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Das Wort des Rabbiners
Unser Rabbiner Dr. h.c.
Ruven Bar Ephraim,
Foto Alain Picard, 2019.
Es gibt noch eine dritte Verbindung zwischen Pessach
und Schawuot. Über der landwirtschaftlichen schwebt
eine historische Ebene. An Pessach feiern wir bekanntlich
den Auszug aus Ägypten, die Befreiung aus dem
Sklavenhaus. Das Verhältnis zwischen Herrn und Leibeigenem
lässt sich am besten mit dem Phänomen ‹Zeit›
ausdrücken. Der Leibeigene verfügt nicht über ‹seine›
Zeit. Es ist der Herr, der bestimmt, wann gearbeitet,
gegessen und geschlafen wird. Die Sklaven waren dem
Willen, der Willkür und den Strafen der Herren ausgeliefert.
Der Auszug aus Ägypten brachte einen Paradigmenwechsel,
so kräftig und eingreifend, dass der
Auszug aus Ägypten in der Tora und in unseren Gebeten
ein ständig wiederkehrendes Thema formt. Der Paradigmenwechsel
bezieht sich auf die Autorität, der man
dient. Während hunderten Jahren diente das Volk Israel
den Pharaonen und Herren, deren Eigentum sie waren.
Nach dem Auszug aus Ägypten, nach der Offenbarung
am Sinai, wählte das Volk Israel, nur noch EINEM zu
dienen, dem EWIGEN. Auf der historischen Ebene feiern
wir an Schawuot das Empfangen der Tora, die Gesetze
Gottes, und, symbolisch gesehen, die ganze jüdische
Tradition. An Pessach feiern wir die physische Befreiung,
an Schawuot die geistige.
An Pessach feiern wir die physische Befreiung, an
Schawuot die geistige.
Wir können die Geschichte des Auszuges stehen lassen
für das, was sie ist, eine eindringliche Geschichte, derer
Historizität nicht nachgewiesen werden kann. Den Gedanken
jedoch, Freiheit zu feiern, finde ich wichtig. Wir
sind, jedenfalls im Westen, freie Menschen mit Selbstbestimmungsrecht
und freier Verfügung über ‹eigene›
Zeit.
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