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Impressum:
Texte:
Fotos:
Jörg „Ösch“ Sinner (Ö)
Stephan „Ede“ Bretthauer (E)
sind allesamt von uns oder
Mitreisenden während der
beschriebenen Ausfahrten
geknipst worden.
Druck:
ESF-print.de
Rigistraße 9
12277 Berlin
Kontakt: trespass-zine@gmx.de
Cover: Estadio Ajejandro Morera Soto, Alajuela
Rückseite: PAOK vs. Olympiakos
Intro
„ich schreib es auf, das hier ist sowas wie
mein Tagebuch“
Gude,
grüßten an dieser Stelle in der Erstausgabe eures
neuen Lieblingsliefstylemagazins noch die Helden
meiner Jugend, zitiere ich heute mit dieser MoTrip
Zeile einen Vertreter der neuen Schule. Wieder
einmal finde ich das Zitat passend gewählt,
beinhalten die Texte doch noch mehr persönliche
Gedankengänge und sogar ein gutes Stück
Vergangenheitsbewältigung. Aber lest selbst.
An erster Stelle möchte ich es nicht versäumen,
mich bei allen Lesern zu bedanken. Besonderer
Dank geht natürlich an alle, die uns mit Feedback
beglückten. Wussten wir nach der Erstausgabe
selbst nicht so recht, ob es einen Nachfolger
geben wird, bestärkten uns die eigentlich
ausnahmslos positiven Resonanzen sehr schnell,
wieder in die Tasten zu hauen. Wir hoffen, ihr
werdet nicht enttäuscht sein. Ich gebe nämlich
ganz unverfroren zu, dass ich mit den letzten
Monaten im großen Ganzen nicht wirklich
zufrieden war. Viele persönliche Gründe sorgten
dafür, dass irgendwie das Besondere fehlte und
mehr Einzelspiele angesteuert wurden, was sich
(hoffentlich nur) meiner Meinung nach auch in den
Texten wiederspiegelt. Und jetzt, wo ich diesen
Satz mit dem Punkt abgeschlossen habe, merke
ich in Anbetracht zweier Balkantouren und eines
Costa Rica Urlaubs (ja, Betonung liegt auf Urlaub,
hier liegt der Fokus wieder mehr auf der lokalen
Fauna als auf den Ballkünsten), auf welch hohem
Niveau ich hier jammere. Aber lest selbst.
Ansonsten gibt es für unsere Stammleserschaft
wieder gewohnte Kost, für die Neueinsteiger
einen Einblick in unsere verkorksten (das „r“ vor
dem zweiten „k“ ist beabsichtigt) Seelen. Ede
beehrte erneut die iberische Halbinsel, meine
Wenigkeit berichtet mal wieder mit viel zu
verklärendem Blick vom Stiefel, dazu der ein oder
andere Balkanknaller und die so liebgewonnenen
Regionalligakicks
irgendwelcher
Zweitvertretungen – also im Endeffekt nichts, was
es nicht auch woanders zu lesen gibt, wären da
nicht gefühlt mehr Berichte zu nicht gesehen
Spielen als zu solchen, bei denen man tatsächlich
anwesend war. Das ganze wird literarisch wieder
in komplexeste Sätze verpackt, die so
verschachtelt sind, dass man sie trotz höchster
Lesekonzentration erst nach mehrmaliger
Wiederholung in Gänze erfassen kann – behauptet
zumindest Kate. Der inflationäre Einsatz von
Zwinkersmileys wird ebenfalls beibehalten. Aber
lest selbst. *Zwinkersmiley*
Am Layout haben sich erstmal nur Kleinigkeiten
geändert, ich bezweifle aber, dass diese
überhaupt jemandem auffallen. Mehr ins Gewicht
fällt da schon im wahrsten Sinne des Wortes der
größere Umfang, satte 30 Seiten mehr hat dieses
Werk zu bieten. Für die bestimmt erscheinende
Folgeausgabe kündige ich aber schonmal ganz
großkotzig an, dass bis dahin etwas am Layout
und der gesamten Optik gearbeitet wird – ob wir
es dann umsetzen können, wissen bisher nur die
Jungs und Mädels im Olymp. Aber bis dahin, lest
selbst.
Bevor ich den obligatorischen Gruß und Dank an
alle, die mich kennen und alle, die mich nicht
kennen, ausspreche, besonders allen Mitstreitern
auf den bewältigten Ausflügen (hiermit getan),
möchte ich es nicht versäumen, aus gegebenem
Anlass eine Beschwerde an RTL zu richten. Ja, das
hier ist nicht der Dröhnbütel, und nein, das soll
auch kein Abklatsch sein, ich verfolge Jo Gerners
Leben schon länger als das vom Prof, von daher
habe ich das gute Recht, mich über die Absetzung
des GZSZ Brunches samstagmorgens aufzuregen.
Meint ihr das eigentlich ernst? Denkt ihr wirklich,
der Baulichtreport erzielt eine bessere Quote?
Hallo, der Blaulichtreport??? Was mach ich jetzt
samstagmorgens? Da wird einem auch das letzte
Alibi genommen, nicht zum Fußball zu fahren. So
was affiges, echt jetzt. Ich werde wohl nie
erfahren, ob die Gefängnisrevolte in Malaysia
erfolgreich verläuft. Sorry, musste mal sein. Aber
da meine Lebensmaxime ja besagt, immer das
Positive zu sehen, mache ich das einfach mal und
freue ich auf die freigewordene Zeit samstags.
Und da sich ja auch die magische SGE anschickt, in
kommender Zeit hopperfreundlich etwas öfter
montags anzutreten, steht in der Zukunft
spontanen Wochenendausflügen außer unserer
eigenen Verpeiltheit nichts mehr im Wege. Ihr
seht, rosige Zeiten bei eurer Redaktion. Bevor ich
mich zu sehr aufrege, übergebe ich das Wort an
Ede, schließlich ist das immer noch dessen
Spezialgebiet. Also, hast Du noch was zu sagen?
Vielleicht auch eine Hasstirade auf RTL oder
Frank?
Außer dem üblichen Dankesgedöns ist eine
Hasstirade auf RTL und Frank wirklich sehr
einladend. Beide sind so scheiße, dass man es nicht
wirklich in Worte fassen kann. Was diese
Ahnungslosen für Gedankengänge hegen und den
GZSZ-Brunch einfach abschaffen, ist für mich
genauso wenig nachvollziehbar wie die meisten
Aktionen dieses Frank, der genauso emotionslos vor
sich hin lebt wie die Schauspieler im Blaulichtreport
agieren. Mal unter uns, kennt ihr irgendjemanden,
der Samstagmorgens den Blaulichtreport schauen
würde?! GZSZ-Brunch war immer ein Riesenthema,
wenn man sich dann gegen Mittag am Waldstadion
zusammengefunden hatte. Na ja, diese
Entscheidung des Senders zeigt, dass die
Führungsetage wohl genauso witz-, emotions- und
ahnungslos sein muss, wie ein Frank, hat dieser
doch für gewöhnlich genauso geile Ideen wie diese
Lappen, sodass man eine fachliche, sowie
menschliche Nähe zu diesen nicht einfach
wegdiskutieren kann. In diesem Sinne Frank for RTL!
Diese Kombo stelle ich mir so attraktiv vor wie
Werder II gg. Stuttgart II bei Schneesturm und um
den Gefrierpunkt zu schauen. Aber das macht
wenigstens noch Sinn *räusper*.
gekommen sein, hat das aber auch mal so rein gar
nichts mit Zensur oder sonstigem zu tun. Weiß der
Teufel, wo das hin ist…Und wer sich fragt, wer
oder was dieser Frank ist: Man wird es nie wissen,
es ist und bleibt ein Mysterium.
Und auch diesmal gilt wieder, dass „Trespass“ kein
Erzeugnis im presserechtlichen Sinne, sondern als
Rundschreiben an Freunde und Bekannte
anzusehen ist. Namentlich gekennzeichnete
Berichte geben nicht zwangsläufig die Meinung
der gesamten Redaktion wieder, selbst wenn die
Autoren die gesamte Redaktion repräsentieren.
Einen Aufruf zu illegalen Handlungen jedweder
Art oder gar übermäßigem Alkoholkonsums
können wir besten Gewissens von uns weisen. Im
Gegenteil, wir warnen sogar ausdrücklich davor,
im Falle des Alkohols wird sogar anschaulich von
den schlechten Folgen dessen berichtet. Wer
etwas anderes in die Zeilen interpretiert, soll nach
Konsum der Lektüre tun und lassen was er
möchte, uns aber nicht dafür verantwortlich
machen. Ebenso wenig, wie wir unsere
Leserschaft zu Gewalt, Drogenkonsum oder
Prostitution aufrufen, möchten wir uns mit dem
Verkaufspreis ein goldenes Näschen verdienen.
Wie üblich, dienen die Kosten nur der Deckung der
Produktionskosten.
Reicht fürs Intro. Wie gehabt, würden wir uns über
Feedback jedweder Art sehr freuen, bis dahin
bleibt mir nur, viel Spaß zu wünschen. Aber jetzt
lest selbst.
Bis zur nächsten Ausgabe,
Eure Redaktion, Korrektur und Meckertante in
Personalunion
Aus gegebenem Anlass folgt hier nochmals ein
kleiner Einschub. Die Redaktion des Trespass
spricht sich zu 101% für Pressefreiheit und gegen
Zensur aus. Sollten also Teile aus Edes Wutrede
unter unerklärlichen Gründen abhanden
Urlaub Part 1
U
rlaub. Endlich.
Für den diesjährigen Jahresurlaub Teil 1 war
keine aufwendige Fernreise geplant, sondern
es sollte Kate und mich in Richtung Balkan
ziehen, da diese Region für sie noch relatives
Neuland bedeutete und ich mich hier ja nicht
oft genug aufhalten kann. Wer die Erstausgabe
eures neuen Lieblingsreisemagazins gelesen
hat, wird sich sicherlich noch erinnern, dass bei
gemeinsamen Ausfahrten mit Kate der Fußball
nicht im Vordergrund steht, allerdings auch
nicht zu kurz kommt. Da wir quasi bis kurz vor
Abfahrt noch keine genaue Vorstellung der
Reiseroute hatten (diese sollte sich u.a. auch
durch die genauen Ansetzungen in der
Europapokal-Quali ergeben), war auch noch
nicht klar, wie viele Spiele eingebaut werden
konnten, also ließen wir einfach mal alles auf
uns zukommen.
Am frühen Donnerstagmorgen, wir schrieben
den 09.07.2015 und böse Geister behaupten, es
war noch mitten in der Nacht, setzte sich der
legendäre Sinner-Express vollbeladen mit
kistenweise Gummibärchen und weiterem
ungesunden Knabberzeugs, sensationellen
Mixtapes aus den goldenen 90ern, die jedoch
nie den Weg ins nicht mehr vorhandene
Kassettenfach fanden, sowie den jetzt schon
übermüdeten Astralkörpern der beiden
Hauptdarsteller in Bewegung. Erster
Zwischenstopp – wenn man den
obligatorischen Stau rund um Würzburg, der
größtenteils schlafend überbrückt wurde,
außen vor lässt – sollte mal wieder Bratislava
sein. Neben Nostalgiegründen, da unser letzter
Roadtrip gen Osteuropa auch hier startete,
spielten vor allem praktische Gründe eine Rolle
für die Entscheidung, hier aufzuschlagen,
schließlich lag mir Kate schon seit Tagen in den
Ohren, dass sie endlich den Länderpunkt
Slowakei wegkloppen will. Und da rein zufällig
heute Abend Slovan Pressburg in der EL Quali
antreten sollte, habe ich das mal ganz
gentleman-like in die Tourenplanung
eingebaut und persönliche Präferenzen hinten
angestellt – so oder so ähnlich muss es
gewesen sein.
Da wir erst knapp vor Spielbeginn in unser
riesiges Apartment eincheckten, bleib für einen
Stadtbummel samt ordentlicher
Nahrungsaufnahme keine Zeit, so dass sich
ganz stilecht am Grillstand vorm Kaufland
nebst Gestalten Marke Trucker nach einer
einwöchigen Tour ohne jegliche Körperpflege
oder Ex-Pornosternchen, das ein Problem mit
dem Älterwerden hat, - also der ganz normalen
Bevölkerung – mit einer Portion Pommes (für
Kate) bzw. zwei Klobasas (für mich – sehr
lecker) eingedeckt wurde, bevor wir uns den
Weg durch die Massen ins Stadion bahnten.
Slovan Bratislava – College Europa 3:0
2.145 Zuschauer
Europa League Qualifikation, Do. 09.07.2015
Tja, heute sollte es zum mit Spannung
erwarteten Rückspiel in der zweiten Runde der
Qualifikation zur Europa League kommen. Für
mich sollte es auch gleich eine Premiere
darstellen, da es das erste Mal war, dass ich
einen Verein aus Gibraltar in Aktion sehen
sollte. Der Fußballverband Gibraltars (Gibraltar
Football Association) wurde zwar bereits 1895
gegründet, ist allerdings bekanntermaßen erst
seit 2013 Vollmitglied der UEFA (jedoch nicht
der FIFA), so dass die Vereine seitdem auch an
den internationalen Wettbewerben teilnehmen
dürfen. Überraschenderweise sind die Erfolge
auf internationaler Ebene bisher jedoch noch
sehr gering, was sich in der UEFA
Fünfjahreswertung mit einem 54. Platz (von 54
Plätzen) wiederspiegelt. Für das heutige Spiel
lag die Sensation, also das Weiterkommen der
Gastmannschaft, zwar im Bereich des
Möglichen, die Wahrscheinlichkeit dafür hätte
ich im Vorfeld aber im 0,0 Promillebereich
eingeordnet, was somit geringer als der
durchschnittliche Alkoholpegel der
anwesenden Zuschauer war. Nach dem Slovan
das Hinspiel in Gibraltar bereits mit 6:0 für sich
entscheiden konnte, gab sich auch im
Rückspiel die entfesselt aufspielende Heimelf
unter Leitung ihres Kapitäns und
Publikumslieblings Robert Vittek (oder wie der
Nürnberger Stadionsprecher sagen würde:
Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrobert – argh, da kommen
wieder Erinnerungen und Aggressionen an das
Auswärtsspiel im Februar 2008 hoch) keine
Blöße und wies den Underdog mit einem
nahezu lächerlichen 3:0 in ihre Grenzen.
Fußballerische Glanzlichter konnten demnach
wie erwartet nicht gesetzt werden, Stimmung
kam trotz Anwesenheit und Zaunbeflaggung
USPs (also Ultras Slovan Pressburg, nicht
deren Namensvetter aus St. Pauli) nur
sporadisch auf, dafür sorgte das Publikum, die
anwesenden Pressevertreter sowie die
Sanitäter für Kurzweil. Wenn man jetzt
oberflächlich wäre und rein nach optischen
Gesichtspunkten urteilen würde, hätte man
sich auch auf einem tschechischen Sportplatz
zum Sonntagmorgenspiel wähnen können.
Ganz großes Kino. Ich glaube, wenn ich
verletzt auf dem Boden gelegen hätte, wäre ich
freiwillig wieder aufgestanden, bevor die
Kreuzungen aus Quasimoto und Gargamel
mich erreicht hätten. Also ging es nach
Beendigung der heutigen Pflicht doch recht
zufrieden und mit allerhand skurriler Eindrücke
wieder ins Apartment, wo nur noch geschlafen
wurde, bevor am nächsten Tag der Urlaub
richtig beginnen sollte.
Begann er auch. Vormittags bei herrlichem
Wetter erst noch durch die wirklich schöne
Altstadt Bratislavas flaniert, zog es uns auf
unserem Weg nach Zagreb auf einen kurzen
Abstecher nach Siofok an den Balaton. Hier
wollten wir eigentlich nur kurz eine Schüssel
Gulaschsuppe sowie eine üppige Szegediner
Holzplatte zu uns nehmen, doch da unser
anvisiertes Lieblingsrestaurant wohl
mittlerweile nicht mehr existent ist, wurde der
Stopp eben kurzerhand zur Auffüllung der
Nasch- und vor allem Alkoholvorräte genutzt
(Holunder-Radler und Schoko-Nuss-Likör…so
ganz leicht schwul hört sich das schon an). Zu
den Klängen von Raffaella Carràs „A far
l'amore comincia tu“ (Scoppia Scoppia mi scoo
– von uns umgedichtet zu „Skopje Skopje mi
skop“), das sich bis zur Ankunft in Skopje zu
unserem absoluten Urlaubshit entwickelt
hatte, erreichten wir zu späterer Stunde
Zagreb, an dem wir aus Zeitgründen jedoch
erstmal vorbeifahren mussten, schließlich
wartete im nur wenige Kilometer vor Zagreb
liegenden Zaprešić das Eröffnungsspiel der
diesjährigen ersten kroatischen Liga auf uns.
Inter Zaprešić - HNK Rijeka 0:0
3.380 Zuschauer (400 Gäste)
1. Liga Kroatien, Fr. 10.07.2015
Bereits vor Anpfiff konnten uns das
Rahmenprogramm und die Eröffnungsshow
zur Einstimmung auf die neue Saison voll und
ganz überzeugen, war dies schlicht und einfach
nicht vorhanden. Kein unnötiges
Sponsorengelaber, keine Theateraufführung
und kein inszeniertes Feuerwerk, lediglich zwei
Mannschaften die sich auf einem
dorfsportplatzähnlichen Geläuf auf das erste
Kräftemessen der noch nicht begonnenen
Spielzeit 2015/16 vorbereiteten. Umgeben
wird der Acker von einer bestuhlten
Haupttribüne auf der einen und einer vielleicht
fünfstufigen Stehtraverse auf der anderen
Seite, hinter den beiden Toren befindet sich
keinerlei Ausbau.
In Anbetracht dessen, dass der
Zuschauerschnitt der höchsten kroatischen
Spielklasse in der letzten Saison bei ca. 2.000
lag, wollten sich heute sehr gute knapp 3.500
den Eröffnungskick zwischen dem
gastgebenden Aufsteiger und dem
letztjährigen Pokalsieger nicht entgehen
lassen. Inter Zaprešić ist dann wohl auch das,
was man unter einer Fahrstuhlmannschaft
versteht, pendelte man in den letzten Jahren
doch regelmäßig zwischen erster und zweiter
Liga hin und her. Den größten Erfolg der
Vereinsgeschichte dürfte wohl der Pokalsieg
1992, u.a. mit Zvonomir Soldo als Spieler,
darstellen, damals noch unter dem Namen NK
INKER Zaprešić, was zu einer mehr oder
weniger interessanten Geschichte zum
Vereinsnamen führt. Die Bezeichnung „Inter“
nämlich ist nicht der ursprüngliche
Vereinsname, sondern wurde erst 2003
angenommen, um einen ähnlich klingenden
Namen wie den bis dahin gültigen „INKER“ zu
haben. Bei INKER hingegen handelte es sich
um den Hauptsponsor (der nationalen
Keramikindustrie), der sein Engagement als
Sponsor jedoch 2003 einstellte, wodurch es zur
Namensänderung kam (der Vollständigkeit
halber: Die Firma INKER ist der Nachfolger der
Jugokeramika, die sich nach dem Ende
Jugoslawiens in INKER umbenannte. Ergo hieß
der Verein zu Zeiten Titos noch „Jugokeramika
Zaprešić“). Eine aktive Fanszene ist mir nicht
bekannt und ließ sich auch nicht ausmachen.
Ganz im Gegensatz natürlich zum heutigen
Gegenüber aus Rijeka. Diese waren rund um
die Armada mit gut und gerne 400 Leuten zu
Besuch und versammelten sich auf der
Gegengeraden, konnten mich jedoch nicht voll
und ganz überzeugen. Ich weiß jetzt nicht, ob
es Lustlosigkeit war oder ob das
enttäuschende Spiel aufs Gemüt drückte, aber
bei meinen bisher gesehen Auftritten hatten
sie einen wesentlich besseren Eindruck
hinterlassen. Lediglich Mitte der zweiten Hälfte
wurde sich über mehrere Minuten in einen
Rausch gesungen und dabei der ein oder
andere Breslauer entflammt, alles in allem aber
eher solala. Aber gut, die Erwartungshaltung
wird auch eine andere gewesen sein. Man will
sich bzw. hat sich als zweite Kraft neben
Dinamo etabliert, gewann letztes Jahr den
Pokal und spielt regelmäßig international, da
muss einfach mehr kommen als ein mit viel
Glück zusammengeschusterter Punkt bei
einem Aufsteiger.
So war es nicht verwunderlich, dass für das
eigentliche Tribünenhighlight auf der
Heimseite gesorgt wurde, stand hier doch über
die komplette Spielzeit ein recht betagter Herr
am Zaun und beleidigte die Gästefans, - spieler
und – betreuer über die gesamte Spielzeit mit
Worten und Gesten. Ein absolutes Highlight,
wie er nach jeder nur annähernd aufregenden
Spielsituation seine Mittelfinger in die Höhe
reckte und irgendetwas Unverständliches gen
Platz grölte – den von uns verliehenen
Spitznamen „Pöbelopa“ hatte er sich redlich
verdient. Und so sind es wieder wie schon tags
zuvor diese kleinen Randerscheinungen, die
einen Spielbesuch zu einem Erlebnis machen
und alles rechtfertigen – herrlich.
Nach Abpfiff stand dann auch nur noch der
Check-In in unserem sehr nicen Hotel für die
nächsten drei Tage an, gefolgt von einem
ausgiebigen Schlaf und am folgenden Samstag
wurde Kate mal geschont und kein weiterer
Spielbesuch angesetzt. Trotzdem führte uns
der erste Weg morgens direkt zum Stadion
Maksimir. Kate konnte ich den Weg insofern
schmackhaft machen, dass im direkt
angrenzenden Park der Zoo lokalisiert ist, ich
hingegen musste mich erstmal um die
Ticketbeschaffung für das morgige Derby
kümmern. Als die Spielpläne in der
Sommerpause rauskamen, wusste ich nicht, ob
ich mich freuen oder ärgern sollte, dass der
kroatische Superclassico in unseren
Reisezeitraum gelegt wurde. Einerseits allein
schon von Klang her ein gutes Spiel und selbst
wenn Bad Blue Boys nicht im Stadion sind,
könnte mit etwas Glück dennoch ein guter
Haufen aus Split anreisen, andererseits war das
auch nur eine Wunschvorstellung, der Blick auf
die letzten vergangen Duelle verhieß nichts
Gutes. Die Situation bei Dinamo Zagreb dürfte
ja jedem geläufig sein. Der Mamic Clan rund
um die Brüder Zdravko (Präsident) und Zoran
(ehemals Manger, jetzt Trainer) hält alle Zepter
in der Hand und bestimmt die Geschicke
Dinamos und quasi auch des gesamten
kroatischen Fußballs nach Belieben. Dass sie
korrupt bis zum Umfallen sind und bei
Transfers in die eigene Tasche wirtschaften, ist
ein offenes Geheimnis. Wer sich wehrt, wird
mundtot gemacht – von mafiösen
Verhältnissen zu sprechen ist sicherlich nicht
untertrieben. Offener Krieg herrscht mit den
Ultras der Bad Blue Boys, die sich seit Jahren
gegen Mamic stellen und dessen Absetzung
fordern, was mittlerweile in unzähligen
Stadionverboten, der Verbannung aus der
Nordkurve und weiteren Repressalien
gegenüber BBB gipfelte. Mit aller Macht wird
versucht, diese endgültig aus dem Stadion zu
bekommen, was aktuell leider auch gelungen
ist. Auswärts fährt man zwar, zu Hause ist man
im Augenblick aber nur bei dem von ihnen
geleiteten Futsal Club präsent, natürlich
arbeitet man aber immer wieder an der
Rückkehr ins Stadion. So lange Mamic jedoch
da ist, wird das nicht passieren. Seit kurzem ist
zwar eine neue, ebenfalls „Bad Blue Boys“
genannte Gruppe präsent, diese werden aber
vom Mamic Clan unterstützt und gelten
logischerweise gemeinhin als Verräter. Mit
diesen kommt es immer wieder zu
Auseinandersetzungen, Höhepunkt waren die
Schüsse, die von Seiten der Verräter auf die
wahren BBB abgegeben wurden, wobei es zu
zwei Schwerverletzten kam. Auch hierfür wird
hinter vorgehaltener Hand Mamic
verantwortlich gemacht.
Aber auch für die Torcida war das Derby in
letzter Zeit von immer mehr Repressionen
geprägt. Höhepunkt war dann sicherlich im
November 2014, als eine große Anzahl Hajduk-
Anhänger nicht ins Stadion durfte, woraufhin
die Mannschaft ebenfalls nicht antrat und noch
in derselben Nacht die Rückreise nach Split
antrat, wo sie im Stadion Poljud von tausenden
Fans begeistert empfangen wurde.
Man durfte also gespannt sein, was sich Mamic
und die Staatsmacht diesmal einfallen lassen
würden. Doch in der Woche vor dem Spiel
überschlugen sich dann plötzlich die
Ereignisse. Die Brüder Mamic wurden wegen
irgendwelcher Steuergeschichten verhaftet,
und es zeichnete sich ab, dass die Sache
diesmal ernster aussah als üblich. Nach und
nach kamen die ersten Gerüchte auf, dass BBB
dies zum Anlass nehmen, um wieder ins
Stadion zurückzukehren, sicher war das aber
erst, als Mitte der Woche eine Stellungnahme
kam, dass sie tatsächlich wieder die Nordkurve
bevölkern würden. Dadurch entbrannte eine
regelrechte Euphorie in und um Zagreb und es
gab einen niemals vermuteten Run auf die
Eintrittskarten.
Damit jedoch noch nicht genug des
Vorgeplänkels. Einen Tag später kam von
Vereinsseite die Info, dass der mittlere Bereich
der Nord für die Pro-Mamic Gruppe bestimmt
ist. Natürlich eine unfassbare Provokation den
wahren BBB gegenüber, und man konnte nur
gespannt sein, was am Spieltag selbst
passieren würde.
Jetzt aber erstmal genug zur Vorgeschichte, es
waren ja schließlich noch 36 Stunden Zeit bis
es losgehen sollte. Nachdem die
Ticketbeschaffung (personalisiert, daher nur
eine Karte pro Person möglich) zur vollsten
Zufriedenheit erledigt werden konnte,
schnuffelten wir erstmal im Zoo vorbei, der uns
beide wirklich überzeugte. Eine wirklich schöne
Anlage mit auch nicht alltäglichen Tieren in
tollen Gehegen – bekommt unsere absolute
Empfehlung. Zagreb als Stadt punktete bei der
Besichtigung ebenfalls, nur fragen wir uns bis
heute, wo denn die Leute waren. Wenn hier
nicht ein japanischer Touristenbus seine mit
Kameras und lustigen Kopfbedeckungen
geschmückten Insassen ausgespuckt hätte,
wären wir womöglich noch die einzigen
Fußgänger in dieser Geisterstadt gewesen. Ob
das an den Temperaturen weit jenseits der 30
Grad gelegen hat und der gemeine
Hauptstädter sich lieber in der kühlen
Wohnung oder in den reichlich vorhandenen
Naherholungsgebieten vergnügt ? Wir werden
es nie erfahren, seltsam war es allemal.
Am Sonntag dann dasselbe Bild. Außer uns
und ein paar wenigen mutigen Gestalten traute
sich niemand auf die Straßen, so dass wir die
restlichen Sightseeingpunkte in aller
Seelenruhe genießen konnten, bevor wir uns
mittags mit Moritz, der für das Spiel sowie
einer der letzten Möglichkeiten, das Kantrida
in Rijeka zu kreuzen, angereist war, im
„Beachclub“ unterhalb der Kathedrale trafen.
Auch hier waren wir natürlich die einzigen
Gäste, was insofern von Vorteil war, dass der
Pivo-Nachschub zumindest nicht lange auf sich
warten lassen musste. So haben wir die Zeit bis
zum Anpfiff auch gut verlabert, ehe sich vorm
Stadion die Wege wieder trennten, da Moritz
im nördlichen Oberrang Platz nehmen musste,
während wir zwei beiden auf die Gegengerade
durften. Dass wir diese aber überhaupt
betreten durften, war auch mal wieder so ein
Fall für sich. Da hatte Kate doch glatt das
Zeitfenster ausgereizt, innerhalb dessen das
Drehkreuz nach dem Scan der Karte geöffnet
ist, und wir standen mit einem nicht mehr
funktionierenden Ticket auf der falschen Seite
des Einlasses. Oh Mann. Zum Glück konnten
wir die Ordner überzeugen und uns wurde ein
separates Tor geöffnet, durch das wir eintreten
konnten. Danke hierfür nochmals.
Gnk Dinamo Zagreb – HNK Hajduk Split 1:1
25.000 Zuschauer (3.500 Gäste)
1. Liga Kroatien, So. 12.07.2015
Durch das ganze sich ewig ziehende
Einlassprozedere verpassten wir dann auch die
erwarteten Kämpfe auf der Nord. Dort standen
zunächst wie angekündigt die Mamic-treuen
im Zentrum, ehe sie von den hereinstürmenden
BBB nonverbal in ihre Schranken
gewiesen wurden und fortan das Spiel in einem
streng abgeschirmten Block am Rande der
Tribüne verfolgen mussten. Moritz berichtete
im Nachhinein dann noch von einem
Polizeieinsatz unter der Tribüne samt
Pfeffersprayeinsätzen in den Treppenaufgängen,
aber auch davon war auf der
Gegentribüne nichts mitzubekommen.
Bis auf den Pufferblock zwischen den beiden
verfeindeten Parteien war die Nord dann
gerammelt voll, genau wie der Rest des
Stadions, wenn man mal vom geschlossenen
Oberrang der Haupttribüne absieht. Schon
beeindruckend, was hier immer noch ein
Potential abgerufen werden kann und
eigentlich sollte der heutige
Zuschauerzuspruch dem Verein und vor allem
Mamic zu denken geben, nur leider wird es
keinen davon interessieren (und seit deren
Haftentlassung eine Woche später geht auch
alles wieder seinen gewohnten traurigen
Gang). Großartige optische Aktionen wurden
nicht geboten, als einzige Zaunfahne hing ein
großes, den Umständen angemessenes
Transparent mit Aufschrift „Sloboba Dinamu“
(Freiheit für Dinamo). Auch auf die von früher
bekannten, ausufernden Pyroinfernos wurde
verzichtet, wohl auch, um keine Angriffsfläche
für weitere Stadionverbote zu bieten. Dafür
war das wichtigste – die akustische
Unterstützung – aber der reinste Genuss. In der
ersten Hälfte dauerte es zwar, vielleicht
geschuldet durch den frühen Gegentreffer,
noch, bis der Funken auf die gesamte Kurve
übersprang, im zweiten Durchgang gab es
dann aber kein Halten mehr und ich konnte
meine Augen gar nicht mehr abwenden. Aber
da auf dem Rasen eh nur noch fettreduzierte
Magerkost geboten wurde, war dies auch nicht
weiter tragisch. Phänomenal, wie nahezu der
komplette Unterrang oberkörperfrei sang und
sprang, ab und an mal eine Fackel in den
mickrigen Haufen Verräter schmiss oder das
bekannte, große „V“ mit den Armen bildete,
gefolgt von brachialen Klatscheinlagen. Kurz
vor Ende der Partie packten sie dann ein und
verließen relativ schnell das Stadion und
hatten einfach mal so in der kurzen Zeit ihrer
Anwesenheit gezeigt, wo der Hammer hängt.
Fantastischer Auftritt meiner Meinung nach.
Auch wenn Moritz in der Nachbetrachtung
ganz anderer Meinung war. Von seiner Position
aus war wohl aus Reihen der BBB nicht viel zu
vernehmen, dafür bekam er den kompletten
verbalen Druck der Torcida zu spüren. Diese
hatten bis auf einen kleinen Pufferbereich die
komplette Hintertorkurve eingenommen,
dürften gut und gerne 3.500 Mann gewesen
sein. Auch hier keine größeren optischen
Aktionen, dafür ebenso die reine Stimmgewalt.
Gerade am Anfang (beflügelt durch die frühe
Führung) und am Ende der Partie, als das
sensationelle „Dalmacijo“ intoniert wurde,
schlackerten mir die Ohren. In der Zeit
dazwischen vernahm ich nicht so viel, zu
fasziniert war ich von der anderen Seite.
Vielleicht kann man es zwischen den Zeilen
herauslesen, aber ich war recht begeistert :-)
Auch wenn ich vom Spiel selbst nicht so viel
mitbekommen habe. Das was ich gesehen
hatte, reichte auch um das abschließende
Urteil „Durchschnittskick – mit viel
Wohlwollen“ auszustellen. Aber man muss ja
auch so ehrlich sein und zugeben, dass das
Geschehen auf dem Rasen heute nicht die
höchste Priorität genoss – nur für den Fall, dass
hier irgendjemand noch Abhandlungen über
Spielsysteme oder Schiedsrichterentscheidungen
erwarten sollte…Nix gibt’s.
Für uns hieß es nach einer vergeblichen
Nahrungssuche am nächsten Tag endlich zum
lange erwarteten Highlight unser Reise zu
gelangen. Nachdem der Grenzübertritt zu den
Klängen von „Er ist wieder da“ problemlos
bewältigt werden konnte, steuerten wir auf
dem Weg nach Sarajevo die weltberühmten
bosnischen Pyramiden an. Wer jetzt
Fragezeichen über seinem Kopf sieht, dem darf
ich versichern, dass es uns bis vor kurzem auch
noch so ging. Und das, obwohl es sich bei den
besagten Pyramiden doch um die größten
ihrer Art weltweit handeln soll – so zumindest
die Aussage ihres Entdeckers Semir
Osmanagić. Dass das von allen renommierten
Wissenschaftlern, Geologen oder Historikern
als kompletter Nonsens abgetan wird –
geschenkt. Wir vertrauten dem guten Herrn
Osmanagić jedenfalls und schauten uns diese
bahnbrechende Entdeckung live vor Ort an.
Und – ich sage es gleich – wir wurden nicht
enttäuscht. Was einem hier geboten wird, ist
an Skurrilität schwerlich zu übertreffen. Schon
weit vorher ausgeschildert, befinden sich die
Pyramiden beim Ort Visoko und es soll
tatsächlich Stücker fünf von diesen Monstren
geben. Das Problem an der Sache ist nur, dass
sie über die Jahrtausende hinweg komplett
zugewachsen sind und man heutzutage nur
noch Berge sieht, die aber zugegeben schon
aus gewissen Blickwinkeln betrachtet die Form
einer Pyramide haben könnten. Auf die größte
(die Sonnenpyramide – natürlich) wagten wir
uns dann vor dem bald einsetzenden Regen
auch mal hinauf. Hör mir uff. Dass einem auf
pseudowissenschaftlichen Schautafeln
irgendwelche Gesteinsbrocken als 10.000 Jahre
alter Beton verkauft werden, schön und gut.
Wenn dann den Bergen, äh Pyramiden, aber
auch noch spirituelle Kräfte nachgesagt und
noch viel spirituellere Reisen samt
morgendlichen Balzzeremonien auf dem Gipfel
angeboten werden, dann sprechen wohl nicht
nur die größten Kritiker von irgendeiner Form
der Verarsche. Wir jedenfalls waren vollends
überzeugt, dass wir unseren nächsten Urlaub
hier verbringen werden, um uns mal richtig
schön beleuchten zu lassen. Zumindest die
Hobbyarchäologen in uns wurden auf jeden
Fall erweckt, erkannten wir doch fortan auf
dem weiteren Weg gen Sarajevo (und auch
darüber hinaus) hinter jedem halbwegs
kantigen Berg eine weitere Pyramide. Hier gibt
es auf jeden Fall noch einiges zu erforschen,
daher übergebe ich wieder an Herrn
Osmanagic (und falls ich ihm unrecht tue und
es sich tatsächlich um echte Pyramiden
handeln sollte, ist hier auch gleich meine
offizielle Entschuldigung für mein Misstrauen).
Für die nächsten drei Nächte hieß unser
Zwischenziel dann Sarajevo. Bis auf einen
kleinen morgendlichen Spaziergang im April
(vgl. Trespass Vol.1) war das peinlicherweise
absolutes Neuland für uns. Aber was sich
damals schon vermuten ließ, bestätigte sich
während unseres Aufenthaltes absolut. Die
Stadt hatte es uns angetan, auch wenn die
Geschichte und die noch überall sichtbaren
Kriegsspuren sehr bedrückend sind. Aber
gerade dadurch nimmt man die Umgebung
auch sehr intensiv wahr. Ansonsten muss ich es
ja nicht groß beschreiben, hat ja sicher fast
jeder schon gesehen oder zu Genüge darüber
gelesen, aber der Kontrast aus
„oriendoalischer“ (O-Ton einer Tourigruppe
aus unserem alpinen Nachbarland) Altstadt,
modernen Hochhäusern und Kriegsspuren in
Verbindung mit der exorbitanten Lage
inmitten eines Talkessels sowie der
spannenden Geschichte ist einfach extrem
faszinierend. Hier kann man guten Gewissens
mehrere Tage verbringen und es wird für jeden
Geschmack etwas geboten. Im Vergleich zu
Zagreb herrschte auch viel mehr Leben auf den
Straßen und selbst spätabends unter der
Woche waren alle Bars brechend voll. Es
machte so den Eindruck, als wolle die
Bevölkerung nach den schlimmen Kriegsjahren
jetzt erstmal das Leben genießen.
War der Aufenthalt in Sarajevo ja schon ein
Highlight für uns, sollte die Krönung am späten
Dienstagabend mit dem Championsleage-
Qualispiel zwischen dem bosnischen und dem
polnischen Meister erfolgen. Gleichbedeutend
war dies dann wohl auch mit Blick auf die
Stehtraversen das interessanteste Match der
zweiten Runde. Die Tickets hatten wir uns
mittags schon an einem mobilen
Verkaufsstand im Stadtzentrum gesichert. Als
sich mit zunehmender Stunde immer mehr
weinrot-bekleidete
Menschen
zusammenrotteten, zog es uns auch in
Richtung Olympiastadion, das wir nach einem
stetig ansteigenden längeren Fußmarsch auch
irgendwann erreichten.
FK Sarajevo – Lech Poznań 0:2
16.500 Zuschauer (800 Gäste)
CL Qaulifikation, Di. 14.07.2015
Am Stadion angekommen, bestand die erste
Amtshandlung darin, dem aus Split
angereisten Duke seine Eintrittskarte zu
übergeben. Was sich in der Theorie recht
einfach anhört, entpuppte sich in der Praxis als
Kraftakt, der uns fast den Anstoß kostete.
Nach mehreren Telefonaten konnten wir
wenigstens herausfinden, dass wir uns auf
völlig entgegengesetzten Seiten befanden, so
dass Kate und mir ein weiterer Gewaltmarsch
um das weitläufige Areal bevorstand. Am Ende
ging aber noch alles gut und wir konnten
rechtzeitig unsere Plätze im gut gefüllten Rund
einnehmen.
Damit konnten wir uns jetzt auch endlich dem
Wesentlichen widmen. Rein vom Papier her
handelte es sich ja schon um eine sehr brisante
Angelegenheit, in der Realität bestätigte sich
das am Vorabend in Sarajevos Vorort Vogošća,
als es heftige Ausschreitungen zwischen
Anhängern beider Vereine mit etlichen
Verletzen gab. Am Spieltag selbst wurden die
Lech Kibice streng von der Staatsmacht
bewacht, so dass es ruhig blieb. Dennoch, oder
gerade deswegen, lag ein spürbares Knistern in
der Luft.
Mit Erklingen der CL-Hymne (lief die
überhaupt?) betraten die Nebenakteure das
Spielfeld, während es die heutigen
Hauptdarsteller in den jeweiligen Kurven
visuell relativ nüchtern, dafür akustisch umso
brachialer angingen. Als einzige optische
Aktion hing vor der Heimkurve ein riesiges
Banner zum traurigen Jubiläum des Massakers
von Srebrenica („never forget - Srebrenica
genocide- never forgive), bei dem Mitte Juli
1995 8.000 Bosniaken unter den Augen der
Weltöffentlichkeit ermordet wurden (und das
soll an Worten dazu auch reichen, sollte eh
jeder wissen). Zu diesem Zeitpunkt war im
Gästesektor noch nicht allzu viel los, dieser
füllte sich erst mit zunehmender Spieldauer.
Spätestens ab dann wanderten aber unsere
Augen und Ohren ständig hin und her. Und ich
sage explizit „unsere“, denn auch Kate war
recht angetan vom Dargebotenen, sie verteilte
mit den beiden Sätzen „Die machen ja ganz
schön Deebes“ und „die gefallen mir auch gut“
geradezu Höchstnoten. Ab und an wurde ich
sogar darauf hingewiesen, dass „die ja wieder
hopsen“ oder „cool klatschen“. Jetzt hätte ich
mal so gar kein schlechtes Gewissen haben
brauchen, dass ich Kate mit zum Fußi
schleppte, aber nein, da muss es ab der
zweiten Hälfte plötzlich merklich abkühlen,
und da wir natürlich schlau wie wir sind ohne
Jacke unterwegs waren, wurden die letzten
Minuten mal wieder zu einer Tortur. Argh.
Wenigstens trotzen die Mutanten im
Gästeblock der Kälte und spulten
oberkörperfrei ihr Programm runter und ließen
so für uns die letzten eisigen Minuten relativ
zügig (das ist ja auch doppeldeutig in diesem
Kontext…) rumgehen. Horda Zla und
Konsorten in der Heimkurve war es eh egal, sie
supporteten vom Anpfiff weg völlig am
Spielgeschehen vorbei. Das ist ja so eigentlich
gar nicht mein Ding, aber es kam trotzdem
ziemlich cool rüber. Und auch wenn südliche
Melodien und Balkanstimmen eigentlich ein
Paradoxon sind, war der minutenlange Dale
Sarajevo für mich der Höhepunkt der Partie.
Besagte Partie lässt sich übrigens in einem
Satz zusammenfassen: Dass von den beiden
Mannschaften keiner die Gruppenphase
erreichen würde, konnte man nach wenigen
Spielminuten schon absehen.
Nachdem wir der Kälte dann nochmals die
Stirn boten, erreichten wir nach einem
weiteren Halbmarathon auch irgendwann um
Mitternacht das belebte Stadtzentrum, in dem
mein Auto noch brav auf uns wartete. Für
heute verabschiede ich mich dann mit dem
Ohrwurm des Abends: „Hooligans, Lech
Poznań Hooligans“.
Bis zum Wochenende hatte ich Kate jetzt eine
fußballfreie Zeit versprochen, da musste ich
mich als treusorgender Fastehemann dann
leider auch dran halten. Unsere weitere Route
führte uns über Mostar und die Buna-Quelle
nach Montenegro, immer begleitet von
traumhaften Ausblicken auf die spektakuläre
Landschaft. Im Radio hatte es sich mittlerweile
ausgehitlert, dafür waren Bob, der streunende
Kater, und sein paranoider Besitzer unsere
Begleiter für die nächsten Kilometer. Nun ja…
Aber mal eine ganz andere Sache. Ich bin ja
bekanntlich kein großer Freund dieses
technischen Fortschritts. Dadurch verlieren
viele Sachen ihren Reiz (wenn alles mit einem
Klick verfügbar ist oder man sich alles von
irgendeiner Maschine vorkauen lässt), werden
schnelllebig und vor allem verlässt man sich
viel zu sehr auf die Technik, vom ganzen
Stressfaktor des ständig Erreichbarseins mal
ganz abgesehen. Trotzdem ist mir natürlich
bewusst, dass das alles auch viel einfacher
macht und ebenso natürlich hänge auch ich zu
oft in der virtuellen Welt fest. Die Frage ist jetzt
sicherlich, warum ich das erzähle? Also, da gibt
es diese App, genennt „Maps me“, so eine
Navigationsapp. Im Prinzip eine praktische
Sache, gerade im Stadtverkehr oder wenn man
zu Fuß unterwegs ist, wirklich hilfreich, das will
ich ja gar nicht absprechen. Aber wenn uns
diese App entgegen aller Straßenschilder einen
nur von Kühen benutzten Feldweg in Richtung
bosnisch-montenegrinischer Grenze entlang
lotst, da ist das wieder so ein Zeichen, dass
man auch mal auf seinen Verstand hören sollte.
Gut, jetzt sollte man denken, man lernt daraus
und fährt beim zweiten Versuch nach
Schildern, aber denktste. Da kommt maps me
mit einem weiteren Vorschlag um die Ecke.
Diesmal war die Straße sogar geteert und am
Horizont ließ sich eine Schranke, mehrere
Fahnenmaste und ein Grenzhäuschen
ausmachen. Als wir dieses erreichten und dem
Grenzer unsere Pässe überreichten, bekamen
wir jedoch nicht den lang ersehnten Stempel
reingedrückt, sondern ein viersprachiges
Infoblatt, das uns in gebrochenem Deutsch zu
erklären versuchte, dass der Übergang nur von
Einheimischen genutzt werden konnte. Ergo
durfte ich den Sinner-Express zum
wiederholten Male wenden, woraufhin wir den
dritten Versuch auf meine Art machten. Kurze
Zeit später hatten wir dann auch
montenegrinischen Boden unter den Reifen.
Diese Navis, nur Ärger mit denen. Da muss ich
glatt nochmal daran danken – und sorry für den
Schwank in meine Vergangenheit – als uns ein
solches technisches Wunderwerk einst bei
Maribor eine Skipiste (!) hochjagen wollte, nur
um uns ein paar Tage später in irgendeinen
dunklen, unbefestigten kroatischen Bergwald
zu locken. Um die damalige Geschichte aber zu
einem versöhnlichen Ende zu bringen: Dadurch
ergab sich immer eines der, wenn nicht sogar
das, Highlight meines bisherigen Lebens,
sprang uns doch leibhaftig eine Bärenmutter
samt Nachwuchs vor die Haube und machte es
sich neben uns auf der Straße bequem. Hach,
memories in the corner of my mind…
Damit aber auch mal wieder zurück zum
Tagesgeschäft.
Wegen unserer Irrfahrt durch die Grenzregion
gerieten wir logischerweise auch unter
zeitlichen Druck, denn als wir endlich
Montenegro erreichten, hatte sich das
Firmament schon in ein bedrohlich wirkendes
Abendrot verwandelt, das kurz darauf in
tiefschwarze Nacht übergehen sollte.
Spätestens da wussten wir, wieso in den
Reiseführern vor Fahrten bei Dunkelheit
gewarnt wird. Gegenverkehr ohne Licht auf
unbefestigten Serpentinenstraßen, die mit
fußballgroßen Schlaglöchern ausgestattet
waren, ließen das Fahren zu einer
Herausforderung werden. Nur gut, dass wir bis
zu unserem Tagesziel im Durmitor
Nationalpark noch eine dreistellige
Kilometerzahl wegzuschrubben hatten.
Glücklicherweise besserten sich die
Straßenverhältnisse und wir landeten kurz
vorm Nervenzusammenbruch doch noch
erschöpft in unserem super gemütlichen Bettel
für die heutige Nacht. Noch schnell in der lauen
Sommernacht ein Bier in Verbindung mit Kippe
auf dem Balkon konsumiert, und so konnte der
Tag doch noch versöhnlich zum Abschluss
gebracht werden.
Bestens ausgeschlafen wagten wir uns am
Morgen danach an die Erkundung des Tara-
Canyons. Dabei handelt es sich um die tiefste
Schlucht Europas, bis zu 1.300 ragen die
Felswände in die Höhe. Wir wollten uns dieses
Schauspiel natürlich bei einer Rafting-Tour
vom lediglich 7°C kalten Wasser aus
anschauen. Absolut überwältigend, was die
Natur hier mal wieder geschaffen hatte. Das
türkisene Wasser schlängelt sich durch
senkrechte Felswände, hier und da am Rand
ein Wasserfall und hinter jeder Kurve neue
fantastische Ausblicke. Dazu machte das
paddeln einen unfassbaren Spaß, zumindest
bis zu dem Punkt, an dem Kate meinte, dass ihr
nicht mehr so ganz gut ist. Kurze Zeit später
hatte sie dann auch den ersten oralen Auswurf
erledigt, nach dem vielleicht 15. (ungelogen)
waren wir endlich wieder an unserem Auto
angekommen und konnten uns auf die Suche
nach einem Arzt machen. In Zabljak fanden wir
dann endlich auch ein Krankenhaus, auf dem
Weg hierher hatte ich es kurzzeitig wirklich mit
der Angst zu tun bekommen, als Kate immer
weiter kotzte und proportional dazu an
Körpertemperatur verlor. Besagtes
Krankenhaus machte dann von außen eher den
Eindruck eines in den 70er-Jahren verlassenen
Bauernhofes, von innen sah es dafür dann auch
nicht viel vertrauenerweckender aus. Aber half
ja alles nix, eine andere Möglichkeit gab es
nicht. Umso erstaunter waren wir, als die mehr
oder weniger zufällig erspähte Ärztin ein
lupenreines Englisch sprach. Und nachdem sie
Kate zwei Literampullen Kochsalzlösung in die
Venen gejagt hatte, konnten wir die Ruine
halbwegs gesund wieder verlassen. Obwohl wir
ursprünglich noch einen Tag hier oben in der
Natur bleiben wollten, hatten wir aber genug,
so dass wir unsere Ärsche gleich darauf
Richtung Beograd in Bewegung setzten. Wie
eigentlich zu jeder längeren Autofahrt in
diesem Urlaub könnte ich jetzt wieder über die
atemberaubende Landschaft schwärmen, am
schönsten war aber zu sehen, wie es Kate
minütlich besser ging. Als wir dann schon weit
nach Mitternacht Beograd erreichten, war sie
soweit auch wieder hergestellt. Hier scheine
ich mich inzwischen auch ganz gut
auszukennen, da ich uns diesmal ohne Navi
durch diverse Seitengassen zum anvisierten
Hotel kutschierte. Das einzige Problem
bestand jetzt nur darin, dass dieses Hotel
natürlich kein Zimmer mehr für uns frei hatte
(wir hatten erst ab dem Tag danach reserviert).
Aber da hatte ich ja noch den Notnagel für
solche Fälle im Petto: Auf zum Hotel Slavija!
Das artete dann zwar nochmals in einem
weiteren Gewaltmarsch aus, dafür kam auch
Kate einmal in den Genuss unklimatisierten
Ostblockcharmes. Gibt sicherlich
angenehmeres in einer Nacht, in der das
Quecksilber die 30°C Markierung nicht
unterschreitet (ebenfalls ungelogen), aber das
war uns egal, wir wollten nur noch schlafen.
Der Schlaf war insofern auch wichtig, da wir am
folgenden Tag mit exakt 26,08 zu Fuß
zurückgelegten Kilometern unseren aktuell
gültigen Schrittzählerrekord aufstellen sollten.
Nach dieser Tortur für unsere Sohlen kam am
frühen Sonntagabend die kurze Auszeit in
Form von passiver Fußballaktivität gerade
recht.
OFK Beograd – FK Crvena Zvezda 2:6
3.000 Zuschauer (2.500 Gäste)
1. Liga Serbien, So. 19.07.2015
Damit wurden wir auch Zeuge des ersten
Saisonspiels des roten Sterns. Zwar war für sie
in der Vorwoche mal wieder in der
Qualifikation zum Europacup Schluss (diesmal
nach zwei Niederlagen gegen Kairat Almaty),
für die serbische Meisterschaftsrunde hatte
man sich aber einiges vorgenommen. Für den
Rundenauftakt sollte man im ganz kleinen
Derby bei OFK zu Gast sein. OFK trägt seine
Heimspiele immer noch im Exil im Stadion
Obilic aus, das eigentlich die Heimatstätte des
FK Obilic ist, übrigens der einzige Verein neben
Partizan und Zvezda, der nach 1992 die
jugoslawische bzw. serbisch(e) (-
montenegrinische) Meisterschaft gewinnen
konnte. Für uns war der Austragungsort vor
allem aus logistischen Gründen von Vorteil, da
sich unser sehr schnuckeliges Hotel in
unmittelbarer Fußdistanz befand. Dass wir
jedoch mal wieder nicht von einem kurzen
Spaziergang reden konnten, offenbarte sich,
als wir am Stadion natürlich genau auf der
falschen Seite ankamen. Und wie das halt so
ist, wenn man eh schon keinen Bock mehr hat
zu laufen und der Anpfiff unaufhaltsam näher
rückt, muss man dann auch noch um einen
ganzen Häuserblock schlendern, um den für
uns vorgesehenen Eingang zu erreichen. Und
hier stellte sich Madame Ordner quer und
wollte uns erst nach einer intensiven Leibesund
Tascheninspektion das imaginäre
Drehkreuz passieren lassen. Wenn es nach ihr
gegangen wär, hätten wir ihr unseren
kompletten Hausrat samt Inhalt der
Geldbörsen aushändigen sollen. Also kurz
Retour, unser Hab und Gut vergraben, und
einen neuen Versuch gestartet. Außer der
Anzahl an Kaugummis gab es jetzt nichts mehr
zu monieren. Und dieses Problem wurde
gelöst, indem Kate einfach alle demonstrativ in
den Mund nahm und zu kauen begann…
Aber dann waren wir endlich in dem lediglich
auf den beiden Längsseiten bebauten
Konstrukt drin - glücklicherweise gerade noch
pünktlich, bevor der Unparteiische (als ob…)
das Spiel für eröffnet erklärte. Für Delije stand
die komplette Gegengerade und ein Eckblock
auf der Haupttribüne zur Verfügung, die sie
auch komplett füllten. Auf Heimseite war von
so etwas wie organisierter Stimmung nichts zu
erkennen, von der führenden Gruppierung
Plava Unija (Blue Union 94) war außer einigen
Tattoos und T-Shirts nichts zu sehen.
Ansonsten ist die Geschichte des Spiels schnell
erzählt. Nachdem Kate und ich es uns auf den
Betonstufen gemütlich machten, begann ein
Sturmlauf der favorisierten Gastmannschaft.
Chance auf Chance und plötzlich führt OFK zur
Halbzeit mit 2:0. Wie, wusste keiner so genau,
vor allem nicht wir, da wir hauptsächlich damit
beschäftigt waren, eine Sitzposition zu finden,
in der unsere Prachtärsche nicht ganz und gar
gegrillt wurden. Und dabei saßen wir schon im
Schatten, ich will gar nicht wissen, wie heiß die
Stufen in der Sonne waren.
Delije machten derweil das, was sie am besten
können. Trommeln, singen und zündeln, dass
ich alle Schmerzen und Juckreize an meinem
Sitzfleisch ausblendete und Kate wie wild
Fotos knipste und wie schon in Sarajevo
attestierte, dass auch die ganz schöne Deebes
machen. In der zweiten Hälfte ließen sich
davon wohl auch die Spieler anstecken und
netzten mal so ganz nebenbei sechsmal ein,
wodurch man sich bereits am ersten Spieltag
die Tabellenführung sicherte. Ach war das
schön, den roten Stern wieder in Aktion zu
sehen. Und ach was war das so übel, den roten
Arsch abends im Spiegel zu sehen. Das waren
sicherlich schon Verbrennungen zweiten
Grades. Ich würde euch ja gerne das
schockierende Beweisfoto präsentieren, aber
Kate hat mir die Veröffentlichung strikt
untersagt ;-)
Damit war das Kapitel Beograd auch mal
wieder für den Moment beendet, am
folgenden Tag beförderte ich unsere feurigen
Hinterteile ebenso feurig nach Skopje Skopje
Mi Skop. Bis auf eine kleine, leider von uns zu
spät bemerkte Abzocke beim Wechselgeld an
der Grenze (wird kein Euro gewesen sein, aber
da geht’s dann halt auch ums Prinzip) verlief
die Fahrt dank gut ausgebauter Straßen auch
relativ zügig und wir konnten uns ganz von
Mazedoniens Hauptstadt flashen lassen.
Die Stadt am Fluss Vardar hat eine sehr lange
und wechselhafte Geschichte, was man auch
an verschiedenen historischen Bausubstanzen
sehen kann. Ein Aquadukt aus römischer Zeit,
die mittelalterliche Burg Kale, die osmanische
Altstadt und kommunistische Funktionsbauten
bieten ein wechselhaftes Stadtbild. Wie in ganz
Mazedonien ist auch die Bevölkerungs- und
Religionsstruktur ziemlich durchmischt. Daraus
folgt, dass Straßenschilder großteils
dreisprachig sind (mazedonisch, kyrillisch und
albanisch), wobei auffällig ist, dass die
albanische Bezeichnung sehr oft
durchgestrichen ist. Immer wieder kommt es
auch zu Konflikten zwischen mazedonischer
und albanischer Bevölkerung. Am Auffälligsten
im Stadtbild sind aber die Auswirkungen des
umstrittenen Projektes „Skopje 2014“. Hierbei
wurden zwischen 2010 und 2014 aus
Steuergeldern finanzierte Prachtbauten aus
dem Boden gestampft, dass man das Gefühl
hat, man ist im alten Rom. Riesige Statuen,
opulente Gebäude, ja, sogar ein
Triumphbogen. Es sieht aus wie in einem
Freizeitpark.
Nach so viel Kitsch und visuellem Overkill
mussten wir tags drauf mal wieder in die Natur.
Dazu wurde dem direkt vor den Toren Skopjes
liegenden Matka-Canyon ein Besuch
abgestattet. Auch hier paddelten wir über das
türkisblaue Wasser, diesmal hatte Kate auch
keinerlei Probleme, ihren Mageninhalt bei sich
zu behalten. Nachdem wir dann auch noch um
den halben Canyon gewandert waren, wurde
es auch langsam Zeit, in Richtung Hauptakt
des heutigen Tages aufzubrechen. Während
wir uns von dannen machten, kamen immer
mehr Einheimische, um hier ihre Freizeit zu
verbringen. Teilweise war das schon
beängstigend, wie diese sich in die Fluten der
natürlichen Wildwasserbahn stürzten, nach
einem Riesenspaß sah es jedoch allemal aus.
Sollte uns aber egal sein, wir mussten zum
Stadion, wo das zweite mehr als brisante Spiel
der CL-Qualifikation stattfinden sollte.
FK Vardar – APOEL Nikosia 1:1
22.540 Zuschauer (150 Gäste)
CL Qualifikation, Di. 21.07.2015
Am Nationalstadion Filip II Makedonski war
schon zwei Stunden vor Spielbeginn die Hölle
los, was für mich in Anbetracht der
normalerweise
vorherrschenden
durchschnittlichen Zuschauerzahl von weniger
als 1.000 doch recht überraschend war.
Trotzdem war die Ticketbeschaffung kein
Problem, und nachdem wir dieses, ein frisches
Getränk sowie eine Riesenpackung Nüsse in
unseren Händen hielten, konnten wir in aller
Ruhe die Ankunft des Komiti Corteos
betrachten. Gut, Ruhe ist vielleicht
untertrieben, die Böller machten schon ganz
schön Lärm, die angestimmten Gesänge und
Hüpfeinlagen wirkten hingegen eher wie eine
Show für die schaulustigen Voyeure. Trotzdem
überzeugte alleine schon die schiere Menge an
meist jugendlichen Leuten. Scheinbar wurde
für heute alles mobilisiert, was halbwegs laufen
konnte. Machte auf jeden Fall schon mal Lust
auf mehr. Aus dem Stadion selbst hallten auch
schon einige lautstarke Unmutsbekundungen
nach außen, was für uns dann auch das Signal
war, möglichst bald unsere heute
glücklicherweise etwas kühleren
Sitzmöglichkeiten aufzusuchen. Diese
eingenommen, staunten wir nicht schlecht,
waren doch lediglich auf den Hintertorseiten
noch freie Plätze auszumachen, womit sich für
hiesige Verhältnisse utopische 22.000
Zuschauer in der heutigen
Veranstaltungsstätte eingefunden hatten. Auf
einer dieser Hintertorseiten nahmen wir in
unmittelbarer Nähe zum Gästeblock auch
Platz, uns gegenüber befand sich der
Stimmungskern rund um Komiti Skopje und
Konsorten. Hinter der riesigen Komiti Fahne
fanden sich gut und gerne 2.000 Leute ein
(auch hier nochmal: Das allein ist ein Vielfaches
des normalen Zuschauerschnitts), von denen
ein kleineres Kommando – leider noch vor
unserer Anwesenheit – bereits den Gästesektor
attackiert und eine Fahne erbeutet hatte. In
eben diesem trollten sich nur enttäuschende
knapp 150 Ausgeburten der Hölle. Da hätte ich
aufgrund der Brisanz, der Wichtigkeit und auch
der Menge dieser komischen Gestalten, die wir
vor zwei Jahren in Frankfurt begrüßen durften,
doch etwas mehr erhofft.
Zur Brisanz des Spiels an sich müssen ja keine
großen Worte verloren werden. Beide
Fanszenen offenkundig nationalistisch bis
rechts. Auf der einen Seite die pro-griechischen
Jungs aus Zypern, auf der anderen die Ur-
Mazedonier. Rührt man dazu noch den Konflikt
zwischen Griechen und Mazedoniern um die
Region Makedonien, hat man eine explosive
Mischung vorliegen. Zusätzlich konnten nach
dem 0:0 im Hinspiel auch sportlich noch beide
Teams auf das wichtige Weiterkommen
hoffen. Somit war auch von Anfang an Feuer in
der Bude. Auf den Tribünen überwogen (groß-)
mazedonische Flaggen, im Komitiblock wurde
ganz balkan-like geklatscht, geschrien und
gehüpft, der Gästebereich hielt mit seinen
Möglichkeiten dagegen. Leider konnte
größtenteils das Tribünenpublikum nicht
erreicht werden, aber gerade wenn im
Gästeblock eine Griechenlandfahne gezeigt
wurde, rastete alles aus. Auf dem Platz zeigten
beide Mannschaften, dass sie nicht zur
europäischen Elite gehören, und die
Anfangseuphorie bei Zuschauern und Spielern
wich bald einer kleinen Ernüchterung aufgrund
der mangelnden spielerischen Möglichkeiten.
Zu Beginn des zweiten Durchgangs ließ Komiti
eine Blockfahne wandern (Vardar Fan, der
einem APOEL-Clown den Kopf abgeschnitten
hatte), zündete dazu einiges an Rauch und
Böllern, das ganze Stadion stieg ein, bei mir
breitete sich ein Grinsen aus – und genau dann
drückt APOEL mit dem 0:1 auf die
Stimmungsbremse. Fuck. Davon sollte sich das
Spiel bis in die Endphase auch nicht mehr
erholen. Zum Ende wurde nochmals eine
riesige Fahne Groß-Mazedoniens präsentiert,
dazu einiges gezündelt/verbrannt und auch auf
dem Spielfeld fiel in der Nachspielzeit der
Ausgleich. Zum fehlenden zweiten Treffer
wollte der Ball die entscheidende Linie jedoch
nicht noch einmal überschreiten. Schade,
schade, dennoch gingen wir nach Abpfiff ganz
zufrieden nach Hause. Lautstärkemäßig zwar
nicht der Oberhammer, die unerwartet vielen
Zuschauer haben sicherlich einige Dezibel
geschluckt, Spaß gemacht hat’s trotzdem.
Am Folgetag führte uns die Route auf quasi
direktem Wege über die bestausgebaute
Autobahn der ganzen Tour durch den Kosovo
(mit kurzer Rastpause in Prizren) nach
Albanien. Hier veränderte sich der
Straßenbelag recht schnell hin zu einer besser
ausgebauten Schotterpiste, auch die alle 100
Meter stehenden Gedenkstellen an Opfer des
Straßenverkehrs veranlassten die
einheimischen Autolenker nicht unbedingt
dazu, vom Gas zu gehen oder bei
Gegenverkehr ausnahmsweise mal nicht zu
überholen. Trotz mehrerer kritischer Momente
kamen wir unversehrt an der Grenze an. Hier
noch gut 1,5 Stunden in der prallen Sonne
verbracht, dabei ständig die gimmelnden
Gypsy-Familien im Nacken gehabt, und schon
waren wir wieder in Montenegro.
Am frühen Nachmittag erreichten wir unser
Domizil im Badeort Petrovac. Hier eine kurze
Katzenwäsche eingeschoben, und ruckizucki
befanden wir uns auf dem Weg zum Strand.
Das ließ meine Gefühlslage gleich in doppelter
Hinsicht in Wallung geraten, bin ich doch zum
Einen eine absolute Wasserratte (irgendwie ein
komischer Begriff…) und halte u.a. mich in die
Wellen zu stürzen für eine meiner absoluten
Kernkompetenzen, zum Anderen war es aber
auch ein ganz pragmatischer Grund, da quasi
direkt neben dem Strand am Abend ein
weiteres CL-Quali Spiel angepfiffen werden
sollte. Am Meer ließ es sich dann auch ganz
hervorragend aushalten, auch wenn ich
eigentlich nicht so der Fan von Kieselstrand bin
und das Wasser sehr ruhig war. Trotzdem ein
herrliches Stückchen Erde und das Planschen
machte uns beiden überragenden Spaß. Da
könnte man sich wahrhaftig dran gewöhnen:
Mittags ins Meer stürzen, abends Fußball. Das
erinnerte doch wieder ganz stark an die
legendären Europapokalfahrten vor auch
schon wieder zwei Jahren. Europacup – I’m
missing you. Und noch viel mehr
Flashbackgedöns stellte sich mit Blick auf die
heutige Gastmannschaft im Spiel
Fk Rudar Pljevlja - Qarabağ FK 0:1
1.400 Zuschauer (paar offizielle Gäste)
CL Qaulifikation, Mi. 22.07.2015
ein. Gestern APOEL, heute Qarabağ, ich
könnte jetzt stundenlang über die
Auswärtsfahrten im Spätsommer 2013
schwadronieren, aber das ist nicht Kernthema
dieses Textes, also bleiben wir wohl oder übel
bei der Gegenwart.
Im Rückspiel zur CL-Quali bekam es heute also
der Meister Montenegro mit seinem Pendant
aus Aserbaidschan zu tun. Das roch schon im
Vorfeld nach allergrößter Fußballästhetik. Den
Erwartungen entsprechend endete das
Hinspiel nach einem wahren
Offensivfeuerwerk beider Teams auch mit
einem torlosen Remis. So war wenigstens
sportlich für Spannung gesorgt, auf der
Tribüne konnte man damit jetzt nicht
unbedingt rechnen. Die allerspannendste
Frage betraf jedoch den Austragungsort.
Solltet ihr beim Lesen der Spielpaarung den
Atlas zu Rate gezogen habt, dann ist euch
vielleicht aufgefallen, dass das Städtchen
Pljevlja mal ganz gepflegt am anderen Ende
Montenegros liegt. Wenn ihr den Informer zu
Rate gezogen habt, habt ihr vielleicht auch
gesehen, dass das städtische Stadion Pljevljas
mal locker die vielfache Kapazität des heutigen
Austragungsortes, der eigentlich nur ein
besserer Sportplatz war, besitzt. Nach
Rückfrage beim Verein wurde mir erklärt, dass
das eigentliche Stadion jedoch keine UEFA
Zulassung erhalten hat, die Alternative in
Podgorica (hier fanden in den letzten Jahren
die internationalen Spiele statt) zu groß und zu
teuer war, so dass mit Petrovac
vorliebgenommen werden musste. Mir war es
gerade aus den angesprochenen Badegründen
vor Anpfiff ja recht ;-)
Von Vereinsseite wurde auch ein Transport für
die Zuschauer angeboten, so dass sich das
Stadion (Tribüne auf einer Längsseite, ein paar
wenige Stufen hinter dem Tor, sonst nix) doch
recht gut füllte. Gab sogar einen kleinen
Stimmungskern, viel zu jubeln hatten diese
jedoch nicht, da die Gäste aus Bergkarabach
nach einem verdienten 1:0 Sieg in die nächste
Runde einzogen, wo allerdings gegen Celtic
Schluss war.
Schluss war dann auch für uns mit dem
fußballerischen Rahmenprogramm des
diesjährigen Sommerurlaubs. Bis zur Ankunft
im schönen Hessenlande ein paar Tage später
hieß es jetzt jeden Tag die Küste etwas
hochzufahren, einfach zu halten, wo es uns
gefiel, um in kristallklaren Buchten zu baden
oder den ein oder anderen Game of Thrones
Drehort zu kreuzen. Diese Adriaküste ist
einfach ein wunderschönes Fleckchen Erde.
Warum allerdings Montenegro in der
deutschen Reisebranche als Geheimtipp
angesehen wird, konnte mir jetzt noch
niemand abschließend erklären. Oder gilt in
Russland Mallorca, respektive der Ballermann,
als Geheimtipp? (Ö)
G
Saisonvorbereitung
ude… Die fußballlose Zeit zog sich fast bis
ins Unendliche und so war klar, dass einer
der Testkicks unserer magischen SGE
angesteuert werden sollte. Da konnte man
relativ schnell, relativ viel, schnell abhaken,
sodass für mich nur noch der Testkick gegen
Leeds United blieb. Danach machte ich mich
auf die Suche nach geeigneten Mitfahrern,
wobei sich dann schlussendlich nur Einer
erbarmte. Drumherum schneiderte ich noch
ein nettes Rahmenprogramm.
Am 21.07. morgens sollte es in Richtung
Alpenrepublik gehen. Über BlaBlaCar wurden
noch zwei Mitfahrer zwecks
Kostenreduzierung klar gemacht und
schwupps, saß unser asiatischer Freund ab
Hanau bis München bei uns in der Kiste.
Angegeben hatte ich mittleres Gepäck, was der
Asiate aber etwas freier interpretierte und
einen riesigen Koffer sowie 3 (!) Taschen
mitbrachte. Na dann hoffen wir mal, dass der
Kollege, der in Nürnberg zusteigt, wenig bis
gar kein Gepäck hat und am besten noch
Liliputaner ist. Die Fahrt verlief relativ
unspektakulär und staufrei, sodass wir in
Nürnberg pünktlich den zweiten Mitfahrer
einladen konnten. Dieser hatte – Gott sei Dank
– nur einen kleinen Rucksack dabei und war
relativ gechillt. In München wurde unser Asiate
nahe Arroganz Arena endlich an die bayerische
Landeshauptstadt übergeben. Das Stück
München nach Salzburg zog sich dann doch
mehr als gedacht. Kurz in die City und dann auf
nach Eugendorf, wo am Abend der Testspiel-
Knaller steigen sollte.
In dem Dörfchen angekommen, trieb uns der
Hunger in eine sehr ansehnliche Wirtschaft, in
welcher wir uns unter die schon anwesende
Inselbewohner mischten. Diese hatten um die
Mittagszeit schon ganz gut Dampf auf dem
Kessel und hielten sich mit Bier und Wodka-
Fanta bei Laune. Wir orderten eine Lasagne
mit Beilagensalat und erstmal was für den
Flüssigkeitshaushalt. Als die Lasagne kam,
dachte ich erst, dass es eine überdimensionale
Creme Brulee wäre. Es stellte sich dann doch
raus, dass es eine sehr gute Hackfleischlasagne
war. Gesättigt und noch jede Menge Zeit,
füllten wir in einem kleine Supermarkt unsere
Getränkevorräte auf und fuhren relativ zeitig
zum Ort des Geschehens des heutigen Abends.
Dort sah es anfangs recht professionell aus, mit
einem Eingang für Frankfurt und einem
Eingang für Leeds Anhänger. Doch dies war
dann nur zu Kontrollzwecken und am Ende
watschelte jeder dahin, wo er wollte. Die Zeit
bis zum Spiel wurde dann mit sinnlosem
Gefasel und dem ein oder anderen Getränk
bzw. Würstchen überbrückt.
Wie gewohnt, wird das Spiel selbst
verschwiegen, daher wird an dieser Stelle die
Zeitmaschine genutzt, wodurch wir uns bereits
am Abend nach dem sehr ereignisreichen Kick
befinden.
Das Hotel wurde in Fluchtrichtung Salzburg –
Villach gebucht, da am nächsten Tag die
Weiterreise nach Villach anstand. Innerhalb
einer guten halben Stunde kam man in St.
Koloman an und checkte im Hotel „Goldener
Stern“ ein. Uns wurde sofort etwas zu Essen
angeboten und die Belegschaft war sehr
zuvorkommend. Außerdem waren die Zimmer
sehr geräumig und ließen keine Wünsche
offen. Nach Hendl und zwei Halben wurde der
Matratzenhorchdienst angetreten.
Galatasaray SK – Celta de Vigo 2:1
1.000 Zuschauer
Testspiel in Villach, Mi. 22.07.2015
Nach einem - für 3 Sterne-Verhältnisse -
ausreichenden Frühstück wurden die Hühner
gesattelt und Villach angesteuert. Auf der
Strecke von Salzburg nach Villach gibt es
übrigens einen Tunnel, der nicht bei der Maut
inklusive ist. So war man auf halber Strecke
wieder ein paar Euro ärmer und einen plagte
die Gewissheit, dass man durch das Ding
wieder zurück muss. Da schwillt einem der
Kamm und man würde die Mautstation am
Liebsten in die Luft jagen, aber man wurde ja
frühzeitig sozialisiert. Da frag ich mich aber,
warum sich die Österreicher über deutsche
Mautpläne beschweren (wollen). Vögel!
Durch vorherige Recherchen war klar, dass im
Raum Villach einer der vielen Badeseen
angesteuert werden muss. Also mir war das
klar, Nino, dem wasserscheuen Kerlchen, nicht.
Die Zeit bis zum Einchecken und zum
abendlichen,
internationalen
Freundschaftskick musste irgendwie
überbrückt werden. Die Wahl fiel dann auf den
Ossiacher See, an welchem eines der vielen
Strandbäder angesteuert wurde. In der
Mittagssonne wurde erstmal ein schönes,
kaltes Radler genossen, um sich danach etwas
im See abzukühlen. Während ich im See weilte,
war Nino damit beauftragt, die Tretbootpreise
abzuchecken und bei Gefallen eines
klarzumachen. Als ich aus dem kühlen Nass
empor stieg, wedelte Nino schon mit unserer
Eintrittskarte in die Tretbootkapitänwelt. Am
Steg angekommen, empfing uns ein
österreichischer, in die Jahre gekommener
Möchtegern-David Hasselhoff, der uns seinen
Fuhrpark schmackhaft machte. Die Wahl fiel
auf ein gelbes, VW-Käfer-ähnliches Tretboot,
ausdrücklich ohne Rutsche (berechtigte Frage
der Korrektur: Warum keine Rutsche???). Zu
Diskussionen kam es noch, wann wir das Boot
wieder angeben können/sollen und wie wir
über die Abgabezeit informiert werden
könnten, da wir weder Handy noch Uhr dabei
hatten. Lange Rede, kurzer Sinn, David
Hasselhoff verpasste dem Boot einen Tritt und
schwups, ging sie los, die wilde Fahrt. Natürlich
ohne Übereinkunft, wo man die Uhrzeit
ablesen könnte etc. Nach den ersten Metern
machte das Tretboot schon außergewöhnlich
laute Geräusche, die aber nach gegrantelter
Anweisung von David „Macht’s Wasser auf die
Bolzen! Die Bolzen! - Das Schwarze!“ - Danke
David – wieder verebbten. Jetzt lief es und wir
sahen vor, in Richtung eines Kirchturms mit
Ziffernblatt zu fahren, damit wir eine Uhrzeit
hätten, um uns etwas zeitlich zu orientieren.
Bis zu besagtem Kirchturm traten wir uns
durch das Wasser. Am Kirchturm auf der
anderen Seite angekommen, waren ca. 15 bis
20 Minuten vergangen. So konnte man
einigermaßen einschätzen, was man noch so
treiben kann. Ich wollte auf jeden Fall von
unserem Bott mal in den See springen.
Gedacht, getan und Krampf im Fuß, was
während dem Schwimmen eher nicht so geil
ist. Wieder zurück im Boot, traten wir eine
große Runde, um dann wieder bei David unser
Boot abzugeben. Wir parkten perfekt ein, der
Kollege versuchte das Boot festzumachen, was
weniger gut gelang, wodurch er im Wasser
landete. Kommentar: „Jetzt hat’s mich den
Sommer des erste Mal ins Wasser g’haun!“
Also noch ne einmalige Sache miterlebt.
Klasse! Dann wollte er uns noch ein zweites
Mal abkassieren, was aber wohl dem
überraschenden Bad geschuldet war. Noch
einen Tipp für alle Tretbootfahrer: Falls
motorisierte Boote in der Nähe von euch
Wellen machen, am besten frontal zu den
Wellen stellen und nicht parallel, das kann böse
ausgehen. Zum Ossiacher See kann man
allgemein sagen, dass dieser eine klasse Lage
hat, inmitten von Bergen mit türkisblauem
Wasser. Außerdem ist er nicht zu groß oder zu
klein, optimal halt. Für mich der perfekte See,
um im Sommer den wichtigen Aktivitäten
nachzugehen – schwimmen, Boot fahren, Bier
trinken, dumm rumliegen etc. Es gibt
ausreichend Strandbäder zur Wahl, man hat
also die Qual der Wahl. Sechs Wochen später
wurde mir dann auch noch bewusst, dass es
wohl rund um den See irgendwo einen Blitzer
geben muss ;-)
Da die sportlichen Tätigkeiten für den Tag
abgeschlossen waren, ging es ab in Richtung
Villach, wo zur Nahrungsaufnahme ein
größerer Spar auserkoren wurde, in dem man
sich beim Bäcker und Metzger versorgte. Die
erste Ration Almdudler wurde auch eingepackt
und die Unterkunft angesteuert. In Villach fiel
die Wahl dann auf die Jugendherberge.
Kriterium: Preis! Die Jugendherberge kann
man durchaus empfehlen. Sauber, geräumig
und für den Preis mehr als annehmbar. Etwas
irreführend ist, dass die Jugendherberge aus
zwei Häusern besteht. Eines vorne mit der
Hausnummer 28, in dem man die ganze Zeit
wartet, wenn man seine Buchungsbestätigung
nicht richtig liest, die einem mitteilt, dass die
Rezeption im hinteren Gebäude mit dem „A“
hinter der 28 beheimatet ist.
Zimmer bezogen, kurz abgelegt nach der
sportlichen Betätigung und dann zwei Stunden
vorm Kick von der Unterkunft in Richtung
Stadion in Marsch gesetzt.
Am Stadion realisierten wir, dass man zwar ein
Ticket kaufen konnte, aber das Stadion bis eine
Stunde vor Spielbeginn geschlossen bleiben
sollte. War so nicht geplant, da wir ganz schön
Hunger hatten und mich u.a. der Bierdurst
trieb und in Stadionnähe nichts Brauchbares
ausgemacht werden konnte, um dem
Linderung zu verschaffen. Na ja, also wieder
das gemacht, was wir am Besten können –
abgegammelt. Pünktlich eine Stunde vor
Spielbeginn öffnete man den ungeduldigen
und vor allem mit mir hungrigen Meute das
Tor. Nach einer kurzen Durchsuchung ging es
in das ansprechende Villacher Rund, zu dem es
zu sagen gibt, dass nur die Haupttribüne
geöffnet war, welche mit Sitzschalen
ausgestattet, doch zu gefallen wusste.
Ansonsten bestand der Ground aus einer aus
Holzplanken und Stahlrohr
zusammengezimmerten Stehtribüne und einer
riesigen Laufbahn, die bestimmt mit der im
Berliner Olympia-Stadion konkurrieren kann.
Hier hatte man sich aber im Gegensatz zu tags
zuvor entsprechend auf die
„Menschenmassen“ vorbereitet und Bauzäune
zur Absperrung installiert, sowie genügend
Ordner bereitgestellt. War von der
Aufmachung schon etwas professioneller als in
Eugendorf. Nachdem wir uns einen Platz nahe
der Futter- und Suffstelle besorgt hatten,
wurde sich um die Verpflegung gekümmert.
Das witzige war, dass wir zum zweiten Mal -
nach Eugendorf - auf einem Sportgelände
waren, wo es wieder Döner gab. Gut, bei der
Ansetzung des heutigen Kicks noch
nachvollziehbar, aber es zog sich wie ein roter
Faden durch das kulinarische Angebot auf den
Sportplätzen. Davon abgesehen weiß ich
natürlich nicht, ob dies im regulären
Spielbetrieb genauso ist. Nachdem wir endlich
mit Speis und Trank eingedeckt waren, konnte
man sich mal anschauen, was so alles an
Publikum einlief. Meistens türkische Familien,
die ihren Idolen vor der Haustür huldigen
wollten. Später lief dann noch ein 30 Mannstarker,
supportwilliger Haufen an Gala-Leuten
ein. Dies gelang über den gesamten Abend
gesehen so lala. Herrlich war, als die Türken
den allseits beliebten Mallorca-Klassiker von
Jürgen Milski schmetterten. „Lu-lu-lu-lukas
Poldolski“ hallte nicht nur einmal durch das
Rund – bin mal gespannt, ob das in der Türk
Telekom Arena genauso präsent sein wird.
Apropos Lukas Podolski: Heute durften wir
seinem Debüt beiwohnen. Kurz vorher von
Arsenal an den Bosporus gewechselt, wollte er
gegen Vigo eine erste Arbeitsprobe
abgegeben. Bei der später verlesenen
Aufstellung war dann klar, dass alle Augen auf
den Neuzugang gerichtet sein würden, da
Trainer Hamza Hamzaoglu ansonsten eher die
zweite Reihe aufbot. Die erste Reihe lief in
Gang-Manier ins Stadion ein. Kopfhörer auf,
Basecaps in alle Himmelsrichtungen oder, wie
Wesley Sneijder mit Stil, einfach einen Pullover
locker um die Schultern. Diese nahmen dann
rechts der Bank auf extra aufgestellten Stühlen
Platz und schauten ihren Kameraden beim
abendlichen Gekicke zu.
Endlich ertönte der Anpfiff und ein
ansehnliches Spiel begann. Beide
Mannschaften gingen engagiert zu Werke, was
der Referee so wohl nicht erwartet hatte. Die
Spanier traten bald auf alles was sich bewegte
und Lukas Podolski konterte dies wie gewohnt
bei seinem Gegenspieler mit einer 1A-
Backpfeife. Geiler Einstand für sein erstes
Spiel. Die Backpfeife blieb, so wie das ganze
Getrete, ohne Folgen und so wurde munter
weiter gekeult. Ab und an kam es sogar zu
ansehnlichen Spielzügen. Alles in allem muss
man aber sagen, dass die Türken das
diszipliniertere Team waren und die Spanier
mit lamentieren und treten beschäftigt waren.
Scheint nicht das einzige Spiel gewesen zu
sein, was die Spanier in der Vorbereitung
aggressiv bestritten, gegen Ingolstadt gab es
wenige Tage später einen Spielabbruch, wie es
auch für Galatasaray das gleiche Ende beim
nächsten Testspiel gegen Udine geben sollte,
was aber dort den Fans geschuldet war. Als der
Schiedsrichter zum Abpfiff trötete, waren alle
Beteiligten sichtlich erleichtert, dass sie
überlebt hatten und verschwanden ohne große
Umschweife in der Kabine. Hieß dann für uns,
uns Richtung Unterkunft aufzumachen. Auf
dem Weg wurde noch der letzte offene Döner
angesteuert, um danach zufrieden ins Bettchen
zu fallen.
Wolfsberger AC – FC Shaktyor Salihorsk 2:0
6.400 Zuschauer (25 Bergmänner)
Europa League Quali, Do. 23.07.2015
Am Morgen wurde erstmal konsequent das
Frühstück verschlafen bzw. geopfert um der
Körperpflege-Willen. Nach dem Check-out und
der Besorgung eines alternativen Frühstücks
gondelten wir ins nahe Klagenfurt am
Wörthersee, wo es dann galt, die Zeit
totzuschlagen, also schon mal kurz am Stadion
vorbeigeschaut. Machte nix her, halt ein
funktionaler, europäischer Klotzbau. Bei der
Lage kann man davon ausgehen, dass das
Stadion ein kompletter Neubau für die EM war
und für die hiesigen Vereine natürlich
überdimensioniert ist. Dazu aber später mehr.
Nach der Begutachtung fuhren wir mal kurz
durch die Innenstadt um dann an den
Wörthersee zu fahren. Auto geparkt und
erstmal etwas flaniert, bis man sich dann in
einem Restaurant niederließ um mal im
Schatten ein Radler zu genießen. Wenn mein
Mitfahrer nicht so ein wasserscheues Etwas
wäre, hätte man sich schön in ein Strandbad
flezen können. So wurden noch etwas die Füße
platt getreten und die Promenade entlang
geschlendert. Danach wurde ein wenig die
andere Seite des Sees begutachtet und sich
zum Essen in ein ansprechendes Restaurant
begeben. Alles nur um die Zeit vor dem Anpfiff
totzuschlagen. So waren wird ann auch weit
vor Anpfiff in und am Wörtherseestadion und
konnten uns so den Parkplatz quasi aussuchen.
Das Stadion war selbstredend für ein solches
Spiel völlig überdimensioniert und so war nur
eine Tribüne geöffnet. Wir schauten die erste
Halbzeit im Oberrang und zogen später n den
Unterrang um. Bei dem Bumskick war es aber
eh scheiß egal, was man für eine Perspektive
hatte. Klar war nur, dass Dortmund mit
Wolfsberg quasi ein Freilos gezogen hatte. Der
Wolfsburger AC war schon mit das
Schlechteste, was man ziehen konnte, außer
Salihorsk hätte das Unmöglich wahr gemacht,
aber diese Bergmanns-Truppe hatte gerade
mal deutsches Verbandsliga-Niveau. Die
Ukrainer konnte man spielerisch ungefähr bei
der Anzahl ihres mitgereisten Fantrosses
einordnen. Anfangs waren nur 3 Gästefans im
Fanblock auszumachen, die Zahl schwoll
plötzlich noch auf 25 Schlachtenbummler an.
Dazu muss man aber noch sagen, dass sich die
Spieler der Bergleute im Gegensatz zur
Fananzahl nicht wirklich über die 90 Minuten
steigerten. Das Spiel war da eher ein
Geplänkel, was nur in eine Richtung ging, mit
sporadischen Nadelstichen aus der Ukraine.
Der Sieg der Wolfsburger war nie gefährdet
und bei der Bombenstimmung hatten die
Osteuropäer sicherlich mit schlotternden Knien
zu kämpfen. Der Schiri hatte irgendwann ein
Erbarmen und beendete den Rammel.
Für uns ging es schnurstracks zum Auto und in
Richtung Deutschland. Natürlich lief wieder
nichts nach Plan. Den Mitfahrgelegenheiten
sagte man nur ab. Auf die Frage, wieso es dann
doch im Internet steht und ich sagte, ich könne
es schlecht ohne Internet löschen, schlug mir
Unverständnis entgegen, aber gut, war mir
scheiß egal. 10 Minuten auf der Autobahn gab
es erstmal ein mächtiges Gewitter und man
kam nur noch mit 60 bis 80 km/h vorwärts. War
dann auch scheiß egal. In Deutschland, kurz
vor München, überkam mich die Müdigkeit und
ein Powernap wurde eingelegt. Es ging dann
recht zügig weiter, bis ich eine längere Pause
kurz vor Nürnberg ausrufen musste, aber ich
konnte die Augen nicht mehr offen halten.
Nach wenigen Stunden erholsamen Schlafes
sollte es dann weitergehen. Ist schon ein
Highlight, wenn man halb verpennt nach
draußen schaut, ein osteuropäischer Lkw-
Fahrer aus seinem Führerhaus steigt und ganz
trocken erstmal vor deine Tür kotzt. Guten
Morgen Deutschland! (E)
D
SPVGG Neckarelz – SV Spielberg 0:1
450 Zuschauer (70 Gäste)
Regionalliga, Sa. 01.08.2015
ie Saison der ersten Bundesliga ruhte
noch und so schaute ich mich um, was so
an einem Samstag machbar wäre. Heraus kam
wieder mal ein Inbegriff der Sinnlosigkeit, also
auf nach Neckarelz. Durch den idyllischen
Odenwald ging es mit dem eigenen Vehikel
nach Neckarelz. Ob der Kracherpartie fand sich
selbstredend kein spontaner Mitfahrer, was
auch dem geschuldet war, dass einige ihr
Kreuzchen hier schon gesetzt hatten.
Am Ground angekommen, enttäuschte dieser
dann doch ein wenig. Man erwartet ja bei solch
einem Regionalligisten nicht viel, aber die
ausgezeichnete Lage neben eine Bahntrasse
und der obligatorische Regionalliga-Zaun taten
zum Fußballgenuss ihr Übriges. Der einzige
Lichtblick war nach einer geschmacklich guten
Wurst noch der Kuchen. Zum Spiel bleibt nicht
viel zu sagen, außer, dass ich froh war, dass es
nicht torlos endete. Vom Niveau war es okay
und das Chancenverhältnis war relativ
ausgeglichen. Erwähnenswert war doch die
relativ hohe Anzahl an mitgereisten Gästefans,
die ich zwischen 60 und 80 schätzen würde. Für
den Verein und die Liga dann doch beachtlich
und nach dem Tor auch akustisch und optisch
wahrzunehmen.
Empfehlenswert ist dort, sich Karten für die
kleine, überdachte Tribüne zu besorgen, da
man dort diesen unsäglichen Zaun nicht im
Blickfeld hat und außerdem im Sommer im
Schatten verweilen kann. Nur sollte man dann
nicht erwarten, dass man sich setzen kann, da
die Eingeborenen jede Möglichkei -, z.B. die
Holzplanken (Sitzplätze) - nutzen, um zu
stehen. Mir war es relativ Hupe, ich ergötzte
mich an dem lauen Sommerwetter und den
Darbietungen auf dem grünen Geläuf.
Direkt nach Abpfiff machte ich mich auf zum
nächsten Kick. Einen größeren Abfahrtsstau
gab es dank dem vor Anpfiff gewählten,
ausgezeichneten Parkplatz nicht.
Bayern Alzenau – Teutonia Watzenborn 1:2
250 Zuschauer
Hessenliga, Sa. 01.08.2015
Zurück durch den Odenwald bis Alzenau und
dort relativ pünktlich aufgeschlagen, an der
Schlange vorbei und mit einem der vielen
Ausweise kostenneutral den Eingang passiert.
Bei der Bullenhitze genehmigte ich mir erstmal
eine Apfelschorle und versuchte erneut mit
einem der vielen Ausweise auf die
Sitzplatztribüne zu gelangen, was jedoch
scheiterte. Also kommen wir zum Ground, der
sich wie folgt darstellt: Ein besserer Sportplatz,
auf dem auf einer Seite mehrere Sitzplatz-/
Stehplatzstahlrohrtribünen Platz fanden und
auf der anderen Seite alles an einen normalen
Sportplatz mit normaler Barriere und den
Trainerbänken erinnerte. An sich für Oberliga
ganz nett, da man keine Laufbahn dazwischen
hatte. Nachdem ich schon, wie gesagt, am
ersten Ordner scheiterte, ging ich einfach eine
Tribüne weiter, um mich schlußendlich dort
ohne lästige Kontrolle auf den Sitzplätzen
niederzulassen.
Die gefürchteten Ultras/Fans des FCB waren
am heutigen Tag nicht zu vernehmen.
Irgendwelche wildgewordenen Teutonen, die
ich Watzenborn-Steinberg zuordnete,
trommelten ab und an mal mit aller Kraft auf
die Werbebande, was aber keinen Sinn ergab,
da es unabhängig von Spielverlauf und
irgendwelchem Support war, da neben dem
Getrommle manchmal nicht zuordenbare
Laute aus deren Mündern kamen. (E)
D
FC Basel – Lech Poznań 1:0
18.196 Zuschauer (1.000 Gäste)
CL Quali, Mi. 05.08.2015
ie Auslosung zur Champions-League
Qualifikation bescherte den Leckerbissen
FC Basel gegen Lech Poznań. So wurde kurz
mal rumgefragt, wie das Interesse im Umfeld
sei und dieses war dann doch sehr rege
(eigentlich wie immer). Als es dann an die
Kartenbestellung ging, war der Interessentenbzw.
Bestellerkreis auf zwei Personen
zusammengeschmolzen, welche dann mit Nino
und meiner Wenigkeit zu benennen waren.
Nino wurde mit dem Kartenkauf beauftragt
und ich stellte wieder mal den fahrbaren
Untersatz zur Verfügung. Karten gab es für 40
CHF auf der Gegengerade relativ mittig. Wenn
man vorher von dem weniger ausgeprägten
Interesse gewusst hätte, hätte man sich den
ein oder anderen Franken sparen können. Aber
gut, Spaß kost‘.
Treffpunkt am Spieltag war die gute, alte S-
Bahnstation am Bahnhof Sportfeld in Ffm und
gegen 15:30 war man relativ pünktlich auf dem
Highway in Richtung Basel. Die Fahrt verlief bis
Basel recht unspektakulär, an der Grenze
wurde man nur kurz gefragt, wo man hinwollte
und da die Maut umgangen werden sollte,
musste man auf die Bundes- bzw.
Landesstraße ausweichen. In Basel
angekommen, wurde es dann sehr
unübersichtlich. Nach vier bis fünf Fastunfällen
hatten wir wieder eine Peilung und waren auf
dem Weg in Richtung St. Jakobs. Man kann
sich dorthin relativ gut an dem
nebenstehenden Hochhaus orientieren und
muss immer wieder aufpassen, nicht auf der
Autobahn zu landen. Lief dann aber doch gut
und wir konnten mein Auto für weitere 5,- CHF
im Parkhaus am Stadion abstellen. Wir dachten
eigentlich, dass wir so früh da wären, um den
Einlauf der Polen noch zu sehen, aber
Pustekuchen. Als man eine brachiale
Lautstärke aus dem Stadion vernahm,
bewegten wir uns doch mal relativ zügig in
Richtung des Eingangs, um die Sache im
Stadion zu begutachten. War schon ein guter
Mob, der schon ordentlich angeflaggt hatte.
Vereinzelt wurden auch Polen zwischen
Schweizern auf der Gegentribüne gesichtet,
die in die Kategorie Fan einzuordnen waren
und somit nicht weiter auffielen. Die
Blockfahnen im Gästeblock trugen teilweise
einen Trauerflor, warum kann ich leider nicht
sagen (Anm. der Korrektur: Trauerlor für den
kurz vorher verstorbenen Wojtek "Młody"
Urbaniak, geschätztes Mitglied der Lech
Fanszene). Trotz der sichtbaren Trauer kannten
die Polen beim Support kein Erbarmen und
schmetterten einen brachialen Schlachtruf
bzw. Gesang nach dem anderen. Der
Heimblock enttäuschte ein wenig, zwar ein
grundsolider Auftritt, aber für das Spiel hatte
ich mir ein bisschen mehr erhofft. Was noch
anzumerken wäre, ist, dass der Heimblock fast
das gesamte Spiel oberkörperfrei war. Darin
hat sich mir der Sinn noch nicht ganz
erschlossen, ob dies ironisch gegenüber den
Polen gemeint war oder ob es den Jungs
einfach zu warm war. Wenn es jemand besser
weiß, wäre ich um eine Info dankbar. Der St.
Jakobs Park war dann doch recht spärlich
gefüllt, es fanden sich gerade einmal um die
18.000 Zuschauer für das Quali-Match ein.
Auch dies fand ich aufgrund der Brisanz und
Wertigkeit des Spiels etwas enttäuschend.
Kurz vor Anpfiff noch mal raus und ein
typisches Stadionmenü mit Wurst und Getränk
für um die 10€ verhaftet, was will man machen,
wenn einen der Hunger und Durst treibt?! Der
Preis, wie sollte es anders sein, auch
enttäuschend ;-)
Dies sollte sich dann beim Spielverlauf und -
niveau dann auch nicht wirklich bessern und so
schaute man sich einen schönen Graupenkick
an, bei welchem sich keiner der Teilnehmer für
die Champions-League empfehlen konnte.
Kurz vor Schluss fiel das 1:0 für das Heimteam,
was die Bude jetzt aber nicht zum kollektiven
Ausrasten brachte, sondern eher zu einem
Jubel ala „Okay, endlich, jetzt haben wir die
nächste Runde im Sack!“. Nach dem Auftritt
wunderte mich dann nicht wirklich, dass Basel
in der nächsten Runde die Segel streichen
musste. Trotzdem hat mich Basel bestimmt
nicht zum letzten Mal gesehen. Da man die
Kurve durchaus besser kennt, bisher jedoch nur
auswärts und bei einem Pokalfinale beurteilen
konnte, war daheim noch viel Luft nach oben.
Nach dem Kick ging es umgehend zum Auto
und zur Umgehung der Maut wieder durch die
Stadt um dann in Deutschland wieder auf die
Autobahn zu fahren. Die Heimfahrt verlief bis
auf ein McDonald’s Massaker von Nino (Anm.
der Korrektur: Also nix Außergewöhnliches.
Grüß dich Nino ;-) ) relativ unspektakulär. (E)
E
Shamrock Rovers – Bohemians FC 2:1
3.000 Zuschauer (500 Gäste)
1. Liga Irland, Sa. 05.09.2015
igentlich sollte an dieser Stelle eine
gewohnt präzise Berichterstattung zum
endlich gefallenen Länderpunkt Nordirland
stehen. Dieses Mal funkte anstatt eigener
Dummheit jedoch das Schicksal dazwischen.
Eine Woche vor der ursprünglich geplanten
Reise verstarb meine geliebte Oma nach
schweren letzten Wochen, einen Tag nach dem
eigentlichen Starttermin sollten wir ihr die
letzte Ehre erweisen. Selbstredend, dass dies
Vorrang vor einem etwaigen neuen LP hatte.
Auch wenn Du es da oben nicht lesen wirst, will
ich es an dieser semioffiziellen Stelle nicht
versäumen, nochmals „Danke“ für alles zu
sagen – stellvertretend für alle
Lebensweisheiten greife ich hier besonders die
Erkenntnis auf, dass Brathähnchen und
Apfelbrei genauso gut zusammen passt wie
Mohnköpfe (ich glaube, „Mohnkopf“ ist
oberhessisch und vor allem politisch korrekt für
Mohrenkopf, für die, die es nicht wissen) und
Brötchen. Grüß mir alle da oben, die ich kenne.
Wir sehen uns wieder (ich hab ganz schön
nasse Augen beim Schrieben dieser Zeilen…).
Damit auch genug der emotionalen Worte. Ich
hoffe, es stört sich keiner in dieser sonst eher
seichten Lektüre daran.
Da es jetzt aber auch nicht überraschend kam
und um den Kopf wieder frei zu bekommen,
traten Kate und ich das verlängerte
Wochenende in abgespeckter Form trotzdem
an. Lufthansa zeigte sich glücklicherweise
kulant was die Rückerstattung des ursprünglich
geplanten Fluges betraf, mit Meilen ließ sich
sogar ein Businees Class Flug auf der Heimreise
umtreten (eigentlich sollte hier „antreten“
stehen. Ich finde den Verschreiber aber gerade
so witzig, dass ich ihn einfach stehen lasse ;-) )
und nicht mehr benötigte Unterkünfte konnten
storniert werden, so dass sich der finanzielle
Verlust im absolut vertretbaren Rahmen hielt.
So schlugen wir dann samstags in Dublin auf.
Nach einem gemütlichen Stadtspaziergang
brachte uns der Bus zum etwas außerhalb
gelegenen Tallaght Stadium, Austragungsort
des heutigen Dublin Derbys. Zwischen den
vielen Vereinen und somit auch Derbys Dublins
gilt die heutige Paarung als das
Prestigeträchtigste und wird schlicht als Dublin
Derby bezeichnet. Das erste Mal trafen beide
vor exakt 100 Jahren 1915 aufeinander, womit
es auch der älteste Vergleich zweier noch
bestehender Dubliner Vereine ist. Bis in die
60er Jahre des letzten Jahrhunderts war die
Rivalität jedoch nicht sonderlich ausgeprägt,
der Hauptfeind der Rovers war zu dieser Zeit
Drumcondra F.C. Diese kamen wie die
Bohemians aus dem Norden Dublins, während
die Rovers ihre Basis im Süden haben, und
wurden in den 60ern aufgelöst. Erst daraufhin
wurde die Rivalität als neues Nord-Süd-Derby
intensiver und es entwickelte sich zum
heißesten Spiel Irlands, das es bis heute
geblieben ist. Zwar ist aus Tribünensicht
heutzutage das Spiel zwischen den Rovers und
St. Patrick Athletics mindestens ebenbürtig,
alleine schon, weil es hier die beiden ältesten
Ultragruppierungen Irlands gibt, dass die
heutige Begegnung aber dennoch eine ganz
besondere Angelegenheit ist, merkte man
gleich von Beginn an.
Zwar stehen beide Teams in der Tabelle auf
einem gesicherten Mittelfeldplatz, trotzdem
wurde um jeden Zentimeter gekämpft als
ginge es um den Abstieg. Die Spielweise
könnte man mit „rustikal“ umschreiben, was
einem Fußballunästheten wie mir natürlich
sehr entgegen kam. Das Publikum war nicht
weniger rustikal. Mittig auf der einen
Längsseite standen die heimischen SRFC
Ultras, in der Ecke auf der anderen Seite der
Gästepöbel, wobei Pöbel hier durchaus
wörtlich zu nehmen. Herrlich, diese aggressive
Grundstimmung und der fast schon
inflationäre Gebrauch übelster Beleidigungen.
Der Hass aufeinander war förmlich spürbar und
war wesentlich mehr, als ich erwartet hatte.
Wenigstens erfüllten unsere Sitznachbarn alle
Klischees: Dicke, pommesfressende Kinder mit
roten Haaren und Sommersprossen, begleitet
von ihren ebenso wenig ansehnlichen
Erziehungsberechtigten - als wären sie direkt
aus dem Souvenirshop importiert worden. Die
Pommes machten uns aber Lust auf
ebensolche, und für nur 4,50€ durften wir uns
auch Besitzer dieser schmackhaften
Kartoffelprodukte nennen. Und ich kann jedem
Freund der ungesunden Küche nur empfehlen,
diesen relativ großen Geldbetrag zu
investieren und die Variante „Käse-Knoblauch“
zu ordern. Ein Gedicht für den Gaumen
(eigentlich Fraß, aber ich fand’s geil), da
blendet man die bald einsetzenden
Magenkrämpfe bis zum Erscheinen eben dieser
erstmal gepflegt aus. Mit dem Pappkarton
Fritten in der Hand beobachteten wir dann
auch die Pyroshow der Gäste zur zweiten
Hälfte. Locker 20 Bengalos gingen in deren
Sektor an und sorgten für anerkennendes
Staunen, ist jetzt ja nicht unbedingt Usus in
hiesigen Gefilden. Auf dem Platz ging es auch
weiterhin gut rund. Nach dem Führungstreffer
der Bohemians standen plötzlich auch
Anhänger beider Vereine auf dem Rasen, so
dass sogar Ordner diese vor einem möglichen
Sprint auf die gegenüberliegende Seite
zurückhalten mussten. Nach dem
Ausgleichtreffer wiederholte sich dieses
Schauspiel nochmals, während es dazu jetzt
auch im Heimblock gut loderte. Leider
passierte danach bis zum Abpfiff nicht mehr
viel, vollends zufrieden waren wir jedoch
allemal. Das war mal wesentlich emotionaler
als erwartet, sogar optisch wurde etwas
geboten, Stimmung war auch annehmbar,
dazu ein flottes Spiel, Sonne und Fritten, und
schon ist der anspruchslose deutsche
Pauschaltourist glücklich.
Ein gutgemeinter Rat von mir an alle
Sparfüchse, die in Bath zu geizig (oder zu spät)
sind, um die römischen Bäder aus der Nähe zu
observieren: Die Sandsteinmauern sind echt
rutschig. An diesen von außen hochzuklettern
muss nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt
sein und kann durchaus zu immer noch
vorhandenen hässlichen Narben an den
Fingergelenken führen. Desweiteren lässt sich
konsternieren, dass Stonehenge ein neues
Besucherzentrum hat, man seitdem nicht mehr
direkt vorm Eingang parken darf, dafür aber
mehr Eintritt löhnen muss. Der Steinkreis bei
Avebury ist nicht weniger unspektakulär, dafür
aber wenigstens kostenfrei anschaubar.
Höhepunkt und eigentlicher Grund der Reise
war jedoch die Besichtigung Highclere Castles.
Wer es nicht kennt, es handelt sich dabei um
die Kulisse unseres innig geliebten „Downton
Abbey“. Hier durch den Park zu flanieren wie
Earl Grantham, die spätsommerliche Sonne zu
genießen und dabei den passenden
Soundtrack im Ohr zu haben war schon ganz
besonders magisch – auch wenn ich bei einigen
jetzt sicherlich wieder auf der Coolness-Skala
gesunken bin ;-) (Ö)
Gute Touristen waren wir dann auch für den
Rest des Wochenendes. Wir verlagerten unser
Domizil nach Swindon jenseits der Meerenge
und begaben uns auf große Sightseeing Tour.
Ede und die iberische Halbinsel
– Teil 1
S
panien – Ich hatte mir ja mal aus
verlusttechnischen
Gründen
vorgenommen, nie wieder nach Madrid zu
fahren. Na ja, dann kam die
Europapokalauslosung 2015/2016, ein glücklich
terminiertes Spiel der Primera Division und ein
günstiger Flug. Da war sie dann wieder, meine
herrliche konsequente Inkonsequenz, wohl das
Einzige, was konsequent bei mir ist. Da ich in
nächster Zeit weniger Möglichkeiten haben
sollte, Touren über das Wochenende zu
machen, war die Entscheidung dann schnell
getroffen. Noch mal kurz rundgefragt, ob
jemand Lust hätte, und so wurde mit Edino
sogar noch ein Mitfahrer gewonnen.
Am Abflugtag bin ich morgens aufgewacht und
fühlte mich als hätte mich ein Lkw überrollt.
Schuld waren dieser ominöse AMFG14 und ein
Getränk namens Bier. Zu allem Überfluss
musste ich in aller Regelmäßigkeit dem
Porzellangott huldigen. Positiv war nur, dass
der Flug erst gegen Abend ging. So döste ich in
der Wohnung vor mich hin und hoffte, dass
sich mein Zustand bessern würde. Es bleib
letztendlich beim Hoffen und so machte ich
mich mit etwas Verspätung auf zum Flughafen,
wo Edino schon warten sollte. Bei der
Sicherheitskontrolle wurde wohl sichtbar, wie
es um mich bestellt war, da ich freundlichst
gefragt wurde, ob ich etwas müde sei, worauf
ich nur erwiderte, dass es schön wäre, wenn ich
nur müde wäre. Die Sicherheitskontrolle
passiert, war wieder das obligatorische
Gammeln angesagt. Zwischenzeitlich presste
ich noch oral die letzten Säfte aus meinem
Körper und freute mich schon wie Bolle auf den
Flug, während dem es mir dann
seltsamerweise gar nicht mal so schlecht ging
und nach der Bordservice Cola und einem
ordentlichen Schluck Wasser war ich auf dem
aufsteigenden Ast. Der Flug lief unspektakulär,
aber ich kann nur jedem Madrid-Reisenden ab
FRA wärmstens empfehlen, den Flug mit Lan
Chile zu buchen. Super Preis in einem
Dreamliner, der keine Wünsche offen lässt. Für
einen Kurzstreckenflug ganz großes Kino. In
Madrid angekommen, ging es Richtung
Ausgang, vom Satellitenterminal eine halbe
Weltreise und gefühlt fast länger als der Flug.
Dort einen Kiosk ausfindig gemacht um mich
erstmal mit Aquarius (Elektrolythaushalt) und
Wasser zu versorgen. Ich war ja nach der
ganzen Odyssee während des Tages restlos
ausgedorrt. Ich kann nur anmerken, dass es
eine Schande ist, dass es Aquarius nicht in
Deutschland gibt. Das Getränk hat mich den
ganzen Spanien-Aufenthalt oben gehalten,
natürlich neben Bier. Die Metro brachte uns in
einer guten halben zu unserer persönlichen
Endstation, wo das Hostel durch meine
vortreffliche Vorrecherche ohne große
Umschweife gefunden wurde. Hier
angekommen, wurde recht zügig eingecheckt,
das Zimmer bezogen und die Äuglein
zugemacht.
Rayo Vallecano – Deportivo La Coruña 1:3
11.740 Zuschauer (1.000 Gäste)
1. Liga Spanien, Mo. 14.09.2015
Am ersten „richtigen“ Tag in Madrid wurde
erstmal konsequent das Frühstück verschlafen.
Ich frag mich zwar warum, aber ich hatte lange
nicht mehr so gut geschlafen, wie die drei
Nächte in einem 8er Zimmer, wo in der Nacht
sogar Leute ein- und auszogen. Mir war es aber
scheinbar relativ egal, gepennt habe ich in
Madrid super. Das Hostel Era Alonso Martinez
wusste sowieso zu überzeugen. Sauber,
freundliches Personal, für ein Hostel ein gutes
Frühstück (Anm. der Korrektur: Woher weißt Du
das? Du hast das doch jeden Tag verpennt),
verkehrsgünstig zwischen den Metro-
Stationen Alonso Martinez und Bilbao gelegen
und dafür preislich recht günstig. Klare
Empfehlung, wer mal ein Hostel in Madrid
sucht.
Etwas voreingenommen ging ich dann doch an
die Stadt heran, in der mein über alles
geliebtes Portemonnaie noch sein Dasein
fristen muss. Ich hatte ihn und vor allem seinen
Inhalt doch so gerne. Wegen dieser Schandtat
fehlt mir in meiner Eintrittskartensammlung
eine Saisondauerkarte der SGE, aber gut,
Schwamm drüber. Schauen wir uns das
Städtchen noch mal an und schauen, ob es
noch genauso beschissen ist, wie das letzte
Mal. Irgendwie muss ich meine Meinung etwas
revidieren. An sich ist die Stadt schon
annehmbar, auch wenn sie ein eher
unscheinbares Dasein unter Europas
Hauptstädten fristet. Das Einzige, wo Madrid
weit vorne ist, was Hauptstädte angeht, ist der
Fußball. Dort aber nur wegen der Erfolge der
Vereine und nicht, weil einen die Stimmung in
der Bude vom Hocker haut. Dazu aber später
mehr… Erstmal wurde das Touri-
Pflichtprogramm abgearbeitet. Königspalast
mit Park, Plaza de Mayor, Altstadtgässchen
inklusive Märkte, Fußgängerzone bzw. Puerta
del Sol und später noch ein größerer Park
oberhalb des Atocha-Bahnhofs mit reizvollen
Bauwerken. Nachdem das Programm
abgespult wurde, ging es kurz ins Hostel und
dann weiter Richtung Estadio del Rayo
Vallecano. Vorteilhaft ist eine Metrostation
genau vor der Spielstätte. Dort kurz die Lage
gecheckt, Edino hatte seinen obligatorischen
Pin in der Tasche und los zum Kartenkauf. Dies
stellte wie erwartet keine größeren Probleme
dar. So umrundete man das Stadion und ließ
sich in einer Cervezeria einer asiatischen
Familie in Stadionnähe nieder. Der Cerveza-
Preis für knapp über 3€ für den halben Liter
wusste zu gefallen, genauso wie die dazu
gereichten Tapas, die auf‘s Haus gingen (sollte
man in Deutschland mal einführen). Nur mal
die Auswahl, die wir nach und nach bereit
gestellt bekamen beim Trinken von drei Bier:
Weißbrot mit Käse bzw. Sardelle, Weißbrot
mit Schinken und größere Krabben, sagenhaft.
Je näher das Spiel rückte, umso mehr brummte
der Laden, wobei ich mich immer wieder frage,
wie man vor dem Spiel diese
Platzpatronenbiere trinken kann. Also 0,2 Liter
Flaschen finde ich schon etwas lächerlich. Die
Portugiesen sind aber, was das angeht,
genauso seltsam… Na gut, in dem Teil dann
schön die Zeit vertrödelt und ne halbe Stunde
vor Anpfiff in Richtung unseres Einganges
aufgebrochen. Ich kann euch sagen, auf dem
Boden von der Kneipe hat es ausgesehen wie
Polterabend nur ohne Scherben, aber
ansonsten eine schöne Sauerei. Aber lasst euch
gesagt sein, wenn man wissen will, wie gut
eine Kneipe in Spanien ist, soll man auf den
Boden schauen. Umso mehr Müll, umso
besser, weil nach Tem trinken eines Espressos
o.ä. einfach das Papierdeckchen vom Teller
gekippt wird. Da sammelt sich über den Tag
ganz schön was an.
Am Stadion angekommen, enterte man dann
relativ schnell den Ground (Anm.: Das macht
dann bitte 3,-€ ins Phrasenschwein bzw. die
Hopperkasse) und fand sich dann im Oberrang
der Gegentribüne wieder. Für die 25,-€
Ticketpreis ein guter Platz. Leider etwas
Deportivo La Coruña lastig, die dank des
Spielverlaufs durchgehend auf die Tube
drückten. Ob der Entfernung an einem
Montagabend werden einige Exilanten
anwesend gewesen sein. Meine Schätzung
liegt bei knapp vierstellig, da wir den Unterrang
nicht einsehen konnten, könnte dies etwas
schwanken. Nach 20 Minuten habe ich dem
örtlichen Caterer einen Besuch abgestattet. Es
ist unfassbar, wie viele Leute in Spanien noch
um die 20. Minute herum ins Stadion kommen
und sich auf den Weg in Richtung ihres Platzes
machen. Die beiden Hamburgesas konnten
sich hingegen für Stadionverhältnisse durchaus
sehen lassen. Mit fortschreitender Spielzeit
wurde dann klar, dass das hochgelobte Rayo
heute eine Art Boykott machte. Von der
einzigen Tribüne hinter einem Tor blieb der
Support über die gesamt Spielzeit aus. Nur ein
Spruchband schmückte den Block für kurze
Zeit, welches ich aber Dank meiner
rudimentären Spanischkenntnisse nicht
interpretieren konnte. Das Spiel an sich hätte
für Support von Heimseite außer Gepöbel auch
nicht viel hergegeben. Deportivo war die
gesamte Zeit das spielbestimmende Team und
Rayo fiel nur durch Unzulänglichkeiten und
einer gelb-roten Karte des Deutschland-
Legionärs Maximilian Ebert auf. So endete der
Kick dann gerechterweise 3:1 für die
Auswärtsmannschaft. Kurz vor Ende wieder
faszinierend, wie viele Leute das Spiel
zwischen der 75. Und 80. Minute schon
verließen. Unmittelbar nach Abpfiff taten wir
es diesen gleich, verließen den Ort des
Geschehens und bewegten uns in Richtung
Metro. Schlauerweise hatten wir unsere
Rückfahrttickets schon vorher gelöst.
Empfehle ich jedem wärmstens. Und so ging es
dann Ruckzuck an den Bahnsteig, wo wir die
Metro um Sekunden verpassten und dann zehn
Minuten warten mussten. Der Zug war
überschaubar gefüllt und so kam man relativ
entspannt am Alonso Martinez wieder an. Wir
ließen den Abend bei entspannten Cervezas
ausklingen um später vom grandiosen
Christiano Ronaldo zu träumen.
Real Madrid – Shakhtar Donetsk 4:0
66.389 Zuschauer (eine Hand voll Gäste)
Champions League, Di. 15.09.2015
Matchday. Wieder mal wurde ausgiebigst
gepennt. Ich glaube, ich habe auf solchen Trips
noch nie so lange und gut geschlafen wie in
Madrid, obwohl eigentlich alle Faktoren
dagegen sprachen, aber irgendwie ging’s. Da
wir wieder mal das Frühstück verschliefen, ging
es dann in einen Laden, in dem man Chicken
Wings, Pommes mit viererlei Saucen und ein
Bier für unter 5,- Euro bekam. So war man nach
einem späten Frühstück satt und schaute sich
noch etwas das Städtchen an. Nach dem man
durch die Stadt gebummelt war und alles
Wichtige gesehen hatte, nahmen wir einen
Platz in einer Kneipe ein und taten das, was wir
am Besten können. Einfach mal ein paar
gepflegte Bier schütten und ein paar Calamaris
verhaften. Noch immer begeistert vom
Bierpreis in der spanischen Hauptstadt, traten
wir rechtzeitig den Weg in Richtung des
königlichen Stadions an, wo mit einem
weiteren großen Bier noch etwas die Zeit
verkürzten und eine Stunde vor Spielbeginn
der Ground geentert (Anm.: die Kasse füllt
sich…) wurde.
Im Bernabeu sollte man natürlich schon mal ein
Spiel gesehen haben. Alleine durch das
Ansehen und die Geschichte des Vereins ist
dies ein Muss. Beim letzten Madrid-Aufenthalt
sahen wir hier zwar keins, machten aber eine
Museums-Tour, welche schon zu beeindrucken
wusste. Alleine, wenn man mal vor Augen
geführt bekommt, welche Kapazitäten schon
das königliche Leibchen überstreifen durften,
wird einem warm ums Herz. Doch wie bei fast
allem waren die alten Zeiten dann doch etwas
netter und die Kicker aus meiner Sicht größere
Charakterköpfe als die, die jetzt in der Primera
Division und der Champions League für die
Madrilenen gegen den Ball treten. Alleine ein
paar meiner Jugendhelden, z.B. Zinedine
Zidane, Davor Suker oder auch Roberto Carlos,
waren dort vertreten. Genug der Geschichte,
heute ging es um Punkte in der Gruppenphase,
wobei in der Gruppe die klaren Favoriten mit
Real und PSG zu nennen sind. Shakhtar und
Malmö werden eher eine untergeordnete Rolle
spielen, da muss man kein Prophet sein.
Stimmungsmäßig habe ich nach meinem
Besuch beim Erzrivalen aus Barcelona nicht
viel erwartet und wurde dahingehend nicht
überrascht. 0815 immer mal was angesungen
und ein paar Leutchen mitgesummt oder
sporadisch die Lippen bewegt. Angekommen
ist da aber nix. Die Menge rastete lediglich aus,
wenn CR7 zum Freistoß antrat. Der
Geräuschpegel erinnerte dann stark an das
Ende der 90er Jahre, wenn Boygroups die
Bühne betraten. Mit Fußball hat das herzlich
wenig zu tun. Was das Kerlchen aber am Ball
kann und macht, ist dann schon wieder ein
anderes Kaliber und dem muss man als
Fußballfan schon mal Respekt zollen.
Das Spiel verlief erwartungsgemäß. Das weiße
Ballett war tonangebend und ging nach einer
halben Stunde durch Benzema in Führung. Die
Einseitigkeit wurde auch noch durch eine gelbrote
Karte kurz nach der Halbzeit auf Seiten
der Ukrainer unterstützt. Fünf Minuten später
entschied der Unparteiische aufgrund eines
Handspiels auf Strafstoß für die Heimelf. CR7
ließ es sich nicht nehmen und versenkte diesen
zum 2:0. Phänomenal, wie der Junge dann
abgefeiert wird, war doch bisher wenig bis gar
nix von ihm zu sehen. Unterstützt wird die
Toransage noch mit dem „Ronaldo-Ü“ -
nachdem der Vorname durch den
Stadionsprecher angesagt wird, antworten und
die Fans mit dem Nachnamen plus „Ü“. Das
„Ü“ ist das, was Ronaldo mal bei der
Weltfußballerwahl von sich gab und keiner
wusste, was es bedeuten soll. Wurde in Madrid
gnadenlos übernommen und nach jeder Bude
gepflegt von sich gegeben. Die Scheiße musste
man sich beim 3:0 (auch Handelfmeter) und 4:0
geben nochmals geben. Insgeheim hatte ich
nach dem zweiten Handelfmetertor auf einen
Handelfmeter-Hattrick gehofft, welcher uns
aber leider verwehrt blieb. An sich gab es bei
Stadion und Spiel keine großen
Überraschungen. Das Ding sollte man schon
mal gesehen haben, für um die 32,-€ inkl.
Gebühren war es preislich auch verkraftbar.
Vom Stadion zurück machten wir die Meter per
Pedes. Dies sind bis in die Innenstadt gut 40
Minuten zu laufen, abhängig davon, wo man
halt hin muss. Aber den Spaß in der Metro wie
in Barcelona wollte ich mir nicht geben und das
Stadion in Madrid ist weitaus näher der
Innenstadt als in Barcelona. In der Nähe des
Hostels angekommen, wurde sich noch mit
dem Nötigsten versorgt und dann ging es
schon ab in die Falle, um sich auf die morgige
Reise nach Valencia vorzubereiten.
Valencia CF– Zenit St. Petersburg 2:3
28.005 Zuschauer (200 Leningrader)
Champions League, Mi. 16.09.2015
Nachdem Auschecken und einem kleinen
Frühstück fuhren wird mit dem spanischen ICE,
gegen Mittag an die Küste nach Valencia. War
der Himmel in Madrid noch zugezogen und
ließ ab und an ein paar Tröpfchen auf den
Boden prasseln, wurde es, je näher wir der
Küste kamen, immer wärmer und die Wolken
waren zum größten Teil verschwunden. So
betrug der Temperaturunterschied zwischen
Landesinnerem und Küste um Valencia fast
zehn Grad. War dann aber nicht weiter
schlimm, außer dass ich noch für Madrider
Wetterverhältnisse gekleidet war. Die Kleidung
wäre an sich kein Thema gewesen, wenn man
sich nicht sofort verlaufen hätte, da man die
Karte falsch interpretierte und den falschen der
beiden Bahnhöfe als Ausgangspunkt annahm.
Nach konfusem Hin- und Herlaufen waren wir
nach einer halben Stunde auf dem richtigen
Weg. Auf den ersten Metern in der Innenstadt
Valencias wusste diese sofort zu überzeugen.
Überragende Gebäude, die sich
architektonisch sehen lassen konnten und mit
dem blauen Himmel im Hintergrund eine
sensationelle Kulisse boten. Nach einigen linksrechts
bzw. rechts-links Kombinationen waren
wir dann am Hostel angelangt. Das River
Hostel lag am ehemaligen Flussbett der Stadt
Valencia. Der Fluss wurde irgendwann mal um
die Stadt herumgeleitet, weil er entweder
wenig bis gar kein Wasser führte oder im
schlechtesten Fall zu viel Wasser und dann die
komplette Innenstadt landunter meldete. So
beschloss man, den Fluss außen herum zu
leiten und das Flussbett zu begrünen. Diese
Maßnahme wusste durchaus zu gefallen. Das
River Hostel machte dann auch einiges her.
Personal in Gestalt einer netten, blonden,
polnischen Schönheit, sowie saubere Zimmer
und Bierzapfanlage inkl. Snacks galt es als
Pluspunkte zu vermerken, welche dann auch
fast alle einer ordentlichen Prüfung unterzogen
wurden. Allgemein gibt es zu Valencia zu
sagen, dass die Preise für Essen und Getränke
im humanen Bereich und etwas unter dem
deutschen Preisniveau liegen. Der Tag wurde
mit Bier trinken bis zum Spiel vertrieben und
mit Hilfe eines Spaniers, der keinen Brocken
Englisch konnte, fanden wir dann das Stadion
auf der anderen Seite des Flusses. Aus meiner
Sicht einer der geilsten Stadionbauten, den ich
seit Langem gesehen habe. Extrem steile
Tribünen, nur teilweise überdacht und dann
noch die farbliche Gestaltung der Sitzschalen.
Einfach mein Ding. Obwohl das Stadion nur
gut zur Hälfte gefüllt war, war es
stimmungstechnisch bisher das Beste, was ich
Spanien gesehen habe. Atletico Madrid liegt
schon etwas zurück, aber da wird es
zwangsläufig auch nicht so der Knaller
gewesen sein, da am Ende eine
Heimniederlage zu Buche stand. Vor allem als
Valencia dann im Begriff war das Spiel noch
mal zu drehen bzw. noch etwas Zählbares zu
holen, war das Stadion im Aufruhr. Jedes
vermeintliche Zeitspiel oder jede Verletzung
wurde mit einem gellenden Pfeifkonzert
quittiert. Hierbei sei an die spanische
Spielweise erinnert, welche sich schlagartig
ändert, wenn es zu deren Gunsten etwas zu
schinden gibt. Das Spiel an sich war auf gutem
Niveau und wir bekamen fünf Tore zu sehen,
machte echt Spaß. Nach Abpfiff ging es direkt
zurück ins Hostel und am nächsten Tag über
Madrid wieder zurück in die Heimat.(E)
A
Hallescher FC – Rot-Weiss Erfurt 2:1
8.022 Zuschauer (500 Gäste)
3. Liga Deutschland, Di. 22.09.2015
lter!
Das dürfte dann wohl der meistbenutzte
Ausdruck meinerseits während der Hinfahrt
gewesen sein. Für was holt man sich eigentlich
eine Bahncard und freut sich auf einen
Nachmittag gespickt von schönster
Eisenbahnromantik, wenn einem zuerst mal
wieder eine kurzfristige Spielverlegung und
dann mein bester Freund, sprich die Deutsche
Bahn, einen Strich durch die mittlerweile viel
zu hohe Rechnung machen will.
Dabei war der Plan so simpel wie genial. Dank
Sparpreis und Bahncard-Rabatt kam ich in den
Genuss recht günstiger Zugtickets, die sogar
zeitlich genügend Puffer für einen lockeren
Moonwalk hin zum Stadion bis zum Anpfiff um
20:15 ließen. Dass zwei Tage vor Spielbeginn
eben jener aus fadenscheinigen Gründen mal
so mir nichts, dir nichts um Einskommafünf
Stunden nach vorne verlegt wurde, konnte im
angeblich so durchorganisierten Deutschland
ja niemand ahnen. Ich gebe unverfroren zu,
dass mir die von mir als fadenscheinig
titulierten Gründe nicht bekannt sind, ich
unterstelle aber böswillig, dass sie genau das
waren. Aber vom Fluchen und Schimpfen allein
hat sich ja noch keine Liga komplettiert, also
einfach eine Stunde früher Feierabend
gemacht und einen Zug eher bestiegen, auch
wenn das so die Kosten für die Anreise mal
locker verdoppelte. Und spätestens am Gleis in
Fulda war dann meine Laune auch
antiproportional zu den gestiegenen
finanziellen Aufwendungen kurz vorm
Bodenkontakt. Da wurde mir doch tatsächlich
eine 40minütige Verspätung angezeigt. In
Anbetracht dessen, dass das Zeitfenster für
meinen geplanten Moonwalk (wie komm ich
eigentlich die ganze Zeit auf Moonwalk? Lief
gerade Michael Jackson im Radio oder was?)
durch die Umbuchung eh schon ziemlich in sich
zusammengefallen war, hatte ich das
rechtzeitige Erscheinen zum
Spieleröffnungspfiff bereits jetzt schon
abgeschrieben wie die Jungs in der Schule
früher in Französisch bei mir. Nee, ich hab
ernsthaft drüber nachgedacht, wieder kehrt zu
machen und mir zu Hause einen runterzuholen
(Kate war im Urlaub, zur Info ;-)), großartige
Hoffnung, meinen Anschluss in was-weiß-ichwie-das-Kaff-hieß
zu bekommen, hatte ich eh
nicht. Und trotzdem war da dieser innere
Automatismus, der einen wie ferngesteuert
doch wieder in den Zug Richtung Osten steigen
ließ. Würde schon irgendwie gut gehen.
Tatsächlich erreichte ich just in time die größte
Stadt Sachsen-Anhalts (ist das so? Oder hat
Magdeburg mehr? Dürfte sich nicht viel geben,
oder?) und da das Geld jetzt eh egal war, ich
zeitlich dafür wieder mit etwas Glück im Game
sein könnte, wurde kurzerhand noch die
örtliche Taximafia mit einer druckfrischen 10€-
Note unterstützt. Immer noch über fünf
Minuten bis Anstoß und ich stand tatsächlich
vorm Stadion. Also auf, schnellen Schrittes zu
dem für meine Eintrittsberechtigung
vorgesehenen Eingang und rein in die hässliche
Bude. Ich hatte diesen Gedanken noch nicht zu
Ende gedacht, da wurde mir vom
Ordnungsdienst bewusst gemacht, wie schnell
der Schritt wirklich werden musste. Den
Fingerzeigen und Erklärungen zu Folge,
musste ich einmal um das ganze Areal inkl.
irgendwelcher Trainingsplätze rum. Ist klar –
warum sollte auch mal etwas glattgehen? Aber
auch hier gilt, lamentieren führt zu nix, also
Brust raus und in bester Michael Johnson
Manier den 400m Weltrekord gejagt und
tatsächlich pünktlich irgendeinen Sitzplatz in
der – ich wiederhole mich hier sehr gerne –
hässlichen Bude eingenommen: Kippe an und
aufs Spiel konzentrieren. Die Frage war nur,
was war hier wieder los? Kein Spieler auf dem
Platz, keine Betreuer auf der Bank und der
Stadionsprecher sabbelte irgendwas von
Anpfiff 15 Minuten später? Hätte ich mir den
ganzen Taxi- und Sprintscheiß sparen können?
Will mich eigentlich alles verarschen? Viele
Fragen, eine Antwort: Ja!
Das Spiel fing dann aus mal wieder
fadenscheinigen Gründen (mir wurde
irgendwas von Diskussionen mit dem
Ordnungsdienst über Mindestlöhne erzählt. Ich
halte diese Erklärung aber einem reichlich
verwirrtem Hirn entsprungen…) tatsächlich mit
einer Viertelstunde Verspätung an. Im
Endeffekt aber auch egal, hinten raus hatte ich
genug Zeit. Vom Spiel selbst war ich dann auch
recht positiv angetan. Ich würde dies mit den
Worten „ein wirklich schöner Fußballabend“
zusammenfassen. Eine sehr gut beflaggte
Heimkurve und gute Laustärke bildeten den
Rahmen für ein kampfbetontes und sehr
chancenreiches Gebolze. Ich hab durchaus
schon Schlechteres gesehen, so ehrlich muss
man sein, man kann schließlich auch nicht alles
schlecht reden. Die Liedauswahl der Kurve
gewinnt zwar sicherlich keinen Kreativcontest,
kam aber trotzdem gut rüber. Selbiges Attest
stelle ich auch dem Gästeblock aus, in der
zweiten Hälfte wurde sich gar analog zur
Leistungssteigerung auf dem Rasen zu „Rivers
of Babylon“ in einen Rausch gesungen, was
mein Füßchen doch das ein oder andere Mal
mitwippen ließ. Doch, hat Spaß gemacht.
Und damit dann mal zu einem anderen Thema
und einer dieser absolut negativen
Ausgeburten des modernen Fußballs bzw. der
modernen Stadiongastronomie: Die verfickte
Bezahlkarte. Der Versuch meines Wurstkaufes
spielte sich in etwa wie folgt ab: Herr Ösch
geht als einziger Kunde zum Grillmeister,
ordert seine gewünschte Fleischware und
möchte dafür dem Herrn am provisorischen
Kerbtischtresen 2,50€ in Münzen in die Hand
drücken. Hätte dieser jetzt die ihm
angebotenen Devisen angenommen, wäre
unser Handel an diesem Punkt erledigt
gewesen und ich hätte mich wieder dem
Treiben auf Rasen und Rängen widmen
können. Aber hätte hätte Fahrradkette, er
akzeptierte nur Kartenzahlung. Also drehte
sich besagter Herr Ösch einmal um die eigene
Achse, um am anderen Ende der Tribüne eine
dieser furchtbaren Karten zu erwerben. Clever
wie er ist, lud er nun genau 2,50€ auf, machte
die Rechnung jedoch ohne das Kartenpfand.
Alter…Nochmal zwei Euro mehr drauf, wieder
um die eigene Achse gedreht und zurück zur
Kerbbank, wartete dort auch schon seine
leckere Wurst im Brötchen auf ihn. Genau
zweimal beißen und kauen dauerte es, bis er
wieder an der Kartenausgabe ankam, um sich
hier das Pfand zurückerstatten lassen:
Nachdem dann auch diese bürokratische
Aktion zur vollsten Befriedigung (für wen auch
immer) zu Ende gebracht wurde, konnte er
endlich wieder seine mittlerweile erkaltete
Plastikschale in Beschlag nehmen und die
mickrigen Reste seines Abendessens genießen.
Wenigstens war es lecker. Zusammengefasst:
Anstatt einfach eine Wurst zu kaufen, was
weniger als eine Minute gedauert hätte,
musste ich dreimal sinnlos hin und
hermarschieren und hab dafür annähernd fünf
Zeigerumdrehungen benötigt. Und jetzt erklär
mir nochmal einer den Vorteil dieser Dinge für
den Kunden (Geil, das war jetzt ein halbseitiger
Exkurs über einen Bratwurstkauf – auch
irgendwie gestört).
Bis zur Abfahrt meines Nachtzuges hatte ich
dann noch ausgiebig Zeit, die ich mit einer
Dönerverköstigung (lecker und günstig) und
der Feststellung, dass der Weg vom Stadion
(übrigens, falls noch nicht erwähnt, eine
hässliche Bude) zum Bahnhof doch länger als
gedacht ist, gut überbrückte. Auf der
romantischen Zugfahrt durch die ostdeutsche
Prärie, die sich als dunkler als die
vorbeiziehende Nacht entpuppte, durfte ich
den beruhigenden Geräuschen meiner
Abteilungsgenossen lauschen: Der Kollege
neben mir kann wohl für gewöhnlich nur
schlafen, wenn er Aggro-Rap auf voller
Lautstärke hört; der Kollege gegenüber nur,
wenn er diverse Biere intus hat und der letzte
leidet wohl komplett unter Schlafstörung.
Anders kann ich mir zumindest nicht erklären,
wieso er die halbe Fahrt über telefonieren
musste. Herrlich, da wurde mal wieder jedes
Klischee bedient. Trotzdem wurde ich um 4:00
Uhr des Nachts in Ffm Süd relativ unzerstört
auf den Bahnsteig ausgespuckt, bevor mich die
letzten paar läppischen Kilometer meiner
17stündigen Odyssee quasi auf direktem Weg
ins Büro brachten. Bevor ich dort jedoch
meinen Rechner hochfuhr, genoss ich noch
ausgiebig die Vorzüge von Duschräumen in der
Firma. Und ich sag‘s euch: Wenn man so völlig
übermüdet morgens in der Firma duscht und
sich dann auf der Toilette die Zähne putzt,
kommt man sich vor, als wär man zu Hause
rausgeflogen ;-)
Nach einem nur minimal verkürzten Arbeitstag
war dann um 15:oo Uhr auch endlich Schicht im
Schacht und ich befand mich schon wieder von
diesem inneren Automatismus angetrieben in
Matzes Auto auf dem Weg nach Schalke, wo
die SGE allerdings wie erwartet für kein Happy
End dieser Geschichte sorgte. (Ö)
Urlaub Part 2
U
rlaub. Endlich.
Irgendwann im Laufe des Jahres tauchten auf
einem dieser Schnäppchenportale Flüge nach
Costa Rica und Panama auf. Da wir dort schon
immer mal hinwollten, überlegten Kate und ich
nicht lange und schlugen so schnell zu wie ich
es normalerweise nur bei
Mitfahrgelegenheiten zu irgendwelchen
Derbys täte – wenn diese mal jemand anbieten
würde…
Wer jetzt jedoch irgendwelche
Bumsgeschichten aus dem romantischen
Liebesurlaub erwartet, der wird ebenso
enttäuscht werden wie die Freunde der
ekstatischen lateinamerikanischen Fußballbegeisterung.
Ornithologen hingegen dürften
die folgenden Zeilen sicherlich sehr
aufmerksam verfolgen.
Der erste Vogel, mit dem wir es zu tun
bekamen, war einer aus der Flotte von Air
Canada, der uns von Amsterdam nach Toronto
beförderte. Hier hätten wir dann auch schon
fast einen Notfallplan für den weiteren
Reiseverlauf erstellen müssen, da der zweite
Vogel – diesmal ein menschlicher, ebenfalls zu
Air Canada gehörend – uns in der Schlange am
Check In Schalter trotz mehrmaligem
Nachfragens nicht sagen wollte, dass wir
eigentlich unter gehörigem Zeitdruck standen.
War nur so halb angenehm, als die Dame am
Schalter uns eröffnete, dass der Check In für
unseren Flug schon geschlossen wäre. Das
Gute an Kate und mir ist ja, dass wir uns prima
ergänzen und immer einer die Contenance
bewahrt. Diesmal war es erstaunlicherweise
Kate. Während ich schon kurz vorm Ausrasten
und feinster Pöbellaune war, konnte Kate das
Problem mit all ihrer Diplomatie klären,
wodurch unser Gepäck dank eines
Sondertransportes doch noch mit nach San
José fliegen durfte. Die Frage war nur, durften
wir das auch? Die Zeit bis zur Schließung des
Gates war eigentlich schon abgelaufen,
trotzdem spurteten wir ausgestattet mit den
besten Wünschen der sehr netten Schalter-
Dame los und liefen im höchstmöglichen
Tempo dem Flugsteig entgegen. Und liefen.
Und liefen. Und liefen…Ich sag’s euch, der
Flughafen in Toronto ist seeeehr weitläufig.
Am Gate angekommen war damit auch die
sportliche Einheit des Tages abgehandelt,
gelohnt hatte sie sich auf jeden Fall, da wir
tatsächlich noch als letzte Gäste an Bord gehen
durften.
Nach einem schönen Flug über die Karibik
setzten wir pünktlich in Costa Rica auf. Hier
schnell die Einreisemodalitäten hinter uns
gebracht, die gar nicht mal sooo aufdringlichen
Taxifahrer missachtet und schon brachte uns
der öffentliche Bus für ein paar Colon (1€ = ca.
600 Colon) in die costa ricanische Hauptstadt
San José. Der Bus sollte dann auch in der
Folgezeit neben den Füßen unser
Fortbewegungsmittel Nummer Eins werden.
Im Prinzip kommt man mit diesem für sehr
wenig Geld in jeden Teil des Landes. Zwar
denkt man im ersten Moment, dass man durch
das Chaos an verschiedenen Bussen und
Haltestellen nie durchblickt, aber wenn man
sich erstmal darauf eingelassen hat, geht es
eigentlich ziemlich easy.
Der Fußweg zu unserer Bleibe für die nächsten
beiden Nächte führte uns dann auch schon an
nahezu allen Sehenswürdigkeiten San Josés
vorbei und wir konnten einen ersten Eindruck
des Lebens hier erhaschen:
Ernährungstechnisch würde es wohl keine
Offenbarung werden, es sei denn, man hat sich
als Leibgericht frittierte Hühnerteile
auserkoren. Viel anderes gab es wirklich nicht,
und ich glaube, KFC hatte von allen ansässigen
Ketten noch die wenigsten Filialen. Auch kann
man konsternieren, dass das optische
Erscheinungsbild der Frauen nicht viel mit dem
fest verankerten Klischeebild einer
heißblütigen Latina zu tun hat. Als klassische
Schönheit würde ich mal wohlwollend kein
erblicktes Exemplar titulieren, wobei man es
ihnen bei der Ernährung hier auch nicht
verdenken kann. Dass man sich dann aber
trotzdem in den billigsten Nuttenfummel
zwängen muss, buch ich mal unter der
Kategorie „Weiß ich net“ ab. Aber das
allerskurrilste waren die Gesichtsbemalungen.
In dezenter Ausführung hätte man das ja noch
als Make Up bezeichnen können, hier sah es
aber in der Regel so aus, als hätte Homer
Simpsons „Schminkgewehr“ doch noch
reißenden Absatz gefunden. Ganz schön viele
erste Eindrücke, die wir nach dem
Zimmerbezug nochmals genauer unter die
Lupe nehmen wollten.
Unsere Unterkunft überzeugte durch Preis,
Gemütlichkeit, Frühstück (eigentlich nur Brot
und Obst, aber sowas von lecker und frisch)
und vor allem kuscheligen Hauskatzen. Das
Zentrum erreichten wir nach Bettenbezug in
guten 15 Minuten. Gute 350.000 Einwohner
leben in San José, im gesamten Ballungsraum
sind es 1,5 Millionen, was somit einem Drittel
der Gesamtbevölkerung Costa Ricas
entspricht. Da San José erst Mitte des 19.
Jahrhunderts zur Hauptstadt wurde und die
Bevölkerung erst in den letzten Jahren rasant
angewachsen ist, kann man erklären, dass es
hier kaum historische Kolonialbauten gibt. Für
Freund dieser Architektur wie uns also
eigentlich nicht das richtige Pflaster, ein paar
Bauwerke – vor allem das Teatro Nacional –
konnten aber dennoch überzeugen. Trotzdem
war unsere erste Sondierungsrunde durchaus
interessant. Es herrschte ein ordentliches
Gewusel auf der Straße, viel Verkehr und
irgendwie war alles zwar dreckig, aber dennoch
laut und bunt. Ich kann verstehen, wenn man
hier nur weg möchte, irgendwie haben wir uns
aber trotzdem wohl gefühlt. Ich mag auch
einfach so ein Chaos in Städten.
Die uns begegnenden Menschen lösten bei
Kate aufgrund der Optik eher Stirnrunzeln aus,
ich hingegen war teilweise schwer begeistert,
wie viele Leute in Fußballtrikots, hauptsächlich
der beiden beliebtesten und erfolgreichsten
Vereine des Landes (Deportivo Saprissa und LD
Alajuelense), herumliefen. Noch vor Trikots
dürften hier jedoch Weihnachtsartikel der
Hauptverkaufsschlager sein. Ganze Geschäfte
befassen sich nur mit diesem Thema und
bieten wirklich jeden glitzernden Kitsch an –
und die Betonung liegt explizit auf dem Plural
bei Geschäfte. Besonders beliebt sind
scheinbar Weihnachtskrippen. Irgendwie finde
ich das immer skurril, wenn in solch warmen
Ländern so viel auf Weihnachten getrimmt ist.
Da ist das Bild der weißen Weihnacht doch
stark in einem selbst verankert und das lässt
sich für mich wohl nicht so einfach hierher
transferieren. Abgesehen davon, dass ich Mitte
Oktober auch einfach noch gar nichts mit
Weihnachten anfangen kann ;-)
Nach so vielen Eindrücken in Kombination mit
der anstrengenden Anreise fielen wir dann
auch nach einem landestypischen Abendessen
– frittierte Hähnchenteile mit frittierten
Kartoffelteilen – relativ früh in die Koje, bevor
am folgenden Tag der Urlaub richtig beginnen
sollte. Strahlender Sonnenschein begrüßte uns
und entsprechend gut gelaunt machten wir uns
mit dem ersten Bus auf den zweistündigen
Weg zum Vulkan Irazu. Mit 3.432 ist es der
höchste der sieben aktiven Vulkane Costa
Ricas (letzte Eruption 1994) und ein kleines
touristisches Highlight. Von der Spitze kann
man sowohl den Atlantik als auch den Pazifik
sehen, im Krater befindet sich ein leuchtend
grüner See. So zumindest die Theorie. In der
Praxis sieht man für die übertriebenen zehn
Dollar Eintritt außer Wolken nichts. Dafür
lassen diese Wolken ihr Wasser auf einen
niederprasseln, so dass man wenigstens etwas
von diesem Ausflug hat – und wenn es nur
nasse Kleidung ist. Das war dann wohl ein
eindeutiger Fall von „na ja“, die für den
nächsten Tag angedachte Besteigung des
Vulkans Poas haben wir aufgrund des starken
Verdachts eines neuerlichen Flops gleich mal
gestrichen. Egal, ein Versuch war es wert, jetzt
galt es erstmal den Länderpunkt einzutüten.
Im Estadio Ricardo Saprissa Aymá sollte die
Nachwuchself Deportivo Saprissas in der
zweiten Liga gegen den Spitzenreiter San
Carlos gegen das runde Leder treten. Aufgrund
akuten Zeitmangels griffen wir für die Anreise
auf ein Taxi zurück, das mit umgerechnet fünf
Euro jetzt auch keine großen Löcher in die
Urlaubskasse riss. Irgendwie traute ich dem
Braten von Anfang an nicht so ganz, dass
wirklich im großen Stadion gespielt wird, die
Bestätigung für meine Befürchtung erhielten
wir vor Ort. Trotz jeder Menger aufgebauter
Fanartikelstände gab es hier so gut wie nichts,
vor allem kein Spiel, wie mir auch der Kerl im
Eingangshäuschen bestätigte. Irgendwie war
es mir aber auch relativ egal, das Spiel war eh
nur ein Notnagel. Also einfach nochmal
kulinarisch hochwertig beim angrenzenden
Taco Bell gespeist und zurück ins Liebesnest.
Damit war der erste richtige Urlaubstag dann
auch relativ unerfolgreich zu Ende gegangen.
Der nächste Morgen begrüßte uns wieder mit
strahlendem Sonnenschein und einem
vitaminreichen Frühstückssnack, bevor uns
unsere Füße zum Nahverkehrsbusbahnhof
trugen. In San José ist es so, dass es nicht einen
zentralen Busbahnhof (seltsames Wort
irgendwie) gibt, sondern teilweise jedes
Unternehmen seinen eigenen hat bzw. es je
nach anvisierter Zielregion ein anderes
Terminal gibt. Die nahegelegenen Städte
werden von den roten Bussen der Gesellschaft
angesteuert, deren Namen ich vergessen habe.
Einen solchen bestiegen wir gegen 9:00 Uhr
morgens, um ihn eine knappe Stunde später in
Heredia (130.000 Einwohner) wieder zu
verlassen. Clever wie wir sind, stiegen wir nicht
an der Haupthaltestelle aus, sondern ließen
uns von unserem Gefühl geleitet noch ein paar
Meter weiter kutschieren, so dass wir am Ende
direkt vorm Eingang des Estadio Eladio
Rosabal Cordero rausgeschmissen wurden.
Hier war schon gut was los, so dass diesmal
keine Gefahr eines geplatzten Spiels bestand.
CS Herediano – CS Uruguay 3:1
2.352 Zuschauer (50 Gäste)
1. Liga Costa Rica, So. 11.10.2015
In der höchsten costa-ricanischen Spielklasse
finden regelmäßig Spiele Sonntag morgens
um 11:00 Uhr statt, so dass wir heute in den
Genuss kamen, ein Erstligaspiel am Morgen zu
begutachten, hat man auch nicht alle Tage.
Nach erfolgreichem Kartenkauf – heute gab es
zwei zum Preis von einer, weshalb ich die
offizielle Zuschauerzahl von 2.352 auch für
ziemlich gering halte, war vielleicht eher die
Zahl der verkauften Tickets – ging’s auch gleich
rein in die gute Bude. Und das war mal wirklich
eine gute Bude. Neben einer kleinen,
überdachten und bestuhlten Haupttribüne
besteht das enge Stadion sonst nur aus
Betonstufen, die in Vereinsfarben (gelb-rot)
gestrichen sind, wobei die Kurven höher als die
Gegengerade sind. Schönes Teil, der
Kunstrasen hingegen passte nicht so recht zum
Ambiente. Allerdings muss man auch
eingestehen, dass ohne Kunstrasen bei den
Mengen, die es hier teilweise runtergeregnet,
wohl jedes zweite Spiel ausfallen würde.
Bevor ich jetzt zum Spiel an sich komme, noch
kurz ein paar Infos zum Fußball in Costa Rica.
Die Meisterschaft wird seit 1921 ausgespielt.
Seit 2007 ist die Saison wie in Lateinamerika
des Öfteren üblich in zwei Hälften geteilt
(„Invierno“ von Jul-Dez und „Verano“ von Jan-
Jun), für die auch jeweils ein separater Meister
ausgespielt wird (vorher war die Saison zwar
auch schon geteilt, die jeweiligen Meister
spielten aber am Ende noch einen
Gesamtmeister aus). Den einzigen Absteiger
stellt die Mannschaft dar, die nach Addierung
der beiden Saisonhälften auf dem letzten Platz
steht. Die beiden erfolgreichsten Vereine mit
31 bzw. 29 Titeln sind die schon
angesprochenen Deportivo Saprissa (31) und
LD Alajuelense (29), nur knapp dahinter folgt
mit 24 Titeln der heutige Gastgeber CS
Herediano, der auch gleichzeitig der
amtierende Titelträger der letzten Verano ist.
Überhaupt hat sich mit Ausnahme des Jahres
2009 außer diesen drei Vereinen seit 1984 kein
anderer in die Siegerlisten eintragen können,
seit 1947 gab es überhaupt nur fünf Jahre, in
denen etwas Abwechslung auf dem Ligathron
herrschte.
Zum Abschluss der Einleitung noch etwas
Trivia – mein Dank gilt hierbei mal wieder
Wikipedia, woraus ich auch einfach mal ganz
dreist zitiere:
- „In jedem Stadion müssen sich
nebeneinander vier Flaggen
befinden: Eine Costa-Rica-Flagge
als Flagge des Heimatlandes, eine
Flagge der UNAFUT als Flagge des
Turnierveranstalters, eine Flagge
des amtierenden Meisters und eine
Flagge des Heimvereins. Diese
Regel gilt auch in allen anderen
Ligen Costa Ricas (statt UNAFUT-
Flagge mit Flagge des
organisierenden Verbandes).
- Mit jeder Auflage wird ein
berühmter Ex-Spieler, -Trainer oder
-Funktionär gewürdigt, als
Untertitel des Saisonlogos steht
somit „Dedicado: …“.
- In jedem Kader (aus maximal 30
Spielern bestehend) dürfen sich
höchstens vier Ausländer befinden.“
So, und damit mal wieder zum Tagesgeschäft.
Trotz der noch lebhaften Erinnerungen an
unsere Pavianärsche aus Beograd pflanzten wir
uns ganz selbstbewusst wieder auf den
nackten Betonstufen nieder. Hinter dem Tor zu
unserer Linken versammelte sich eine
zweistellige Anzahl finsterer Gestalten, die mit
allerhand Musikinstrumenten und den
typischen Armwedlern für eine angenehme
Hintergrundbeschallung sorgten. War jetzt
nichts, was lange im Gedächtnis bleibt, dafür
hat einfach die Masse gefehlt, schön war es
trotzdem und der Fuß wippte das ein oder
andere Mal mit. Das Spiel an sich war auch auf
höherem Niveau als gedacht, wobei das bei
meinen geringen Erwartungen auch nicht
wirklich schwer war, zumindest von der
Heimelf, die keine Mühe hatte, den
Kontrahenten in die Knie zu zwingen. An so
einen Sonntagmorgen im Stadion bei 25 Grad,
überragender Choripan und angenehmer
Stimmung könnte ich mich glatt gewöhnen,
Grund genug also es mir richtig bequem zu
machen und eine Zigarette anzuzünden. Da ich
Probleme mit meinem Feuerzeug hatte, half
mein Nebenmann aus, natürlich teilte er mir
pflichtbewusst mit, dass innerhalb der Stadien
Rauchverbot herrsche. Trotzdem riskierte ich
ein Stadionverbot und zog genüsslich an
meiner gepressten Tabakware, währenddessen
ich mit meinem Anfeuerer ins Gespräch kam.
Um die 60, großer Herediano Fan, aus San José
und mit seiner Frau im Stadion. Anfangs war
das auch noch alles ganz cool, wir tauschten
Namen bekannter Fußballer aus, irgendwann
meinte ich in seinem nuschelnden Englisch-
Spanisch-Kauderwelsch zu erkennen, dass er
jetzt über farbige Spieler und Menschen
allgemein abrotzt und ob wir in Deutschland
auch Schwarze hätten und wie wir das finden
würden. Der Tico an sich ist ja ein sehr
freundlicher und fröhlicher Mensch (einer
Studie nach handelt es sich um die
glücklichsten Menschen weltweit), einen Hang
zum Rassismus sagt man ihm aber auch nach,
was sich hier sehr gut bestätigte. Als sich dann
der Inhalt des Gesprächs noch auf Nordkorea
ausweitete, sah ich es vor, die folgende
Essenseinladung auszuschlagen – mal ganz
davon abgesehen, dass wir eh noch einen
weiteren Termin am Nachmittag hatten.
Dahin machten wir uns auch gleich nach
Abpfiff auf den Weg. Kurzer Spaziergang zum
Stadtzentrum, hier am recht schönen
Marktplatz ein paar Fotos geschossen und auf
zur Bushaltestelle. Pünktlich mit unserer
Ankunft dort war die Sonne von einer dunklen
Wolkendecke bedeckt, die von nun an
unaufhörlich ihren Inhalt auf uns
niederprasseln ließ. Da der Bus auch mit einer
zeitlichen Fahrplanbeachtung aufwartete, die
der der Deutschen Bahn in nichts nach stand,
hatten wir Glück, dass wir halbwegs überdacht
stehen konnten. Beim Betreten des Busses war
uns Fortuna weiterhin hold, da in meiner
Geldbörse lediglich große Scheine anwesend
waren, weshalb Kate zur Bezahlung auserkoren
wurde. Nur deshalb hatten wir noch rechtzeitig
bemerkt, dass Kates Bargeld und Kreditkarte
noch in aller Einsamkeit auf der Bank in der
Bushaltestelle lag. Ich würde sagen, das war
ein eindeutiger Fall von „Glück gehabt“.
Das überfüllte Personenbeförderungsfuhrwerk
verließen wir in der 50.000 Einwohner Stadt
Alajuela, Hauptstadt der gleichnamigen
Provinz. Eine gute Viertelstunde dauerte unser
Fußweg durch strömenden Regen, dann
standen wir vorm Estadio Alejandro Morera
Soto in freudiger Erregung des zweiten
Primera Division Kicks des Tages. Leider sollte
hier heute nicht der eigentliche Heimatverein
LD Alajuelense um Punkte kämpfen. Aufgrund
eines Länderspiels in der folgenden Wochen in
US und A wurden kurzfristig die Spiele der
beiden Top Clubs verlegt, so dass ich nicht in
den Genuss kommen sollte, diese zu sehen.
Schade vor allem vor dem Hintergrund, dass
sowohl LDA als auch Saprissa regelmäßig vor
rund 10.000 Zuschauern spielen und auch von
einer recht großen Barra unterstützt werden,
der Classico zwischen beiden findet gar vor
vollen Rängen statt. Anstatt eines solchen
Spektakels mussten wir uns hingegen mit dem
Kellerduell zufrieden geben.
AD Carmelita – Municipal Pérez Zeledón 1:1
600 Zuschauer (3 Gäste)
1. Liga Costa Rica, So. 11.10.2015
Wie gesagt, schade, dass wir anstatt eines gut
gefüllten Grounds annähernd alleine dem Spiel
beiwohnten. Dabei ist auch die hiesige Cancha
ein ziemliches Brett. Ebenfalls in den
Vereinsfarben LDAs gehalten (rossonero),
befinden sich auf den Seiten wieder
Betonstufen und hinter einem Tor eine
doppelstöckige Tribüne. Sowas finde ich ja
immer geil. Hinter dem anderen Tor ist eine
überdachte Sitztribüne, die heute als einzige
geöffnet und angeblich von 600 Hinchas
bevölkert wurde. Wo diese allerdings gewesen
sein sollen, kann ich nicht beurteilen. Hielt ich
beim Spiel heute Morgen die offizielle
Zuschauerzahl für zu niedrig, so würde ich jetzt
mal auf grob überschlagen 550 zu hoch
schätzen.
Deshalb muss man immer das positive sehen:
Das Spiel fand trotz unaufhörlichem
Wolkenbruch tatsächlich statt (ein Hoch auf
Kunstrasen…ähem), die Eintrittskarte
überzeugte ebenso wie das Stadion, wir saßen
im Trockenen und die Ausblicke auf die
wolkenverhangenen Berge im Hintergrund
waren schon nahezu mystisch. Das Spiel selbst
bot auch nicht viel Berichtenswertes, von
sowas Ähnlichem wie fußballerischen Können
will ich hier gar nicht anfangen, sportlicher und
atmosphärischer Höhepunkt war der
Ausgleichstreffer in der 95. Minute. Das ließ
die drei Hinchas der im Nordosten Cosa Ricas
beheimateten Gastelf endlich ruhig werden,
konnte man doch besonders das weibliche
Exemplar von der Mitte der Gegengerade, auf
der sie es sich trotz nicht vorhandenem
Regenschutzes bequem gemacht hatten, ab
und mal rumquieken hören.
Ansonsten vertrieben wir uns die Zeit mit „Ich
sehe was, was Du nicht siehst“ spielen, wobei
wir nach ein paar Runden schon alles gesehen
hatten, und herrlichem Dünngesabbel.
Theoretisch könnte ich euch jetzt von den
Gesprächsinhalten und meinen
Gedankengängen dabei zuschwallen, aber im
Endeffekt interessiert es ja auch keinen, dass
meiner Meinung nach Klebeband das
wichtigste Utensil in jeder Reisetasche ist ;-)
Nass und durchgefroren waren wir am frühen
Abend wieder in San José, wo wir uns endlich
mal ein vernünftiges, landestypisches
Abendessen gönnten – und das mein ich
ausnahmsweise mal ernst. Das Nationalgericht
Gallo Pinto (sowas wie rice&beans mit
Kochbanane) in Verbindung mit würzigen Dips
und einem guten Flatscher Rindfleisch war eine
Wohltat zum Fast Food der letzten beiden
Tage.
Damit war dann aber auch das Kapitel San José
beendet, schließlich fährt man ja in erster Linie
wegen der Natur nach Costa Rica. Dahin sollte
es uns am folgenden Morgen auch
verschlagen. Da bis Mittwoch keine weiteren
Spiele angesetzt waren, konnten wir uns guten
Gewissens auf den Ausflug in die
Touristenhochburg Monteverde freuen. Da wir
die Tickets für die ca. vierstündige Busfahrt
bereits am Vortag geholt hatten, waren wir
froh, als wir von unserem Hotel aus angeboten
bekamen, an das entsprechende Busterminal
gefahren zu werden. Nicht nur, dass wir
dadurch wichtige Minuten Schlaf gewannen,
uns blieb auch der Spießroutenlauf durch
einige heruntergekommene Gassen erspart, da
die Fernbushaltestellen wie wir feststellen
mussten nicht gerade in den wohlsituiertesten
Barrios liegen. Trotzdem hatte ich beim
Durchschreiten dieses auch kein mulmigeres
Gefühl als wenn man zu einer beliebigen
Uhrzeit durch Offenbach läuft. Vielleicht lag es
aber auch daran, dass hier im Gegensatz zu OF
an jeder Kreuzung bewaffnete Polizisten
standen. Unser Chauffeur bestätigte uns
sowohl, dass man hier lieber etwas Vorsicht
walten lassen sollte, als auch, dass das
Vorurteil des Rassismus nicht so weit hergeholt
ist („Negros – mi no gusto“, „Puerto Ricans –
mi no gusto“) – aha. Diese Ticos.
Apropos: Kurz erklärt wurde uns noch die
Herkunft des Namens Ticos. Die gemeinhin
bekannte Bezeichnung für die Bewohner Costa
Ricas kommt daher, dass dies die
Angewohnheit haben, immer in
Verniedlichungen zu sprechen, was sich durch
den nuschelnden Slang so anhört, als würden
sie jedes Wort mit „tico“ beenden. Beispiel
gefällig? Die Verniedlichung von poco (wenig)
ist pocito bzw. pocotito, der Tico sagt aber
pocotico.
Ziemlich pünktlich erreichten wir dann unser
heutiges Tagesziel. Mit fortnehmender
Fahrdauer wurden die Ausblicke immer
spektakulärer und boten in Verbindung mit den
am Himmel kreisenden Geierrudeln einen
Vorgeschmack auf das, was uns erwarten
sollte.
So, ich versuche mich jetzt mal relativ kurz zu
fassen, allein der Glaube, dass es mir gelingen
wird, fehlt.
Monteverde ist eines der touristischen
Hauptziele Costa Ricas. Dementsprechend ist
hier auch alles auf den Tourismus eingestellt.
Eigentlich gibt’s nichts, wo man sich nicht das
Geld aus den Taschen ziehen lassen kann.
Wenn man aber auf den ganzen
Adventurekram keine Lust hat, kann man auch
einfach die Natur genießen. In der Hauptsaison
soll es zwar völlig überlaufen sein, da wir aber
komplett antizyklisch unterwegs waren,
durchstreiften wir die Nebelwälder teilweise
alleine. Nebelwälder sind ein Regenwaldtyp,
der in Bergregionen vorkommt (Monteverde
liegt auf 1.500 Metern). Da ich biologisch nicht
so bewandert bin, versuche ich erst gar nicht,
dieses Phänomen zu erklären, auf jeden Fall
durchzieht diese Wälder ein ständiger Nebel,
was eine fast schon zauberhafte und mystische
Atmosphäre ergibt. Und auch wenn man in den
großen Reservaten hier nur wenige Tiere sehen
kann, macht das Laufen aufgrund dieser
Atmosphäre doch unglaublichen Spaß.
Problem an der Sache ist nur, dass es eben kein
Regen- bzw. Nebelwald ohne eben diesen
Regen gäbe. Ihr könnt euch vorstellen, wie
durchnässt wir mal wieder waren.
Für die Tiere gönnten wir uns dann einen
Guide. Zunächst machten wir eine
Nachtwanderung, bei der man anhand diverser
Insekten, Pflanzen, Krabbelzeugs, Schlangen
und Spinnen das Ökosystem recht anschaulich
erklärt bekam. Wieso wir aufgrund eines
Knäuels irgendwo in einem Baumwipfel aber
über matschigen Boden durch den halben
Wald sprinten mussten, verstehe ich bis heute
nicht. Angeblich hätte es sich dabei um ein
Faultier gehandelt, sah aber jetzt auch nicht
anders aus als Disteln.
Die nächsten beiden Tage verbrachten wir mit
unserem Guide Jose alleine. Gebucht war eine
zweistündige Gruppentour, erhalten hatten wir
eine fünfstündige Privattour, die dann auch
noch kurzerhand auf den nächsten Tag
ausgeweitet wurde. Jose war voll in seinem
Element und zeigte uns einen schöneren Vogel
als den anderen, kutschierte uns zu seinen
Lieblingsplätzen in der Region, hielt an jedem
Baum, um uns ein (zu erkennendes) Faultier zu
zeigen (erblickte dabei aber „nur“ einen
Kinkajou und ein hairy mexican porcupine.
Fanden wir jetzt auch nicht so schlecht ;-) ),
machte Fotos für uns und lud uns zum
traditionellen Essen ein (Chicken, was sonst).
Muchas Gracias an dieser Stelle nochmal. Mit
weiteren Einzelheiten will ich euch jetzt nicht
penetrieren, dafür dürft ihr ein paar
Vögelbilder (ja, ich meine tatsächlich diese
Flugtiere) bewundern. Zwei fantastische Tage,
auch wenn wir das absolute Highlight – den
sagenumwobenen Quetzal – leider nicht sehen
konnten.
Die Busfahrt zurück nach San Jose verlief auch
relativ zügig, so dass wir (also ich) dem
nächsten Stadionbesuch freudig entgegen
blickten. Naja, verhindert wurde dieses
Vorhaben durch einen Monsterstau ab Höhe
des Flughafens. Für die letzten 20 km
benötigten wir mal eben gute drei Stunden,
wodurch das Spiel schon angefangen hatte und
ich auch keine großartige Lust mehr verspürte,
mit einem Taxi für lediglich eine Halbzeit
(wenn überhaupt) anzureisen. Nervt das
eigentlich, wenn ich mehr von geplatzten als
von besuchten Spielen schreibe? ;-)
Meine Laune hatte jetzt den Urlaubstiefpunkt
erreicht. Trotz der tollen Tage war ich
irgendwie genervt vom ständigen Regen und
dass bisher so viel schief ging, das musste mal
raus. Aber ab da war es das dann auch mit
schlechter Laune, Regen oder sonstigen
größeren Unannehmlichkeiten.
Nächster Halt: Tortuguero.
Den Trip hierher buchten wir entgegen
sonstiger Gewohnheiten von San José aus als
komplettes Tourpaket. Geht zwar auch
individuell, hat dann aber kaum Geldersparnis
und ist wesentlich stressiger. Tortuguero ist
das letzte Stück Küstenregenwald an der
Karibikküste. Auf dem Weg dorthin passierten
wir zunächst unendliche Bananenplantagen,
die eindrucksvoll belegten, dass Costa Rica
nach Ecuador der zweitgrößte
Bananenexporteur der Welt ist, bevor uns eine
1,5stündige Bootstour an Vögel, Echsen,
Krokodilen und Affen vorbei nach Tortuguero
Village brachte. Hier selbst, wie an der
kompletten Karibikküste, ticken die Uhren
anders als im Landesinnern. Während der
Großteil der Bevölkerung aus Nachfahren
spanischer Kolonialisten bzw. der indigenen
Einwohner besteht, leben hier vorwiegend
kreolische Nachfahren ehemaliger
Plantagenarbeiter bzw. Sklaven. So manches
Karibikklischee wurde bestätigt. Und nein,
damit meine ich nicht türkisblaues Wasser an
schneeweißen Stränden, sondern
pastellfarbene Hütten, vor denen Menschen
aller Altersklassen chillen, während aus den
Boxen Dancehallriddims wummern. Pure
niceness a gwaan. Schön zu sehen, dass dieser
Ort trotz allem Tourismus seinen
ursprünglichen Charme komplett bewahrt hat
und die Einwohner einfach ihr Ding machen.
Dennoch waren wir nicht ausschließlich wegen
dem Lifestyle hier, sondern – der Name
impliziert es schon – wegen der Schildkröten.
Von den sieben Meeresschildkrötenarten
nisten vier in Tortuguero. Zwischen Juli und
Oktober ist Brutzeit der grünen
Meeresschildkröte. Da wir rein zufällig Oktober
hatten, wollten wir diesem Schauspiel
beiwohnen. Die Schildkröten kommen nachts
an den Strand, graben ihre Löcher, legen Eier
und verschwinden wieder in den Weiten des
Ozeans. Hört sich nach einer schnellen Sache
an, so ein Akt dauert aber mehrere Stunden.
Beobachten darf man dies nur in geführten
Touren, die unter strengen, naturschützenden
Regeln stattfinden. Wenn auch nur ein
Teilnehmer sich nicht daran hält, ist die ganze
Gruppe draußen – da sind sie glücklicherweise
rigoros. Wir hatten das Glück, eine riesige
Schildkröte zu beobachten, wie sie gerade ihre
Eier rauspresste und danach voller
Erschöpfung wieder vergrub -ein einmaliges
Schauspiel. Traurig hingegen, dass von 100
Eiern nur ein Schildi-Baby überleben wird. Zu
groß ist die Versuchung für Nesträuber aller
Art (streunende Hunde, Vögel, Katzen bis hin
zu Jaguaren und last but not least natürlich
auch den Menschen). Umso überwältigter
waren wir, als wir mittags ein frisch
geschlüpftes Baby auf dem Weg ins Meer
sehen durften. Die restliche Zeit verbrachten
wir mit weiteren beeindruckenden Dschungelund
Bootstoren, leckerem Essen und
entspanntem Chillen, bevor es uns die Küste
weiter südlich gen Cahuita zog. Den Weg
legten wir wieder per Boot zurück, teilweise
war der Wasserstand im braunen Fluss so
niedrig, dass wir das Boot selbst anschieben
mussten. Beruhigend, dass man vorm Eintritt
ins Wasser noch mitgeteilt bekommt, dass hier
Krokodile leben (wie wir auch schon mit
eigenen Augen sehen konnten). Dennoch
begrüßten uns im Zielhafen riesige
Frachtschiffe, welche ausschließlich mit
Chiquita-Containern beladen waren. In Cahuita
selbst wurde die Karibik noch etwas
lebendiger, da zusätzlich zu den Sounds auch
noch palmengesäumte Strände hinzukamen.
Je nach Tageszeit konnte man im ruhigen
Gewässer schwimmen oder sich in wilde Fluten
stürzen, direkt hinter dem Strand begann
wieder dichter Dschungel. Hat was, wenn man
am Strand liegt und über einem die Brüllaffen
in den Bäumen spielen. Vor allem aber Kate
hatte was, nämlich zwei Faultiere, die auch
eindeutig als solche zu erkennen waren, in den
Baumwipfeln entdeckt. Ich gebe zu, seit diesen
Momenten haben sich diese ganz weit oben in
der Liste meiner Lieblingstiere eingetragen.
Aber auch die schönsten Faultiere muss man
mal verlassen, denn mittlerweile hatte der
Fußball schon fast eine Woche geruht, geht ja
auch nicht.
Limón FC – Municipal Liberia 5:0
600 Zuschauer (50 Gäste)
1. Liga Costa Rica, Sa. 17.10.2015
Eine Stunde brauchte der Bus, um uns nach
Puerto Limón zu befördern. Von der
Endstation zur Cancha waren es keine 500
Meter, die Eintrittskarten waren schnell
gekauft und noch schneller wieder weg. Ich
werde das nie verstehen, wieso man
wunderschöne Tickets mit Spielpaarung
druckt, um sie dann am Eingang wieder
einzukassieren. Alles lamentieren half nix, die
Dinger waren weg. Nochmal rausgehen und
neue Tickets kaufen hätte dasselbe Problem
ergeben, also investierten wir unsere letzten
Colon in gegrillte und super delikate
Hähnchenspieße, bevor wir auf die nackten
Betonstufen purzelten. Der Kunstrasenplatz
wurde von zwei Tribünen über die Längsseiten
und hohen Werbebanden hinter den Toren
umgeben, irgendwie ein geiles und total
abgefucktes Teil. Mehr als 3.000 Zuschauer
dürften hier keinen Platz finden, heute waren
die Ränge in etwa zur Hälfte gefüllt. (600
kommt mir hingegen wieder wenig vor) Die
letzten Wochen waren für die Gastgeber, die
mit ihren grellgrünen Vereinsfarben allein
optisch schon sehr auffällig waren, sportlich
eher suboptimal verlaufen, da war der heutige
und in dieser Höhe verdiente Kantersieg mehr
als Balsam auf die geschundenen Seelen. Das
Ergebnis hätte durchaus höher ausfallen
können, was Liberia da auf dem künstlichen
Geläuf veranstaltete hatte mit Fußball in etwa
so viel zu tun wie Ede mit Bodybuilding. Den
anwesenden Zuschauern sollte es hingegen
recht sein, die machten Party auf den steinigen
Traversen. Jetzt nicht im Sinne von
koordinierter Fußballatmosphäre, außer
gelegentlichen Limón-Rufen gab es so etwas
nicht, sondern jeder feierte für sich selbst. Das
Publikum überhaupt war sehr gemischt, viele
Latinos, noch mehr Schwarze und zwei
Weißbrote. Da wunderte es nicht, dass
dickärschige Frauen in viel zu knappen
neongelben Hotpants die Tore mit einem Tanz
ala Backshot feierten, während die Männer –
übrigens teilweise auch im modischen
Neongelb unterwegs – den Tunda Clap
auspackten. Überhaupt war alles so bunt und
grell auf der Tribüne, das hatte einen ganz
eigenen Charme.
Der Abpfiff war für uns dann auch
gleichbedeutend mit dem Abschied aus Costa
Rica. Nach einem leckeren Fischteller und
meinem Schwelgen in Erinnerungen
vergangener Reggaefestivals (dürfte Kate jetzt
nicht sooo sehr interessiert haben), brachte
uns tags drauf der Linienbus an die Grenze zu
Panama. Diese konnten wir recht zügig
überqueren, in Panama selbst war aber erstmal
Schluss. Deshalb schnell im Duty Free mit zwei
Liter feinstem Rum zum Spottpreis
eingedeckt, danach sollte es eigentlich auch
recht zügig weiter gehen. Doch nichts geschah.
Und es geschah nichts. Und irgendwann wurde
uns mitgeteilt, dass im Zuge eines Streiks die
Hauptverkehrsstraße blockiert wurde, es aber
einen Alternativweg geben würde, den wir
fahren könnten. Los geht’s, endlich mal etwas
Abenteuer. Die ganze Touristenhorde, die sich
Richtung Bocas del Toro aufmachte, wurde auf
drei Jeeps bzw. Kleintransporter verladen und
über einen Feldweg geschickt, der nur aus
Schlaglöchern bestand. Infolgedessen kamen
wir lediglich mit einer gefühlten
Durchschnittsgeschwindigkeit von minus fünf
km/h voran, an der ersten Brücke war dann erst
mal wieder Schluss. Brücke heißt in diesem
Fall, provisorisch über einen Graben gelegte
Bretter. Naja, der Fahrer guckt kurz, und es
geht drüber. Vor der zweiten Brücke war das
dann nicht mehr so einfach, hier mussten wir
schon alle aussteigen und zu Fuß auf die
andere Seite gehen, an der dritten war aber
auch das nicht mehr möglich. Hier lagen
lediglich morsche Holzplanken, die bei
jeglichem Versuch der motorisierten
Überquerung nicht hätten standhalten können.
Völlige Utopie, wie die Herren Autofahrer jetzt
in bester Tetrismanier die Brücke einmal
komplett ab und wieder neu aufbauten. Dass
beim Umdrehen eines Brettes eine
Vogelspinne zum Vorschein kam, geschenkt.
Nachdem wir so eine gute halbe Stunde in der
prallen Mittagssonne verbracht hatten,
riskierte tatsächlich der Kleintransporter die
Überfahrt und kam unter Zujubeln der
Schaulustigen wirklich auf der anderen Seite
an. Die anderen beiden Wagen machten sich
keine großen Hoffnungen, das rettende Ufer
zu erreichen, und drehten wieder ab, ergo
mussten alle Mitreisenden jetzt
zusammengepfercht in einem Vehikel
weiterfahren: Die beiden Frauen durften in die
sichere Fahrgastzelle, die sich in deutlicher
Überzahl befindlichen männlichen
Artgenossen durften samt Gepäck auf der
unüberdachten Ladefläche Platz nehmen. Ich
muss nicht erwähnen, dass durch den
unfreiwilligen Stopp in der Mittagshitze die
Temperatur aller Sitz- und
Festhaltemöglichkeiten in etwa der der
Betonstufen im Stadion Obilic zu Beograd
entsprach. Man mag es nicht für möglich
halten, aber trotzdem kamen alle Personen
und Gepäckstücke ohne Sachschaden am
Nachmittag auf Bocas del Toro an. Wie
Kontrolleure genossen wir hier in den
nächsten drei Tagen unser Leben in vollen
Zügen zwischen Schwimmen, Schnorcheln,
Wandern, Schlemmen, Chillen,
Tierbeobachtungen und was man sonst noch
so im Urlaub macht.
Wieder zurück auf dem Festland, sollte uns
eine zehnstündige Nachtbusfahrt zu unserer
leider schon finalen Destination Panama City
bringen. Normalerweise ja kein Problem, nur
leider bestand die Busbesatzung fast
ausschließlich aus unseren besonderen
Freunden – den Backpackern. Eine besonders
achselbehaarte Ausgeburt dieses Virus musste
auch noch neben mir Platz nehmen und
dauerhaft seine Flirtkünste an der eigentlich
recht attraktiven Dame vor ihm beweisen. Im
dunklen Bus schien es auch noch so, als könnte
die Anbandlung von Erfolg gekrönt sein,
spätestens nach dem ersten Rast und somit
Sichtkontakt war das Interesse nur noch
einseitig vorhanden. Junge, probier’s halt das
nächste Mal wieder via Tinder, dann kann
deine Nachbarschaft vielleicht auch schlafen.
Dem Bus entsteigen durften wir im frühen
Morgengrauen an der Mall „Los Andes“. Von
hier führt die topmoderne Metro (2014
eröffnet, die erste in Zentralamerika) einmal
quer durch das Stadtgebiet. Bislang gibt es
lediglich eine Linie, eine zweite zum Flughafen
befindet sich aber derzeit im Bau, wie
überhaupt sehr viel in Panama City gebaut
wird. Die Wolkenkratzer sprießen nur so aus
dem Boden, so dass die ohnehin schon
imposante Skyline immer weiter anwächst.
Solch eine Skyline hätte ich hier nicht erwartet,
das sah für mich eher nach einer dieser
unbekannten chinesischen Multimillionenstädte
aus. Der Aufschwung begann mit dem
Bau des Panamakanals (eröffnet 1914),
seitdem hat sich die Stadt zu einem wichtigen
internationalen Finanzzentrum entwickelt.
Man munkelt jedoch auch, dass in die
Stadtentwicklung einiges an kolumbianischen
Drogengeldern einfließt. Passend zu diesem
zwielichtigen Ruf scheint es auch eine
Glücksspielhochburg zu sein, wie sich an den
teilweise schon an Las Vegas erinnernden
Casinos erkennen lässt. Trotz aller Moderne
kann man auch noch das alte Panama erahnen.
Zum Einen bei den zum Unesco Welterbe
gehörenden Ruinen von Panama Viejo, der
alten Hauptstadt aus dem 16. Und 17.
Jahrhundert, zum Anderen durch das sehr
schöne Kolonialviertel Casco Viejo. Alles in
allem eine absolut beeindruckende, aber auch
kontrastreiche Stadt. Uns hat es auf jeden Fall
imponiert und gefallen, auch weil wir uns zum
Abschluss der Reise nach den ganzen
einfachen Behausungen nochmals in einen
schön dekadenten Bunker einmieteten, der
jedoch nicht mehr Kosten als die vorherigen
Unterkünfte verursachte. Dafür wurden wir von
unserem freundlichen Rezeptionisten – Herrn
Basketball – aber auch bevorzugt behandelt –
diese Bemerkung wird natürlich nur wegen des
Namens des netten Herren angeführt ;-)
Abgesehen von Unterkunft, ÖPNV und Rum ist
das Preisniveau aber auch weit entfernt von
günstig. Essen gehen ist jetzt auch nicht viel
billiger als in der Heimat, die Schuhe komplett
ausgezogen werden einem beim Kauf von
Rasierschaum und Sprudelwasser: ersteres in
der 100ml Dose für sage und schreibe fünf
Balboa (1Balboa = 1 USD), das Wasser (con gas,
sin gas ist günstig) für knapp drei in der 0,75l
Flasche. Leck mich fett.
Um meinen pädagogischen Auftrag noch kurz
zu Ende zu erfüllen, hier noch ein paar Infos zur
Bevölkerung Panamas: In Panama City selbst
(bzw. im direkten Einzugsgebiet) leben gut die
Hälfte der 3,5Millionen Einwohner. Die
Bevölkerungsstruktur ist ähnlich wie in Costa
Rica. Der Großteil sind Mischlinge (60%),
besonders in der Karibikküste aber auch viele
Schwarze. Lediglich der Anteil der indigenen
Bevölkerung ist noch wesentlich höher als in
Costa Rica und liegt bei fast 10%, manche
Gebiete (wie z.B. die San Blas Inseln) werden
komplett von diesen verwaltet.
Nachdem wir uns den ganzen Tag von der
Skyline flashen ließen und durch Casco Viejo
flanierten, machten wir uns am späten
Nachmittag auf zum etwas außerhalb
gelegenen Nuevo Estadio Maracaná. Da wir
ebenso gut in der Zeit waren wie wir zu Fuß
sind, ließen wir uns nicht lumpen und spulten
die paar läppischen Kilometer zur Cancha
schnellen Schrittes ab. Lange gut ging das
Vorhaben nicht, da sich direkt nach Verlassen
des Kolonialviertels die Szenerie änderte. Die
Gestalten wurden merkwürdiger, die Straßen
dreckiger, die Häuser heruntergekommener
und die Blicke musternder. Hier waren wir
falsch. Hatte irgendwie was von La Boca. Hier
noch das herausgeputzte Touristenviertel, eine
Straße weiter Ghetto. Beirren ließen wir uns
zwar zunächst nicht, nachdem uns die
bewaffneten Polizeiwachen jedoch rieten
umzukehren, folgten wir diesem Rat doch
einmal. Im Endeffekt bedeutete das einen
Umweg von guten fünf Kilometern, aber man
muss sich das abendliche Festmahl bei TGIF ja
auch irgendwie verdienen, am Stadion waren
wir trotzdem pünktlich – auch wenn mir das
Essen fast wieder hoch kam, nachdem ich am
Straßenrand eine Plastiktüte gefüllt mit
mehreren toten Geiern erblickte.
Das neue Maracana-Stadion liegt direkt am
Meer in einem neu errichteten Sportpark.
Diverse Fuß- und Basketballplätze,
Fitnessmaschinen und ein gepflegter
Foodcourt runden das Ambiente ab. Auf der
anderen Seite der angrenzenden,
mehrspurigen Straße herrscht hingegen
totales Kontrastprogramm. Der Neubau bietet
5.500 Schaulustigen Platz und wurde 2014
eröffnet. Zwei doppelstöckige, geschwungene
Tribünen an den Längsseiten sowie zwei
kleinere hinter den Toren bieten die
Begrenzung für das Spielfeld aus gepflegtem
Kunstrasen. Abgerundet wird das ganze durch
einen schönen Skylineblick. Für einen Neubau
geht das Teil für mich absolut in Ordnung.
Heute sollte hier ganz große Fußballkunst
geboten werden, die Vertreter der
Königsklasse gaben sich die Ehre, da schnalzt
die Genießerzunge:
San Francisco – Hankook Verdes 8:0
300 Zuschauer (30 offizielle Gäste)
CONCACAF CL, Do. 22.10.2015
Der Meister Panamas gegen sein Pendant aus
Belize, beide schon aus der Gruppenphase
ausgeschieden, eine Riesenkulisse. Wer da
nicht schon vor Erregung das Heft fallen lässt,
kann es gleich ganz zur Seite legen (hm, Anm.
von mir selbst: Die Einen lassen es fallen, die
Anderen legen es weg…brauch ich auch
eigentlich gar nicht weiter schreiben).
Bevor sich die Hütte bis auf den letzten Platz
füllte und die besten Mannschaften des
Kontinents um wichtige Punkte auf dem Weg
zum Finale kämpften, gesellte sich unser
Ticketkontrolleur zu uns, um den Grund
unserer Anwesenheit zu erhaschen. Etwas
ungläubig ob der Erklärung erzählte er, dass
heute kein Highlight zu erwarten wäre
(wirklich?), am Samstag aber die beiden
beliebtesten Vereine des Landes
gegeneinander antreten würden und dass es da
voll werden würde. Das hörte sich doch schon
mal gut an, hatten wir eh auf der Agenda.
Ansonsten wäre Fußball nicht sonderlich
beliebt und würde ein Schattendasein hinter
Baseball, Basketball und Boxen (Roberto Duran
ist heute noch Volksheld) fristen. Nach
Deutschland möchte er übrigens auch
unbedingt, neben Berlin reizt ihn besonders
der Besuch von – Trommelwirbel – Leverkusen.
Aha, so viel dazu.
Noch vor den Spielern lief die Barra Brava ein.
Lass es 20 Leutchen zwischen 12 und 18
gewesen sein, von denen jeder ein
Musikinstrument dabei hatte. Direkt neben uns
platziert, gab es jetzt bis zum Abpfiff
ohrenbetäubende Rhythmen in die
Gehörgänge. Und das waren wirklich mal
Rhythmen, musikalisch gab es da aber absolut
nichts auszusetzen, man merkte, dass die das
nicht zum ersten Mal machten. Ob das jetzt so
in ein Stadion passt, weiß ich nicht,
unterhaltsam war es allemal. Die Hierarchie
war auch leicht zu erkennen: Je dicker man ist,
desto mehr hat man zu sagen. Wobei der nach
dieser Logik betrachtete wichtigste Musikant
der Kapelle auch einfach jedes Instrument
beherrschte. Mit welcher Leichtigkeit da die
Trommel malträtiert, zeitgleich mit den
Schellen geschlagen und die Posaune posaunt
wurde – phänomenal. Ab und an wurde das
Ganze noch vom Versuch südamerikanischer
Fangesänge abgerundet, aber die
instrumentalen Fertigkeiten waren den
stimmlichen doch um einiges überlegen. Was
aber gesanglich fehlte, wurde beim Pöbeln
gegen den Gästeanhang – lediglich offizielle
Vereinsvertreter – wettgemacht. Dachte ich
bis zum 5:0, das Orchester an sich wäre das
Highlight überhaupt, wurde ich spätestens
dann eines Besseren belehrt, als der
Dirigent/Anführer/Capo/whatever anfing die
weitangereisten Ehrengäste zu beleidigen.
Problem an der Sache war, dass aus der
Gruppe keiner des Englischen (Amtssprache in
Belize) fähig war, und vor jedem
Schmähgesang im Publikum nach der
korrekten Übersetzung gefragt werden
musste. Leider ist mir fast alles an diesen
Kreationen entfallen, ich erinner mich lediglich
ein epochales „feiff (später sies, seffen, ait) in
jurrr aass“. Zum Brüllen.
Weniger zum Brüllen fand ich die
Darbietungen auf dem Platz. Ohne
Übertreibung waren die Bemühungen
Hankooks das wohl Schlechteste, das ich
bisher sehen durfte – und die hatten
tatsächlich das Hinspiel gewonnen. 8:0 in
einem Champions League Spiel – heidewitzka.
Das von mir viel zu überstrapazierte Wort
Slapstick wäre eine Beleidigung für eben
dieses, der Torwart hätte mit
zusammengebundenen Armen auch nicht
weniger gehalten. Da ich jahrelang selbst
zwischen den Pfosten gestanden habe, tat mir
das beim Zuschauen wirklich weh. Ich weiß
jetzt nur nicht, ob das an meinem Mitleid oder
am Nachtrauern meiner verpassten
Möglichkeiten lag. Ich war ja echt ne Granate,
mal ganz ohne anzugeben, wie locker hätte ich
auf dem Niveau hier mitspielen können. Ich
glaube, Lutz Pfannenstiel hat in seiner Karriere
einiges richtig gemacht.
Beendet war das Gebolze erst um 23:00 Uhr
Ortszeit, was insofern von Bedeutung für uns
war, dass um diese Zeit keine Busse mehr
verkehrten, Taxis entgegen meines naiven
Plans jedoch auch Mangelware waren. Wobei,
Mangelware impliziert, dass es wenigstens ab
und eines gegeben hätte. So standen Kate und
ich verloren am Wegesrand und malten uns
schon übertriebene Horrorszenarien aus, als
plötzlich ein SUV neben uns hielt und uns
aufforderte mitzufahren als wären wir gerade
mitten bei den Dreharbeiten für einen
Gangsterfilm. Wir saßen allerdings bei keinem
Gangster im Auto, sondern bei ich-hab-den-
Namen-vergessen, der unser Problem
erkannte und uns bis vor die Tür unseres Hotels
brachte. Während aus den Boxen Reggaeton
dröhnte – wohl die Musikrichtung numero uno
hier, erzählte er in perfektem Englisch (hatte
mal in Kanada gearbeitet), dass er täglich zum
Basketballzocken auf die neuen Plätze fährt.
Tagsüber wäre dies auch kein Problem, da
wäre alles bewacht, ab abends ziehen die
Polizisten aber ab und spielen ist nur noch auf
eigene Gefahr erlaubt. Bisher ging
glücklicherweise alles gut. Ebenfalls bestätigte
er, dass das mittags von uns aufgesuchte
Barrio seinen schlechten Ruf nicht zu Unrecht
träge und es besser war, nicht durchzulaufen.
Mit (später von uns getesteten)
Restauranttipps entließ er seine mehr als
dankbare Fracht und wir konnten endlich
todmüde die Augen schließen.
Gute Touristen wie wir nun mal sind,
besichtigten wir neben weiteren Streifzügen
durch Panama City natürlich noch den
weltberühmten Kanal. An der
Mirafloresschleuse, einer von drei Schleusen,
beobachteten wir die Durchfahrt einiger
Schiffe. Ist ganz interessant mal zu sehen, aber
jetzt auch nichts, was einem sonderlich im
Gedächtnis bleibt. Weitere Infos erspare ich an
dieser Stelle mal. Wer Interesse daran hat,
findet genug Lesematerial in den Bibliotheken
dieser Welt. Wir mussten nämlich auch
dringend weiter. Per Taxi ging es erneut zum
Maracana.
CD Plaza Amador - Chorillo FC 1:0
3.000 Zuschauer (1.000 Gäste)
1. Liga Panama, Sa. 24.10.2015
Wie bereits angekündigt, trafen heute die
beiden beliebtesten Vereine des Landes
aufeinander. Aus sportlicher Sicht ist zwar das
Duell Plaza Amador gegen Tauro der König der
Derbys (el rey de classicos, wie es hier genannt
wird), aus Fansicht aber das heutige
Aufeinandertreffen, auch weil beide Vereine
aus den Vierteln direkt um das Stadion herum
kommen. Dementsprechend gut besucht war
das Stadion dann auch, vor allem wenn man
den Vergleich von vorgestern zu Rate zieht.
Beide Längsseiten waren annähernd
ausverkauft, auf Höhe der Mittellinie hatte sich
auf beiden Seiten je ein Haufen gebildet, die
mittels Trommeln, Stimmen und Fahnen echte
Fußballatmosphäre versprühten.
Auch fußballerisch war es nicht vergleichbar
mit dem einseitigen Gestolpere von
Donnerstag. Die Vorrausetzungen waren aber
auch ganz andere. Neben dem Prestige ging es
vor allem für Plaza Amador noch darum, den
vierten Platz zu verteidigen, da dieser zur
Teilnahme an der Playoff-Runde um die
Meisterschaft der Apertura (auch in Panama ist
die Saison in Apertura und Clausura geteilt)
berechtigt. Lediglich zwei Punkte hatte man
vor dem Konkurrenten San Miguelito
Vorsprung, ergo war ein Sieg Pflicht, den sie in
einem kampfbetonten und gar nicht mal so
schlechten Spiel auch erringen konnten.
Während Kate mehr mit dem Bobachten der
wirklich süßen Kinder um uns herum
beschäftigt war, saugte ich noch ein bisschen
Atmosphäre auf. Gerade in den letzten
Minuten bis weit nach Spielende wurde sogar
fast auf das Gänsehautpedal gedrückt. Damit
war wirklich nicht zu rechnen gewesen, meine
Mundwinkel zuckten das ein oder andere Mal
gewaltig in Richtung Ohrläppchen.
Passend zu diesem gelungenen
Urlaubsausklang erwischten wir auch recht
zügig ein Taxi, das uns durch dunkle, aber von
feierwütigen Leuten bevölkerte Gassen
Richtung Zentrum beförderte. Noch einmal
schlafen und schon saßen wir wieder im Air
Canada Bomber. Wegen einer
Flugplanänderung waren wir zwar gezwungen,
den geplanten Tag in Toronto zu canceln, dafür
gab es ansonsten keine Probleme mehr und wir
konnten in FRA unser Priority-Gepäck (Anm.
Kate: Haha, kurz zusammengefasst )
wohlbehalten vom Band nehmen. (Ö)
N
Eintracht Trier – Kickers Offenbach 6:0
3.200 Zuschauer (300 Gäste)
Regionalliga, Di. 12.10.2015
ach einem stadionfreien Wochenende, wo
die deutsche Nationalmannschaft nur
Magerkost bot und sich gerade so qualifiziert
hatte, rief König Fußball mal wieder. Bisher
mied ich die neu geschaffenen Wochenspiele
der Regionalligen erfolgreich. Nun war dann
doch mal eines dieser Spiele an der Reihe, da
ich momentan wenig Zeit für anderes finde. Als
einer der wenigen in meinem unmittelbaren
Umfeld fehlte mir das Moselstadion noch und
als dann Fritz und Moritz Bereitschaft
signalisierten den Kick anzusteuern, war klar,
dass ich mich dort anschließen würde. Mit den
Jungs kann man arbeiten, so waren die
Basisinformationen recht schnell ausgetauscht
und einen Tag vorher wurde der Treffpunkt
und die Uhrzeit endgültig fixiert. So traf man
sich dann am späten Nachmittag an einem
Pendlerparkplatz an der A5, von dem es weiter
in Richtung Trier ging. Wie gewohnt, sattelten
wir pünktlich die Hühner und durch Mainz
(Schande über das Navi von Moritz) und den
Hunsrück erreichten wir eine Stunde vor
Anpfiff das Stadion. Nach einer kleinen,
verbalen Auseinandersetzung mit einem
Stadionanwohner bezüglich unseres ersten
Stellplatzes und der Titulierung als
Oxxenbacher war der Trierer an sich bei mir
ganz schnell unten durch. Also wurde aufgrund
des nicht ordnungsgemäßen Abstellens
unseres Autos noch mal eine Runde gedreht
und die Kiste zufriendenstellender parkiert.
Dann mal rein in die gute Stube. Wenn das mal
so einfach wäre?! Wollte ich doch mal die
Vorteile meines Studentenausweises nutzen,
tat die Kassiererin das mit einem einfachen
Schulterzucken ab, woraufhin ich einfach den
vollen Preis bezahlen musste, da es nur zwei
Arten von Tickets gab, nämlich Steh- und
Sitzplatzkarten – Vielen Dank fürs Gespräch.
Das Stadion wusste zu gefallen. Recht
oldschool mit sehr vielen Stehplätzen und nur
der überdachten Haupttribüne – bitte mehr
davon. Natürlich leidet unter der Bauart etwas
die Sicht auf das Spielfeld, aber dem groben
Spielgeschehen kann man aus dieser
Entfernung folgen. Das Spiel an sich verlief
dann nach dem Geschmack eines Anhängers
von der richtigen Mainseite. Die Trierer hatten
das Spiel jederzeit im Griff, der OFC brachte
sich durch diverse Aktionen immer mehr selber
ins Hintertreffen, was dann schlussendlich zu
dem o.g. Endergebnis führte. Nicht zu
erwarten und deshalb umso schöner,
schnürten die Eintrachtler aus Trier einen
Sechserpack und beendeten somit erst einmal
die Relegationsträume des OFC. Zur
Winterpause schlossen die Trierer dann auf
Platz Eins ab und der OFC mit neun Punkten
Abstand zum zweiten Rang, der in der
Regionalliga Südwest ebenso zur Relegation
berechtigt, wie der erste. Das Moselstadion
punktete dann noch gastronomisch mit einer
durchaus empfehlenswerten Currywurst mit
Fritten. Der spätere Snack zur zweiten
Halbzeit, namentlich bekannt unter Feuerwurst
war aber weniger der Bringer, da das
versprochene Feuer eher einer abglimmenden
Glut entsprach. Nach dem Schlusspfiff wurde
unser akkurat abgestelltes Fahrzeug wieder
angesteuert und relativ schnell waren wir
wieder auf dem kurzen Weg in Richtung
Heimat. Die Stimmung war dank des
Ergebnisses gut und sorgte für den ein oder
anderen Schmunzler, als man die Fahrzeuge
mit rot-weißgefärbten Insassen hinter sich
ließ. (E)
Viktoria Köln – Sportfreunde Lotte 3:3
869 Zuschauer (Gäste sind nicht aufgefallen)
Regionalliga, Sa. 07.11.2015
B
evor ich nach Hoffenheim fahr, guck ich
mir lieber Viktoria Köln an – so könnte
man meinen. Ganz so einfach ist’s dann aber
auch nicht, da am Freitagabend jedoch die Foo
Fighters in Köln ordentlich einheizen sollten
und die hier im Exil weilende Anna mit
kostenfreier Halbpension lockte, hatte ich
wenigstens ein Alibi, um dem Gegurke in
Hoffenheim nicht beiwohnen zu müssen.
Nachdem dann Dave Grohl selbst mit
gebrochenem Bein noch mehr gerockt hat als
Coldplay auf ner ganzen Tour (gut, ich gebe zu,
selbst wenn ich furze, rockt das mehr als
Coldplay), Anna ein astreines Frühstücksbuffet
kredenzte und wir dabei den GZSZ Marathon
inhaliert hatten, sattelten die Mädchen im
wahrsten Sinne des Wortes die Pferde,
während ich es mir alleine im Sinner Express
bequem machte. Erstes Zwischenziel des
Tages hieß Sportpark Höhenberg, wo ich wie
868 weitere Menschen (wobei ich mir da nicht
bei jedem Anwesenden sicher bin) dem
Spitzenspiel der Regionalliga West beiwohnen
durfte. Etwas mehr als 6.000 Zuschauer
können hier in der Theorie von der großen
überdachten Haupt- bzw. der kleinen
Stehtribüne gegenüber die Dilletanten auf dem
Rasen beschimpfen. Da solche Zahlen jedoch
nicht mal annähernd beim großen Derby
gegen die Fortuna erreicht werden, sind die
Pläne, ein neues Stadion zu errichten, natürlich
absolut nachvollziehbar. Na ja, muss jeder
selber wissen, was er für richtig hält. Wo so ein
überdimensioniertes neues Stadion hinführen
kann, kann man ja ein paar Kilometer weiter in
Aachen sehen. Nicht mein Bier, genauso wenig
wie das angesprochene Derby, aber das scheint
ja von den Aufklebern und Kloschmierereien
ein Riesending zu sein. Ob man das von Seiten
Fortunas auch so sieht? Wenn ich mir den 20-
köpfigen Haufen anschaue, der optisch eine
Mixtur aus Vorzeigehonzas, Althippies und
Dauerläufern darstellte, wage ich es mal zu
bezweifeln. Den einen oder anderen
Schmunzler konnten sie mir auf jeden Fall
entlocken, noch mehr für Verzückung sorgte
das Spiel. Lottes Sportfreunde reisten als
Spitzenreiter an, stellten nach zwei astreinen
Torwartfehlern die Weichen auch schon
frühzeitig auf Sieg. Zu ihrem Pech „verletzte“
sich der Mann zwischen den Pfosten jedoch
kurz darauf bei einer wohlwollend ausgedrückt
unorthodoxen Rettungsaktion. Ein Schelm,
wer Böses dabei denkt. Mit dem neuen
Schlussmann lief es dann auch gleich besser
für die Gastgeber, und nach einer turbulenten
zweiten Hälfte mit Führungswechseln und
Aluminiumtreffern hüben wie drüben und jeder
Menge gelber Kartons stand am Ende ein
ansehnliches drei-drei-gleichgespielt, wie der
gemeine Letzeburger sagen würde, auf dem
Spielberichtsbogen.
Mich führte die Autostrada dann auf quasi
direktem Wege, wenn man von einem
unbeabsichtigten Abstecher über einen
Feldweg absieht, ins holländische Tilburg, wo
ich nach einer recht entspannten Fahrt,
begleitet von einigen Schätzen, die ich nach
Jahren in den hintersten Ecken meines
Musikarchivs entdeckte, in unmittelbarer
Stadionnähe einen Parkplatz finden konnte.
Nachdem mich auch die orkanartigen
Windboen nicht wegwehen konnten, hatte ich
kurze Zeit später mein Ticket in den Händen –
wohlgemerkt ohne Club Card oder ohne mich
in irgendwelchen Facebookgruppen über diese
ominöse Club Card zu informieren. Herrje. Ich
glaub, an dem Tag, an dem mal keine Frage zu
irgendwelchen Club Cards oder Ähnlichem
auftaucht, fang ich endlich an Pfeife zu
rauchen. Heute war es aber noch nicht so weit,
sondern ich musste selbst in Holland ein Kreuz
setzen (Achtung, ganz schlechte Assoziation:
Passt ja auch zum Thema Pfeife, höhö).
Willem II – S.B.V. Excelsior 2:3
11.200Zuschauer (150 Gäste)
1. Liga Holland, Sa. 07.11.2015
So war ich dann pünktlich in einem Eckblock
des knapp 15.000 Plätze besitzenden König-
Wilhelm-II.-Stadions angekommen. Wie nicht
anders vermutet, erwartete mich hier ein
typisch holländisches Eredivisie Spiel. Das
Stadion eben ein typisch holländischer
Funktionsbau, die Stimmung eben typisch
holländisch nicht vorhanden (übertrieben, ja,
die ein oder andere Anfeuerung oder Pöbelei
gab es schon), Gästefans typisch holländisch
nur eine geringe dreistellige Anzahl und die
Frikandel musste typisch holländisch mit
Munten bezahlt werden. Dennoch machte es
trotz starkem Wind und daraus resultierender
Kälte Spaß, dem Geschehen zu folgen,
entwickelte sich doch ein recht flottes
Spielchen in diesem Kellerduell, das der erste
holländische Profimeister von 1954 trotz
zweimaliger Führung doch noch verlor. Viel
mehr gibt es auch wirklich nicht zu berichten,
typisch holländisch trifft es eben perfekt auf
den Punkt. Und auch wenn das eigentlich der
Inbegriff von Langeweile ist, selten etwas
Außergewöhnliches passiert und die Spiele
hier so viel Abwechslung bieten wie Edes
Reisepläne, bin ich ab und an doch ganz gerne
hier.
Aus gegebenem Anlass möchte ich hier aber
nochmals das schon angedeutete Club Card-
Thema aufgreifen, da dies mittlerweile auch
Kate sehr am Herzen liegt. Seit kurzer Zeit ist
sie Mitglied der Facebook Gruppe
„Groundhopping“, und fast täglich moniert sie
sich darüber, dass schon wieder jemand etwas
zu Holland und dieser Club Card geschrieben
hat. Klar, jeder fängt mal „klein“ an, so lange
bin ich auch noch nicht dabei, ich will auch
keinem ans Bein pissen, aber hier mal eine
kurze Anleitung, wie man sich in Holland
Karten beschaffen kann. Da ich bei meinen
knapp 20 Spielen – nicht die Masse, schon
klar,, aber für einen gewissen Erfahrungsschatz
reicht es – trotz nicht vorhandener Club Cards
immer Einlass erhalten habe, hier mal einige
Tipps, die eigentlich jeder beherzigen kann:
1. Auf der Homepage schauen, ob überhaupt
CC-Verpflichtung herrscht. Falls ja, s. 2.
2. Den gastgeben Verein kontaktieren. Wenn
es sich nicht gerade um ein Derby oder um das
Gastspiel von Ajax oder Feyenoord handelt,
bekommt man in der Regel immer seine
Tickets hinterlegt. In der Zeit, in der man einen
Facebook Post verfasst, hat man auch den
Verein angeschrieben. Wir sind hier nicht in
Italien. Die Holländer können für gewöhnlich
Englisch oder sogar Deutsch und antworten in
der Regel wirklich und das auch recht schnell.
Falls die Rückmeldung jedoch negativer Natur
ist, s. Punkt 3.
3a. Wenn Tageskassen geöffnet sind, hinfahren
und einen in der Schlange beauftragten, ein
Ticket mitbringen zu lassen oder beim
Kartenkauf die Touristenkarte ausspielen (hilft
trotz CC-Pflicht oft )oder Schwarzmarkt.
3b. Selbst eine CC bestellen.
4. Wenn alles negativ ist, kann man immer
noch fragen, ob jemand eine CC besitzt oder
einen Trick kennt. Allerdings könnte mit Punkt
1 und 2 das absolute Gros der gestellten Fragen
schon im Vorfeld geklärt werden.
Ich hatte heute Glück, dass auf der Homepage
Willem Twees die Info zu finden war, dass man
sein begehrtes Billet auch ganz ohne
irgendeinen bürokratischen Wisch bestellen
konnte. So ging es mit diesem im
Portemonnaie, einem neuen Kreuz im
imaginären Informer und Soundbombing Vol.1
and 2 in den Boxen über Köln, wo ich Kate
wieder aufsammelte, nach Hause, nicht ohne
noch ein Erinnerungsfoto von uns auf der
Rheinbrücke schießen zu lassen. Wieso schaffe
ich das auch immer wieder, in angekündigte,
kostenpflichtige Geschwindigkeitsmessungen
zu fahren? (Ö)
N
Apulien
ach einer fast halbjährigen Abstinenz
sollte es mich mal wieder auf den Stiefel
führe, diesmal wieder getarnt als verlängertes
Wochenende mit Kate. Klugerweise hatte ich
als Reisetermin diesmal die Länderspielpause
auserkoren, so dass die magische SGE mal
nicht dran glauben musste. Und da sich in Bella
Italia die Länderspielpause eh nur über die
höchste Spielklasse erstreckt, war dennoch für
ein kleines fußballerisches Rahmenprogramm
gesorgt.
Donnerstagabends oblag es mal wieder Onkel
Rainer unser beider Astralkörper gen Bari zu
befördern. Bis auf die Landebahn des
Flughafens der Hauptstadt Apuliens schafften
wir es zwar, Landung kann man das aber nicht
nennen, was Quak der Bruchpilot seiner
Maschine samt Insassen da zumutete.
Erstaunlicherweise überlebten alle Passagiere
den Beinahe-Absturz, und nur kurze Zeit später
konnten wir unseren süßen Fiat 500 für die
nächsten Tage in Empfang nehmen. Für den
ersten Abend hieß es jetzt aber nur noch in
unser wirklich tolles Hotel einzuchecken und
schlafen, ehe Freitag endlich wieder das so
liebgewonnene Dolce Vita genossen werden
konnte. Unsere Unterkunft ließ trotz relativ
geringer Kosten mal so keine Wünsche offen,
einzig das quasi inexistente W-Lan sorgte im
ersten Moment für Verwunderung. Aber was
im ersten Moment ein kleiner Abfuck war,
entpuppte sich im Laufe der Zeit als Glücksgriff
und man merkte mal wieder, wie entspannend
es ist, nicht alle paar Minuten sinnlos im Handy
rumzutippen. Sollte ich öfters mal machen…
Da Freitag jedoch noch kein Kick auf der
Agenda stand (bzw. ich Kates nerven nicht
überstrapazieren wollte…), kloppten wir
einiges an Natur (lukanische Dolomiten) und
Kultur (Matera) ab, da ich aber nicht zu weit
ausholen will, reichen diese knappen Worte
dazu, schließlich sollte am nächsten Tag auch
für uns endlich (also endlich für mich, ich denke
Kate dürfte da gegenteiliger Auffassung
gewesen sein) wieder der Ball rollen. Und ganz
Gentleman wie ich bin, habe ich dann auch
gleich für Samstag wie auch für Sonntag
jeweils zwei Spiele in den imaginären
Warenkorb gelegt. Bevor es uns aber zu den
eigentlichen Highlights des Ausfluges führen
sollte, hakten wir mit dem immer noch
rätselhaften Castel del Monte ein weiteres
UNESCO Weltkulturerbe im Welterbe-
Informer ab, dieser schreit ja auch förmlich
nach Komplettierung.
Da noch ausreichend Zeit bis zum Anpfiff in
Andria war, legten wir noch einen Umweg zum
Mittagessen nach Trani ein, bevor wir uns
wieder auf den Weg nach Andria machten.
Andria gehört zusammen mit Barletta und
Trani zur Provinz BAT (Barletta-Andria-Trani)
und ist mit ca. 100.000 Einwohnern auch
gleichzeitig die größte Stadt der Provinz, im
Gegensatz zu den anderen beiden im
Provinznamen genannten Städte scheint
Andria aber für den kulturinteressierten
Reisenden so gar nichts zu bieten zu haben.
Nee, ich geh soweit und sage, dass das, was wir
bei der Ortsdurchfahrt so gesehen haben, die
hässlichste Stadt Italiens gewesen sein dürfte.
Wenn ich mich irre, dürft ihr mich gerne
korrigieren.
Fidelis Andria – AS Melfi
senza biglietti
Wenigstens ließ sich das recht zentral
gelegene Stadion relativ schnell lokalisieren.
Hier war gute 45 Minuten vor Spielbeginn aber
mal noch so gar nichts los. Das hieß dann aber
auch für uns, dass wir nicht mit langen
Schlangen an den Kassenhäuschen beim
diesjährigen Liganeuling (souveräner Aufstieg
aus Serie D) rechnen mussten. Irgendwo
mussten diese ja auch sein, schließlich hieß es
auf den Spielankündigungsflyern, dass sie bis
Spielbeginn geöffnet seien. Nachdem wir
jedoch trotz Adleraugen keine erspähen
konnten, ergab die Nachfrage beim
Ordnungsdienst, dass es die begehrten
Zugangsberechtigungen heute nur in der
nahegelegenen Bar „Non solo cafe“ geben soll.
Oh mann, den Namen der Bar muss ich einfach
runterschreiben, so hat der sich seitdem in
mein Gedächtnis eingebrannt. Also mal die Bar
gesucht, dabei natürlich erstmals in die falsche
gewackelt, was anhand der
marihuanageschwängerten Luft und den
musternden Blicken der hier anwesenden
Kundschaft auch relativ schnell erkannt wurde,
und kurze Zeit später stand ich tatsächlich in
der Schlange, respektive dem Tumult, vorm
Kartenverkauf. Mittlerweile war der Zeitpuffer
zum Kickoff auch merklich geschrumpft, was
die ohnehin nicht gerade für Ihre Geduld
bekannten Italiener zu neuen Höchstleistungen
im Vordrängeln anstachelte. Irgendwann im
zweiten Versuch hatte der Verkäufer endlich
unsere Persos in der Hand, tippte die Daten in
seinen PC, kam damit nicht zurecht und gab
mir die Ausweise mit einem einfachen „no“
zurück. Wie jetzt? Nochmals hat er sie gar nicht
angenommen, und nachdem er noch ein bis
zwei Einheimische abgefertigt hatte, ließ er
trotz noch wartender Meute seinen Rollo um
Punkt 15:00 Uhr mit einem „Finito“ runter.
Vaffanculo! Scheinbar gibt’s hier zwar mehr als
Kaffee, Tickets fallen aber nicht unter dieses
„mehr“. Was ein Abfuck. Die letzte Option
„Ordner zulabern“ und auf die Tränendrüse
drücken half auch nichts, obwohl ich hier
anfangs sogar noch Hoffnung hatte, als unsere
Causa kurzfristig zur Chefsache erklärt wurde,
aber auch der Oberordner wollte uns dann
nicht mehr helfen. Stattdessen wurden wir
wieder zurück zu dieser komischen Bar
geschickt, in der es angeblich nicht nur Kaffee
geben soll. Nee, lass mal…dann lieber gleich
nach Foggia.
Hier war es nun also: Das erste Spiel, bei dem
ich nicht ins Stadion kam. Immer mal was
Neues.
Ärgerlich vor allem in der Hinsicht, dass ich
mich auf Andria mit am meisten gefreut hatte
und hier schon immer mal hinwollte. Und was
ich von außen zu hören bekam, hat das auch
nur bestätigt. Laute, kraftvolle, melodische
Gesänge, unterstützt von mehreren
Trommeln. Ganz so, wie man es sich wünscht.
Das ließ mich Kate gegenüber leider zu der
Aussage hinreißen, dass Trommeln in Italien ja
nicht mehr selbstverständlich sind, was sich
noch als running Gag des Wochenendes
offerieren sollte. Aber hier gab es für uns nix
mehr zu holen. Wenigsten holte auch keine der
beiden Mannschaften irgendetwas und das
Spiel endete 0:0.
Nach einer knappen halben Stunde hatte ich
mich dann auch wieder beruhigt – ja, ich gebe
zu, meine Laune war im absoluten
Negativbereich zu suchen und ich wollte den
Urlaub schon wieder canceln – und ich war
auch schon wieder in Vorfreude auf das
Abendspiel in Foggia, sogar Kates Laune war
recht schnell wieder besser.
Gute 60 Minuten später parkte unser wie schon
erwähnt megasüßes Gefährt dann auch bereits
hinter der Gegentribüne des Stadio Pino
Zaccheria. Hier war das Kassenhäuschen zum
Glück noch geöffnet (schloss zwei Stunden vor
Spielbeginn) und diesmal gab es auch keine
Probleme mit unseren Ausweisen, so dass wir
kurze Zeit später unsere Bigletti in der Hand
hielten. Jetzt waren halt noch über drei
Stunden bis es hier los ging und wir mussten
die Zeit irgendwie totschlagen.
Überraschenderweise entpuppte sich die Stadt
Foggia aber als recht angenehm. In meiner
verworrenen Gedankenelt war Foggia immer
ein Begriff für eine heruntergekommene,
dreckige Stadt, stellte ich mir irgendwie so vor,
wie Andria des mittags ausgesehen hatte. In
der Realität waren wir aber recht positiv
überrascht. Aufgrund von Zerstörungen durch
Kriege und Erdbeben gibt es hier zwar kaum
noch historische Gebäude, das Zentrum
präsentiert sich aber trotzdem oder gerade
deswegen als sehr freundlich und lebendig.
Hier ließ es sich gut flanieren, einzig mit der
Nahrungsaufnahme sah es schwierig aus. Aber
finde hier mal bitte ein Restaurant, das seinen
potentiellen Gästen vor 19:00 Uhr Speis und
Trank anbieten möchte. Oder besser gesagt:
Finde hier mal ein Restaurant. Uns zog es dann
in eine Backstube, die auch Pizza anbot. Nicht
das gemütlichste Ambiente und nicht die beste
Pizza, aber selbst diese war noch um Längen
besser, als fast alles, was einem so in
heimischen Gefilden als original italienische
überbackene Steinofenprodukte angeboten
wird.
Gesättigt und zufrieden machten wir uns dann
wieder auf zum Stadion. Dieses liegt gute zehn
Fußminuten vom Zentrum entfernt und bietet
auf zwei Rängen Platz für 26.000 Zuschauer.
Ohne Namensabgleich oder Taschenkontrolle
betraten wir den wunderschönen Bau.
U.S. Foggia – S.S.Monopoli 0:2
8.228 Zuschauer (Gästeverbot)
3. Liga Italien, Sa. 14.11.2015
Hier schnell ein lauschiges Plätzchen auf der
sehr gut gefüllten Gegengerade in Höhe der
Mittellinie in Beschlag genommen und dann
dem Treiben auf den Rängen gespannt gefolgt.
Wie leider vermutet, gab es heute ein
Gästeverbot, mit sowas muss man hier bei
Risikospielen leider immer rechnen.
Dementsprechend verwaist war der settore
ospiti dann auch, die anderen beiden Kurven
hingegen platzten aus allen Nähten. Seit
geraumer Zeit stehen die aktiven Tifosi auch in
Foggia auf unterschiedlichen Traversen.
Während die Curva Sud die historische Kurve
ist und auch heute noch von einigen älteren
(aber auch jüngeren) Gruppen bevölkert wird,
genießt aus Tifosicht die jüngere Curva Nord
(inoffiziell nach Franco Mancini benannt,
langjähriger Torwart und ehemaliger Trainer
Foggias, gestorben 2012) aktuell den besseren
Ruf. Gründe, wieso hier eine Abspaltung
stattgefunden hat, kann ich leider nur
vermuten, der naheliegendste Grund, sprich
unterschiedliche Handhabung der Tessera,
wird es jedoch nicht sein, da diese von allen
Seiten konsequent abgelehnt wird. Außerdem
zogen die ersten Tifosi schon weit vor
Einführung der TdT gen Norden. Von daher
lassen wir die Spekulationen einfach und
finden uns mit den Gegebenheiten ab. Und die
sahen optisch schon wieder ganz hervorragend
aus:
Wie gesagt, beide Kurven richtig voll, komplett
beflaggt, viele Schwenkfahnen, Trommeln und
Megafon auf beiden Seiten – perfetto.
Der relativ hohe Zuschauerzuspruch dürfte
auch der aktuellen Erfolgsserie geschuldet
sein. Aus den letzten sechs Spielen konnte
Foggia ganze 16 Punkte einfahren, woraus sich
aktuell ein zweiter Tabellenplatz ergibt. Der
Gast aus Monopoli dümpelt als Aufsteiger
irgendwo im Mittelfeld rum. Wobei ich hier
jetzt gestehen muss, dass ich schon etwas
überrascht war, als ich Monopoli auf einmal in
der Serie C erblickte. Letzte Saison wurden sie
nur 11. in der Serie D, konnten aber den
Pokalwettbewerb der Serie D gewinnen und
somit doch an den Aufstiegsplayoffs
teilnehmen. Hier scheiterte man zwar im
Finale, trotzdem stieg man irgendwie am
grünen Tisch auf. Aber für wen, wann und
wieso? Frag mich net, dieses Chaos, was da in
der Sommerpause mit Pleitevereinen,
Lizenzproblemen, Strafversetzungen wegen
Manipulation und was weiß ich noch alles
geherrscht hat, würde hier den ohnehin schon
wieder geprengten Rahmen nochmals völlig
sprengen – abgesehen davon, dass
wahrscheinlich eh keiner mehr nachvollziehen
kann und will, was da alles gelaufen ist. Also
handhaben wir es einfach so wie mit der
gespalteten Kurve Foggias und akzeptieren es
ebenso einfach mal so, wie es ist.
Nach so viel Vorgeplänkel kann ich dann ja
auch mal zum Spiel an sich kommen. Um kurz
nach halb neun liefen die Mannschaften ein,
und nach der Schweigeminute für die Opfer in
Paris hätte es auch direkt losgehen können.
Zusätzlich zu den Attentaten in Paris gedachte
man heute auch dem Jahrestages des
Hauseinsturzes in Foggia, bei dem 11.11.1999
insgesamt 67 Menschen ums Leben kamen.
Hierzu hielt die Mannschaft Foggias ein
Transparent in den Händen und vor der Curva
Sud hing über die gesamte Spielzeit ein großes
Spruchband. Weitere Spruchbänder im Laufe
der Partie (und eigentlich auch aller anderen
Spiele an diesem Wochenende) wurden für
Paris und zum Todestag Gabriele Sandris
(11.11.2007) gezeigt.
So, jetzt aber.
wurden, wurde es noch ruhiger. Und so kam es
wie es kommen musste, und mit einem
diesmal perfekt getroffenen Seitfallzieher
entschied Monopoli das Spiel. Vor meinem
ausrastenden Gästepöbel, der das unter
Schock stehende Stadion bis zum Abwinken
verhöhnt, aber dem machten ja die Behörden
einen Strich durch die Rechnung.
Wie gesagt, das Spiel hätte losgehen können,
mit Beendigung der Schweigeminute entlud
sich jedoch ein Orkan auf den Rängen, was im
Werfen von tausenden Kassenrollen, sowohl
von Sud, als auch von Nord, gipfelte.
Zusätzlich brannte, rauchte und blinkte es jetzt
an allen Ecken. Nicht koordiniert, jeder machte
was er wollte, direkt vor uns hielten die Leute
z.B. völlig ungeniert und unvermummt Blinker
in der Hand, gestört hat es freilich keinen. Und
während die armen Balljungen unten auf dem
Platz versuchten, diesen von den Kassenrollen
zu befreien, sang sich der Oberrang in
ohrenbetäubender Lautstärke in einen
kollektiven Rausch. Das sind sie, die Momente,
die einem in dem bestätigen, was man da
macht. Ähnlich wie das Publikum legte auch
die Heimelf los und man hatte das Gefühl, sie
wollten den Gast überrollen. Dieser überzeugte
aber mit einer Taktik, der gegenüber man
unsere gegen die Bayern noch als offensiv
bezeichnen kann. Als dann Mitte des ersten
Durchgangs selbst ein Elfmeter nicht verwertet
werden konnte, legte ich mich fest, dass hier
kein Tor mehr fällt. Seltsamerweise konnte
jedoch Monopoli kurz vor der Pause mit einem
verunglückten Seitfallzieher, was
gleichbedeutend mit der ersten Chance war,
die Führung erzielen. War natürlich ein
Dämpfer für die bis hierhin formidable
Stimmung, als in der zweiten Hälfte weitere
Hochkaräter entweder kläglich versemmelt
oder vom Keeper hervorragend abgewehrt
Beinahe wäre das Spiel aber nochmal
spannend geworden. Unmittelbar nach der
eigentlichen Entscheidung zeigte der Referee
in Kombination mit einem Feldverweis erneut
auf den Punkt, doch – und selbst wenn man
das Ergebnis in der Spielübersicht nicht
gelesen hat, wird man es erahnen können -
auch diesmal blieb Gästegoalie Pisseri Sieger.
Zwei, drei Glanzparaden und insgesamt elf
Minuten Nachspielzeit später erklärte der
Unparteiische die Angelegenheit dann für
beendet und für uns hieß es schnellen
Gasfußes zurück nach Bari, war ja mittlerweile
reichlich spät geworden.
Zum Abschluss des heutigen Tages noch eine
Beurteilung der beiden Kurvenleistungen: Mal
abgesehen davon, dass es in der zweiten
Halbzeit doch teilweise ziemlich ruhig war, hat
mir das alles mal wieder ganz hervorragend
gefallen. Curva Nord war in der Spitze etwas
geschlossener und lauter, über die gesamte
Zeit hat mit Curva Sud aber etwas besser
gefallen. War etwas melodischer und allein wie
die Trommler da auf der Brüstung sitzen und
ihre geilen Rhythmen schlagen, da könnt ich
ewig zugucken. Allgemein war das auch alles
sehr spielbezogen und wenn es zum Ende hin
immer ruhiger wurde, war das zwar etwas
schade für den Moment, aber am End auch
einfach authentisch. Nuff said.
Sonntagmorgen, frühstücken und wieder raus
in die strahlende Herbstsonne. Aufgrund des
Spielausfalls gestern in Andria konnte ich Kate
heute ohne schlechtes Gewissen einen
weiteren Doppler aufdiktieren ;-)
Die Kombination aus Taranto vs. Gallipoli und
Martina Franca vs. Matera klang auch sehr
vielversprechend. Ich fragte mich dann beim
einzigen täglichen WiFi-Check nur, ob ich
entweder die Anstoßzeiten falsch in
Erinnerung hatte oder ob ich mal wieder Opfer
einer kurzfristigen Spielverlegung wurde, auf
jeden Fall sollten beide Spiele jetzt zeitglich
stattfinden. Naja, war scheinbar nicht meine
Tour, passiert. Und obwohl eigentlich der
Besuch bei Taranto einer der Hauptgründe für
mich für diese Reise war, habe ich mich dann
aus dem Bauch heraus doch für Martina Franca
entschieden. Taranto kennt man halt, man
muss sich auch mal überraschen lassen.
Also machten wir uns durch das wunderschöne
Val d’Itria mit Abstecher in unserem neuen
Lieblingsort Locorotondo (sprich Locorotondo)
auf den Weg in das ebenso schöne barocke
Martina Franca. Hier schnell im Tabakladen
problemlos die Tickets ausgehändigt
bekommen, wollten wir uns vor der Pflicht
noch gemütlich etwas zu essen gönnen. Das
klappte aus Zeitgründen dann auch nur
suboptimal (Spötter würden sagen „überhaupt
nicht“), so dass der Weg zum Stadion von
kleineren Meinungsverschiedenheiten geprägt
war. Waren dann aber auch die letzten dieser
Art, alles gut.
A.S. Martina Franca – S.S.Matera Calcio 0:1
1.000 Zuschauer (100 Gäste)
3. Liga Italien, So. 15.11.2015
So, herzlich willkommen zum Kellerduell des
Tabellenletzten gegen den Drittletzten. In
einem ähnlichen Zustand wie die
Tabellensituation präsentierte sich auch das
Stadion, womit beides aber noch deutlich
gesünder als das Geläuf sein sollte, auf dem
heute sicherlich keine sportlichen
Höchstleistungen erwartet werden durften.
Kurzzeitig fragte ich mich, ob da unter der
Woche noch ein Reitturnier stattgefunden
hatte, so erbärmlich präsentierte sich der
Rasen. Wenigstens dürfte die Eintrittskarte
eine der schöneren ihrer Machart sein, man
muss ja auch nicht immer nur meckern. Und ich
muss sagen, gemeckert hab ich dann auch
genug. Ja, das Spiel war sicherlich kein
Augenschmaus, man konnte schon recht gut
die doch limitierten Fähigkeiten der Akteure
erkennen. Aber wenigstens wollten sie (ob
man das jetzt als Kompliment auffassen kann,
soll jeder für sich selbst entscheiden). Aber
auch bei diesem Gerumpel war dem
Heimpublikum ein Treffer ihrer Helden (?) nicht
vergönnt, dafür durften die Gäste einmal
ordentlich jubeln. Und das taten sie dann auch.
Jetzt könnte man meinen, dass man mit dieser
geringen Anzahl sicherlich keine Bäume
ausreißen kann, aber was uns von den
Höhlenmenschen
gegenüber
entgegenschallte, war doch schon aller Ehren
wert. Ordentlich laut, schöne Melodien, guter
Pöbelfaktor – bekommt auf jeden Fall den
Daumen nach oben. Selbiges gilt auch für die
hinter dem Tor auf einer stark
einsturzgefährdeten
Stahlrohrtribüne
stehenden Ultra‘ Martina Franca. Fachfrauisch
erkannte Kate gleich zu Beginn des Spiels, dass
auch hier die kraftvoll vorgetragenen Gesänge
ja instrumental unterstützt wurden („Oh, hör
mal, eine Trommel. Das ist ja selten
heutzutage“), trotzdem machte sie in der
Folgezeit ein kleines Nickerchen. Ich hingegen
hatte meinen Spaß, war ich doch
chipsknabbernd positiv überrascht worden.
Sicherlich nicht so ein Spektakel wie in Taranto
möglich gewesen wäre, aber in Anbetracht der
Umstände auf jeden Fall mehr als
zufriedenstellend. Da sehe ich auch mal
darüber hinweg, dass es analog zu gestern
auch hier in der zweiten Hälfte merklich
ruhiger wurde.
Der Abpfiff war dann auch gleichbedeutend
mit der Beendigung des fußballerischen Teils
des Wochenendes, der Rest bestand nur noch
aus Dolce Vita, weiteren Haken im Welterbe-
Informer, der Fahrt von einem pittoresken
Küstenort zum nächsten und Pastaeinkaufs für
die heimische Sammlung. Dass ich hingegen
überhaupt nach Hause durfte, stand am
Flughafen noch in den Sternen, hatten die
Sicherheitsbedienstete doch ein Problem mit
meinem hochgefährlichen Rasierschaum.
Utopische Momente, als fast die komplette
Sicherheitskontrolle lahmgelegt wurde, um
meinen – ich wiederhole – Rasierschaum zu
begutachten. Jeder hatte das Ding mal in der
Hand, natürlich nur mit speziellen
Handschuhen, eine Fotoanalyse von sechs
wachsamen Augen brachten auch keine neuen
Erkenntnisse, der Security Chef in seinem Büro
war auch überfordert. Und während des
ganzen Schauspiels saßen Kate und ich da und
beobachteten breitgrinsend das Drama.
Irgendwann wurden wir dann aufgeklärt: In
meinen „object“ (damit war wohl der
Rasierschaum gemeint) wär ein „object“ (???
O-Ton: „There’s an object in your object“). Auf
jeden Fall durfte ich dann doch weiterfliegen,
meinen Rasierschaum war das leider nicht
mehr vergönnt. Weg war er, der mit fünf Euro
teuerste Rasierschaum meines Lebens
(remember Panama) Zum Glück hatte ich
meine Gesichtsbehaarung morgens noch auf
Vordermann gebracht, sonst wäre ich
ausgeflippt.
Fazit: Zwar lief fußballerisch jetzt nicht alles
nach Plan, aber auch das ist Italien in der
heutigen Zeit. Unüberwindbare Bürokratie
beim Ticketerwerb, Gästeverbot,
Rumpelfußball und Catenaccio. Und trotzdem
überwiegen die positiven Eindrücke der immer
noch lebendigen Fankultur wesentlich mehr.
Über das Land und Leben müssen wir nicht
reden, da gibt’s eh nix besseres. Bis zum
nächsten Mal. (Ö)
N
1.FC Kaiserslautern – FSV Frankfurt 1:1
26.000 Zuschauer (200 Bernemer)
2. Liga, So. 22.11.2015
ach sage und schreibe sechs Wochen
Stadionabstinenz und man zuletzt das
Volk von der anderen Mainseite gesehen hatte,
ging es nun wieder Mal nach K-town *räusper*
- was die Sache natürlich nicht besser macht.
Aber was will man machen, wenn einen die
Sucht treibt und einem im Endeffekt eigentlich
nichts anderes übrig bleibt. Außerdem wollte
ich mich mit Chris Roberts, einem Engländer,
den ich mit Patrick in Warschau kennengelernt
hatte, dort treffen. Er war schon seit Freitag in
Deutschland on Tour und wollte sich
abschließend den Betzenberg anschauen. Ich
briefte ihn und seine Begleiter erstmal, was Sie
heute zu erwarten hatten und hatte damit
leider Recht. Meine Glaskugel sprach von um
die 20.000 Zuschauer, einem schönen
Bumskick und sehr gutem Catering. Es sollte
sich alles erfüllen, da musste man aber in
dieser Saison wahrlich kein Prophet sein.
Manchmal muss man sich schon fragen, was
man von seinem Verein eigentlich erwartet.
Man schwelgt teilweise in den glorreichen
Zeiten. Davon kann jeder Hamburger, Bremer
oder Kölner ein Lied singen - genauso auch in
Kaiserslautern. Man kommt gedanklich einfach
nicht damit klar, in der zweiten Bundesliga
angekommen zu sein und dort ist man nach
mehreren gescheiterten Versuchen wieder
erstklassig zu werden, in dieser Saison im
Mittelmaß angekommen. Jedem, der mit
etwas Leidenschaft beim Fußball dabei ist,
muss das Herz bluten, wenn man solche
Vereine in Liga zwei sieht und dann kann man
sich ungefähr ausmalen, was dies für die treue
Anhängerschaft bedeutet. Ich erinnere mich
daran, als Bielefeld gegen Duisburg in der
letzten Saison in der 3. Liga aufeinandertrafen
und ich zu meinem Vater sagte, dass ich mir
lieber dieses Spiel anschauen würde, als z.B.
die Bundesliga-Begegnungen Hannover gegen
Paderborn oder Leverkusen gegen Wolfsburg,
die am gleichen Spieltag stattfanden. Sagt
glaube ich schon einiges, wenn man bedenkt,
dass Bielefeld gegen Duisburg früher in der
Bundesliga der Inbegriff von Tristesse war.
Heutzutage wäre man froh, wenn man
Hoffenheim oder Ingolstadt durch diese
Vereine ersetzen könnte. Was dem geneigten
Fußballzuschauer dann auch noch auffällt, ist,
dass wenn es nicht läuft, alles und jeder bis auf
das Übelste beleidigt wird. Ist nicht nur in
Kaiserslautern der Fall, sondern ist glaube ich
in jedem Stadion in der Welt der Fall außer
vielleicht bei den unbesiegbaren Bayern. Aber
wieso fängt man an Spieler auf wirklich
allerniedrigstem Niveau zu beleidigen, wenn es
nicht läuft? Wieso gibt es sogenannte
Feindbilder, die von einem Großteil der
Fankurve einfach gehasst werden? Braucht
man einen Sündenbock für alles, was bei einem
im Alltag nicht läuft. Ist dann der Meier, Müller
oder ein anderer der Ersatz für die Leute, die
ich mal gerne beleidigen würde? Ich denke mal,
rational ist es nicht zu erklären, da sich dieses
Phänomen wirklich quer durch die Fanstruktur
eines Vereins zieht. Da rastet der Rentner bzw.
die Rentnerin mal genauso aus, wie ein
Hardcore-Fan aus der Kurve. Warum ist klar,
jeder hängt genauso an seinem Verein und
muss dem Ärger Luft machen. Dabei kann man
froh sein, dass die Spieler die Äußerungen, mit
denen Sie bedacht werden, nicht so wirklich
wahrnehmen, außer vielleicht bei einem
Eckball, der mal wieder ins Aus geht und ein
Raunen über die Ränge geht.
Alles in allem wieder mal ein Besuch auf dem
Berg, welcher nicht in die Kategorie bleibende
Erinnerungen eingeordnet werden wird. (E)
E
1.FC Saarbrücken – TSV Steinbach 4:0
3.771 Zuschauer (10 Gäste)
Regionalliga, Sa. 05.12.2015
s ist Samstagmorgen. Die Straße ist
gekehrt und der Stiefel für den morgigen
Nikolaustag in freudiger Erregung ob der
erwarteten Geschenke poliert und vor die Tür
gestellt - brav war ich ja dieses Jahr. Auch die
mal wieder gar nicht so magische SGE gönnt
uns noch einen Tag der Besinnlichkeit vor der
Derbyschande. Da ich auch trotz täglichem
Analysierens der Spielansetzungen keine
vollends überzeugende Samstagsausfahrt auf
die Beine stellen konnte und potentielle
Mitfahrer noch rarer gesät sind als Rasenplätze
in Costa Rica, sieht alles nach einem
gemütlichen Sonnabend im Kreise meiner
Liebsten aus. So ganz will ich mich damit aber
nicht anfreunden, wenn ich schonmal Zeit
habe, kann ich die schließlich auch sinnvoll
nutzen. Während über die Mattscheibe das
wöchentliche TV-Highlight in Form des GZSZ
Brunches flimmert und ich mir passend dazu
die zweite Pfanne Rührei kredenze, schlage ich
mich mit einem perfekten Stein gegen eine
fast ebenbürtige Schere im Schnick-schnackschnuck
selbst, womit die Entscheidung
zugunsten eines Stadionbesuchs gefallen ist.
Zwar wird mit Saarbrücken kein neues Kreuz
gemacht, da heute jedoch das letzte Spiel im
altehrwürdigen Ludwigspark stattfindet, kann
man hier ruhigen Gewissens nochmals
vorbeischauen und diese wunderschöne
Sportstätte gebührend verabschieden. Also
schnell das Navi (= manuelle Abschrift der
google maps Wegbeschreibung) in Position
gebracht, und schon bringen die vor kurzem
wiederentdeckten ersten Alben von Capone-N-
Noreaga und Heltah Skeltah den Kopf zum
Nicken, wodurch die zwei Stunden, bis ich den
Sinner-Express kostenneutral in Fluchtrichtung
parkiere, wie im Kurzstreckenflug vergehen.
Sieben Jahre ist es her, dass wir hier bei einem
legendären 8:1 gegen den damaligen
Tabellennachbarn Pirmasens zuletzt zugegen
waren. Was mich in der Rückblende noch mehr
als das Ergebnis verwirrt, ist die Frage, wie wir
damals völlig planlos durch Saarbrücken fahren
konnten, ohne das Stadion zu finden. Also
wirklich, so schwer ist das ja echt nicht,
vorausgesetzt man ist in der Lage Schilder zu
lesen.
Für okaye sieben Euro erhalte ich armer
Student Einlass in das absolute Brett von
einem Stadion. Der DJ überzeugt durch seine
Musikauswahl wesentlich mehr als die Boxen,
durch die er diese jagt, aber sie passen zum
Charme des Stadions. Ausschließlich Bands,
die schon live im Ludwigspark aufgetreten
sind, finden den Weg in meine Gehörgänge.
Welch Wohltat im Vergleich zum sonstigen
Einheitsbrei. Beim Blick in die Virage Est
verfluche ich mich selbst schon wieder für das
Malheur mit dem Bilderknipsgerät in Trani,
schließlich bin ich deshalb heute unbewaffnet
unterwegs. Dass sich dies rächen sollte, ist mir
bereits im Vorfeld klar, wie sehr allerdings,
werde ich erst im Laufe der zweiten Hälfte
erfahren.
Zum Einlaufen der Mannschaften prangert vor
der Virage Est ein großes „Weltkulturerbe
Ludwigsparkstadion“ Transparent. Dahinter
wird mittels Überziehfahnen eine eins-zu-eins
Kopie der wuchtigen und prägenden
Anzeigetafel samt wechselnden „Anzeigen“
gezeigt, bevor es zum ersten Mal gehörig
anfängt zu brennen. Vater mit Tochter neben
mir echauffiert sich ebenfalls zum ersten Mal
für heute so richtig, ist danach aber wieder
mehr mit dem Kicker Liveticker beschäftigt. Ich
behaupte mal ganz dummdreist, dass er nur
seinen Blick vom Smartphone wendet, wenn er
sich mal wieder über die Idioten im Block
aufregen kann. Dabei können die Idioten noch
viel mehr. Singen zum Beispiel, und nicht nur
die gewöhnlichen Youtube-Charts. Ich gebe zu,
ich bin schwer begeistert. Bloß die Heimelf
scheint sich im ersten Durchgang wohl
endgültig aus dem Aufstiegsrennen
verabschieden zu wollen. Gegen die von
Thomas Brdaric trainierten Steinbacher hat
man mehr als Glück, dass man sich den
wärmenden Pausentee nicht mit einem Zwei-
Tore-Rückstand einverleiben muss. Anstatt
Tee gönne ich mir eine schmackhafte
Feuerwurst, bevor mir nach Wiederanpfiff die
Augen aus den Höhlen fallen wollen. Es dauert
keine Minute, da zeigt der Unparteiische
zunächst auf den Elfmeterpunkt, dann dem
dafür verantwortlichen Gästeakteur Jakobs
den Carton rouge. Ein gewisser Herr Matthew
Taylor – dem ein oder anderen Leser dürfte er
noch durch seine vielen Tore in Liga zwei und
drei bekannt sein – versenkt sicher, was in der
Kurve als Startschuss für ein unfassbares
Pyroinferno wahrgenommen wird. Ich will mich
nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich
glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich
behaupte, dass dies an die 20 Minuten dauert,
bis sich der Nebel so halbwegs verzieht. Ich
kann mich nicht dran erinnern, jemals zuvor in
die Luft geschossene Rauchdosen gesehen zu
haben, der Effekt ist grandios. Am Boden
dichter blauer und schwarzer Qualm,
ergänzend dazu in der Luft gelber –
phänomenal. Das ganze wiederholt sich in
abwechselnder Anordnung, dazu immer
wieder Fackeln, bestimmt 20 Schwenker am
Wedeln und auf dem Platz fällt auch ein Tor
nach dem andern. Ich kann mir ein
verschmitztes Grinsen nicht verkneifen. Im
Gegenteil, es wird immer größer, wenn ich in
den Rauchschwaden schemenhaft Menschen
mit ihren Fahnen hüpfen sehe und sich
dahinter 300 Leute mit mir relativ unbekannten
Melodien in einen Rausch singen. Zum letzten
Pfiff im Ludwigspark ist der Endstand von 4:0
erreicht, aus dem Block heraus wird nochmals
ein richtiges Feuerwerk gezündet und der
Verein lässt sich nicht lumpen, Freibier zu
sponsern, womit es für alle ein gelungener
Abschied ist – außer für Vater und Tochter
neben mir. Das ist aber auch immer eine
Sauerei mit diesen sogenannten Idioten im
Fanblock, da kann man sich nur aufregen. Und
scheinbar sind wohl auch nicht alle Spiele so
ausgegangen, wie er es gerne hätte. So was
aber auch. Mir ist’s egal, ich bin für heute fast
uneingeschränkt zufrieden. Zum
vollkommenen Glück fehlt heute nur ein
Fahrer, zu gerne würde ich das Freibier
probieren. Verdient hätte ich es, schließlich
war es das letzte Mal hier ein ähnliches Bild,
nur dass ich am Steuer saß, während sich Ede
auf der Rückfahrt neben mir hemmungslos
betrank…
Abschließend muss ich auch mal objektiv
festhalten, dass das heute ganz großes Kino
war. Man ist ja immer etwas voreingenommen,
was deutsche Kurven angeht und macht auch
vieles schlechter als es ist, aber ich sag mal so:
Wenn ich das Spiel heute so in Italien gesehen
hätte, würde ich wohl aus dem Schwärmen
nicht mehr rauskommen und es wäre ein ganz
großer Top10 Kandidat. (Ö)
Borussia Dortmund – PAOK FC 0:1
55.200 Zuschauer (3.000 Gäste)
Europa League, Do. 10.12.2015
Mein Bruder weiß ja grundsätzlich alles.
Und das, was er nicht weiß, wird umgehend
nachgelesen, um so die letzten freien Stellen
im Haupthirn auch noch zu belegen. Ich war ja
schon recht froh, dass ich auf der Heimfahrt
den Platz hinter dem Beifahrersitz, welcher
heute von Fot…äh Michi aka Plackan okkupiert
wurde, einnehmen durfte. So ging der Kelch
des Wikipedia-Artikel-Vorlesens gepflegt an
mir vorbei. Während Philipp zu meiner Linken
zu seinem Glück schon im Reich der Träume
weilte, durften wir unseren Bestand an
unnützem Wissen aufbessern. Die Kelly Bundy
Theorie besagt ja, dass jedes Hirn nur eine
gewisse Menge an Informationen aufsaugen
kann. Wenn diese erreicht ist, sich dann jedoch
etwas neues Unbekanntes seinen Weg in
Richtung Denkleistungszentrum bahnt, geht
das Erste, was man jemals abgespeichert
hatte, verloren. Das ist quasi ein eiskalter
Verdrängungswettbewerb. Im Hause Sinner
scheint dies mit den Hirnen etwas anders zu
funktionieren als im Hause Bundy: Mein Bruder
hat scheinbar unbegrenzt freien Speicherplatz,
bei mir wird jede neue Information schon an
der Einlasskontrolle abgewiesen. Ich les und les
und les, frag mich morgen danach, hab ich es
vergessen – die Quintessenz kann ich mir zwar
noch merken, den Weg hin jedoch nicht. Was
ich mir jedoch von dieser Fahrt gemerkt habe,
ist die Sache mit dem Frauenvolleyball-
Europacup. Und da ich das auch für sehr
seltsam halte, versuche ich das einfach mal
wieder zu geben: Als bekannt setze ich voraus,
dass der Sieger in einem Final Four ausgespielt
wird, ergo brauchen wir am Ende vier
Finalisten. Die Vorrunde wird in sechs
Vierergruppen ausgetragen, von denen sich
jeweils die besten zwei für die KO-Phase
qualifizieren. Und wer jetzt schnell im Kopf
mitgerechnet hat, wird festgestellt haben, dass
nach diesem Modus nur drei Teams
übrigbleiben. Die Frage ist jetzt natürlich, wer
ist der vierte Teilnehmer? Tja, die Antwort ist
so simpel wie sportlich sinnvoll. Es ist natürlich
der jeweilige Gastgeber des Final Four.
Besonders skurril wird es, wenn man sich jetzt
vor Augen führt, dass diese Mannschaften in
der Vorrunde noch mitspielen, unabhängig
vom Abschneiden jedoch die Playoff-Phase
überspringen und direkt im Final Four gesetzt
sind. Und wenn ihr euch jetzt fragt, wer sich
dieses Highlight an Austragungsmodus
ausgedacht hat, kann es auch hier nur eine
Antwort geben: Der Sepp Blatter des
Volleyballs. Bestätigt wird diese These, wenn
man sich die Austragungsorte der letzten Jahre
anschaut, waren dies doch abwechselnd Baku
und Istanbul. Ein Schelm…
Trotzdem geht’s in dieser Scheißhauslektüre
noch nicht um Frauenvolleyball (Betonung liegt
auf „noch“. Ich gehe davon aus, dass es die
längste Zeit gedauert hat, bis ihr auch hiervon
eine gewohnt hochwertige Berichterstattung
erhalten werdet), also betraten wir anstatt der
Westfalenhalle das gleichnamige Stadion.
Irgendwie fand ich es vom ganzen Drumherum
heute viel angenehmer als im gewöhnlichen
Bundesligaalltag. Endlich mal nicht im völlig
überfüllten Block stehen und kaum etwas von
der Niederlage sehen, Norbert Dickel kam mir
auch viel weniger aufgeregt vor als
Samstagmittags, das ging so weit schon klar.
Das kann man jetzt vom Spiel an sich und auch
der Südtribüne nicht behaupten, das war heute
beides unterirdisch. Vom Niveau kam das
schon recht nahe an Frauenvolleyball ran – und
nein, damit will ich nicht diesen wirklich
ästhetischen Sport - nicht nur bezogen auf das
Äußere der Protagonistinnen - schlecht reden.
Aber das zählte heute ja alles nicht, ist ja kein
Geheimnis, dass der Grund meiner
Anwesenheit PAOK hieß. Gut, und hier könnte
ich jetzt eigentlich den Bericht vom Fiorentina
Spiel letztes Jahr (s. Ausgabe 1) wiedergeben.
Leck mich am Arsch, haben die wieder das
Haus gerockt, vor allem unter den
Gesichtspunkten, dass es sportlich um nichts
mehr ging und man eh schon ausgeschieden
war. Und auch wenn der Großteil der im
oberen Eckblock postierten Griechen sicherlich
nicht direkt aus Thessaloniki kam, präsentierte
man sich absolut geschlossen, laut, brachial
und melodisch. Der sich abzeichnende Sieg
ließ den Ausrastfaktor nochmals nach oben
steigen, so dass ich doch völlig zufrieden mit
dem Gehörten war, auch wenn es in Florenz
noch eine gute Schippe geiler war.
Zwischen Abpfiff und Auffahrt auf die
Autobahn lagen lediglich 15 Minuten, was
einen physikalisch eigentlich unmöglichen
Rekord darstellte, und nach einer von weiteren
nichtabgespeicherten Informationsfluten
geprägten Heimfahrt und einer ebenfalls 15
Minuten dauernden Fantabestellung bei einer
bekannten Fast(?) Food Kette, kamen wir auch
alle wohlbehalten wieder im heimischen
Schlafgemach an. Bis Sonntag, Dortmund. (Ö)
FC Schalke 04 II – Sportfreunde Lotte 1:1
250 Zuschauer (ca. 5 Gäste)
Regionalliga, So. 13.12.2015
aus seiner Hand ins Aus oder unerreichbar für
seine Mitspieler abzugeben.
Nach den 90 Minuten ging es flux Richtung
Auto um sich die fällige Packung in Dortmund
abzuholen. Das frühe 1:0 ließ kurz einen Hauch
Hoffnung zu, doch wurde am Ende doch mit
dem erwarteten Ergebnis die Heimreise
angetreten. (E)
D
ie magische SGE musste an einem
Sonntagabend bei den Biene Majas aus
Dortmund ran. Da es beim BVB gewöhnlich eh
nicht viel zu holen gibt, musste man den
Besuch ein wenig aufpeppen und so fiel die
Wahl auf den Regionalligakick der
Zweitvertretung von Schalke gegen den
Tabellenzweiten aus Lotte. Da in der
gewöhnlichen Heimstätte der Zweitvertretung
Flüchtlinge die Räumlichkeiten beanspruchten,
wurde nach Bottrop ausgewichen. Dort
angekommen, liefen einem gleich Snicki und
Boris am Würstchenstand über den Weg. Sehr
lustig, hatte man die beiden doch längere Zeit
nicht mehr gesehen und konnte ein wenig über
die vergangene und kommende Zeit
schnacken.
Das Spiel begann und wurde von Beginn an
sehr engagiert geführt. Das Engagement
schlug dann später in eine eher aggressive
Spielweise um . Der Schiedsrichter verpasste
seinen Einsatz, ließ die Leine eher locker und
so wurde munter weitergetreten, sodass die
einzige rote Karte aus einer scheinbaren
Beleidigung resultierte. Zum Spiel gibt es nicht
viel zu sagen, spielerisch eher mau. Das graue
Highlight war ein alternder Wetklo im S04 Tor,
der noch immer ein Talent dafür hat, die Bälle
Olympique Lyon - Tours FC 2:1
15.835 Zuschauer (100 Gäste)
Ligapokal, Mi. 16.12.2015
Liebes Tagebuch,
es ist mal wieder so weit. Ich brauche deine
mentale Unterstützung. Es ist wieder einer
diese Tage, an denen ich an meinem Verstand
zweifele. Aber der Reihe nach. Was ist
eigentlich passiert:
Der Blick auf die Digitalanzeige in meinem
Auto verrät mir, dass wir 05:40 Uhr haben. In
einer guten Stunde werde ich wieder im Büro
sein. Der Blick aus dem Fenster verrät mir, dass
ich jedoch nicht - wie es eigentlich sein sollte -
in meinem warmen Bettel liege, sondern auf
einem LKW-Parkplatz stehe und versuche,
wenigstens ein paar Minütchen Schlaf zu
erhaschen. Aber ich will mich mal wieder nicht
beschweren, ich habe es schließlich selbst so
gewählt.
Aber liebes Tagebuch, Du weißt ja selbst am
besten, wie oft ich schon nach Lyon ins Stade
Gerland fahren wollte. Und immer wieder
wurde mit der Begründung „Hier kommt man
eh nochmal hin“ etwas anderes vorgezogen.
Und dann ist es irgendwann so weit und die
Franzosen bekommen die EM und im Zuge
dessen wird auch in Lyon ein neues Stadion
errichtet und im altehrwürdigen Gerland wird
der Fußballbetrieb eingestellt. Tja, und so
kommt man eben auf die glorreiche Idee, an
einem Mittwoch (!) lediglich zu zweit (!!) zu
einem Ligapokalspiel (!!!) gegen einen
Zweitligisten zu fahren, wohlwissend dass auch
noch die Virage Nord gesperrt sein würde (!!!!).
Ideale Voraussetzungen also für ein
unvergessliches Spiel.
Liebes Tagebuch, ich erzähle dir das alles, weil
ich weiß, dass Du mch verstehst, wenn es sonst
schon niemand sonst macht. Nein, selbst mein
heutiger Reisegenosse Snicki stellte des
Öfteren die Frage nach der Sinnhaftigkeit
unseres trauten Männerausfluges. Aber wenn
man dann nach bereits einer verfahrenen
Tankfüllung und zweistelligen Mautkosten zu
den Klängen Nora Jones‘ dem blutroten
Sonnenuntergang am Firmament entgegen
fährt und Snicki von der Schönheit des
Himmels schwärmt, ist das der Inbegriff von
Romantik und quasi jetzt schon alles wert.
Weitere 20,-€ Mautkosten später kamen wir
auch tatsächlich nach sieben Stunden Fahrt am
Stade Gerland an und spätestens jetzt war
wieder einmal klar, dass wir alles richtig
gemacht hatten, einfach ein Traum von einem
Stadion.
Jetzt galt es nur noch, die hoffentlich nur 90
Minuten zu überstehen und dann schnellen
Gasfußes wieder den ganzen Weg
zurückzublasen. Ich gebe unverdrossen zu
liebes Tagebuch, dass ich vor der Rückfahrt
etwas Angst hatte, die jetzt schon einsetzende
Müdigkeit machte mir doch zu schaffen,
verspätet ankommen war aber aufgrund des
fehlenden Urlaubes keine Option.
Oh je, wenn Du mich gesehen hättest, wie ich
in der 86. Minute einen Freudenschrei
ausgestoßen hatte, als Claudio Beauvue mit
seiner zweiten Bude doch noch den nicht mehr
erwarteten Siegtreffer in der regulären
Spielzeit erzielt hatte. Bis hierhin war es ein
harter Kampf, der unterklassige Außenseiter
hatte gar die größeren Chancen. Trotzdem
herrschte über weite Zeit eine ansprechende
Atmosphäre. Bad Gones machten es sich auf
der Gegentribüne bequem, auf der Virage Sud
wurde auch durchgängig angefeuert – das ging
schon klar.
Doch uns stand ja noch der Hauptakt bevor: die
Heimfahrt. Liebes Tagebuch, ich werde
niemals ein Freund von Navigationssystemen.
Wo uns dieses wieder langlotste, ganz zu
schweigen von den gesperrten
Autobahnausfahrten, es war nicht für möglich
zu halten. Eine Stunde nach Abpfiff und wir
irrten immer noch durch Lyon. Aber gut,
irgendwann, ja wirklich irgendwann, fanden wir
uns auf der richtigen Autobahn ein und nur ein
paar Stunden später waren wir auch wieder in
Deutschland. Hier übernahm Snicki kurz das
Steuer, und quasi seit Öffnen meiner Augen
stehe ich jetzt hier auf diesem gottverlassenen
Parkplatz und frage mich, wie ich es am
Schreibtisch schaffen soll, wach zu bleiben.
Aber das kriegen wir schon hin. Jetzt erstmal
eine Dusche in den Produktionshallen, dann
sieht die Welt schon anders aus.
Liebes Tagebuch, mittlerweile ist
Mittagspause. Ich bin erstaunlich wach, hatte
noch keine Probleme am heutigen Arbeitstag.
Das einzige was mich stört, sind meine für
mein Empfinden viel zu langen Bartstoppel.
Deshalb stehe ich nach meinem DM-Besuch
gerade in der Tankstellentoilette und rasiere
mich. Vielleicht hältst Du mich jetzt für
verrückt, ich hingegen zweifele gerade viel
weniger an meinem Verstand. Nach der Rasur
werde ich richtig fresh sein, gedanklich bin ich
einfach nur froh, die Tour gemacht zu haben.
Wenn ich auf die Vernunft gehört hätte und
daheim geblieben wäre, hätte ich mich heute
viel mehr geärgert.
Ich weiß, dass Du mich verstehst, liebes
Tagebuch.
Bis zum nächsten Mal (Ö)
Brighton & Hove Albion – Wolverhampton
Wanderes 0:1
26.321 Zuschauer (800 Gäste)
2. Liga England, Fr. 01.01.2016
N
ie mehr Silvester in London – haben wir
gesagt.
Das war das beschissenste Silvester ever –
haben wir gesagt.
Viel zu viele Leute und viel zu wenig Alkohol –
haben wir gesagt.
So waren zumindest im Januar 2010 unsere
Empfindungen, als wir vom unserer Meinung
nach beschissensten Jahreswechsel aller Zeiten
zurückkamen. Aber wie das nun mal so ist,
werden mit der Zeit alle negativen
Begleiterscheinungen ausgeblendet und es
bleibt nur das Positive hängen. Kennt ihr, oder?
Wenn man uns heute über die besagte Tour
reden hört, könnte man meinen, es wäre der
geilste Trip des Lebens gewesen.
Ganz so schlecht kann es also doch nicht
gewesen sein, also geben wir der Sache
nochmal eine Chance – wenn auch im
Vergleich zum damaligen Mob in sehr
abgespeckter Form, also von der Anzahl der
Leute her (genau genommen waren wir nur zu
fünft, wobei das stärkere Geschlecht – also die
Frauen – sogar den zahlenmäßig größeren
Anteil stellten). Wir wussten ja, welche Fehler
es zu vermeiden galt. Das Gute nach diversen
Londonbesuchen in den letzten Jahren ist ja,
dass man den ganzen Tourikram guten
Gewissens Tourikram sein lassen und sich auf
das Wesentliche konzentrieren kann, sprich die
Zerstörung des eigenen Körpers mit fettigem
Fraß und schalem Bier. Hierzu hatte ich im
Vorfeld zur Ale-Verkostung ausgerufen.
Irgendwas muss an der Plörre ja sein, dass es
tatsächlich Leute gibt, die das gerne
konsumieren. Und so tranken sich Michi und
ich eben die ersten Stunden (also quasi von
Ankunft bis Abflug) durch die verschiedensten
Pubs und noch verschiedeneren Alesorten, nur
um nach jedem weiteren Pint zur Erkenntnis zu
gelangen, dass unsere Geschmacksknospen
derbe angeekelt sind. Aber wie uns Doppelkopf
am Beispiel Shir Khans schon leerte, ist das die
Sache mit der Balance. Das Gute funktioniert
nicht ohne das Schlechte und umgekehrt. Und
wenn dieses Ale schon nicht schmeckt, dann
muss man ihm wenigstens zu Gute halten, dass
man es verdammt gut trinken kann. Mag an
der mangelnden Kohlensäure liegen, vielleicht
ist es aber auch einfach nur schlau von den
Braumeistern, da man es sonst überhaupt nicht
runterbekommen würde.
Neben Ale entdeckte ich auch meine Liebe zu
Gin Tonic (oder wie es ein großer Vertreter des
Fußballkreises Büdingen nennt: Gonic) neu. Da
gab es ja zum Jahreswechsel 2009/10 so eine
unheimliche Begegnung der dritten Art
zwischen einer Flasche Gin, zwei
Kolumbianerinnen und meiner Wenigkeit
unter Lord Nelson Trafalgars Augen. Darauf
näher einzugehen würde den ohnehin schon
wieder weit überspannten Rahmen noch mehr
sprengen, von daher muss als Anmerkung dazu
reichen, dass es eben jener Gonic seit dieser
schicksalhaften Nacht neben Bananensaft auf
Platz Eins meiner persönlichen Bannliste
geschafft hat. Ich hatte tatsächlich seit sechs
Jahren keinen mehr angerührt. Aber wo, wenn
nicht am Ort meines persönlichen Waterloos,
sollte ich dieses Trauma bewältigen? Und
damit habe ich nach end- und sinnlosem sowie
autobiographischem Gelaber auch endlich die
Überleitung zum letzten Abend des alten,
respektive ersten Morgen des neuen Jahres
geschafft. Denn anstatt uns durch die
Menschenmassen zu schlängeln und dabei
wieder nichts zum Trinken zu finden (außer
halt dem einen geilen Typen, der es scheinbar
drauf hatte…ähem), läuteten wir die neue Ära
im Hostel-Gemeinschaftsraum bei
Kartenspielen und Gonic ein. Und es war ein
verdammt cooler Abend, auch wenn die
Korrektur sicherlich anmerken wird, dass wir
uns am Wodka und Cider festhielten und der
Gin erst am nächsten Tag gekauft wurde. Aber
da a) die Überleitung sonst nicht funktioniert
hätte und b) ihr hier ein Pamphlet dieser
sogenannten Lügenpresse in den Händen
haltet, nehm ich es mit der Wahrheit auch
nicht so ganz genau. Nachdem dann noch der
pickelige Franzose mit einem „bon
anniversaire“ ins Bett verabschiedet wurde,
stellte sich bei mir die Gewissheit ein, dass ich
es im Kalenderjahr 2015 tatsächlich nicht ein
einziges Mal in ein Stadion auf der Insel
geschafft hatte. Das galt es 2016 gleich zu
ändern.
Und so machte ich mich am nächsten Morgen,
nach dem ich meine guten Vorsätze in Form
von „Mate-Tee, Mehrkornbrezel und den
ersten Sit-ups“ (wer kennt’s noch?) schon
wieder verworfen hatte, alleine auf den Weg an
die Küste. National Express brachte mich in
zwei Stunden für 12,- Pounds nach Brighton
und zurück. Dort angekommen, war das
herrliche Wetter des letzten Jahres verflogen
und es herrschte das für Großbritannien so
typische Regenwetter. Zusätzlich zeigte eine
sehr steife Brise erhöhte Präsenz, so dass das
Flanieren an der Strandpromenade nicht
wirklich großen Spaß bereitete. Trotzdem
konnte man schon erahnen, dass es hier bei
passendem Wetter ganz schön cool sein kann.
Auch die restliche Stadt machte durch kleine
Gassen, einer hohen Pubdichte und jeder
Menge individueller Läden einen mehr als
brauchbaren Eindruck. Für eine großartige
Erkundungstour blieb mir jedoch keine Zeit,
schließlich musste ich noch die knapp zehn
Kilometer zwischen Stadtzentrum und Stadion
überwinden. Zur Hilfe kam mir der Bus mit der
Nummer 25, der mich sowie die weiteren
Fahrgäste irgendwo im nirgendwo in der Nähe
des Campus entließ. Die letzten Meter durch
den Regen zurückgelegt, und schon stand ich
vorm AMEX Stadium. Joa, genau deshalb fährt
man auf die Insel zum Fußball. Man weiß ja,
dass im Stadion selbst nichts geboten wird,
dafür überzeugen aber zumindest diese selbst
in aller Regel und rechtfertigen jeden Trip.
Historische Spielstätten, mitten im
Wohngebiet, Holzbänke aus dem vorletzten
Jahrhundert, Einlasstore, bei denen ich mich
frage, wie der durchschnittliche Tommy diese
passieren kann und direkt gegenüber vom
Eingang überfüllte Pubs – so meine
romantische Vorstellung eines britischen
Grounds. Und dann stehst du irgendwo im
Regen in einem Vorort von Brighton auf einer
Betonplatte, um dich herum ist nichts, außer
einem Verkäufer des Stadionmagazins für 3,50
Pounds (das von Ausmaß und Umfang
übrigens nicht annähernd an diese Postille
herankommt), und du siehst dieses
einkaufszentrumähnliche Gebäude, das so
auch irgendwo an einer deutschen
Autobahnabfahrt stehen könnte. Herzlichen
Glückwunsch – zum Glück war ich drauf
vorbereitet.
Bevor ich das Ungetüm betrat, machte ich
mich noch schnell etwas frisch im Gesicht und
trat die Zigarette aus, damit auch ja keiner der
Ordner auch nur auf die Idee kommen könnte,
dass ich schon weit mehr als zehn Lenzen
zähle, und schon stand ich im Catering Bereich
vorm Stadioninneren. Hier war wie erwartet
kein Bewegen möglich, da sich der gemeine
Tommy bis zum Anpfiff so viele Pints wie
möglich reinschwurbeln wollte, um danach die
übriggebliebenen Pennys direkt zu verwetten.
Bei fünf verschiedenen Bieren vom Zapf
konnte ich aber auch nicht nein sagen und
gönnte mir das mit vier Pounds zweitbilligste
Pint des gesamten Wochenendtrips.
Achso, Fußball gespielt wurde übrigens auch ;-)
Von meinem gepolsterten (!) Sitz aus sah ich
bei berüchtigter Inselatmosphäre – also
Totenstille – wie die heimischen Seagulls
(Möwen. Ein Spaziergang an der Promenade
erklärt die Namensfindung auch hinreichend)
ihren Negativtrend von fünf sieglosen Spielen
in Folge stoppen wollten. Bis dahin war man
Tabellenführer, jetzt stehen sie nur noch auf
Rang vier. In einem ausgeglichenen Spiel
erzielten die Seagulls in Gestalt von Connor
Godson dann auch das einzige Tor des Tages –
aus ihrer Sicht netzte er leider auf der falschen
Seite ein. Aber auch wie blöd, mann mann
mann Paul. Bis dahin, es war immerhin die 26.
Spielminute, hatte der Schiedsrichter sein
Arbeitsgerät übrigens noch nicht einmal
benutzen müssen. Und bis zur Halbzeitpause
kann ich mich auch nur an zwei geahndete
Foulspiele erinnern, was natürlich nicht heißen
soll, dass es diese nicht gegeben hätte. Diverse
Aluminiumtreffer in der zweiten Hälfte
brachten auch keine Ergebniskorrektur mehr,
so dass die auf der Hintertortribüne
untergebrachten, ansonsten schweigsamen
800 Wölfe mit Beendigung der Angelegenheit
gut ausrasten durften.
Der Zug brachte mich jetzt wieder zurück ins
Zentrum, der Bus schlafend zurück zur Victoria
Station. Auf den ersten Kick des noch jungen
Jahres wurde abends mal wieder das Ende der
Welt beehrt, bevor es am folgenden Tag gleich
weiter gehen sollte. Die Mädchen wurden zu
einem aufgrund der im Nachhinein entdeckten
Tüten wohl erfolgreichen Einkaufsbummel
geschickt, Michi und ich machten uns auf nach
Charlton. Bevor wir uns mit dem Bussystem
beschäftigten, fuhren wir einfach per
Underground zur North Greenwich Station und
legten von hier die dreikommafünf Kilometer
zum Valley zu Fuß zurück. Clever wie wir sind,
hatten wir natürlich reichlich Wegproviant
dabei. Und hier war er nun wirklich: Der Gin.
Und ich habe ihn vertragen und er hat sogar
wieder geschmeckt. Manchmal muss man
einfach über seinen eigenen Schatten
springen. Pünktlich beim Ankunft am Stadion,
das meiner Beschreibung eines optimalen
Grounds schon wesentlich näher kommt, war
die Mischung dann auch geleert und wir mit
Tickets ausgestattet.
Charlton Athletic – Nottingham Forest 1:1
16.090 Zuschauer (2.562 Gäste)
2. Liga England, Sa. 02.01.2016
Während wir uns nun durch die als Eingänge
fungierenden Schlitze in der Wand quetschten,
protestierten auf der anderen Seite des
Stadions die Fans der Addicks gegen ihren
Eigentümer Roland Duchâtelet. Beim Lesen
des Namens dürfte es bei dem Ein oder
Anderen klingeln. Genau, es handelt sich um
eben jenen Roland Duchâtelet, der bis zum
Sommer 2015 auch noch bei Standard Liège
rumwuseln durfte. In hiesigen Gefilden ist er
durch sein „Engagement“ bei Carl Zeiss Jena
bekannt. Man kann also konsternieren, dass er
sich mit Fanprotesten auskennt. Genauso kann
man auch sagen, dass diese ihm ziemlich am
Allerwertesten vorbei gehen. Seit Januar 2014
treibt er nun sein Unwesen bei Charlton
Athletic. In diesen zwei Jahren wurden bereits
vier Trainer entlassen (seit der letzten
Entlassung im Oktober wurde auch noch kein
neuer eingestellt), eine Scoutingabteilung gibt
es ebenso wenig wie einen allgemein
Verantwortlichen für den sportlichen Bereich.
Quasi alle Neuzugänge kommen aus den
anderen Filialen Duchâtelets (neben Jena sind
das noch Ujpest, Sint-Truiden und Alcorcón
[ESP]) und sind nicht unbedingt zur
langfristigen Verstärkung des Teams gedacht,
sondern zielen darauf ab, junge Spieler
gewinnbringend zu verscherbeln. Ein
sportliches Konzept sucht man vergebens, so
kommt es dann auch zu Stande, dass man aus
den 20 bisher gespielten Partien lediglich zwei
Siege einfahren konnte und so nur knapp vor
den Abstiegsrängen steht. Im Sommer war
noch kurzfristig Besserung in Sicht, als sich ein
neuer, zusätzlicher Investor interessiert zeigte
(angelacht vom sehr beliebten Ex-Eigentümer
Peter Varney), doch Duchâtelet verweigerte
gemeinsam mit CEO Katrien Meire alle
Gespräche, sagte Treffen ab und beantwortete
nicht einmal E-Mails. Apropos Katrien Meire.
Gerade einmal 31 Jahre alt, mit Duchâtelet
bereits seit den Anfängen dessen
Fussballinvestments bekannt, wurde von ihm
als CEO Charltons eingesetzt. Mit
Kommentaren über seltsame Vorstellungen
der Fans allgemein und im Speziellen, dass die
Proteste inakzeptabel seien, hat sie sich sehr
schnell sehr beliebt gemacht. Ihre Aussage,
dass lediglich 2% der Fans die Proteste
unterstützen würden, wurde von diesen zur
Kampagne „We are the 2%“ umgemünzt.
Unter diesem Motto demonstrierten vor,
während und nach dem Spiel 1.000 Leute
gegen die Zustände in ihrem Verein. Man
möchte ihnen die Daumen drücken, dass es
sich für sie doch noch zum Guten wenden wird,
denn was wir heute im Stadion erlebten, war
mal so richtig sympathisch.
Typisch britisch gönnten wir uns noch ein Pint
– mit 3,90 das billigste überhaupt. Merke: Wer
saufen will, gehe bitte ins Stadion – und fielen
pünktlich zwei Minuten vor Kick Off auf unsere
Plätze. Ein richtig cooler Ground, und eine
richtig coole Atmosphäre. Auch wenn vor dem
Stadion noch ein Großteil protestiert hatte,
standen hier drinnen doch alle hinter ihrem
Team. Ja, richtig gelesen: Standen. Hier kamen
keine Durchsagen, dass man sich doch bitte
hinzusetzen hat. Und so wie hier das Spiel
hinter dem Spiel im Stehen verfolgt wurde,
wurde auch wie selbstverständlich gesungen,
sogar unterstützt von einer Trommel.
Teilweise musste ich mich wirklich fragen, ob
das hier wirklich England ist oder ob wir anstatt
ins Jahr 2016 vielleicht durch irgendein
schwarzes Loch ins Jahr 1985 gerutscht waren.
Oder lag es vielleicht doch am Gin?
Der Blick auf den verregneten Rasen bewies
dann aber doch wieder, dass wir uns im
Mutterland des Fußballs befanden. Hoch und
weit und eine gesunde Brutalität in den
Zweikämpfen, die trotzdem nur selten
abgepfiffen wurden – einfach herrlich. Haben
nur noch die Torwartfehler und verschossenen
Elfmeter gefehlt, und es wäre jedes Klischee
bestätigt worden. Zur Abrundung des tollen
Fußballnachmittags trugen auch die Gästefans
bei, die die komplette Tribüne hinter dem
anderen Tor bevölkerten. Leider akustisch
nicht so aktiv wie die Heimseite, aber alleine
die Masse war schon aller Ehren wert, auch
wenn wir trotz genauer Observation Ebby nicht
erblicken konnten. Wäre England doch immer
so, ich würde viel öfters hier vorbeischauen.
Zwischendurch gingen mir die Emotionen ja so
durch, dass ich mich nach dem
Ausgleichstreffer in den Armen meines
Nebenmannes wiederfand – und damit ist
nicht Michi gemeint ;-)
Der Weg zurück in die Zivilisation wurde uns
diesmal von Büchsenbier versüßt, wobei
Carling Lager im Geschmackstest nur ganz
knapp über den getesteten Ales landete, bevor
das übliche Abendprogramm anstand. Der
folgende Sonntag sollte dann zumindest für
Kate und mich auch schon der letzte Tag,
bevor wir wieder ins Büro kriechen mussten.
Da ich alle für diesen Tag angesetzten Stadien
schon gekreuzt hatte, streuten wir mit dem
lange erwarteten Besuch der Tate Mod doch
noch etwas Kultur ein. Aber ohne als Banause
zu gelten, war ich doch etwas enttäuscht. Was
da größtenteils ausgestellt war, könnte ich
auch nebenher beim Kacken herstellen.
Wahrscheinlich hab ich es sogar, ich kam nur
noch nie auf die Idee, das als Kunst zu
verkaufen…
Letzte Amtshandlung, bevor der Wecker um
04:00 schellte, lag im Shrimps Massaker bei
Bubba Gump, man gönnt sich ja sonst nix.
Hammerlecker war’s, genauso wie das ganze
WE schön war. Danke an die, die dabei waren
und – sorry an die möchtegernharten Jungs,
die das lesen :-p - ich hab euch lieb. (Ö)
V
Genoa CFC – U.C. Sampdoria 2:3
31.770 Zuschauer (10.000 Gäste)
1. Liga Italien, Di. 05.01.2016
or nicht einmal 24 Stunden hatte mich der
Handywecker aus dem wohlverdienten
Schlaf im Londoner Hostelbett gerissen:
Zwischen diesem Moment und dem erneuten
Ertönen des Weckalarms lag lediglich der
Heimflug und ein langer Arbeitstag. Aber da
Jammern ja auch nichts hilft, quälte ich mich
eben trotz viel zu wenig Schlaf in den letzten
Nächten zur frühen Morgenstunde – man
könnte auch sagen „mitten in der Nacht“ – von
der heute als Nachtquartier missbrauchten
Couch und befand mich schon kurz darauf
wieder am Steuer des Sinner Expresses.
Eigentlich wäre das jetzt gar nicht so tragisch
gewesen, der ursprüngliche Plan sah ja vor,
dass Ede und ich von Moritz in dessen Vehikel
gen Genua befördert werden sollten. Für mich
hätte das geheißen, den Platz hinten links
einzunehmen, Augen zu schließen und
allerfrühestens in der Schweiz wieder zu
öffnen. Naja, ihr werdet es erahnen, ganz so
kam es dann natürlich nicht, keine 20 Stunden
vor Abfahrt musste Moritz aus
gesundheitlichen Gründen absagen und wir
standen alleine da und vor einem Fahrer- und
Kostenproblem. Eine komplette Absage der
Tour stand eigentlich nie zur Debatte, und
nachdem in innerhalb kürzester Zeit das Auto
mit unseren Freunden der Mitfahrzentrale
gefüllt werden konnte, stand einer
kostengünstigen Fahrt nichts mehr Wege –
außer halt der Frage, ob der noch nicht
auserkorene Fahrer den Kampf gegen die mit
Sicherheit auftretende Müdigkeit gewinnen
würde.
Um Punkt kurz nach halb fünf bestieg dann
auch Ede meinen Beifahrersitz, eine halbe
Stunde später komplettierten Muhammed und
Ali unsere Rückbank. Viel mehr kann ich über
die beiden lustigen Gesellen jedoch nicht
sagen, da deren Deutsch bzw. Englisch in etwa
so gut war wie unser Arabisch. Auf jeden Fall
überzeugten sie durch einen relativ
unangenehmen Körpergeruch und lautstarken
Diskussionen miteinander. Bis in die Schweiz
hinein lauschte ich dem sonoren Geschnatter,
dann musste ich nach einer trotz unserer
gefährlichen Fracht nicht vorhanden
Grenzkontrolle den Anstrengungen der letzten
Tage Tribut zollen. Fortan kutschierte uns Ede
weiter, ich übernahm erst direkt vorm
erstmaligen Eintritt nach Italien des noch
jungen Jahres wieder das Kommando. Ab
Milano Centrale hatten wir diverse Scheine
mehr im Geldbeutel sowie endlich wieder
frische Luft in der Fahrgastzelle, keine zwei
Stunden später waren wir auch schon viel zu
früh im Genueser Stadtteil Marassi
angekommen.
Klar, Genua ist ne geile Stadt, hier lässt es sich
locker ein paar Stunden aushalten, ohne dass
es langweilig wird. Aber in Anbetracht dessen,
dass uns ja auch wieder eine grob geschätzt
zehnstündige Heimfahrt in der Nacht
bevorstand, reduzierten wir unser
Aktionsvorhaben auf ein absolutes Minimum.
Einzige Amtshandlung bestand darin, die
kulinarischen Vorräte in der Heimat
aufzufüllen, wofür wir uns den Weg am Fluss
Bisagno zum nächstgelegen Hipermarket
bahnten, während auf der
gegenüberliegenden Seite schon die ersten
Tifosi mit der Beseitigung der Silvesterreste
beschäftigt waren. Alter, was waren das denn
für Kanonenschläge, die da in aller
Regelmäßigkeit einen Terroranschlag
imitierten? Trotzdem konnten wir nach einem
mehr als erfolgreichen Einkauf lokaler
Köstlichkeiten (und das ist ausnahmsweise mal
völlig ohne Ironie zu betrachten) noch ein paar
Minuten Schlaf im kuschelig warmen Auto
finden, bevor wir uns gute zwei Stunden vor
Anpfiff im Mittelrang des schönsten Stadions
Italiens bequem machten – wie auch wieder
weitere unzählige unserer Landesgenossen.
Aber gut, lästern wäre ja wieder ein herrliches
Eigentor, schließlich ist man ja selber einer
dieser seltsamen Sippschaft ;-)
Da der Platz heute in bespielbarem Zustand
war und es auch sonst nicht nach weiteren
Kapriolen aussah, war es um 20:45 Uhr auch
angerichtet. Bis dahin hatten sich beide Seiten
schon gut bepöbelt, beeindruckend schon hier,
welche Lautstärke UTC bereits weit über eine
Stunde vor Anpfiff mit zu diesem Zeitpunkt
noch relativ wenigen Leuten erzeugen
konnten, mit Einlauf der beiden Teams
explodierte die Masse förmlich. Es war
tatsächlich angerichtet: Das 93. Derby della
Lanterna, Grifoni gegen Blucerchiati. Auch
wenn sich beide Vereine aktuell auf einer
sportlichen Talfahrt – Samp konnte von den
letzten acht Spielen lediglich eines für sich
entscheiden, Genoa verlor gar fünfmal in Folge
- befinden, elektrisiert das Duell natürlich die
Stadt und mit einem Sieg wäre plötzlich die
Krise wieder vergessen. Dementsprechend
motiviert ging es los: Über die Gegengerade
wurden Überziehfahnen gespannt. Damit ich
jetzt was sehen konnte, musste ich meinen
Platz Höhe Mittellinie verlassen und mich an
den Rand der Geraden stellen. Von hier sah ich
im Unterrang das verzweifelte Versuchen, die
äußere Überziehfahne wieder akkurat
anzurichten, wurde diese scheinbar zu weit
nach unten gelassen und hing nun halb auf
dem Boden. Nun denn…
Auf der Gradinata Nord – traditionell Standort
der Grifoni – wurde ein Fahnenmeer (wozu im
Vorfeld schon aufgerufen wurde) und
vereinzelte Pyrotechnik geboten, auf der Sud
verkündeten die heutigen Gäste per großem
Banner, dass sie die Armata Blucerchiata (wie
übersetzt man das am sinnvollsten?
Blaugestreifte?) wären. Dazu wurden hunderte
Fahnen im bekannten Streifenmuster
geschwenkt. Sicherlich nicht die
spektakulärste Show, die die Tribünen hier
jemals präsentieren durften, ging so weit aber
schon klar. Nachdem man von der
Gegengeraden aber auch wieder freie Sicht
hatte und ich langsam aber sicher den für mich
vorgesehen Sitz einnehmen wollte, unterbrach
ein Bengalohagel Genoas auf den Rasen nach
nicht einmal zwei gespielten Minuten die
Partie. Begleitet wurde dies zwar von
gelegentlichen Pfiffen, nichts desto trotz eine
herrliche Oldschoolaktion und so lange nicht
mehr gesehen in Italien – Daumen hoch.
Relativ schnell war der Platz wieder geräumt
und ein ziemlich intensives Spiel konnte
beginnen, neben den 22 Spielern auf dem
Rasen hatte man auch das Gefühl, das die über
30.000 Zuschauer auf den Rängen ebenso aktiv
teilnehmen wollten. Krasse Emotionalität,
noch krassere Lautstärke. Gesänge kamen
eigentlich kaum auf, die wurden einfach
niedergeschrien, was mich jetzt aber auch
nicht großartig störte. Erst nachdem
Sampdoria gegen Mitte der ersten Hälfte mit
2:0 in Führung gehen konnte, lief das alles
etwas koordinierter ab. Und wie! Gemessen an
den Faktoren Lautstärke, Mitmachqute,
Emotionalität und Melodiösität (gibt’s das
Wort? Autokorrektur kennt es schon mal
nicht…) geht das eigentlich nicht besser – auch
wenn ich eigentlich kein Freund von so
Bewertungskategorien bin und eher das
Gesamtbild auf mich wirken lasse. Getoppt
wurde das Ganze aber noch von einem
gewissen Herrn Emiliano Viviano, seines
Zeichens Spieler Sampdorias mit der Nummer
Zwei und damit wie unschwer zu erkennen ist
Torwart. Ich weiß nicht, wie ich dessen
Gefühlsexplosionen nach den jeweiligen Toren
nennen, geschweige denn beschreiben soll. Mir
fällt kein angemessener Vergleich ein, das sah
aus wie ein Ganzkörperorgasmus und hörte
sich auch so – ja, man hatte tatsächlich das
Gefühl, dass man ihn trotz der schieren
Lautstärke des Publikums noch schreien hören
konnte.
In der von unserem unsäglichen
Dummgeschwätz begleiteten Halbzeitpause
wechselte UTC das Transparent am Oberrang
und grüßte dort von nun an in französischer
Sprache Christine, ein kürlich verstorbenes
Mitglied des Commando Ultra Marseille
(„Christine, Du bist nicht gegangen, weil Du
immer in den Herzen der Ultras sein wirst“).
Beim folgenden Heimspiel OMs legten sogar
die Spieler Blumen für sie nieder. So viel dazu,
aber jetzt wieder rein ins Spiel:
Zweite Halbzeit – gleiches Spiel. Keine fünf
Minuten gespielt, da netzt Soriano zum dritten
Mal für seine Farben ein, was den Zeiger auf
der Dezibelskala nochmal etwas höher steigen
ließ. Auf der Gegenseite hatte man jetzt
anscheinend keinen Bock mehr und unterbrach
das Spiel ein zweites Mal per Bengaloweitwurf.
Als Herr Viviano (ihr erinnert euch?) eine Fackel
vom Boden aufhob, hatte ich schon die
Hoffnung, dass er mit ihr jetzt schwingend
über den Platz läuft, leider räumte er jedoch
nur sein Hoheitsgebiet frei.
So, und war‘s bis jetzt schon richtig geil, ging
es plötzlich richtig rund. Mit dem 1:3 kehrten
die Greifen sowohl auf dem Rasen, als auch auf
den Rängen zurück, mit dem kurz darauf
folgenden 2:3 gab es kein Halten mehr.
Momente für die Ewigkeit: Wenn der 75jährige
Opi auf der Tribüne einmal komplett von links
nach rechts läuft und dabei jede Sitzreihe wild
gestikulierend zum Singen anfeuert; wenn das
kleine Mädchen hinter dir bei jedem Pass lauter
schreit als die über das gesamte Spiel hinweg
detonierenden Atombomben Sampdorias;
wenn der Boden vor der ersten Sitzreihe dazu
missbraucht wird, ständig in einer Mischung
aus Verzweiflung, Hoffnung und Beten auf die
Knie zu fallen, dann bist du dir in diesem
Moment sicher, dass es jetzt selbst in Rihannas
Arsch nicht geiler sein könnte. Nicht
auszudenken, was hier passiert wäre, hätte
Genoa tatsächlich noch ausgeglichen – die
Chance dazu war mehr als gegeben. So durften
wir aber einen sehr sehr emotionalen
Siegesjubel, gefolgt von einer recht langen
Feier von Spielern und Fans, begutachten.
Trotzdem mussten wir dann doch recht zügig
den Ort des Geschehens verlassen, wir hatten
ja noch einen nicht allzu kurzen Heimweg vor
uns. Auf dem Weg nach draußen ordnete ich
das Gesehene in einer ersten Spontananalyse
und sicherlich noch vom Flash befallen als
mindestens top ten ein, wenn nicht sogar noch
besser. Aber selbst mit etwas Abstand hat es
nicht viele Plätze auf der persönlichen
Rangliste verloren.
Der Rückweg verlief ähnlich des Hinweges. Bis
Milano Centrale fungierte ich als Lenker, dort
übernahm Ede das frisch beladene Mobil.
Neben Iftika saß jetzt noch irgend so ein Pöbler
aus Basel auf der Rückbank. Keine Ahnung,
was der uns erzählen wollte, ich war auf jeden
Fall froh, als er das einzig Vernünftige machte
und relativ bald – wie ich auch – die Augen
schloss. Bis Basel lief es gut – mittlerweile saß
ich auch schon wieder auf dem Fahrersessel –
ab hier wurde aber Iftika quickfidel. Alter! Es ist
mittlerweile sechs Uhr morgens, du willst nur
deine Ruhe haben und dann sitzt der da hinten
und telefoniert von Basel bis Heidelberg ohne
Pause. Nicht mal die Hoffnung, dass sein Akku
abkackt, erfüllte sich. Frag mich nur, wen der
an der Strippe hatte, gesagt haben konnte sein
Gesprächspartner auf jeden Fall nichts, es sei
denn Iftika ist multitaskingfähig und kann beim
Telefonieren reden und zuhören gleichzeitig.
Trotz allem war er ein ganz lustiger Kauz, froh
war ich trotzdem, als wir ihn am Francoforte
Centrale (sprich „Meynbannhff“, da musste
auch erstmal drauf kommen, was er meinte ;-) )
entledigen konnten. So, und jetzt war der
Punkt erreicht, an dem ich gemerkt hab, dass
im Jahr 2016 die Uhren wohl anders ticken:
Obwohl es noch eine einstellige Uhrzeit war,
opferte ich ein paar Überstunden und gab
meinem Bett den Vorzug – der Körper wird’s
mir vielleicht danken. Geiler und lohnenswerter
Ausflug! (Ö)
W
U.S. Latina – Novara Calcio 1:0
2.418 Zuschauer (150 Gäste)
2. Liga Italien, Sa. 16.01.2016
ie so oft war mal wieder alles ganz
anders geplant ;-)
Nachdem mir ja bekanntermaßen im
November der Einlass in Andria verweigert
wurde, musste ich für schnellstmöglichen
Ersatz sorgen. Also schnell mal ganz grob
geguckt, was es so für potentielle Termine
geben könnte, und zack – schon sprang das o.g
Wochenende förmlich ins Auge. Neben Andria
vs. Lecce standen beispielsweise auch noch die
Knaller Avellino vs. Salerno oder Samb vs.
Campobasso auf den Spielansetzungsplakaten
der diversen Ligen. Ryanair haute im Sale für
exakt dieses WE Flüge für zehn Euro von Köln
nach Rom raus, da gab es keine Ausreden mehr
und ich buchte einfach mal auf gut Glück, der
Rest wird sich schon ergeben. Bis zu diesem
komischen Black Friday dachte ich auch, dass
ich nen Riesenschnapp gemacht hätte. Aber
nope, auf einmal kosten die Flüge nur noch
zwei Euro das Stück, was MJ dazu bewegt hat,
mich spontan zu begleiten und für denselben
Zeitraum Rom vom Hahn aus anzusteuern.
Soweit das Vorgeplänkel, in der Woche vor
Abflug wurde dann wieder alles
gezwungenermaßen über den Haufen
geschmissen: Das als Hauptgrund der Reise
anvisierte Derby in Avellino war ausverkauft
(ich hatte irgendwie nicht auf dem Schirm,
dass Zwei-Drittel des Stadion gesperrt sind und
mich deswegen nicht anderweitig um Karten
gekümmert) und MJ stellte beim Einchecken
fest, dass sein Hinflug erst samstags gehen
sollte, dafür aber auch erst dienstags wieder
zurück. Hier bist du nur mit Amateuren
unterwegs, nicht mal das richtige Datum
können die beim Buchen lesen :-p
Nun denn, als der Freitag schon wieder
Samstag war, schlug ich auch endlich in Roma
auf. Noch schnell zwei 0,66er Peroni inhaliert,
und schon schlief ich wieder ganz herrlich,
bevor am folgenden Morgen die Pflicht
beginnen sollte – wie auch immer diese
aussehen mochte, so ganz schlau war ich
immer noch nicht. Die ursprünglich
angedachte Alternative sah ja das
Samstagabendspiel von Juve Stabia vor, das
wurde aber kurzerhand auf mittags verlegt. Ihr
merkt, es lief ;-)
Herzlichen Glückwunsch, damit hab ich schon
wieder eine halbe Seite zu irgendeiner Planung
oder auch nicht Planung oder was auch immer
geschrieben, und ihr denkt bestimmt, ich soll
langsam mal zum Punkt kommen, rightyright?
Also mal rein ins Geschehen. Der Tag fing
schon wieder ganz prima mit einer
Verarschung beim Frühstück an, trotzdem
brachte mich der Regionalzug für faire vier
Euro gesättigt, aber mit Magenproblemen, in
knapp 40 Minuten nach Latina. Hier gebührt
dem Logistikminister ein Dankeschön, der den
Bahnhof mal eben neun Kilometer außerhalb
des Stadtzentrums stellen ließ. Wenigstens
verkehrten für Touristen kostenneutrale
Shuttlebusse zu eben diesem. Dort
angekommen, hatte ich noch reichlich Zeit bis
zum Anpfiff der ersten Partie des
Wochenendes. Aber was macht man mit dieser
in einer Stadt wie Latina? Wer es nicht weiß,
Latina ist eine Planstadt, die erst unter
Mussolini ab 1932 erbaut wurde. Es ist klar,
dass man dann keine historischen Bauten
erwarten kann, aber selbst die „Freunde“
faschistischer Prunkarchitektur kommen nicht
auf ihre Kosten. So wirklich gibt es hier nichts,
und so verwunderte es mich auch nicht, dass
ich bei meinem 20minütigen Spaziergang
viermal am selben Platz raus kam, ehe ich das
einzig Vernünftige anstellte und mich erstmal
mit sehr leckerer Pasta und gezapftem Birra
vor dem einsetzenden Regen schützte und
dem geschundenen Magen etwas Essbares
einverleibte. So ließ sich die Zeit bis
Spielbeginn gut überbrücken. Da das Stadion
recht zentral gelegen ist und ich auch schon die
Karten für MJ – der mich hier mit einer
Mietkarosse abholen wollte – und mich in der
Tasche hatte, gab es auch keinen Grund, mich
zu stressen. Entsprechend gechillt nahm ich
dann auch irgendeinen Platz auf der
Gegentribüne ein und harrte der Dinge, die da
auf mich zukommen sollten. Das waren in
erster Linie vielleicht 200 Gestalten in der
heimischen Curva Nord und gute 150 im sich
nach und nach füllenden Gästebereich.
Hingegen sollte es noch etwas dauern, bis MJ
endlich auftauchte, hatte dessen Flug doch
reichlich Verspätung. Jaja, Ryanair – over 90%
of your flights arrive on time und so. War aber
vielleicht ganz gut so, so kam er wenigstens
überhaupt mit. Es kamen ja zwischenzeitlich
absolut ungeheure und gerade für diesen
Genossen unglaubliche Gerüchte aus der
Heimat auf, dass er aufgrund erhöhten
Alkoholkonsums des Abends vorher beinahe
verschlafen hätte. Verschlafen ist dann auch
gleich das Stichwort zum Spiel: Das hätte ich
auch ganz gerne mit der ersten Hälfte
gemacht. Es war kalt, das spielerische Niveau
nicht gerade auf herausragendem Level und
die Stimmung plätscherte irgendwie so vor sich
hin. Alles irgendwie nicht schlecht, aber auch
weit davon entfernt, befriedigend zu sein, also
quasi wie wichsen mit links. Bier gab’s auch
nicht, der Borghetti hieß hier Caffè, war warm
und hatte keinen Alkohol und als einzige
Nahrung gab es abgepackte Croissants.
Wenigstens hatte ich Lust auf was Süßes, das
passte. In der zweiten Halbzeit wechselte ich
dann mal den Platz und so ganz langsam und
unmerklich wurde alles etwas besser. Die so
sehr vermisste Emotionalität kehrte ein, das
Tribünenpublikum ließ endlich den Italiener
raushängen, die Kurve sang sich (und damit
auch mich) richtig warm und auf dem Spielfeld
wurde um jeden Zentimeter gefightet. Das sah
doch eher nach meinem Gusto aus. Auch wenn
ich mir heute wenigstens eine faire Aktion
gewünscht hätte. Seit just diesem Spieltag gibt
es nämlich eine Neuerung in der Serie B: Die
grüne Karte. Was in der Fantasieliga meines
Bruders und mir früher noch als Auswuchs
kindlicher Naivität abgekanzelt wurde, ist hier
jetzt tatsächlich Realität. Der Unparteiische
darf diese Karte ganz wirklich ohne Scheiß in
echt zücken, wenn ein Spieler eine besonders
faire Aktion bringt, z.B. einen Pfiff des Schiris
zu seinem Nachteil korrigiert. Zu gerne hätte
ich das gesehen, leider kam es nicht dazu,
vorausgesetzt, ich hab es nicht zwischen der
60. und 70. Minute verpasst, als sich MJ
ankündigte und ich ihm seine Karte geben und
den Ordnern die Situation erklären musste,
wieso da jetzt noch einer ins Stadion möchte.
Knappes „Hallo“, wieder rein in die Bude und
nach nicht mal zwei Minuten Anwesenheit
meint mein neuer Reisepartner zu mir: „Ich
kann verstehen, warum Du das alles machst“.
Ich auch ;-)
Zweite Hälfte war aber auch wirklich gut, vor
allem Curva Nord drehte trotz ihrer geringen
Anzahl an Leuten richtig gut am Rad, da
musste ich schon das ein oder andere Mal
anerkennend hingucken. Der Jubel von allen
Zuschauern nach dem mit Mann und Maus
verteidigten Sieg – nicht einmal die gefühlt
zehnminütige Nachspielzeit konnte daran
etwas ändern – war auch nicht von schlechten
Eltern, so dass ich dann doch recht befriedigt
den Ort des Geschehens verließ. Zwar kein
Überfick, aber auf jeden Fall mit rechts
gewichst.
Gemütlichen Gasfußes hieß es jetzt für uns
Napoli zu erreichen. Das erste Mal meine
Augen reiben musste ich allerdings bereits
beim Anblick unseres fahrbaren Untersatzes
für die nächsten beiden Tage. So ein Upgrade
ist ja im Prinzip ne super Sache, aber mit einem
Kombi durch Süditalien und speziell Napoli zu
fahren ist vielleicht auch das Gegenteil von
vorteilhaft. Allerdings hätte sich das eh
beinahe erledigt, da wir eine halbe Stunde
nach Abfahrt immer noch durch Latina
gurkten. Das ist aber auch tricky, wenn einen
das erste Schild in Richtung Napoli schickt und
man an der nächsten Kreuzung wieder genau
in die Richtung fahren soll, aus der man gerade
gekommen ist. Das ganze erinnerte etwas an
Schnitzeljagd auf dem Kindergeburtstag, doch
trotz der ganzen Verwirrungspfeile und dem
erwarteten Verkehrschaos in Napoli (wobei
Zweiteres humaner als befürchtet war) hätten
wir noch mit reichlich Puffer (40 Minuten) zum
Anpfiff in unserer kostenfreien Hotelgarage
einparken können. Aufgrund des Konjunktives
wird man erahnen, dass auch das wieder mal
nicht ganz wie geplant klappte, fuhren wir
doch exakt eine Einfahrt zu weit und standen
plötzlich in einer zahlungspflichtigen
Tiefgarage. Die 15€ hätte man auch besser
investieren können, für die Diskusionen mit
dem hier eingesetzten Personal fehlt der Platz
auf diesen Seiten ;-)
Also ganz schnell eingecheckt und während MJ
nochmals sicherheitshalber seinen Darmtrakt
entleerte, machte ich mich mal auf die Suche
nach Tickets. In einem Wettshop 200m vorm
Stadion wurde ich auch fündig und im
Austausch gegen 50€ erhielt ich zwei
Zugangsberechtigungen ausgehändigt. Nach
der Reunion mit MJ und dem Fast-exen je
zweier Büchsen Moretti passierten wir auch
noch rechtzeitig die Drehkreuze, nicht mal das
rote Leuchten der Lampe konnte uns davon
abhalten.
SSC Napoli – Sassuolo Calcio 3:1
40.000 Zuschauer (150 Gäste)
1. Liga Italien, Sa. 16.01.2016
Auch wenn unsere Plätze eigentlich im
Unterrang waren, stolperten wir auf direktem
Wege die Treppen nach oben und am Rande
der Curva B fanden wir auch noch ein
lauschiges Plätzchen für uns. Mein zweiter
Besuch hier, und wieder war ich von der ersten
Sekunde an geflasht. MJ ließ auch den
Nostalgiker raushängen und schwadronierte
etwas von Stadionromantik und wie geil das
alles ist und überhaupt. Und ehe wir richtig
Platz genommen hatten, lag der sinnlose
Gastverein schon in Front. Der Schiri meinte
ein Handspiel im Strafraum erkannt zu haben,
Gästestürmer Falcinelli verwandelte so
eindeutig, dass selbst der Torlinienrichter keine
Chance hatte, den Treffer wegzudiskutieren.
Jaja, diese Torlinienrichter, für was braucht
man die überhaupt? Für mich sind die quasi so
etwas wie der Wer-wird-Millionär-
Publikumsjoker des Fußballs. Die werden
eigentlich nie gebraucht, aber wenn man sie
um ihre Meinung fragt, versagen sie auf ganzer
Linie. Oder kann sich einer von euch daran
erinnern, dass einer dieser beiden Spezies
jemals voller Inbrunst die richtige Antwort bzw.
Entscheidung parat hatte? Also in dem Sinne,
dass die Antwort dann auch gestimmt hat. Ich
nicht…
Tut aber für den heutigen Abend auch nix zur
Sache. Viel wichtiger war, was sich so im
Stadio San Paolo abspielte. Und das war
einiges. Nach dem Führungstreffer trauten sich
die Gästefans auch mal zwei, drei Stufen in den
Gästeblock rein, ansonsten standen sie in
sicherer Entfernung direkt vor den Fluchttoren.
Das war dann auch das einzige, was man von
ihnen vernehmen konnte, da von nun an nur
noch Napoli herrschen sollte. Während bei MJ
und mir das Bier und der Borghetti nur so floss
– beeindruckend hierbei die einheitlichen
Preise. Es gab keine zwei Runden, für die wir
dasselbe bezahlt hatten – wurde Napoli auf
Platz und Rängen immer stärker. Aufgrund
unseres Aufenthaltortes fand ich Curva B etwas
stärker als Curva A (diese mit Unterstützung
Dortmunds), auch Megaphon und mindestens
eine Trommel waren im Einsatz. Teilweise
wurde eine ohrenbetäubende Lautstärke
erzielt, zwar eher brachial und nicht so
melodisch wie sonst in Süditalien, aber dafür
ist Napoli auch bekannt. Rein von der
Bewegung betrachtet sah Curva A jetzt aber
auch nicht viel schlechter aus. Mit
fortlaufender Spieldauer ebbte die Stimmung
zwar antiproportional zu unserem
Promillepegel und den geführten Diskussionen
ab, aber gerade als wir das offensichtliche
aussprechen wollten, entwickelte sich einer
dieser ganz seltenen magischen Momente.
Curva B stimmt den derzeitigen italienischen
Kurvengassenhauer „un giorno all’improvviso“
an, und das ganze Rund steigt ein.
Minutenlang wurde es intoniert, MJ fielen
Augen, Ohren und wohl auch Gehirn so sehr
aus dem Kopf, dass er beim Video drehen den
Auslöser nicht drückte, ich stand derweil auf
meiner Sitzschale, den Blick gen Himmel
gerichtet und grölte mit argentinischen
Handbewegungen den Text mit – soweit ich
ihn konnte. Man könnte meinen, wir hätten sie
nicht mehr alle. Da sind wir bei einem Spiel
zweier Vereine, die uns eigentlich völlig egal
sein könnten, und gehen ab als wäre die
Eintracht gerade in den Europacup
eingezogen. Und als dann mit Schlusspfiff
Gonzalo Higuain (Anm. von mir selbst: An
dieser Stelle möchte ich mal betonen, wie sehr
es mir auf den Sack geht, wenn irgendwelche
Stadionsprecher dreimal den Namen des
Torschützen rufen. Aber wenn man so
ausrastet wie der neapolitanische und wenn
man merkt, dass er es ernst meint und keine
Show macht, dann darf er gerne auch – wie er
es macht- gefühlte siebenmal rufen) mit seiner
zweiten Bude für den Endstand sorgte, gab es
erst recht kein Halten mehr. Jetzt sang und
hüpfte auch noch die Mannschaft mit, im
Stadion wurde gut gezündelt und MJ und ich
waren uns in Anbetracht des Gesehen einig:
Die MÜSSEN Meister werden. Punkt. Damit ist
auch alles gesagt, die letzten Minuten waren
auf jeden Fall top fünf ever bisher.
Die 500 Meter zurück zur Nachtbleibe nahmen
dann gute 30 Minuten in Anspruch. Der
Schönschwätzer würde behaupten, wir haben
noch etwas Atmosphäre aufgesaugt, der
Realist hingegen, dass wir uns in unserem
leicht nebulösen Zustand hoffnungslos
verlaufen hatten. Aber wie von Gottes Hand (in
Napoli würde man eher von der Hand Gottes
sprechen – welch gelungenes Wortspiel
meinerseits) geleitet, fanden wir doch
irgendwann die richtige Eingangstür, die wir
mittlerweile auch in halbwegs annehmbarer
Zeit öffnen konnten. Nach einer Katzenwäsche
verbrachten wir die halbe Nacht in diverrsen
Cafes ums Eck. Und während der einheimische
Mafianachwuchs sich an seinem Espresso
festhielt, diskutierten wir uns bei Birra, Cuba
Libre und gefüllten (?) Teigtaschen durch
unsere persönlichen Lebensgeschichten. Nicer
Abend, auch wenn ich eine gute Stunde mit
mir alleine diskutieren musste, da sich MJ wohl
beim Kippenkauf wieder im Viertel verirrte.
Zwischenzeitlich dachte ich, er hätte ein
heimliches Tindermatch, aber tatsächlich
tauchte er mit einer unangebrochenen
Packung Marlboro auf. Oder hast du mir
vielleicht etwas verschwiegen? ;-)
Der Sonntag startete auch gleich wieder mit
einem gefühlten Arschtritt. Da haben wir doch
tatsächlich beim Auschecken festgestellt, dass
wir noch über eine Stunde hätten schlafen
können. Und was hätte die so gut getan. Aber
jetzt waren wir wach (oder sowas ähnliches),
dann machen wir auch das Beste draus.
Irgendwelche angedachten Kicks in der
Eccellenza oder tiefer wurden ob des
traumhaften Wetters und einem in Einklang
damit angesetztem mehrstündigen
Spaziergang durch Napoli ad acta gelegt.
Teilweise hatte man das Gefühl, ganz
Kampanien würde sich an der
Hafenpromenade oder in den Altstadtgassen
sammeln – wobei schon manchmal die Frage
aufkam, warum die kleinen Mädchen hier in
Prinzessinnenkleidchen und extrem
geschminkt rumliefen? Aber abgesehen davon
machte das schon Spaß, und auch die
neapolitanische Küche machte ihrem weit
vorrauseilenden guten Ruf alle Ehre. Man darf
halt nicht den Fehler machen und in die erste
Pizzeria rennen, sondern auch mal in den
Seitengassen nach einer urigen Cucina
schauen. Da isst man dann auch die
Antipastiplatte und Meeresfrüchte für den
kleinen Geldbeutel, dafür aber für den großen
Geschmack. Und während im TV der gute alte
Calcio übertragen wird, sitzt am Tisch neben
dir auch mal eben der Boss der Camorra –
zumindest, wenn man seine Optik mit den
glorifizierenden Bildern eines Vito Corleone
vergleicht. Dass er und sein junge,
kurzberockte Begleitung ständig neue
Köstlichkeiten serviert bekamen, die nicht auf
der Karte standen, passte da nur ins
manifestierte Bild.
Stundenlang hätten wir noch flanieren können,
aber einen Termin hatten wir ja im 40
Kilometer vor Napoli liegenden Caserta. Vorbei
am Palazzo reale, dem bourbonischen
Königspalast mitten in Caserta (UNESCO
Welterbe und eines der größten Schlösser der
Welt – Besichtigung steht beim nächsten
Kampanientrip auf der Agenda), erreichten wir
mal wieder just in time das kommunale
Stadion Alberto Pinto. Zum Glück hatte hier
ein Kassenfenster offen, womit wir nach guten
20 Minuten Anstehens in der eigentlich gar
nicht mal so langen Schlange – ein Hoch auf
die italienische Bürokratie – unsere Tickets in
den Händen hielten.
Casertana FC – U.S. Catanzaro 2:2
3.500 Zuschauer (200 Gäste)
3. Liga Italien, So. 17.01.2016
Hauptkriterium beim Kartenkauf war ja der
Ticketpreis. Es ist ja bewusst, dass der
Heimpöbel aufgrund Sperrung der Kurve
derzeit auf der Längsseite steht, da der
Eingang zur Distinti aber auf der
gegenüberliegenden Seite des
Stimmungsmobs lag, machte ich mir keine
großartigen Gedanken, als ich für eben diese
Karten orderte. Es konnte ja keiner ahnen, dass
wir nach Durchschreiten des Eingangstores
noch eine halbe Runde im Ground drehen
mussten, bevor wir dann wirklich auf der
falschen Seite standen. Unterwegs hierhin
passierten wir auch die gesperrte Kurve, deren
aktueller Zustand auch gleich die Antwort
lieferte, wieso man nicht mehr auf ihr stehen
darf. Auch der Rest des Stadions war in einem
nicht ganz so erquickenden Zustand, die
Toilette (die Nutzung des Singulars ist
beabsichtigt) überflutet und den
Getränkeverkauf konnte man nur daran
erkennen, dass Leute vor dem Loch in der
Wand standen. Irgendwie schon wieder
herrlich sympathisch, obwohl mir der Rest des
Stadions nicht sonderlich zusagte.
Rund um Casertana herrscht gerade eine
ziemliche Euphorie, immerhin ist man nach der
Hinrunde Tabellenführer – der Italiener spricht
hierbei vom „Wintermeister“ – was bei
Beibehaltung dieser Position die erste
Teilnahme an der Serie B seit 25 Jahren (und
erst die dritte überhaupt) bedeuten würde.
Deshalb war die Begegnungsstätte auch für
ihre Verhältnisse recht gut besucht. Mittig auf
der Distinti haben es sich die Fedayn Bronx
1981 bequem gemacht und unter schönen
Trommelrhythmen und begleitet vom
ständigen Aufloderns diverser
Feuerwerkskörper wurde auch recht
annehmbar supportet. Es mangelte zwar etwas
an Lautstärke, dafür gingen die Melodien
richtig gut rein. Ich will aber auch nicht
abstreiten, dass die Lautstärke aufgrund
unseren Platzes nicht so toll war, von
gegenüber hätte es sicher besser geklungen –
und auch besser ausgesehen, immerhin hängt
hier mit der Fedayn Bronx Fahne die meiner
Meinung nach schönste Zaunfahne Italiens im
Moment. Blöd ist halt, wenn zentral über diese
ein großes Banner der Ultraszene Mainz
platziert wird. Das ist dann schon weniger geil
(sorry liebe Mainzer Leserschaft ;-) )
Aus dem südlichen Kampanien hatten sich
gute 100 Gäste rund um UC74 auf den Weg
gemacht und den Zaun schön beflaggt, auch
wenn diesen bescheinigt wurde, dass es in
Kampanien ja nur Cosenza gäbe. Davon ließen
sie sich aber nicht beirren und klatschten recht
fröhlich ihre Lieder vor sich hin, gehört haben
wir sie jedenfalls nicht. Der Jubel zum
zwischenzeitlichen 1:0 war auf jeden Fall
alleine schon das Eintrittsgeld wert. Bis dahin
war vom Spitzenreiter nicht viel zu sehen, mit
Fußball hatte das alles nicht viel zu tun und
auch wir froren mehr als dass wir uns hierfür
begeistern konnten. Nach dem Seitenwechsel
meinte ich nach der x-ten vergebenen
Großchance Casertanas schon zu MJ, dass hier
kein Tor mehr fallen würde, und prompt führt
der Favorit mit 2:1. Und jetzt war es auch
richtig geil hier. Die komplette Distinti rastet
aus und singt wunderschöne Melodien, immer
wieder blinkt es, die Haupttribüne pöbelt in
Richtung settore ospiti, welcher jedoch in
letzter Minute nach dem Ausgleichtreffer die
Retourkutsche präsentierte. Hatte ich gesagt,
der Jubel beim ersten Tor wäre schon das
Eintrittsgeld wert gewesen, dann war der beim
Ausgleich das ganze Wochenende wert. Damit
verabschiedeten wir uns aber auch vom Ort des
Geschehens und während ich auf dem
Beifahrersitz mal wieder meine Äuglein
schonte, kutschierte uns MJ zielsicher nach
Roma. Die Abgabe des Wagens fiel aufgrund
Nicht-Anwesenheit des Hertzjüngers ins
Wasser, dafür drehten wir eben drei
Sightseeingrunden vorbei am beleuchteten
Kolosseum, Santa Maria di Maggiore und den
Bauwerken rund um die Via Ostiense, ehe wir
einen kostenfreien Parkplatz direkt vor der Tür
unseres Hostels fanden. Auf den Stress der
Irrfahrt und der verlängerten Miete des Autos
(die aber wenigstens nichts extra kostete –
wäre ja noch schöner gewesen) gönnten wir
uns in der gegenüberliegenden Bier noch
diverse Pitcher Bier und noch mehr Cuba Libre,
so dass ich mit Hinblick auf meinen
frühmorgendlichen Heimflug doch recht froh,
dass mich MJ um zwei in die Heia entließ. Hier
noch kurz mit unserem argentinischen
Zimmerkollegen über die Fußballvereine
Buenos Aires‘ geplappert, blieben mir noch
etwas mehr als zwei Stunden, bevor mich der
Wecker aus meinem so wohligen Schlaf riss.
Ein kurzer Blick nach links bestätigte mir, dass
MJ in der Zwischenzeit auch im Bett
angekommen war (alleine!!), für eine große
Verabschiedungszeremonie blieb hingegen
keine Zeit mehr. Nachdem sich dann alles
etwas verzögert hatte, schlug ich um die
Mittagszeit zwar gerädert, aber doch glücklich
wieder auf der Maloche auf – nach Genua
konnte ich nicht schon wieder Urlaub
verschwenden ;-)
Zwar lief fußballerisch alles anders als geplant,
trotzdem war es mal wieder ein Heidenspaß
und ich habe auch trotz der phänomenalen
Bilder und Videos, die ich dann aus Avellino,
Pescara oder San Benedetto (quasi den
ursprünglich angedachten Kicks) erblickte,
nicht das Gefühl, großartig etwas verpasst zu
haben. (Ö)
Borussia Mönchengladbach II – Alemannia
Aachen 2:2
1.884 Zuschauer (1.500 Gäste)
Regionalliga, Fr. 29.01.2016
H
abe ich in Ausgabe 1 noch großspurig
verkündet, dass gefühlt alle Wege nach
Augsburg führen, muss ich diese Aussage
bereits jetzt schon wieder revidieren.
Allerdings hat sich zeitgleich zu unserem
Auswärtsspiel bei diesem bayrischschwäbischen
(whatever) Verkehrsknotenpunkt
eine Horde Nazis (!) zum
Fackelmarsch (!!) am 30. Januar (!!!) durch
unser beschauliches Büdingen angekündigt.
No way. Das sind die Punkte, an denen man die
Eintracht auch mal Eintracht und den Fußball
mal Fußball sein lassen muss, um dagegen auf
die Straße zu gehen. Da dies aber eine eher
leichte Lektüre fernab der ganzen Scheiße, die
da in der weiten Welt abgeht, sein soll, reicht
das an Politik an dieser Stelle. So ganz ohne
passives Sportvergnügen wollte ich dann aber
das Wochenende doch nicht verstreichen
lassen, beim Wälzen der Spielansetzungen bot
sich jedoch nur die Partie von Gladbachs
Zweitvertretung an. Naja, immerhin
Tabellenführer, also potentieller
Drittligaground nächstes Jahr, und mit Aachen
jetzt nicht der unattraktivste Gegner, passt
schon. Also schnell mal die üblichen Kontakte
angedingst und dabei neben den erwarteten
Ausreden in Form von „War ich schon“, „Kein
Bock“, „Muss moie früh raus“, „Du hast sie net
alle“ oder einfach gar keiner Rückmeldung
auch zwei überraschende Zusagen von Nino
und Ede erhalten.
So durfte ich uns mal wieder in die Nähe der
holländischen Grenze kutschieren. Begleitet
wurde die Fahrt von sensationellem
Dummgelaber und Gesangseinlagen, die
Menderes nicht hätte schlechter darbieten
können. In solch epischen Momenten, in denen
die komplette Autobesatzung zu „I believe I
can fly“ romantisch von links nach rechts
schunkelt und dabei Töne raushaut, als wären
wir Slayer auf Valium – also das absolute
Paradoxon – wünschte man sich, die Fahrt
würde nie zu Ende gehen…oder aber man
merkt, dass man schon wieder viel zu lange im
Auto sitzt. Ergo parkten wir dann auch bald
mal und legten die restlichen Meter zum
Grenzlandstadion in Rheydt per pedes zurück.
Hervorragende Aktion des Fahrers, in die erste
frei Parklücke zu stoßen (nein, an dieser Stelle
kein sexueller Vergleich, das wäre zu billig),
während das Ziel des folgenden Fußmarsches
noch in einiger Entfernung ist. Selbstredend,
dass eben jener Marsch, den wir trotz
Dunkelheit auch ganz ohne Fackeln
zurücklegen konnten, von freien Parkflächen
nur so gesäumt war. Dafür konnten wir noch
einen Blick ins RSV Stadion des Rheydter SV
(Kreisklasse A) werfen, ein absolut
ansprechender 15.000er, in dem die erste
Fohlenelf 1978 sogar schon Bundesligafußball
zelebrieren durfte. Ungeklärt blieb nur die
anschließende Frage, wieso hier zwei nahezu
identische Stadien direkt nebeneinander
stehen, denn kaum hatten wir das RSV Stadion
passiert, befanden wir uns gegen eine Gebühr
von vier Euronen bereits im Grenzlandstadion.
Bewaffnet mit Pils und Bulette nahmen wir auf
den überdachten Holzbänken Platz.
Gegenüber füllte Aachen die komplette Kurve
aus, die Karlsbande betrat den zentralen
Bereich erst kurz vor Anpfiff und war gefühlt
bis zur Halbzeitpause mit der Ausrichtung des
Banners beschäftigt. Derweil gab es bisschen
Singsang, hinter der Yellow Connection Fahne
wurde fast durchgängig gehüpft, wegen der
Weitläufigkeit kam jetzt aber auch nicht so viel
bei uns an. Wobei ich auch gestehen muss,
dass unsere Aufmerksamkeit nicht ganz dem
Geschehen außerhalb unserer unmittelbaren
Nachbarschaft gewidmet war. Dass der
heimische, aber nicht heimliche, Favorit zum
aufgrund der Außentemperaturen
hochverdienten Pausentee mit 2:0 führte,
bekamen wir noch mit, ansonsten vertrieben
wir uns die Zeit eben mit dem, was man sonst
so traktiert. Diese verbale Diarrhö muss ich ja
nicht mehr erwähnen, wobei ich positiv
anmerken muss, dass wir den gemeinen
Haupttribünengänger wieder gut unterhalten
haben. Ansonsten widmeten wir uns der
Lieblingsbeschäftigung eines gesellschaftlich
inkompatiblen Fußballtouristen. Nein, nicht
der zwanghaften Selbstbefriedigung, sondern
dem Surfen auf mobilen Seiten diverser
Wettanbieter. Blöd nur, dass der Januar mit
Siebenmeilenschritten auf sein Ende
zusprintet, so dass Ninos monatliches Budget
schon seit knapp 28 Tagen aufgebraucht war
und wir somit keine großartigen Wetten
platzieren konnten. Trotzdem war die
Handball-EM Liveübertragung auf Bet365
interessanter als das fußballerische Geholze in
unserem Sichtfeld.
Aber nichts, und damit mein ich absolut nichts,
da hätteste die nackte Denise Richards aus
Wild Things hinlegen können, war so
interessant wie das Schauspiel zu unserer
Linken. Ein Haufen seltsamster Gestalten
versuchte einen auf Ultra zu machen. Das sind
wohl die Leute, die bei den großen Jungs nix
zu melden haben und jetzt bei der Zweiten
gegen einen Hassgegner den Dicken machen.
Kennt man ja…
Da steht dann der Blockälteste (geschätzt
Mitte bis Ende zwanzig) im Jogger und ACAB-
Hoodie und malträtiert die Trommel mit einem
nicht vorhandenem Taktgefühl, dass man
dagegen denken könnte, MJs Taktgefühl dem
weiblichen Geschlecht gegenüber wäre stark
ausgeprägt. Und im Gegensatz zum
„Trommler“ landet der letztgenannte Kollege
wenigstens regelmäßig einen Treffer ;-)
Weiter geht’s mit den typischen Klischees wie
kleiner Dicker mit Fisher Price Megaphon oder
Brillenträger, der aber zusätzlich noch eine
Sonnenbrille auf der Stirn platziert hat. Das
optische Erscheinungsbild könnte man fast
einheitlich als „scheiße“ titulieren, vom
Gesanglichen will ich gar nicht erst anfangen.
Dass man es nur „fast“ als einheitlich scheiße
bewerten kann, lag an einem Exemplar, das
alles nochmal toppte und aussah, als hätte er
sich direkt von den Graswällen Chrudims
hergebeamt. Chicago Bulls Mütze, grüne
Bomberjacke, rotkariertes Baumwollhemd, so
ne Art Leggins, Schuhe weiß ich gar nicht
mehr. Für diesen optischen Supergau durfte er
dann auch in der zweiten Halbzeit durchgängig
eine Fahne wedeln. Hör mir uff, was ein
Schauspiel. Kurzfristig hatten wir überlegt, ob
wir mal kurz in den Haufen rein gehen und
Hallo sagen, da aber Teile unsere Reisegruppe
als angebliche Gewalttäter Sport vorgemerkt
sind, ließen wir die Vernunft über den Spaß
gewinnen.
Gewonnen haben dürfte auch der
Schiedsrichter. Nachdem Aachen das Spiel
zum 2:2 gedreht hatte, sah es dieser vor, den
klarsten Elfmeter seit Andi Möller 1995 zu
verweigern. Jede Wette (wie passend in diesem
Kontext), dass da noch jemand mit der
Wettmafia geflirtet hatte.
Weiteres gibt es nicht zu berichten, so dass ich
euch für heute mit der Weisheit des Tages
entlasse: Köln ist so ein Dreckskaff. Wenn die
den Dom nicht hätten, wäre es auch nix
anderes als Hannover. (Ö)
Ede und die iberische Halbinsel
– Teil 2
S
o, das erste Semester wurde hinter sich
gelassen, die letzte Klausur gefühlsmäßig
eher schlecht als recht geschrieben und doch
riefen die Semesterferien zu einem kleinen
Fußballtrip auf die iberische Halbinsel. Mangels
Mitfahrerinteresse, was auch einem Balkantrip,
der eine Woche später geplant wurde,
geschuldet war, mal wieder nur zweit. Aber
gut, die Primera Division hat auch noch einige
weiße Flecken auf der Landkarte zu bieten.
Angereist wurde vom Hahn nach Lissabon, um
meinem einzigen Mitfahrer die portugiesische
Hauptstadt etwas näher zu bringen und am
Dienstag das Champions-League Spiel von
Benfica mitzunehmen. Der Hinflug war, für
mich eher untypisch mit Ryanair, nur leicht
verspätet, was einer zusätzlichen Enteisung vor
dem Start geschuldet war. Der Flug war dann
recht unspektakulär und wir betraten dann
gegen Mittag portugiesischen Boden.
Nachdem es mit der Metro in die Innenstadt
ging, wurde das Hostel gesucht, gefunden und
bezogen. Portugal ist zu dieser Jahreszeit sehr
günstig zu bereisen, so zahlten wir für ein super
Hostel inklusive Frühstück 10€ für jeden Tag
p.P. Nach einer ersten Nahrungsaufnahme
wurden einige Sehenswürdigkeiten
begutachtet. Ein Besuch am Estadio da Luz
wurde ebenso gemacht, um die reservierten
Karten abzuholen, als auch ein Fotobesuch im
Estadio Avalade. Etwas ausgehungert war am
Abend ein „All you can eat“-Restaurant unser
Ziel, so war der erste Tag und wir dann erstmal
erledigt.
SL Benfica – Zenit St. Petersburg 1:0
48.615 Zuschauer ( 500 Gäste)
CL Achtelfinale, Di. 16.02.2016
Matchday! Heute wurde uns zum Frühstück
erstmal Pancakes oder wahlweise French Toast
angeboten. Beides wusste geschmacklich und
von der Portion her zu überzeugen. Danach
schlossen wir uns einer Free Walking Tour an,
die am Rossio startete. Auch für mich, selbst
wenn ich das fünfte oder sechste Mal in
Lissabon war ein cooles Erlebnis und man
erfuhr wieder etwas mehr über die Stadt und
das Land. Der Kollege machte die Tour echt
gut und zeigte auch Ecken, wo man als Tourist
nicht unbedingt vorbeikommen würde. Zu der
Tour gehörte u.a. auch das probieren des
portugiesischen Nationalgetränks, ein
Kirschlikör aus einem Becherchen aus
Bitterschokolade – like „Mon Cherie“. Mittags
nach der Führung wurde Belem ein kurzer
Besuch abgestattet um die dortigen
Sehenswürdigkeiten – Sehfahrerdenkmal,
Torre de Belem und Mosteiros dos Jeronimos –
abzuhaken. Wieder in Lissabon-Stadt,
statteten wir dem bekannten „All you can eat“-
Restaurant noch einen Besuch ab, um danach
in Richtung Stadion aufzubrechen. Hier gab es
ein großes Gewusel von der Metrostation weg,
was sich dann aber etwas auflöste, sodass man
entspannt in Richtung Stadion laufen konnte.
Lediglich unsere Kartenbeschriftung sorgte
etwas für Verwirrung, sodass wir erstmal am
Hallen- statt am Stadioneingang vorstellig
wurden. War dann aber kein Problem, eine
halbe Stunde vor Anpfiff konnten wir unsere
Plätze einnehmen.
Das Spiel gab dann eher weniger her. Auffällig
war jedoch der etwas kräftigere
Außenverteidiger von Benfica, der sich warm
machte, als würde er irgendwo in der Kreisliga
Reserve kielen. Der Kollege wurde daraufhin
über die 90 Minuten etwas genauer
begutachtet und festgestellt, dass noch viel
Luft nach oben ist und er offensichtlich eine
der wenigen Benfica-Schwachstellen zu sein
scheint. Alle Augen waren bei dem Spiel aber
auf einen gewissen Renato Sanches gerichtet -
seines Zeichens 19jähriger Portugiese mit der
Rückennummer 85. Auf diesen jungen Herren
sind wohl, wie immer kolportiert, alle
europäischen Topvereine heiß. Herr Sanches
wusste aber wirklich zu gefallen und bot eine
sehr gute Leistung. Für sein Alter
bemerkenswert, welche Präsenz er hatte und
wie er die Bälle forderte und wieder verteilte.
Fazit: Der Junge wird seinen Weg machen.
Ansonsten war das Spiel aber eher von Ballhin+
und -hergeschiebe geprägt. In der
Nachspielzeit kam es zum einzigen geglückten
und sehenswerten Spielzug von Benfica-Seite
und dieser wurde dann fulminant vollendet.
Nach dem Treffer war das Stadion in völliger
Extase. Ich muss sagen, so einen Torjubel habe
ich in portugiesischen Gefilden selten erlebt.
Nach Abpfiff feierte sich Benfica dann noch
kurz selber und dann aber ab nach Hause. In
zwei Wochen in St. Petersburg weht aber
sicherlich ein anderer Wind. Wir fuhren mit der
Metro wieder Richtung Hostel um uns
abzulegen, da es am Morgen in Richtung
Spanien gehen sollte.
Ohne Frühstück ging es zum Aeropurto. Da wir
nach Valencia wollten, mussten wir von
Lissabon einen kleinen Umweg in Kauf
nehmen und verbrachten den gesamten
Mittwoch mit fliegen, Zug fahren und
gammeln. Aber wie bekannt, ist ja der Weg das
Ziel. Morgens von Lissabon mit Iberia nach
Madrid, wo wir schon mal zum Atocha fuhren.
Dort angekommen, versuchten wir unser
Gepäck abzugeben, was nur halb funktionierte,
da der Automat, an welchem man das
Schließfach im Vorhinein bezahlen musste, nur
einen Teil seines Jobs erledigte und dann,
nachdem er das Geld hatte, einfach mal auf
Fehler schaltete. Um das Geld
wiederzubekommen war dann etwas
Gestikulieren und Deuten von Nöten, bis der
Security-Kauz, der die Schließfächer
bewachte, mal einen Techniker oder so was
Ähnliches rief. Der interviewte uns dann auch
noch mal, was los war etc. und nach der
Odyssee mussten wir einen Wisch
unterschreiben, um das Geld
wiederzubekommen. Wir hatten ja eh nix
anderes zu tun. Nach dem Akt schauten wir
uns den größeren Park in der Nähe des Atocha
an, in welchem u.a. der sogenannte
Kristallpalast steht. Den Park hatte ich bereits
bei meinem letzten Madrid Aufenthalt
entdeckt, wollte diese Schönheit aber nicht
meinem Mitfahrer vorenthalten. Nach dem
kleinen Sightseeingprogramm versorgten wir
uns noch mit Ess- und Trinkbarem, um dann
die Zugfahrt nach Valencia anzutreten. Hier zu
erwähnen ist der Preis, für 55,-€ durch die
komplette iberische Halbinsel zu kommen,
halte ich für ein echtes Schnäppchen (Anm. d.
Korr.: geht so…). Von Madrid nach Valencia
nahmen wir dann keinen AVE (gleichzusetzen
mit dem deutschen ICE), sondern einen
Intercity, der natürlich länger fuhr, aber dafür
um Einiges weniger auf das Reisebudget
schlug. So kamen wir dann gegen 22 Uhr in
Valencia an.
Valencia weiß einfach durch seine bauliche
Gestaltung zu Gefallen. Mein Mitfahrer war
dementsprechend begeistert. Ist meiner
Meinung nach nicht mit Madrid oder Barcelona
zu vergleichen. Valencia kann einfach mehr,
wenn man die Größe etc. ins Verhältnis setzt.
Die Stadt war schon sichtbar gut besetzt mit
Rapidlern, die am Folgetag ihre Visitenkarte
beim FC Valencia abgeben wollten. Wir
stiefelten auf fast direktem Weg in Richtung
Hostel, checkten ein und waren froh, als wir
nach dem Reisetag alle Viere von uns strecken
konnten.
Der nächste Morgen begann für mich mit
Ausschlafen und einem schönen Frühstück.
Mein Mitfahrer wollte sich währenddessen
schon mal mit den Stadien in Valencia vertraut
machen. Nachdem wir uns gegen 11:00 Uhr
wieder zusammenfanden, liefen wir am
trockengelegten Flussbett entlang zu den
neueren Bauten von Valencia. Hier ist
stellvertretend die City of Arts and Science zu
nennen, wo auch das größte Aquarium
Europas zu finden ist. Sehr futuristisch
anmutend, auf jeden Fall ein Hingucker. Von
dort wollten wir zu Fuß in Richtung Strand, was
dann eine eher weniger prickelnde Idee war.
Wir verliefen uns ein wenig in einem sehr
großzügig angelegten, neueren und
moderneren Stadtteil. Dieser wurde dann aber,
wie in Spanien üblich, nicht wirklich
fertiggestellt. So gab es eine Brücke mit Tram-
Schienen, aber dann eben keine Anbindung
geschweige denn eine Haltestelle. Auch waren
in dem Stadtteil offensichtlich neuerrichtete
Gebäude im Eingangsbereich verrammelt und
verriegelt. Die freien Parkplätze und die nicht
vorhandene Masse an Leuten schienen die
offensichtliche Fehlplanung dieses Projektes zu
bestätigen. Nach einem Marsch von
geschätzten 2 km kamen wir dann zur
ehemaligen Stadtrennstrecke von Valencia.
Hier war noch ganz klar sichtbar, dass die
Formel 1 dort mal gastierte. Die Straßen waren
für die Rennboliden ausgelegt und geteert. Die
Verkehrsinseln und Begrenzungen waren
sichtbar nur für temporären Verbleib errichtet,
sodass man den Kurs mit relativ geringem
zeitlichem Aufwand startklar machen konnte.
Sichtbar waren dann noch die Zielgeraden,
Boxengasse und meist auch der Verlauf der
Strecke. An sich ein netter Streckenverlauf, der
das etwas heruntergekommene Viertel
wenigstens etwas aufgewertet hatte. Nach
einem weiteren Kilometer erreichten wir den
Sandstrand. Dieser wusste durch Länge, Breite
und die Flaniermeile mit vielen Restaurants zu
gefallen. Im Gegensatz zu Barcelona scheint
dieser Strand auch nicht künstlich angelegt zu
sein, wer Gegenteiliges weiß, bitte melden ;-)
Von dort fuhren wir mit der Tram bzw. Metro
in die Innenstadt, schauten uns diese noch
etwas genauer an und aßen zu Mittag - wie in
Valencia typisch natürlich eine Paella
valencianischer Art, was wohl so viel heißt, wie
„mit Hühnchen“. Nun hatte der Nachmittag
schon begonnen und wir machten uns auf zu
unserem heutigen Ziel, dem Europa League
Knaller Villareal CF – SSC Napoli. Also im
Bahnhof Hin- und Rückticket gelöst, was um
die 12 bis 14 € gekostet hat, hielt sich im
Rahmen. Man fuhr dann ca. eine Stunde mit
einer Art S-Bahn bis nach Vila-Real. Vom
Bahnhof dort läuft man einfach nur die Straße
gerade hoch, irgendwann der Masse nach,
nach links und schon ist man am El Madrigal
(Fußmarsch ca. 20 bis 30 Minuten, kommt halt
darauf an, welchen Schritt man so drauf hat
(Anm. der Korr: Also brauchtest Du eher 40
Minuten ;-)).
Villareal CF – SSC Napoli 1:0
17.686 Zuschauer ( 800 Gäste)
EL Sechzehntelfinale, Do. 18.02.2016
Da es für den Kick keine Karten online gab,
musste man die Kasse beehren, an denen wir
feststellen mussten, dass die Spanier, was
Kartenpreise angeht, immer noch den
Allerwertesten ganz weit offen haben. Kurzer
Dialog von der Kasse: “Hello, we need two
tickets. Cheapest.“ - “Sixty Euro!“ – „No
problem. Sixteen Euro.“ 16,- Euro werden
hingelegt. – “No. Sixty Euro“ – „Okay, but we
want the cheapest tickets. How much are the
other categories?” – “Oh. Seventy or one
hundred and ten!” – “Okay. Thank you for the
information. We take two tickets for sixty
Euro.” In diesem Sinne, Augen auf beim
Ticketkauf.
Auf der Hintertortribüne angekommen, wusste
der Allseater mit um die 20.000 Plätzen dann
aber schon zu gefallen. Nicht der typische
0815-Bau. Das Ding hat doch seinen eigenen
Charme, ob einem das gefällt oder nicht, ist
dann immer geschmacksabhängig. Mir hat es
gefallen, jede Tribüne hatte ihre Handschrift
und glich nicht der anderen, richtig schön
zusammengeschustert.
Na ja, dachte man sich, wenn hier der
Tabellenführer der Serie A gegen den vierten
der Primera Division kielt, wird das Spiel
wenigstens bisschen was hergeben und so
versuchte man, sich die 60,-€ schönzureden.
Außerdem war man auf den anwesenden
Napoli-Anhang gespannt. Zu unserer
Verwunderung war für die aufgerufenen
Ticketpreise der Besuch des Spiels doch sehr
gut. Enttäuschung machte sich dann breit, als
man feststellen musste, dass Napoli ohne
Higuain und Insigne auflaufen würde. Aber gut,
auf der Bank waren sie wenigstens. Nach
Anpfiff plätscherte das Spiel eher vor sich hin
und die erste Halbzeit verlief recht ereignislos.
Die Spanier fanden es geil, dass Pepe Reina das
Napoli-Tor hütete und die 20 Mann Fanblock-
Kapelle gab alles mit ihren vier Trommeln,
einer Perücke und allerhand Schnickschnack,
den man eher in einem Second Hand Laden
vermuten würde als in einem europäischen
Fanblock. Vielleicht war auch eine Art Karneval
im Fanblock ausgerufen worden. Egal, auf
jeden Fall war es peinlich. Zum Napoli-Block
gibt es leider nicht viel zu berichten. Es gab vor
dem Spiel wohl eine Festsetzung eines Teiles
der Gruppe oder sogar Festnahmen, sodass
sich die Tifosi dann auf das Fußball schauen
konzentrierten und nicht einmal stimmlich zu
vernehmen waren. Die am Anfang
angebrachten Banner wurden mit Beginn der
ersten Halbzeit ebenso entfernt. Wieder mal
eine Glanzleistung der spanischen
Ordnungsbehörden, die sich zeitgleich in
Valencia beim Rapid-Anhang auch noch beliebt
machten, als sie diverse Banner nicht zuließen.
Man sollte sich immer mal fragen, in welchem
Verhältnis solche Aktionen stehen. Aber
Spanien ist dahingehend ja leider bekannt.
Ab der 60. Minute wurden dann nach und nach
die etatmäßigen Offensivkräfte auf beiden
Seiten eingewechselt, was bei Villarreal den
Kongolesen Bakambu auf den Plan rief und bei
Napoli die schon zuvor erwähnten Higuain und
Insigne. Das brachte schon etwas mehr
Schwung für die letzten 30 Minuten, aber vom
Hocker riss es uns trotzdem nicht. In der 82. fiel
das Tor des Tages durch Denis Suárez und wie
sollte es anders sein, durch einen Freistoß, der
traumhaft, direkt verwandelt wurde. Die etwas
unkonventionell vorgetragenen Angriffe von
Napoli fanden dann alle in der spanischen
Defensive ihr Ende. Einen Sieger hätte das
Spektakel auf jeden Fall nicht verdient gehabt.
Nach dem Spiel ging es schnurstracks wieder
zum Bahnhof, wo wir feststellen mussten, dass
nicht mehr jede halbe Stunde eine Bahn fährt,
sondern nur noch jede Stunde. Also noch mal
einen Supermarkt geentert. Recht interessant
ist in Spanien, dass man beispielsweise
Tiramisu abwiegen muss. Sorgte bei mir an der
Kasse erstmal für etwas Verwirrung, wurde
aber nach einer kurzen Erklärung wie
gewünscht erledigt und ich konnte das
Tiramisu mein Eigen nennen. War den
Umstand dann auch wirklich wert, weil das
Ding sau lecker war. Wieder am Bahnhof
angekommen, war hier natürlich die Hölle los,
weil die Jungs aus Napoli zum Großteil nach
Valencia wollten. Im Zug selber hatte sich die
Meute aber recht gut verteilt, sodass man
doch gechillt die Heimreise antreten konnte.
In Valencia liefen uns zwei Rapidler über den
Weg, die wir nach dem Ergebnis fragten,
woraufhin diese nur hämisch grantelten, dass
es ein Tennisergebnis wäre. Ich dann:“15:0?“;
Kumpel:“6:1“… Antwort war dann
nur:“Machste das eine Tor noch weg, dann
passts.“ Trotzdem denke ich, dass sich Rapid
mit der Masse an Fans - um die 2.500 würde ich
sagen, laut anderen Quellen bis zu 3.500 - ganz
gut präsentiert hat und immerhin die
Gruppenphase überstanden hatte. Im Hostel
wurden dann noch Ergebnisse gecheckt und
entspannt.
19.02.2016 Sevilla Irish Pub
Eintracht Frankfurt – Hamburger SV 0:0
(Zuschauer: 2 Frankfurter)
gewissen Partypotential, da der große
Gemeinschaftsbereich abends immer bis 0:00
Uhr genutzt wurde um sich wegzuflacken und
sich danach in die umliegenden Bars und
Diskotheken zu begeben. Der Rezeptzionist
gab in der Runde auch immer wieder mal
Vollgas. Das englischsprachige Kerlchen war
recht sympathisch und sich auch nicht zu
schade, seinen Oberkörper mit
Eddingschmierereien verzieren zu lassen. Wir
begaben uns dann auf den Weg und schauten
uns die ersten Sehenswürdigkeiten an. Zu
empfehlen sind hier vor allem der Plaza de
Espana, die Kathedrale und der Königspalast,
dazu später mehr. Sevilla an sich weiß dann
schon zu gefallen. Wir machten uns gegen
Abend auf die Suche nach einer Location, wo
man sich an einem Freitagabend die deutsche
Bundesliga anschauen konnte. Nach langer,
vergeblicher Suche, wurden wir nach
Nachfrage fündig und kehrten in einem Irish
Pub nahe des Flusses ein. Dort durften wir
selber das Fernsehprogramm bestimmen und,
da keine anderen sportlichen Highlights
anstanden, war dies dann kein Problem. SGE -
Heute sollte es weitergehen nach Sevilla. Nach
einiger Recherche war klar, dass man von
Valencia nach Sevilla entweder nur über
diverse Umwege kommt oder man nimmt
einen der wenigen, günstigen Flüge. Da wir
den Flug recht schnell fixierten, war dieser
dann preislich entsprechend angenehm. Bus
wäre günstig möglich gewesen, doch wäre
dieser dann über zwölf Stunden unterwegs
gewesen. Da war die Entscheidung dann klar.
Also morgens ab an den Flughafen und mit Air
Nostrum weiter nach Sevilla, wo uns der Bus
für 4,-Euro in 20 Minuten ins Zentrum brachte.
An der Endstation angekommen, war das
Hostel wieder in Laufweite mit um die 20
Minuten in die Altstadt. Das Hostel an sich war
eine typische Backpackerlocation mit dem
HSV würde ich persönlich jetzt auch nicht als
sportliches Highlight bezeichnen. So konnten
wir dort locker was Essen, ein paar Halbe in die
Birne stellen und dem 0:0 gegen den HSV
fröhnen. Fazit: So wird das in der kommenden
Zeit nix. Aber besser ein Punkt, als kein Punkt.
So machten wir uns dann wieder auf Richtung
Hostel und lagen gegen Mitternacht in der
Kiste.
Real Betis – Sporting Gijon 1:1
39.415 Zuschauer (500 Gäste)
1. Liga Spanien, Sa. 20.02.2016
Am heutigen Morgen stand ein Besuch des
Königspalastes an. Dort kann ich empfehlen,
die Tickets vorher über das Internet zu ordern.
Es erspart einem das Warten und man weiß,
wann man in den Palast hereinkann.
Andernfalls kann es sein, dass man um 10:00
Uhr da ist, aber im dümmsten Fall erst um
14:00 Uhr in den Palast kann. Den Palast sollte
man sich definitiv anschauen, wenn man schon
mal in Sevilla ist. Die Kosten sind mit um die
10,- € überschaubar. Der Palast ist sehenswert,
die Parkanlagen sind Geschmacksache,
manches kann man sich sparen und manches
ist schon nett anzusehen, mit welchen Ideen
gearbeitet wurde und was dann wie umgesetzt
wurde. Mit seinen ganzen Anlagen hat man
ihn, wenn man gut zu Fuß ist, in einer bis
eineinhalb Stunden durch. Wenn man sehr
viele Fotos machen will oder sich die Knüpfung
der Wandteppiche genauer ansehen will,
dauert es schon mal etwas länger. Nach
unserem Besuch suchten wir uns ein Tapas
Restaurant, um ein Mittagessen zu uns zu
nehmen. Dies ist in Sevilla relativ günstig
mmöglich und man kann bei fast keinem
Restaurant etwas falsch machen. Qualitativ
und preislich aus meiner Sicht alles im
Rahmen. Nach dem Mittagessen wollten wir
uns noch die Kathedrale anschauen. Von
Außen ist dies kein Problem, ein riesiges
Gebäude und eine der größten Kathedralen in
Europa. Als wir dann aber den Eintrittspreis für
das Innere der Kathedrale sahen, machten wir
kehrt und wir liefen lieber schon langsam in
Richtung Stadion, vorher checkten wir noch
mal Möglichkeiten zum Bundesliga schauen
aus, waren aber weniger erfolgreich, da heute
der spanische König Fußball regiert und dies in
Person des FC Barcelona, der mittags auf
Teneriffa spielen sollte. Schön, dass die Spiele
in Spanien so schön auseinander gezogen sind.
Da kann man sich immer mal ausmalen, wie
das in Deutschland werden würde…
Hopperfreundlich, aber für den normalen
Zuschauer der absolute Albtraum. Da das
Stadion von Betis eine Ecke von der Innenstadt
weg ist, liefen wir die Strecke gemütlich und
machten das ein oder andere Päuschen und
fachsimpelten viel über den deutschen, sowie
internationalen Fußball.
Zweieinhalb Stunden vor dem Spiel kamen wir
am Stadion an und liefen schnurstracks in
Richtung Kasse. Vorher rief uns ein alter Mann
zu, dass das Spiel ausverkauft wäre. Wir
schauten uns an und dachten, dass das nie im
Leben der Fall sein kann. An der Kasse sagte
die Dame uns dann tatsächlich, dass das Spiel
ausverkauft sei. Das war für mich
unvorstellbar, da ich das Spiel von vornherein
bei der Tour, vom Prinzip her als einziges Spiel
identifizierte, wo man sicherlich keine Karten
vorher organisieren müsse. Na ja, jetzt waren
wir schon mal da und wollten dann natürlich
rein. Nach und nach erklärte sich die Sache,
warum das Ding ausverkauft war. Es gab wohl
eine Aktion von Seiten Betis’, dass
Dauerkarteninhaber, Mitglieder o.ä. Karten,
egal wo im Stadion, für 10,- € kaufen konnten.
So waren dann knapp 50.000 Tickets im
Umlauf und die Jungs, die die Karten für 10,- €
aufgekauft hatten, waren am Verscherbeln
ihrer Tickets. So waren wir also seit Langem
mal wieder auf den Schwarzmarkt angewiesen.
Natürlich hatten wir von den Kollegen gleich
mehrere an der Backe, man merkte aber
schnell, dass der Haufen zum Großteil
zusammengehörte. So hatten wir einen
dickeren Kollegen mit Zahnspange und Bart als
Verhandlungspartner. War an sich ein lustiges
Kerlchen und der bestvorbereitetste
Schwarzhändler, den ich je gesehen habe.
Stadionplan, Stadioninnenansicht und die
normalen Preise abgedruckt, die wir uns vorher
im Internet schon mal angeschaut hatten. Wir
waren also informiert, dass wir unter 30,- € auf
keinen Fall ins Stadion gekommen wären. Dies
wären dann natürlich Plätze hinter dem Tor
gewesen. So also auf zum Einstieg. Wir
starteten wie üblich sehr hoch rein und
landeten nach eine ca. halbstündigen
Verhandlung bei 35,- € die Karte. Sitzplatz war
dann aber immerhin Haupttribüne oben,
welche normal 50,- € gekostet hätte. Bisschen
schön reden muss man es sich ja, wenn 10,- €
auf der Karte angedruckt sind. Im Nachhinein
hätte man vielleicht warten sollen, aber da uns
diese Info überraschend traf, waren wir dann
glücklich und zufrieden, als wir die Karte in
Händen hielten. Vor dem Spiel wurde ein
Hamburger mit Pommes eingenommen und
nachdem wir satt waren, suchten wir uns eine
Kneipe für Bier und Fußball. Bierpreise waren
in Ordnung und Fußball konnte man schauen.
Vor dem Betis Stadion gibt es eine Straße mit
jeder Menge kleinerer Lokalitäten, welche
dann vor dem Spiel auch völlig überlaufen war.
Was wiederum interessant ist in Spanien, ist
die Tatsache, dass die meisten
Kneipen/Restaurants, egal welcher Größe, nur
eine Toilette haben, wenn man Glück hat sogar
eine Toilette pro Geschlecht. Als dann die
letzte Notdurft vor dem Spiel verrichtet war,
machte man sich zum Stadion und war nach
einer kurzweiligen Kontrolle schnell an seinem
Platz. So nach und nach erkannte man dann
die Ausmaße der Promoaktion. Auf unserer
Tribüne waren ausschließlich Familien bzw.
Väter mit ihren Sprösslingen. Auch wenn für
Betis-Verhältnisse wohl etwas mehr los war,
ließ der Spanier an sich die Sache wieder schön
ruhig angehen und so tauchten manche, wie
gewohnt, halt erst 15 Minuten nach Anpfiff auf.
Sollte der ganzen Sache keinen Abbruch tun.
Als das Spiel lief, fiel auf, dass es keineswegs
„ausverkauft“ war. Klar, am Ende waren alle
Tickets weg, aber trotzdem würde ich mal
behaupten, dass die Auslastung bei um die
80% lag. Später bei der Zuschauerzahl wurde
seltsamerweise kein ausverkauft gemeldet,
obwohl es doch keine Tickets mehr gab. Muss
man nicht verstehen. Die Stimmung war wider
erwarten dann recht angenehm, das ganze
Stadion grölte das Vereinslied vor Anpfiff und
riss dazu seine Schals in die Luft. War dann
doch etwas mehr, als ich erwartet hatte. Was
dann wiederum seltsam ist in diesen iberischen
Gefilden, dass es bei mehreren Klubs zwei
Bereiche gibt, in welchen versucht wird,
Stimmung zu machen. Bei der Masse an
Leuten (maximal mittlere zweistellige Anzahl),
stellt sich dies natürlich als nicht so einfach
heraus. Effektiver wäre da meist ein
Zusammenschluss, aber wem erzähle ich das?!
Betis hat aber nach den zuvor eher mauen bis
nicht vorhandenen Auftritten auf jeden Fall zu
gefallen gewusst.
Das Spiel war dann eher mau und man sah,
dass beide Clubs eher Mitläufer in der Liga sind
bzw. aufpassen müssen, nicht zufällig auf die
Abstiegsränge zu rutschen. Wenn man sich die
Mannschaften anschaut, geben diese nicht
wirklich viel her. Die Legionäre sind nur
internationale Mittelklasse und wenn jemand
richtig geil kicken kann in so einer Truppe
gehört er dann einem anderen größeren Verein
in Europa. Dies war der Fall beim Spielmacher
von Gijon, Alen Halilovic (19), vom FC
Barcelona ausgeliehen. Das Kerlchen wusste
mit dem Ball umzugehen und war immer,
wenn es gefährlich wurde, beteiligt, so wie auf
der anderen Seite der Kollege Charly Musonda
Jr. (19), welchen sich Betis leihweise von
Chelsea organisiert hatte. Auch ein geiler
Kicker, mit einer riesigen Geschwindigkeit und
der Fähigkeit, Lücken zu reißen und Räume zu
schaffen. Von den Jungs wird man sicherlich
noch hören, wenn vielleicht auch nicht gerade
bei ihren Stammclubs. Das Spiel ging
gerechterweise mit einer Punkteteilung zu
Ende. Noch ein Highlight: Während der
Halbzeitpause wurden auf einmal jede Menge
Sandwiches um uns herum ausgepackt, umher
gegeben und herumgeworfen. Es gab echt nur
wenige in unserem Umkreis, die nichts zu
kauen in der Hand hielten. Halbzeitshow nahm
ich glücklicherweise keine wahr, ist mal was
Positives bei der ganzen
Durchkommerzialisierung. Nach Abpfiff
nahmen wir dann die Beine in die Hand und
erwischten einen Bus in Richtung Innenstadt
und wir kehrten dann relativ zügig im Hostel
ein, da es früh am nächsten Morgen nach
Màlaga weitergehen sollte.
Málaga CF – Real Madrid 1:1
29.415 Zuschauer (viele Gäste)
1. Liga Spanien, So. 21.02.2016
Gegen 7:00 Uhrverließen wir unser Hostel und
waren eine gute halbe Stunde vor Abfahrt am
Abfahrtspunkt. Der Bus ist in Spanien eine gute
Möglichkeit von A nach B zu kommen. Über
das Internet findet man ausreichend
Informationen. ALSA ist dort die größte
Gesellschaft, die mir jetzt aufgefallen ist, es
gibt wohl auf manchen Strecken andere, das
wird man dann aber sicher merken. ALSA ist
sowohl von Busqualität, Internetauftritt und
Preis auf alle Fälle zu empfehlen. Wir hatten
die Ehre, die Busse drei Mal zu nutzen und
waren stets zufrieden, außer dass bei einem
Trip der Bus vorher gewechselt werden musste
und der Neue dann keine Toilette hatte, was
aber am End auch nicht nötig war. Der Bus war
am besagten Morgen pünktlich zur Abfahrt in
Sevilla. Ist schon eine Leistung, wenn man
überlegt, dass er aus dem neun Stunden
entfernten Gijon kam. Aber es lief alles perfekt
und nach ca. 2 Stunden erreichten wir Màlaga.
In Màlaga orientierten wir uns erstmal in
Richtung unserer Unterkunft. Zum Abschluss
mal ein Zweibettzimmer, um mal ausgeruht in
die Tage zu starten. Auf dem Weg war schon
auffällig, dass die Stadt sehr
orientalisch/arabisch geprägt ist. Fing an bei
den Restaurants und Läden, an denen man
vorbeilief, sowie den Menschen, die man auf
den Straßen sah. Der Hauptteil der Menschen
mit Migrationshintergrund in dieser Region
scheint aus Nordafrika zu stammen. Im Hostel
angekommen, warfen wir unser Gepäck ab. Da
unser Zimmer leider noch nicht bezugsfertig
war, machten wir erstmal einen Trip durch die
Stadt und besichtigten die Kathedrale, den
Hafen nebst Promenade sowie den Strand und
weitere Bauwerke von Weitem (z.B. die Burg).
Die Promenade war schön gestaltet und recht
weitläufig. Der Strand war von dunklem, mehr
oder weniger grobkörnigem Sand und lud zum
Verweilen ein. Dies lag aber eher am tosenden
Mehr und den doch recht hohen Welle, war
schon ein Spektakel. Trotzdem muss man
abschließend sagen, dass der Strand von
Valencia aber doch die Nase vorne hätte, wenn
man sagen müsste, welcher der bessere ist. So
ging es nach der Runde wieder in Richtung
unseres Hotels, wo wir noch einen
Straßenkünstler trafen, der mit seinen Fingern
innerhalb von drei Minuten wahre Kunstwerke
auf kleine Glas-/Acrylscheiben zauberte. Bei
den vermeintlichen Details ist das mit dem
„Zaubern“ nicht untertrieben - Riesenkerl! Das
Zimmer wurde dann umgehend bezogen, dass
Wifi noch etwas in Anspruch genommen und
schwupps, waren es auch nur noch drei
Stunden bis zum Anpfiff und wir hatten noch
nichts in unseren Mägen. Wir steuerten wieder
die Altstadt an, nahmen dort das erstbeste
Restaurant und bestellten eine schöne
Bandbreite an Tapas, dazu noch ein schönes
Bierchen und schon war die Welt wieder
schwer in Ordnung. Wie bisher tat der Laden
den anderen keinen Abbruch und alles durch
die Karte weg war sehr schmackhaft und nicht
wirklich teuer.
Satt und zufrieden liefen wir danach
gemächlich zum Stadion, das wir schon am
Flussbett sahen und nur wenige Minuten zu
Fuß entfernt war. Dort war das Gewusel groß
und jeder Eingang nahezu verstopft, weil nur
eine kleine Zahl an Drehkreuzen offen war.
Habe mich dann gefragt, wann da mal alle im
Einsatz sein werden, wenn nicht gegen Real,
wenn die Hütte mit Ansage bis auf den letzten
Platz gefüllt ist. Die Tortur nahm dann
irgendwann ein Ende und wir waren ca. 20
Minuten vor dem Anpfiff in der guten Stube.
Die Platzsuche sollte dann ein weiteres
Highlight werden, da irgendwie nichts auf
unserer Karte auf einen Aufgang, Sektor oder
irgendwas Ähnlichem hinwies. Nachdem man
sich durchgefragt hatte, saß man zwar auf dem
richtigen Platz, aber fragt bitte nicht, was die
bei der Kartenbeschriftung für eine Taktik
haben. Tickets hatte ich vorher via Internet
gekauft und haben uns pro Person 73 €
gekostet. Im Nachhinein hätte man hier einen
Schnapp auf dem Schwarzmarkt machen
können, aber bei dem Spiel war die Devise
„Safety first“. Das Rosaleda weiß dann schon
zu überzeugen. Zwar relativ neu, aber
irgendwie doch ganz cool, da es irgendwie
Persönlichkeit ausstrahlt. Zu Beginn des Spiels
gaben wieder „zwei“ Fangruppen von Màlaga
Gas und supporteben das Team. Außerdem
gab es eine gesponserte Choreo, welche das
Stadion in blau-weiß-blau hüllen sollte. Machte
dann für spanische Verhältnisse schon was her
und war von der Stimmung wieder besser als
gedacht. Die Mannschaften gaben aber auch
alles, um das Publikum auf ihre Seite bzw.
gegen sich zu bringen. Màlaga machte ein sehr
gutes Spiel und hielt über weite Strecken mit
und Real bekam nichts auf die Kette. Benzema
und Bale waren noch verletzt und CR7 fiel mehr
durch Theatralik und schauspielerische
Leistungen auf. Obwohl er das 1:0 einwandfrei
einköpfte, das kann er halt wirklich gut,
verschoss er später einen Elfer gegen Kamin,
den Puma im Tor des Màlaga CF.
Glücklicherweise erlahmte sich dann ein Kicker
der Heimmannschaft den Ball auch mal
zwischen die Pfosten zu bugsieren. Die Heimelf
hatte Chancen für zwei Spiele und hätte gut
und gerne den Platz als Sieger verlassen
können. Meine Màlaga-Serie hielt und bisher
habe ich die Truppe noch nicht verlieren sehen.
Dazu gehören drei Spiele, dieses Heimspiel
gegen Real (1:1), Auswärtssieg in Madrid bei
Atletico und Auswärtssieg bei keinem
Geringeren als dem FC Barcelona. Ich freue
mich schon auf den nächsten Kick der Truppe.
In Spanien ist sehr faszinierend, wie schnell
nach dem Spiel das Stadion schon komplett
leer ist. Ich würde sagen, 30 Minuten nach
Abpfiff befindet sich da kein Mensch mehr auf
den Tribünen und 15 Minuten später machen
die die Hütte schon komplett dicht. Was dann
noch recht ominös war, waren jede Menge
Busse mit Aufschriften, wie Fanclub Finland,
Fanclub Sweden etc. also Fanclubs die in Busse
verfrachtet wurden und alle aus den
skandinavischen Ländern. Was ich bis heute
nicht ganz gecheckt habe, ist, ob dies Real oder
Màlaga Fanclubs waren. War nicht eindeutig
auszumachen, weil jeder mit einem Spielschal
versorgt war. Ich will nicht wissen, was sich die
Jungs und Mädels dieses Spiel haben kosten
lassen. Ich würde die Busanzahl schon auf über
20 Busse schätzen, da kann man sich mal
ausrechnen, was man sich für ne goldene Nase
an den Skandinaviern verdient haben wird.
Für uns war das nächste Ziel das Hostel und
danach wollten wir uns das eigentliche
Topspiel dieses Spieltages anschauen. Dies
wurde schön auf einer Tafel bei einem Café
nebenan angepriesen. Dort wurde erstmal Bier
geordert, das laufende Spiel fertig geschaut
und dann tat sich erstmal nichts. Das Topspiel
sollte aber fünf Minuten später laufen und weit
und breit nichts zu sehen. So sprach ich mal
den „Wirt“ an und der kümmerte sich nach
kurzer Diskussion um den Wechsel des
Programms. Auch gut, wenn ich irgendwas auf
ein Schild schreibe und dann nicht mehr weiß,
dass ich vielleicht mal umschalten muss.
Während dem Spiel kamen wir mit einem
Marokkaner ins Gespräch, der uns dann noch
zeigte, dass das Tor von Real am Mittag sogar
noch Abseits war. Harter Tobak für die
gebeutelte Màlaga-Seele, da man eigentlich
das bessere Team war. Ich hätte es ihnen
gegönnt. Mit dem Marokkaner wurde ein
wenig über den deutschen Fußball mit Händen
und Füßen gefachsimpelt, zwischendrin hatte
er uns dann mal Kokain und Marihuana
angeboten. Halt so das übliche
Kneipengespräch. Das Topspiel, das übrigens
Atletico gegen Villarreal hieß, gab gar nichts
her und ging sogar 0:0 aus. Während dem Spiel
verspeisten wir noch jeder zwei Schinken-
Tomaten Paninis. Sehr lecker und vor allem für
2,50 € sehr preiswert. Man musste immer mal
bisschen auf den Geldbeutel achten, bei den
hiesigen Kartenpreisen. Am Abend reifte dann
noch die Überlegung, am nächsten Tag nach
Granada zu fahren, um sich die Alhambra
anzuschauen. Die Alternative wäre Gibraltar
gewesen, was aber dann alles in allem sehr eng
geworden wäre und so entschieden wir uns für
die stressfreie Granada-Variante. Nachdem
dies abgehandelt war und wir uns aus dem
Café verabschiedet hatten, ging es in die Kiste.
22.02.2016 Granada - Alhambra
Am nächsten Morgen wurde ausgeschlafen,
sich in Ruhe fertiggemacht und dann ging es
zum Busbahnhof. Recht nett ist es, dass man
bei ALSA die Bustickets an einem Automaten
kaufen kann, der Einem alles anzeigt, was man
wissen muss. Zeiten, Preis, freie Plätze etc. die
Dinger sind selbsterklärend und echt klasse.
Die Schlangen davor sollte man bei seiner
Abfahrtszeit einkalkulieren, da wir außerhalb
der Saison da waren, kann ich mir vorstellen,
dass dort im Sommer die Hölle los sein wird. So
hatten wir dann recht schnell unser Hin- und
Rückfahrtticket für Granada. Die Fahrtzeit
beträgt ungefähr zwei Stunden auf einer sehr
hügeligen Strecke, die den Fahrzeugen viel
abverlangt. Zum Busbahnhof in Granada muss
man sagen, dass dieser recht weit weg vom
Stadtzentrum inklusive Sehenswürdigkeiten
liegt. Der Busbahnhof ist aber mit Bussen recht
gut angebunden, nur muss man sich mit dem
Liniensystem auseinandersetzen, um dort
anzukommen, wo man schlussendlich hin will.
In der Innenstadt sind wir an einem für uns
günstigen Punkt ausgestiegen. Vorbei an der
Kathedrale machten wir uns gleich auf in
Richtung Alhambra. Granada als Stadt war
nicht so wirklich der Burner. Sieht auf jeden
Fall von oben besser aus als wenn man durch
den Moloch fährt oder läuft. Hoch zur
Alhambra hat man zu Fuß jede Menge
Souvenir-, aber z.B. auch Handwerkeläden, die
ich in der Art selten gesehen habe, wie
Gitarrenbauer und andere Handwerker, die
Holz sehr fein bearbeiten können. War echt
eine Augenweide. Durch das Tor durch,
wurden die Läden dann durch die ersten
Parkanlagen ersetzt. Wir erklommen den Berg
zu Fuß, natürlich wäre es möglich gewesen,
dort mit dem eigens eingerichteten Alhambra-
Bus (gegen entsprechendes Entgelt)
hinaufzufahren. Zur Alhambra muss man
erstmal sagen, wenn man diese besichtigen
will, gibt es drei Perioden, wann Besucher
hereingelassen werden. Am Morgen, dann ab
Mittag und noch „nachts“ bzw. im Dunkeln. Die
beste Variante ist es, Tickets vorab zu buchen.
Dann kann man sich in einer Prio-Reihe
einordnen und kommt etwas zügiger vorwärts.
Außerdem hat man dann u.a. nicht das
Problem, hoffen zu müssen, dass man noch an
Tickets kommt. Wir waren jetzt außerhalb des
Touristenansturms da, aber ich kann mir sehr
gut vorstellen, wenn man den Einlassbereich
sieht, was dort los sein kann. Nach einer etwa
halbstündigen Wartezeit buchten wir dann das
Komplettpaket. Ohne die Nasridenpaläste
kann man sich den Besuch des UNESCO-
Weltkulturerbes eigentlich sparen und diese
sind nur beim Komplettpaket inklusive. Das
Ding ist auf jeden Fall jeden Euro wert. Wie die
verschieden Räume und Höfe der
Nasridenpaläste gearbeitet sind, ist einfach die
wahre Pracht. Jeder Raum ein Highlight und
kein Quadratzentimeter, der nicht bearbeitet
wurde. Auch traumhaft die Anlagen, die sich in
angelegten Wasserflächen spiegelten. Bei der
kompletten Anlage hatte man den Eindruck,
dass da jemand einen Riesenplan hatte. Für
mich eines der geilsten Bauwerke, das ich
bisher gesehen habe. Auch die Festungsanlage
Alcazaba und der Generalife sind wahre
Hingucker. Nachdem wir mit dem ganzen
Komplex durch waren und uns noch mit einer
vordrängelnden französischen Familie
angelegt hatten, was von der ganzen Schlange
beklatscht wurde, begannen wir mit dem
Abstieg in Richtung City. Während der Suche
nach einer Bushaltestelle kehrten wir noch in
einem Café ein um einen Hamburger zu
verhaften. Danach ging es wieder raus zum
Busbahnhof. Was in Granada dann ein wenig
suspekt erscheint ist, dass man weit und breit
keine Flocke Schnee sieht, aber dann Leute mit
Skianzügen rumrennen. Da merkt man halt,
dass die Sierra Nevada in der Nähe ist. Diese
hat man eventuell nicht gesehen, da Granada
den ganzen Tag in einem unbeschreiblichen
Dunst lag. So was Dunstiges hatte ich noch
nicht oft gesehen. So stelle ich mir Smog vor ;.)
Zurück in Màlaga fielen wir nach diesem
ereignisreichen Tag schön geplättet in die
Falle.
23.02.2016 Heimreise
Am frühen Morgen ging es für uns mit der
Metro zum Flughafen, um unseren Flug in den
Hunsrück um 10 Uhr zu bekommen. Der
Flughafen ist recht stadtnah und nach zehn
Minuten Fahrt aus der Innenstadt zu erreichen.
Angeblich ist er der drittgrößte seiner Art in
Spanien. Ich weiß aber nicht, ob sich dies nur
auf das Festland bezieht und Palma de
Mallorca am Ende den dritten Rang neben
Madrid und Barcelona einnimmt (Anm. der
Korr.: Wenn Größe=Passagieraufkommen ist,
dann ist Malle Nummer drei. Recherchezeit: 0,2
Minuten). In der Saison gibt es sogar
Interkontinentalflüge mit Zielen in Kanada und
den USA im Angebot. Hatte mich dann doch
ein wenig überrascht. Wie wir dann das
Terminal betreten hatten, war erstmal die
Suche der Sicherheitskontrolle von Nöten.
Diese war weder ausreichend noch klar
ausgeschildert. Hier besteht sicherlich noch
Verbesserungsbedarf. Vor allem ist die
Aufteilung in die verschiedenen Buchstaben
echt irreführend. Na ja, hatte dann alles
geklappt, wir waren drin und nach Springer-
Presse Studiums lief man zum Gate, um den
Heimflug anzutreten. Denkste, wenn man mit
mir unterwegs ist und von Ryanair abhängig
ist, muss man immer einkalkulieren, dass es
etwas später werden könnte. So kam dann
nach und nach ans Licht, dass es im Hunsrück
nachts um die 30 cm Neuschnee gegeben hatte
und wir ca. drei Stunden später nach Hause
kommen würden. Ryanair war sogar so nett
und stellte noch 5 € zur Verfügung, um sich zu
verpflegen. Ich weiß, in einem Flughafen ein
Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin.
Nach der Warterei bestiegen wir dann den
Vogel und erreichten drei Stunden später den
Hunsrück. Am Auto sah man dann die
Schneemassen und die Sache wurde etwas
nachvollziehbarer. Alles in allem kein
gewöhnlicher, aber kulturell und
groundtechnisch, gelungener Trip. (finale
Anmerkung d. Korr.: So ein ganz kleines bisschen
alt seid ihr aber schon, oder?) (E)
B
FC Basel – AS Saint Etienne 2:1
20.976 Zuschauer (3.000 Stéphanois)
EL Achtelfinale, Do. 25.02.2016
evor es am Folgetag auf
Selbstzerstörungstour gen Osteuropa
gehen sollte, ist es natürlich eine Riesenidee,
noch einmal einen Spontantrip zu den
Eidgenossen zu unternehmen. Ist ja nicht so,
dass die Nacht vorher aufgrund des
Staffelfinales der Sons of Anarchy nur von
wenigen und allerhöchstens unentspannten
Tiefschlafphasen geprägt war, aber
bekanntlich komplettiert sich ja auch die
Schweiz nicht von alleine. So hätte zumindest
die Begründung ausgesehen, wäre es mein
Erstbesuch im Joggeli gewesen. Aber was
soll’s, die Begegnung versprach nicht nur
wegen des Hinspielresultates (3:2 für ASSE)
genug Potential, und Basel geht ja eigentlich
auch immer.
Von der Hinfahrt ist meine Erinnerung noch
ungefähr so ausgeprägt wie es mein Schlaf in
der Nacht zuvor war, holte ich diesen doch auf
der Rückbank nach und war erst in Basel
wieder richtig ansprechbar. Ede am Steuer, der
Duke als Navigator füllte daneben den Rest der
vorderen Reihe aus, hinten rechts schlummerte
ich und zu meiner Linken entwickelte sich aus
Edes Abfällen der letzten Monate so langsam
aber sicher neues Leben.
Von unseren 25 CHF Plätzen in der Family
Corner trennte uns nur noch ein kurzer, von
Eiseskälte begleiteter Spaziergang und die
strenge Einlasskontrolle des Sicherheitspersonals.
Diese war aber in etwa so streng wie
der Geruch von Achselschweiß nach einer
ausgiebigen Dusche, so dass mal wieder
jegliche Sorge unbegründet war. Aber zur Not
hätten wir denen auch glaubhaft versichern
können, dass der Duke unser Kind ist ;-)
Vorteil an der Family Corner ist natürlich der
Preis. Die nächsthöhere Kategorie hätte mal
locker das Fast-Doppelte gekostet. Nachteil
hingegen ist, dass man den Gästebereich nur
zur Hälfte einsehen kann. Und dieser war heute
richtig gut gefüllt. Der eigentliche Awaysektor
war komplett ausverkauft, wobei Green Angels
den rechten und Magic Fans den linken Teil
einnahmen, der Sitzplatzbereich daneben war
ebenfalls sowohl im Ober- als auch im
Unterrang in fester Hand des französischen
Rekordmeisters. Zum Intro loderte es dann
auch zum ersten Mal so richtig schön, danach
konnten unsere Lauscherlein einen recht
angenehmen Support vernehmen, auch wenn
ich wohl nie ein großer Fan dieser
hochgepitchten Gesänge werde.
Die Muttenzerkurve begrüßte die Teams mit
einem großen durchsichtigen Transparent mit
der bekannten „12“, die von uns erhoffte
Illuminierung derselben blieb leider aus.
Trotzdem überzeugte das Gesamtbild in
Kombination mit den coolen Fahnen und
einigen bengalischen Tigern, respektive
Fackeln. Gesanglich war ich aber trotz
Halbzeitführung durch ein tolles Freistoßtor
von Luca Zuffi relativ enttäuscht, absoluter
Bundesligastandard und überhaupt nicht das,
was ich von Basel gewohnt war.
Zur zweiten Halbzeit legten die Gäaste auf der
Pyroskala nochmals ordentlich nach. Green
Angels mit einer großen Menge grüner
Bengalos, MF mit derselben Anzahl roter,
super Gesamtbild. Trotzdem waren wir noch
mehr damit beschäftigt, nicht zu erfrieren.
Damit wir jedoch nicht komplett den Kältetod
erleiden mussten, hatte die Muttenzerkurve
ein Einsehen und packte endlich einige der von
mir so gefeierten Chansons aus. Und auch
wenn diese in der Regel lautstärkemäßig keine
Rekorde brechen, fällt mir auf Anhieb keine
deutschsprachige Kurve ein, die ich lieber sehe
(vielleicht noch der FCZ). Inner Circles „Rock
with you“ kommt aber auch einfach sowas von
mächtig rüber, so dass ich die mittlerweile im
Fünfminutentakt fliegenden Franzosenböller
ganz galant ignorierte.
Nachdem in der 82. Minute des Spiels aus der
Gästeelf eine Gästezehn wurde, verglich Ede
das Spiel von nun an mit einem gelutschten
Drops. Zwei Minuten später glich der einzig
wahre FCB in Sachen Anzahl der noch
spielberechtigten Sportgenossen schon wieder
aus, womit für die Schlussphase doch noch für
eine gehörige Portion Suspense gesorgt war.
Und ähnlich wie Basel numerischen
Gleichstand herstellte, schaffte es ASSE
tatsächlich eine Minute vor offiziellem Ultimo
gleiches in Bezug auf den Spielstand zu
reproduzieren. Der Gästeblock jetzt natürlich
völlig am Ausrasten, teilweise befanden sich
die Gestalten sogar auf dem Spielfeld wieder,
die anrückende Staatsmacht wurde auch
erfolgreich bekämpft, womit es nur noch galt,
die Nachspielzeit ohne Gegentreffer über die
Runden zu bringen. Dieses Unterfangen war
jedoch nur von suboptimalen Erfolg gekrönt,
mit Vollendung der zweiten von drei
zusätzlichen Zeigerumrundungen drosch Luca
Zuffi das lederne Spielgerät zum zweiten Mal
in die Maschen. Ungläubiges Staunen
allenthalben, Schockstarre bei den Stéphanois,
Ausnahmezustand bei allen anderen noch
Anwesenden. Da war er wieder, einer der
Momente, nach denen man solange sucht und
die doch so selten, dafür aber umso kostbarer
sind. Davon kann man wieder eine zeitlang
zehren und der Adrenalinkick gab auch genug
Power für die nächtliche Heimfahrt. Nach dem
obligatorischen Verpflegungsstopp in
Herbolzheim befand ich mich dann irgendwann
gegen halb vier wieder auf der heimischen
Couch, wo mich die schlummernde Kate mit
der Frage nach der Uhrzeit begrüßte. Fuchs
wie ich bin, korrigierte ich diese listigerweise
um zwei Stunden nach vorne und
schwuppdiwupp war mein schlechtes Gewissen
ob der verspäteten Heimkehr auch schon
wieder beruhigt. Jetzt nur noch einen halben
Tag arbeiten, und schon geht es wieder los. Ich
warte auf den Tag, an dem mein Körper seinen
Rachefeldzug gegen mich startet. (Ö)
Selbstzerstörungstour 2016
aka „wenn der Beat droppt...“
O
k Google: Wie überlebt man neun Tage
Südosteuropa im Kreise von
Schwerstalkoholikern?
Wenn ich eines in den vergangenen Tagen
gelernt habe, dann dass dieses Google ja auf
fast jede Frage eine Antwort parat hat. Die
oben gestellte Frage überstieg allerdings
endgültig dessen Wissensgrenze. Folglich
musste die Lösung im Selbstexperiment
gefunden werden. Jetzt, wo ich diesen Text
hier schreibe, weiß ich zumindest, dass ich eine
vorübergehende Antwort liefern kann –
eventuell auftretende negative Spätfolgen
allerdings nicht ausgeschlossen.
Aber der Reihe nach.
Das Kalenderjahr besteht ja wie allgemein
bekannt aus 365 Tagen (oder, wenn man
Korinthen kackt, alle vier Jahre aus 366). In die
meisten dieser Tage lebt man einfach so
hinein. Aber die Termine des Städtevergleichs
der beiden größten Beograder Fußballvereine
streiche ich mir immer im Vorhinein rot an und
versuche, zumindest eines pro Jahr in den
Reisekalender einzubauen. Das
Rückrundenderby der aktuellen Spielzeit
sorgte im persönlichen Bekanntenkreis für
reges Interesse, so dass sich eine illustre Runde
geselliger Typen einfand. Namentlich waren
das neben eurem Erzähler noch MJ, Chuck,
Pascal und Fritz. Jetzt wäre mit diesem
Sammelsurium an gescheiterten Existenzen
lediglich ein Wochenende zu wenig, also den
Rückflug für eine Woche später ab Tirana
angesetzt und mal geschaut, was in der
Zwischenzeit so auf uns zukommen würde.
Nach der Rückkehr aus Basel war der letzte
Arbeitstag für mich von Müdigkeit geprägt, die
ich kurzfristig mit einer Eule (Guarana no sleep
– der Energy Schlager aus Serbien,
Überbleibsel der letzten und perfekte
Einstimmung für die gleich folgende Tour)
besiegte, während der jetzt schon in Beograd
weilende MJ die noch im Büro schuftenden
Nachzügler mit einer Liveberichterstattung
seiner konsumierten Pivo- und Euledosen zur
Weißglut trieb. Das änderte sich aber
spätestens, als dieser seinen Hostelgenossen
Nikolai kennenlernte, seines Zeichens Hool von
CSKA Moskva, Nazi und – wenn man den
Aussagen der Angestellten glauben darf –
eigentlich ein sehr netter Geselle. Scheinbar
hatte er aber einen schlechten Tag erwischt
und erlaubte MJ von nun an nicht mehr, das
Hostel zu verlassen. Wenigstens waren wir
jetzt nicht mehr neidisch auf die ständig
eintrudelnden Bilder geleerter Jelen Hülsen. Es
ist wie es ist, irgendwann ist auch der längste
Arbeitstag zu Ende. Schnell noch von den
Liebsten verabschiedet und schon saßen
Pascal, Chuck und ich im Kranich. Der Flug
dauerte genau 0,5 Liter Wodka, wobei wir uns
wohl erstaunlicherweise und ganz ohne jede
Ironie so gut benommen hatten, dass unser
Flugbegleiter uns von sich aus die letzten an
Bord verfügbaren Biere aushändigte. Hvala.
Im Hostel kamen wir pünktlich an, befreiten MJ
aus seiner selbstauferlegten Einzelhaft und
schon ging’s raus auf die Straße. Der erste
Abend ist schnell erzählt. In verschiedensten
Lokalitäten galt es so viel Pivo und Rakija
einzuverleiben, wie der eigene Körper
aufnahmebereit ist. Logisch, dass solch ein
Abend in einer der größten Taxiabzocken
meines Lebens gipfelte. Selbstredend gab ich
dem Mafioso am Steuer auch noch ein
Trinkgeld, obwohl ich mit diesem vorher eine
minutenlange Diskussion führte, dass er uns
gerade gehörig die Hosen auszog. Keine
Ahnung was mich da geritten hat, beim
Aussteigen konnte ich schon wieder lachen. Ich
weiß jetzt nur nicht mehr, ob das am im
Fahrpreis inkludierten Knabberzeug aus dem
Handschuhfach oder aber an Chuck lag, der im
Zustand völligen geistigen Deliriums erstmal in
die falsche Straße rannte.
Keine Ahnung, wieviel Uhr es war, als wir in
unsere Schlafgemächer fielen, war aber auch
gerade mal so egal wie der Ausgang eines
Pokalfinals zwischen Bayern und Dortmund,
schließlich hatten wir bis zum Anpfiff des
Derbys um 17:00 Uhr mangels sportlichen
Vorprogramms genügend Zeit zum
Ausnüchtern. Also in der Theorie. In der Praxis
sah das dann so aus, dass MJ ab der achten
Stunde des neuen Tages mit zwei
vollgepackten Tüten Jelen- und Euledosen im
Zimmer stand und jeden zum gepflegten
Frühschoppen animieren wollte. Die
anfängliche Skepsis wurde schon bald vom gut
gekühlten Gerstensaft weggespült, trotzdem
brachte es Pascal mit einem kurzen
Kommentar zu MJ treffend auf den Punkt: Der
Typ ist einfach die Hölle. Aber auch der
schönste Frühschoppen findet trotz
interessanter Sexgeschichten und
Wäscheklammern in den Nippeln spätestens
dann sein Ende, wenn sich der Magen zwecks
Verlangens nach fester Nahrung zu Wort
meldet. Bevor dieser aber ruhig gestellt
werden sollte, galt es noch die weitere Reise zu
planen. Nach diversen Pro- und Contra-
Diskussionen entschieden wir uns für einen
Weiterflug nach Athen am nächsten Tag. Aus
fußballerischer Sicht die sinnvollste
Alternative, dank Air Serbia auch preislich
absolut im Rahmen. Weiterer Vorteil: Man hat
einen weiteren Abend in Beograd zur
Verfügung. Aber jetzt erstmal essen. Nach
leckeren Steaksandwiches war dann auch die
Zeit gekommen, langsam aber sicher Richtung
Stadion aufzubrechen. Pascal, Chuck und ich
wie gewohnt zu Fuß, MJ bekam wohl sein
eigenes Tempo an der Dose nicht so wirklich
und er wollte sich noch etwas ausruhen, um
dann mit dem Bus zum Ort des Geschehens zu
fahren. Ehrlich gesagt wusste ich bis dato nicht
einmal, dass es einen Bus zum Stadion gibt.
Positiv, dass wir nach dem Essen und dem
recht langen Fußweg trotz zwischenzeitlichem
Vinjak mit Eule Aphrodisiaca (for those who
know) wieder gut nüchtern waren, schließlich
gehört es sich nicht, hier im alkoholisierten
Zustand aufzutauchen. Auf dem Weg sonst
ergab sich wieder das übliche Bild. Ab dem
Slavija Platz nahm die Polizeipräsenz stetig zu
und es war eigentlich nur noch Fußballvolk
unterwegs. Warum wir allerdings von einer
dieser (immer siebenköpfigen) Polizeigruppen
aufs Schärfste gefilzt wurden und unsere Eulen
leeren mussten, nur um am nächsten Kiosk
neue Getränke zu holen und mit diesen ohne
Probleme an den nächsten Kontrollpunkten
vorbeikamen, kann mir sicherlich keiner
erklären. Gut, wahrscheinlich ist diese
Berufsgruppe hier auch einfach genauso
planlos wie in jedem anderen Land auch.
Zwischenzeitlich meldete sich auch MJ wieder,
der im Hostel auf Fritz, der erst heute aus
München anreiste, getroffen ist und mit
diesem gemeinsam schon am Stadion auf uns
wartete. Das ließ nur zwei Schlussfolgerungen
zu: 1. Es fährt wohl wirklich ein Bus. 2. Zum
Glück war Fritz zeitgleich mit MJ im Hostel,
sonst würde dieser wohl immer noch dort
schlafen.
Nachdem wir dann die Heimkurve passiert
hatten, vor der kurzzeitig Aufregung wegen
Personen mit den falschen Fandevotionalien
herrschte (diese hatten sie aber auch nicht
mehr lange an), feierten wir mit den anderen
Beiden vor der Westtribüne kurze (Re-)Union,
und schon ging es rein ins bekannte Oval, die
Einen ohne jegliche Kontrolle, die Anderen
nach der Kontrolle ohne jegliches Kleingeld.
FK Partizan – FK Crvena Zvezda 1:2
25.000 Zuschauer (8.000 Helden)
1. Liga Serbien, Sa. 27.02.2016
Als wir die Tribüne betraten, war diese schon
vollkommen überfüllt, womit wir im
hauptsächlich von Roter Stern Fans
bevölkerten Teil der Haupttribüne ein mehr
oder weniger flauschiges Plätzchen fanden.
Vor allem MJ dürfte sich hierüber sehr gefreut
haben, fiel er hier mit seiner signalroten Jacke
nicht ganz so sehr auf. Riesenidee übrigens,
mit einer roten Jacke durch die ansonsten
einheitlich modisches Schwarz tragenden
Stadiongänger zu watscheln. Wobei, bei
dessen ebenso roter Haarpracht machte das
den Bock auch nicht mehr fett ;-)
Joa, und ansonsten halte ich den Spielbericht
zum Jubiläumsderby, es war heute das 150. bei
dem es um Punkte ging, relativ kurz. Gibt ja
eigentlich nichts, was nicht schon geschrieben
wurde, und da heute keine super
außergewöhnlichen Aktionen anstanden, will
ich euch nicht mit einer schon tausendmal
gelesenen Lobhudelei auf die ach so krasse
Stimmung und utopischen Pyroorgien
langweilen. Es wurde wieder einmal alles
geboten, was dieses Spiel so besonders macht:
pure Passion, Verrücktheit, aber auch eine
gehörige Portion Nationalismus, Schönheit
und Krieg, Liebe, Treue, Loyalität und ein
Musterbeispiel an Emotionen und Mentalität.
In diesem Sinne auch von mir ein kräftiges
„Coungradulations“ zum 150. ;-)
Zum Intro konnten die zahlreich anwesenden
„Pressefotografen“ bei Delije eine ansehnliche
Choreo ablichten, während die Grobari etwas
zeitversetzt mit der ersten Pyroeinlage das
Spiel unterbrachen. Danach folgten die
gewohnten brachialen Gesänge und
Schlachtrufe (Sieg für Delije), weitere
Pyroaktionen (Erdrutschsieg für Grobari),
gegenseitige Liebesbekundungen, verbrannte
Fahnen und der Versuch unserer Reisegruppe,
nicht ganz so sehr als Ortsfremde aufzufallen,
in dem wir uns mit Kerneknabbern
beschäftigten. Allerdings wage ich zu
behaupten, dass wir uns aufgrund unserer
dilletantischen Ausführung erst recht outeten.
MJ indes war es egal, über die komplette
Spielzeit perfektionierte er sein Kau- und
Spuckverhalten, bis die Tüte nahezu komplett
geleert war. Zum Glück schlief er
zwischendurch immer mal wieder ein, sonst
hätten die Leckereien sicherlich nicht bis
Abpfiff gereicht.
Wir fragten uns unterdessen, ob er das jetzt
ernst meint, bei dem zweifelsohne gebotenen
Spektakel tatsächlich seine Augen auszuruhen,
aber jeder wie er mag. War wirklich wieder
richtig cool, auch wenn das ganz große Wow
meiner vorherigen Derbybesuche gefehlt hat.
Dafür hatte ich das Gefühl, dass auf dem Platz
mal wirklich was passiert. Die sportliche
Ausgangslage war ja relativ unspannend.
Entgegen der letzten Jahren spielt Partizan
eine mittelschwere Grottensaison, während
Zvezda rein von den Ergebnissen her gerade
die beste Runde der Vereinsgeschichte
anstrebt. Mit 26 Punkten Vorsprung auf den
Zweiten führt man die serbien-interne
Rangliste an, Partizan liegt mit noch ein paar
Pünktchen weniger dahinter auf Rang drei.
Auch wenn der Verband die Riesenidee eines
neuen Austragungsmodus hatte (nach der
Rückrunde gibt es noch eine Meisterschaftssowie
Abstiegsrunde, bei der von den ersten
bzw. letzten acht der regulären Spielzeit
nochmals jeder gegen jeden spielt, wobei die
Punkte aus der regulären Saison halbiert
werden), dürften die Buchmacher wohl kaum
noch Wetten auf eine Meisterschaft Zvezdas
annehmen. Aber was nützt die beste Saison,
wenn man das Derby verliert. Oder anders
ausgedrückt: Man kann durch einen Derbysieg
eine beschissene Saison noch halbwegs retten.
Dementsprechend feurig ging es auch von
Anpfiff an zur Sache und nach der frühen
Führung für die Gastgeber schien das Stadion
förmlich zu explodieren. Bis zur Halbzeit führte
der heutige Favorit aber schon wieder, vor
allem der Flugkopfball durch Publikumsliebling
und Toptorjäger Hugo Vieira ließ den nicht nur
an Tribünenaction interessierten Zuschauer
mit der Zunge schnalzen.
Die von Delije mit einer zwar schönen, aber
irgendwie auch halbherzigen Pyroshow
eingeleitete zweite Halbzeit konnte von der
Intensität jedoch nicht in Ansätzen an den
ersten Durchgang anknüpfen. Nach dem
aberkannten Ausgleich und einem nicht
gegebenen Elfmeter machten auch wieder
erste Gerüchte über eine mögliche
Spielmanipulation die Runde, ob dies der
Anlass für die Jug war, nach zwei weiteren
wahrhaft exquisiten Pyroinfernos – u.a. eines
anlässlich des 15jährigen Jubiläums der Vandal
Boys – in den letzten 20 Minuten eigentlich
durchgehend Fackeln auf das Spielfeld zu
werfen und damit mehrere
Spielunterbrechungen zu provozieren, kann an
dieser Stelle nur gemunkelt werden. In der auf
Minutenebene betrachtet zweistelligen
Nachspielzeit drängte Partizan zwar noch stark
auf den Ausgleich, doch der in
augenkrebsverursachenden, neonorangen
Stutzen agierende Gästekeeper Damir
Kahriman konnte den Ball mit Paraden
irgendwo zwischen Bahnschranke und Olli
Kahn vorm Einschlag hindern. Den Sieg feierte
Roter Stern noch ausgiebig mit ihren Fans vor
der Kurve, bevor sie unter einem Hagel von
allem, was so fliegen kann, in den Spielertunnel
verschwanden. Schön war’s mal wieder.
Kurze Trivia noch: Partizan Veteran Sasa Ilic
bestritt bereits sein 26. Derby, wodurch er
alleiniger Rekordhalter in dieser Disziplin ist.
Auf dem Weg zurück in die City trennten wir
uns wieder. MJ, der lieber ein überteuertes Taxi
nimmt als einen Schritt zu viel zu laufen (jaja,
gaaaanz dünnes Eis nach unserer Aktion ein
paar Stunden zuvor, ich seh es ja ein), fuhr
natürlich wieder Bus, der Rest bewegte sich
mit der Masse auf einem mir unbekannten
Wege Richtung Zentrum. Dass dabei auf einer
mehrspurigen Schnellstraße oder über eine
nicht sehr vertrauenswürdige Brücke, was
besonders mir mit relativ stark ausgeprägter
Höhenangst - um es mal wohlwollend zu
formulieren – zu schaffen machte, marschiert
wurde, bereitete uns im Endeffekt aber
weniger Sorgen, als dass es mehrere Kilometer
dauerte, bis wir an das erste geöffnete Kiosk
kamen. Nach einer guten Stunde betraten wir
dann wieder unser Zimmer, in dem MJ mit
mehreren Burgern von KFC bestimmt schon
seit drei Minuten auf uns wartete. Super
Zeitersparnis, so ein Bus.
Lang aufhalten war aber nicht, kurz frisch
gemacht und schon zog es uns zu viert – MJ
wollte erstmal schlafen – nach einer
Nahrungsaufnahme bei KFC (wird hier nur
erwähnt, da es unser einziges wirkliches
Fastfoodverbrechen der Tour war) in eine Bar
in einer Seitenstraße der Knez Mihailova, in der
wir auf Moritz trafen, der hier schon wieder mit
internationalsten Saufpartnern übers Leben
schwadronierte und Partizan Lieder in
perfektem Serbisch intonierte. Nachdem wir
zunächst von der hübschen Bedienung auf
einer Treppe mitten im Laden platziert
wurden, kam Fritz nach einem Toilettenbesuch
mit seinem neuen besten Freund zurück, der
uns eine Etage weiter oben zu sich an den Tisch
holte. Hier saßen wir dann mit absoluten
Klischeehools von Motor Lublin und lauschten
deren Geschichten. Die anfängliche Skepsis
war spätestens dann verflogen, als der Tisch
voller Bier stand, Polen die keinen Wodka
trinken hatte ich bis dahin aber auch noch nicht
kennengelernt. Leider spielte die Ein-Mann-
Band in einer solchen Lautstärke, dass die
Konversation teilweise schwierig bis unmöglich
wurde, waren die Storys über Kämpfe und
erlittene Verletzungen sowie Bündnisse und
Feindschaften in Polen doch mehr als
interessant. Als die illustre Runde jedoch noch
von CSKA Moskva Lads erweitert wurde, von
denen ich mit dem bösesten Blick, den ich je
gesehen habe – ja, dagegen schaut selbst der
Gesichtsausdruck eines intrigierenden Jo
Gerners aus wie der eines Leopardenbabys –
über meine Meinung zum Ukrainekonflikt
ausgefragt wurde, war es wirklich an der Zeit
zu gehen. Dieselbe Idee hatte Lublin auch, und
so befanden wir uns bald schon in großer
Runde auf den eiskalten Straßen. Mittlerweile
hatte MJ auch ausgeschlafen und wollte wieder
zu uns stoßen, zunächst musste er aber einen
fingierten Angriff von Mr. Oberhool abwehren.
Ich glaube, so schnell ist MJ nicht mehr
gelaufen, seit er vor 15 Jahren letztmalig die
100 Meter in unter elf Sekunden abgerissen
hatte. Fand und findet er bis heute aber nur so
semi-lustig, wobei er diese Meinung auch
relativ exklusiv hat. Jetzt hätte der Abend
eigentlich enden können, doch auf der Suche
nach dem ihm angepriesenen fünf Euro Puff
musste Mr. Ich-verdecke-mein-Thor-Steiner-
Polo-mit-einer-Nordic-Division-Jacke noch
seine politische Weltanschauung zum Besten
geben. Details erspare ich jetzt mal, das fanden
wir hingegen nur so semi-lustig (wobei
natürlich von Anfang an klar war, mit was für
Leuten wir es zu tun hatten). Wenigstens
wusste er, dass er ein Rassist ist, aber…
Kurze Zeit später waren wir aber wirklich
wieder auf uns alleine gestellt und ließen den
Abend bzw. mittlerweile schon die Nacht in
einer Sportsbar ausklingen. Fritz schlief, MJ,
wenig begeistert vom Verlauf des Abends, sah
es vor mit ihm nach Hause zu gehen, der Rest
trank sich zwischen Diskussionen um
Prostataorgasmen und Tanz- und
Gesangseinlagen auf dem Interieur des Ladens
die restlichen Gehirnzellen weg. Als Chuck mit
seinem ersten Wurf auf die Dartscheibe mitten
ins Bullseye traf, hätte man den Abend nicht
besser zusammenfassen können, jedes
Drehbuch wäre für diesen Moment zerrissen
worden. Und was hatte die Bedienung
eigentlich für eine geile Hose an?
Damit war Beograd auch schon wieder passé.
Am für uns gefühlten frühen Sonntagmorgen
beförderte uns Air Serbia relativ ruhig nach
Athen, wo wir nach einer schier endlosen
Metrofahrt irgendwann am Omonia Platz
ausstiegen. Da wir nicht unendlichen Puffer bis
zum Anstoß des nächsten Derbys hatten, hieß
es hier nicht die erstbeste Bleibe für die
nächsten beiden Nächte zu finden, sondern
lediglich die erste. Und Freunde der Nacht, was
soll ich euch erzählen? Wir wurden nicht
enttäuscht. Für zehn Euro pro Person und
Nacht durften wir unsere geschundenen
Körper auf den durchgelegenen Matratzen des
Athina Hostels (oder so ähnlich) ausruhen. Was
sich im ersten Moment relativ unspektakulär
anhört, bedarf einer kurzen Erläuterung. Der
Weg in den fünften Stock war natürlich völlig
unbeleuchtet, man könnte auch sagen, trotz
der Tageszeit stockdunkel, was aber vielleicht
auch gar nicht so verkehrt war, so konnte man
die mit Gittertoren abgesperrten Stockwerke
nur schemenhaft erkennen. War das ne
Irrenanstalt? Als wir die Rezeption betraten,
wurde dieser Verdacht ob des dort arbeitenden
Herbergsvaters weiter bekräftigt. Diese Helge
Schneider Karrikatur saß da an seinem
Schreibtisch, senkte den Blick zu Boden und
machte – nichts. Selbst als wir zu fünft vor ihm
standen erfolgte keinerlei Reaktion. Lebte der
noch? Nach einem kurzen Räuspern
meinerseits konnten wir diese Frage immer
noch nicht abschließend beantworten. Zwar
bewegte er sich jetzt, doch seine Augen sahen
nicht sehr lebendig aus. Keine Ahnung, was der
sich reingepfiffen hatte, aber fünf Stockwerke
tiefer auf der Straße bekommt man ja alles,
von daher. Immerhin hatte er – wie wohl jeder
Grieche – einmal eine Zeit lang in Deutschland
gelebt und tourte als Kneipensänger durch die
verschiedensten Städte. Wenn seine
Performance dabei genauso gut war wie die
seiner neuen Profession, wundert es mich
nicht, dass er seine Karriere aufgegeben hat.
Seine nächste Amtshandlung bestand nämlich
darin, in eine Schüssel voller Schlüssel zu
greifen, darin herumzuwühlen, scheinbar
wahllos einen rauszuholen, ihn uns zu
präsentieren und ernsthaft zu sagen: „You are
luck“. Alter. Da sind eine Million Schlüssel drin,
und du tust so, als wäre das ein Weltwunder,
dass du einen gefunden hast. Ich weiß nicht, ob
das annähernd so skurril rüber kommt wie es
für uns war, aber in diesem Moment mussten
wir die schier unmögliche Balance zwischen
dem dringenden Wunsch wegzurennen, vor
lachen nicht zusammen zu brechen und seriös
zu bleiben finden. Irgendwie gelang es uns,
also auf ins Zimmer. Der Freak (Bezeichnung
stammt aus einer Internetbewertung dieses
Ladens) schloss die Tür auf, schaute kurz rein
und meinte sinngemäß nur ganz trocken: „Oh,
hier liegt ja schon einer drin. Den muss ich jetzt
umquartieren. Also ihr. Sagt dem, wenn er
kommt, dass er in ein anderes Zimmer soll“.
Klar, machen wir doch gern, dafür folgen wir
dir auch auf Besichtigungstour durch die
restlichen Räume. Dass die Duschen nicht in
allerbestem Zustand waren, geschenkt. Dafür
gab es ja ein Solarium. Sagte zumindest der
Freak. Gemeint war damit eine von
Solarenergie betriebene Dusche. Warmes
Wasser gibt es nur, wenn die Sonne scheint.
Heute war schönes Wetter, sagte der Freak.
Also ist heute das Wasser warm. Den
Schlusspunkt und krönenden Abschluss seines
Erlebnisspaziergangs setzte er dann in der
Küche. Hier ein kurzer Fingerzeig auf zwei
Töpfe, die auf der Waschmaschine standen,
dazu der original wiedergegebene Kommentar:
„Here you can cook. Spaghetti…or salad“. Und
ich wiederhole, der Kerl sah aus wie Helge
Schneider, nur etwas korpulenter, hatte ein
ausgewaschenes und aufgeknüpftes
Satinhemd an und war offensichtlich auf
irgendeinem Drogentrip. Ich glaube, der kocht
sich wirklich Salat auf der Waschmaschine ;-)
Das mussten wir erstmal verarbeiten. Also
schnell in den schneeweißen Hoodie und die
pechschwarzen Chucks geschlüpft und als
Quartett auf den Weg zum OAKA gemacht.
Einmal dürft ihr raten, wer beim Freak
geblieben ist und sich somit freiwillig bereit
erklärt hatte, unserem Noch-Zimmergenossen
von dessen bevorstehendem Auszug zu
berichten. Zu MJs Ehrenrettung sei aber
gesagt, dass er schon seit dem gestrigen
Abend mit schweren Magenproblemen zu
kämpfen hatte und sich eigentlich kaum auf
den Beinen halten konnte (und das ist ernst
gemeint, muss ich ja immer dazu sagen). Am
Olympiagelände angekommen, konnten wir
gleich auf semilegalem Wege
Zugangsberechtigungen für faire fünf Euro
erstehen. Dabei wurde uns auch gleich vor
Augen geführt, wie streng die Handhabung mit
der eigentlich verpflichtenden AMKA Nummer
(griechische Sozialversicherungsnummer,
muss laut Gesetz bei jedem Kauf einer
Eintrittskarte für irgendeine Veranstaltung
angegeben werden) ausgelegt wird. Bei uns
bestand diese lediglich aus einer Ansammlung
verschiedener Einsen. Für was wir die Karten
überhaupt gekauft hatten, ist allerdings auch
wieder so eine typische Frage. Eigentlich
galten diese für die Kurve, bis wir in dieser
standen, wurde nicht ein einziges Mal auf eine
etwaig vorhandene gültige Eintrittskarte
geachtet. Gut, in die Kurve wollten wir nicht,
also schauten wir mal, ob dies in den anderen
Sektoren auch so easy funktionieren würde.
Hier wurden jedoch die Karten nach Passieren
des Drehkreuzes kontrolliert und auch
gescannt, allerdings war den Ordnern gerade
mal scheißegal, was auf der Karte stand oder
ob nach Scannen das falsche Licht leuchtete.
So konnten wir das kleine Athener Derby – für
beide ist der Hauptfeind natürlich Olympiakos
– ganz bequem von der Tribüne aus verfolgen.
AEK F.C. – Panathinaikos A.O. 1:0
30.000 (Gästeverbot)
1.Liga Griechenland, So. 28.02.16
Die gleiche Partie in umgekehrter
Konstellation sah ich vor vier Jahren schon
einmal an selber Stelle. Damals war ich vom
allgemeinen Zuschauerzuspruch etwas
enttäuscht. Entsprechend groß waren meine
Augen heute, als wir endlich einen für uns
akzeptablen Platz einnehmen konnten. Klar,
das Olympiastadion – im Volksmund nur OAKA
(„Olymbiako Athlitiko Kendro Athinon,
sinngemäß Olympischer Sportkomplex Athen,
also eigentlich die Bezeichnung des gesamten
Areals) genannt – ist und bleibt völlig
überdimensioniert, aber heute dürfte es gut
zur Hälfte gefüllt gewesen sein. Ich tippe mal
auf mindestens 30.000 Zuschauer, so genau
weiß man das ja auch nie, die offiziellen
Angaben entsprechen ja selten den tatsächlich
Anwesenden – Stichwort Steuer sparen und so
(offizielle Angabe heute: Etwas mehr als
20.000). Neben dem attraktiven Gegner wird
auch die sportliche Situation zu diesem
Andrang beigetragen haben. Nachdem AEK zu
Ende der Saison 12/13 aus finanziellen Gründen
in die Drittklassigkeit zurück musste, gelang
der Durchmarsch und man spielt seit dieser
Saison wieder da, wo man hingehört. Aber
nicht nur das, vor Anpfiff lag man auf Rang
zwei der Tabelle und damit ebenso viele
Punkte vor dem heutigen Gegner und
Stadtrivalen. Zwar ist die Meisterschaft wie
jedes Jahr schon längst an Olympiakos
vergeben, trotzdem konnten diese vor zwei
Wochen mit 1:0 aus dem OAKA geschossen
werden, was die Euphorie nochmals zusätzlich
anfeuerte. So erklärt sich die hohe
Besucherzahl heute, ansonsten verirren sich
oftmals keine 10.000 ins Olympiastadion. Die
Anhängerschaft wird verständlicherweise nicht
warm mit diesem Exil. Nachdem AEKs
eigentliches (und unfassbar geiles) Stadion im
Stadtteil Nea Filadelfia beim Erdbeben 1999
erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde,
riss man es 2003 ab, um im Zuge der
olympischen Spiele einen Neubau an gleicher
Stelle zu errichten. Aber natürlich wurde dieser
nie realisiert, und seit dem muss AEK seine
Heimspiele auf dem Olympiagelände
austragen. Bemühungen, ein eigenes Stadion
in Nea Filadelfia zu bauen, wurden in der
Zwischenzeit regelmäßig unternommen,
scheiterten aber an verschiedensten Instanzen.
Pläne für das neue Stadion sind
abgeschlossenen, (viel zu niedrige)
Kostenkalkulationen ebenso, nur der
Baubeginn lässt noch auf sich warten.
Ursprünglich sollte die als „Agia Sophia“
betitelte neue alte Heimat Ende 2015 fertig
sein, dann 2016, mittlerweile heißt es lediglich
„very soon“. Der Name stellt dann auch direkt
Bezug zur Geschichte AEKs her, wurde dieser
doch 1924 von aus Konstantinopel
vertriebenen Griechen gegründet (AEK =
Athlitiki Enosi Konstantinoupoleos =
Sportvereinigung Konstantinopel). Nicht
zufällig ziert deshalb auch der byzantinische
Doppelkopfadler das Wappen AEKs, ist dieses
doch auch das Symbol der griechischorthodoxen
Kirche (analog kann man diesen
historischen Kontext auch auf PAOK
übertragen).
Und auch wenn das OAKA für den normalen
Ligabetrieb völlig überdimensioniert ist, muss
ich zugeben, dass ich es doch relativ geil finde.
Diese Dachkonstruktion macht schon was her.
Weniger gut war unsere Sicht auf das Spielfeld
in der ersten Hälfte, saßen wir doch relativ weit
unten. Dafür war der Blick in die Kurve umso
besser. Diese war mit allerlei erbeuteten
Fahnen behangen, dahinter sang man sich
angefeuert von Original 21 schon vor
Spielbeginn mächtig warm. Machte Bock auf
mehr, und dieses Mehr gab es dann mit einem
wunderschönen Pyrochaos zum Einlauf der
Mannschaften. Leider flachte danach die
Stimmung erstmal etwas ab und nur der
mittlere Teil der Kurve war am Durchdrehen,
dafür wurde aber die grün-weiße Beute dem
Flammengott übergeben – übrigens auch am
gegenüberliegenden Ende der Geraden, wo
sich ein zweiter Pöbelblock versammelte und
ordentlich Diebesgut und Silvesterartikel dabei
hatte. Nachdem alles fein säuberlich verkohlt
war, konnte der Zaun richtig beflaggt werden,
auch wenn mir die Fahnen hier nicht wirklich
zusagten. Nach diesen zu urteilen, waren heute
Gäste aus Marseille und Livorno anwesend.
Den Rest des ersten Durchgangs schwankte die
Stimmung dann irgendwo zwischen naja und
fantastisch, aber selbst die ruhigste Phase war
immer noch aufregender als das Spiel an sich.
Daher auch dazu erstmal keine weiteren Worte
;-)
Die zweiten 45+ Minuten wollten wir uns dann
aufgrund der besseren Sicht vom Oberrang aus
anschauen. Was sich im ersten Moment wie
eine Superidee anhörte, entpuppte sich im
Endeffekt als ziemliche Katastrophe. Es war
von unten auch einfach nicht zu erahnen, dass
dieser komplett überfüllt war. Fast die
komplette Pause benötigten wir, um einmal
die Längsseite der Tribüne zu überqueren, nur
um am anderen Ende wieder in den Unterrang
zu wechseln. Genau als der Referee die zweite
Hälfte für eröffnet erklärte, hatten wir wieder
Sicht auf Spielfeld und Kurve – und damit noch
genau rechtzeitig. Der Pfiff des Schiris war
nicht nur Startsignal für die 22 Mannen auf
dem Rasen wieder loszulegen, auch die Kurve
erwachte aus ihrer zwischenzeitlichen
Lethargie. Dicker schwarzer und gelber Rauch,
jede Menge Bengalen und ein mehr als fünf
Minuten anhaltendes Bombardement mit C4
Sprengsätzen ließen unsere Augen und
Kameras nur noch in das mittlerweile weit
entfernte Stimmungszentrum blicken. Danach
wurde auch akustisch eine ganze Schippe
draufgelegt, teilweise stieg das komplette
Stadion ein, Leute am Ausrasten, kleine Kinder
warfen mit Wasserflaschen durch die Gegend,
jedes zweite gehörte Wort war „Malaka“ und
das Ganze immer untermalt von diesen
perversen griechischen Melodien. Absolut geil
– man wünschte sich nur noch ein passendes
Spiel auf dem Rasen dazu. Doch da passierte
so gut wie nichts. Umso größer nicht nur der
Jubel der anwesenden Zuschauer, auch wir
konnten uns einen kleinen Ausschrei der
Freude nicht verkneifen, als Ronald Alejandro
Vargas Aranguren in der 78. Minuten einen
direkten Freistoß in den Winkel zwirbelte. Und
war es bis hierher trotz des miserablen Kicks
schon ziemlich abgefahren, kamen wir jetzt
aus dem Staunen nicht mehr raus. Über die
überkochende Atmosphäre muss ich nichts
mehr sagen, aber plötzlich wurde sich auf dem
Platz zusammen getreten, dass es eine wahre
Pracht war. Nicht weniger als sechs gelbe
Karten und zwei Platzverweise folgten bis zum
Abpfiff nach 98 Minuten, allesamt wegen
„überharten Einsteigens“. Ein Traum. Schade,
dass die erst so spät damit angefangen haben,
andererseits auch verständlich. Hätten die von
Anfang an so getreten, hätte das Spiel wohl
mangels spielberechtigter Akteure nach 30
Minuten abgebrochen werden müssen.
Völlig begeistert verließen wir den Ort des
Geschehens. Der Bierkauf für die
anschließende Rückfahrt verzögerte sich zwar,
da man uns nicht an jedem Stand bedienen
wollte, trotzdem konnten wir noch relativ gut
ausgestattet an der Metrostation Monastiriki
aussteigen, wo für uns im Anschluss der
kulturelle Höhepunkt des Trips anstand:
Saufen mit Akropolisblick. Dafür bezahl ich
dann auch gerne neun Euro für einen zwei
Finger breiten Cocktail – und ich habe echt
schmale Finger, fast schon feminine. Der Rest
des Abends ist wieder schnell erzählt: Nach
unserem günstigen Scheidebecher in der
Rooftopbar wollten wir das bisher erlebte noch
bei einem gemütlichen allerletzten Bier
auswerten, lange Zeit und viele Schnäpse – u.a.
wurde uns auch ein absoluter Geheimtipp
kredenzt: so ein Anisgedöns mit Stücker drei
Kaffeebohnen, den man dann anzünden muss.
Nennt man hier wohl Sambuca…oh mann –
später wurden wir gebeten, die schon längst
geschlossene Lokalität zu verlassen, nur um
auf dem Heimweg nicht auf die Vernunft,
sondern auf die aus der nächsten Kneipe
ertönende Musik zu hören. Hier wiederholte
Fritz sein Schlafprogramm vom Abend zuvor,
während sich die restlichen drei Fragezeichen
um Kopf und Kragen tranken. Danach war aber
auch wirklich Schluss, und zur Feier der Nacht
spendierte Fritz ein Taxi, das uns für 2,39€ zum
Omonia Platz kutschierte. Da muss man sich
echt nicht wundern, dass das Land pleite ist,
wenn nicht mal die besoffenen Touristen beim
Taxifahren abgezockt werden. Am Omonia
kaufte Chuck noch kostenneutral am Kiosk ein,
ehe wir nach einem finalen Tanz zu Hoodie &
Chucks auf unseren Betten in eben jene fielen.
Sensationeller Tag.
Die muffige Luft in unserer Unterkunft schien
irgendeine heilende Wirkung zu besitzen, da
am nächsten Morgen nicht nur keinerlei
Nachwirkungen der Pressbetankung
auszumachen waren, auch MJ wirkte wieder
quietschfidel, was er am ersten Kiosk direkt
bestätigte. Nach einem wahren
Fleischmassaker – dass solche Berge
aufgetischt wurden, hielten wir für völlig
unbegründet – umrundeten wir kurz die
Akropolis, schauten eine Aufführung einer
Highschoolklasse aus Dallas an und stellten
fest, dass Fritz wohl Ähnlichkeit mit einem
Starfotografen haben muss, so viele Portraits
wie er von fremden Leuten knipsen musste.
Wer die erste Ausgabe unserer kleinen Postille
gelesen hat, wird sicherlich festgestellt haben,
dass ich ja ein kleines Problem mit diesem
Selfiewahn und dem Wort an sich habe. Ad
absurdum führten wir dies auf unserem Weg
den Akropolis-Hügel hinab, waren wir danach
doch stolze Besitzer einer Selfiestange. Bis
zum bald folgenden Verlust dieser sind aber
auch einige Meisterwerke entstanden.
Zusätzlich fungierte unser neuester Erwerb als
Opener für eine direkt anschließende
Stadtführung eines sehr seltsamen Kauzes. Der
ältere, kleinwüchsige Herr im feinen
Nadelstreifenanzug und mit Aktenkoffer wollte
uns die Welt erklären und einen Ouzo mit uns
trinken. Nur einen, aber nicht irgendwo an der
Hauptstraße, da wäre es zu teuer, nur in „small
bars“. So überquerten wir ohne auf den
Verkehr zu achten mehrere stark befahrene
Straßen, hörten uns einen Spartipp nach dem
Andern an, und landeten schließlich in einer
„small bar“ – natürlich direkt an der
verkehrstechnischen Hauptader. Das uns
versprochene urige Ambiente bestach durch
süßlichen Parfumgeruch, die einzigen weiteren
Gäste waren weiblich und hatten ebenso kurze
Röcke wie hohe Schuhe und der Ouzo schlug
mit absolut günstigen fünf Euro zu Buche. Ob
der Kerl sich nicht selbst schäbig vorkam?
Lange bleiben wir auch nicht, mit Verweis auf
den bald folgenden Anpfiff im Stadtteil
Peristeri machten wir uns ohne anzustoßen
wieder von dannen. Kann ich empfehlen,
dieses Cafe Merlin. Vielleicht verirrt sich ja
aufgrund dieses Tipps ein Leser dort hin und
trinkt einen Schampus mit seiner Traumfrau,
dann will ich aber auch die gleiche Provision
haben wie unser freundlicher Begleiter. Warum
er uns allerdings ständig erzählte, dass wir kein
Gel in die Haare schmieren sollen, weiß ich bis
heute nicht.
Fünf Metrostationen, zehn Fußminuten und
nochmal so viele Zeiteinheiten in der nicht
vorhandenen Schlange beim Kartenerwerb
später betraten wir das Stadion Peristeriou,
heute ausnahmsweise mal nach Körper- und
ernsthaft durchgeführter, elektrischer
Kartenkontrolle.
P.A.E. Atromitos – Iraklis Saloniki 1:0
800 Zuschauer (Gästeverbot)
1.Liga Griechenland, Mo. 29.02.16
Bevor wir uns auf der Gegentribüne
niederließen, überprüften wir erst einmal, was
im „Members Club“ so geht. Dabei handelt es
sich um so etwas wie ein Vereinsheim auf dem
Dorfsportplatz. Am äußersten Ende der
Tribüne gelegen, waren wir mehr als froh, dass
wir hier aus Dosen frisch gezapftes Alfa
erwerben konnten. So ließ sich die Zeit bis
Anpfiff gut überbrücken, eigentlich war es im
Nachhinein eh völliger Humbug, dass wir
unsere Ärsche überhaupt auf die
Plastikschalen bequemten. Das Spiel toppte
den gestrigen Grottenkick nochmal um ein
Vielfaches, jedes Wort dazu wäre eins zu viel,
nicht mal etwas Kurioses passierte (das waren
damit schon mindestens elf Wörter zu viel), die
einheimischen und ultralinks gerichteten Ultras
der Fentagin überzeugten nur durch einige
schöne Graffitis im Stadionumfeld. Etwas
enttäuschend war das schon. Für mich war es
ja heute der Zweitbesuch hier (womit ich seit
Donnerstag die vierte Groundbestätigung in
Folge absolvierte), vor vier Jahren waren die
Heimfans noch die Überraschung der Tour und
sorgten für fantastische Atmosphäre. In der
Zwischenzeit ist der sportliche Höhenflug
vorbei, das Geld sitzt noch knapper und
überhaupt ist man eh beim Hallensport
präsenter als beim Rasenschach, trotzdem
waren die lediglich 30 Hanseln viel weniger als
erwartet. Ebenfalls doof, dass diese auf der
selben Tribüne standen wie wir, obwohl direkt
anschließend eine sahnemäßige Stehtraverse
in blau-weißen Vereinsfarben aus dem Boden
emporragt, die starke Erinnerungen an
Argentinien hervorrief. Die leise Hoffnung auf
einen kleinen, aber sehr feinen Gästepöbel aus
Saloniki zerschlug sich auch mit Blick auf den
etwas abseits stehenden und schon gut
entstuhlten Gästeblock, da hier nicht mal ein
Ordner zugegen war. War zwar aufgrund des
größtenteils herrschenden Gästeverbots zu
erwarten, aber da die großen Athener Vereine
hier in letzter Zeit ordentlich auftrumpfen
durften, hatten wir ein kleines bisschen
Resthoffnung. Geschenkt, der Membersclub
hatte ja offen, so gab es wenigstens während
unserer Gesprächsrunden keine trockenen
Mäuler, während MJ weiter an seinen
Knabberkünsten feilte. Aber ohne Scheiß, im
Prinzip sind diese Kerne eine super Sache. Man
ist beschäftigt, kann sich vom Spiel ablenken
und raucht nicht (gerade der letzte Punkt ist
ein Argument dafür, dass Kollege MJ noch
mehr Kerne kauen sollte ;-)). Als positiver
Nebeneffekt lösen sie auch noch ein akkurates
Durstgefühl aus, dass uns nach Beendigung der
Partie sofort wieder in den Members Club
führte. Chuck und ich kümmerten uns um die
Getränkebestellung bei den reizenden
Servierschwestern, von denen leider nur die
optisch weniger anprechende auf uns stand.
Nachdem in der Halbzeitpause unsere Order
eines White Russian an den Sprachkenntnissen
der Bedienung scheiterte, wollten wir unsere
Reisepartner diesmal mit einem leckeren
Bacardi-Fanta überraschen. Vier Euro sollte so
ein Teil kosten, dafür wurden diese auch
stilecht in 0,5l Pappbechern aufgetischt. Ich
weiß nicht, wann ich das letzte Mal so
ungläubig aus den Augen geschaut habe, aber
die Alte hat ungelogen die komplette Flasche
Bacci auf die fünf Becher verteilt (gut, wenn ich
ehrlich bin, war es eine dreiviertel Flasche, aber
dafür hatte diese auch ein ursprüngliches
Fassungsvermögen von einem Liter). Für
besonders viel Fanta blieb da natürlich kein
Platz mehr, und als wir irgendwann das
Stadion durch den Ausgang der Gaststätte
verließen (Memo an mich selbst: Beim
nächsten Mal überprüfen, ob man hier auch
rein kommt) waren wir logischerweise nur ganz
leicht angetüdelt.
In der City folgte dann nur noch das völlig
übertriebene zweite große Fressen des Tages,
danach noch ein paar wenige Getränke im sehr
schönen Altstadtviertel Plaka und dann war
auch mal Zeit zum Ausruhen.
Der folgende Dienstag stand eigentlich nur im
Zeichen des Transfers nach Thessaloniki. Bis
zur Abfahrt des Zuges hatten wir jedoch noch
genügend Zeit, in der Fritz noch schnell die
Zugtickets im Hostel drucken wollte.
Immerhin wurde uns der Drucker vom
sogenannten Freak als eines der Highlights
angepriesen. Unverrichteter Dinge und
sichtlich verstört kam Fritz jedoch in unser
luxuriöses Apartment zurück, er brabbelte
lediglich etwas davon, dass ihm eine
mysteriöse Stimme aus dem Off die Nutzung
des Druckers untersagte. Spukte es hier jetzt
auch noch, oder was? Endgültig konnten wir
das Rätsel nicht lösen, beim Auschecken
mussten wir aber auch mit dieser Stimme
kommunizieren. Alter, da sitzt der Freak
irgendwo hinter einer verschlossenen Tür,
beobachtet uns und gibt mit seiner unfassbar
verstörenden Stimme Anweisungen, was wir
beim Check-Out zu beachten haben. Gesehen
haben wir ihn freilich nicht mehr. Als wir
endlich die Tür zum letzten Male hinter uns
schließen konnten, durften wir uns auch
nochmal von der Hygiene überzeugen, da
unser als Test nach Ankunft ausgelegter Keks
immer noch auf der letzten Treppenstufe vor
dem Portal zur Hölle lag. Und als wir auf dem
Weg die Stufen hinab zum ersten Mal andere
Menschen im Treppenhaus erblickten,
erhärtete sich der Verdacht, dass sich eine
Irrenanstalt in diesem Gebäude befinden muss.
Wenn ich mal einen Horrorfilm drehe, weiß ich
zumindest schon mal die Location.
Bis zur Abfahrt des Zuges kümmerten sich vier
Fünftel der Reisegruppe um Kalorienzufuhr in
unterschiedlichster Form, während euer
liebgewonnener Schreiberling zum ersten Male
mit Problemen im Magen-Darm-Trakt zu
kämpfen hatte und sich sowohl anal als auch
oral entgiften musste. Zur Entschädigung
durfte dieser Eisenbahnromantiker die
nächsten Stunden aber in seinem
Lieblingsfortbewegungsmittel verbringen. Was
hat er nicht alles die Werbetrommel gerührt:
Traumhafte Landschaften, gemütliches Abteil,
wir werden uns wünschen, nie anzukommen
und was weiß ich noch alles. Bullshit. Aus dem
Fenster gucken war nicht, die Abteile waren
alle belegt, wirklich vorwärts ging es auch nicht
– zum Glück schlief ich die meiste Zeit, so
entging ich den Schimpftiraden der dem
Zugfahren weniger zugeneigten Vögel.
Bevor wir in Thessaloniki ankamen, noch ein
paar abschließende Worte zu Athen. Es lässt
sich nicht verleugnen, dass die Auswirkungen
der Wirtschaftskrise offensichtlich sind.
Wirklich viele leerstehende Läden, Obdachlose
gehören zum Straßenbild dazu wie in Buenos
Aires und bei vielen Gebäuden hat man das
Gefühl, dass diese schon in weiser Voraussicht
als Ruine oder Rohbau geplant wurden. Ich war
jetzt das vierte Mal hier, und trotz erlebter
Generalstreiks hatte ich das so offensichtlich
noch nicht mitbekommen. Dazu leben jetzt
noch viele Flüchtlinge auf den Straßen (auch
wenn MJ diese um ihre Decken beneidete), so
dass sich teilweise schon ein recht
deprimierendes Bild ergibt. Immerhin hatte ich
das Gefühl, dass rund um den Omonia Platz
weniger Junkies und Nutten unterwegs waren
als zu früheren Zeiten. So richtige Drogenopfer
sahen wir eigentlich nur zwei. Einer davon tat
so, als würde ein Hostel leiten…
Jetzt waren wir aber in der zweitgrößten Stadt
Griechenlands angekommen. Etwas über
300.000 Menschen leben in der Kernstadt,
dazu kommen nochmal 81.000 Studenten –
das klang doch vielversprechend. Von der
wechselhaften und über 2000jährigen
Geschichte der Stadt zeugen die überall
stehenden historischen Baudenkmäler aus
römischer, byzantinischer und osmanischer
Zeit. Bereits seit 1988 gehören die vielen
byzantinischen Kirchen zum Unesco Welterbe,
weithin bekanntes Wahrzeichen ist der im 15.
Jahrhundert unter osmanischer Herrschaft
entstandene Weiße Turm. Zum Glück habe ich
das Kreuz im Welterbeinformer schon gesetzt,
mit diesen Kulturbanausen wäre das nämlich
nicht möglich gewesen ;-)
Dafür ging es nach Hostelbezugs – nach den
Erfahrungen aus Athen sind wir diesmal
vorsichtshalber auf Nummer sicher gegangen –
direkt auf die Pirsch. Nach dem vielleicht
besten Essen der Tour (und wir haben
insgesamt wirklich fantastisch gespeist)
folgten wir Tourguide MJ, der einige
Geheimtipps von einem Franzosen, der aus
seinem Hostelzimmer in Athen verbannt
wurde, sowie von seiner Lieblingsseite – also
nach youporn -,nämlich „spottedbylocals“,
parat hatte. Um ihn nicht noch mehr in die
Scheiße zu reiten, mache ich es kurz. Wir eilten
von Flop zu Flop, obwohl in den Bars am
Meerufer der Bär steppte (wie lange habe ich
denn diese Phrase nicht mehr genutzt?). Wieso
sollte man auch da hin gehen, wo viele
stöckelnde Frauen sind, wenn das Internet (und
ein Franzose!!!) andere Vorschläge bereit hält.
Wenigstens waren wir dadurch am Mittwoch
fit.
Oh ja, der Mittwoch :-)
Nachdem wir den ersten spielfreien Tag des
Trips hinter uns gebracht hatten, stand heute
das eigentliche Highlight an: PAOK vs.
Olympiakos im Hinspiel des Pokalhalbfinals.
Bis zum Kick Off am Abend taten wir einfach
so, als wären wir in Italien und gaben uns bei
vorsommerlichen 22 Grad mit Pasta und Gelati
an der Strandpromenade, auf der an einem
Mittwochmittag jede Bar gerammelt voll war,
dem Dolce Vita hin. Aufgrund unseres
Nahrungsverhaltens outeten wir uns auch
gleich als Ortsfremde, waren wir doch so
ziemlich die Allereinzigsten, die nicht an einem
Frappé nuckelten. Nachdem wir dann auch die
Ticketfrage sowohl für die Weiterfahrt nach
Tirana als auch für das abendliche Spiel (in
einem Handyladen) großteils zufriedenstellend
geklärt hatten, machten wir uns langsam aber
zielstrebig auf Richtung…Hostel. Schließlich
galt es hier noch, den fehlenden fünften der
Reisegruppe einzusammeln. Ihr werdet es
wahrscheinlich erahnt haben, aber bei diesem
handelte es sich natürlich um – Trommelwirbel
- MJ, der den Tag in französischer Gesellschaft
mit wahllosem Bierkonsum verbrachte.
Nachdem wir ihn befreit hatten, gönnten wir
uns ein Taxi direkt zum Toumba. Überhaupt
erstaunlich, wie oft wir uns von diesen
befördern ließen, aber so günstig wie die
waren, war das am Ende billiger als laufen. Am
Stadion angekommen, entließ uns der Fahrer,
der vorher gemeint hatte, dass PAOK nicht
mehr so wild wäre wie früher und heute die
Leute hauptsächlich zum Weintrinken ins
Stadion gingen, mit den Worten „Be careful“.
Auf unsere Antwort, dass wir das sein werden,
konterte er nur nochmals: „No, really, be
careful“. Klar, PAOK ist nicht Offenbach, ist
uns schon bewusst, dass man sich hier
gefälligst zu benehmen hat. Auch klar, ich habe
PAOK schon mehrmals gesehen und auf
meiner Liste der übelst-aussehenden Mobs
rangieren sie unangefochten auf Platz eins,
weshalb uns schon bewusst war, dass man sich
hier gefälligst zu benehmen hat. Aber was sich
mit Verlassen des Taxis abspielte, ist nur
schwer in Worte zu fassen.
PAOK FC – Olympiakos Pireaus 1:2 abgebr.
30.000 Zuschauer (Gästeverbot)
Pokalhalbfinale, Mi. 02.03.16
Es war wie das vielzitierte, aber selten wirklich
zutreffende Bild vom Eintritt in eine andere
Welt. Gut, wir wurden auch auf Seite der Kurve
rausgelassen, hier sah aber wirklich fast jeder
so aus, als würde er dich ohne mit der Wimper
zu zucken in Stücke reißen. Die
Jogginghosenquote lag bei annähernd, die der
schwarzen Hoodies und Jacken bei fast schon
über 100%. Wobei: Nein. Eine von einem
unbeugsamen MJ getragene rote Jacke hörte
nicht auf, dem heimischen Pöbel Widerstand
zu leisten. Dass das mal wieder nicht die beste
Idee war, erkannte er aber glücklicherweise
gleich selbst und trug sie fortan nur noch in
seinen Händen, während sein Hals ab da von
einem PAOK Schal geschmückt wurde.
Dachten wir noch beim Betreten dieser
fremdartigen Welt, dass sich die
schwarzgekleideten Ausgeburten der Hölle
ordentlich auf das Spiel einböllerten, wurden
wir nach einigen zurückgelegten Metern eines
Besseren belehrt, als wir anhand der
meterhohen Stichflammen erkannten, dass es
sich bei den Böllern um Molotowcocktails
handelte, die von einem aufgebrachten,
vermummten Haufen in Richtung Polizei
geschleudert wurden. Dieses Schauspiel
beobachteten wir solange, bis uns der
Gegenangriff der Staatsmacht in Form von
Reizgaspatronen zum Rückzug zwang. Herzlich
willkommen bei PAOK.
Wir sahen es dann mal lieber vor, uns etwas zu
entfernen und auf den Gebrauch unserer von
Geburt an erlernten Sprache zu verzichten –
hielten wir in diesem Moment ausnahmsweise
mal nicht für völlig unbegründet. Nach einem
kurzen Fanshopbesuch, der jedoch nichts
Aufregendes im Angebot hatte, betraten wir
gute 45 Minuten vor Spielbeginn den
eigentlichen Gästeblock, in dem sich bis auf MJ
natürlich keine weiteren Personen mit roten
Klamotten aufhielten. In Griechenland ist es ja
gerade bei brisanten Spielen oftmals so, dass
die Stimmung vorm Anpfiff besser ist als
während des eigentlichen Hauptaktes, heute
war dies aber nicht so. Gate 4 und Umgebung
sangen sich zwar ordentlich warm, ab und an
auch das ganze Rund, bis zum
gänsehauterzeugenden Einklatschen des
ganzen Stadions überwog allerdings mehr die
Anspannung beim restlichen Publikum. Ist ja
auch verständlich. Die Meisterschaft überzeugt
seit Jahren durch die Definition von
Langeweile, da ist der Pokal für alle anderen
Mannschaften abseits von Olympiakos die
einzige Möglichkeit, einen Titel zu gewinnen.
ausgleichen. Das war dann leider ein gehöriger
Stimmungsdämpfer, bis zum Pausentee
passierte nicht mehr viel. MJ hätte sich auch
gerne einen Pausentee gegönnt, leider wurde
dieser aber im recht provisorischen Catering-
Bereich nicht angeboten, so dass er weiter
frieren musste. War sicherlich auch kalt so
ohne Jacke ;-)
Als die Spieler das Feld betraten, verwandelte
sich die Hintertortribüne in eine grell rot
leuchtende Wand. Immer wenn diese etwas
von ihrer Strahlkraft zu verlieren schien,
wurden weitere Brennstäbe entzündet, so dass
die daraus resultierende Nebelwand den
Anstoß erstmal um einige Minuten verzögerte.
Derweil geizte man auch nicht mit der Nutzung
von Böllern, was sogar den Stadionsprecher zu
einer mahnenden Durchsage verleitete,
wodurch sich das alles andere als nur zum
Weintrinken erschienene Publikum erst recht
angestachelt sah und in einer phänomenalen
Lautstärke die von mir so innig geliebten
bekannten Kurvengassenhauer intonierte. Hell
Yeah - So kann man auch mal ein Spiel starten.
Ähnlich feurig wie die Jungs – nicht nur aus
Gate 4, von Gate 1 bis Gate 8 ebenso –
präsentierten sich auch die Spieler. Nach
tollem Spielzug brachte Róbert Mak die
Hausherren bereits in der neunten Minute in
Führung. Ich glaube, was sich daraufhin
abspielte, muss ich nicht groß erläutern, Worte
könnten es eh nicht annähernd wiederspiegeln.
Leider verflachte danach die Partie, obwohl Ex-
Eintrachtler Tzavellas mit seinen weit nach
vorne gechipten Pässen immer wieder für
Gefahr sorgen wollte. Junge, das hat doch
schon bei uns außer einem 70-Meter-Tor
gegen Neuer nix gebracht. Olympiakos bekam
immer besseren Zugriff und konnte nach
einem nach Meinung der meisten Zuschauer
unberechtigten Freistoß folgerichtig
Ich hab es ja bestimmt schon öfters
geschrieben, aber so ein Stadionbesuch lebt ja
auch oder gerade durch seine Skurrilitäten
abseits des großen Ganzen. Eigentlich wird dir
hier alles geboten: Ausschreitungen vorm
Spiel, eine durch jede Vene gehende
pulsierende Atmosphäre, mehr Pyro als in zwei
Bundesligasaisons, ein hitziges Spiel – aber
wenn es dann auf der Toilette keine
Geschlechtertrennung gibt oder sich ein
kleines Kind vor einem von einer
Styroporpappe ernährt und die Kleidung von
oben bis unten mit Krümeln eben dieser
eingesaut ist, dann sind das erst recht diese
magischen Momente (und ja, der Bub hat das
Teil wirklich gegessen, obwohl sein Vater (?)
neben ihm gesessen hat), die den ganzen
Scheiß so unbezahlbar machen.
So, und bevor ich jetzt zurück zum Spiel
komme, muss ich etwas ausholen. Für das
Verständnis der Ereignisse der zweiten Hälfte
ist dies aber nicht ganz unerheblich.
Wie bereits erwähnt, ist Olympiakos im
griechischen Fußball quasi konkurrenzlos.
Bereits vor Wochenfrist konnte der 43.
Meistertitel eingefahren werden, immerhin der
18. der letzen 20 Jahre. Damit dies bitteschön
auch in den Folgejahren so weiter geht, sagt
man dem Klubbesitzer, Reeder und Oligarchen
Evangelos Marinakis diverse dunkle
Machenschaften nach. Spielmanipulationen
sind da noch der harmloseste Vorwurf, gerne
wird auch mal die Bäckerei eines
unbestechlichen Schiedsrichters in die Luft
gejagt. Aktuell ist er nur auf Kaution draußen,
als Auflage darf er keine fußballbezogenen
Aktivitäten ausüben. Das juckt ihn allerdings
scheinbar herzlich wenig und es geht weiter
wie zuvor. So mal ganz kurz zusammengefasst.
Man kann auf jeden Fall attestieren, dass der
allgemeine Hass auf Olympiakos ins
Unermessliche gestiegen ist – übrigens nicht
nur bei den sogenannten Fußballfans, auch
Funktionäre schlagen sich gerne einmal
gegenseitig in die Fresse.
Für das Tagesgeschehen bedeutete das jetzt,
dass nach dem Führungstreffer des
Serienmeisters die Atmosphäre in eine
Mischung aus blanker Wut und Sarkasmus
umschlug. Nach dem Gästetrainer Marco Silva
von einem vollen Getränkebecher – abgefeuert
übrigens von der Haupttribüne – getroffen
wurde, stand das Spiel das erste Mal vorm
Abbruch. Nach einer längeren Unterbrechung
konnte es dann doch noch weitergehen. Dem
Publikum war das Spiel jetzt jedoch relativ
egal, man fühlte sich schon wieder
verschaukelt und witterte ob der vielen
Entscheidungen zu Gunsten Olympiakos‘ eine
neuerliche Verschwörung. Jeder Pfiff des
Schiedsrichters wurde höhnisch bejubelt, bei
jedem Tackling PAOKs eine gelbe Karte für
den heimischen Akteur gefordert. Wurde ein
Tackling mal nicht gepfiffen, gipfelte das in
einem gellenden Pfeifkonzert. Momente, wie
ich sie auch noch nicht erlebt hatte. Ich kann
jetzt auch gar nicht sagen, ob sonderlich
einseitig gepfiffen wurde, auffällig viel ging
jedenfalls schon in Richtung Olympiakos.
Gehässig wie ich bin, hoffte ich jetzt noch auf
eine herrliche Fehlentscheidung. Es lag einfach
das Potential zur vollständigen Eskalation in
der Luft. Ich konnte ja nicht ahnen, dass in der
85. Minute ein PAOK Spieler direkt vor Gate 4
vom Torwart von den Beinen geholt wird, der
fällige Strafstoß-Pfiff samt Platzverweis jedoch
ausbleibt. In meiner Erinnerung war es jetzt
eine Mischung aus totenstill und unfassbar
laut, ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur noch,
dass der Torschütze des 1:0, Róbert Mak,
minutenlang auf den Torlinienrichter einschrie,
was ihm im Endeffekt die vorzeitige
Beendigung des Spiels einbrachte. Ob dem
Parteiischen-Gespann das Bestechungsgeld
lieber als das Leben ist, lässt sich nur munkeln,
mit der folgenden Reaktion hätte man aber
durchaus rechnen können. Zunächst flogen
nur zwei Fackeln in Richtung des vierten oder
fünften oder was-weiß-ich-wievielten
Offiziellen, danach öffnete sich wie von
Geisterhand ein Tor und ein paar wenige
Vermummte folgten dem Weg der Fackeln.
Bevor diese jedoch auf dem Feld ankamen,
waren die Spieler und Offiziellen schon wieder
in den Katakomben verschwunden und von der
anderen Seite eine massive Polizeikette
angerückt. Und natürlich bekam es letztere
jetzt ab. Allerhand Feuerwerkskörper
prasselten auf diese nieder, dazu entluden sich
immer mehr Wahnsinnige auf dem Feld, die
ihre ganze Wut auf das System, Olympiakos
und die Polizei mittels Werfen von Sitzschalen,
Fahnenstangen, Werbebanden und was sonst
noch so überall rumstand oder lag, zeigten.
Das ging jetzt bestimmt eine halbe Stunde hin
und her, das Stadion leerte sich derweil schon
etwas und wir untermalten das unwirkliche
Szenario mit einer grimmepreisverdächtigen
Moderation. Fritz wollte es nicht wahrhaben,
wusste er doch nicht, ob er den Ground im
Falle eines Abbruches zählen kann (dabei
hatten wir doch vorher noch festgelegt, dass
ein Gewaltabbruch immer zählt), ich hingegen
hielt eine eventuelle vorzeitige Beendigung der
Partie (oder auch der Party) für völlig
unbegründet, Pascal fand alles nur noch
wahllos und MJ erwachte zu neuem Leben und
vergaß, dass er kurz vorm Kältetod – es waren
wohlgemerkt zweistellige Temperaturen –
stand. Und nachdem die gröbsten Schlachten
geschlagen waren, kamen tatsächlich zunächst
die Balljungen und kurz darauf auch beide
Mannschaften wieder aufs Feld. Jetzt stieg die
Spannung natürlich ins Unermessliche.
Würden sich auch die Schiedsrichter wieder
zeigen? Besonders bei Chuck leuchteten die
Augen, als wir schon die Wettkassen öffnen
wollten, doch da kam uns das Gespann zuvor
und trottete unter einem gellenden
Pfeifkonzert zurück auf den Rasen. Jetzt
leuchteten kurzfristig bei Fritz die Augen. Als
der Torlinienrichter seinen angestammten
Platz vor Gate 4 einnehmen wollte, leuchteten
nur noch die Feuerwerkskörper, die auf diesen
geschossen wurden. Da hätte jetzt aber auch
wirklich das größte Hohlbrot drauf kommen
können, dass es vielleicht nicht die gesündeste
Idee war, in dieser schon überkochenden
Atmosphäre nochmals eine solche Provokation
zu bringen. Man könnte auch sagen, es war
einfach völlig unbegründet.
Gerade noch bevor der Lynchmob aus der
Kurve seine Hassobjekte erreichen konnte,
fanden diese wieder Zuflucht im Spielertunnel,
der jetzt jedoch von der Haupttribüne mit
Bengalos und Flaschen bombardiert wurde.
Das war jedoch nicht annähernd etwas gegen
das Bombardement aus der Kurve. Rappel und
Schläg tat es, immer mehr Leute lebten im
Innenraum ihre Wut aus und lieferten sich ein
Katz- und Mausspiel mit der Polizei. Immer
wieder gingen größere Gruppen auf diese los,
diese schlug mit extrem lauten
Reizgaspatronen zurück, es ging hin und her.
Wenn ein Mob auf der Tribüne eine Pause
brauchte, formierte sich an anderer Stelle ein
neuer und irgendwie wirkte es, als hätten alle
Beteiligten sichtlich Spaß am Geschehen. Wir
von unserem Platz aus sicherer Entfernung
hatten diesen jedenfalls. Gegenüber
wechselten sich Molotowcocktails und
Reizgaspatronen ab, die Kurve wurde fast
vollständig entstuhlt und zur optischen
Abrundung legte man noch diverse Feuer, die
teilwiese zu großflächigen Bränden
anwuchsen. Aufgrund des ganzen Unrates auf
dem Rasen zweifelten wir in der Zwischenzeit
jedoch tatsächlich an einer eventuellen
Weiterführung des Spiels. Und tatsächlich
erklärte der Stadionsprecher den wenigen
noch anwesenden Schaulustigen die
Angelegenheit für beendet. Misti – wir blieben
noch solange im Stadion, bis die Polizei den
Gefahrenherd geräumt und die daraufhin
anrückende Feuerwehr die Brände gelöscht
hatte, danach wollten wir mal sehen, was auf
der Straße noch so los war. Hier knallte es zwar
auch gehörig, sehen konnten wir jedoch nichts
mehr, zu stark reizte die Waffe der Polizei in
unseren Augen und Atemwegen. Das Ganze ist
jetzt vielleicht recht nüchtern beschrieben,
aber die Ausschreitungen im Stadion dauerten
weit über eine Stunde an. Im Endeffekt gab es
dafür nur ein Wort: PAOK.
Bereits am Folgetag zog PAOK die
Konsequenzen aus den Vorfällen und kündigte
an, nicht zum Rückspiel nach Piräus zu fahren.
Hätten sie aber auch gar nicht gebraucht, da
die griechische Regierung den Pokal erst
einmal aussetzte. Der nationale
Fußballverband EPO möchte den
Pokalwettbewerb zwar wieder aufnehmen,
auch FIFA und UEFA haben bereits mit
Konsequenzen gedroht, zum Zeitpunkt des
Schreibens des Berichts gab es jedoch noch
keine Entscheidung.
Und wenn ich jetzt noch einmal so darüber
nachdenke, dann fallen mir alleine für das
Kalenderjahr 2015 mehrere Spiele mit
Beteiligung Olympiakos‘ ein, die einen
ähnlichen Verlauf nahmen:
- Im Januar 2015 quasi das Gleiche in
Gelb-Schwarz, als AEK Fans nach
einem Gegentreffer in der letzten
Minute das Feld stürmen.
- Im Februar wird das Derby bei
Panathinaikos erst nach schweren
Ausschreitungen mit einer Stunde
Verspätung angepfiffen, nachdem
sich Herr Marinakis vor Gate13
zeigte
- Im November wird das Derby dann
erst gar nicht mehr angepfiffen…
Jetzt ist es natürlich ein Leichtes, die Gewalt zu
verurteilen und die Schuld ausschließlich bei
den Fans zu suchen, man könnte aber auch mal
überlegen, woher der Hass rührt und versuchen
etwas am System zu ändern. Aber gut, die
einen sagen so, die andern sagen so – und ich
frage mich gerade, ob ich dieselbe Begründung
für einen haltlosen Zustand gebracht habe wie
ein AFD Wähler.
Bei fantastischen Würstchen- und
Biftekisandwiches und diversen Bieren
respektive Cocktails werteten wir die
vergangen Stunden aus, bevor wir MJ
nochmals mit der Gestaltung des Abend- bzw.
mittlerweile schon des Nachtprogramms
beauftragten, auch wenn wir nach der letzten
Nacht noch in etwa so viel Vertrauen in ihn
hatten wie in ein gerechtes Lizenzverfahren
dieses Leipziger Dosenkonstruktes durch die
DFL. Aber da ein MJ laut
Selbstcharakterisierung ja kein Typ für eine
Nacht ist, gaben wir ihm noch eine Chance. Da
machten wir es ganz wie er und waren einfach
mal relativ treu ;-)
Für heute hörte die auserkorene Lokalität auf
den Namen „8Ball“ und sollte der Nährboden
für eine ekstatische Erasmus-Karnevalsparty
sein – so zumindest die Lobpreisungen des
Partyministers. Für fünf Euronen Eintritt waren
wir so ziemlich die ältesten in diesem
Etablissement, dafür sorgte die Abfahrtzeit des
Busses nach Tirana im frühen Morgengrauen
auch nicht unbedingt dafür, dass wir schnell in
Stimmung kamen. Aber Bier und Cuba Libre
spülten jedwede Bedenken bezüglich des
Folgetages weg, und nachdem wir die
Tanzfläche erobert hatten, verließ mich auch
so langsam die Erinnerung. Jeder kam zu einer
anderen Uhrzeit nach Hause, als der letzte kurz
vor Abfahrt des Busses laut pöbelnd von seiner
Odyssee die Zimmertür zuknallte, vermeldete
der Flurfunk, dass der Länderpunkt
Griechenland endlich auch im Bettsport
gefallen war.
Trotz der exzessiven Nacht fanden wir uns
tatsächlich alle zur richtigen Zeit im richtigen
Bus ein, wo wir auch fast die einzigen Insassen
waren. Hätte ne richtig entspannte Fahrt
werden können, so eine Rückbank für mich
alleine war schon bequem, aber dieses
ständige Kotzgefühl hinderte mich am Schlaf.
Wäre ja auch zu viel verlangt gewesen, auf
einer 7-8stündigen Fahrt einen Bus mit Toilette
einzusetzen. So dauerte es bis zum No-Man’s-
Land zwischen Griechenland und Albanien, bis
ich endlich für Besserung in meinem
Magenbereich sorgen konnte. Ein paar
Stündchen später entstiegen wir unserem
mobilen Zuhause im strömenden Regen und
nochmals einige wenige Zeiteinheiten später
waren wir auch schon wieder im Hostel.
Kurz frisch gemacht, überragend gespeist –
wem läuft bei der Vorstellung eines Octopus-
Carpaccios nicht das Wasser im Mund
zusammen? Na ja, für den gab’s immer noch
deiliziösete Pasta Carbonara für umgerechnet
unter drei Euro – und danach wieder auf MJ
vertraut. Die vorgeschlagene „Raum-Bar“
entpuppte sich als ideal für den Abend.
Günstige Getränke und feine Musik ließen das
Tanzbein das ein oder andere Mal wackeln,
auch wenn es heute keine größere Ambitionen
mehr gab. Dass wir nach MJs und Fritz‘
taxibedingtem Ausfall dennoch nicht alleine
nach Hause mussten, lag an zwei
Straßenkötern, die es sich wohl zur Aufgabe
gesetzt hatten, uns sicher durch die eigentlich
gut beleuchteten Gassen zu begleiten. Völlig
vernarrt hatten wir uns schlussendlich in die
beiden, als sie auf offener Straße ein
Polizeiauto anhielten und dieses mit
fletschenden Zähnen anbellten – großes Kino.
Nachdem wir unsere ACAB-Hunde in die
streichelnde Obhut des vorm Hostel
rauchenden MJs gegeben hatten, war der Tag
dann auch endgültig gehalten. Dass mein
Magen zwischendurch mal wieder rebellierte,
verschweige ich an dieser Stelle mal lieber (hat
ja super geklappt). Und gerade als ich endlich
im tiefsten Reich der Träume angekommen
war, weckte mich schon wieder ein Schlag, als
hätten ein paar AEK Hools diverse Böller in
unser Zimmer geschleudert. Noch im Zustand
völliger geistiger Verwirrtheit dachte ich im
ersten Moment, dass einer von uns aus dem
Hochbett gefallen sei. Als Fritz den selben
Gedanken geäußert hatte, tastete ich mal ganz
vorsichtig den Boden ab, wo tatsächlich ein
fleischiges Häufchen Elend in einer triefenden
Pfütze lag. Die mir mit „Alles gut“ antwortende
Stimme konnte ich nach Ausschlussverfahren
MJ zuordnen, der eigentlich zwei Meter weiter
oben liegen sollte. Der Geruchstest ergab, dass
die Flüssigkeit nach Bier riecht, was dann doch
beruhigte, auch wenn ich mir vorstellen
könnte, dass MJs Blut mittlerweile einen
ähnlichen Geruch angenommen hat. Alter, da
fällt der aus zwei Metern auf eine Bierflasche
und schrammt mit dem Kopf um ein paar
Zentimeter an der Bettkante vorbei – das kann
auch ganz anders ausgehen. Fortan musste er
jedenfalls in der untersten Etage schlafen, auch
wenn wir uns von da an anhören durften, dass
wir ihm nicht mehr vertrauen würden – völlig
unbegründet übrigens.
Der nächste Morgen begann für mich wie der
Abend geendet hatte, sprich mit dem Kopf in
der Kloschüssel. Und während sich mein
Zustand von Auswurf zu Auswurf
verschlechterte, gönnte sich der Rest der
Banausen einen frisch gepressten Orangensaft
nach dem anderen in der Lobby. Bei den
gelegentlichen Klobesuchen der Idioten fragte
ich mich, ob diese mittlerweile schon einen
Vitaminschock erlitten hatten, oder ob der
Nektar doch mit dem einen oder anderen
Kartoffelschnaps verdünnt wurde. Ich werde es
wohl nie erfahren. War mir aber auch so latte
wie Macchiato (für den sollte ich mich
eigentlich selber schämen), ich war einfach nur
froh, dass ich irgendwann nachmittags wieder
auf beiden Beinen stehen und somit halbwegs
fit mit zum Stadion marschieren konnte.
Vielleicht halfen da auch die jetzt schon aus
dem nahen Nationalstadion erklingenden
Gesänge mit, liegen bleiben wäre aber auch
egal in welchem Zustand keine Option
gewesen. Gut, sah nicht jeder so, einem
bekamen die ganzen Vitamine wohl so gut wie
mir der körperliche Raubbau der letzten
Woche, so dass dieser jenige erstmal kurz
Körper und Geist schonen musste. Namen
werden nicht genannt, des Kollegen
bevorzugtes Kleidungsstück ist aber eine rote
Jacke ;-)
Die belegte Semmel und eine eiskalte Coke
bleiben glücklicherweise in meinem
verwesenden Körper, wodurch ich meiner
Aufwartung dem zur ungewohnten Zeit –
Freitagabends, 18:00 Uhr – stattfindenden
Derbys etwas positiver entgegensah. Vorm
Nationalstadion Qemal Stafa herrschte bei
unserer Ankunft schon allerhand Gewusel. Da
unser Weg am Gästebereich vorbei führte, war
blau die vorherrschende Bekleidungsfarbe.
Auffällig, dass das Durchschnittsalter hier in
etwa dem einer C-Jugend entsprach, erklärt
dann aber auch, wieso ich das Derby in Tirana
nie so wirklich auf dem Schirm hatte.
Zugegebenermaßen rückte es bei mir erst in
den letzten zwei bis drei Jahren aufgrund
einiger im Netz erblickter Bilder in den Fokus –
jaja, das böse Internet. Während der
kommunistischen Diktatur (1944-91) war das
Ausleben dessen, was wir heutzutage
Fankultur nennen, verboten und schon
Gesänge oder Fahnen konnten ein Grund sein,
mehrere Jahre ins Gefängnis zu wandern. Von
daher ist es logisch, dass sich hier keine
gestandene Fanszene wie in den anderen
Balkanländern entwickeln konnte, dafür wirkt
aber alles irgendwie sehr frisch und
unbeschwert. Also mit Ausnahme des Stadions
versteht sich. Dieses hat seine besten Tage
schon länger hinter sich, falls es diese
überhaupt mal gesehen hatte. Dass die große,
unüberdachte Gegengerade noch nicht in sich
zusammen gefallen ist, grenzt bei der hier
abbröckelnden Fassade schon fast an ein
Wunder. Trotzdem findet sich hier der
Stimmungspöbel Parzizanis rund um die Ultras
Guerrils ein, die angrenzende Kurve ist jedoch
nicht für Besucher zugelassen. Die Kurve
gegenüber befindet sich zwar auch in
bedauernswertem Zustand, war aber
Unterbringungsort für die Sympathisanten des
heutigen Gastvereins. Nachdem ich nach einer
intensiven Taschenkontrolle mein hart
zusammengespartes Münzgeld für die
abschließende Bahnfahrt in der Heimat
gezwungenermaßen in die Staats- bzw. eher
die Privatkasse des Ordners gespendet hatte,
nahmen wir am äußeren Rand der überdachten
und ca. siebenreihigen Haupttribüne Platz.
Partizani Tirana – KF Tirana 2:0
8.531 Zuschauer (2.000 Gäste)
1. Liga Albanien, Fr. 04.03.16
Der Blick nach links ließ mich mein flaues
Gefühl im Magen endlich komplett vergessen.
In der total verranzten Kurve sangen sich die
Jungspunde unter Führung der Tirona Fanatics
jetzt schon in einen Rausch, immer wieder
stieg auch der angrenzende Sitzplatzbereich,
in dem ein weiterer ultraorientierter Mob
vorzufinden war, in die Gesänge ein.
Phänomenal jedoch die Optik der Gästekurve:
gefühlte Kilometer vom Spielfeld entfernt,
erinnerten die am Zaun befestigten
blauweißen Trommeln, die eher nach
missbrauchten Mülltonnen aussahen, und der
völlig ekstatische Vorsänger an längst
vergangene Zeiten im Nachbarland am
gegenüberliegenden Adriaufer. Da sich auch
der Heimbereich nur relativ langsam füllte, fiel
es leicht, die Augen und Ohren nicht
abzuwenden. Bis zum Anpfiff war der
Heimbereich dann aber auch gut gefüllt. Auch
hier stand am unteren Ende der Tribüne eine
weitere Gruppe hinter einer riesigen Ultras
Schießmichtot Fahne, diese wirkte aber so
deplatziert wie ein MJ auf einem Straight Edge
Treffen und werden deshalb nur der
Vollständigkeit halber erwähnt.
Die Choreo der Heimseite bestand aus einer
Blockfahne zum 70jährigen Vereinsjubiläum –
Partizani wurde 1946 gegründet und fungierte
fortan als Armeeverein. Abgerundet wurde
diese von einigen roten Fahnen am Rand. War
ok, das Flammenmeer nach dem die Fahne
runtergelassen wurde, überzeugte aber schon
mehr.
Das wahre Spektakel fand aber eh zu unserer
Linken statt. Auf mehreren Spruchbändern
erklärten die Tirona Fanatics in mittelmäßigem
Schulenglisch, wieso der Verein ihr Alles ist.
Während dazu immer noch wie im Wahn
gesungen und fahnengewedelt wurde, flogen
nach und nach immer mehr Fackeln und Böller
in den Innenraum. Ein grandioses Schauspiel.
Obwohl die Show natürlich allein schon rein
von der Größe her nicht an die anderen auf der
Tour gesehenen heran reichen konnte, waren
wir doch einstimmig der Meinung, dass wir so
eben mit das atmosphärische Tourhighlight
gesehen hatten.
Die Rauchschwaden waren noch nicht
verzogen, die Gesänge nahmen beiderseitig
noch ein Stück an Intensität zu und der
Eröffnungspfiff des Schiedsrichters war noch
nicht lange verhallt, da knallten im Mittelkreis
schon die ausgestreckten Beine zweier
gegenseitiger Akteure gegeneinander. Und das
war nur der Auftakt für ein höchstintensives
Spiel. Fußballerisches Können streite ich den
meisten Spielern zwar ab, dafür stimmte bei
jedem der Einsatz. Herrliche Grätschen,
Rudelbildungen, Hektik – alles was dem
grobkörnigen Fußballfan so gefällt, wurde
geboten. Dem frühen Führungstreffer des
Tabellenzweiten folgte die erste längere
Unterbrechung aufgrund übermäßiger
Pyroentsorgung auf das Spielfeld, nach dem
Folgetreffer ging es plötzlich ohne feurige
Jubelausbrüche weiter. Ob die Reserven jetzt
schon aufgebraucht waren oder die Ansagen
der Spieler und Offiziellen nach dem ersten
Mal Wirkung zeigten, kann ich hier nicht
aufklären. Trotz des schnellen Zwei-Tore-
Unterschiedes dachte jedoch niemand daran,
das Spiel als entschieden zu betrachten. Auf
dem Platz gab es weiter Action, in der
Gästekurve dachte man sich wohl, dass man
wenigstens den Vergleich der Kurven
gewinnen möchte. Das immer wieder
angestimmte „Uh – Ah“ mit passenden
Armbewegungen entwickelte sich zum
Ohrwurm der letzten Stunden unserer
geselligen Kaffeefahrt.
Ein jeder Spielbeobachter sieht so einen Kick ja
aus einem anderen Blickwinkel. Pascal
schlüpfte heute mal in die Rolle des Scouts.
Bereits nach kurzer Zeit folgten seine
Sehorgane nur noch dem Gästestürmer
Masato Fukui. Pascal konnte jetzt nicht sagen,
ob ihm dessen fußballerisches Nichtkönnen
(und das ist wahrhaftig untertrieben) oder die
blondierte Mähne mehr in seinen Bann zog,
das abschließende Urteil lautete jedenfalls:
„Der schlechteste Spieler aller
Zeiten…WELTWEIT“ – nichtsahnend, dass
diese Aussage in nicht mal 20 Stunden revidiert
werden sollte.
Die Halbzeitpause wollte ich zur Entspannung
der Blase nutzen. Vorbei an den V.I.P. – und
Presseräumen (leere Räume, in denen einfach
Holzstühle standen) führte der Weg immer der
Nase nach. Der Weg die Treppen in die
Katakomben hinab war dunkler als im Hostel in
Athen und jede Stufe war schon als Pissoir
missbraucht. Ich habe ja wahrlich keine gute
Nase, was deren Riechfunktion betrifft, aber
dass einem hier vom reinen Gestank die Kotze
schon wieder im Anschlag saß, bekam sogar
ich mit. Als ich dann jedoch das eigentliche Klo
betrat, war auch mir klar, wieso sich alle bereits
vor diesem ihrer Notdurft entledigten. Ich weiß
nicht, ob es sich bei diesem um einen der
200.000 während der Diktaktur Enver Hoxhas
errichteten Bunker, ein Testfeld für
Atomwaffen oder einen im letzten Jahrtausend
stillgelegten Folterkeller handelte, das einzige
was nach Sanitäreinrichtungen aussah, war
jedenfalls eine völlig zerstörte Kloschüssel.
Zum reinurinieren taugte es aber auf jeden Fall
;-)
Der zweite Durchgang stand in Sachen
Intensität und Atmosphäre dem ersten in
nichts nach. Wenn der Schiri die Regeln streng
ausgelegt hätte, wäre auch nach 55 Minuten
Ende gewesen. Nach dem Platzverweis gegen
einen Gästespieler durfte er sich einige verbale
und handgreifliche Meinungsverschiedenheiten
anhören, wohl aus
Sicherheitsgründen beließ er es aber hier und
auch bei weiteren Tätlichkeiten höchstens
noch mit Zücken der gelben Karte. Den Sieg
feierten die Spieler vor ihren Fans mit
brennenden Bengalos (!), und wir zogen
einstimmig das Fazit, heute eine der oft
gesuchten und selten erlebten absoluten
Bomben gesehen zu haben. Dass es gut
werden könnte, war von Anfang klar; dass wir
jedoch solch einer intensiven und
stimmungsgeladenen Geschichte ausgesetzt
würden, konnte man so nicht erahnen.
Dementsprechend breitgrinsend kehrten wir in
ein traditionell albanisches Restaurant ein, das
sich im Endeffekt eher als Touriladen
entpuppte. Nur mäßig lecker wurden wir zwar
trotzdem satt, spätestens als MJ zur
Nachspeise jedoch völlig unbegründet einen
Lammkopf bestellte, wäre eh jeder noch
vorhandene Hunger verflogen gewesen. Das
zweimalige Signal der Mikrowelle in
Kombination mit dem angeekelten Gesicht der
Bedienung, als sie den in der Mitte gespaltenen
Schädel vor MJ auf den Tisch knallte, ließ
unsere Skepsis noch weiter ansteigen. Und das
Teil war vollständig erhalten, samt Gehirn,
Zähnen, Augen und Zunge. Letztgenannte soll
eine etwas feste Konsistenz haben, sonst aber
ganz lecker sein, die Bäckchen jedenfalls wären
eine Delikatesse. So zumindest die wenig
glaubhaften Aussagen unseres Gourmets. Das
dürfte so ziemlich das Widerlichste gewesen
sein, seitdem Ede vor Jahren in Vilnius einen
Teller frittierter Schlachtabfälle verspeiste.
Wenigstens besaß MJ im Gegensatz zu Ede
noch so viel Anstand, von der Order eines
Nachschlages abzusehen. Vernünftig ist er ja,
unser Lammkopf Millionaire.
Unsere Fassungslosigkeit bemerkte auch die
Dame im Service des von uns gleich
aufgesuchten Tirana Rock Cafe – der Tipp kam
natürlich von spottedbylocals – fragte sie uns
doch gleich, wo unser Spirit wäre. Nachdem
wir mehrere Stunden später die Getränkekarte
um Bacardi-Fanta erweitert hatten und zu viert
zu „Mexiko“ Pogo tanzten, kehrten wir die
Frage ins Gegenteil um. Das fünfte
Reisemitglied hatte zu diesem Zeitpunkt die
Lokalität schon längst verlassen. Als wir im
Morgengrauen die Tür unseres Zimmers
öffneten, bestätigen sich aufgrund der hier von
ihm engumschlungen liegenden 41jährigen
Amy die Gerüchte, dass auch der Länderpunkt
Albanien eingetütet wurde – oder auch nicht
(bääääm – ich feier mich gerade riesig für
dieses Wortspiel ).
Der nächste Tag begann mit der Begutachtung
der nachts entstandenen, mehr als eindeutigen
Portraits Amys, bevor es uns nach Durrës
verschlagen sollte. Die Busse für diese
Destination fahren gefühlt am anderen Ende
Albaniens ab, wodurch wir wieder einmal auf
eine Droschke zurückgreifen mussten, um zu
diesen zu gelangen. Dadurch kamen wir
wenigstens nochmals in den zweifelhaften
Genuss einer Sightseeing Tour durch Tirana,
führte die Route doch an allen sehenswerten
Punkten vorbei – welche das auch immer sein
mögen. Zwar ist Tirana schon seit grauer
Vorzeit besiedelt, war aber immer ein eher
unbedeutendes Kaff. Erst 1920 wurde es zur
Hauptstadt ernannt, wodurch eine
Bevölkerungsexplosion und erste
Modernisierungen entstanden. Nachdem die
deutschen und italienischen Invasoren 1944
besiegt und daraufhin von Enver Hoxha eine
kommunistische Diktatur errichtet wurde, die
u.a. 1967 im totalen Religionsverbot gipfelte,
wurden die meisten historischen Gebäude
zerstört, weshalb man heutzutage alte
Bausubstanzen vergeblich sucht. Dafür
kommen Freunde sozialistischer Prachtstraßen
und brutalistischer Architektur noch auf ihre
Kosten. Generell keine Schönheit, dieses
Tirana, aushalten ließ es sich aber ganz prima.
Am Busbahnhof herrschte dann ein Gewusel
wie auf dem Basar. Überall standen
Marktschreier, die die in bester Tetrismanier
eingeparkten Busse propagierten. Ich weiß ja
nicht, ob der gewöhnliche Albaner an seinem
freien Samstag mal so auf gut Glück an den
Busbahnhof geht und angelockt vom besten
Angebot einfach mal irgendwo hinfährt, ich
zumindest weiß im Vorfeld, wo ich mich hin
befördern lassen möchte. So saßen bzw.
standen wir auch kurze Zeit später für wenige
Lek (1.000 Lek = 7 €) im überfüllten Bus, dem
wir 30 km und 60 Minuten später in Albaniens
zweitgrößter Stadt (ca. 150.000, so genau weiß
das keiner. Für die Statistiker: Albanien selbst
hat um die 3Mio, Tirana gebe ich mal mit 500k
an, die offiziellen Angaben schwanken doch
gewaltig) und größtem Hafen. Diese
entpuppte sich im Zentrum als recht
ansehnlich. Ein schöner Hauptplatz, direkt
daneben die Überreste eine Amphitheaters aus
römischer Zeit (es soll auch noch weitere alte
Steine zu entdecken geben), dazu Meerblick
und an der Küste entlang angeblich schöne
Strände. Letztere sahen wir nicht, dafür schon
bald das Stadion des ortsansässigen
Fußballklubs KS Teuta. Dieses findet man nach
einem kleinen Fußmarsch direkt neben der
weithin bekannten „Klaus Bar“, die ihre
internationalen Gäste durch ein umfangreiches
Softdrinkangebot sowie frisches Bier
überzeugt. Wenn ein MJ trotz Kater,
Kopfschmerzen und Magen- und
Kreislaufproblemen seine Brühe nicht
austrinken mag, dann muss die entweder
schal, nur minimal zu warm oder wie in diesem
Fall extrem flockig sein. Wenigstens waren wir
so pünktlich zum Anpfiff im völlig
überdimensionierten Fußballtempel.
KS Teuta - KS Bylis Ballsh 1:0
300 Zuschauer (0 Gäste)
1. Liga Albanien, Sa. 05.03.16
Das sehr weitläufige Oval bietet Platz für
12.000 Zuschauer. Ich bezweifle allerdings,
dass sich hier in allen Veranstaltungen seit
Grundsteinlegung zusammen so viele Leute
eingefunden haben. Heute waren es wenige
Hundert, die das Spiel des Tabellendritten
gegen den Abstiegskandidaten aus Ballsh
sehen wollten. Eine Fanszene sucht man hier
so erfolgreich wie Niveau in Offenbach, die
fußballerische Qualität entsprach auch in etwa
der der Antisportler von diesem komischen
Hügel. Einzig das wandelnde Paradoxon – der
schwarze Stürmer mit der Nummer 88, der
trotz größter Chancen so viel Torgefahr
ausstrahlte wie die magische SGE ohne den
Fußballgott – sorgte für permanente
Erheiterung beim Blick auf das saftige Grün.
Von daher auch nicht weiter tragisch, dass ich
einen Teil des ersten Durchgangs nicht sehen
konnte, da mich meine Konfirmandenblase auf
die Suche nach einer geeigneten Notdurftstelle
trieb. Drei interviewte Ordner und zwei
umgedrehte Polizeibefragungen später war ich
der festen Überzeugung, dass die
Sanitäranlagen beim Bau des Stadions
vergessen wurden, so dass ich mich in eine
Kneipe gute 200 Meter vom Spielgeschehen
entfernt begeben musste. Nach meiner
Rückkehr änderte sich nichts, außer dass
irgendjemand die letzten vier pisswarmen
Büchsenbiere aufgetrieben hatte. Natürlich
drückt Pivo auch bei Chuck auf die Blase, sein
Toilettengang war aber nach kürzester Zeit
und vor allem im Inneren des Stadions erledigt.
Das war doch ein abgekatertes Spiel. Die
haben doch alle gemeinsame Sache gemacht,
um mich mal schön zum Affen zu machen.
Nach Abpfiff überzeugte ich mich selbst von
den im VIP Bereich liegenden Urinalen.
Spektakulärer als diese waren aber die auf dem
Weg dorthin passierten und jeder
Beschreibung spottenden Presse- und VIP-
Räume. Kleine leere Räume, zwei Stühle, ein
paar Kabel und sonst nix. Als wir abends die
Zusammenfassung des Spiels im Fernsehen
sahen, wunderten wir uns deshalb auch nicht
über die unsagbar schlechte Aufnahmequalität
der Bilder.
Den Abend wollten wir eigentlich auf der heute
stattfindenden Party in unserem Hostel
ausklingen lassen. Als wir unseren Thekenplatz
an der Rezeption jedoch verließen, um auf
diese zu gehen, zeugten nur noch Kotzhaufen
von einer vorher stattgefundenen Sause.
Trotzdem palaverten wir hier noch solange
über die Vernachlässigung vom Genitiv in der
deutschen Sprache bis der Bacardi leer und
seine Longdrink-Variante mit Fanta auf der
Getränkekarte aufgenommen war. Das
feuchtfröhliche lyrische Quartett – nein,
diesmal war es nicht MJ, der die Segel strich –
diskutierte noch in einer nahen Cocktailbar
weiter, ehe jeder seinen eigenen Weg ging.
Einen guten Abend erkennt man u.a. auch
daran, dass von vier Leuten vier eine andere
Heimkehrzeit angeben können.
Am frühen Morgen verabschiedete sich Fritz
von uns, dessen Flug einen Tag später ging und
der den zeitlichen Überfluss nutzte, um gen
Kosovo aufzubrechen und dort den inoffiziellen
Länderpunkt zu holen. Für uns bestand die
Tagesaufgabe lediglich darin, irgendwie zu
überleben. Bis wir aus den Betten geschmissen
wurden, hatte ich schon wieder eine annähernd
zweistellige Anzahl leider nur teilweise
gelungener Kotzversuche. Allerdings war es ja
auch so, dass wir aufgrund des Heimfluges nur
eine bestimmte Zeit im Bettel liegen bleiben
konnten, bevor wir – ähm ja – weiterzogen.
Von daher war jede Angst des Hostelpersonals
vor einer Überziehung unsererseits völlig
unbegründet ;-)
Völlig unbegründet wäre auch gewesen, am
Montag nach Landung Urlaub zu nehmen.
Stinkend brachte ich den Tag hinter mich,
später erfüllte ich meinem Körper den Wunsch
nach Vitaminen, Gemüse, Sport, Schlaf.
Furchtbar, so ein vorsätzlicher körperlicher
Raubbau. Das war’s von mir. Für den
krönenden Abschluss und das Highlight der
Ausgabe sorgt nochmals Ede. (Ö)
B
Werder Bremen II – VfB Stuttgart II 0:1
400 Zuschauer
3. Liga Deutschland, Di. 01.03.2016
ei der Paarung schnalzt jeder geneigte
Fußballinteressierte sicher mit der Zunge.
Aber wie schon bei der Tour über die iberische
Halbinsel erwähnt, waren nun mal
Semesterferien und was lag da näher, als diese
auszukosten. Da man der magischen SGE
auswärts aufgrund des Studiums aktuell fast
komplett den Rücken kehren muss, wollte ich
wenigstens den Trip nach Berlin nicht sausen
lassen. Etwas vorher die Spielpläne gewälzt
und so fiel die Entscheidung für ein
dienstägliches Spiel auf Bremen. Grund hierfür
war eigentlich, dass es einer der wenigen
3.Liga Grounds war, der mir noch fehlte.
Außerdem war es eine verheißungsvolle
Paarung, die mit klangvollen Namen, wie
Cacau, Verlaat und Hinkel (Co-Trainer VfB)
lockte. So wurde Dienstagvormittag der ICE
bestiegen und nach Umstiegen in Fulda und
Hannover war der Bremer Hbf, natürlich mit
Verspätung, erreicht. Zwischen Hannover und
Bremen verkehrt einer dieser neuen
doppelstöckigen IC-Zügen, die mitunter zu
gefallen wissen. Ansonsten verlief die Anreise
recht ereignislos. In Bremen dachte ich zu
allererst, ich wäre mitten in Ostfriesland
gelandet, da der vorherrschende Geruch am
Bahnsteig an ländliche Misthaufen und/oder
Gülle erinnerte. Also mal raus aus dem
Bahnhofsgebäude und zum Hostel. Das Hostel
war mit knapp über 20,-€ -wohlgemerkt für ein
10er Zimmer - die günstigste
Übernachtungsalternative. Dafür machte es
wenigstens einen guten Eindruck. Es war sehr
sauber, ganz nett eingerichtet und hatte alles
was man braucht. Nur das Personal war etwas
reserviert, die Einrichtung recht steril und die
Mitbewohner laut und sehr unlustig, wofür das
Hostel dann aber weniger etwas kann. Ich
machte mich dann erstmal auf den Weg nach
etwas Essbarem und wurde fündig beim Döner
2013, der von Bild-Lesern damals gewählt
wurde. Nachdem ich den Döner geordert und
vertilgt hatte, war ich zufrieden und man kann
den Döner durchaus bei den besseren
einordnen, mein Bester war es jedenfalls nicht.
Danach schaute ich mir die bekannten Bremer
Viertel und Sehenswürdigkeiten an. Die Zeit
bis Anpfiff noch mit zwei Bierchen
Totgeschlagen, und schwupps, schlug der
vorherrschende Nieselregen während meines
Kartenkaufs in Schnee um. So fiel meine Wahl
auf die einzige Kategorie, die ein Dach zu
bieten hatte. So begab ich mich in den mir
zustehenden Sektor und nahm einen
trockenen Platz ein. Bis zum Anpfiff waren es
noch einige Minuten, die sich ganz gut
anließen, da man den Ordnern bei ihren
Geschichtchen zuhören konnte und man sich
dabei doch manchmal kneifen musste, wenn
man diesen Schabernack hörte. Das sind ja
echt vom Labern her die geilsten Typen,
stehen dann aber für Mindestlohn, Würstchen
und Cola an nem Dienstagabend bei Bremen II
im Stadion und kümmern sich um den
schlimmstanzunehmenden Gästeanhang von
Stuttgart II. Der einzige Lichtblick vor Anpfiff
war die Anwesenheit von Arnd Ziegler und
seiner Grazie. Im Norden würde man sagen,
„Da hat der Arnd aber einen dicken Fisch an
Land gezogen!“. Für die Leute, denen Ironie
und Floskeln fremd sein könnten, dick = heiß ;-)
Anpfiff! Bei dem Tabellenstand, der
Konstellation und den Platzverhältnissen hatte
ich meine Erwartungen auf um die 0,1
geschraubt - die Kommaeins, weil ich hoffte,
dass bei dem Platz vielleicht einer mal ein
schönes, gleichbedeutend mit rotwürdigem,
Foul, machen würde. Was ich dann
faszinierend fand, war, dass beide Teams ihren
Stiefel durchzogen und versuchten, ihr eigenes
Spiel durchzubringen. Im Gegensatz zu
Vereinen, die in der Bundesliga oder zweiten
Liga hinten stehen, machten die beiden
Mannschaften einen mental guten und vor
allem einen nicht ängstlichen Eindruck. War
eventuell die jugendliche Unbekümmertheit
der beiden Zweitvertretungen. Das Spiel ging
ohne größere Highlights hin und her. Stuttgart
war dann im Endeffekt das glücklichere Team
und machte etwas aus seinen Chancen. Arnd
Ziegler verschwand nach Currywurst mit
Pommes Konsum schon nach einer Halbzeit,
um sich wahrscheinlich der Bundesliga zu
widmen.
Ich machte mich dann auf in die Stadt und zog
mir noch einen letzten Bremer Döner als
Abendsnack rein, um dann gesättigt
einzuschlummern (Anm. der Korrektur: Sag
mal, wieviele Döner futterst Du eigentlich so,
wenn Du unterwegs bist?). Mitten in der Nacht
wurde ich im Hostel von drei Halunken aus
dem Schlaf gerissen, welche versuchten,
extrem langsam und lautlos ihre Schlafposition
einzunehmen. Für mich war die Nacht dann ab
4:00 Uhr gehalten, so dass ich mich eben schon
mal unter die Dusche stellte, noch etwas las
und mich anschließend auf in Richtung
Busbahnhof machte. Nachdem ich beim
Bäcker Reiseverpflegung beschafft hatte,
suchte ich dann den Bremer Busbahnhof, der
dann aber doch nur aus ein paar Haltebuchten
und Bushaltestellen besteht. Total armselig,
zum Glück tut sich da in anderen Städten
endlich was. Pünktlich kam der ADAC-Postbus
und shuttlete mich für geile 5,- € nach Berlin,
wo die magische SGE dann wieder einen
Megaauftritt hingelegt hat. In diesem Sinne,
Halleluja und Amen, alle lieben
Frank.(abschließende Anmerkung: Geiles
Schlusswort ;-) (E)