The Pioneer of Social Sculpture I
Katalog über die Hypnosebilder der frühen 50er Jahre des Künstlers Adolf Bierbrauer (1915-2012), mit denen er zum Pionier der sozialen Skulptur wurde.
Katalog über die Hypnosebilder der frühen 50er Jahre des Künstlers Adolf Bierbrauer (1915-2012), mit denen er zum Pionier der sozialen Skulptur wurde.
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The Pioneer of Social Sculpture I
Adolf Bierbrauer
1915 – 2012
Martin Leyer-Pritzkow
I. Die Bedeutung der Hypnosebilder von Adolf Bierbrauer
im kunsthistorischen Kontext
Adolf Bierbrauer wurde der Pionier der sozialen Plastik (s. Joseph
Beuys 1967), da er die Menschen mit seiner Behandlung von
ihrem Leid auf humane Art befreien wollte. Die Idee des Künstlers
als Heilender entwickelte er bereits 1950.
Mit seinen Arbeiten wurde er einer der ersten Konzeptkünstler.
Manche seiner Hypnosebilder sind in ihrer Bildsprache auch als
Vorläufer des Minimalismus, der konkreten Kunst und auch der
Pop Art oder der Immersion lesbar.
Bierbrauer gelingt es, den Patienten bzw. seine Gedanken zum
Teil seines Bildes zu machen. Er inkorporiert die Gedanken
anderer und schöpft daraus eine neue Bildidee. Damit macht
er seine Patienten zum Teil des Kunstwerks (partizipatorische
Kunst).
Wie bereits Bazon Brock in seinen gesammelten Schriften Der
Barbar als Kulturheld (S. 468.) formuliert: „Die Ergebnisse der
Bilder, die daraufhin entstanden, sind letztlich so bedeutsam,
weil sie künstlerisch formal auf dem höchsten Niveau seiner Zeit
stehen. Es gibt nichts Vergleichbares für die 50er Jahre“.
II. Die Geschichte der Hypnosebilder
Adolf Bierbrauer war Künstler, Arzt und Musiker in Düsseldorf.
Um im II. Weltkrieg nicht auf andere Menschen schießen zu
müssen, studierte er Humanmedizin. Von 1940 bis 1942 befand
er sich im Militärdienst in Frankreich, von 1944 bis 1949 in
russischer Kriegsgefangenschaft. Dort fertigt er im Auftrag der
Leitung des russischen Kriegsgefangenenlagers dokumentarische
Bilder archäologischer Ausgrabungsstätten an. Entgegen einer
Anordnung behält er einige Zeichnungen für sich und wird mit
Malverbot bestraft.
1950 beginnt Bierbrauer mit seiner Tätigkeit als Assistenzarzt
an den Universitätskliniken in Düsseldorf. Er arbeitet dort als
Psychotherapeut und spezialisiert sich auf Hypnosebehandlungen,
da er die gebräuchliche Elektroschocktherapie gegen Depressionen
ablehnt. Es entstehen in diesem Zusammenhang die ersten
Hypnosebilder. Weil Bierbrauer sich auch öffentlich gegen die
Elektroschocktherapie ausspricht, wird er von der Klinik entlassen.
Er eröffnet in seinem Elternhaus eine Praxis für Allgemeinmedizin
und setzt hier seinen eingeschlagenen Therapieweg mittels
Hypnosebildern fort.
III. Bierbrauers Behandlungskonzept
Patienten werden vor der Behandlung gebeten, Farben auf Papier
zu mischen, damit sie – aus der Sicht Bierbrauers – in Farbe
träumen können. Danach beginnt die Hypnose, während der Patient
sich auf einem Bettsofa niedergelegt hat. Unter trance-ähnlichen
Umständen erzählen die Patienten ihre erlebten Geschichten
aus dem Unterbewusstsein. Bierbrauer malt gleichzeitig die ihm
anvertrauten Geschichten, um sie im Anschluss mit dem
Patienten zu besprechen.
IV. Ergebnis
Von 1950 bis 1954 behandelt Bierbrauer ca. 20 Patienten auf
diese Weise. Es entstehen pro Patient bis zu 70 Hypnosebilder.
Wenige haben überdauert. Die Geschichten reichen von
Schuldgefühlen eines Soldaten, der im Schützengraben seinen
Vorgesetzten erschossen hat, über sexuelle Gewalt in der
Partnerschaft, bis zu Schuldgefühlen des gläubigen Ehemanns,
dessen Ehefrau die Schwangerschaft abgebrochen hat. Um nicht
selbst Opfer des ihm angetragenen Leids zu werden, malt er nach
den Behandlungen zur Eigenkontrolle Portraits seiner Patienten,
sowie zusätzlich Selbstportraits. Als er sich mit grünem Ohr
malt, befürchtet er nun selbst zu erkranken und beendet die
Hypnosetherapie und Hypnosebilder.
In den 60er Jahren begibt er sich selbst in einen somnambulen
Zustand, um – analog zur Hypnose anderer – ohne Kontrolle
Bilder aus seinem Unterbewusstsein entstehen lassen zu
können. Später erweiterte er seine Malerei um die Bildhauerei.
I. The meaning of the hypnosis paintings of Adolf
Bierbrauer in an art-historical context
Adolf Bierbrauer became the pioneer of social sculpture (see
Joseph Beuys 1967), because he wanted to free people from
their suffering in a humane way. He developed the idea of the
artist as a healer as early as 1950.
With his works he became one of the first conceptual artists.
Some of his hypnosis paintings can also be read in their visual
language as precursors of Minimalism, Concrete Art and also
Pop Art or Immersion.
Bierbrauer succeeds in making the patient or his thoughts part
of his painting. He incorporates the thoughts of others and
creates a new pictorial idea from them. In this way he makes his
patients part of the artwork (participatory art).
As Bazon Brock has already formulated in his collected writings
The Barbarian as a Hero of Culture (p. 468.): “The results of the
art works that are created as a result are ultimately so significant
because they are artistically formal at the highest level of their
time. There is nothing comparable for the 50s”.
II. The history of hypnosis paintings
Adolf Bierbrauer was an artist, doctor and musician in Düsseldorf.
In order not to have to shoot at other people during World War II,
he studied human medicine. From 1940 to 1942 he was on
military service in France, from 1944 to 1949 he was a Russian
prisoner of war. There he produced documentary pictures of
archaeological excavation sites on behalf of the management of
the Russian Prisoner camp. Contrary to an order, he kept some
drawings for himself and was punished with a ban on painting.
In 1950 Bierbrauer began working as an assistant doctor at
the university hospitals in Düsseldorf. He works there as a
psychotherapist and specializes in hypnosis treatments, as he
rejects the common electroshock therapy against depression.
In this context the first hypnosis pictures are created.
Because Bierbrauer also publicly speaks out against electroshock
therapy, he is dismissed from the clinic. He opens a practice
for general medicine in his parents’ house and continues his
chosen path of therapy using hypnosis pictures.
III. Bierbrauer’s treatment concept
Patients are asked to mix colours on paper before treatment so
that they can dream in colour – from the Bierbrauer’s point of
view. Afterwards the hypnosis starts while the patient lies down
on a bed sofa. Under trance-like circumstances, the patients tell
their experienced stories from their subconscious. Bierbrauer
paints the stories entrusted to him at the same time, in order to
discuss them with the patient afterwards.
IV. Result
From 1950 to 1954, Bierbrauer treated about 20 patients in
this way. Up to 70 hypnosis pictures are created per patient.
Few have survived. The stories range from feelings of guilt of
a soldier who shot his superior in the trench, sexual violence
in the partnership, to feelings of guilt of the believing husband
whose wife has terminated the pregnancy. In order not to
become a victim of the suffering he has been subjected to, he
paints portraits of his patients after the treatments, as well as
self-portraits for self-control purposes. When he paints himself
with green ear, he now fears to fall ill himself and ends the
hypnosis therapy and hypnosis pictures.
In the 60s he puts himself into a somnambulistic state in order to
be able to create images from his subconscious without control
– analogous to the hypnosis of others. Later he extended his
painting to sculpture.
Ausgewählte Ausstellungen
2020 Pioneer of Social Sculpture – Part I, Adolf Bierbrauers
Hypnosearbeiten, Martin Leyer-Pritzkow, Düsseldorf
2019 ZWISCHEN WELTEN, mit Armin Baumgarten,
Martin Leyer-Pritzkow, Düsseldorf
2015 Collateral event of the 56th. Venice Biennale,
Associazione Culturale Italo-Tedesca, Palazzo Albrizzi,
Venice
2015 Der Andere in mir – Adolf Bierbrauers Hypnosearbeiten
Onomato, Düsseldorf
2014 Man kann es auch übertreiben,
Martin Leyer-Pritzkow, Düsseldorf
2012 Auf der Suche nach der verlorenen Identität,
Städtische Galerie Schwabach
2012 DIE GROSSE, Museum Kunstpalast, Düsseldorf
2008 Adolf Bierbrauer, Hommage und Retrospektive,
Martin Leyer-Pritzkow, Düsseldorf
2002 Das Archaische in der Kunst / Bierbrauers Arbeiten
am Beispiel der Werke der australischen Aborigines,
Sammlung H. Hentrich, Düsseldorf
2001 Menschenbilder, mit Arbeiten von Armin Baumgarten,
Woytek Berowski, Adolf Bierbrauer und Fabrizio Gazzarri,
Martin Leyer-Pritzkow, Düsseldorf
2000 Adolf Bierbrauer, NRW-Forum Düsseldorf,
Einzelausstellung kuratiert von Martin Leyer-Pritzkow
1998 Adolf Bierbrauer, Martin Leyer-Pritzkow, Düsseldorf
Literaturempfehlungen
Adolf Bierbrauer, Monographie, Hrg. Martin Leyer-Pritzkow,
mit Beiträgen von Veronika Kolbe und Roswitha Mösl,
Deutsch / Englisch, Düsseldorf 1999.
Bazon Brock, Gesammelte Schriften, 1991 – 2002, Bd. III,
Der Barbar als Kulturheld, Die Ästhetik des Unterlassens,
S. 465 ff., Inkorporation und Repräsentation,
DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2002.
Helga Meister, Mit 85 Jahren entdeckt,
Westdeutsche Zeitung, 29/01/2000.
Rudolf Heinz, Editor, Pathagnostische Studien, VII, Texte zu
einem Philosophischen-Psychoanalyse-Finale, S. 113 ff.,
IV. Wie die Hypnosebilder zu deuten sind, Bd. 31,
Die Blaue Eule Verlag, Essen 2002.
Rudolf Heinz, Editor, Pathagnostische Studien, VIII, Importune
Philosophie-Regresse auf die Psychoanalyse, S. 47, Annährung
an Adolf Bierbrauers „Hypnosebilder“, Bd. 32,
Die Blaue Eule Verlag, Essen 2003.
Bertram Müller, Adolf Bierbrauer – Meister der Farben,
Rheinische Post, 13/10/2008.
Katja Knicker, Der Künstler als Heilender, Adolf Bierbrauers
Hypnosebilder, Magisterarbeit zur Erlangung des Grades
Magister Artium der Philosophischen Fakultät der
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2010.
Adolf Bierbrauer
works
1950 – 1954
mixed media on paper
21 cm x 30 cm
10
11
Case Kr.
Case n. ass.
12
13
Case n. ass. Case F.
14
15
Post Hypnosis Painting of a Patient Case F.
16
17
Case Kr. Case G.
18
19
Case F.
Case n. ass.
20
21
Case G. I
Case G. II
Case G. III
22
23
Case G. IV
Case G. V
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25
Case n. ass.
Case n. ass.
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27
Case F.
Case Kr.
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29
Post Hypnosis Self Portrait
Case n. ass.
30
31
Case n. ass Case F.
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33
Case F.
Case n. ass
34
35
Case F. Case F.
36
37
Case F.
Case Sch.
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Case n. ass.
Case n. ass.
40
41
Case n. ass. Case F.
42
43
Case n. ass. Case F.
44
45
Case n. ass.
Case n. ass
46
47
Case n. ass. Case F.
48
49
Case n. ass.
Case Sch.
50
51
Case n. ass.
Case Kr.
52
53
Case n. ass. Case F.
54
55
Case Ke.
Case n. ass.
56
57
Case n. ass.
Case n. ass.
58
59
Case n. ass.
Case n. ass.
Copyright:
Martin Leyer-Pritzkow & the Art Estate of Adolf Bierbrauer, 2020
Kontakt:
Martin Leyer-Pritzkow
Kurator & Kunstvermittler
Grupellostr. 8
40210 Düsseldorf
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