Antike zurück. Im faschistischen Regime nahmen sie

einen Ehrenplatz ein und waren für die Verteidigung der national-italienischen

Sicherheit bestimmt.

Mussolini hatte diese ehemaligen „Squadristen“, die der deutschen

Schutzstaffel (SS) sehr ähnlich waren, beinahe jeder italienischen Mi-

72


litärdivision zugewiesen. Das Gehalt dieser Sondermilizen bezahlte die

jeweilige Fabrik oder Staatsverwaltung.

In Südtirol waren diese MVSN-Sturmtruppen in der „45a Legione Alto

Adige-Bolzano“ zusammengefasst. Der Kommandant dieser rund 500

Provinzsoldaten war der berüchtigte Squadrist Konsul Ivan Scalchi. Seit

Jänner 1941 bildete er in verschiedenen Gebieten Italiens Schwarzhemden

für Terrorangriffe und sich häufende Kriegshandlungen aus.

Im Dezember 1942 wurde er von der römischen Zentrale der Schwarzhemden-Verbände

mit Enzo Emilio Galbiati (1897-1982) an der Spitze

nach Zadar (ital.: Zara) in Norddalmatien beordert. Dort führte er die

Schwarzen Brigaden „Gruppo Battaglione Camicie Nere Squadristi“

an, die ihrem brutalen Hass gegen Slowenen und Kroaten freien Lauf

ließen. 1944 wurde Ivan Scalchi von der RSI-Regierung von Salò zum

Oberst der faschistischen „Guardia Nazionale Repubblicana“ (GNR) der

Provinz Ravenna ernannt. 28

Am Vernichtungskrieg auf dem Balkan war mit seiner Armee auch der

an die Front versetzte General Marco Gamaleri beteiligt.

Seine Kommandostelle in Bozen hatte Anfang März 1942 der am 6.

Juni 1941 zum General beförderte Gastone Gambara (1890-1962) aus

Brescia eingenommen. Gambara war vorher auf dem Kriegsschauplatz

in Nordafrika im Einsatz und Oberfehlshaber der italienisch-faschistischen

Freiwilligenabteilungen „Corpo Truppe Volontarie“ in Katalonien.

Über ihn sagte Mussolini: „Er ist ein Soldat, der den Krieg liebt“ („È

un soldato che ama la guerra“). 29

Das Präludium zum Zweiten Weltkrieg, der Krieg zwischen Faschismus

und Antifaschismus, begann in Spanien, daran erinnerte der große italienische

Gelehrte und Freund der Südtiroler Gaetano Salvemini (1873-

1957). Unter der Fahne des Caudillo Francisco Franco (1892-1975) und

mit Beteiligung nationalsozialistischer Formationen trug Gambara die

Hauptverantwortung für die mit viel Blut befleckte Einkreisung und Einnahme

Barcelonas. Wenige Stunden danach nahm Gambara mit seiner

73


Bombardierung der katalanischen

Hauptstadt durch die italienische

„Aviazione Legionaria“ („Squadra

Legionaria Baleares“) im März

1938. Die vom Italienerverein

„Altraitalia“ beantragte Aufnahme

eines Verfahrens gegen einen

noch lebenden Verantwortlichen

des Bombenangriffs wurde von

Italien abgelehnt.

Soldateska auch noch die katalanische

Stadt Girona ein. Daraufhin sandte

Gambara an den Ministerpräsidenten

und Kriegsobersten Mussolini ein Telegramm:

„Der ‚Littorio‘ hat auch Girona

besetzt. Es lebe der Duce“.

Das, was sich in Katalonien abgespielt

hatte, war keine Schlacht mehr zwischen

spanischen Faschisten und Republikanern.

Das war eine Schlacht zwischen

Katalanen und Italienern. Die italienischen

Divisionen waren technisch und

artilleristisch bedeutend überlegen.

Sie bestanden zum großen Teil aus

Offizieren und Mannschaften, die in

Abessinien Kriegserfahrung erworben

hatten. An diese entsetzliche Zeit

erinnern in Bozen noch immer kolonialrassistische

Straßennamen, wie die Amba-Alagi-Straße.

Mit der Niederlage des Antifaschismus in Spanien und dem Beginn des

polnischen Feldzuges Hitlers wurden die kriegerischen Bestrebungen

des faschistischen Italien und des Dritten Reichs zunehmend blutiger

und imperialistischer. Für seine Kriegsverdienste in Katalonien wurde

Gambara Mitte 1939 zum italienischen Botschafter in Spanien ernannt.

Nach Eintritt Italiens 1940 in den Krieg wurde er zum General befördert.

Zugleich vertraute man ihm das durch die Militärreform neu gegründete

Armeekorps „Comando XIX Corpo d’Armata“ mit Sitz in Bozen

an. Gastone Gambara unterstand somit auch das Lager in Blumau.

In seinen Äußerungen traten oft die schlimmsten Abscheulichkeiten seiner

faschistischen Gedankengänge hervor. Eine Beschwerde über die

Haftbedingungen im italienischen Konzentrationslager Rab bei Kampor

74


Der Hauptsitz der XXXV. Armee war im „Palazzo Alti Comandi“ (früheres Gelände

der Kaiserjägerkaserne, heute: Corpo d’Armata) am 4.-November-Platz in Bozen. Hier

und im dritten Stock des heutigen „Palais Widmann“ befand sich viele Jahre auch

die Präfektur der Provinz Bozen. Der Innenhof des Militärgebäudes ist groteskerweise

heute noch von einer allessagenden, lebensgroßen Julius-Cäsar-Statue beherrscht.

auf der kroatischen Insel Rab (ital. Arbe) wischte Gambara mit der zynischen

Bemerkung vom Tisch: 30

„Logico ed opportuno che campo di concentramento non significhi campo

di ingrassamento. […] Internato ammalato uguale a internato tranquillo.”

Wörtlich übersetzt: „Logisch und angemessen, dass Konzentrationslager

nicht Verfettungslager bedeutet […] Kranker Internierter gleich

ruhiger Internierter”.

Seit September 1942 stand dieser kaltblütige Mann als Korpskommandant

an der Spitze der Zweiten Armee auf dem Balkan. Vorher war er

als Stabschef des Oberkommandos der Streitkräfte in Nordafrika. Dafür

75


76

wurde er im Dezember 1941 vom Führer Adolf Hitler mit dem „Eisernen

Kreuz“ ausgezeichnet. Im Jänner 1943 setzte ihn der Duce als Oberkommandant

des XI. Armeekorps Italiens in Slowenien ein. Gambara

kommandierte auch die Infanteriedivisionen „Cacciatori delle Alpi“,

„Isonzo“ und „Lombardia“.

Mit Gambara hatte auch das XIX. Armeekorps Bozen verlassen. An deren

Stelle war seit Frühjahr 1943 in der Talferstadt das in Russland zum

Einsatz gekommene XXXV. Armeekorps „Corpo di spedizione Italiano

in Russia“ (C.S.I.R.) stationiert.

Italien war aus ideologischen und bündnispolitischen Erwägungen und

in der Hoffnung auf reiche Beute mit 250.000 Soldaten gegen den

„bolschewistischen“, „verjudeten“ und „asiatischen“ Despotenstaat

Josef Stalins in den Osten gezogen. Dieser Krieg war darum von Anfang

an durch das Ziel der Raumeroberung und Vernichtung des „Jüdischen

Bolschewismus“ bestimmt. Wie die deutsche Wehrmacht kämpfte auch

die italienische Armee buchstäblich bis zur letzten Patrone im Glauben,

dadurch „einer guten Sache zu dienen“. Dieser nazifaschistische Überfall

auf die Sowjetunion war aber, wie der über jeden Verdacht erhabene

Historiker Ernst Nolte (1923-2016) in seinem Buch „Der Faschismus

in seiner Epoche“ (München 1963) festhielt, der „ungeheuerlichste

Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg, den die moderne

Geschichte kennt.“

Das Befehlskommando des 35. Armeekorps und sämtliche zivilen

Machtbefugnisse in Südtirol befanden sich seit 1943 in den Händen

des knallharten Generals der Alpini-Divisionen, Grande Ufficiale Alessandro

Gloria, Nobile dei Conti (1883-1970). Der Armeegeneral stand

im Frühjahr 1942 mit der 25. Infanteriedivision „Bologna“ im Wüstenkrieg

von El Alamein (Ägypten) im Einsatz. Sein Vorgesetzter war der

als „Schlächter von Addis Abeba“ in die Geschichte der Unmenschlichkeit

eingegangene Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Nordafrika,

Marschall von Italien, Rodolfo Graziani (1882-1959).


Zudem hatte er in der kriegerischen Offensive gegen Albanien das

Truppenkommando der 37. Infanterie-Division Modena inne. Zu dieser

zählten auch die in Südtirol leidvoll bekannten Infanteristen des berüchtigten

232. Regiments.

Insgesamt haben am italienischen Eroberungskreuzzug auf dem Balkan

und in Griechenland 31 Divisionen und 650.000 Soldaten des „Regio

Esercito Italiano“ (REI) teilgenommen.

Der Kommandobereich des Armeekorpskommandanten Alessandro

Gloria erstreckte sich von der Alpengrenze bis in die Poebene. Eine der

ersten Maßnahmen, die er nach seiner Einstellung in Bozen Ende Juli

1943 getroffen hatte, war die Ausrufung des Ausnahme- und Kriegszustandes

in der ganzen Provinz. Zu diesem Zweck wurde zum Schutz

der öffentlichen Ordnung sogar der deutsche Text eines Manifestes mit

überaus strengen Freiheitseinschränkungen und militärischen Verboten

verbreitet.

Zwischen dem 30. Juli und dem 1. September 1943 geriet General

Gloria in Kollision mit dem General der Gebirgstruppen der deutschen

Wehrmacht, Valentin Feuerstein (1885-1970). Dieser hatte nach der

Kapitulation Italiens mit seinen reichsdeutschen Truppen, hauptsächlich

Soldaten der Hoch- und Deutschmeister, den Brenner überschritten. 31

In der Nacht des 9. September 1943 um 2.00 Uhr wurde Gloria im

„Palazzo Alti Comandi“ in Bozen von der 44. Infanterie-Division der

deutschen Wehrmacht festgenommen und als Kriegsgefangener nach

Deutschland überführt. Nach kurzer Zeit freigelassen, kehrte er nach

Italien zurück. Nach dem Krieg war Alessandro Gloria von einer internationalen

Untersuchungskommission als „Kriegsverbrecher“ eingestuft

worden. Schließlich trat der General in den Ruhestand. Er ließ sich in

Genua nieder, wo er im Jahre 1970 im Alter von 87 Jahren starb.

77



Südtirol als Sprungbrett für umstrittene

PNF-Partei- und Militärkarrieristen


Südtirol als Sprungbrett für umstrittene

PNF-Partei- und Militärkarrieristen

Der General Gloria war aber bei Weitem nicht der einzige hohe Befehlshaber,

der in den Kriegsjahren auf dem Balkan und in Afrika mit

Erbarmungslosigkeit vorgegangen sein soll.

Laut Gianluca Falanga wurden „auf Initiative der obersten Führung der

italienischen Besatzungstruppen ungefähr 20 Prozent der gesamten

slawischen Bevölkerung im italienischen Machtbereich - davon mehr

als die Hälfte Frauen, Alte und Kinder - deportiert und gezwungen,

in Lagern unter Kälte, Hunger und Krankheiten zu leiden“ (Gianluca

Falanga, Mussolinis Vorposten in Hitlers Reich. Italiens Politik in Berlin

1933-1945, Berlin 2008, S. 193).

Alessandro Pirzio Biroli war einer der vielen von Jugoslawien und von der UN-Untersuchungs-Kommission

auf die Liste der Kriegsverbrecher gesetzten, aber in Italien

nie angeklagten und verurteilten Armeegeneräle. Sie kamen nach 1945 ungeschoren

davon.

80


Die Versuche Jugoslawiens und der „Crimes Commission“ der Vereinten

Nationen (UNO), nach 1945 die italienische Justiz zu einer Anklage

gegen Kriegsverbrecher zu bewegen, verliefen im Sande eines national-politisch

bestimmten Entlastungsdiskurses.

Auf der Kriegsverbrecherliste des „Central Registry of War Criminals

and Security Suspect“ (CROWCASS) der Westalliierten standen die Generäle

Mario Roatta, Pirzio Biroli, Gastone Gambara, Vittorio Ambrosio

(1879-1958), General Renato Coturri (Kommandant des V. Armeekorps

und ehemaliger Garnisonskommandant in Meran und Befehlshaber der

Division „Acqui“), Brigadegeneral Umberto Fabbri (Kommandant „Guardia

alla frontiera“ des V. Armeekorps und ehemaliger Major des Alpini-Bataillons

Trento in Innichen und Brixen), der Squadrist und Gauleiter

von Laibach, Oberkommissar Emilio Grazioli (1899-1969), der

PNF-Parteisekretär und Besatzungsgouverneur von Dalmatien, Francesco

Giunta (1887-1971), der Kommandant der faschistischen Einheit

„Xa Mas“, Prinz Junio Valerio Borghese (1906-1974), der Milizenkommandant

der schwarzen Legionen „45a Legione Alto Adige-Bolzano“

und „Gruppo Battaglione Camicie Nere Squadristi“, Oberst Ivan Scalchi,

der Hauptmann der „45a Legione Alto Adige“, Leiter des „Circolo

Unione Savoia“ in Bozen, Console Carlo Cisotti, der Mitbegründer der

„45a Legione Alto Adige“ und spätere Legionskommandant in Kalabrien,

Milizkonsul General Gino Graziani, der Quästor von Südtirol

und Laibach, Giuseppe Gueli (1887-1950), der Polizeichef in Südtirol

und Laibach, Ettore Messana (1888-1962), der Hauptmann der „Legione

dei Carabinieri Reali“ in Dalmatien (vorher in Bozen), Alfredo

Roncoroni, und der Generalsekretär der Auslandsfaschisten und Unterstaatssekretär

für auswärtige Angelegenheiten Giuseppe Bastianini

(1899-1961). 32

Nicht wenige derselben Generäle und Staatsfunktionäre, welche die

Massendeportationen von slowenischen, kroatischen und serbischen

Geiseln sowie deren Internierung in den KZ-Lagern betrieben und för-

81


derten, hatten in den schwarzen Jahren in der Verfolgung der Südtiroler

direkt oder indirekt ihre Finger mit im Spiel.

Von den durch die Internationalen Kommissionen aufgelisteten Kriegsverbrechern

wurden nach Kriegsende nur einige wenige belangt.

Von diesen wiederum saß kein einziger Täter seine volle Strafe ab. Der

„Kalte Krieg“ führte dazu, dass alle Verurteilten vor Ablauf ihrer Strafe

begnadigt und auf freien Fuß gesetzt wurden.

Der Historiker Karlo Rizicic-Kessler stellt hierzu fest, dass „die italienischen

Verbrechen auf dem Balkan von der italienischen Justiz und Politik

nach Kriegsende konsequent verschleiert wurden. Das Interesse der

Westalliierten an einem demokratischen und starken Italien ermöglichte

es, dass die italienischen Kriegsverbrecher ihr Leben unbescholten

weiterführen konnten.“ 33

Eine „Entfaschistisierung“, Verfahren oder Prozesse fanden - zum Leidwesen

der Opfer des Faschismus - in der Regel nicht statt. Italien integrierte

die Mehrheit der schwarzen Eliten und deren Kollaborateure in

den neuen Staat und entschied sich für eine Politik der Amnestie und

Amnesie.

Rund 900 Faschisten waren am 1.-2. Oktober 1922 nach Bozen gekommen, um dem

eroberten österreichischen Südtirol mit Gewalt die „Tricolore“ und die Gesetze Italiens

aufzuoktroyieren.

82


Viele Gewalttaten und Morde blieben

ungesühnt. Bereits am 24. April 1921

war in Bozen durch den Revolverschuss

eines faschistischen Obsthändlers der

Lehrer Franz Innerhofer (1884-1921) zu

Tode gekommen.

Der Sagmeister Johann Baptist Daprà

(1845-1921) starb an den Folgen des

Terrorattentats am Bozner Obstmarkt.

Am 1./2. Oktober 1922 haben faschistische

Milizen in Bozen bei einem

„Marsch auf die Talferstadt“ die Macht

ergriffen, ohne dass sie von den staatlichen

Behörden daran gehindert worden

waren. Die gleichen Gewalttäter

besetzten das Trientner Landhaus.

Die faschistischen Verbrechen wurden

bagatellisiert und vielfach geleugnet.

Das ging soweit, dass Guido Cristini

(1895-1979), der berüchtigte Präsident

des faschistischen Sondergerichtshofes,

welcher sage und schreibe 29 Todesurteile

gegen Antifaschisten und Freiheitsstrafen

von vielen hundert Jahren

ausgesprochen hatte, von jeder Schuld

freigesprochen wurde.

Die Westalliierten brauchten nach dem

Krieg in Italien zuverlässige, mit den

geostrategischen Interessen der USA

und mit dem italienischen Staatsnationalismus

sowie mit dem Vatikan über-

Die Faschistenführer, die am 1./2.

Oktober 1922 in Bozen die Besetzung

des Rathauses und der

Kaiserin-Elisabeth-Schule (heute:

Dante-Alighieri-Schule) anführten:

v.l.n.r. (oben beginnend)“;

Francesco Giunta, Alberto de Stefani,

Achille Starace, Antonio Arrivabene,

Roberto Farinacci und

Giuseppe Moschini.

83


einstimmende, politisch antikommunistisch eingestellte Militaristen,

Geheimtruppen und Politkartelle. In diesem Zusammenhang ging Italien

mit seiner Vergangenheit und den eigenen Kriegsverbrechern mit

Glacéhandschuhen um. Auf dem Altar dieses „Kalten Krieges“ wurde

auch Südtirol geopfert.

Eine sachliche Aufarbeitung der Geschichte und Beseitigung historischer

Altlasten zugunsten einer europäischen Zukunftsordnung blieb vielfach

aus. Wohin die mangelnde Erkenntnis der Tragödien des 20. Jahrhunderts,

die Missachtung der Nationalitätenfrage und das Fehlen einer echten,

paneuropäischen und regionalistischen Gesinnung führen, zeigen

die Vorgänge in Katalonien und in Südtirol sowie das Wiederaufleben

faschistischer Praktiken und national- und polizeistaatlicher Repressalien.

Zudem verleihen das Ende des Ost-West-Konfiktes und das langsame,

wenn auch schwierige Zusammenrücken Europas den jahrelang verborgen

gebliebenen dunklen Seiten der Geschichte neue Erkenntnisse und

Brisanz, die nicht wie zuvor durch ideologische und nationale Tabus

eingeschränkt sind. 34

Begräbnis von Franz Innerhofer in Bozen (April 1921). Ganz Südtirol trauerte um das

erste Todesopfer des faschistischen Terrors. Der Mörder lebte bis zu seinem Tode

unbehelligt am Obstplatz. Er wurde vom italienisch-faschistischen Staat geschützt.

84


Italienische Internierungslager

unterschiedlich geführt

85


Italienische Internierungslager

unterschiedlich geführt

Der Oberbefehlshaber der italienischen

Streitkräfte in Afrika und

Generalgouverneur in Libyen,

General Italo Gariboldi, mit dem

Ritterkreuz. Dieses hatte ihm der

deutsche Generalfeldmarschall

Erwin Rommel verliehen. Im Gegenzug

überreichte er dem „Wüstenfuchs“

im Namen Mussolinis

den Savoyerorden. 1943 erhielt

Gariboldi als Kommandant der

an der Ostfront eingesetzten 8.

italienischen Armee im Führerhauptquartier

„Wolfsschanze“

von Hitler höchstpersönlich das

Eiserne Kreuz.

Der oberste General der Armee in Oberitalien war Italo Gariboldi (1879-

1970). Seit Kriegsbeginn unterstand ihm die Gesamtführung der Territorialverteidigung

im Nordosten Italiens

und des Bozner Oberkommandos des

XXXV. Armeekorps der 8. Armee. Sein

Hauptquartier befand sich in Padua.

Von 1939 bis 1941 war Gariboldi zunächst

als Truppenbefehlshaber und

dann als Generalgouverneur in Libyen

tätig. Von Anfang 1942 bis 1943 befehligte

der „Maresciallo d’Italia“ die

italienische Armee (ARMIR) im Krieg

gegen die Sowjetunion und im Partisanenkampf

an der Grenze zu Jugoslawien.

Bereits am 10. September 1943

war diese ungenügend ausgerüstete 8.

Armee am Boden zerstört. 35

„Italien beugt sich nicht.

Eher den Tod als müde werden“,

wetterte auf der II. Internationalen

Journalistentagung in Wien am 21. Juni

1943 der Südtirolerhasser, Kammerabgeordnete,

Sonderkommissär für den

italienischen Rundfunk und spätere

86


Korporations- und Außenhandelsminister der RSI-Marionettenregierung,

Ezio Maria Gray (1885-1969) aus Novara.

General Italo Gariboldi war da ganz anderer Ansicht. Bevor der Ring

um das Achsenbündnis immer enger wurde, gab er die zur Absurdität

geführte Blutoffensive auf. Er verhielt sich wie später einige deutsche

Generäle. Daraufhin wurde Gariboldi mit anderen italienischen Generälen

und Admiralen als „Handlanger und Komplize der Kapitulation“

verhaftet und vor das faschistische Sondergericht in Verona gestellt.

Die Namensliste der zu prozessierenden „konspirativen“ und „verräterischen“

Savoyer- und Badoglio-Generäle veröffentlichte Ezio Maria

Gray höchstpersönlich in seiner Turiner Zeitung „Gazzetta del Popolo“.

Darunter befanden sich auch Namen, die der General des faschistischen

Italiens und Oberbefehlshaber der italienischen Besatzungstruppen in

Mussolini mit Ezio Maria Gray, dem Souffleur der Bozner Faschisten und späteren

Mitbegründer des neofaschistischen MSI. Er war einer der Drahtzieher des Raubes

des sozialdemokratischen Bozner Gewerkschaftshauses und der Schließung des

Parteisitzes des christlich-sozialen und deutschfreiheitlich orientierten „Deutschen

Verbandes“. 1944 denunzierte der Abgeordnete Gray seine eigenen Faschistengeneräle

wegen Feindesbegünstigung.

87


Slowenien, Serbien und Kroatien, Mario Roatta (1887-1968), - vor seinem

Frontwechsel zu den Alliierten - den nationalsozialistischen deutschen

Kommandostellen hatte zukommen lassen. Es sollen vornehmlich

Namen jener italienischen Militärs gewesen sein, die von den Untaten

und Geschäftemachereien (Waffenhandel) Roattas auf dem Balkan

wussten. Dessen Protektor war der Außenminister Galeazzo Ciano, der

sich - laut einem im Staatsarchiv in Moskau aufbewahrten Geheimdossier

- bei der Eroberung Albaniens die Aktien großer Bergwerke angeeignet

hatte. 36

Am 23. Mai 1942 hatte Roatta in Fiume vor seinen Offizieren den Duce

zitiert: „Es ist das Beste, wenn der Feind tot ist. Darum braucht es,

wann immer nötig, die Erschießungen“ (Italienisch: „la situazione migliore

è quando il nemico è morto. Occorre quindi […] la fucilazione“). 37

Pressemeldung der faschistischen RSI-Regierung über den Tod Gariboldis

Das Sondergericht der „Repubblica Sociale Italiana“ (RSI) verurteile Gariboldi

zum Tode. Die Nachricht von der Hinrichtung des Generals war

von der RSI-Presseagentur „Agenzia Stefani“ mit Sitz in Mailand Anfang

Februar 1944 verbreitet worden. Das Urteil war aber nie vollstreckt

worden. Mussolini hatte absichtlich eine Falschmeldung lanciert. Denn

der General war längst im Gefängnis von Scalzi (dem Staatsgefängnis

der RSI-Faschisten in Verona) inhaftiert worden. Im Mai 1945 wurde er

befreit und zog sich ins Privatleben nach Rom zurück, wo er 1970 starb.

Zur 8. Armee von General Italo Gariboldi zählte auch das XXXIV. Armeekorps

in Udine. Es stand unter der Führung des Generals Licurgo

88


Zannini (*1883), der auch die Infanterie-Division „Pinerolo“ kommandierte.

Ihm war das Lager „Campo 57“ unterstellt.

Obwohl dieses Lager ebenfalls den Richtlinien des Regierungsdekretes

vom 4. September 1940 (Gesetzblatt des Königreichs Italien Nr. 239

vom 11. Oktober 1940) und der Verwaltung des italienischen Innenministeriums

und damit grundsätzlich derselben politisch-militärischen

Befehlskette unterstand, unterschieden sich die Konzentrationslager

stark voneinander. Sie besaßen auch nicht die gleichen Strukturen. Die

Lager wurden auch in Bezug auf die Behandlung der Internierten nach

unterschiedlichen Gutdünken und Nuancen verwaltet. Das hatte aber

weniger mit der Zugehörigkeit der Häftlinge, sondern wohl eher mit

dem Gebiet, in dem das Lager stand, und den örtlichen Befehlshabern

zu tun. Dies schließt die Tatsache nicht aus, dass es, vor allem bezüglich

Verpflegung und Gesundheitsbetreuung, Unterschiede zwischen den

englischen Kriegsgefangenen und den aus den okkupierten Territorien

des Balkans oder aus Russland verschleppten und inhaftierten Zwangsarbeitern

beziehungsweise Zivilinternierten gab. Trotzdem wurde zum

Beispiel die Lagerunterkunft in Blumau auch für Zwangsarbeiter zuweilen

nach der etwas moderneren schönfärberischen Militärsprache als

„accantonamento“ („Lagerquartier“) bezeichnet.

89



Papst Pius XII. für Freilassung

der britischen Kriegsgefangenen


Papst Pius XII. für Freilassung

der britischen Kriegsgefangenen

Viele der australischen, neuseeländischen, indischen und britischen

Soldaten, die während der Frühjahrsoffensive 1941 auf den nordafrikanischen

Kriegsschauplätzen von den italienischen Panzer- und Infanteriedivisionen

gefangen genommen wurden, verbrachten eine längere

Zeit im Lager in Blumau.

Das mit dem Lager „Prato Isarco“ in Blumau verbundene Internierungslager „Campo

57“ in Gruppignano bei Cividale-Udine.

92


Die Männer mit Offiziersrang und die

Elite-Soldaten waren zum größten Teil

im Lager in Gruppignano di Cividale im

Friaul inhaftiert.

Ebenso die später gefangen genommenen

Soldaten des „Australian and New

Zealand Army Corps“ (ANZAC), wie zum

Beispiel der 1942 festgenommene Colin

Albert Booth (1918-1989) aus Bundanoon

(New South Wales-Australien).

Colin Albert Booth gehörte im

Er und seine Militärkameraden wurden Zweiten Weltkrieg dem ANZAC

vom süditalienischen Capua (Caserta) Corps an, das auf Seite Großbritanniens

kämpfte. Er wurde

direkt nach Gruppignano, südwestlich

in Nordafrika von den Italienern

von Cividale im Friaul, in den „Campo

gefangen genommen und in das

57“ verlegt. 38

norditalienische KZ „Campo PG

Mehrere Gefangene waren im Lager 57“ deportiert.

„Prato Isarco“ von Frühjahr bis Ende

Oktober 1941 eingeschlossen.

Von der Existenz dieses Gefangenenlagers

in Südtirol wusste auch die katholische

Kirche sehr gut Bescheid. Kein Geringerer

als Eugenio Pacelli, Papst Pius

XII. (1876-1958), hatte sich im August

1941 für die Freilassung der in Blumau internierten

englischen Kriegsgefangenen

eingesetzt, während alle anderen geschwiegen

oder weggeschaut haben. 39

Den unwiderlegbaren Beweis dafür Papst Pius XII. hat sich im August

1941 für die Freilassung der

liefert ein Protokoll des vatikanischen

australischen, neuseeländischen

Staatssekretariats vom 31. August und britischen Gefangenen im KZ

1941. 40 „Prato Isarco“ eingesetzt.

93


Repro Protokollbuch des Officium Secretum Vaticanum vom 31. Oktober 1941

Darin wird festgehalten, dass der Sekretär der Kongregation für außerordentliche

Angelegenheiten und Leiter des vatikanischen Staatssekretariates,

Monsignore Giovanni Battista Montini (1897-1978), der

spätere Papst Paul VI., 41 dem einflussreichen faschistischen Senator und

Präsidenten des Kriegsgefangenenamtes „Ufficio Prigionieri di Guerra“

der italienischen Regierung, General Ambrogio Clerici (1868-1955), 42

94


eine umfangreiche Liste mit englischen

Kriegsgefangenen (POW) überreicht

hatte.

In der vatikanischen Aktennotiz wird

darauf hingewiesen, dass Monsignore

Giovanni Battista Montini dem General

Ambrogio Clerici eine „reichhaltige

Liste von Mitteilungen englischer Gefangener

für ihre Familien“ übergeben

hat, die sich im „Campo all’Isarco (Bolzano)“

befanden. 43

Der Verbindungsmann zwischen dem

Vatikan und den 300 bis 400 seit 1941

gefangen gehaltenen Häftlingen in Blumau

war der katholische Militärkaplan

und Bruder der Gemeinschaft der Comboni-

Missionare, Padre Giovanni Cotta

(1883-1976) aus Mortara (Pavia).

Monsignore Giovanni Battista

Montini, der spätere Papst Paul

VI., führte im Vatikan das von

Papst Benedikt XV. im Jahre 1914

gegründete Informationsbüro

für Kriegsgefangene („Ufficio

Informazioni P.G.“) - eine große

Hilfs- und Informationsstelle für

Gefangene und Vermisste.

Der PNF-Senator und Präsident des Kriegsgefangenenamtes,

General Ambrogio Clerici. Nach

dem Kriegsende lebte der als „Kollaborationist

des faschistischen Regimes“ angeklagte General

in Costa de’ Nobili (Pavia). Von 1949 bis 1954

war er hochangesehener Bürgermeister von Zeccone.

95


Der Comboni-Missionar und Militärkaplan

Padre Giovanni Cotta

(1883-1976) aus Mortara bei Pavia

schmuggelte Briefe aus dem

italienischen KZ „Prato Isarco“.

Später wirkte er auch im Gefangenenlager

„Campo PG 57“ in

Gruppignano di Cividale im Friaul

und in Portugal.

Dieser italienische Militärpfarrer hatte

die Funktion eines Soldatenseelsorgers

und hatte daher freien Zugang zu den

Kriegsgefangenen. Zu Weihnachten

verteilte Cotta an die KZ-Häftlinge die

in verschiedenen Sprachen verfassten

Gebetshefte. Die Sorgen und das Unbehagen

der Gefangenen hatte er sich

zum Anliegen gemacht. Er fungierte

oft auch als Dolmetscher zwischen den

Häftlingen und der Lagerkommandantur.

Pater Cotta hatte nach seinem Theologiestudium

zwei Jahre im Comboni-Haus

in Sidcup gelebt. Sidcup ist ein

Ort im Londoner Stadtbezirk London

Borough of Bexley in England. Darum

war er bereits während des Ersten

Weltkrieges vom italienischen Heer als

Übersetzer engagiert worden.

Mehrere ehemalige Gefangene des KZ „Prato Isarco“ berichteten, dass

Pater Cotta mit ihnen sehr freundlich umging. Dies, obwohl er enge

Kontakte zu Kreisen des Regimes hatte und sich die Soldaten angesichts

seiner guten Englischkenntnisse mit Kommentaren zurückhielten. 44

Der Geistliche war nach seiner Mission im KZ „Prato Isarco“ nach Cividale

in den „Campo 57“ versetzt worden. Dort fand er viele bereits in

Blumau kennengelernte Soldaten wieder.

Nach dem Kriege setzte sich Padre Cotta nach Portugal ab, wo er in

der Stadt Viseu die Combonianische Ordensgemeinschaft gründete. Er

starb 1976 im hohen Alter von 93 Jahren an der Peripherie von Mailand.

Zum Nachfolger von Padre Cotta als Lagerkaplan war Ende 1941 der

96


italienische Pfarrer Antonio Teli ernannt

worden. Er war ein ausgesprochener

Sympathisant der Faschisten.

Für die Mehrheit der Dorfbewohner

war der aus Buchholz bei Salurn stammende

und seit 1914 als Kurat von

Blumau tätige Hochwürden August Eccli

(1870-1945) zuständig. Der Pfarrer

hatte etliche Jahre als Kooperator auch

in Rabenstein, Neumarkt, St. Ulrich,

Lajen, St. Christina, Kurtatsch, Algund

und Andrian gewirkt.

Dass Ende August bis Anfang September

des Jahres 1941 die Schwester des

Papstes Pius XII., Gräfin Rizzardi-Pacelli,

in Bozen weilte, dürfte wohl nur

Ein Gebetsbuch, das in mehreren

Sprachen gedruckte Weihnachtsgeschenk

von Pater Giovanni

Cotta für die Gefangenen.

Hochwürden August Eccli aus

Buchholz bei Salurn war von

1914 bis 1944 Kurat in Blumau.

Bis 1942 gehörte die Seelsorge

als Filiale von Völs zum Dekanat

Kastelruth.

97


Der frühere Sekretär der Kongregation

für außerordentliche kirchliche

Angelegenheiten und seit

1929 apostolische Nuntius beim

italienischen Quirinal, Monsignore

Francesco Borgongini-Duca.

Der im Rang eines Botschafters

stehende päpstliche Gesandte

visitierte im August 1941 das „KZ

Prato d’Isarco“ und berichtete

darüber seinen Kirchenoberen.

ein Zufall gewesen sein. Die Gräfin wohnte als Gast im Institut der

Marcelline in Gries und war von ihrem Gemahl und den drei Töchtern

begleitet.

Als Padre Cotta die Soldaten in Blumau besuchte, war er bereits ein

älterer Mann mit schneeweißem Bart. Es wurde erzählt, dass der Geistliche

von allen, unabhängig von der Weltanschauung, geachtet und

respektiert wurde. Er war es, der zum ersten Mal die Namen von rund

150 „katholischen“ Häftlingen aus dem KZ „Prato Isarco“ geschmuggelt

hatte, um sie Gesandtschaften des Vatikans zu übergeben. Pater

Cotta hatte auch geheim verfasste Botschaften von britischen Soldaten

eingesammelt und nach Rom weitergeleitet.

Etliche solcher Schriftstücke (von

August bis Oktober 1941) aus dem

„Campo Prato all’Isarco“ sind im Vatikanischen

Geheimarchiv in Rom aufbewahrt.

45

Aufgrund dieser von Pater Cotta übermittelten

Informationen schickte der

engste Mitarbeiter von Monsignore

Giovanni Battista Montini, Monsignore

Luigi Centoz (1883-1969) vom Informationsbüro

für Kriegsgefangene,

den Apostolischen Nuntius Italiens,

Titular-Erzbischof von Heraclea in Europa,

Francesco Borgongini-Duca (1884-

1954), im August 1941 nach Bozen. 46

Der vatikanische Botschafter wurde

bekannt, als er im September 1936 auf

dem Platz vor der Basilika von Loreto

(Marken) den über den Wallfahrtsort

nach Spanien (Balearen) fliegenden

98


Bombern den päpstlichen Segen erteilte.

Es war der Auftakt für die italienischen

Kriegsvorbereitungen.

Der apostolische Abgesandte traf am

Montag, den 11. August 1941 spätabends

mit dem Auto in der Talferstadt

ein. Er war in Begleitung des Bischofs

Gaetano Melchiori von Loreto und eines

Sekretärs. Sie wurden von Propst

und Stadtpfarrer Monsignore Josef Kalser

(1891-1971) und dessen Mitarbeitern

empfangen. Danach wurden die

hohen Geistlichen aus Rom zur Gästewohnung

in der Propstei gebracht,

wo sie Quartier nahmen. Am nächsten

Tag zelebrierten sie mit Propst Kalser in

der Pfarrkirche (heute Dom) die heilige

Messe.

Der Bozner Propst und Stadtpfarrer

Josef Kalser erneuerte mit einer

Gruppe von Süd-Tiroler Gläubigen

das alte Tiroler Gelübde.

Der vom Koflhof in Aldein stammende Geistliche war der letzte Dompropst

von Bozen.

Am 6. Februar 1944 erneuerte er mit einer Gruppe von Süd-Tiroler

Gläubigen, Dableiblern und Exponenten des anti-nazifaschistischen

„Andreas-Hofer-Bundes“ - darunter Hans Egarter (1909-1966) und Josef

Mayr-Nusser (1910-1945) -, vor dem historischen Herz-Jesu-Bild im

Luftschutzkeller des Marieninternates in Bozen das alte Tiroler Gelübde.

Für den Gottesdienst hatte Egarter ein eigenes Gebet verfasst. 47

Über den hohen vatikanischen Besuch von 1941 brachten die „Dolomiten“

in ihrer Ausgabe vom 13. August auf der Innenseite eine kurze,

etwas versteckte Meldung:

„Die Kirchenfürsten sind im Auftrag des Heiligen Vaters auf Besuche

in Kriegsgefangenenlagern. Von Bolzano [Bozen] fuhren sie gestern

99


100

[Dienstag, 12. August 1941] nach Prato-Tires [Blumau-Tiers] zum Besuche

des dortigen Gefangenenlagers. Der nächste Besuch galt den Studenten

des päpstlichen Seminars, die in Nuova Braies [Bad Neuprags]

auf Sommerfrische weilen. In Udine wird das letzte Gefangenenlager

[Campo P.G. N. 057 di Gruppignano] besucht und hierauf die Rückfahrt

nach Rom angetreten.“ 48

Über seine apostolische Visite in Blumau verfasste Monsignore Francesco

Borgongini-Duca einen Bericht, wobei er auch von den Schwierigkeiten

und Konflikten zwischen den strikt getrennten englischen und

australischen Soldaten berichtete. 49

Von einem weiteren Besuch des Apostolischen Nuntius bei den Kriegsgefangenen

und Internierten erfährt man ein gutes Jahr später. Darüber

referierte Anfang Oktober 1942 auch das offizielle Organ des Vatikans

„Osservatore Romano“:

„Monsignore Borgongini-Duca hat in den letzten Tagen ein Gefangenenlager

von 150 Engländern, Australiern und Neuseeländern besucht,

worunter sich ungefähr zwanzig Katholiken befanden. Sie waren beim

Bau eines Kanals beschäftigt, der einer elektrischen Zentrale Wasser

zuführen sollte. Alle Interessierten wurden versammelt, und der Nuntius

sprach mit ihnen über die lebhafte Teilnahme des Heiligen Vaters für

alle Gefangenen des gegenwärtigen Krieges, ohne Unterscheidung zwischen

Religion, Sprache und Nation. Er sprach ferner von dem Bestreben

des Heiligen Stuhles, den verwaisten Familien Nachrichten durch

das vatikanische Radio zu vermitteln, hörte ihre Fragen und Gesuche

an und übergab dem Pfarrer des Ortes, der zugleich Kaplan des Lagers

war, eine Geldsumme, die im Namen des Heiligen Vaters an alle zu

verteilen war. Den Katholiken übergab der Nuntius eine entsprechende

Zahl von Gebetsbüchern in ihrer Sprache und geweihte Rosenkränze,

ermunterte sie, gutes Beispiel zu geben, das Gebet zu pflegen, fleißig

die Sakramente zu empfangen und erteilte ihnen den päpstlichen Segen.

Hierauf begab sich der Vertreter Seiner Heiligkeit an einen Ort,


wo sich internierte, größtenteils aus dem Gebiet von Ex-Jugoslawien

gebürtige Frauen befanden. Dort wurde der Nuntius vom Präfekten

der Provinz und den Behörden empfangen. Von den rund 70 Frauen

waren 15 Katholikinnen. Der päpstliche

Abgesandte hörte alle an, indem er sie

gemeinsam empfing. Den katholischen

Frauen übergab er Bilder, Rosenkränze

und Gebetsbücher in ihrer Sprache. Allen

erteilte er den pästlichen Segen. Bei

seiner Abreise erscholl der Ruf: ‚Es lebe

der Papst!‘.“

Da diese Meldung auf der Lokalseite

der Tageszeitung „Dolomiten“ wiedergegeben

wurde, kann man annehmen,

dass der Bericht sich auf Blumau bezieht.

50

Wie auch immer - mit dem Gefangenenbesuch

seines Titularbischofs und

Gesandten am italienischen Königshof

in Blumau hatte der Vatikan deutlich

Position bezogen und sich aktiv an der

moralischen und wirtschaftlichen Unterstützung

der Internierten beteiligt.

Der Heilige Stuhl informierte dann die

besorgten Familien in England, Australien

und Neuseeland, dass ihre Lieben

noch lebten und italienische Kriegsgefangene

seien.

Bereits im September 1939 rief

eine „Gruppe Tiroler Patrioten“

mit illegalen Streuzetteln zum Widerstand

„gegen Hitler und Mussolini,

die landfremden Eroberer

Österreichs und des österreichischen

Süd-Tirols“, auf.

101



Soldaten der ANZAC gegen den Faschismus,

für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker


Soldaten der ANZAC gegen den Faschismus,

für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker

V.r.n.l.: Der im KZ „Campo all’Isarco“

internierte Kriegsveteran

Malcolm Reginald Webster (79) mit

seinen Kriegskameraden Len Woolscook

(84) und Bill Waller (83).

Der in Blumau gefangen gehaltene australische

Marinesoldat des „Australian

and New Zealand Army Corps“, Malcom

Reginald Webster (*25. Mai 1920

- gest. 26. Juli 2010), hat über seine

Kriegserlebnisse in Italien einen längeren

Bericht verfasst.

Seinen Militärdienst hatte er auf dem

britischen Torpedobootzerstörer „Hereward“

begonnen. 51

Der „feindliche“ Zerstörer „Hereward“

hatte eine Besatzung von 165

Mann. Am 29. Mai 1941 wurden der

Flak-Kreuzer „Calcutta“ und die Zerstörer

„Hereward“ und „Imperial“ sowie

andere englische Kriegsschiffe in der

Meerenge von Kasou von der reichsdeutschen Luft- und Unterwasserwaffe

massiv bombardiert.

Der britische Torpedobootzerstörer „Hereward“

104


Ein Großteil der Besatzungen, darunter

sehr viele junge Briten und Australier,

fanden bei diesem schrecklichen Bombenhagel

den Tod. Allein 76 Mann der

Hereward-Besatzung starben beim Untergang.

Malcolm R. Webster kam unbeschadet

davon. Ihm war das große Glück vergönnt,

mit anderen 226 Marinesoldaten,

davon 26 Schwerverletzten, dem

Tod entgangen zu sein und von Booten

der italienischen Marine gerettet zu

werden. Sie wurden dann als Kriegsgefangene

nach Rhodos, in damaliges

italienisches Hoheitsgebiet, und später

nach Bari gebracht.

Dort wurden die feindlichen Soldaten

bei ihrer Ankunft am 22. Juni 1941 von

der feindlich gesinnten italienischen Bevölkerung

mit lauten Beschimpfungen,

Schlagstöcken und Steinwürfen empfangen.

Der australische Soldat Malcolm

Reginald Webster im Alter von 23

Jahren in Uniform. Sie wurde ihm

nach seiner Befreiung aus der faschistischen

Gefangenschaft von

piemontesischen Widerstandskämpfern

zur Verfügung gestellt.

Man brachte sie in das Gefangenenlager von Capua (Caserta). Von

dort wurden sie am 12. Juli 1941 mit dem Zug nach Bozen und weiter

nach „Prato Isarco“ transportiert. Das von mehreren Milizangehörigen

bewachte Lager wurde von einem eigenen faschistischen Kommandanten

geführt. Ein Major der Wachmannschaften wurde von den Gefangenen

„Snozzle Durante“ genannt, weil er eine große Nase hatte. Er

dürfte wohl ähnlich wie der amerikanische Komiker und Schauspieler

James Francis „Jimmy“ Durante (1893-1980) ausgesehen haben.

Malcolm Reginald Webster schreibt in seinen Erinnerungen:

105


Die drei australischen Panzergrenadiere

und KZ-Häftlinge in „Prato

Isarco“ Lloyd Ledingham, Carl

und Paul Carrigan im Oktober

1943 in der Schweiz nach ihrer

Flucht aus Italien.

„Das Lager ‚Prato Isarco‘ befand sich in einer alten, stillgelegten Brauerei

mit sehr staubigen Holzgebäuden als Kasernen. Es lag an einem

steilen Berghang mit Blick auf die Etsch [Eisack], die Reichsstraße und

die Eisenbahnlinie.

Diese Eisenbahnstrecke diente der in Nordafrika operierenden deutschen

Wehrmacht. Das Leben und die Bedingungen im Lager, wenn

auch eher primitiv, waren mit ausreichenden Nahrungsmittelrationen

erträglich. Sie wurden durch die Nahrungsmittelpakete ergänzt, die

über das Internationale Rote Kreuz eintrafen. Das Internierungslager

‚Campo di Prato Isarco‘ wurde am 25. Oktober 1941 geräumt. Alle

Kriegsgefangenen wurden mit dem Zug

in das Konzentrationslager P. G. Nr. 57

in Gruppignano in der Nähe von Udine

gebracht.“ 52

Malcolm R. Webster hatte wohl vergessen,

dass im Oktober 1941 der Großteil

der Inhaftierten in Blumau in das Konzentrationslager

„Campo di concentramento

PG 78“ von Sulmona in der Provinz

L’Aquila (Abruzzen) verlegt wurde.

Dem Sitzungsprotokoll Nr. 12 vom 28.

Oktober 1941 (Seite 7: Übersiedlung

der Kriegsgefangenen „Trasferimento

di Prigionieri Guerra“) der Interministeriellen

Kommission für Kriegsgefangene

des italienischen Kriegsministeriums

in Rom kann man entnehmen, dass

von den Faschisten beschlossen wurde,

die englischen Kriegsgefangenen von

„Campo Isarco“ in Blumau auf folgende

Lager aufzuteilen:

106


Lager von Gruppignano (Cividale): die australischen Kriegsgefangenen

und jene aus den Dominions;

Lager von Sulmona: 300 (!) englische Kriegsgefangene;

Lager von Capua (Caserta): die restlichen Kriegsgefangenen. 53

Auszug aus dem Protokoll des faschistischen Interministeriellen Komitees für die

Kriegsgefangenen vom 28. Oktober 1941 (Seite 7, Kapitel: „Trasferimento Prigionieri

Guerra“, Übersiedlung der Kriegsgefangenen). Britische Häftlinge wurden nach wochenlangen

Haftstrafen in Blumau in andere Lager versetzt.

Der im Innenministerium angesiedelten Interministeriellen Kommission

für Kriegsgefangene gehörten folgende Militärs und leitende Beamte

an: Präsident: Divisionsgeneral Giorgio Cristiani; Mitglieder: Legationsrat

Commendatore Giovanni De Astis, Major Cavaliere Renato Allodi,

Schiffskapitän Kommandant Carlo Alberto Coraggio, General Commendatore

Ettore Brocchieri; Beamte und Berater: Oberst Cavaliere Eraldo

Pallotta, Leiter des Amtes für Kriegsgefangene des „Stato Maggiore

Regio Esercito“, Commendatore Dott. Vincenzo Marcolini vom Finanzministerium,

Commendatore Dott. Gaspare Franco, Ministerium für

Volkskultur, Gran Ufficiale Dott. Giuseppe Gneme, Kommunikationsministerium,

Minister Exzellenz Angelo Cassinis vom Gefangenenamt des

Italienischen Roten Kreuzes (CRI). Zudem war anwesend: Oberstleutnant

Cavaliere Ufficiale Giulio Fava.

107


Das italienische Internierungslager „Campo 57“ in Gruppignano, streng bewacht von

italienischen Milizen und Carabinieri. Hier wurden allein 1943 rund 4.600 britische,

australische und neuseeländische Kriegsgefangene festgehalten

Faschistische Milizen vor dem Eingang zum Konzentrationslager in Gruppignano.

108


Beim Konzentrationslager von Gruppignano handelte es sich um das

seit Mai 1941 in Betrieb befindliche Kriegsgefangenenlager Nr. 57 von

San Mauro in der Gemeinde Premariacco.

Einer der ärgsten Gewalttäter in diesem Lager war der Kommandant

der faschistischen Wachmilizen Colonnello dei Carabinieri Vittorio Emanuele

Calcaterra (1880-1944) aus Partanna

bei Trapani (Sizilien). 54

Der von den Briten wegen Verletzungen

der Menschenrechte schwer belastete

Militarist war von 1921 bis 1924

als „Sergente Calcaterra“ mit dem in

Gries stationierten 232. Infanterieregiment

in Südtirol.

Seit 1941 war Calcaterra auch Hauptmann

des Konzentrationslagers von

Gorizia (Görz). Die Haftbedingungen

und Strafen waren sehr schlimm. Die

Gefangenen von „Campo 57“ bezeichneten

ihn als „Sadist, Biest und Mörder“.

Lebensmittelkonserve

All diese und andere, nicht weniger schwerwiegende Anklagen der

Inhaftierten lassen erkennen, dass die Haftbedingungen extrem hart

waren. Viele waren an den unmenschlichen Bedingungen gestorben.

Andere hatten sich das Leben genommen.

Die vom Internationalen Roten Kreuz den Gefangenen gelieferten „lebensrettenden

Nahrungsmittelpakete“, zumeist Konserven, wurden im

Lager von Gruppignano von den italienischen Wachen vielfach absichtlich

vernichtet.

Im „Campo Isarco“ in Blumau hingegen war es zur Gewohnheit geworden,

dass die faschistischen KZ-Wachen die für die Häftlinge eingetroffenen

Pakete des Roten Kreuzes für eigene Zwecke entwendeten.

109


Wegen Entwendung von Paketen, die zur Häftlingsversorgung dienen sollten, zündete

der australische Internierte Lloyd Moule im KZ „Campo Isarco“ die Holzstiege an.

Dr. Katrina Kittel von der Universität Newcastle,

Mitglied der australischen Historikerkommission

und Forscherin über die POW-Kriegsgefangenen

in Italien, mit dem im „Campo No 93“ (No118)

in Blumau internierten Kriegsgefangenen Lloyd

Haig Moule. Nach der Kapitulation 1943 war er

mit anderen britischen Armeeangehörigen aus

Italien geflüchtet.

110


Um gegen solche Missetaten zu protestieren versuchte der australische

Internierte Lloyd Haig Moule (1918-2016) aus Armidale (New South

Wales), eine hölzerne Stiege in Brand zu stecken. 55

Kriegs- und Gefangenenreport von Lloyd Haig Moule

Die in den italienischen Lagern erlebten

Brutalitäten haben die meisten Gefangenen

zeitlebens nicht mehr losgelassen.

Die Tochter von Laurie Wolter

schrieb am 1. Februar 2014, dass ihr

Vater sowohl im „Campo d’Isarco“ als

auch im „Camp 57“ inhaftiert war:

„He died in 1954 as a result of the treatment

and brutality suffered in these

camps.“ Zu Deutsch: „Er starb 1954

infolge der Behandlung und Brutalität,

die er in diesen Lagern erlitten hatte.“

Kriegsgefangene im Konzentrationslager

„Campo 57“. Viele

dieser Soldaten waren vorher im

Lager „Campo Prato Isarco“ in

Blumau. (Bildnachweis: Lee Hill)

111


An den „Campo 57“ erinnert in Gruppignano heute noch eine Kapelle,

die nach einer Idee des Militärkaplans Padre Giovanni Cotta (1883-

1976) von den Gefangenen 1943 erbaut wurde.

Von Häftlingen gebaute Kapelle im Internierungslager Gruppignano (Bild: Familie

Carrigan)

Das von den Gefangenen aus Australien gefertigte Holzkreuz der Kapelle in Gruppignano.

Das Kreuz ist hinter Glas aufbewahrt.

Auf dem Rücken des Holzkreuzes haben alle britischen und australischen Soldaten

ihre Unterschrift angebracht. Im Bild sieht man die Signatur von Carl Carrigan und

Ron Fitzgerald. Die Bilder stammen aus dem Reisebericht der Familie Carrigan

112


Viele Gefangene waren nach dem Krieg zu sehr traumatisiert, um von

ihren Erlebnissen in Italien zu erzählen. Der in „Prato Isarco“ und in

Gruppignano inhaftierte australische Soldat und Farmer Carl (Alexander)

Carrigan (1913-1968) aus der Stadt Moree im australischen Bundesstaat

New South Wales fand dennoch die Kraft, seinen schweren

Leidensweg seinen Kindern zu erzählen.

Carl Carrigan erzählte seinen Kindern vom italienischen Gefangenenlager „Campo

Isarco“ in den Tiroler Alpen.

Vieles erfuhren die Kinder und Enkelkinder von Carrigan auch, weil der

Mithäftling und Freund ihres Vaters, Ron Fitzgerald, über die Kriegsund

Hafterfahrungen ein Tagebuch geführt hatte. Cate Carrigan, eine

bekannte australische Journalistin und Tochter von Carl Carrigan, hielt

die Gefangenschaft und Flucht ihres Vaters aus Italien in einem langen

Bericht fest. 56

An Bord des britischen Dampfturbinenschiffes beziehungsweise des

Truppentransporters „Orion“ haben Carl Carrigan und sein Bruder Paul

Gerald (1917-1972) und ihre drei Freunde Lloyd Ledingham, Ron Ma-

113


Mit dem Schiff Orion wurden

die australischen Soldaten zu

den Schlachtfeldern in Afrika

gebracht. Am Ende des Zweiten

Weltkrieges hatte Australien

35.000 Tote zu beklagen. Sie haben

auch für die Freiheit Europas

gekämpft.

cIntosh und Ron Fitzgerald mit anderen

Soldaten des Panzerregiments „2/3

Australian Anti-Tank Regiment“ und

des australischen Truppenregiments

„Australian and New Zealand Army

Corps“ „ANZAC-Force“ am 14. November

1940 Australien verlassen. Vom

Hafen von Pyrmont in Sydney fuhren sie

im Dunkel und in der Stille der Mitternacht

mit dem vollbesetzten Schiff in

den Nahen Osten. Dort landeten sie am

18. Dezember 1940 um 11 Uhr im Hafen

von Haifa, das damals von Arabern

und Juden strikt getrennt bewohnt

war. Von dort wurden sie dann nach

Ost- und Nordafrika gebracht. Die Panzertruppe

war von Oberstleutnant Jack Argent (1905-2004) angeführt.

Die Gebrüder Carl und Paul Carrigan waren mit Ron Fitzgerald und

anderen 13 Soldaten aus dem Nordosten Australiens beim Wüstenfort

El Mechili in Libyen am 8. März 1941 von den Italienern - mit entscheidender

Hilfe der deutschen Truppen von Generalmajor Ernst Bolbrinker

(1898-1962) und unter Führung des Afrikakorps des Generals Erwin

Rommel - in Haft genommen worden.

Zunächst hatte man die australisch-britischen Soldaten von Bengasi

mit italienischen Schiffen nach Neapel oder mit einem Flugzeug nach

Capua (Caserta) zum Lager „Campo Pg 66“ und dann nach Sulmona

(Aquila-Abruzzen) zum Lager „Campo di concentramento PG 78“ gebracht.

Dort wurden sie harten Verhören unterzogen und dann am 17. Juli 1941

mit dem Zug nach Südtirol transportiert und in Blumau im „Campo

Prato Isarco“ eingesperrt.

114


Prisoners-of -War-Report des australischen Soldaten Carl Carrigan, Gefangener vom

18. Juli bis 25. Oktober 1941 im Konzentrationslager „Prato Isarco“ in Blumau.

115


Reste des einstigen Konzentrationslagers „Campo Isarco“ in Blumau

In diesem Lager nahe des Tierser Baches, auch Breibach genannt, wurden

die Australier unterschiedlich lange, nicht selten mehr als neunundneunzig

Tage festgehalten.

Die letzten Gefangenen waren am 26. Oktober 1941 nach Gruppignano

in das Lager „Campo 57“ überführt worden. Viele kamen dann am

11. April 1943 in das Arbeitslager „Campo 106“ nach Selve bei Vercelli.

Carl und Paul Carrigan, Ron Fitzgerald und mit ihnen namentlich Ron

McIntosh, Lloyd George Ledingham (* 15. Februar 1919) und Lloyd

Haig Moule (* 24. Dezember 1918) und vielen anderen POW’s war es

gelungen, am 9. Oktober 1943 vom Internierungslager in Vercelli über

die Alpen in die Schweiz zu flüchten.

Die Geschichte dieser Australier sandte Simon Tancred im Auftrag von

Michael und Cate Carrigan, Sohn und Tochter von Carl beziehungswei-

116


Der junge Soldat Paul Gerald Carrigan aus dem australischen Bundesstaat New

South Wales war vom 28. Juni 1941 bis 27. Oktober 1941 in „Bolzano“ im „Campo

d’Isarco“ interniert.

se Neffe und Nichte von Paul Carrigan,

an Dr. Enrico Pagano, Direktor des Institutes

für Geschichte des Widerstandes

in Vercelli (Istituto per la storia

della Resistenza e della società contemporanea

nel Biellese, nel Vercellese

e in Valsesia).

2013 begab sich eine Gruppe von Familienangehörigen

der Gebrüder Carl und

Paul Carrigan auf die Reise nach Italien,

um die Leidensorte ihrer Vorfahren zu

besuchen und zu erforschen. Der ein-

Der 23-jährige Lloyd Haig Muole

aus Armidale (New South Wales)

117


Ron Fitzgerald, Paul und Carl Carrigan nach ihrer Flucht aus Italien über die Alpen

im Oktober 1943 in Adelboden. In der Schweiz konnten sich die Australier wieder

frei bewegen.

zige Ort, wo sie wenige bis keine Informationen über das Konzentrationslager

„Prato Isarco“ erhielten, war in der Stadt Bozen. Auf Anfrage

beim Tourismusamt sagte man ihnen, dass es in „Prato d’Isarco“

vom „Campo“ nichts mehr gebe. Stattdessen leitete man die Australier

zum ehemaligen Polizeilichen Durchgangslager (Lager Nr. 118) in der

Reschenstraße weiter. Niemand konnte den Frauen und Männern aus

Australien eine genaue Auskunft erteilen. In ihrem Reisebericht schrieben

sie dann Folgendes:

„[…] Für die gefangenen Männer aus den flachen Ebenen des Nordostens

Australiens muss es [in Bozen] ein unglaublicher Anblick gewesen

118


sein. […] Zusätzlich zu der majestätischen Schönheit der Bergkette,

betrachten wir festungsähnliche Gebäude und Schlösser auf gefährlichen

Klippen, hübsche Bergdörfer und sorgfältig gepflegte Bauernhöfe

mit kultivierten Weinstöcken, Apfelbäumen und anderen Kulturen.

Eine wirklich schöne Landschaft. […] An den Wänden [des ehemaligen

Durchgangslagers in der Reschenstraße] waren zahlreiche Fotos und

Kopien von Dokumenten zur Geschichte des Lagers zu sehen. […] Nach

dem Waffenstillstand von 1943 wurden in Italien zusammengetriebene

jüdische Leute in dieses Lager geschickt, wobei viele nach Deutschland

und Auschwitz kamen. Es gibt aber nichts über die australischen

Kriegsgefangenen. Diese Erinnerung an die Leiden anderer in dieser

Zeit ist ein pointierter Hinweis auf die vielen Geschichten des Krieges.“

Nachdem der wahre Ort des Lagers „Campo d’Isarco“ bekannt geworden

war, kamen in den letzten Jahren Nachfahren von australischen

Häftlingen zu Besuch nach Blumau. 57

119



Statthalter Agostino Podestà als

Mitverantwortlicher des Lagerbaues

und der Psychiatriepatienten-Abschiebung

121


Statthalter Agostino Podestà als

Mitverantwortlicher des Lagerbaues und der

Psychiatriepatienten-Abschiebung

Agostino Podestà aus Novi Ligure,

der mit eiserner Hand herrschende

„Regierungsstatthalter

des römischen Brennerogebietes“.

Er hatte alles in die Wege

geleitet, um im Frühsommer 1940

rund 450 Südtiroler Heilbedürftige

nach Zwiefalten abzuschieben.

Er war maßgeblich an der Verfolgung

der Südtiroler beteiligt.

Benito Mussolini hatte seit 17. Februar

1940 in Bozen einen neuen Präfekten

und Hochkommissar für die Umsiedlung

der Südtiroler eingesetzt. Es war der

aus Novi Ligure (Alessandria) gebürtige

Squadrist Agostino Podestà (1905-

1969), der zu den fürchterlichsten

Satrapen des faschistischen Regimes

zählte. Als Nachfolger des vom harten

Kern der Faschisten abgesetzten Bozner

Präfekten Giuseppe Mastromattei

(1897-1986) war er verantwortlich für

die Umsetzung des Lagerprojektes in

Blumau und für die Beschleunigung der

Zwangsaussiedlung der Südtiroler, darunter

der Psychiatriepatienten. Vor seinem

Wechsel nach Bozen war er Parteisekretär

der Faschisten in Verona und

Padua und danach Präfekt in Arezzo

und Perugia. In den 1930er Jahren war

er Vizegeneralsekretär der Studentenorganisation „Gruppo Universitario

fascista“ (GUF) und der rechtslastigen „Confédération internationale

des étudiants“ (CIE).

Später gehörte er der Zentralleitung („Direttorio Nazionale“) der Faschistischen

Partei in Rom an. Er war auch einer der wenigen Duzfreunde

Mussolinis. In Bozen blieb der Oberfaschist bis Ende Dezember

122


1942. Seit Anfang Jänner bis zum 20. August 1943 war er Regierungsstatthalter

im besetzten Quarnero (Fiume).

1946 wurde er wegen mehrerer Delikte vor das Kriegsgericht gestellt.

Obwohl er unter anderem wegen Veruntreuung von Geldern angeklagt

war, wurde er vollkommen freigesprochen. Danach übersiedelte Podestà

nach Uruguay, wo er viele Jahre als Unternehmer tätig war. Schließlich

kehrte er nach Italien zurück, wo er am 18. Dezember 1969 in Novi Ligure

starb. Bozen muss ihm gut in Erinnerung geblieben sein. Auf eigenen

Wunsch hin wurde er auf dem Bozner Friedhof in Oberau bestattet. 58

Die Spuren, die Agostino Podestà in Bozen hinterlassen hatte, waren

aber alles andere als rühmlich. Während seiner Amtszeit wurde nicht

nur das Blumauer Zwangslager errichtet, es passierten auch sonst

schreckliche Vorfälle, hauptsächlich rund um die Umsiedlung der Südtiroler

Optanten.

Der Duce hatte ihn mit der Aufgabe einer „schnellen und genauen

Umsetzung des unveränderlichen Willens des Regimes“ betraut, die

Deutsch-Südtiroler auszusiedeln. 59 Die Optanten sollten so rasch wie

möglich über den Brenner hinausgeschoben werden. Das durfte Agostino

Podestà allerdings nicht laut sagen, denn Italien machte gute Miene

zum bösen Spiel. Hinter den Kulissen ließ der Präfekt keine Woche

vergehen, in welcher er nicht für eine Erleichterung und Beschleunigung

der Optionsverfahren bei seinen Nazifreunden intervenierte.

Neben der Aussiedlung „kriegstauglicher“ Rekruten hatte Podestà

vorrangig auf die rasche Abwanderung von „vermögenslosen“ und

„unterstützungsbedürftigen“ Südtirolern gedrängt. Davon betroffen

waren besitzlose, minderbemittelte, schwache und psychisch kranke

Menschen, die ohnehin einen schweren Stand und Leidensweg hinter

sich hatten. Denn die faschistische Denk- und Verhaltensweise hielt von

Anfang an Geistesgestörte, Demenzkranke, Behinderte, Asoziale und

Insassen der Heilanstalten und Armenhäuser im Allgemeinen für untauglich

und minderwertig, gar lebensunwert.

123


In diese unmenschliche Einstellung passt die zynische Argumentation

des Präfekten, dass „Geisteskranke und Sozialempfänger eine große

Belastung für die Gemeinden darstellen: denn die Armenhäuser sind

überfüllt, die Einnahmen der Gemeinden aber verringert.“ 60

Die ersten, die diese ungeheuerliche Umsiedlung betraf, waren die in

der Heilanstalt Pergine (Valsugana, Trentino) und Stadlhof (Pfatten,

Südtirol) untergebrachten Psychiatriepatienten, deren Angehörige für

die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft optiert hatten. Mehr darüber erfährt

man im Buch von Maria Fiebrandt, „Auslese für die Siedlergesellschaft“

(Göttingen 2014) und von Stefan Lechner, „Die Absiedlung der

Schwachen in das ‚Reich‘“ (Innsbruck 2016).

Der faschistische Präfekt Dr. Agostino Podestà (rechts) am Bahnhof von Bozen im

Gespräch mit dem Psychiater Dr. med. Dr. jur. Wilhelm Schneider (1889-1974). Der an

den Wittenauer Heilstätten in Berlin tätige Oberarzt war seit Dezember 1939 von der

nationalsozialistischen Reichsärztekammer (RÄK) und der „Volksdeutschen Mittelstelle“

(VoMi) als Leiter der Umsiedlung der „Geisteskranken“ aus den „volksdeutschen

Siedlungsgebieten“ (z. B. aus dem Baltikum und Südtirol) eingesetzt worden. (Bild:

Bundesarchiv Berlin, R 49/2265 und Karteikarte Schneider im RAR, R 69/106, Bl. 26)

124


Der erste Abtransport der Patienten erfolgte am Sonntag, den 26. Mai

1940 um 4.30 Uhr (Walter Simek, nach anderen Quellen um 6.40 Uhr)

vom Bahnhof in Pergine. Der Zug hielt dann am Bozner Bahnhof an,

damit der „Präfekt von Bolzano“ und seine Mitarbeiter sich persönlich

über die „Kollektivübersiedlung der Pfleglinge“ („trasferimento collettivo

nel Reich“) ein Bild machen konnten.

Zwölf Frauen der Vereinigung „Donne fasciste Bolzano“ verteilten an

jeden Patienten für die Reise eine Provianttasche.

Die rund 299 Kranken (160 Männer und 139 Frauen) und weitere 40

Insassen eines Bozner Pflegeheimes in der Trientstraße wurden von

italienischen und deutschen Pflegern und Ärzten mit dem Zug nach

Zwiefalten bei Stuttgart (Baden-Württemberg) gebracht. 61 Hier wurden

die Patienten im ehemaligen und zu einer „Irrenanstalt“ umgebauten

Benediktinerkloster untergebracht.

Später kamen 150 Hilfsbedürftige aus der alten k. k. Heilanstalt Stadlhof

von Pfatten.

Unter der Regentschaft von Agostino Podestà waren auch die Deutschland-Optanten

des Jesuheims in Girlan ausgesiedelt worden. Mit

diesem Hintergedanken hatte der Präfekt am 11. Dezember 1940 in

Begleitung örtlicher Faschisten das Jesuheim besichtigt, „wo die Unheilbaren

untergebracht sind“ (Alpenzeitung, 12. Dezember 1940, XIX,

S. 3. Siehe auch Stefan Lechner, „Die Absiedlung der Schwachen in

das Reich, Kapitel: Die Absiedlung der Deutschland-Optanten im Jesuheim“,

2016, S. S. 178-184).

Nach dieser Visite forderte Podestà am 7. Jänner 1941 „die endgültige

Lösung des Problems der Geisteskranken, die sich in Girlan befinden“

(Lechner, S. 178). Daraufhin wurden die „Unheilbaren“ des Girlaner

Jesuheims - die zwanzig und mehr Jahre im Hause eine zweite Heimat

gefunden hatten - nach Deutschland gebracht. Einiges davon kann

man in dem von Dr. Josef Innerhofer verfassten Jubiläumsbuch „Sonne

im Schatten“ (Athesia, Bozen 2007, S. 112-114) lesen. Obwohl Regi-

125


Mit grau lackierten Bussen wurden

die Kranken und Behinderten

in den staatlichen Heilanstalten

abgeholt.

me und Daten etwas durcheinandergebracht wurden, zitiert er den aus

Bruneck stammenden Universitätsprofessor Dr. Hartmann Hinterhuber

(„Ermordet und vergessen. Nationalsozialistische Verbrechen an psychisch

Kranken und Behinderten“, Innsbruck-Wien 1995, S. 97):

„Am 25. März 1941 wurden […] um 5 Uhr morgens acht Pfleglinge

des Jesuheimes von Girlan abgeholt und in einen LKW verfrachtet. Der

Zielort wurde nicht angegeben, eine Begründung abgelehnt.“ Genaueres

erfährt man in der vom Geistlichen Rudolf Posch geleiteten Tageszeitung

„Dolomiten“ vom 29. März 1941, Seite 4, „Abschied vom

‚Jesuheim‘ “. Es waren nicht acht, sondern neun Pfleglinge die abgeholt

wurden: „[…] drei [von zwölf Betroffenen] waren in letzter Stunde

als nicht transportfähig ausgeschieden worden. Mit Wehmut sahen

die Zurückbleibenden den Scheidenden nach und winkten ihnen ein

herzliches ‚Lebt wohl!‘ zu. Auf Wiedersehen dereinst im ‚Jesuheim‘ im

Himmel!“.

Hatten die Schwestern ein schreckliches Ende ihrer Patienten vorausgesehen?

Es dürfte wohl klar sein, dass ohne die Genehmigung („trasferiti in

Germania“) des Präfekten Agostino Podestà kein Mensch ins Dritte

Reich auswandern konnte, schon gar nicht Pfleglinge des Girlaner Pflegeheimes

oder einer anderen Heilanstalt.

Am 2. September 1942 war bei den

wohl wegen dieser Ereignisse tief erschütterten

Schwestern im Girlaner

Jesuheim der famose antifaschistische

und deutsch- und slowenenfreundliche,

in Meran zur Schule gegangene Erzbischof

Luigi Fogàr (1882-1971) zu Besuch.

Die meisten Pfleglinge wurden nach

Schönbrunn bei Dachau und Zwiefalten

gebracht.

126


Seit August 1940 war in der Heilanstalt

Zwiefalten die Medizinalärztin Dr.

Martha Fauser (1900-1975) tätig, die

keine große Erfahrung in der „Irrenpflege“

hatte. Nebenbei war sie Kreissachbearbeiterin

für das Rassenpolitische

Amt in der NS-Frauenschaft. Sie hatte

zugelassen, dass allein im Jahr 1940

nicht weniger als 21 Transporte (sogenannte

Graue Busse) mit insgesamt

1.000 Patienten von der Staatlichen

Heilanstalt zum nur eine halbe Stunde

entfernten Schloss Grafeneck auf

der Schwäbischen Alb bei Münsingen

transportiert wurden. Hier erwartete

sie der sichere Tod. 62

Kanonikus Michael Gamper (1885-

1956), Rudolf Posch (1887-1948) und

anderen Mitarbeitern des Verlagshauses

Athesia war von Angehörigen psychisch

Kranker der furchtbare Verdacht zugetragen

worden, wonach einzelne Patienten

in Zwiefalten in andere Anstalten (Schussenried,

Weissenau) verlegt und dort beseitigt

wurden. Zunächst schien für die

in Südtirol wie Maden im Speck lebenden

italienischen Faschisten und deutschen

Nationalsozialisten (NSDAP- und

ADERSt-Funktionäre) alles in Ordnung,

bis in den „Athesia-Medien“ mehrere

Artikel über die Euthanasie erschienen. 63

Kanonikus Michael Gamper und

Rudolf Posch, Präsident und Direktor

der Athesia und Redakteure

der „Dolomiten“ und des

„Volksboten“, lösten den ersten

Alarm gegen die Euthanasie (Aktion

T4) aus. Beide Geistlichen

und Tiroler Patrioten wurden von

den italienischen Faschisten wie

von den deutschen Nationalsozialisten

arg verfolgt.

127


128

Die „options- und umsiedlungsfeindlichen“ katholischen Blätter der

Athesia standen ohnehin bereits seit längerer Zeit im Visier der Nationalsozialisten.

„Diesen Lemuren [Totengeister] muss jetzt entscheidend

der publizistische Lebensfaden abgeschnitten werden“, hatte der von

den Berliner Junkern manövrierte Südtiroler NS-Frontmann Peter Hofer

(1905-1943) bereits am 26. Jänner 1940 in einem Schreiben an den

Leiter der ADERSt, Wilhelm Luig (1900-1949), verlangt. 64

Der Obersturmbannführer versäumte keine Zeit, um von Bozen aus seinen

Vorgesetzten in der Berliner Reichszentrale über die „neuerliche

Hetze des deutschsprachigen Blattes Dolomiten- Volksbote“ zu benachrichtigen.

65

Doch die wahren von Rom eingesetzten Verantwortlichen für das Geschehen

in Südtirol waren der Präfekt Agostino Podestà und der Unterstaatssekretät

Guido Buffarini-Guidi und ihre Gefolgsleute in den

Staats-, Provinz- und Gemeindeorganen. Einer ihrer treuesten Gesinnungsgenossen

war der Alpinileutnant, Podestà von Tscherms, Marling

und Klausen, Vorsteher der Grenzliga, Sekretär Tolomeis und Schriftleiter

des „Archivio per l’Alto Adige“, Professor Paolo Drigo (1897- um 1972)

aus Padua. Bereits am 1. Juni 1925 hatte er in der „Idea Nazionale“

Mussolini aufgefordert den „deutschen Barbaren“ im Etschland das

„italienische Rassebewusstsein und die italienische Kultur“ aufzunötigen.

Im „Alto Adige“ müsse „eine starke, unverfälschte italienische

Zivilisation geschaffen“ und „das Deutschtum an der Wurzel ausgerottet“

werden. Dabei „müssen wir [Italiener] uns nicht allzusehr darüber

Gedanken machen, was die Deutschen sagen.“ Für den nach dem Kriege

weiterhin ungestört wirkenden faschistischen Publizisten „gehört das

Gebiet des Alto Adige Italien, [darum] kann es dort tun und lassen,

was es will“ (P. Drigo, Claustra Provinciae, Tivoli 1934). So dachte und

handelte auch der in seiner ideologischen Primitivität von den NS-Umsiedlungsemissären

kaum zu unterscheidende Präfekt Agostino Podestà,

während seiner relativ kurzen Amtszeit in der Provinz Bozen. In einem


mit dem Stempel der Präfektur signierten Schreiben vom 12. Mai 1941

bedrohte er die „Athesia“ mit der Einstellung des „Volksboten“. Begründung:

der „Volksbote“ hatte sich in einem Artikel gegen die „von der

öffentlichen Obrigkeit angeordnete Tötung von Personen“ gewandt,

„die infolge geistiger und körperlicher Gebrechen nicht mehr fähig sind,

der Nation zu nützen, sondern die eher als Last sowie für ein Hindernis

der Kraft und Stärke derselben erachtet“ wurden. Außerdem hatte der

„Volksbote“ zwei Artikel veröffentlicht, in denen die Liebe zur Heimat

und die Anhänglichkeit an Haus und Hof zum Ausdruck kamen. „Ich verwarne

Sie in aller Form noch weiterhin Aufsätze zu veröffentlichen, die

in irgendeiner Weise unsere mit den deutschen [nationalsozialistischen]

Kameraden wegen der Frage des Alto Adige bestehenden Beziehungen

stören können“, so der Regierungvertreter Agostino Podestà. (Die Zitate

sind einem Artikel von Kanonikus Michael Gamper im „Volksboten“

vom 13. November 1945 entnommen.) Im Fadenkreuz der italienischen

und deutschen Umsiedlungsbehörden in Bozen und der Gestapo in Innsbruck,

bis hinauf zu den höchsten Stellen der NSDAP in Berlin und München,

standen auch die „Katholische Aktion“ von Bozen und die von der

„Athesia“ gedruckte katholische „Jugendwacht“. Im Beobachtungsfeld

des NS-Presseamtes befanden sich besonders die höchstwahrscheinlich

vom Jugendführer und Jugendwacht-Redakteur Josef Mayr-Nusser

verfassten Artikel gegen den Krieg („Gedanken zu einem Brief von der

Ostfront“) und den Missbrauch der Kirche durch die Herrschenden.

Eine der ersten Maßnahmen des seit September 1943 in Bozen im

Medienbereich unerbittlich waltenden SA-Oberstandartenführers und

Berliner/Münchner Medienmannes Paul Kurt Schönwitz war die Schließung

des Athesia-Verlagshauses und die Deportierung maßgeblicher

Redaktionsmitglieder in das KZ Dachau.

Der Protest des Südtiroler Medienhauses gegen die „Euthanasie“ gehört

zu den höchsten europäischen Beispielen für den aktiven Widerstand

gegen Nationalsozialismus und Faschismus.

129


Der ungewöhnlich kräftige Alarm, den die an christlich-sozialen Werten

und am Vaterland Österreich orientierte Presse Südtirols über den

Euthanasie-Verdacht geschlagen hatte, fand wie niemals zuvor ein

wahrhaft überraschendes Echo besonders im Vatikan. Bezeichnend war

auch, dass diese Meldung im „Osservatore Romano“ in großer Evidenz

erschien.

Die Papiere, einschließlich der Optionserklärungen, mit denen harmlose

und schwache Südtiroler Menschen nach Deutschland geliefert wurden,

hatten die bewusste und blutbefleckte Unterschrift italienischer,

faschistischer Tyrannen.

Der wagemutige Weckruf der deutschen Presse Südtirols stellt eine

unerschrockene Verteidigung der Rechte der Menschen während des

faschistischen und nationalsozialistischen Regimes dar.

Trotz Geheimhaltung ließen sich die Euthanasieverbrechen im Deutschen

Reich nicht dauerhaft vor der Öffentlichkeit verbergen. Wie sich

später herausstellte, hatten die im Umkreis des Widerstandsvereins

„Andreas-Hofer-Bund“ (AHB) agierenden Journalisten des Verlagshauses

„Athesia“ nicht Unrecht.

Der jüdische Forscher und langjährige Leiter des „International Centre

for Holocaust Studies“, Yehuda Bauer, hebt in seinem hervorragend

geschriebenen Buch über den Holocaust hervor, dass der Protest der

Kirche gegen die Euthanasie Erfolg hatte und diese im August 1941 -

zur Zeit des Angriffs auf die Sowjetunion - gestoppt wurde, zumindest

offiziell. 66

Nicht aufgehalten werden konnten die weiteren Schandtaten und Vergehen

gegen die Südtiroler und die Geiselhaltungen im Lager in Blumau

und im Bozner Kerker.

130


Slawische Häftlinge im Lager

„Campo di concentramento Prato Isarco“


Slawische Häftlinge im Lager

„Campo di concentramento Prato Isarco“

Im Konzentrationslager von Blumau waren neben den britischen Internierten

auch Gefangene aus dem ehemaligen Jugoslawien eingeschlossen.

Hierfür gibt es einen Beweis durch das Internationale Komitee vom

Roten Kreuz in Genf.

Bereits am 17. Juni 1941 hatte das Kriegsgefangenenamt „Agence des

Prisoniers de guerre/Ufficio Prigionieri di guerra“ des italienischen Roten

Kreuzes der italienischen Regierung beziehungsweise dem faschistischen

Senator und Präsidenten der Interministeriellen Kommission für

Kriegsgefangene, General Ambrogio Clerici (1868-1955), 67 die Präsenz

von Gruppen nichtmilitärischer Zivilisten (junge und alte Menschen als

Gefangene im nichtmilitärischen Alter) in den italienischen Kriegsgefangenenlagern

mitgeteilt.

Bei den in Blumau internierten Gefangenen handelte es sich vornehmlich

um ältere und jüngere serbische Dorfbewohner, die in der serbisch-kosovarischen

Stadt Prizren gefangen genommen wurden. Prizren

befindet sich im Süden des Kosovo am Fuß der Šar Planina unweit

des wichtigsten Grenzübergangs zu Albanien.

Nachfolgend der italienische Originaltext der Mitteilung der „Croce

Rossa“ (Rotes Kreuz) an die italienische Regierung:

„Durante la visita del Delegato del C.I.C.R. [Comitato Internazionale

Croce Rossa] a Campi di prigionia ex-Jugoslavia dell’Italia Settentrionale

sono stati rinvenuti specie nei campi di Gorizia (ora trasferito a Gruppignano)

e di Prato all’Isarco, nuclei di civili, molti dei quali di età non militare,

variando questa dai 74 ai 15 anni.“ 68

132


Übersetzung: „Während der Visite seitens einer Abordnung des IKRK

[Internationalen Komitees vom Roten Kreuz] in oberitalienischen Gefangenenlagern

aus dem ehemaligen Jugoslawien wurden in den Lagern

von Görz (jetzt nach Gruppignano übersiedelt) und Blumau Gruppen

von Zivilisten vorgefunden, viele von ihnen in nichtmilitärischem Alter

zwischen 74 und 15 Jahren.“

Nach diesem vertraulichen Schreiben des Internationalen Komitees vom

Roten Kreuz an die italienische Regierung kam Bewegung in die Sache:

Am 8. Juli 1941 begleitete der Lagerkommandant die im „Campo

d’Isarco“ festgehaltenen serbischen Zivilisten aus Prizren zur Präfektur,

damit sie den Dispositionen des Roten Kreuzes und des Generalstabes

der italienischen Armee entsprechend in ihre Heimatländer zurück gebracht

würden. Doch in Erwartung genauer Anweisungen durch das

Innenministerium wurden die serbischen Zivilisten auf Befehl des mit

eiserner Hand waltenden Präfekten Agostino Podestà vorübergehend

in das Bozner Gefängnis in der heutigen Dantestraße überstellt. 69

Im Juli 1941 wandte sich der Bozner Präfekt mit einem Telegramm an

das Innenministerium. Die Antwort kam erst nach drei Wochen. Das

von Benito Mussolini geführte Innenministerium teilte dem Präfekten

von „Bolzano“ in dem mit 29. Juli 1941-XIX datierten Schreiben (Nr.

443/78995) mit dem Betreff „Radosavljevich Blaja di Ilija ed altri serbi

già internati nel campo di concentramento di Prato Isarco“ (Zu Deutsch:

Radosavljevich Blaja von Ilija und andere im Konzentrationslager von

Prato Isarco internierte Serben) Folgendes mit:

„Presa conoscenza di quanto è stato riferito con la nota suindicata si prega di

esaminare la possibilità di rimpatriare gli stranieri in oggetto, prendendo al riguardo

opportuni accordi con le autorità di occupazione. Ove ciò non sia possibile si prega

di informarne il Ministero per le ulteriori determinazioni. Ordine del Ministero.“

133


Übersetzung: „Nachdem wir die in dem oben genannten Vermerk erwähnten

Informationen zur Kenntnis genommen haben, bitten wir die

Möglichkeit einer Rückführung der betreffenden Ausländer zu prüfen

und diesbezügliche Vereinbarungen mit den [faschistischen] Besatzungsbehörden

zu treffen. Wenn dies nicht möglich ist, informieren Sie

bitte das Ministerium und warten Sie auf weitere Weisungen. Anordnung

des Ministeriums.“

Wäre es allein nach den Weisungen des Innenministeriums gegangen,

sollten die serbischen Zivilisten in ihre Herkunftsländer zurückgebracht

werden. Doch es scheint, dass das römische Kriegsgefangenenamt mit

seinen Vorstellungen bei den örtlichen faschistischen Behörden nicht

zum Zuge kam.

Nach mehr als sieben Monaten meldete sich das Innenministerium erneut.

Da die von der örtlichen Präfektur eingeleiteten Identifizierungsund

Repartriierungspraktiken zu keinem Ergebnis geführt hatten, ordnete

das Ministerium die Überstellung der serbischen Zivilpersonen in

das Konzentrationslager von Tollo in der Provinz Chieti (Abruzzen) an. 70

Bereits am 20. Februar 1942 war bei der Präfektur in Bozen ein weiteres

Schreiben (Nr. 443/106650) des Innenministeriums mit folgendem

Inhalt eingelangt:

„Questo Ministero dispone che le sottonotate persone

siano internate nel campo di concentramento di Tollo (Provincia di Chieti),

dove dovranno essere tradotte a cura della Questura di Bolzano

[Lista allegata internati civili serbi].

Ai predetti, se indigenti, dovrà essere corrisposto il sussidio giornaliero

nella nota misura.

D’Ordine del Ministro F/to [Commendatore Epifanio] Pennetta.“ 71

134


Deutsche Übersetzung: Dieses Ministerium ordnet an, dass die unten

angeführten Personen in das Konzentrationslager von Tollo (Chieti)

überführt werden, wo sie unter der Leitung der Quästur von Bozen

hingebracht werden müssen [Es folgt eine Namensliste der internierten

serbischen Zivilisten]. Den Genannten muss, sofern sie bedürftig sind,

die bekannte tägliche [Geld-] Zusatzentschädigung [laut Kriegsgesetz

„Trattamento dei sudditi nemici internati“, 10 agosto 1940] zugesprochen

werden. Anordnung des Ministers, gezeichnet [Comm. Epifanio]

Pennetta.

Am Ende des Schreibens wurde hinzugefügt, dass sich das Original

dieses Schreibens im Akt „Bolzano-Provvedimenti da adottare in casi

di guerra a carico di stranieri - I. 4. 21.“ (Zu Deutsch: „Bolzano - Im

Kriegsfall durchzuführende Maßnahmen gegenüber den Fremden“) befindet.

Am 5. März 1942 wurden folgende serbische Häftlinge in Begleitung

von Militäroffizieren von Bozen nach Tollo (Chieti) überführt:

Radosavljevich Blaja

Radosavljevich Ciedomir

Giorgievich Ciedomir

Tomich Bogoljiub

Tomich Nikola

Djokich Djurdje

Radulovich Hranislav

Chupalevich Arsa

Garalich Jefta

Ilicich Bogomir

Vasiljevich Strechko

Cemerikich Miodrag

(*1895, Prizren)

(*1907, Prizren)

(*1902, Prizren)

(*1919, Prizren)

(*1923, Prizren)

(*1874, Prizren)

(*1890, Grabovnica)

(*1871, Prizren)

(*1871, Prizren)

(*1920, Paovo Lepernicki)

(*1922, Prizren)

(*1912, Tesici)

135


Serbische Gefangene in der serbisch-kosovarischen Stadt Prizren.

Die genannten serbischen Geiseln stammten beinahe vollzählig aus

Prizren. Unter den 13 Häftlingen befand sich auch eine Frau. Vom

Schicksal dieser serbischen Häftlinge wurde nichts mehr überliefert.

Es gilt als wahrscheinlich, dass im „Campo Isarco“ weitere Kriegsgefangene

aus den Balkanstaaten untergebracht waren.

Laut Aussagen älterer Dorfbewohner von Blumau waren im Lager von

„Campo d’Isarco“ auch russische Kriegsgefangene festgehalten worden.

72 Vermutlich wurden all diese Geiseln sehr früh für Zwangsarbeiten

herangezogen. Hierfür gibt es einige Hinweise.

136


Deportierte Zwangsarbeiter für den Bau

des Virgltunnels zur Verfügung gestellt

137


Deportierte Zwangsarbeiter für den Bau

des Virgltunnels zur Verfügung gestellt

Eine der großen Baufirmen, die in Bozen bereits in den 30er Jahren in

der Gunst der Faschisten standen, war die Baufirma „Impresa F[ra]telli

ingg. A. M. Ragazzi“ aus Mailand. Deren Inhaber waren die Gebrüder

Attilio und Mario Ragazzi, beide diplomierte Ingenieure.

Seit April 1939 war die Baufirma am Straßen- und Brückenbau in den

von Italien besetzten Gebieten Albaniens und des Kosovo beteiligt.

Die Baufirma zählte zu den Finanziers der faschistischen Organisationen.

So übergab sie Mitte Februar 1941 dem „Frauenfascio“ von St. Leonhard

in Passeier eine - wie die faschistische „Alpenzeitung“ schrieb

- „ansehnliche Summe“ zum Kauf von Kleidern für die italienischen

Frontkämpfer.

Die Niederlassung der Firma in Bozen befand sich an der „Piazza Impero

Nr. 1“, am heutigen Mazziniplatz.

138


Die Baufirma beschäftigte nur italienische oder faschistenfreundliche

Arbeiter. Auffallend war die hohe Zahl an Arbeitsunfällen, die diese

Baufirma im Laufe eines Jahres zu verzeichnen hatte. Arbeitsschutz war

klein geschrieben, um gewinnbringend Kosten zu sparen.

Alle größeren Bauaufträge, wie zum Beispiel Militärbauarbeiten im Gebiete

von Tarsch und Glurns, der Ausbau der Jaufen- und Timmelsjochstraße

und vor allem die Tunnelbauten wurden dieser systemkonformen

Firma zugeschanzt.

Darunter befand sich auch die Übernahme des von der hoch verschuldeten

Firma „Impresa Giuseppe e Mario Appino“ aus Rom angefangenen

Baus des 700 Meter langen und 9 Meter breiten Bozner Virgltunnels.

Die Firma Appino war bereits seit 1925 über die „Società Idroelettrica

dell‘ Isarco“ (SIDI) mit Sitz in Mailand am stark umstrittenen Bau des

Elektrizitätswerkes „Centrale Isarco“ in Kardaun beteiligt.

Es war die größte Energieanlage Europas, ein Aushängeschild für das

faschistische Italien. Der dort erzeugte Strom wurde vornehmlich für

die Großkonzerne in der Lombardei und im Piemont ins oberitalienische

Elektrizitätsnetz geleitet. 73

Beim Bau dieses gigantischen Werkes wurden bis zu 5000 Arbeiter

eingesetzt. Zunächst Facharbeiter aus Belluno und dem Trentino, dann

vor allem aus Brescia. Sie waren in Barackenlagern untergebracht und

einer strikten Arbeitsdisziplin unterworfen. Es herrschten schlechte Arbeitsbedingungen.

So kamen während der vier Jahre dauernden Bauarbeiten

zwölf Arbeiter ums Leben, 1500 wurden schwer verletzt. Diese

Daten stammen von der Gesellschaft SIDI. 74 Viele Arbeitsunfälle wurden

jedoch nicht bekannt, weil sie einfach verheimlicht wurden.

„L’operaio italiano spesso si lascia docilmente sfruttare“ („Der italienische

Arbeiter lässt sich oft fügsam ausbeuten“), sagte einmal Mussolini,

um Eindruck zu schinden.

Beim Bau des E-Werks arbeitete auch eine Gruppe von antifaschistisch

gesinnten Arbeitern, darunter der Trientner Sozialist Giuseppe Tovazzi

139


Giuseppe Tovazzi aus Aldeno mit

Gattin und dem Erstgeborenen

Luigi Tovazzi.

(1896-1951) aus Aldeno. Er hatte aus dem Depot der Baustelle mehrere

Kilogramm Dynamit entwendet, das 1927 zur Sprengung des im Bau

befindlichen faschistischen Siegesdenkmals dienen sollte. Spione bekamen

Wind davon und Tovazzi wurde auf die Insel Lipari deportiert. 75

Als Prestigeprojekt wurde auch der nahezu

10 Millionen Lire teure Bau des

Virgltunnels propagiert. Es war vom

staatlichen Bauamt entworfen worden.

Es sollte in zwanzig Monaten und somit

Ende 1941 fertiggestellt sein. 76

Die Leitung der Arbeiten stand unter

Aufsicht des Staatsbauamtes „Genio

Civile“.

Die Grundsteinlegung für das gewaltige

Bauwerk zur Umfahrung der Stadt

Bozen erfolgte am 29. Juni 1939 durch

den Minister für öffentliche Arbeiten

und früheren Triester Sezessionisten,

Ingenieur Giuseppe Cobolli Gigli (1892-

1987). Südtirolern und slowenischen

Antifaschisten war der Oberfaschist

bekannt geworden, als er 1927 zum 9.

Jahrestag des Waffenstillstandes in der

Septemberausgabe der Zeitschrift „Gerarchia“

zur Lösung der Minderheitenprobleme

von einer strikten ethnischen

Säuberung, der „penetrazione italiana“

(„italienischen Durchdringung“) und

der Assimilationspolitik gesprochen hatte.

Außer dem Virgltunnel in Bozen wurde bei Kardaun der Bau einer Betonbrücke

über den Eggentaler Bach in Angriff genommen.

140


Die ersten Bohrungsarbeiten am Felsvorsprung

des Virgls wurden erst Anfang

November 1939 aufgenommen,

auch weil die Baufirma Appino pleiteging.

Die an ihre Stelle getretene Baufirma

Ragazzi beschäftigte 300 Arbeiter, die

in drei Schichten eingeteilt waren. Allein

hundert Arbeiter waren beschäftigt,

um gute 500.000 Kubikmeter harten

Porphyr wegzuschaffen. Dennoch gingen die Tunnelarbeiten sehr langsam

voran. Darum wurden zunehmend die aufs Roheste behandelten

Kriegsgefangenen und Zivilinternierten aus den Balkanländern herangezogen.

Davon zeugt ein Telegramm vom 12. Oktober 1942 (XX.) des

italienischen Militäroberkommandos „Stato Maggiore Regio Esercito“:

Al XIX Corpamiles Posta Militare / Superesercito Prigionieri Guerra Alt N.

1/52877. Scopo aderire analoghe disposizioni comando supremo pregasi

prendere immediati accordi con impresa Ing[egner] Mario Ragazzi Bolzano

appaltatrice lavori costruenda galleria del Virgolo per sistemazione cento

internati civili da adibire lavori galleria predetta riferendo risultanze questo

stamaggiore alt impiego cui trattasi riveste carattere urgenza alt ufficio

p[rigionieri] g[uerra].=P.C. C. Il Maggiore Capo Sezione G[uido] Larcher

Übersetzung (gekürzt): „Zwecks Unterstützung ähnlicher Bestimmungen

des Obersten Militärkommandos ersuchen wir um sofortige Vereinbarungen

mit Ingenieur Mario Ragazzi Bozen, Bauunternehmen des zu

errichtenden Virgltunnels, über die Unterbringung von hundert Zivilinternierten

für Tunnelarbeiten und um die Mitteilung von Ergebnissen.“

141


Vom Trentiner Irredentisten zum

Faschisten: Senator Guido Larcher.

Nach ihm ist heute noch in

der Val Venezia im Cevedale-Gebirge

im Trentino eine Schutzhütte

benannt.

Aus diesem Grunde ordnete die italienische

Regierung die Adaptierung der

Einrichtungen des Ex-Lagers „Prato

Isarco“ an. Das Fernschreiben des Obersektionschefs

vom 12. Oktober 1942

lässt keinen Raum für Interpretationen.

Es bestätigt auch die enge Allianz zwischen

den Faschisten, den staatlichen

Institutionen und der Wirtschaft als

Machtinstrument der Gewaltherrschaft.

Es zeigt auch, dass ortsfremde italienische

Unternehmen - neben einzelnen

Provinzindustriellen - als die Hauptprofiteure

des „Ventennio fascista“ in Südtirol

bezeichnet werden können.

Der oberste zuständige Abteilungsleiter,

der dieses Telegramm formuliert

und abgesandt hatte, war der Trentiner

Kaufmann, Irredentaführer und Südtirolhasser

Guido Larcher (1867-1959) aus Lamar bei Gardolo. Er war

der Leiter des faschistischen Provinzialverbandes und der italienischen

Bergsteigervereinigung S.A.T. (Società Alpinisti Tridentini) in Welschtirol

gewesen. In den Faschistenkreisen in Südtirol war er nicht sehr beliebt,

weil er deren Ansichten ignorierte. Nicht umsonst war es bereits Ende

1923 zwischen Larcher und dem von ihm delegitimierten Bozner Faschistensekretär

und früheren Fußballstar Luigi Barbesino (1894-1941)

wegen Südtiroler Fragen zu Handgreiflichkeiten gekommen. 1939 wurde

Larcher von Mussolini zum Senator und obersten Abteilungsleiter

(„Maggiore Capo Sezione“) des Amtes für Kriegsgefangene ernannt.

1944 musste auch das Unternehmen der Gebrüder Ragazzi Insolvenz

anmelden. Die Baufirma blieb auf ihren Schulden sitzen. Bereits wenige

142


Monate nach dem Kriegsausbruch wurde der Tunnel als Luftschutzkeller

und als Produktionsstätte für allerlei Kriegsmaterialien benützt. 77 So

fertigte die Rüstungsfirma IMI aus Ferrara im Virgltunnel für die faschistischen

Achsenmächte vor allem Kugeln für Kugellager zur Herstellung

von Rüstungsgütern. Als Arbeitskräfte wurden ab Ende 1944 weibliche

und männliche Gefangene aus dem neu errichteten Durchgangslager in

der Reschenstraße eingesetzt.

Für den Durchstich des 700 Meter langen Bozner Virgltunnels wurden von den

Schwarzhemden hauptsächlich Kriegsgefangene und Zivilinternierte aus den Balkanländern

herangezogen. Am Südeingang des Tunnels ist heute noch der alte römische

Legionsadler mit dem Rutenbündel in den Krallen zu sehen.

Die Strukturen des Blumauer Konzentrationslagers wurden nach der

vernichtenden Kriegsniederlage in Russland und kurz nach der am 25.

Juli 1943 vom Faschistischen Großrat vollzogenen Absetzung Mussolinis

aufgelöst. Bis dahin diente das Lager seit Jänner 1943 vorübergehend

noch als „Kontumazlager“ für die aus Russland zurückgeströmten

italienischen Truppen. Besagtes geht aus einem Telegramm von Guido

Larcher, dem obersten Abteilungsleiter der Kriegsgefangenenabteilung

der Mussolini-Regierung, hervor.

Das an die Präfektur von Bozen gerichtete Eilschreiben trägt das Datum

vom 16. März 1943. 78

143


In einem Geheimbericht des aus Ancona stammenden Oberst Cavaliere

Eraldo Pallotta (* 1893), Leiters des Amtes für Kriegsgefangene des

„Stato Maggiore Regio Esercito“ (Abk.: SMRE, zu Deutsch: Generalstab

der italienischen königlichen Armee), über die Lage der „feindlichen

Kriegsgefangenen“ („Situazione Prigionieri di guerra nemici“)

vom 28. Februar 1943 (XXI) wird das Lager von Blumau als „Campo

di concentramento“ (Konzentrationslager) und „Campo di Lavoro“ (Arbeitslager)

bezeichnet.

Das Lager „Campo Prato Isarco“ stand unter der Verantwortung des faschistischen

Staates und des Generalstabes des italienischen Heeres in Bozen und Padua. (Auszug

aus dem Geheimbericht vom 28. Februar 1943 des Amtes für Kriegsgefangene des

S.M.R.E.)

In einem ähnlichen, schlecht reproduzierten Bericht vom 31. April

1943 beziffert das römische Kriegsgefangenenamt die Zahl der Häftlinge

in „Prato Isarco“ auf 384. 79

Ein faschistisches Arbeits- und Barackenlager für rund 250 Kriegsgefangene

gab es für neun Monate auch in Avio im Trentino („Campo

P.G. n. 113“). Das von Juni 1942 bis März 1943 in Betrieb befindliche

Arbeitslager wurde ebenfalls vom „XIX. Corpo d’Armata“ in Bozen geführt.

Die ersten Zwangsarbeiter wurden in Avio für Kanalisationsarbeiten

der Elektrizitätsgesellschaft „Società Idroelettrica Medio Adige“

(SIMA) mit Sitz in Mailand eingesetzt. Die Gesellschaft hatte bereits im

144


Auszug aus: Specchio dei PG. distribuiti nei campi di concentramento, Stato Maggiore

Regio Esercito, Ufficio P. G., 15 aprile 1943-XXI.

Juni 1940 von der Präfektur in Trient die Genehmigung zur Enteignung

von verschiedenen Grundstücken und Immobilien in Ala erhalten. 80 Die

Häftlinge waren vorher im Konzentrationslager („campo di concentramento

PG n. 62“) in Grumello del Piano (Bergamo). Bei der Auswahl

der Zwangsarbeiter wurde früheren Landarbeitern und Handlangern

der Vorzug gegeben. „Verdächtige und aufrührerische Personen“ durften

nicht transferiert werden, um - wie es in den Militärpapieren vom

5. Mai 1942 (Protokoll-Nr. 29946) heißt - „mögliche Aufruhre zu verhindern“.

Bei der relativ großen Anzahl von Gefangenen in Blumau dürfte es sich

jedenfalls um slawische Zivilinternierte und Zwangsarbeiter gehandelt

haben. Vermutlich konnten diese noch vor der Kapitulation Italiens in

ihre Heimat zurückkehren. Angesichts der damaligen chaotischen Zustände

gibt es darüber aber keine Gewissheit. Viele Kriegsgefangene,

die sich in italienischen Lagern befanden, wurden ab 1943 zunehmend

ins Deutsche Reich abgeschoben.

Bemerkenswert ist auch, dass in beiden genannten Dokumenten des

Generalstabs der italienischen königlichen Armee (SMRE) das Lager

in „Prato Isarco“ die Nummer 118 trägt. Es ist jene Zahl, die ab Juli

1944 für das „Polizeiliche Durchgangslager“ in der Reschenstraße

Verwendung findet. Daraus lässt sich schließen, dass die nach Bozen

145


146

verschleppten südosteuropäischen Häftlinge im Lager von Blumau offensichtlich

zum geschlossenen Arbeitseinsatz gezwungen wurden.

Die Zahl der dafür eingesetzten Zwangsarbeiter konnte nicht genau

festgestellt werden. Sie dürfte zeitlich ziemlich geschwankt haben.

Mit der Auflösung des Lagers waren auch das Inventar und sämtliche

Unterlagen und Akten von den Faschisten vernichtet worden.

Die Verwendung der Nummer 118 des „Pol. Durchgangslagers“ lässt

den Verdacht aufkommen, dass zwischen den beiden Lagern ein kausaler

Zusammenhang besteht.

Auf jeden Fall nachgewiesen ist, dass das Lager in Blumau bald nach

der Errichtung der „Operationszone Alpenvorland“ (September 1943)

von der Organisation Todt (OT) beschlagnahmt wurde. Die OT war die

paramilitärische Bautruppe der deutschen Wehrmacht. Seit Kriegsbeginn

zog sie für die Umsetzung ihrer Bauprojekte Zwangsarbeiter, Häftlinge

und Kriegsgefangene heran.

In einem Gebäudetrakt der ehemaligen Brauerei hatte die Organisation

ihre Verwaltungsbüros eingerichtet.

Gegen Ende des Krieges wurden in Blumau auf der Völser Seite verschiedene

Objekte, vor allem der Eisenbahn, bombardiert. Bereits Anfang

Jänner 1943 waren in Bozen und Umgebung englische Flugzettel

zirkuliert, in denen zum Kampf gegen das Mussolini-Hitler-Regime aufgerufen

wurde. Die Regierung Churchill sah spät, aber umso heftiger in

Italien ein Aggressionsland und wollte das Land entsprechend bestraft

wissen. 81

„Bolzano“ beziehungsweise das Konzentrationslager „Prato Isarco“

scheint bereits 1942 auf einer in Sydney gedruckten Militärkarte auf.

Darauf sind alle faschistischen Hauptlager und Kerker eingezeichnet, in

denen australische Soldaten gefangen gehalten wurden.

Bei Kriegsende im Mai 1945 wurden im Brauereigelände in Blumau allerlei

Militär- und Panzerfahrzeuge der Wehrmacht eingeparkt und von

Soldaten der „Badoglio-Truppen“ bewacht. Später fanden hier auch


Das Konzentrationslager „Prato Isarco“ bei „Bolzano“ findet man bereits 1942 auf

einer in Sydney in Australien vom Militärkommando herausgebenen Militärkarte.

verschiedene obdachlose Rücksiedlerfamilien eine Notunterkunft. 1948

erwarb die Region den gesamten Besitz. Später gingen die Immobilien

an Familien, Handwerker und an die Gemeinde Karneid über. 82

147



Das Vergessen des Bösen

ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung


Das Vergessen des Bösen

ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung

Das seit 1940 bis 1943 von den Schwarzhemden geführte Lager „Campo

d’Isarco“ in Blumau könnte historisch den Übergang zum „Polizeilichen

Durchgangslager“ in der Reschenstraße markieren. Dieses mit

zentraler Hilfe des SS-Obersturmführers und ersten Lagerkommandanten

von Reichenau (Innsbruck), Georg Mott (geb. 1900 in Tauberbischofsheim

- gest. um 1993 in Wien) aufgebaute Lager war seit Juli

1944 für kaum zwölf Monate in Betrieb. Es diente als Aufnahme- und

Durchgangslager.

Im Gefangenenlager von Fossoli (Carpi) wurden Mussolinis RSI-Gegner, Subversive,

Kommunisten, Juden und Antifaschisten eingesperrt. Nach dem 8. September

1943 benützten es auch die Nazis als Zwischenstation für italienische Gefangene. Im

Sommer 1944 wurden die Lagerinsassen aufgrund des Näherrückens der alliierten

Front nach Bozen verlegt. (Archivio fotografico, Centro studi e documentazione della

Fondazione Fossoli)

150


Das Bozner Lager war die Folge der Einschränkung des von den Faschisten

und den Nationalsozialisten betriebenen Lagers von Fossoli

nördlich von Carpi (Provinz Modena). Dieses war seit Mai 1942 auf

Anordnung des italienischen Ministerpräsidenten und Kriegsministers

Benito Mussolini mit Dekret Nr. 73 (192) von bewährten faschistischen

Milizen geführt. In fünfzehn Baracken war für 5.000 Verfolgte und

Gepeinigte Platz. Seit März bis August 1944 wurde Fossoli direkt von

den Nationalsozialisten betrieben. Von hier aus organisierte die SS die

Transporte in die Vernichtungslager. 83

Aus militärischen und logistischen Gründen hatten RSI-Faschisten und

Nationalsozialisten vereinbart, die politischen und jüdischen Inhaftierten

von Fossoli in das neu eingerichtete Lager nach Bozen-Gries zu

verlegen, um sie möglichst weit von der Südfront und den Kampfhandlungen

der Alliierten zu entfernen. Der Standort in der „Operationszone

Alpenvorland“ garantierte die unmittelbare Einflussnahme der

deutschen Verwaltung. 84

151


Es war kein Zufall, dass ein Großteil des Personals und der Verantwortlichen

im Bozner Durchgangslager, wie etwa der SS-Untersturmführer

Karl Friedrich Titho (1911-2001) und SS-Hauptscharführer Hans Haage

(1905-1998), vorher in Fossoli waren. Das Zwischenlager von Bozen

unterstand wie das von Fossoli dem in Verona stationierten Befehlshaber

der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, SS-Gruppenführer

Wilhelm Harster (1904-1991). 85

In einem mit 8. Juli 1945 datierten Brief des Pfarrers von Verona, Don

Giuseppe Carlo Signorato (1906-1985), an das Vatikanische Informationsbüro

für Gefangene wird das Durchgangslager Bozen in italienischer

Sprache als „campo di smistamento di Bolzano“ bezeichnet. 86 Tatsache

ist aber, dass in diesem Lager Folterungen, Ermordungen und Zwangsarbeit

stattgefunden haben.

Insgesamt passierten das Bozner Lager rund 11.000 Frauen und Männer.

87 Davon blieben etwa 7.600 im Lager oder in den Außenlagern, die

zumeist Zwangsarbeitslager waren.

Aus Deutschland zurückgekehrte italienische Soldaten und Internierte vor dem ehemaligen

Polizeilichen Durchgangslager in Bozen im Juni 1945. Im Hintergrund sieht

man einen Teil der Baracken, in denen die Häftlinge untergebracht waren.

152


Viele Gefangene waren in der Bozner

Industriezone bei den Betrieben der

Firmen „Feltrinelli-Masonite“, „Lancia“

und „Magnesio“ als Zwangsarbeiter

eingesetzt. Mehrere Häftlinge wurden

in den Villen der Kommandanten oder

SS-Offiziere in Meran und Bozen als

Zwangsbedienstete für Haus- und Gartenarbeiten

zur Verfügung gestellt. Wie

etwa Elena Recanati-Foà (1922-1984),

die Tochter von Luigi Recanati und der

humanistisch gebildeten Berlinerin Louise

Simon. Elena Recanati und ihr jüdischer

Ehemann Guido Foà (1920-1944)

wurden in Canischio bei Turin am 9. August

1944 von den Sturmtruppen des

Kriegsverbrechers der faschistischen

Decima Mas, Junio Valerio Borghese

(1906-1974), gefangen genommen

und in das Durchgangslager nach Bozen

verschleppt. Am 24. Oktober 1944

wurde das Ehepaar nach Auschwitz

deportiert. Guido Foà kam dort am 22.

Jänner 1945 ums Leben. Seine Ehefrau

Elena Recanati-Foà mit ihrem

Sohn Massimo in Turin (aus: Il

libro della memoria. Fondazione

Ebraica, Milano 2002).

Elena überlebte das Todesinferno und konnte im Oktober 1945 nach

Turin zurückkehren und ihren kleinen Sohn Massimo wieder umarmen.

Ähnliche schreckliche Erfahrungen mussten viele der rund 3.500 Gefangenen

machen, die zwischen 1944 und 1945 vom Lager in Bozen in

das Deutsche Reich deportiert wurden.

Das Durchgangslager in Bozen wurde kurz vor Kriegsende, im April

1945 aufgelassen. 88

153


Große Freude nach Beendigung des Freiheitsentzuges und des Krieges im aufgelösten

Polizeilichen Durchgangslager in Bozen. Im früheren Lager wurden die von

Deutschland nach Italien zurückkehrenden italienischen Soldaten und Zivilisten aufgenommen.

Hier erhielten sie alle notwendigen Papiere und Informationen für ihre

Weiterreise. Dieses und andere Bilder vom Juni 1945 befinden sich in privatem Besitz.

Sie wurden dem Autor Günther Rauch freundlicherweise zur einmaligen Veröffentlichung

zur Verfügung gestellt.

Seit Mitte Mai wurden im Ex-Lager in Bozen die von Deutschland zurückströmenden

Gefangenen einquartiert.

Vom Konzentrationslager „Campo di concentramento di Prato Isarco“

in Blumau hatte die Südtiroler Bevölkerung wenig oder gar nichts mitbekommen.

154


Im Vergleich zum „Polizeilichen Durchgangslager“ wurde die Geschichte

des KZ „Campo d’ Isarco“ bisher auch nicht erforscht.

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen hatten die Italiener nach

dem Kriege kein Interesse, beide Lager miteinander in Verbindung zu

bringen. Das Ausmaß und die Funktion der beiden Lager waren doch

sehr unterschiedlich. Andererseits hatte man es mit einer ungewissen

Zahl von Opfern und der schwierigen Quellenlage zu tun. Vom „Campo

Aus den Arbeits- und Internierungslagern zurückströmende Italiener im ehemaligen

Durchgangslager in Bozen.

d’Isarco“ ist die Anzahl der Häftlinge nicht greifbar. Ebenso wenig erfährt

man über die Haftbedingungen. Wohl auch, weil die italienischen

Faschisten und Behörden ihre äußerst brisanten Archivbestände bereits

vor 1943 gründlich eingesammelt und vernichtet haben - wie bei den

vielen anderen faschistischen Verbrechen in Südtirol.

Bereits sehr früh hatte Alexander Schifrin (1901-1951), einer der großen

Totalitarismuskritiker des 20.Jahrhunderts und wichtigsten Köpfe des

155


russischen Menschewismus und der deutschen Sozialdemokratie, daran

erinnert, nie zu vergessen, dass

„der italienische Faschismus

dem deutschen in allem voranging.“ 89

„Die Ideen der beiden totalitären Staaten [Hitler- und Mussoliniland]

waren ziemlich parallel“, hatte auch der von Hitlers

Schergen am 24. Oktober 1944 in Brandenburg mittels Guillotine hingerichtete

Antifaschist und Optant Stefan Valentinotti (1892-1944) aus

Gries (Bozen) unterstrichen. Seine heftige schriftliche Kritik an Mussolini

und Hitler, sein Festhalten am Deutschtum und sein Einsatz für

die Eigenständigkeit Südtirols kosteten ihn das Leben. Er wurde Opfer

eines Denunzianten am Arbeitsplatz, wurde im Mai 1944 verhaftet

und nach Innsbruck gebracht, bevor ihn der Volksgerichtshof in Berlin

156


zum Tod verurteilte. Valentinotti wurde mit weiteren 27 Hitler-Gegnern

hingerichtet. Darunter befanden sich zum Großteil Mitglieder reichsdeutscher,

südtirolfreundlicher Widerstandsgruppen. Ein Abschied von

seiner Familie blieb ihm verwehrt. Beinahe zeitgleich wurde seine nach

Plodn (Sappada) verheiratete Schwester Maria Kratter-Valentinotti

(1894-1944) von stalinistisch orientierten italienischen Partisanen zu

Tode gemartert, nur weil sie eine Deutsch-Südtirolerin war. 90

Die Schändlichkeiten der italienischen Diktatur und die eigene Verantwortung

für den faschistischen Pogrom wurden in Italien durch den

nationalsozialistischen Vernichtungswahn und „eliminatorischen Antisemitismus“

(Frank Bajohr, Daniel Jonah Goldhagen…) in den Schatten

gestellt. Dies, obwohl Italien in Afrika und auf dem Balkan an Brutalität

und Grausamkeit dem Deutschen Reich kaum nachstand. Der italienische

Faschismus inkorporierte von Anfang an den Keim der Gewalt und

des Rassismuses. 91

Einer der Gründe für die geringe Bekanntschaft des Blumauer Lagers

war darum wohl auch ein politischer. Viele Italiener tun sich mit den

faschistischen Kriegsverbrechen, der autochthonen Herkunft des italienischen

Rassismus und mit der Vergangenheitsbewältigung extrem

schwer. 92 Den Faschismus sehen viel zu viele Menschen noch als „Parenthese“

(Benedetto Croce), als „Zwischenfall“ der Geschichte.

Das beharrliche Festhalten an der antieuropäisch angehauchten „Qui

siamo in Italia“-Mentalität, an faschistischen Denkmälern, Orts- und

Straßennamen, das Referendum zur Namensänderung des Bozner Siegesplatzes

in Friedensplatz sprechen Bände.

Wer zu Recht über den Nationalsozialismus sprechen will,

darf schon gar nicht in Südtirol über den Faschismus

und die Österreichfeindlichkeit schweigen.

157


Man muss daran immer wieder erinnern. Nicht vergessen heißt, die

dunkle Vergangenheit und die begangenen Verbrechen genau zu kennen,

um begangenes Unrecht wiedergutzumachen und nicht mehr zu

wiederholen.

Wer die Augen verschließt,

wird nie die Wahrheit sehen.

158



Anmerkungen und Literaturverzeichnis:

1. Vgl. Campo P. G. n. 118 Prato Isarco. Diese in den meisten Publikationen gebrauchte

Angabe „Campo P. G. n. 118 Prato Isarco“ ist falsch. (http://www.campifascisti.

it). Beim PG 118 handelt es sich um das Polizeiliche Durchgangslager in der Bozner

Reschenstraße.

2. Die Kopien einiger weniger freigegebener, aber dennoch aufschlussreicher Dokumente

können im Internet auf dem Portal „campifascisti.it“ gesichtet werden. Siehe

auch: Roman Herzog, Zur Topografie des italienischen Lagerkosmos unter dem

Faschismus. Ergebnisse des Forschungsprojektes www.campifascisti.it, in: Henning

Borggräfe (Hrsg.), Freilegungen: Wege, Orte und Räume der NS-Verfolgung. Jahrbuch

des International Tracing Service. Wallstein Verlag, Göttingen 2016, S. 106-

1918.

3. Malcolm Webster, A POW in Italy, Part 1, An Italian Experience, in: Italian Historical

Society Journal, Volume 11 No 1 - January/June 2003 ISSN 1321-3881, Victoria,

Australia, S. 4-11.

4. Zitat in: http://www.welschtirol.eu/il-mito-degli-alpini-e-il-loro-passato/; http://

minv.org./news/ecco-chi -sono-gli-alpini-italiani/; Benito Mussolini selbst hatte

bereits 1911 als Linksextremist in seinem Buch „Il Trentino“ die „Blutgierigkeit der

italienischen Polizei“ hervorgehoben. Vgl. Eduard Reut-Nicolussi, in: Tiroler Anzeiger,

20. 6. 1929, S. 2. Ders.: Tirol unterm Beil. München 1928, S. 211; Michael Gehler,

Eduard Reut-Nicolussi und die Südtirolfrage 1918-1958: Streiter für die Freiheit

und die Einheit Tirols, Innsbruck 2007.

5. Christopher Browning: Judenmord. NS-Politik, Zwangsarbeit u. das Verhalten der

Täter. S. Fischer, Frankfurt a. Main 2001, S. 33-38; Lutz Klinkhammer, Leben im

Lager. Die italienischen Kriegsgefangenen und Deportierten im Zweiten Weltkrieg.

Ein Literaturbericht, in: „Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und

Bibliotheken“ 67 (1987); Andrzej J. Kaminski, Konzentrationslager 1896 bis heute.

Geschichte, Funktion, Typologie, München-Zürich 1990.

6. Zitiert nach: Michael Wedekind, Das „Dritte Reich” und die „bleichen Berge”: Entwürfe

und Implementierung nationalsozialistischer Volksgruppenpolitik in Ladinien,

Ladinia XXXVI (2012), S. 116, April 1943: Partito Nazionale Fascista - Federazione

dei Fasci di Combattimento di Bolzano / Segreteria Politica (segretario federale

Bruno Stefanini) al Prefetto della Provincia di Bolzano (Agostino Podestà falsch:

Froggio Guglielmo), oggetto: Malcontento tra gli optanti per la Germania in Ortisei

(riservata personale - doppia busta) Bolzano, 7.4.1943; Archivio del Commissariato

del Governo di Bolzano, IX/1: Situazione politica in Alto Adige (1943) - Opzioni.

Bruno Stefanini war 1934 auch Schriftleiter des Faschistenblattes “Puglia Fascista”.

7. Sofia Bisi Albini, in: La Nostra Rivista anno II, No 11, novembre 1915, pag. 825.

8. Alle Zitate in: Mauro Suttora (Hg.), Clara Petacci, Mussolini segreto, Diari 1932-

1938, Rizzoli, Milano 2009; Giorgio Fabre, Mussolinis engagierter früher Antisemi-

160


tismus, in:QFIAB, 90/2010, S. 347-372. Ders.: Mussolini razzista. Dal socialismo al

fascismo: la formazione di un antisemita, Milano 2005.

9. Mihran Dabag, Kristin Platt, Verlust und Vermächtnis. Überlebende des Genozids

an den Armeniern erinnern sich, Paderborn 2015; Johannes Lepsius, Die Ausrottung

der Armenier, Tempelverlag, Potsdam 1919.

10. Ettore Tolomei, in: Archivio per l’Alto Adige, 1943, S. 543.

11. Die Weltbühne, 13. 3. 1928.

12. Quelle: ACS Roma, MI, DGPS, Divisione Affari Generali e Riservati, categoria Massime,

b 116. Zitat in: Roberto Roggero, Oneri e Onori. Le verità militari e politiche

della guerra di Liberazione in Italia. Edit. Greco e Greco, Milano 2006, S. 473; Il

campo di Villa Oliveto. Associazione per la storia e le memorie della Repubblica,

www.storiaememoria.it; Anna Lisa Carlotti, Italia 1939-1945: Storia e memoria.

Vita e Pensiero, Milano 1996, S. 543-544; Enzo Collotti, Sul razzismo antislavo,

in: Alberto Burgio, Nel nome della razza. Il razzismo nella storia d’Italia 1870-

1945, Bologna 1999. Ders.: Zur italienischen Repressionspolitik auf dem Balkan, in:

Loukia Droulia, Hagen Fleischer (Hrsg.), Von Lidice bis Kalavryta. Widerstand und

Besatzungsterror. Studien zur Repressionspraxis im Zweiten Weltkrieg, Berlin 1999,

S. 105-124.

13. Vgl. Patrick Bernhard, Die „Kolonialachse“. Der NS-Staat und Italienisch-Afrika

1935-1943, in: Thomas Schlemmer, Lutz Klinkhammer, Amedeo Osti (Hrsg.): Die

„Achse“ im Krieg, Paderbon 2010, S. 147-1975; ders.: Konzertierte Gegnerbekämpfung

im Achsenbündnis: Die Polizei im Dritten Reich und im faschistischen

Italien 1933 bis 1943, in Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), S. 229-

262.

14. Zitiert nach Franz Henndorfer, Shylock Hitler. Zum Menschenhandel in Sued-Tirol.

In: Deutsches Volksecho (German people’s echo, New York), 5. 8. 1939, S. 3., Herausgeber:

Stefan Heym (1913-2001). Der Artikel dürfte aus dem in Paris gedruckten

und von der KPD finanzierten Exilantenblatt „Österreichische Informationen“

(Oe. I.) beziehungsweise „Deutschen Informationen“ („Nouvelles d’Allemagne“)

übernommen worden sein. (Vielen Dank für den Hinweis an Michael Müller vom

Vorstand der Internationalen Stefan-Heym-Gesellschaft in Chemnitz). Chefredakteur

der Zeitschrift war der aus einer jüdischen Familie stammende österreichische

Sozialkommunist Bruno Frei (1897-1988). Er wurde am 31. August 1939 in seiner

Pariser Wohnung verhaftet und im Lager von Le Vernet interniert. Hinter dem

Pseudonym F. Henndorfer verbarg sich Heinrich Mann (1871-1950), der Schriftsteller,

frühere Präsident der Dichterabteilung der Preußischen Akademie der Künste

und Ehrenpräsident der SPD. Er und sein älterer Bruder Thomas Mann kannten

Südtirol aus mehreren Aufenthalten. Der Nobelpreisträger für Literatur, Thomas

Mann, hatte bereits, nachdem „Bozen, das deutsche Weinstädtchen mit Walther

von der Vogelweide italienisch geworden ist“, verlauten lassen, dass dies „das Zustandekommen

einer deutschen Irredenta in Südtirol rechtfertigen würde.“ Hein-

161


162

rich Manns einzige Tochter, Leonie Aškenazy-Mann, lebte von 1976 bis 1986 mit

ihrer Familie am oberen Obstplatz in Bozen. Ihr Vater hatte Ende Juli 1939 im Exil

in Frankreich, als Sprecher des „Aktionsausschusses deutscher Oppositioneller“,

die in mehreren Sprachen verbreitete Flugschrift „Deutsche! Hitler verkauft euch“

verfasst. Das Dokument ist eine beeindruckende Anklage gegen die Freiheitsberaubung

und Verschacherung Südtirols. Manns Anklage fand ein großes Echo auch

in der amerikanischen Tageszeitung „The New York Times“ vom 9. August 1939.

Teile des Flugblattinhaltes stammen aus einem sehr ausführlichen Aufsatz des

deutschen Historikers Kurt Kersten (1891-1962) alias Georg Forster, der am 29. Juli

1939 unter dem Titel „Kultur und Geschichte Südtirols“ im „Deutschen Volksecho“

veröffentlicht wurde.

15. La Provincia di Bolzano, 6. Jänner 1932, S. 1: „Non dobbiamo dimenticare che

Hitler è stato il primo e l’unico a riconoscere apertamente la intangibilità del confine

del Brennero nei confronti dell’Italia. […]”

16. Siehe Werner Thaler, Montan 2. Band. Hg. Schützenkompanie Montan 2003, S.

314.

17. Vgl. La Stampa, 11. 1. 1940, S. 1.

18. Der Historiker Luciano Casali wies auf 259 Konzentrations- u. Internierungslager

(campi di concentramento, campi di internamento…) hin. Siehe dazu auch Mario

Quaia, Sloveni e croati, genocidio ancora avvolto dal silenzio, in: Messaggero

Veneto, Edizione Udine, 13. 2. 2013; Filippo Focardi, Il cattivo tedesco e il bravo

italiano. La rimozione delle colpe della seconda guerra mondiale, Laterza, Roma

Bari 2013; David Bidussa, Il mito del bravo italiano, Milano 1994; Mario Pacor,

Confine orientale: questione nazionale e Resistenza nel Friuli e Venezia Giulia, Milano

1964; Angelo Del Boca, Italiani brava gente?, Neri Pozza Editore, Vicenza,

2005. Ders.: Faschismus und Kolonialismus. Der Mythos von den „anständigen

Italienern. In: Fritz Bauer Institut (Hg.), Völkermord und Kriegsverbrechen in der

ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004, S.

193-202; Costantino Di Sante, Italiani senza onore: i crimini in Jugoslavia e i processi

negati, 1941-1951. Edit. Ombre corte, Verona 2005. Unterlagen auch in: Rom,

Archivio del Ministero degli Esteri, fondo Affari politici Jugoslavia 1931-1945, b. 39,

fasc. „Commissione d’inchiesta per presunti criminali di guerra”.

19. Boris Pahor, Tatjana Rojc, Così ho vissuto, biografia di un secolo. Bompiani, Milano

2013, S. 82; Sonˇa Mikulová, Das zweite Gesicht der „guten Italiener“. Faschistische

Verfolgung der Juden in Italien und ihre Reintegration nach dem zweiten Weltkrieg

(1938-1948), Karls-Universität Prag, 2011.

20. Vgl. Metka Gombacˇ, I bambini sloveni nei campi di concentramento italiani (1942-

1943), Rivista DEP (Deportate, esuli, profughe). Slovenia; Alessandra Kersevan,

Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento fascisti per civili jugoslavi

1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile 2008, S. 47, Anm. 64; Mark Mazover, Hitlers

Imperium. Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. C. H. Beck, Mün-


chen 2009, S. 325-327; Aram Mattioli, Experimentierfeld der Gewalt. Der Abessinienkrieg

u. seine internationale Bedeutung 1935-1941. Zürich 2005, S. 14; Gerald

Steinacher, Dall’Amba Alagi a Bolzano. Tracce d’Africa in Alto Adige, http://www.

museodellaguerra.it/wp-content/uploads/2017/09/Gerald-Steinacher_75-90.pdf.

21. Statistik des britschen War Office, August 1943. Siehe auch Carlo Spartaco Capogreco,

I campi del duce. L’Internamento civile nell’Italia fascista (1940-1943), Einaudi,

Torino 2004. Ders.: Renicci. Un campo di concentramento in riva al Tevere,

Fondazione Ferramonti, Cosenza 1998, (Milano 2003); Karlo Ruzicic-Kessler, Italiener

auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien 1941-1943. De Gruyter,

Oldenbourg 2017.

22. Alessandra Kersevan, Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento

fascisti per civili jugoslavi 1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile 2008, pag. 106;

Francesco Folino, Ferramonti: un lager di Mussolini. Gli internati durante la guerra,

Cosenza 1985. Ders.: Ebrei destinazione Calabria, Palermo 1988; Carlo Spartaco

Capogreco, I campi del duce. L’internamento civile nell’Italia fascista (1940-1943),

Einaudi, Torino 2004. Ders.: Renicci. Un campo di concentramento in riva al Tevere,

Fondazione Ferramonti, Cosenza 1998, (Milano 2003); Gina Antoniani Persichilli,

Disposizioni normative e fonti archivistiche per lo studio dell’Internamento in Italia

(giugno 1940-luglio 1943), in: Rassegna degli Archivi di Stato 38 (1978), S. 77-96.

23. Daten aus: Anna Pizzuti, Ebrei stranieri internati in Italia durante il periodo bellico

(Lista Ministero dell’Interno, Direzione generale per la demografia e la razza). Über

die Familie Kienwalder siehe Joachim Innerhofer, Sabine Mayer, Mörderische Heimat:

Verdrängte Lebensgeschichte jüdischer Familien in Bozen und Meran, Kapitel:

Jüdische Schneiderkunst in Bozen: Oskar Kienwald und die ägyptische Königin.

Jüdisches Museum Meran, Raetia Verlag, Bozen 2015; Sfuggire ad Auschwitz. Dal

memoriale di Leo Kienwald, ebreo internato a Castelnuovo. Übersetzung aus der

jüdischen Zeitschrift „Hamaor“, Escape from Castelnuovo Garfagnana (Flucht aus

Castelnuovo Garfagnana).

24. Francesco Volpe, Ferramonti: un lager nel sud: atti del convegno internazionale

di studi: 15-16 maggio 1987, Edizioni Orizzonti meridionali, Cosenza 1990, S. 88,

Anm. 47; Enrico Deaglio, Il Lager della Salvezza, La Stampa 9. 12. 2013 (Storia della

Shoah) https://ilgridodelsilenzio. wordpress.com/.

25. Vgl. Fabio Galluccio, I Lager in Italia: La Memoria Sepolta nei Duecento Luoghi di

Deportazione Fascisti, Libere Edizioni, Civezzano-Trento 2002, S. 218-220; Carlo

Spartaco Capogreco, I campi del duce. L‘internamento civile nell‘Italia fascista

(1940 - 1943, Einaudi, Torino 2006; Francesca Fausta Gallo, I campi di concentramento

in Provincia di Teramo: 1940-1944, Catalogo della mostra Tenuta a Teramo

nel 2002. Teramo 2014; Alessandra Kersevan, Un campo di concentramento fascista:

Gonars 1942-1943. Kappa, Udine 2014; La deportazione dei civili sloveni e croati

nei campi di concentramento italiani: 1942 - 1943: i campi del confine orientale

/ a cura di Boris M. Gombac e Dario Mattiussi, Grafica goriziana, Gorizia 2004; Le

163


164

leggi razziali del 1938 e i campi di concentramento nel Molise / Michele Colabella,

introduzione di Anna Sgherri; a cura di Lucia Guastaferri. IRRE stampa, Campobasso

2004; Boris M. Gombac, Triest zwischen Mythos und Realität. Ein Spaziergang

durch die Geschichte, Zeitgeschichte 1/27. Jg. 2000; Ferenc, La Provincia „italiana”

di Lubiana, Udine 1994.

26. Herzlichen Dank für die Information an den Sprachwissenschaftler Dr. Cristian Kollmann

(5. Jänner 2018).

27. Alex Barnett, Hitler’s Digger Slaves-Caught in the Web of Axis Labour Camps, Published

by Australian Military History Publications ISBN 1 876439-73-4. 2001 (2nd

Edition, 2008). Hinweis über die Stacheldrahtzäune in: Kuratorium für Technische

Kulturgüter-Bierbrauerei Blumau, http://www.tecneum.eu (Wittfrieda Mitterer /

Geom. Dieter Pircher)

28. Gianpaolo Pansa, I vinti non dimenticano: I crimini ignorati della nostra guerra

civile, Bur Big-Rizzoli, Milano 2010; Mimmo Franzinelli, L’Amnistia Togliatti 1946.

Colpo di spugna sui crimini fascisti, Feltrinelli, Milano 2016. Franco Giustolisi, Armadio

della vergogna 2, arrivano le prime prove, in: Il Manifesto, 27. 6. 2008.

Ders.: Armadio o “cassonetto”, è sempre una vergogna, Il Manifesto 12. 8. 2008,

S. 6.

29. Giovanni Cecini, I generali di Mussolini, Newton Compton edit., Roma 2016 (Capitolo:

Gambara).

30. Zitiert nach: Gianluca Falanga, Mussolini Vorposten in Hitlers Reich, Ch. Links Verlag,

Berlin 2008, S. 193; Alessandra Kersevan, Lager italiani. Pulizia etnica e campi

di concentramento fascisti per civili jugoslavi 1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile

2008, S. 47, Anm. 64; Gambara (Wikipedia); Le Foibe e i lager italiani, in: http://

sanand. altervista.org/le-foibe-e-i-lager-italiani/

31. Conrad F. Latour, Südtirol und die Achse Berlin -Rom 1938-1945, Deutsche Verlags-Anstalt,

Stuttgart 1962. S. 111-113; Thomas Schlemmer (Hg.), Die Italiener

an der Ostfront 1942/43. Dokumente zu Mussolinis Krieg gegen die Sowjetunion,

München 2005.

32. Enrico Vigna, Pagine di storia „rimosse“. La politica e i crimini di guerra dell’Italia

fascista in Jugoslavia. Arterigere-EsseZeta, Varese 2005; Alberto Stramaccioni,

Crimini di guerra. Storia e memoria del caso italiano, Editori Laterza, Bari-Roma

2016; Davide Conti, Criminali di guerra italiani, Odradek, Roma 2011. Siehe auch

Brief des Präsidenten der slowenischen Widerstandsvereinigung an den ehemaligen

Präsidenten der Republik Italien, Giorgio Napolitano (http://www.diecifebbraio.info/2012/04/lettera-al-presidente-napolitano-zdruzenje-borcev-za-vrednote-nob-cerknica/).

33. Karlo Rizicic-Kessler, Italiener auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien

1941-1943.Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2017, S. 341; Vitaliano Peduzzi, La divisione

alpina “Pusteria“. Dall’Africa Orientale al Montenegro, Ugo Mursia Editore,

Milano 2009.


34. Karlo Rizicic-Kessler, Italiener auf dem Balkan. Besatzungspolitik in Jugoslawien

1941-1943.Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2017, S. 341. Ders., Die Besatzung Jugoslawiens

in der ital. Historiographie, in: Linda Erker/Alexander Salzmann/Lucile

Dreidemy/Klaudija Sabo, Update, Perspektiven der Zeitgeschichte. Zeitgeschichtetage

210, Innsbruck/Wien/Bozen 2014, S. 148-155.

35. Siehe Italo Gariboldi, Dizionario Biografico degli Italiani, Vol. 52 (1999); Giovanni

Cecini, I generali di Mussolini, Newton Compton edit., Roma 2016; Mario Torsiello,

Le operazioni delle unità italiane nel settembre-ottobre 1943, Stato maggiore dell’Esercito,

Ufficio storico, Roma 1975, S. 143-1969; Domenico Bartoli, 8 settembre

1943. L’Italia si arrende. Editoriale Nuova, Milano 1984, S. 151. Über die Rückkehr

der italienischen Kriegsgefangenen aus Russland in Bozen siehe: Giampaolo Pansa,

La guerra sporca dei partigiani e dei fascisti. RCS Libri, Milano 2012, Kapitel 39;

Mimmo Franzinelli, Salvate quei generali! Ad ogni costo e la memoria censurata,

in: Millenovecento n. 3 gennaio 2003, S. 112-120; Dokumentarfilm von Ken Kirby,

BBC, Fascist legacy, Londra 1990.

36. Siehe: Henrik Eberle, Mattias Uhl (Hg.), Das Buch Hitler, Geheimdossier des NKWD

für Josef W. Stalin, zusammengestellt aufgrund der Verhörprotokolle des Persönlichen

Adjutanten Hitlers, Otto Günsche, u. des Kammerdieners Heinz Linge, Moskau

1948/49. Bastei Lübbe Taschenbuch, Bd. 64219, Köln 2005, S. 228. Ähnliche Anschuldigungen

gegen Ciano hatte der Oberst des ital. Geheimdienstes Sante Emanuele

(1893-1977) beim Prozess gegen Mario Roatta am 31. Jänner 1945 in Rom erhoben.

37. Giovanni Cecini, I generali di Mussolini, Newton Compton edit., Roma 2016 (Kapitel:

Baistrocchi generale d’armata).

38. Herzlichen Dank für die Hinweise und Informationen von Frau Dr. Katrina Kittel,

geborene Booth, von der Universität Newcastle und Mitglied der australischen Historikerkommission

sowie Forscherin über die POW-Kriegsgefangenen in Italien. Sie

ist die Tochter von Colin Booth (1918-1989), der seit 1942 im „Campo 57“ interniert

war.

39. Günther Rauch, Bozner Obstplatz-Historisches und Alltägliches, Athesia Bozen

2012; „Campo all’Isarco“, la prigione dimenticata dei militari inglesi, A. Adige, 29.

1. 2013, S. 32.

40. Documenti Archivium Secretum Vaticanum Inter arma caritas (Pio XII) Digital Vatikan,

S. 912 Documenti, Nr. 10. Appunti della Segreteria di Stato Vaticano, 31

agosto 1941, Ufficio Inf. Vat. 1102, prot. 00182062.

41. G. Montini führte im Vatikan ein eigenes Amt für die Suche von Kriegsgefangenen.

Siehe: L’Ufficio di ricerca dei prigionieri di guerra, in: Domenica del Corriere, 31

agosto 1941.

42. Über die Funktionen und die Biografie des Generals A. Clerici siehe: Enrico E.

Clerici, Carlo Alfredo, Il Conte Generale Ambrogio Clerici, Nuova Prhomos, Città

di Castello 2014 (https://de.scribd.com/document/ 248082172/Il conte-Generale-Ambrogio-Clerici).

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43. Italienischer Text: Montini ha portato „pure una ricca lista di messaggi di prigionieri

inglesi che si ritrovano a Campo all’Isarco (Bolzano) per le loro famiglie, dati in seguito

alla Visita del Nunzio Apostolico e già censurati.” Vgl. Documenti Archivium

Secretum Vaticanum Inter arma caritas (Pio XII) Digital Vatikan, S. 912 Documenti,

Nr. 10. Appunti della Segreteria di Stato Vaticano, 31 agosto 1941, Ufficio Inf. Vat.

1102, prot. 00182062.

44. Hinweis der australischen Historikern Katrina Kittel an den Buchautor. E-Mail vom

18. 12. 2017, 9.18 Uhr.

45. Vatikanisches Geheimarchiv, „Inter arma caritas“ - „Ufficio Informazioni Vaticano

per i PG“ - Archivnummer 446, Faszikel 9 (messaggi di prigionieri britannici

internati nei campi di Capua, Montalbo, Prato all’Isarco e Rezzanello, trasmessi

dall’agosto all’ottobre 1941).

46. Siehe Archivio segreto vaticano, Ufficio Informazioni Vaticano (Prigionieri di guerra,

1939-1947), 518, fasc.29: In un documento senza data il Nunzio apostolico

Francesco Borgongini Duca riferisce di aver visitato un campo per prigionieri di

guerra „a Prato Isarco sulla sponda dell‘Isarco a 7 chilometri da Bolzano. Il campo

è costituito dai locali di una fabbrica di birra sulle pendici di un monte, coperto di

abeti, che scende al fiume ove è Prato. Di essi [prigionieri] circa 150 sono cattolici;

il Comandante, benché tenga divisi gli Inglesi dagli Australiani, perché non sembra

che tra loro vadano d‘accordo, gentilmente li fece adunare insieme nel prato“ (dankenswerter

Hinweis von Andrea Giuseppini von der Vereinigung „Campi fascisti italiani”).

Carlo Spartaco Capogreco, I campi del duce. L’Internamento civile nell’Italia

fascista (1940-1943), Einaudi, Torino 2004, S. 162-164.

47. Josef Innerhofer: Die Kirche in Südtirol: Gestern und Heute, Bozen 1982.

48. Dolomiten, 13. 8. 1941, S. 3., 8. 10. 1942, S. 2. und 17. 10. 1942, S. 4.

49. I campi fascisti dalle guerre in Africa alla Repubblica di Salò; http://www.campifascisti.it,

Archivio segreto vaticano, Ufficio informazioni Vaticano, (Prigionieri di

guerra, 1939-1947), 518, fasc. 29: Rapporto relativo alla visita nel campo della

Provincia di Bolzano, 30 agosto 1941 (Protocollo 00181767). Relazione, in copia,

della visita al campo di prigionia di Prato all’Isarco, 23 ottbre 1941.

50. Dolomiten Nr. 41 vom 8. 10. 1942/XX, S. 2 u. Nr. 124 vom 17. 10. 1942 /XX, S. 4.

51. Malcolm R. Webster, Un australiano tra i partigiani biellesi, in: l’Impegno, a. IX, n.

1. Aprile 1989, Istituto per la storia della Resistenza e della società contemporanea

nelle provincie di Biella e Vercelli; Malcolm Webster, An Italian experience, 1995; A

POW in Italy, Malcolm Webster, An Italian Experience, in: Italian Historical Society

Journal, Volume 11 No 1 - January/June 2003 ISSN 1321-3881, Victoria, Australia,

S. 4- 11.

52. Malcolm R. Webster, Un australiano tra i partigiani biellesi, memorie di un ex prigioniero

di guerra che prese parte alla Resistenza italiana, in: L’Impegno, a. IX, n.

1. Aprile 1989, Istituto per la storia della Resistenza e della società contemporanea

nelle provincie di Biella e Vercelli.


53. Aus: Protocollo della Commissione Interministeriale per i Prigionieri di Guerra, Ministero

Guerra -Gabinetto foglio 161078 (75.1. 6.) del 16. corr. (pag. 7), Archivio

storico centrale della Croce Rossa Italiana, Roma, Fondo Prigionieri di Guerra, Busta

Z 28/4, Fascicolo 26.

54. Vgl. Alex Barnett, Hitler’s Digger Slaves-Caught in the Web of Axis Labour Camps

(2nd Edition), 2008; .

55. Aus dem Reisebericht 2013 der Familie Carrigan „Italy To The Alps In WW11“. Vgl.

http://italytothealps.blogspot.it/2013/09/bolzano-camp-in-brenner-pass.html.

Kriegsbericht von Carl Carrigan, Britisches Nationalarchiv, report sourced by Mr

Brian Sims on behalf of Katrina Kittel and Carrigan family.

56. Siehe: Cate Carrigan, Un’odissea in tempo di guerra. La storia di Carl Carrigan,

soldato australiano. In: l’impegno, a. XXXIII, n. s., n. 1, giugno 2013, pag. 33-52;

http://italytothealps.blogspot.it/2013/09/bolzano-camp-in-brenner-pass.html.

57. Dank für die vielen Hinweise an Karl Saxer, Gemeinderat von Blumau-Karneid.

58. Agostino Podestà wurde 1946 vor das Kriegsgericht gestellt. A. Cifelli, I prefetti del

regno nel ventennio fascista, Roma 1999, pag. 233; Agostino Podestà, L’Alto Adige;

alcuni documenti del passato, Bergamo 1942; Treccani, Enciclopedia Italiana,

Agostino Podestà.

59. Vgl. La Provincia di Bolzano, 18. 2. 1940: „una sollecita e precisa esecuzione della

sua [Mussolini] immutabile volontà del Regime [fascista]”.

60. Zitiert nach: Maria Fiebrandt, Auslese für die Siedlergesellschaft. Die Einbeziehung

Volksdeutscher in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939-

1945. Göttingen 2014, S. 563-566. Anm.: 22-24. Protokoll der Besprechung im Hotel

Greif (Bozen) am 16. 4. 1940. O. D., S. 3 (Bundesarchiv Berlin, R 49/2114, unpag.)

61. Alpenzeitung, 29. 5. 1940, S. 3; La Provincia di Bolzano, 29. 5. 1940, S. 3; Giuseppe

Pantozzi, Die Verschleppung der Psychiatriepatienten aus Pergine nach

Zwiefalten (26. Mai 1940), in: Wahnsinn und ethnische Säuberung. Deportation

und Vernichtung psychisch Kranker aus Südtirol 1939-1945, hrsg. vom Verband

Angehöriger u. Freunde psychisch Kranker, Bozen 1999, S. 43-47; Stefan Lechner,

Die Absiedlung der Schwachen in das „Dritte Reich“; Autonome Provinz Bozen-Südtirol,

Innsbruck 2016; Maria Fiebrandt, Auslese für die Siedlergesellschaft.

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, S. 526 ff; Hartmann Hinterhuber, Uccisi

e dimenticati: crimini nazisti contro malati psichici e disabili del Nordtirolo e dell’Alto

Adige, Trento, Museo storico in Trento, 2003; Die vergessenen Südtiroler in

Pergine. In: Dolomiten, 10. 3. 2004, S. 11. „Pepi, hier darfst du bleiben!“, in: Dolomiten,

8. 3. 2004, S. 8; Umsiedlung u. Vernichtung der Südtiroler Geisteskranken,

in: Tandem, 13. 10. 1982, S. 9; Ein vergessenes Kapitel Südtiroler Geschichte, in:

Skolast Nr. 1/1983, S. 26; Archivi del Trentino: Fonti, Strumenti di ricerca e studi,

Ospedale Psichiatrico di Pergine Valsugana (AOPP, serie 4.2 Dir., Carteggio ed atti

di direzione ordinati per oggetto, b. 1716, „Trasferimenti in Germania”), Trento.

Landesarchiv Bozen, 0.1. Stadlhof (1907-1968) Handakten Dr. Giuseppe Pantozzi.

167


168

62. Jörg Kinzig/Thomas Stöckle (Hg.): 60 Jahre Tübinger Grafeneck-Prozess. Betrachtungen

aus historischer, juristischer, medizinethischer und publizistischer Perspektive,

Zwiefalten 2011 (Verlag Psychiatrie und Geschichte); Thomas Stöckle,

Grafeneck 1940. Euthanasie-Verbrechen in Südwestdeutschland, Tübingen 2012,

Hermann J. Pretsch, (Hg.): Euthanasie. Krankenmorde in Südwestdeutschland.

Zwiefalten 1996.

63. Siehe „Wer ist Gott“, in: „Dolomiten 26. 10. 1940, S. 3; „Zerstörung aller Logik“,

ebd., 9. 11. 1940, S. 4; „Ist das Volk Gott?“, ebd., 16. 11. 1940, S. 3; „Tötung

Harmloser unerlaubt“, ebd., 14. 12. 1940, S. 2, ebd., 24. 1. 1941; „Ein furchtbarer

Verdacht“, in: Volksbote Nr. 51 v. 19. 12. 1940, S. 6 (Repro.: Dolomiten Nr. 61 vom

13./14. 3. 2004, S. 22).

64. Peter Hofer an die ADERSt-Hauptstelle Bozen. Zitat nach: Karl Stuhlpfarrer, Umsiedlung

Südtirol 1939-1940, Wien-München 1985, Bd. 2. S. 502.

65. Maria Fiebrandt, Auslese für die Siedlergesellschaft. Die Einbeziehung Volksdeutscher

in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939-1945.

Göttingen 2014, S. 579, Anm. 101.

66. Yehuda Bauer, Jüdische Reaktionen auf den Holocaust, Lit Verlag, Berlin 2012, S.

97.

67. Über die “Croce Rossa” und General Clerici siehe Enrico E. Clerici, Carlo Alfredo,

Il Conte Generale Ambrogio Clerici, Nuova Prhomos, Città di Castello 2014, S.

104-108: https://de.scribd.com/document /248082172/Il conte-Generale-Ambrogio-Clerici)

68. Text in: Alessandra Kersevan, Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento

fascisti per civili jugoslavi 1941-1943, Nutrimenti, Roma, aprile 2008, pag.

45-46, ann. 61: Archivio di Stato, A5G, b. 117, Ufficio Prigionieri della CRI, 17 luglio

1941. Località nominate, Blumau è in Provincia di Bolzano.

69. Archivio Centrale dello Stato, Ministero dell‘Interno, Direzione Generale di Pubblica

Sicurezza, Divisione affari generali e riservati. Archivio generale, Ufficio internati

(1939-1945), A4 bis, internati stranieri e spionaggio 1939-1945, Busta 294, Fascicolo

Radulovic Hranislav di Radenko (eingesperrt zunächst in Tollo, ab 28. Mai

1943 im „Campo di concentramento Villa La Selva di Bagno Ripoli“).

70. Poiché „le pratiche di identificazione e di rimpatrio [...] iniziate dalla locale Questura,

non hanno portato sinora ad alcuno esito e poiché si prevede che esse potranno

ancora durare a lungo“, il Ministero dell‘interno ordina di inviare i civili serbi presso

il campo di concentramento per civili di Tollo, località in provincia di Chieti. Copia

della nota N° 09221 in data 5. 3. 1942 della Regia Prefettura di Bolzano diretta alla

R. Prefettura di Chieti e p. c. R. Ministero Interno P. G. Sezione III, Roma, Originale

in Bolzano Cat. I 4.21/16 1942.

71. Der aus Avellino in Kampanien stammende Epifanio Pennetta (*1881) war von

1940 bis 1943 Leiter der „Divisione Affari Generali e Riservati“ (DAGR) und des

„Ufficio Internati“ (Amt für Gefangene) im Innenministeriun und später faschisti-


scher Polizeikommssar in Rom. Der Vorraum des Büros von Pennetta wurde von

den Familienangehörigen der Verbannten „il muro del pianto“ genannt. (Guido

Leto, Ovra: fascismo, antifascismo. Cappelli Editore, Roma 1952, S. 67; Jonathan

Dunnage, Mussolini’s policemen: behaviour, ideology and institutional culture in

representation and practice, Manchester University Press, Manchester 2012, S.

137-1938; Roberto Roggero, Oneri e Onori. Le verità militari e politiche della guerra

di Liberazione in Italia, Milano 2006, S. 364). Pennetta war 1924 als Chef der Gerichtspolizei

auch mit der Untersuchung des Matteotti-Mordes beauftragt worden.

Dieser Mussolini-Anhänger wurde 1957 auf Vorschlag des Ministerratspräsidiums

mit dem Titel „Grande Ufficiale Ordine al merito della Repubblica Italiana“ ausgezeichnet.

72. Dankenswerter Hinweis von Marialuise Codalonga, Bar Flora (Blumau).

73. Alessandro Taccani, Le forze idrauliche della Venezia tridentina ed il loro sfruttamento,

in “L’Energia Elettrica”, Luglio 1929, pp. 736-738; Il Sole, Milano 25. 6.

1946.

74. Alpenzeitung, 27. 8. 1929, S. 164.

75. Vgl. Marco Boato, Luca Paci und andere, Il caso del “socialista irredentista” Giuseppe

Tovazzi, Gli anni del confino (1930-1932), Archivio di Stato, Roma-Trento

(ohne Datum); Arthur F. Stoffella, Trentiner Aktivisten wollten „Siegesdenkmal“

sprengen, in: Reimmichl Volkskalender, 2008, S. 266-270. Ders.: Das Schicksal

Welschtirols am Beispiel von Giuseppe Tovazzi, Tiroler Schützenzeitung, Nr. 3, Juni

2014, S. 9-10; Luigi Tovazzi, Il caso del socialista irredentista. In: L’Airone, Comune

di Aldeno, 2007.

76. La Provincia di Bolzano, 24. 6. 1939 u. 11. 11. 1039.

77. La Provincia di Bolzano, 16. 2. 1943 u. 3. 6. 1943.

78. Telegramm vom 16. März 1943: Superesercito prigionieri guerra alt N. 1/83430

destinatario XIX corpamiles et conoscenza guerra genio rif. Telegramma 1/79515

data 27. 2. us. Questo stamaggiore alt pregasi disporre che immobile e baraccamenti

ex campo PG. Prato Isarco non appena esaurite funzioni contumaciali

connesse rimpatri truppe fronte orientale siano P.G. tempestivamente adattati ed

utilizzati sede campo lavoro base per prigionieri di guerra. Destinato accentrare gestione

disciplinare amministrativa costituendi distaccamenti lavoro PG. Alt Ufficio

[Prigionieri] G[uerra]. f/to: Col. E(raldo]/Pallotta P.C.C. Il Maggiore capo Sezione

G. Larcher. Herzlichen Dank für die Hinweise an Andrea Giuseppini. Text in: http://

www.campifascisti.it.

79. POW Prigionieri di Guerra Alleati in Italia 1940-1945. Una piccola parte dei documenti

ritrovati. Associazione storia viva Verona: https://powitalia.jimdo.com/

80. Fogli Annunzi Legali Prefettura Trento, 27 giugno 1940, S. 1. u. 10. 8. 1940, S. 2.

81. Vgl. Jens Petersen, Sommer 1943, in: Hans Woller, Italien u. die Großmächte 1943-

1949, München 1988, S. 23-48; Antonio Varsori, Bestrafung oder Aussöhnung?

Italien u. Großbritanien 1943-1948: in: ebenda, S. 131-160.

169


170

82. Geschichte der Bierbrauerei Blumau, Kuratorium für Technische Kulturgüter. http://

www.tecneum.eu (Wittfrieda Mitterer, Geom. Dieter Pircher)

83. Liliana Picciotto, L’alba ci colse come un tradimento: Gli ebrei nel campo di Fossoli,

1943-1944, Mondadori, Milano 2010.

84. Wolfgang Benz, Barbara Distl, Der Ort des Terrors, Bd. 9. Verlag C. H. Beck, München

2009, S. 299.

85. W. Harster wurde am 10. Mai 1945 in der Nähe von Bozen von britischen Truppen

verhaftet und bis zur Übergabe an die Gerichtsbarkeit in Den Haag in ein Gefängnis

nach London gebracht. Vgl. Prozesse/Harster, Der Spiegel Nr. 5 vom 23. 1. 1967, S. 33.

86. Don Carlo Signorato, Stadtviertel-Pfarrer in Verona, teilt in einem Brief vom 15. Juni

1945 an das Gefangenenamt des Vatikans (E. 1517/A) die Namen der vier am 12.

September 1944 in Bozen erschossenen Soldaten mit.

87. Carla Giacomozzi, Giuseppe Paleari, Das Pol. Durchgangslager Bozen. Geschichtlicher

Überblick und Dokumente. Projekt „Geschichte und Erinnerung: Das NS-Lager

Bozen“. Hg. Gemeinde Bozen 2006; Giorgio Mezzalira, Cinzia Villani, Anche a volerlo

raccontare è impossibile. Scritti e testimonianze sul Lager di Bolzano, ANPI,

Quaderni della memoria 1 (1999); Anita Rauch, Polizeiliches Durchgangslager Bozen,

Universität Innsbruck, 2003.

88. Im Vatikanischen Geheimarchiv liegt auch eine Nachricht über nicht näher genannte

„deutsche“ Lager in Bozen auf. Archiv Ufficio Informazioni Vaticano „Sezione

prigionieri in lingua tedesca e slava“ Nr. 464, fasc. 12: arrivo di liste dai campi di

Bolzano, 12 ottobre 1945.

89. Alexander Schifrin, Gedankenschatz des Hakenkreuzes, Die Gesellschaft 2 (1931),

S. 101.

90. Über die Geschichte der Bozner Familie Valentinotti arbeitet Günther Rauch an

einem neuen Buch.

91. Wippermann, Wolfgang: War der italienische Faschismus rassistisch? Anmerkungen

zur Kritik an der Verwendung eines allgemeinen Faschismusbegriffes, in: Röhr,

Werner (Hg.): Faschismus und Rassismus. Kontroversen um Ideologie und Opfer,

Berlin 1992,108-122.

92. Vgl. Filippo Focardi, „Die Unsitte des Vergleichs. Die Rezeption von Faschismus und

Nationalsozialismus in Italien und die Schwierigkeiten, sich der eigenen Vergangenheit

zu stellen“, in Parallele Geschichte? Italien und Deutschland 1945-2000,

hrsg. v. Gian Enrico Rusconi u. Hans Woller (Berlin: Duncker & Humblot, 2006),

107-139; Lutz Klinkhammer, „Der Resistenza-Mythos und Italiens faschistische Vergangenheit“,

in Sieger und Besiegte: Materielle u. ideelle Neuorientierungen nach

1945, hrsg. v. Holger Afflerbach (Tübingen, Basel: Francke 1997), S. 119-139; Gian

Enrico Rusconi, „Die italienische Resistenza auf dem Prüfstand“, Vierteljahreshefte

für Zeitgeschichte 42, Nr. 3 (1994), S. 379-402.


Abbildungen und Materialien:

Katrina Kittel: 110; Wikimedia/Public Domain: 17, 26-1, 26-2, 28, 34, 63, 74, 86; Andrea

Giuseppini, Campi Fascisti italiani: 15, 42, 44-1, 49, 92-1; Fotostoria Italiana, Editori Riuniti

– Edit. L’unità, Roma 1971: 24; Salzburger Volksblatt, 6. 1. 1938: 12; History of

campo 51 Gruppignano: 108-1, 108-2; Herald Sun, 25. 4. 2001: 97; Museum Laibach

u. Istituto Regionale per la storia del movimento di liberazione nel Friuli Venezia Giulia,

Trieste: 44-1, 44-2, 45, 49-1; Archivio storico giornale L’Unità: 53; Postkarte „Bolzano

Palazzo del Corpo D’Armata” (1937): 75; Marika Lisi, Archivio fotografico, Centro studi

e documentazione della Fondazione Fossoli, Otello Sangiorgi-Museo civico del Risorgimento

Bologna: 150; Familie Carrigan: 106, 112-1; 112-2, 112-3; Enrico E. Clerici, Carlo

Alfredo Clerici, „Il conte generale Carlo Ambrogio Clerici”, Nuova Prhomos, Citta di

Castello, 2014: 94; Aus: Gruppo di Studio Isarcus, Opzioni 1939-1989, Centro di Studi

Atesini, Bolzano 1989: 122; Stadtarchiv Bozen: 24, 87-2; National Archives of Australia,

Australian Military History Publications (Thank you: K. Kittel): 93, 109, 110, 111, 113-1,

113-2, 115, 117-1, 117-2, 117-3; Karl Saxer, Blumau: 56-1, 57-1; 57-2, 58-1, 58-2, 62, 67;

Italian Historical Society Journal N° 1 (2003): 69, 105; Alessandra Kersevan, Un campo

di concentramento fascista: Gonars 1942-1943, Ed. Kappa, Udine 2014: 54; Zeitschrift

„Simplicissimus”: 19, 20, 40; Staatsarchiv Bozen, Akten Reut-Nicolussi (herzlichen Dank

für den Hinweis an Mag. Phil. Harald Toniatti u. Pietro Vezzani): 50-1; 50-2; L’impegno,

Rivista di storia contemporanea, a. XXXIII, nuova serie, n. 1, giugno 2013. Dott. Enrico

Pagano, Direttore Istituto per la storia della Resistenza e della società contemporanea nel

Biellese, nel Vercellese e in Valsesia: 152, 154, 155; Il libro della memoria. Fondazione

Ebraica, Milano 2002: 153; Hans Pörnbacher (†), Bozen: 44; alle anderen Abbildungen:

Archiv Günther Rauch.

171


Zum Autor:

Günther Rauch, geboren am 13. September

1951 im St.-Johann-Viertel in

Bozen, war langjähriger Vorsitzender

des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes

in Südtirol, Mitglied des Bundesvorstandes

der Confederazione Generale

Italiana del Lavoro (CGIL) in Rom

und Mitarbeiter des Europäischen Gewerkschaftsbundes,

Initiator der Friedensbewegung

sowie Herausgeber der

Oberschülerzeitung „Neuer Weg“, der

„Südtiroler Arbeiterzeitung“ und der Kaufleutezeitung für Konsumenten

„Ladengugger“. Von 1993 bis 1997 war er Geschäftsführer der

Fachgruppen und ab 1998 bis 2003 Vizedirektor des Verbandes für

Kaufleute und Dienstleister. Günther Rauch veröffentlichte unter anderem

Studien über die Handelswirtschaft und das Nahrungsmittelhandwerk,

zahlreiche Forschungsarbeiten und Aufsätze über die Südtiroler

Sozial- und Arbeiterbewegung. Er ist unter anderem Autor der Tirolensie

„Bozner Obstplatz - Historisches und Alltägliches“. Er lebt in Vilpian

bei Terlan.

173


Impressum

Herausgeber:

Südtiroler Heimatbund

Roland Lang

Greifensteiner Weg 12

39018 Terlan - Süd-Tirol

info@suedtiroler-freiheitskampf.net

www.suedtiroler-freiheitskampf.net

Verfasser:

Günther Rauch

Lektorat:

Armin Benedikter

Druck:

Hauger-Fritz, Meran

Erscheinungsdatum: September 2018

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Buch oder Teile dieses Buches dürfen nicht

ohne die schriftliche Genehmigung des Autors

oder des Herausgebers vervielfältigt, in Datenbanken gespeichert

oder in irgendeiner Form übertragen werden.

175


Unglaublich, aber wahr! In Blumau (Karneid), in dem 1918 von Italien gewaltsam

annektierten südlichen Teil Tirols (Süd-Tirol), bestand von 1941 bis 1943 ein vom

italienischen Innenministerium, von der Bozner Präfektur und von der Armee und

den faschistischen Milizen geführtes Konzentrationslager: „Campo di concentramento

Prato Isarco“. Dieses italienische KZ geriet bald nach dem Zweiten Weltkrieg

in Vergessenheit. So wie die vielen italienischen Straflager in Afrika und in

den Balkanstaaten, passten solche Terroreinrichtungen nicht in das Geschichtsbild

des „Ventennio fascista“, wo der Duce brav und nur sein Kumpan Hitler ein Mörder

und Verbrecher war. Im „Campo Prato Isarco“ waren britische, neuseeländische,

australische, indische, jugoslawische und sowjetische Gefangene interniert.

In diesem Buch wird zum ersten Mal, anhand bislang teils geheim gehaltener

Akten und Überlieferungen, das wahre Gesicht der eroberungssüchtigen und

blutrünstigen italienischen Faschistenherrschaft enthüllt.

Der in der Breiener Straße in Blumau vom Südtiroler Heimatbund, den Schützenkompanien, dem

Heimatpflegeverein und der Gemeinde aufgestellte Gedenkstein erinnert an die im italienisch-faschistischen

Konzentrationslager „Campo di concentramento Prato Isarco“ gefangen gehaltenen

Soldaten und Regimegegner.

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