Putzarten im Vergleich
Putzarten im Vergleich
Putzarten im Vergleich
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Luigi Vantangoli<br />
ÜBER MAUERSYSTEME<br />
ÜBER PUTZARTEN<br />
ÜBER ENDBEARBEITUNGEN<br />
Die Erfahrung der Tradition<br />
Heilsamkeit der Systeme und der Materialien<br />
Die Gegenüberstellung mit der modernen Technologie
Das menschliche Wesen setzt sich aus organischen Materien zusammen, zum größten Teil aus Flüssigkeiten.<br />
Um zu leben, n<strong>im</strong>mt es Nahrung zu sich, d.h. Treibstoff, die es dann verbrennt, indem es sie mit Sauerstoff<br />
verbindet. Dies ist eine esothermische Reaktion, d.h. sie erzeugt Wärme; in der Zwischenzeit werden verstärkt<br />
Flüssigkeiten abgegeben, die durch die Verdunstung auf der Körperoberfläche eine Abkühlung erzeugen, die<br />
den Körper <strong>im</strong> Rahmen opt<strong>im</strong>aler Temperaturen hält.<br />
Es findet demzufolge ein thermohygrometrischer Austausch mit dem umgebenen Raum statt.<br />
Um diesen Austausch zu opt<strong>im</strong>ieren, hat sich der menschliche Körper mit einer semipermeablen Membrane<br />
umgeben, der Haut, die das Austreten des Dunstes erlaubt, aber nicht den Eintritt von Flüssigkeiten gestattet.<br />
Um die beste Funktionsweise der Maschine “menschlicher Körper” zu erreichen, muss die Umgebung die<br />
Ausscheidung und die Beseitigung des ausgestoßenen Wasserdunstes gestatten. Geschieht dies nicht, bemerkt<br />
man die typischen Beschwerden, die derjenige empfindet, der sich gelegentlich <strong>im</strong> feuchten Tropenkl<strong>im</strong>a<br />
aufhält.<br />
Sollte sich das Ausscheiden des Wasserdunstes vollständig blockieren, würde das menschliche Wesen sterben.<br />
Wir leben <strong>im</strong> Regelfall umgeben von drei Häuten.<br />
Die erste, die Lederhaut, ist, wie wir gerade gesehen haben, die beste semipermeable Membrane, die von<br />
der Natur erschaffen wurde.<br />
Die zweite Haut bedeckt den menschlichen Körper für mindestens zwei Drittel des Tages, und besteht aus<br />
der Kleidung. Wie die richtige Haut muss die Kleidung den vom Körper produzierten Dunst durchdringen lassen.<br />
Alle werden die Erfahrung gemacht haben, unter einem klebrigen Unwohlsein zu leiden, wenn man mit<br />
einem Regenmantel aus Wachstuch bekleidet ist und schwitzt.<br />
Der Grund ist einfach: dem vom Körper ausgeschiedenen Dunst gelingt es nicht, durch das undurchlässige<br />
Kleidungsstück durchzudringen und kondensiert in flüssiger Form auf der Außenseite der ersten Haut.<br />
Die dritte Haut, die uns normalerweise auch für zwei Drittel des Tages umgibt, ist die Hülle des Wohnraums.<br />
Wie die anderen zwei Häute muss sie den Dunst durchziehen lassen – und in diesem Fall handelt es sich<br />
nicht nur um den von den darin enthaltenen Körpern produzierten Dunst, sondern auch um den durch die Tätigkeiten<br />
<strong>im</strong> Haushalt erzeugten Dampf – um nicht ungesunde Bedingungen zu schaffen und den umgebenden<br />
Raum unbewohnbar zu machen.<br />
Der Mensch,<br />
hat bei dem Wechsel von den Höhlen – natürliche Umgebungen, die oft nicht gerade heilsame Bedingungen<br />
boten (aber zu der damaligen Zeit waren die Menschen sicherlich eher dazu veranlagt, sich anzupassen,<br />
wenn man bedenkt, dass die vermutete mittlere Lebenserwartung 20-30 Jahre betrug) – zu den künstlichen<br />
Wohnräumen <strong>im</strong>mer versucht, Räume zu schaffen, die zu der äußeren Umgebung “permeabel” sind.<br />
Wir müssen zugegeben, dass die traditionellen Bausysteme - sei es aus Erfahrung, sei es aus Glück, das von<br />
der Tatsache best<strong>im</strong>mt wurde, dasses am Ende des letzten Jahrhunderts keine Materialien gab, die man aus<br />
Synthese erhalten konnte - sich als wirksam erwiesen haben, die Aufgabe einer dritten atmungsaktiven Haut<br />
zu erfüllen.<br />
Begonnen bei den Häuser aus Tierhaut, über die Häuser aus Holz, zu Wohnungen aus ungebrannter Erde, zu<br />
denen aus Tonerde, haben alle ausgezeichnet funktioniert.<br />
Die Probleme sind entstanden, als moderne Baumaterialien hergestellt wurden. Sowohl Mineralien – siehe<br />
Zement – als auch synthetische und organische Materialien – die aus Erdöl hergestellt sind – sind bekannt dafür,<br />
dass sie wenig atmungsaktiv sind. Immer höhere Arbeitslöhne haben dazu geführt, dass sich die Situation<br />
sehr schnell verschlechterte. Die steigenden Kosten haben den Bausektor zur Suche und zur <strong>im</strong>mer<br />
schnelleren Produktion von Materialien und Anwendungstechniken angetrieben.<br />
So sind die Vorstellungen der “heilsamen” Bauweise verloren gegangen, die seit Jahrtausenden überliefert<br />
wurden, ohne Veränderungen zu erleiden, nicht aufgrund der mangelnden Fähigkeit, Innovationen zu suchen,<br />
sondern weil die in Jahrhunderten gesammelte Erfahrung die perfekte Harmonie zwischen dem Menschen<br />
und seinem Wohnraum bewiesen hat, und deshalb keine Veränderungen erforderlich waren.<br />
Die Notwendigkeit, die Bauzeiten zu verkürzen, um die Kosten zu halten, hat dazu geführt, dass Häuser mit<br />
Außenwänden aus leichten, hohlen und porösen Blöcken gebaut wurden.<br />
Die tragende Funktion ist heute nicht mehr von dem System Ziegelstein-Mörtel, sondern von dem Rohbau aus<br />
Stahlbeton erfüllt.<br />
Pagina 2
Gleichzeitig<br />
ist der Zement in massiver Weise als Bindemittel in die Putzmörteln eingetreten und hat den Kalk aus denselben<br />
Motiven der angewandten Wirtschaftlichkeit ersetzt.<br />
111<br />
verdunstung<br />
TRADITIONELLE MAUER<br />
AUS VOLLZIEGELN<br />
KALKputze<br />
Luigi<br />
Vantangoli ª<br />
verdunstung<br />
Sie müssen wissen, dass es ein best<strong>im</strong>mtes physikalisches<br />
Gesetz gibt, das besagt, dass Wasser von einem<br />
dichteren Körper zu dem weniger dichten hingezogen<br />
wird, als ob es von einem Magneten angezogen<br />
würde.<br />
<strong>Vergleich</strong>en wir deshalb das traditionelle Bausystem<br />
mit dem modernen, sehen wir, dass der Dunst <strong>im</strong> traditionellen<br />
System von dem dichteren Körper – bestehend<br />
aus der Mauer massiver Ziegelsteine (Masse<br />
circa 1,8 - 2,2 kg/dm³) –zu dem weniger dichten<br />
Kalkputz (Masse circa 1,3 - 1,5 kg/dm³) und danach, in Form<br />
von Dunst, von dem Putz an die umgebende Luft, die, wie<br />
wir wissen, sehr viel leichter ist als der Putz, hingezogen<br />
wird.<br />
Die Mauer bleibt <strong>im</strong>mer trocken und entfaltet ihre Fähigkeiten<br />
des Wärmewiderstandes opt<strong>im</strong>al. (siehe seitliches<br />
Schema)<br />
Fügen wir noch die Eigenschaften des thermischen<br />
Schwungrades hinzu, die von der beachtlichen<br />
Masse der Mauer übernommen werden, schließen<br />
wir daraus , dass es sich um eine perfekte kybernetische<br />
Maschine handelt, mit höchstem Nutzen und<br />
demzufolge mit geringstem Verbrauch, um uns <strong>im</strong> Winter<br />
Wärme und <strong>im</strong> Sommer Kühle zu garantieren.<br />
Sie alle kennen das Mikrokl<strong>im</strong>a eines antiken Palastes,<br />
warm <strong>im</strong> Winter trotz geringer Heizung und kühl <strong>im</strong><br />
Sommer trotz der trockenen Hitze draußen.<br />
Im Falle des modernen Bausystems finden wir normalerweise eine Mauer aus erleichterten Ziegelsteinen<br />
mit einer geringen Masse (Masse ca. 1,3 1,7 kg/dm³) und einem Zementputz mit einer wesentlich<br />
größeren Masse (Masse ca. 1,9 - 2,2 kg/dm³).<br />
Als Folge findet nicht mehr die Anziehung des<br />
Dunstes zwischen der äußeren Luft und dem<br />
Inneren der Mauer statt.<br />
Es handelt sich um die natürliche Barriere des<br />
Zementputzes (siehe seitliches Schema), der<br />
nicht nur eine größere Masse als die Mauer hat,<br />
sondern bekannterweise wenig atmungsaktiv ist.<br />
Ergebnis: Anhäufung von Dunst <strong>im</strong> Inneren der<br />
Mauer mit Bildung von Kondenswasser; Wärmedämmung<br />
gleich Null.<br />
Also haben wir ein System, das auf dem Papier<br />
perfekt in die Richtlinien zum Energiesparen<br />
passt, nicht aber in der Praxis.<br />
Füge ich noch die von der Struktur aus Stahlbeton<br />
erzeugten Wärmebrücken hinzu, habe ich<br />
eine Umgebung geschaffen, in der tropische Fische<br />
besser leben als der Mensch.<br />
Füge ich dann noch eine synthetische und wenig<br />
atmungsaktive Isolierverkleidung hinzu, habe<br />
ich einen Volltreffer gelandet und die natürliche<br />
Umgebung für Nilpferde geschaffen.<br />
DIE FÄHIGKEIT, DUNST DURCHZULASSEN<br />
110<br />
Pagina 3<br />
MAUER AUS LEICHTER<br />
GEMACHTEN ZIEGELSTEINEN<br />
Luigi<br />
Vantan<br />
ZEMENTPUTZE<br />
ª<br />
Es findet keine<br />
Verdunstung statt
Jetzt sprechen wir über die Fähigkeit der Materialien und der Mauer, Dunst durchzulassen.<br />
In der üblichen deutschen Universität hat man vor Jahren berechnet, dass in einer normalerweise von vier<br />
Personen bewohnten Wohnstätte täglich ca. neun Liter Wasser in Form von Dunst ausgeschieden werden;<br />
Tätigkeiten <strong>im</strong> Haushalt, Bäder, Küche<br />
und Schlafz<strong>im</strong>mer (jede Person scheidet<br />
nachts <strong>im</strong> Schlaf einen halben bis einen Liter<br />
A<br />
dunst<br />
Mörtel zur<br />
Einbettung<br />
dunst<br />
dunst<br />
unbearbeiteter<br />
atmungsaktiver Putz<br />
atmungsaktiver Mörtel<br />
die Endbearbeitung<br />
atmungsaktiver<br />
Schutzverkleidung C<br />
verdunstung<br />
DURCHFLUSS DES WASSERDUNSTES<br />
DURCH EINE MAUER MIT<br />
ATMUNGSAKTIVER SCHUTZVERKLEIDUNG<br />
Pagina 4<br />
Wasserdunst aus).<br />
Dieses Wasser entweicht zum Teil durch die<br />
Fenster und zum Teil durch die Mauern.<br />
Anderenfalls muss es aus der Wohnung mit<br />
mechanischen Systemen durch Leitungen und<br />
Rohre abgezogen werden, wie in einigen Fällen<br />
französischer, moderner Bauweise mit Systemen<br />
aus vorgefertigtem Stahlbeton.<br />
Es ist deshalb wichtig zu verstehen, wie und<br />
warum die Materialien, aus denen eine Mauer<br />
besteht, atmungsaktiv sind und atmungsaktiv<br />
sein müssen.<br />
Schauen wir kurz, was bei dem Durchfluss des<br />
Dunstes durch die verschiedenen Materialien<br />
geschieht.<br />
Führen wir eine atmungsaktive Endbearbeitung<br />
aus , (siehe seitliches Schema) zum Beispiel<br />
einen dünnen Kalkputz auf einen Kalkputz,<br />
der seinerseits auf eine traditionelle<br />
Mauer aus Ziegelsteinen aufgetragen wurde,<br />
erhalten wir ein unter dem Aspekt der<br />
Dunstwanderung durch die Mauer perfekt<br />
funktionierendes System.<br />
Tragen wir dagegen eine synthetische, wenig atmungsaktive Verkleidung auf einen bekannterweise sehr<br />
atmungsaktiven Kalkputz auf, erhalten wir das Phänomen der Kondensation des Dunstes selbst hinter<br />
der synthetischen Verkleidung.<br />
Die Bildung von Wassereinschlüssen (siehe seitliches<br />
Schema) in der synthetischen Verkleidung<br />
führt zur Entwicklung von neuen, vorher nicht existierenden<br />
Pathologien.<br />
Das Wasser in flüssiger Form ist <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zum Wasserdunst, der bekannterweise ein Gas ist,<br />
in der Lage, die Salze zu lösen, die normalerweise<br />
<strong>im</strong> Mörtel oder <strong>im</strong> Lehm enthalten sind, aus denen<br />
die Ziegelsteine bestehen.<br />
Wenn diese Salze an die Oberfläche gelangen,<br />
kristallisieren sie und erzeugen dadurch einen Verfall,<br />
der zuerst die äußere Verkleidung und <strong>im</strong> folgenden<br />
den Putz selbst betrifft.<br />
Wird ein Zementputz (siehe seitliches Schema),<br />
der dem Dunst gegenüber wenig durchlässig ist, auf<br />
eine antike Mauer (eine <strong>im</strong> allgemeinen dem Dunst<br />
gegenüber sehr durchlässige Struktur) aufgetragen,<br />
entwickeln sich ähnliche Pathologien wie die<br />
vorhergehenden, die sich auch nach mehreren<br />
Jahren an der Oberfläche zeigen und sehr hohe<br />
Kosten für die außergewöhnliche Instandhaltung der<br />
Mauern und Putze mit sich bringen.<br />
Wie man die Durchlässigkeit eines Materials dem<br />
B<br />
Luigi ª<br />
Vantangoli<br />
A<br />
dunst<br />
Mörtel zur<br />
Einbettung<br />
dunst<br />
dunst<br />
unbearbeiteter<br />
atmungsaktiver Putz<br />
atmungsaktiver Mörtel<br />
Putz für die<br />
Endbearbeitung<br />
NICHT<br />
atmungsaktiver<br />
Schutzverkleidung<br />
Anhäufung von<br />
Kondenswasser<br />
und Entwicklung<br />
von Salzen<br />
ES FINDET<br />
Verdunstung statt<br />
DURCHFLUSS DES WASSERDUNSTES<br />
DURCH EINE MAUER MIT<br />
NICHT ATMUNGSAKTIVER SCHUTZVERKLEIDUNG<br />
C<br />
B<br />
Luigi<br />
Vantangoli ª
Dunst gegenüber messen kann.<br />
Jedes Material hat also eine eigene Fähigkeit, den Wasserdunst mehr oder weniger passieren zu lassen, oder<br />
besser, leistet dem Durchfluss des Dunstes mehr oder weniger Widerstand.<br />
Wie man dieser Widerstandsfähigkeit einen Wert geben kann. Man hatte daran gedacht, als <strong>Vergleich</strong>sbegriff<br />
die Luft zu verwenden. Es ist jedoch wichtig, dass die Erhebung für die Luft und für das zu überprüfende<br />
Material unter den gleichen Umweltbedingungen, d.h. bei gleicher Temperatur, gleicher atmosphärischer<br />
Feuchtigkeit und der gleichen Höhe über dem Meeresspiegel durchgeführt wird. Wir wissen in der Tat,<br />
dass Luft, je nach dem, ob sie warm oder kalt, trocken oder feucht ist, eine unterschiedliche Fähigkeit hat,<br />
dem Durchfluss des Dunstes Widerstand zu leisten.<br />
Diese Widerstandsfähigkeit heißt m ,<br />
das ist das griechische „M“.<br />
m ist eine reine Zahl, weil sie eine Beziehung<br />
ist: zwischen dem Material, das<br />
wir untersuchen wollen, und der Luft,<br />
selbstverständlich unter den gleichen<br />
Umweltbedingungen.<br />
Betrachten wir zum Beispiel in dieser<br />
Aufstellung die Fähigkeit einiger, uns<br />
näher beschäftigenden Materialien,<br />
dem Durchfluss des Wasserdunstes zu<br />
widerstehen.<br />
m =<br />
EINIGE m WERTE FÜR MATERIALIEN<br />
UND ERZEUGNISSE IM BAUWESEN<br />
Mauerwerke<br />
Pagina 5<br />
VON EINEM MATERIAL GEBOTENER<br />
WIDERSTAND<br />
GEGEN DIE DIFFUSION DES DUNSTES<br />
VON DER LUFT UNTER DEN GLEICHEN<br />
BEDINGUNGEN GEBOTENER<br />
WIDERSTAND<br />
GEGEN DIE DIFFUSION DES DUNSTES<br />
Luigi ª<br />
Vantangoli<br />
MATERIAL m<br />
DICHTE<br />
kg/mc<br />
Mauerwerke aus Vollziegeln und Zementmörtel 120 2.000<br />
Mauerwerke aus Vollziegeln und Kalkmörtel 70 1.800<br />
Mauerwerke aus Lochziegeln und Zementmörtel 20 600 - 1400<br />
Mauerwerke aus Naturstein und Kalkmörtel 5 - 25 1300 - 2000<br />
Mauerwerke aus Stahlbeton 100 - 150 2.400<br />
Mauerwerke aus leichter gemachtem Beton 50 - 100 800 - 1600<br />
Mauerwerke aus Gasbeton 10 - 20 400 - 800<br />
Putze und Mörtel (Bindemittel + Zuschläge) kg/mc<br />
Kalkmörtel 10 1.600<br />
Zementmörtel 35 - 100 2.000<br />
Mörtel aus Kalk und Zement 20 - 70 1.800<br />
Mörtel aus Kalk und Gips 10 1.400<br />
Gips ohne Sand 10 1.200<br />
Endbearbeitungen kg/lt<br />
Verkleidungen aus Acryl und Quarzpulver 400 - 1800 1,70<br />
Verkleidung aus Kalk und Marmorstaub 7 - 15 1,70<br />
Anstrichfarbe aus Acryl 150 - 1600 1,50<br />
Kalktünche 7 - 10 1,30<br />
Silossanische Anstrichfarbe 15 1,40
Die atmungsaktive Fähigkeit eines Körpers hängt jedoch nicht nur vom m ab, sondern auch von der<br />
Stärke des Materials, das der Dunst durchqueren muss.<br />
Je größer die Stärke ist, desto mehr Zeit benötigt der Wasserdunst offensichtlich, um durchzuströmen.<br />
Also hängt die Atmungsaktivität eines Materials direkt vom m und von der Stärke des Materials selbst ab. Diese<br />
Multiplikation m x Stärke des Materials (in Metern ausgedrückt) führt zu einem international als Sd bekannten<br />
Wert.<br />
zum Beispiel:<br />
PUTZ AUS KALK UND SAND<br />
m = 10 X Stärke (in m) 0,02<br />
Sd = 0,2<br />
Um die atmungsaktive Fähigkeit eines kompletten Mauersystems, bestehend aus der tragenden Mauer, aus<br />
den Putzen (intern und extern) und aus den Endbearbeitungen der beiden Oberflächen, zu berechnen, müssen<br />
wir die Sd-Werte jedes einzelnen Erzeugnisses addieren.<br />
Pagina 6
HISTORISCHE ANMERKUNGEN<br />
Warum haben die Bausysteme der Vergangenheit so gut funktioniert, dass sie bis in unsere Zeit reichen und<br />
jede Art von Gegenangriffen überstanden haben?<br />
Es ist offensichtlich, dass es <strong>im</strong> Altertum keine Laboratorien gab, die die Qualität der Materialien und Bausysteme<br />
überprüft haben.<br />
Die Zeit verging jedoch langsam. Der damalige Lebensrhythmus war viel langsamer als der heutige und es<br />
war normal, einige Jahrzehnte warten zu können, um die Resultate einer neuen Baumethodologie zu sehen.<br />
Nachdem man erst die besten Systeme gefunden hatte, überlieferte man sie von Generation an Generation.<br />
Das unterscheidende Merkmal lag ganz <strong>im</strong> architektonischen und dekorativen Bereich, aber nicht auf strukturellem<br />
und technischem Niveau.<br />
Man muss aber auch daran erinnern, dass in der Geschichte die größten Impulse, technologisch verbesserte<br />
Systeme zu suchen, leider <strong>im</strong>mer von der Militärwissenschaft ausgingen.<br />
Die eindrucksvollen Festungen der Vergangenheit forderten <strong>im</strong>mer den größten Ausdruck der Bauwissenschaft.<br />
Auch heute noch stammt die schnellste Entwicklung der Technik <strong>im</strong>mer aus dem militärischen Bereich und<br />
wird erst danach auf den zivilen Bereich übertragen.<br />
Die traditionellen Mauersysteme bestehen aus Blöcken aus Naturstein oder Ziegelsteinen – in manchen Fällen<br />
auch aus ungebrannten, in der Sonne getrockneten Ziegeln – und aus Bindemörtel, der überwiegend aus<br />
Luftkalk, Sandarten und gemahlenem Backstein zusammengesetzt ist. Wir werden später die Zusammensetzungen<br />
näher betrachten.<br />
In der Geschichte haben fast nie Außenmauern existiert, die nicht durch Putz geschützt waren.<br />
Seit ihrem Ursprung waren die aus Steinen und Lehm erbauten Mauern durch eine Schicht aus Lehm, der<br />
häufig mit pflanzlichen Fasern oder Tierhaaren vermischt wurde, geschützt.<br />
Die Gewohnheit, die tragenden Strukturen zu schützen, führte soweit, dass zuerst die Griechen und dann<br />
die Römer es gewohnt waren, sogar die Marmoroberflächen der Tempel und der auf den Plätzen ausgestellten<br />
Statuen mit dünnen Schichten aus Kalk und Marmorstaub umhüllten.<br />
Im Altertum war es üblich, auf Mauern aus Ziegelsteinen eine Schicht aus Mörtel aufzutragen, der aus<br />
Kalk, Sand und oft auch aus Granulatkörnern, die man aus der Mahlung von Hohlziegeln und Ziegelsteinen<br />
erhielt, - dem berühmten „cocciopesto“ (gestoßenen Ton) - bestand.<br />
Der Zweck dieser Vorfahren des Putzes, wenn wir sie so nennen können, war der, die tragenden Strukturen,<br />
in anderen Worten die Außenmauern, vor Umwelteinflüssen zu schützen und sich an ihrer Stelle<br />
zu opfern.<br />
Aus diesem Grund spricht man heute in der Restaurierung von sich opfernden Oberflächen, wenn man sich<br />
auf diese äußere Verkleidung der Fassaden bezieht.<br />
Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Putz in seinen Formen <strong>im</strong>mer vollkommener.<br />
Die Architekten benutzten ihn nicht mehr nur, um die Fassaden zu schützen, sondern auch um architektonische<br />
Motive zu erfinden, die dem Gebäude Wert verliehen und es hervorhoben. Sie formten vorgetäuschte<br />
Säulen, unechten Marmor, falsche Mauerwände mit sichtbaren Ziegelsteinen oder unechte bossierte Wandsockel<br />
als Imitation von Naturstein.<br />
Die Geschichte lehrt uns, dass ein Putz, um lange zu halten, in mehreren dünnen Schichten aufgetragen<br />
werden muss, und nicht in einer einzigen Schicht.<br />
Ohne zu den berühmten sieben Schichten kommen zu müssen, die Vitruvius - ein römischer Architekt, der zu<br />
Zeiten Christi lebte und der als erster alle Regeln er Baukunst aufschrieb und sie sogar in zehn Büchern zusammenfasste<br />
- vorgeschrieben hat, muss ein guter Putz mindestens in drei Schichten folgendermaßen realisiert<br />
werden:<br />
� Eine erste leichte Berappung, um eine gute Haftung an dem Mauerwerk zu schaffen.<br />
� Ein Aufzug, d.h. eine Auflage aus unbearbeitetem Mörtel mit einer Stärke von circa 1 -2 Zent<strong>im</strong>etern, die<br />
auf die erste Schicht aufgetragen wird, nachdem man, falls erforderlich, die Führungsbahnen ausgeführt<br />
hat.<br />
� Eine dünne Schicht der Endbearbeitung von 1-2 Mill<strong>im</strong>etern, die dazu dienen wird, die Oberflächen zu<br />
kompaktieren, indem man sie gegen die Angriffe der Umwelteinflüsse widerstandsfähig macht und darauf<br />
vorbereitet, die farbigen Endbearbeitungen zu erhalten.<br />
Pagina 7
DIE WECHSELWIRKUNG DER MATERIALIEN<br />
Der enorme grundlegende Unters chied, der zwischen dem traditionellen Bausystem – d.h. aus der historischen<br />
Tradition stammend – und dem modernen Bausystem besteht, ist die Wechselwirkung, die zwischen<br />
den Materialien (sei chemischer oder physikalischer Art) und zwischen den Personen, die an der Errichtung<br />
des Gebäudes teilgenommen haben, aktiv wird, und das Fehlen dieses wechselseitigen Einflusses in dem<br />
modernen Bau.<br />
Der Kalkputz, anders als der Zementputz, hat eine perfekte, nicht nur physikalische, sondern auch chemische<br />
Adhäsion an dem Ziegelstein.<br />
Die Endbearbeitung aus Kalk vereint sich seinerseits chemisch mit dem Kalkputz, und bildet dadurch einen<br />
einzigen Körper, unlöslich, und deshalb auf Dauer sehr haltbar.<br />
Die gleichen Endbearbeitungen aus Kalk dagegen und vor allem die Anstriche, die keinen „Körper“ bilden, leiden<br />
in größerem Umfang unter der fehlenden, chemischen Adhäsion auf dem Untergrund. Werden sie auf<br />
moderne und zementhaltige Putze aufgetragen, haben sie eine zeitlich begrenzte Lebensdauer, da sie nicht<br />
diesen einzigen und einheitlichen Körper bilden und den Umwelteinflüssen mehr ausgesetzt sind und von ihnen<br />
in größerem Umfang angegriffen werden können.<br />
Die modernen Endbearbeitungen synthetischen Ursprungs bilden dagegen einen Film, eine Haut, die sich<br />
dank des in dem Produkt enthaltenen Le<strong>im</strong>s, des Harzes, an die Oberfläche anhängt. Wenn dieser “Le<strong>im</strong>” älter<br />
wird und aufgrund der UV-Strahlen und der Umwelteinflüsse <strong>im</strong> allgemeinen verfällt, verliert die synthetische<br />
Verkleidung an Elastizität und neigt dazu, die Haarrisse des Putzes hervorzuheben und sich dann in<br />
großflächigen Blättern abzulösen.<br />
Das geschieht deshalb, weil keine chemische Reaktion mit dem Untergrund stattgefunden hat.<br />
Es fehlt also die Wechselwirkung zwischen den Materialien und das geht zu Lasten der Qualität und der Haltbarkeit.<br />
Die Notwendigkeit, sich auf <strong>im</strong>mer spezifischere Weise zu spezialisieren, führt dazu, dass die Anwender ein<br />
<strong>im</strong>mer begrenzteres Allgemeinwissen über die verschiedenen Bearbeitungen haben.<br />
Wer die Mauer erbaut, macht häufig nicht die Verputzung; und wer die Verputzung macht, trägt nicht den Anstrich<br />
auf.<br />
So passiert es, dass jedes Mal, wenn der seine eigene Arbeit perfekt beherrschende Spezialist auf dem Bau<br />
erscheint, der sich nicht darum kümmert nachzuprüfen, ob der von seinem Vorgänger vorbereitete Untergrund<br />
gesund ist oder gut errichtet worden ist. Das fällt nicht in seine Kompetenz.<br />
Dasselbe geschieht mit den Materialien.<br />
Im Unterschied zu einmal damals sind die modernen Materialien in der Tat hergestellt, geprüft, bescheinigt<br />
und ins Werk gesetzt worden, ohne den Zusammenhang zu berücksichtigen, in dem sie angewendet werden,<br />
ohne zu berücksichtigen, ob sie in Übereinst<strong>im</strong>mung mit den anderen Materialien "arbeiten" können, ob sie<br />
sich harmonisch in die Konstruktion einfügen oder ob sie neue Pathologien erzeugen und auslösen.<br />
Ich nenne Ihnen das Beispiel des Paneels aus synthetischem Wärmedämmstoff, das <strong>im</strong> Laboratorium unglaubliche<br />
Leistungsergebnisse erreichte und dann, nachdem es erst einmal ins Werk - zum Beispiel in den<br />
Zwischenraum einer Mauer - gesetzt wurde, eine Barriere für den Dunst schafft, die nicht nur den Effekt der<br />
Wärmedämmung annulliert, sondern vielleicht auch Sch<strong>im</strong>mel und Bakterien erzeugt.<br />
Ein anderes, uns näheres Beispiel besteht darin, einige Teile von antiken Mauern zu ersetzen, indem man<br />
Zementmörtel verwendet, der, wie Sie alle wissen, äußerst starr ist. Das ist, als ob man der Mauer eine Faust<br />
in den Magen rammen würde. Diese Mauer "arbeitet" von jetzt an nicht mehr auf homogene Weise, da sie die<br />
Lasten auf unterschiedliche Weise verteilt.<br />
Und dann wundern wir uns, wenn nach dem Eingriff Risse und Schäden auftreten, die vorher nicht da waren.<br />
Pagina 8
DIE BINDEMITTEL FÜR DIE PUTZE<br />
Die traditionellen Bindemittel für Putze sind in der Reihenfolge ihrer Entdeckung folgende:<br />
• der Gips<br />
• der nasse Luftkalk, d.h. die Löschkalkmasse<br />
• Luftkalk in Pulverform, d.h. der hydrierte Kalk<br />
• der natürliche Wasserkalk<br />
• der künstliche Wasserkalk<br />
• der Zement<br />
• der synthetische Wasserkalk<br />
DER GIPS<br />
Er ist das einzige Mineralbindemittel mit einem sauren Ph-Wert. Alle anderen sind alkalisch. Bringt man ihn<br />
als mit Eisen in Kontakt, korrodiert er es, anstatt es zu schützen, sowie es für den Kalk und den Zement geschieht.<br />
In der Natur findet man ihn in verschiedenen Formen, von linsenförmigen Kristallen bis zu den Sandrosen.<br />
In Italien finden wir ihn in der Emilia Romagna, in der Toskana und in Sizilien.<br />
Erwärmt auf 120° - 180° C verliert er ein Wassermolekül und nennt sich semihydriert. Er ist <strong>im</strong> Handel als<br />
Stuckgips oder als Gips für Modellierer bekannt.<br />
Dieser Gips vermischt mit unbearbeitetem kristallinem Gips, sehr fein zerkleinert, ist der Ursprung des Alabastergipses.<br />
Bringt man das Brennen auf 200° - 300° C verliert er vollständig das Kristallisationswasser und wandelt sich<br />
in Anhydrid um (verwendet für manch modernen Putz und Untergrund für Fußböden).<br />
Stuckgips, Alabaster und Anhydrid, vermischt mit Wasser, binden schnell ab, da sich die beiden Wassermoleküle<br />
wieder verbinden und eine mäßige Wärme entwickeln.<br />
Über 500° C erhält man Estrichgips oder verbrannten Gips oder Putzgips.<br />
Der Gips ist ein sehr hygroskopisches Produkt, d.h. er absorbiert leicht Wasser und n<strong>im</strong>mt gleichzeitig an Volumen<br />
zu.<br />
Er muss also draußen und in feuchter Umgebung mit großer Vorsicht verwendet werden.<br />
Pagina 9
DER LUFTKALK<br />
Seine Entdeckung geht nunmehr auf circa 6-7.000 Jahre zurück. Wir können behaupten, dass er also eine<br />
lange Prüfung durch die Zeit erfahren hat.<br />
Den Luftkalk erhält man durch das Brennen, in senkrechten Durchlauföfen mit der charakteristischen Form<br />
eines Bottichs, von Kalkstein, dem Kalziumkarbonat.<br />
Der Rohstoff kann aus Flusskieselsteinen (die normalerweise mehr Unreinheiten aufweisen - aber nach<br />
Meinung einiger Leuten verleihen ausgerechnet diese Unreinheiten der Löschkalkmasse eine höhere Qualität)<br />
oder aus Grubenmaterial (das den Ursprung eines eben reineren Kalks gibt, der aber eher für die Eisenindustrie<br />
und für die Zuckerfabriken geeignet ist) bestehen.<br />
DAS BRENNEN UND DAS LÖSCHEN<br />
Das Brennen in Holzöfen garantiert angesichts der niedrigen Emission von Kalorien des Brennstoffs<br />
ein Brennen bei geeigneten Temperaturen, und aus diesem Grund wird es von den italienischen Oberaufsichten<br />
der architektonischen und ambientalen Güter vorgezogen, wenn nicht sogar verlangt.<br />
Das Kalziumcarbonat (CaCo3) verliert in der Brennphase an Gewicht und vergrößert etwas sein Volumen.<br />
Es wird dadurch zum Kalziumoxyd (CaO), d.h. zum Ätzkalk.<br />
Das Brennen in Holzöfen erfolgt zwischen 900° und 1.100° C; in Methan-, Kohle- oder Ölöfen kann sogar eine<br />
Temperatur von 1.250° - 1.300° C erreicht werden, mit dem Risiko jedoch, das Endprodukt entarten zu lassen.<br />
CO 2<br />
Kohlendioxyd<br />
108<br />
H2 O<br />
Wasser<br />
Brennen bei<br />
900-1000°C<br />
Ca O<br />
ÄTZKALK<br />
Luigi<br />
Vantangoli ª<br />
Kalziumoxyd<br />
Ca Co 3<br />
KALKSTEIN<br />
Kalziumkarbonat<br />
H2 O<br />
Wasser<br />
Löschung<br />
Das Löschen des ungelöschten Kalks erfolgt in einer Art großen Betonmischmaschine, in die auch das zu diesem<br />
Zweck erforderliche Wasser hineingegeben wird. Das Kalziumoxyd verwandelt sich so ind Kalziumhydroxyd,<br />
d.h. in gelöschten Luftkalk (Ca(OH)2).<br />
Während des Löschens erfolgt eine chemische Reaktion, die Wärme erzeugt, circa 150° C.<br />
Der Unterschied, der zwischen dem Luftkalk in Pulverform, dem hydrierten Kalk, und dem nassen Kalk,<br />
der Löschkalkmasse besteht, liegt nur in dem unterschiedlichen Wassergehalt.<br />
Fügen wir in der Tat dem Stein des Ätzkalks nur das erforderliche Min<strong>im</strong>um an Wasser hinzu, das notwendig<br />
ist, um ihn chemisch zu lös chen, erhalten wir den hydrierten Luftkalk in Pulverform.<br />
Fügen wir weiterhin Wasser hinzu, erhalten wir die Löschkalkmasse des Luftkalks.<br />
Die Löschkalkmasse wird zum Ablagern in Becken oder Gruben gesetzt.<br />
Pagina 10<br />
CO2<br />
Kohlendioxyd<br />
H2 O<br />
Wasser<br />
Abbindung und<br />
Erhärtung<br />
Ca (OH) 2<br />
LÖSCHKALK<br />
Löschkalkmasse oder<br />
hydrierter Kalk<br />
Kalziumhydroxyd
Während der Ablagerung erfolgt unter chemischem Gesichtspunkt keine Veränderung, sondern nur physikalisch.<br />
Die Kristalle des Kalziumhydroxyds, d.h. der Löschkalkmasse, die eine sechseckige Form haben, ordnen<br />
sich aus einer Situation perfekter Unordnung heraus graduell und langsam in ganz vielen parallelen Reihen<br />
an, wie ganz viele dicke Würste.<br />
Dieser mikrophysikalischen Anordnung entspricht ein kompakteres und zäheres Material, das sich mit der Kelle<br />
viel besser verarbeiten lässt als die nicht abgelagerte Löschkalkmasse.<br />
Wir wissen, dass der übliche Vitruvius vor ca. 2000 Jahren vor der Verwendung der Löschkalkmasse ihre Ablagerung<br />
für eine Dauer von 10 Jahren vorschrieb.<br />
DIE ABBINDUNG UND DAS ERHÄRTEN DES LUFTKALKS.<br />
Der nasse Luftkalk, d.h. die Löschkalkmasse aktiviert keinen Abbindungs - oder Erhärtungsprozess, solange er<br />
nicht mit Luft in Berührung kommt.<br />
Ist er dagegen erst einmal ins Werk gesetzt worden und kommt er mit der Luft oder besser mit dem sich in<br />
der Luft befindenden Kohlendioxyd in Berührung, aktiviert sich erst die Abbindung und dann der Erhärtungsprozess,<br />
der Karbonatisierung genannt wird.<br />
Dieser Prozess ist sehr langsam, da 63 Kg Kalziumhydroxyd (d.h. die Löschkalkmasse) und gut 37 Kg<br />
Kohlendioxyd erforderlich sind, um 100 Kilogramm karbonatisierten Kalks – d.h. das Kalziumkarbonat<br />
oder Kalkstein, von dem man ausgegangen ist, um den Kalk zu erhalten – zu erhalten.<br />
Wenn wir daran denken, dass Kohlendioxyd in der Luft nur zu einem sehr niedrigen Prozentsatz vorhanden<br />
ist, nämlich nur in Höhe von 0,03%, können wir uns die Langsam keit dieses Phänomens erklären.<br />
Wir haben also gesehen, wie der Mensch - in einer der größten und wunderbarsten Entdeckungen, die er je<br />
gemacht hat - in der Lage ist, den Felsen zu verwandeln, indem er ihn verformt und ihn dann wieder zu Felsen<br />
werden lässt.<br />
Pagina 11
DIE WASSERKALKE<br />
Wie viele Entdeckungen, die zufällig gemacht wurden, sahen die antiken Römer, dass, wenn sie der Löschkalkmasse<br />
des Luftkalkes eine für Mittelitalien typische Sandart vulkanischen Ursprungs, der Puzzolanerde,<br />
hinzufügten, der Luftkalk selbst eine andere Reaktion als sonst, eine viel schnellere, erfuhr. Sogar der Mörtel,<br />
der in dieser Weise konfektioniert wurde, erhärtete mit demselben, in der Löschkalkmasse enthaltenen<br />
Wasser, ohne abwarten zu müssen, der Luft ausgesetzt zu sein.<br />
Es war der Wasserkalk geboren, der künstliche Wasserkalk.<br />
Was macht den Luftkalk hydraulisch?<br />
Das sind saure Elemente, die durch Vulkanausbrüche aus dem Untergrund kommen, wie Siliziumdioxyd,<br />
Aluminiumoxyd, Eisenoxyd, usw., die gemischt mit gelöschtem Luftkalk, den Ursprung zu hydraulischen<br />
Reaktionen geben.<br />
Von diesem Moment an erfuhr die Entwicklung der großen Bauwerke eine enorme Beschleunigung.<br />
Endlich konnte man Konglomerat auch in großer Stärke gießen, da ja der Kalk gleichzeitig sowohl auf<br />
der Oberfläche als auch in der Tiefe erhärtete.<br />
In der Geschichte des Bauwesens hat man bei der Zusammensetzung von Mörteln und Beton auch einen<br />
seltsamen künstlichen Zuschlag verwendet, der vom chemischen Gesichtspunkt aus überhaupt nicht<br />
reaktionsträge ist.<br />
Er reagiert in der Tat mit dem Luftkalk, indem er ihm dieselben sauren Elemente, die wir gerade gesehen<br />
haben, zur Verfügung stellt, d.h. das Siliziumdioxyd, das Aluminium - und Eisenoxyd.<br />
Das ist der berühmte „Cocciopesto“, d.h. Lehm, der erst gebrannt und dann zerstoßen wird.<br />
Nun ja, wir können einen künstlichen Wasserkalk herstellen, wenn wir der Löschkalkmasse <strong>im</strong> Moment<br />
der Konfektion auf dem Bauplatz den „Cocciopesto“ hinzufügen.<br />
Diese Entdeckung hat den Römern erlaubt – es scheint aber, dass sie diese Technologie von den mittelöstlichen<br />
Kulturen kopiert haben -, in ganz Europa mit Beton zu bauen, da der Lehm – erforderlicher Rohstoff, um<br />
Ton zu erhalten – und der Kalkstein – Rohstoff, aus dem man den Kalk erhält – anders als die Puzzolanerde<br />
in jedem Land vorhanden sind.<br />
Mit Beton, bestehend aus Kalk, zerstoßenem Ton, Puzzolanerde und verschiedenen Zuschlägen, wurde vor<br />
nunmehr tausendneunhundert Jahren das Pantheon erbaut – Grabmal der Imperatoren und Könige -, das eine<br />
Kuppel mit einem Durchmesser von gut dreiundvierzig Metern hat, einem Meter mehr als die der Peterskirche.<br />
Der Beton der Mauern des Pantheon hat heute einen Kompressionswiderstand, der sich zwischen 500<br />
und 900 kg/cm³ bewegt.<br />
Mit denselben Teigen aus Löschkalkmasse, Sand und zerstoßenem Ton haben die antiken Römer den Unterbeton<br />
von Straßen über mehr als 20.000 km errichtet.<br />
KALKSTEIN<br />
+<br />
SILIZIUMDIOXYD<br />
EISENOXYD<br />
ALUMINIUMOXYD<br />
+<br />
Brennen<br />
900° c.<br />
+ +<br />
Brennen<br />
900° C.<br />
NATÜRLICHER<br />
WASSERKALK<br />
wasser<br />
=<br />
LÖSCHKALK (Löschkalkmasse)<br />
PUZZOLANERDE<br />
ODER ZERSTOSSENER TON<br />
ALUMINIUMOXY<br />
D<br />
Pagina 12<br />
SILIZIUMDIOXY<br />
D<br />
KÜNSTLICHER<br />
WASSERKALK<br />
Luigi ª<br />
Vantangoli<br />
EISENOXYD<br />
Dasselbe Kolosseum<br />
hat unterhalb<br />
einen Fundamentring<br />
mit<br />
einer Breite von<br />
ca. 50 m und einer<br />
Höhe von<br />
über 10 m.<br />
In den folgenden<br />
Epochen entdeckten<br />
die Römer<br />
Gruben und<br />
Minen von dunklerem,<br />
nicht<br />
mehr weißem<br />
Kalkstein, aus<br />
denen sie einen<br />
Kalk gewannen,<br />
der, auf die übliche<br />
Weise gebrannt,<br />
jedoch<br />
den Ursprung zu<br />
einem Bindemit-
tel bildete, das mit Wasser und nicht mehr mit Luft abband und erhärtete.<br />
Dieser Kalk hatte praktisch <strong>im</strong> Moment der Abkühlung der Erdkruste, <strong>im</strong> quartären Zeitalter, Lehm in sich eingeschlossen<br />
und somit den Ursprung der “lehmhaltigen Mergel” gebildet, die ganz zufällig natürlich das Rohmaterial<br />
für einen guten Wasserkalk bieten.<br />
Das ist der natürliche Wasserkalk, der berühmte Dunkelkalk, der <strong>im</strong> Mittelalter <strong>im</strong>mer mehr Anwendung<br />
fand, sodass er sogar das bevorzugte Bindemittel der großen Architekten der Renaissance, mit Palladio an<br />
erster Stelle, wurde.<br />
Der synthetische Wasserkalk wurde dagegen mit dem Aufkommen des Zementes geboren und wird gewonnen,<br />
indem man die Produktionsabfälle des Zementes selbst verwertet. Das ist der Kalk, der auf allen modernen<br />
Bauplätzen vorhanden ist und für seine geringen mechanischen Qualitäten bekannt ist. Normalerweise<br />
wird er als Zusatz des Zements in den Kalkzementmörteln verwendet, um die Abbindungszeiten des Zementes<br />
etwas zu verlangsamen und um die Starrheit zu vermindern, die das Fabrikat annehmen würde, aber es<br />
ist nicht möglich, ihn<br />
alleine als Bindemittel<br />
zu verwenden.<br />
Es ist ein "unechter<br />
Kalk", der aus Abfällen<br />
des Zements<br />
hergestellt wird und<br />
dem dann noch eine<br />
Prise Zement und<br />
Gips hinzugefügt<br />
wird, um ihm ein Min<strong>im</strong>um<br />
an Bindekraft<br />
zu verleihen.<br />
DER ZEMENT<br />
KALKE<br />
Er wurde <strong>im</strong> Jahr 1824 von einem Engländer nam ens Joseph Aspdin patentiert und wird aus dem Brennen<br />
von mit Lehm gemischten Kalkstein in Durchlauföfen und bei Temperaturen um 1.500° C gewonnen.<br />
Der so entstehende Klinker wird nochmals mit anderen Elementen, wie Gips, Puzzolanerde und Abfallschlacke<br />
der Gusseisenproduktion vermischt, um jeweils den Ursprung für Portlandzement, Puzzolanerdenzemente<br />
und Hochofenzement zu bilden. Ein anderer Weg wird beschritten, um Schmelzzement herzustellen, jener<br />
expansive, der durch Brennen von mit Bauxit gemischtem Kalkstein, dem Mineral, aus dem Aluminium gewonnen<br />
wird, gewonnen wird.<br />
Die bekannte Starrheit der Zementputze (ein äußerst negatives Element für das äußere Fabrikat, das Temperaturschwankungen,<br />
die <strong>im</strong> Laufe des Jahres bis zu 70° C erreichen, ausgesetzt ist) und die geringe Atmungsaktivität<br />
haben eine Gesamtheit von Problematiken verursacht, die jedoch aufgrund der massiven<br />
Verbreitung dieser Produkte auf dem Markt als “Normalität” empfunden werden.<br />
Andere Elemente, die den Zement von dem Kalk unterscheiden, sind die Hygroskopizität, d.h. die Fähigkeit,<br />
das absorbierte Wasser festzuhalten, die beachtliche Starrheit und die viel größere Masse des Kalks selbst.<br />
Pagina 13<br />
ANTEIL LEHM IN % ABBINDUNG<br />
(IN DER MISCH.) GG.<br />
SCHWACH HYDRAULISCHE 0,10 - 0,16 5,3 - 8,2 15 - 30<br />
MITTEL HYDRAULISCHE 0,16 - 0,31 8,2 - 14,8 7 - 11<br />
WIRKLICH HYDRAULISCHE 0,31 - 0,41 14,8 - 19,1 4 - 7<br />
BESONDERS HYDRAULISCHE 0,41 - 0,52 19,1 - 21,8 4<br />
GRENZKALKE: LANGSAM ABBINDENDER ZEMENT 0,52 - 0,65 21,8 - 26,8 4<br />
SCHNELL ABBINDENDER ZEMENT 0,65 - 1,28 26,8 - 40 4<br />
wobei I =<br />
siliziumdioxyd + aluminiumoxyd<br />
I<br />
Kalziumoxyd<br />
Luigi Vantangoli ª
2<br />
KALKSTEIN<br />
LEHM<br />
KALKSTEIN<br />
BAUXIT<br />
Der Zement hat eine viel schnellere hydraulische Abbindung als der Kalk.<br />
Und das ist der einzige Faktor, der seinen Eintritt in die Zusammensetzung der modernen Putze best<strong>im</strong>mt<br />
hat: der einfache Grund liegt darin, weil er erlaubt, die Putze schneller zu realisieren und somit die<br />
Handwerkerkosten, die leider <strong>im</strong>mer mehr ansteigen, zu begrenzen.<br />
DIE ZUSCHLÄGE<br />
Ihre Sauberkeit, die Zusammensetzung, ihre Form und die Mischung zwischen den verschiedenen Größen<br />
sind ausschlaggebend, wir wiederholen AUSSCHLAGGEBEND, um qualitativ hochwertigen Mörtel und Beton<br />
zu erhalten.<br />
Denken Sie nur, dass der übliche Vitruvius vorschrieb, sie vor ihrer Verwendung mindestens dre<strong>im</strong>al und mit<br />
Sorgfalt zu waschen.<br />
Die Zuschläge können aus dem Fluß oder aus der Grube stammen.<br />
= PORTLANDKLINKER<br />
+ + +<br />
GIPS GIPS<br />
GIPS<br />
PORTLAND<br />
ZEMENT<br />
Die ersteren sind rundlich, die zweiten dagegen eckiger, da sie durch die Zersplitterung von größeren Stücken<br />
entstehen.<br />
2<br />
+<br />
+ =<br />
2<br />
Brennen<br />
1500° c.<br />
Brennen<br />
1500° c.<br />
V = 2 x 2 x 2 = 8 V = 1 x 1 x 1 x n.8 = 8<br />
S = 2 x 2 x n.6 = 24<br />
1<br />
1<br />
S = 1 x 1 x n.6 x n.8 = 48<br />
SCHMELZZEMENT<br />
1<br />
Pagina 14<br />
+<br />
+<br />
SCHLACKE PUZZOLANERDE<br />
HOCHOFEN<br />
ZEMENT<br />
PUZZOLANERDE<br />
NZEMENT<br />
Luigi ª<br />
Vantangoli<br />
Der Durchmesser des in den Mörteln<br />
verwendeten Zuschlages ist grundlegend,<br />
um ein Produkt von guter Qualität<br />
zu erhalten. Kleine Zuschläge erfordern<br />
größere Mengen an Bindemittel:<br />
wenn wir ein Granulatkorn mit der angenommenen<br />
Größe von 2 Mill<strong>im</strong>etern<br />
pro Seite, das also ein Volumen von 8<br />
Kubikmill<strong>im</strong>etern und eine Oberfläche<br />
von 24 Quadratmill<strong>im</strong>etern hat, mit acht<br />
Granulatkörnern mit der Größe von<br />
1mm pro Seite, bei gleichem Volumen,<br />
11
Anteil am<br />
Gewicht<br />
in %<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
mäßig<br />
gut<br />
0 1 2 3 4 5 6 7<br />
Durchmesser in mm.<br />
GRANULOMETRIE DER<br />
ZUSCHLÄGE FÜR EINEN<br />
KALKMÖRTEL<br />
Pagina 15<br />
Luigi ª<br />
Vantangoli<br />
nämlich 8 mm³,<br />
vergleichen sehen<br />
wir in der Tat, dass<br />
sich die Oberfläche<br />
verdoppelt, demnach<br />
48 mm² beträgt<br />
und demzufolge<br />
sehr viel<br />
mehr Bindemittel<br />
benötigt, um die<br />
gleiche Kohäsion<br />
zu erzielen.<br />
Es ist deshalb grundlegend, eine gute<br />
granulometrische Kurve zu erhalten,<br />
d.h. die richtige Mischung zwischen<br />
verschiedenen Größen der<br />
Zusätze, um einen Teig von der<br />
Konsistenz und den homogenen und<br />
besten Eigenschaften zu erreichen.<br />
Die kleinen Zuschläge dienen in der<br />
Tat dazu, die Hohlräume zwischen<br />
den größeren Zuschlägen zu füllen<br />
und dadurch die mit dem Bindemittel<br />
zu bedeckenden Oberflächen zu verringern.<br />
Gut, nachdem wir die Bindemittel und die Zuschläge – oder seien es auch Aggregate – gesehen haben, wissen<br />
wir, wie man die Mörtel zusammensetzt.<br />
Das sind die Mörtel für tragende Mauern, die gemäß dem Ministererlass vom 20.11.87 klassifiziert sind.<br />
KLASSEN KOMPONENTEN<br />
VOLUMENVER<br />
HÄLTNISSE<br />
M4 - WASSERMÖRTEL Wasserkalk - Sand 1 3 2,5<br />
M4 - PUZZOLANMÖRTEL Luftkalk Pozzolana Sand 1 3 2,5<br />
M4 - KALKTEMENTMÖRTEL Zement Wasserkalk Sand 1 2 9 2,5<br />
M3 - KALKTEMENTMÖRTEL Zement Wasserkalk Sand 1 1 5 5<br />
M2 - ZEMENTMÖRTEL Zement Wasserkalk Sand 1 0,5 4 8<br />
Rc<br />
N/mm²<br />
M1 - ZEMENTMÖRTEL Zement - Sand 1 3 12<br />
Nachdem die Mörtel die Funktion, die Komponenten eines traditionellen Mauerwerks zu verbinden, erfüllt haben,<br />
haben wir bereits gesehen, wie sie auch dazu verwendet worden sind, um die Mauerstrukturen selbst vor<br />
den Angriffen der Zeit zu schützen.<br />
Anfangs trug man eine dünne Mörtelschicht auf, die aus Luftkalk und Marmorstaub oder aus Luftkalk und<br />
Fragmenten zerstoßenen Tons bestehen konnte – es scheint so, als ob die Mauern Karthagos so vor den<br />
Phöniziern beschützt worden seien -.<br />
Diese kleine Schicht hat in der Geschichte den allgemeinen Namen der Opferschicht angenommen.
Sie opferte sich in der Tat, um die tragende Struktur des Gebäudes, die Mauerwand, zu schützen.<br />
Aber, wiederholen wir es, die Opfers chicht bedeckte nicht nur die Ziegel- oder Steinmauern, sondern auch die<br />
wunderschönen griechischen und römischen Tempel (es wurden Spuren davon auf den Säulen des Tempeltals<br />
in Agrigent gefunden, die durch Anastilose in den jahrhundertelang vom Erdreich begrabenen Teilen rekonstruiert<br />
wurden).<br />
Das heißt, dass die antiken Bevölkerungen es besser als wir verstanden haben, dass eine präventive Instandhaltung<br />
zu einer dauerhaften Erhaltung des Gebäudes führte.<br />
Die römischen Militärarchitekten schrieben schon in dem Moment, wenn sie die Werke beendeten und übergaben,<br />
Instandhaltungseingriffe nach jedem best<strong>im</strong>mten Zeitraum von Jahren (von 15 bis 30 ungefähr) vor.<br />
Die weißen Marmor des Altertums wurden häufig mit Putzen, bestehend aus Löschkalkmasse und Marmorstaub,<br />
und, siehe da, farbigen Pigmenten, bedeckt. Tja, weil auch in der Vergangenheit die Farbe als eine<br />
Phantasie des Lebens angesehen war.<br />
Wer weiß nicht, dass das Parthenon farbig war, so wie auch die Reiterstatuen auf den römischen Plätzen.<br />
Im Laufe der Zeit wurde diese Opferschicht <strong>im</strong>mer mehr vervollkommnet.<br />
Techniken aus der Renaissance und Vorrenaissance führten zur Verkleidung der Mauerwände mit einer dünnen<br />
Schicht aus Kalk und zerstoßenem Tonpulver, die die verschiedenen Farben der Mauerwände farblich<br />
anpasste und die Mauerwände erahnen ließ.<br />
Diese Technik, die auf verschiedene Weise entwickelt wurde, wird Sakramatur genannt.<br />
Dadurch, dass die Handwerker die Opferschicht etwas dicker gestaltet haben, haben sie gesehen, dass sie<br />
die eventuellen Unregelmäßigkeiten in der Mauerwand verstecken, architektonische Oberflächen erschaffen<br />
und mit unechten Oberflächen und Farben spielen und täuschen konnten.<br />
Es war der Putz geboren.<br />
Sie sehen wie aus Spiel und aus Notwendigkeit – oft waren die Unternehmen gezwungen, auch damals schon<br />
zu sparen – die Aufträger des Putzes und die Endbearbeiter der Oberflächen sich ein Vergnügen daraus<br />
machten, unechte Fassaden aus Ziegelsteinen <strong>im</strong> Sichtbereich und unechten Marmor zu erschaffen.<br />
Jedenfalls bestand klar und deutlich die Auffassung, dass diese Rindenschicht dazu diente, die darunterliegenden<br />
Mauern zu schützen und nicht um sie zu tragen, wie es heute der Fall ist.<br />
Der klassische Maurer von heute denkt: ein guter Putz muss stark und hart sein, um zu halten, und `rein mit<br />
dem Zement.<br />
Es gibt nichts verkehrteres. Der Zement erschafft eine zu schwere Masse und lässt, wie wir gesehen haben,<br />
den Dunst der Mauer nicht hindurch, aber vor allem ist der Zement starr wie Glas. Es gibt nichts verkehrteres<br />
als ein starres Material außen anzubringen, wo die Belastungen aufgrund der Temperaturschwankungen<br />
Ausdehnungen und Bewegungen verursachen.<br />
Die Folge ist eine Gesamtheit von Pathologien, die dann zu einem schnellen Verfall des Putzes selbst und<br />
auch der darunterliegenden Mauer führt.<br />
Noch deutlicher ist das Problem der Spalten und Ablösungen, wenn wir einen Zementputz auf eine alte und<br />
antike Mauer, die von Natur aus eine „weiche“ Struktur hat, auftragen.<br />
Wenn man eine antike Mauer ausbessert und schützt, ist es wichtig, mit Mörteln einzugreifen, die dieselbe<br />
oder eine <strong>im</strong> Hinblick auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften ähnliche Zusammensetzung haben wie<br />
die ursprünglichen. Einen Teil einer antiken Mauer mit Zement auszubessern, ist wie eine Hauttransplantation,<br />
bei der m an statt einer anderen Haut ein Aluminiumblech benutzt.<br />
AUFTRAGUNGSTECHNIKEN DER KALKPUTZE<br />
Vorbereitung der alten Unterlage:<br />
Pagina 16
Die zu verputzende Wand muss gut gesäubert und frei von Feuchtigkeitsproblemen durch Kapillar- und Salzaufstieg<br />
sein.<br />
Eventuelle Gipsspuren sind vollständig oder zumindestens in einer Tiefe von mehreren Zent<strong>im</strong>etern in Richtung<br />
des Mauerinneren zu beseitigen.<br />
Die Mauerteile, die auszubessern sind, weil sie nicht mehr stabil oder verfallen sind, werden mit demselben<br />
Kalkmörtel rekonstruiert, der für den Putz verwendet wird. Dieser Mörtel hat in der Tat sehr ähnliche oder die<br />
gleichen physikalisch-chemischen Eigenschaften wie der Originalmörtel, der für die Errichtung der Mauer verwendet<br />
wurde.<br />
Wird in dieser Weise eingegriffen, vermeiden wir es, an der Mauer Schäden zu verursachen und zukünftige<br />
Pathologien auszulösen, wie zum Beispiel die Entwicklung von Salzen, wie es leicht passiert, wenn wir Zementmörtel<br />
benutzen, um alte Mauern zu reparieren. Der heute verkaufte Zement enthält fast <strong>im</strong>mer Salze,<br />
die aus den Unreinheiten der für die Herstellung verwendeten Rohstoffe stammen.<br />
Der Zementmörtel ist bekannterweise sehr starr und passt sich alten Strukturen nicht an, die aus viel elastischerem<br />
und atmungsaktiveren Kalkmörtel und Sand oder sogar aus Erde errichtet wurden.<br />
Vorbereitung der neuen Unterlage:<br />
Auf der neuen Unterlage werden wir die Reinigung der Oberfläche vornehmen, indem wir mit einer Bürste<br />
schnell darüberfahren, und fahren fort, indem wir sie – in der warmen Jahreszeit mit reichlich - gut sauberem<br />
Wasser benässen.<br />
Mischung der Materialien:<br />
MÖRTEL AUF BASIS VON LÖSCHKALKMASSE DES LUFTKALKS<br />
Der Putz aus Luftkalk ist in vorgefertigten Säcken aus Polyäthylen erhältlich. Sie enthalten unbehandelten<br />
Mörtel, der sowohl geeignet ist, die erste Berappung als auch den folgenden Aufzug auszuführen.<br />
Er besteht aus gut abgelagerten Löschkalkmasse des Kalks und sauberem Sand und weist eine<br />
entsprechende granulometrische Kurve auf.<br />
Das Produkt ist bereits nass und es ist kein Wasser hinzuzufügen.<br />
Der Inhalt des Sackes ist in eine Betonmischmaschine zu entleeren und einige Minuten zu mischen,<br />
um ihn zu homogenisieren und plastisch zu machen, und um ihn leicht aufzutragen.<br />
Die Verwendung des Kollergangs ist zu vermeiden, weil die Mischung in dieser Ausstattung die Zuschläge<br />
zermahlt und dadurch die granulometrische Kurve zerstört und die Eigenschaften verändert.<br />
Wollen wir den unbearbeiteten Mörtel aus Löschkalkmasse und groben Sand hydraulisch machen,<br />
müssen wir nichts anderes tun, als das Pulver aus gestoßenem Ton hinzuzufügen. Wie wir bereits<br />
vorher gesehen haben, ruft das Hinzufügen des gestoßenen Tons, dessen Menge in diesem Fall<br />
zwischen zwei und sechs Kilogramm auf jede Packung unbearbeiteten Mörtels von 30 Kilogramm<br />
schwanken kann, eine Reaktion hervor, die den Luftkalk in Wasserkalk verwandelt.<br />
Dieses Hinzusetzen, das für die erste Berappung wichtig ist, wird <strong>im</strong>mer empfohlen, wenn man vor<br />
Oberflächen steht, die wenig konsistent sind, wie antike Mauern, oder die <strong>im</strong> Hinblick auf das Haftvermögen<br />
schwierig sind, wie Stahlbeton.<br />
Das Hinzusetzen von gestoßenem Ton ist auch erforderlich, wenn es sehr kalt und feucht ist, bei Bedingungen<br />
also, die normalerweise die Abbindung und die Erhärtung des Luftkalks verhindern, da sie<br />
sie beachtlich verlangsamen.<br />
Eine andere Weise, um die Abbindung des Kalkmörtels während der kalten Jahreszeit zu beschleunigen,<br />
ist die, dem Inhalt des Sackes des unbearbeiteten Mörtels eine Kelle Zement hinzuzufügen.<br />
Wir werden diese Weise verwenden, um Kanten und Stege zu realisieren. Sie ist aber jedoch mit<br />
großer Vorsicht und Aufmerksamkeit zu benutzen. Diese kleine Menge Zement reicht mehr als aus,<br />
um Stege und Kanten innerhalb weniger Stunden erhärten zu lassen, und den Handwerkern zu erlauben,<br />
ohne Leerlauf zu arbeiten.<br />
Die Homogenisierung des Materials ist nach wenigen Drehungen der Betonmischmaschine erreicht.<br />
Wenn das Material fertig ist, bleibt es an der umgedrehten Kelle haften.<br />
Pagina 17
Ist der unbearbeitete Mörtel erst in der Betonmischmaschine homogenisiert worden, können wir ihn<br />
sowohl mit der Hand als auch mit den Maschinen, die den Spezialeinheiten zur Verfügung gestellt<br />
werden, aufgetragen werden. Das ist dank der natürlichen erhöhten Plastizität des Kalkmörtels möglich.<br />
MÖRTEL AUF BASIS VON WASSERKALK IN PULVERFORM<br />
Der natürliche Wasserkalk ist in Pulverform erhältlich und muss in der Betonmischmaschine mit den<br />
gut gesäuberten Zuschlägen und in der entsprechenden granulometrischen Kurve gemischt werden.<br />
Das Mischungsverhältnis beträgt ungefähr 3 – 4 Doppelzentner Kalk pro Kubikmeter Sand, es hängt<br />
von der Verwendung des Mörtel, von der Größe und der Sauberkeit der Zuschläge ab.<br />
Die richtige Zeit der Homogenisierung ist erreicht, wenn der Mörtel an der umgedrehten Kelle haften<br />
bleibt.<br />
Das Auftragen<br />
Die Berappung.<br />
Wie wir bereits gesagt haben, ist es wichtig, eine erste dünne Berappung auf die zu verputzende Wand aufzutragen.<br />
Wenn es je nach den eigenen Gewohnheiten für nötig erachtet wird, kann man - jedoch nur in dieser<br />
Auftragungsphase - Wasser zu dem Teig hinzufügen, um ihn flüssiger zu machen.<br />
Die Spitzen, die Führungsbahnen und die Kanten.<br />
Nach Beendigung der Berappung ist es sehr wichtig, das vollständige Trocknen dieser Berappung abzuwarten,<br />
bevor man mit den folgenden Bearbeitungen fortfährt. Der Kalkmörtel privilegiert in der Tat die Adhäsion<br />
der nachfolgenden Schicht auf der vorher aufgetragenen und schon getrockneten Schicht, <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zum Zementmörtel, der absolut auf die vorhergehende Schicht aufgetragen werden muss, solange<br />
diese noch feucht ist.<br />
Die Zeiten für die Trocknung variieren je nach Absorption der Unterlage und der Wetterbedingungen. Sagen<br />
wir, sie können zwischen wenigen Stunden <strong>im</strong> Hochsommer und einem oder zwei Tagen in der kalten und<br />
feuchten Jahreszeit schwanken.<br />
Aber aufgepasst! Befinden wir uns <strong>im</strong> Hochsommer und an windigen Tagen können wir, oder müssen wir sogar,<br />
die Oberfläche der ersten Berappung mit Wasser nass machen, bevor wir mit der zweiten Schicht der Berappung<br />
fortfahren.<br />
Der Aufzug<br />
Haben wir die Punkte, die Führungsbahne und die Kanten ausgeführt, können wir nun mit dem Aufzug fortfahren,<br />
indem wir jedes Mal eine Stärke von einem oder zwei Zent<strong>im</strong>etern auftragen, um die Räume zwischen einer<br />
Führungsbahn und der anderen auszufüllen. Mit Hilfe einer Aluminiumleiste, die mit einer synchronen Bewegung<br />
von unten nach oben geschoben wird, entfernen wir den <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong> zu der durch die Führungsbahnen<br />
erschaffenen idealen Ebene vorhandenen Überschuss an Stärke.<br />
Es ist möglich, auch große Stärken zu realisieren – auch acht oder zehn Zent<strong>im</strong>eter -, indem man in Schichten<br />
von jeweils einem oder zwei Zent<strong>im</strong>eter arbeitet.<br />
In diesem Falle ist es wichtig, dass die vorhergehenden Schichten <strong>im</strong>mer getrocknet sind, d.h. dass ein Zeitraum<br />
von ungefähr einem oder zwei Tagen je nach Jahreszeit zwischen einer Schicht und der anderen verstreicht.<br />
Nach einigen Stunden ist es möglich, wenn man will, die Oberflächen mit einem hölzernen Streichbrett zu<br />
verdichten.<br />
Der unbearbeitete Mörtel aus Luftkalk, der abends übrig bleibt, kann am nächsten Tag mit ruhigem Gewissen<br />
noch verwendet werden: es genügt, den Behälter, in den wir ihn gefüllt haben, mit einer Plastikfolie abzudecken<br />
und etwas Wasser darauf zu geben, um ihn zu beschweren. Da der Mörtel nicht mit Luft in Berührung<br />
Pagina 18
kommt, bleibt er frisch und bereit, um am nächsten Tag verwendet zu werden, nachdem er mit der Kelle oder<br />
der Betonmischmaschine wieder kurz aufgerührt worden ist.<br />
Wird der unbearbeitete Mörtel aus Luftkalk mit Auftragmaschinen aufgetragen, müssen wir nicht jeden Abend<br />
ihre Leerung vornehmen: es wird nur erforderlich sein, die Röhre in einen mit Wasser gefüllten E<strong>im</strong>er zu setzen<br />
und den Trichter der Maschine mit einer Plastikfolie abzudecken. Am nächsten Morgen wird die Maschine<br />
ohne irgendein Problem sofort wieder starten und uns somit die teure Zeit des Wartens und der Reinigung ersparen.<br />
Die Endbearbeitung.<br />
Nach Beenigung des Aufzuges werden wir einige Tage warten müssen, bevor wir die Schicht der dünnen<br />
Endbearbeitung, die je nach Region unterschiedlich genannt wird, auftragen können. Dieses Intervall ist unverzichtbar,<br />
um dem Putz die erste Reifung zu erlauben. Während dieser ersten Reifung wird sich eine physiologische<br />
Verringerung des Volumens des unbearbeiteten Putzes ereignen. Das in dem Mörtel enthaltene<br />
Wasser verdunstet und hinterlässt Hohlraume.<br />
Wir müssen eine zu schnelle Verdunstung des Wassers verhindern und deshalb werden wir, wenn wir uns in<br />
warmen und windigen Jahreszeiten befinden, dafür sorgen, die Oberflächen des Putzes einmal pro Tag für<br />
mindestens zwei oder drei Tage nass zu machen. Auf diese Weise werden wir vermeiden, dass der gerade<br />
realisierte Putz an Konsistenz verliert und sich pulverisiert (in der Fachsprache: “sich verbrennt”). Wir werden<br />
so eine opt<strong>im</strong>ale Reifung garantieren und dadurch einen sehr festen und konsistenten Putz erschaffen, der<br />
viele Jahrzehnte hält, bevor er verfällt.<br />
Am Ende dieser ersten Reifung wird die Oberfläche des unbearbeiteten Putzes verschiedene Haarrisse aufweisen,<br />
die <strong>im</strong> allgemeinen waagerecht verlaufen und zueinander parallel sind.<br />
Diese kleinen Schrunden dürfen uns nicht erschrecken, sie sind Teil eines natürlichen Prozesses.<br />
Im folgenden werden sie verschwinden, da sie von der Schicht des feinen Mörtels, die wir jetzt auftragen werden,<br />
chemisch vernäht werden.<br />
Der feine Mörtel, bestehend aus Löschkalkmasse und feinem Sand, ist in den gleichen Verpackungen aus Polyäthylen<br />
erhältlich wie der unbearbeitete Mörtel. Der Unterschied liegt in der Größe des Zuschlages, der<br />
selbstverständlich sehr viel kleiner ist, und in der größeren Menge Löschkalkmasse, die in die Formel eingebracht<br />
wird.<br />
Er wird in der Betonmischmaschine oder in einer Plastikwanne mit Hilfe des Bohrers mit Rühraufsatz schnell<br />
homogenisiert und wird in einer Schicht von 1 oder 2 Zent<strong>im</strong>etern auf den unbearbeiteten Putz – der vorher<br />
nass zu machen ist, wenn wir in der warmen und windigen Jahreszeit arbeiten – aufgetragen, indem wir eine<br />
amerikanische Kelle rechteckiger Form oder ein Streichbrett benutzen.<br />
Je nach den persönlichen Gewohnheiten ist es möglich, auch eine zweite Schicht des feinen Mörtels auf die<br />
erste aufzutragen, während diese trocknet.<br />
Wenn die letzte Schicht der Endbearbeitung trocknet – bezeichnender Weise muss die Oberfläche in einem<br />
Umfang von dreißig-vierzig Prozent “verwelkt" aussehen – werden wir sie mit einem mit einem Schwamm versehenen<br />
Streichbrett glätten, indem wir uns mit einem Quast und gut sauberem Wasser helfen, die zu sehr<br />
getrockneten Oberfläche "aufzufrischen". Auf diese Weise lassen wir sie wieder aufquellen und werden die<br />
ganze Oberfläche uniform gestalten.<br />
Aus dem ästhetischen Blickwinkel heraus ist es wichtig, dass das Auftragen der Endschicht ohne Unterbrechungen<br />
während der Bearbeitung erfolgt.<br />
Im Falle von großen Oberflächen auf Außenfassaden ist es ratsam, in Entsprechung der Regenrinnen oder<br />
anderer architektonischen Besonderheiten wie Wasserabflussleisten, Wandpfeilern, usw. aufzuhören, wenn<br />
man die Bearbeitung unterbrechen müssen sollte.<br />
An diesem Punkt ist der Kalkputz beendet und bereit, alle auf dem Markt existierenden farbigen Endbearbeitungen<br />
aufzunehmen, von den Kalkmineralien oder denen mit Silikaten hin zu den synthetischen - vorausgesetzt,<br />
sie sind atmungsaktiv.<br />
DIE ENDBEARBEITUNGEN<br />
Jetzt, nachdem wir über Mauern und Mörtel gesprochen haben, kommen wir zu dem heiklen Thema der Endbearbeitungen.<br />
Pagina 19
Die ersten Endbearbeitungen bestanden, wie wir gesehen haben, aus Löschkalkmassenputz, Marmorstaub<br />
oder anderen Zuschlägen, und Pigmenten wie die natürlichen Erdarten.<br />
Das Höchste an Vollkommenheit wurde für die Endbearbeitungen in der Renaissance erreicht. Es handelte<br />
sich um einen Wettbewerb zwischen den verschiedenen wichtigen Städten in Italien aber auch <strong>im</strong> restlichen<br />
Europa, wer die schönsten und künstlerischsten Fassaden machte.<br />
Oberflächen aus Stein und aus Marmor verflochten sich mit farbig verputzten Oberflächen, sei es als Marmor<strong>im</strong>itation,<br />
aber auch mit eigenen Farben.<br />
In Venedig hatte der „Marmorino“ großen Erfolg. Dies ist eine Endbearbeitung, die eben aus Marmorfragmenten,<br />
die aus dem Stocken der Marmore aus den angrenzenden Fassaden stammten, und Löschkalkmasse<br />
besteht, und die bearbeitet, kompr<strong>im</strong>iert und geglättet wird, bis dass sie das Aussehen der Pietra d‘Istria oder<br />
des Griechischen Marmors annahm, die an den Fassaden Venedigs die verbreitetsten Marmore waren.<br />
Aber die Venezianer begnügten sich nicht mit unechten Marmoren und so verkleideten sie die Fassaden mit<br />
Goldblatt, als zeichen von Üppigkeit und Herrlichkeit. Man erzählt, dass gegen Ende des 16. Jahrhunderts<br />
nicht nur das „Cà d'oro“ (Haus aus Gold) in Gold verkleidet war, sondern der größte Teil der Fassaden, die<br />
sich <strong>im</strong> Canale Grande spiegelten.<br />
Die gleichen Venezianer hatten die außergewöhnlichen Vorzüge an Elastizität des unbearbeiteten, aus<br />
Löschkalkmasse und zerstoßenem Ton bestehenden Putzes entdeckt – in der Tat ist dies der mit niedrigem<br />
Modul elastischste Putz, den es gibt – und sie verwendeten ihn auf allen oder fast allen Fassaden als Untergrund<br />
des „Marmorino“. Wenn Sie nach Venedig kommen, achten Sie darauf, es ist auf vielen antiken Plätzen<br />
so.<br />
Der Marmorino hat dagegen demonstriert, dass er mit Abstand die widerstandsfähigste Außenverkleidung in<br />
der Geschichte aller Zeiten ist. Die besondere Bearbeitung und die gegen Unwetter fast undurchlässige Oberfläche<br />
haben es den venezianischen Marmorinoputzen erlaubt, sogar jahrhunderte lang durchzuhalten.<br />
Aber dieselbe Oberfläche finden wir, siehe da, auch in der Kurie in Frascati, ein ehemaliges Schloss - in diesem<br />
Fall heißt der Marmorino „Römischer Stuck“ – und siehe noch einmal, in dem Schloss in Corigliano Calabro<br />
– hier waren sicher die Einflüsse der griechischen Traditionen nicht unbeteiligt.<br />
In Rom hat die Renaissance dazu geführt, Gebäude mit Fassaden vorzuweisen, die unglaublich schön und<br />
majestätisch sind. Man spielte mit den unechten Marmoren, mit unechten Mauerwänden, mit optischen Täuschungen,<br />
die man durch die „Brühe“ aus färbenden Erdarten erhielt, und warum nicht, auch mit echten<br />
Marmoren, die aus den an die Stadt angrenzenden Gruben und leider aus den antiken und herrlichen röm ischen<br />
Monumenten des Altertum stammten.<br />
Das Kolosseum wurde als eine Grube betrachtet und wurde systematisch zerstört. Die Familie der adeligen<br />
Barberini war in dem Abbau dieses Denkmals der Vergangenheit besonders aktiv; man beachte das berühmte<br />
Sprichwort „Was die Barbaren nicht machten, machten die Barberini“.<br />
Die Anstreicher der Renaissance waren für die Ausführung der Werke zur Verschönerung überaus wichtige<br />
Personen, in perfektem Einklang mit den Architekten waren sie wahre Meister der Kunst.<br />
Die Farben der weiter innen liegenden Flächen, in Verbindung mit den architektonischen Besonderheiten der<br />
Reliefs, erzeugten Bewegungen in D<strong>im</strong>ensionen und Tiefe.<br />
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts und in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts sah man auch zarte Farben,<br />
die sich am H<strong>im</strong>mel und am Wasser inspirierten, um die Größen der Gebäude aufzulockern, die sich so<br />
verloren und mit dem H<strong>im</strong>mel selbst verschmolzen, in einem harmonischen Fl<strong>im</strong>mern der Oberflächen.<br />
Es gab auch eine Zeit, mit dem Anbruch des Illusionismus, in der man viele Fassaden schälte, um die Mauerstruktur<br />
freizulegen und so ihren Umfang, ihre Gewalt auszustellen. Aber diese Gewohnheit war außer in ganz<br />
seltenen Fällen nicht von historischer Erfahrung.<br />
So sind heute einige von uns überzeugt, dass die freiliegende Oberfläche <strong>im</strong>mer existiert habe und dass best<strong>im</strong>mte<br />
Gebäude <strong>im</strong>mer so<br />
„nackt“ waren.<br />
FÜLLSTOFFE<br />
BINDEMITTEL<br />
Also sehen wir nun, wie eine<br />
Mineralendbearbeitung auf<br />
Kalkbasis, sagen wir die historische<br />
Endbearbeitung<br />
MARMORE ODER KARBONATE<br />
SILIZIUMDIOXYDE ODER QUARZE<br />
VERKLEIDUNG ODER TÜNCHE<br />
AUS KALK (MINERALISCH)<br />
WEISS Pagina 20<br />
KALK<br />
KALK<br />
PIGMENTE<br />
GEGEN UV-STRAHLEN STABILE<br />
OXYDE UND KALK<br />
NATURERDARTEN<br />
ZUSÄTZE<br />
ACRYLHARZ<br />
VINYLHARZ<br />
METHYLZELLULOSE<br />
MAGERE MILCH<br />
10<br />
Luigi<br />
Vantangoli ª
schlechthin, zusammengesetzt ist. Es spielt keine Rolle, ob sie eine Stärke wie ein dünner Putz hat oder ob<br />
sie keinen Körper wie eine Kalktünche hat.<br />
Sehen wir dagegen jetzt, wie eine synthetische Verkleidung zusammengesetzt ist. - Auch hier spielt es keine<br />
Rolle, ob sie von geringer oder großer Stärke ist -.<br />
FÜLLSTOFFE<br />
MARMORE ODER KARBONATE<br />
SILIZIUMDIOXYDE ODER QUARZE<br />
SYNTHETISCHE VERKLEIDUNG<br />
WEISS<br />
MARMORE ODER KARBONATE<br />
TITANDIOXYD<br />
ODER ANSTRICHFARBE<br />
Wie Sie bemerkt haben, werden in den Produkten auf Kalkbasis keine organischen Pigmente benutzt, da ihr<br />
Widerstand gegen die starke Alkalinität des Kalks selbst sehr begrenzt ist.<br />
Es ist dagegen interessant, einen Moment lang das Thema über die anderen Farbpigmente, die sich in synthetische<br />
Oxyde – fast alle Folgeprodukte des Eisens – und die natürlichen Erdarten unterteilen, zu vertiefen.<br />
Die Erdarten werden, wie der Name selbst schon sagt, eben aus dem Boden „herausgeholt“.<br />
Normalerweise befinden sich die Vorkommen in 1 - 3 m Tiefe und deshalb ist vor allem erforderlich, erst den<br />
Boden abzutragen, dann sammelt man die Erde, die natürlich nicht nur einen Farbton, sondern verschiedene<br />
Farbtöne aufweist.<br />
Dann wird die Erde in handwerkliche Betriebsstätten, wie die die Sie gerade sehen, gebracht und dann bearbeitet,<br />
von Fremdkörpern befreit, fein gemahlen, gebrannt – oder besser „verbrannt“, um sie andere Farben<br />
annehmen zu lassen, und dann weiterverkauft.<br />
Wenn wir unter dem Mikroskop der Mineralogie die zwei Pigmentarten beobachten könnten, könnten wir bemerken,<br />
dass sich das Teilchen der Naturerde von den Lichtstrahlen durchdringen lässt und somit ein transparentes<br />
Pigment ist, während das Oxyd es den Lichtstrahlen nicht erlaubt, es zu durchdringen.<br />
Diesen Unterschied finden wir auch auf der Fassade.<br />
Die Oberfläche, die mit Naturerde, die auf einen weißen reflektierenden Untergrund aufgetragen wird, gefärbt<br />
ist, ist eine transparente, fl<strong>im</strong>mernde Oberfläche, während die mit Oxyden gefärbte Oberfläche farblos und<br />
platt ist.<br />
Pagina 21<br />
BINDEMITTEL<br />
ACRYLHARZ<br />
ACRYLSILIKONHARZ<br />
VINYLHARZ<br />
PIGMENTE<br />
ORGANISCHE PIGMENTE<br />
NATURERDARTEN<br />
OXYDE<br />
ZUSÄTZE<br />
KOALESZENTE<br />
ANTIBAKTERIELLE<br />
OHNE HAUTBILDUNG<br />
OHNE SCHAUMBILDUNG<br />
10<br />
Luigi Vantangoliª
Luigi Vantangoli<br />
Fügen wir dann dem synthetischen Produkt eine deckende Ladung wie Titandioxyd zu, erhalten wir eine „taube“<br />
Oberfläche, die uns gar nichts sagt, die vollkommen anonym ist.<br />
Nachdem wir die Verschiedenheiten gesehen haben, versuchen wir nun die unterschiedlichen Instandhaltungskosten<br />
auf Zeit für Eingriffe zum Schutz der historischen Fassaden zwischen den beiden Arten der Endbearbeitung,<br />
d.h. der synthetischen und der mineralen Art, zu überprüfen.<br />
Wie Sie also gesehen haben, ist nicht alles Gold, was glänzt.<br />
Lieraturverzeichnis:<br />
KOSTEN DER ERSTEN AUSFÜHRUNG<br />
SYNTHETISCHE<br />
ENDBEARBEITUNGEN<br />
EISBERG-EFFEKT<br />
ENDBEARBEITUNGEN Luigi<br />
Vantangoli ª<br />
Pagina 22<br />
MINERALISCHE<br />
ENDBEARBEITUNGEN<br />
AUS KALK ODER<br />
SILIKATEN<br />
INSTANDHALTUNGSKOSTEN<br />
höhere kosten aufgrund<br />
neuer pathologien, die durch<br />
die synthetische<br />
endbearbeitung ausgelöst<br />
werden.
"I dieci libri dell'Architettura". Vitruvio.<br />
"I quattro libri dell'Architettura". Palladio<br />
"Terre coloranti". Paolo Scarzella e Pietro Natale.<br />
"L'ult<strong>im</strong>a frontiera" atti del seminario 24.10.88 - 24.01.89. Consorzio regionale degli I.A.C.P. del Veneto.<br />
"Calce e Cementi". Manuale Hoepli<br />
"L'<strong>im</strong>bianchino". Manuale Hoepli.<br />
"L'Industria Italiana del Cemento 7-8 1986<br />
"Bollettino d'Arte" Suppl. n.6 - Ministero dei Beni Culturali.<br />
"Paesaggio Urbano" 8 .1991<br />
“I colori della città storica“ - Giorgio Forti<br />
Pagina 23