Streutal-Journal 045-2020 21.04.2020 S1+4-6
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Nr. 045 / 2020
Dienstag, 21. April
Monatl. € 24,90 / Einzelpreis € 2,50
FINANZEN
Meine Heimat, meine Zeitung
Partner der
Gemeinderat
Bastheim
verabschiedet
Haushalt
STREUTAL
STREUTAL
Journal
Journal
BIBER
Kläranlage mit
tierischem
Problem
SPENDE
Gassigehen
mit Bedacht
Hundehalter tragen Verantwortung
4.000 Masken
für den
Landkreis
UNBESIEGT
A-Jugend-Handballer
feiern Meisterschaft
KREATIV
Kreismusikschule
geht alternative Wege
Bastheim ● Fladungen ● Hausen ● Hendungen ● Mellrichstadt ● Nordheim ● Oberstreu ● Ostheim ● Sondheim/Rhön ● Stockheim ● Willmars
4
EXKLUSIV
Mit Hündin „Lady” demonstriert
Hundetrainerin Susanne Frank
diverse Gehorsamsübungen.
Rücksicht
Foto: Tanja Heier
auf vier Pfoten
Längst ist die Natur aus dem
Winterschlaf erwacht. Wiesen,
Wald und Flur werden jetzt, im
Frühling, zur Kinderstube für
Wildtiere. Natürlich zieht es
auch Hundebesitzer hinaus an
die frische Luft. Statt kleiner
Gassirunde darf es im Sonnenschein
gerne ein bisschen
mehr sein. Voll Vergnügen lassen
Herrchen und Frauchen
ihre Vierbeiner umhertoben.
Das birgt Konfliktpotenzial. Wir
wollten wissen, wie achtsames
Miteinander zur Brut- und Setzzeit
funktionieren kann. Dazu
gab es eine Schnupperstunde
bei Hundetrainerin Susanne
Frank (Nordheim) und ihrer
Hündin Lady sowie interessante
Informationen von Jagdpächter
Carl-Christian Bittorf
(Mellrichstadt).
Ob das Rehkitz im Wald oder
der junge Vogel im Nest – wenn
andere Tiere Nachwuchs bekommen,
gelten für Hund und Halter
besondere Regeln. Die möglichen
Risiken sind vielfältig und nicht zu
unterschätzen. So reicht es
manchmal schon, dass ein Vierbeiner
das Junge nur berührt –
der fremde Geruch irritiert die erwachsenen
Tiere und lässt sie
„Nicht der Hund ist das Problem,
sondern die Unvernunft des Halters”
Jäger Carl-Christian Bittorf
schlimmstenfalls den eigenen
Nachwuchs verstoßen. Vertreibt
der Hund brütende Vögel, besteht
wiederum die Gefahr, dass die
Eier im Gelege auskühlen oder
zerstört werden.
In vielen Bundesländern gilt ab
dem 1. April bis Mitte Juli aufgrund
der Brut- und Setzzeit die
Leinenpflicht für Hunde. Ausgerechnet
im sonst eher konservativen
Bayern ist dies nicht der
Fall. Umso mehr appelliert unser
Gesprächspartner Carl-Christian
Bittorf an die Eigenverantwortung
der Halter. Wenn Pflanzen zu blühen
beginnen, steigt auch der
Hormonspiegel der Wildtiere.
Wärme sowie reichlich verfügbares
Futter sind wichtige Faktoren,
die das Großziehen des
Nachwuchses erleichtern. Somit
ist der Frühling also der beste
Zeitpunkt, um sich Fortzupflanzen.
Aber warum genau soll der
Hund nun an die Leine? Selbst
wenn der vierbeinige Liebling nur
einen schwachen Jagdtrieb hat:
Taucht plötzlich ein Reh auf, kann
definitiv niemand garantieren,
dass er nicht hinterherrennt. Das
ist vor allem für trächtige Tiere
(Rehe sind Fluchttiere) extrem
gefährlich. Durch das Hetzen und
die damit verbundene Stresshormonausschüttung
kann die Ricke
(Rehmutter) eine Fehlgeburt erleiden.
Völlig unabhängig davon, ob
der Hund seine Beute tatsächlich
erwischt oder wieder davon ablässt,
entsteht im ungünstigen Fall
irreparabler Schaden.
Neugeborene Kitze sind unsicher
und in ihrem „Versteck“ am
Boden völlig ausgeliefert. Menschen
bekommen dies erst spät
mit, Hunde hingegen nehmen
dank ihrer ausgezeichneten
Nasen sofort Witterung auf. „Nicht
der Hund ist das Problem, sondern
die Unvernunft des Halters“,
macht Carl-Christian Bittorf klar.
Das Wild brauche nun einmal
Ruhe, um den Nachwuchs groß-
EXKLUSIV 5
zuziehen. Unser Gegenüber
weiß: Wird ein Vierbeiner an der
Leine geführt, können Wildtiere
anhand ihres feinen Instinkts sehr
gut abschätzen, dass hiervon
keine Gefahr ausgeht.
„Rehe sehen zwar schlecht,
hören aber gut und riechen noch
besser“, fährt er fort. „Der Hund
riecht nach Tod“, bringt es Bittorf
auf den Punkt. Da bei einem Zusammentreffen
seitens der Waldbewohner
sofort der natürliche
Fluchtreflex einsetzt, verweist er
außerdem auf die Gefahr durch
Wildunfälle. Auch könne es passieren,
dass ein panisches Tier
sich in Zäunen verfängt und so
auf grausame Weise verendet.
Trotzdem möchte sich der
Waidmann keinesfalls als Hundegegner
verstanden wissen,
eher im Gegenteil. Gerade seine
Zunft habe eine starke Bindung
zum besten Freund des Menschen,
relativiert er. Schmunzelnd
zitiert Carl-Christian Bittorf die
häufigsten Sätze aus dem Munde
stolzer Herrchen und Frauchen:
„Der tut nichts“, „Der will nur spielen“
und „Das hat er noch nie gemacht“.
Selbst Katzen können jetzt zur
Bedrohung werden. Für Bodenbrüter
sind freilaufende Stubentiger
ebenso gefährlich wie Hunde.
Da die Rhön eine Kulturlandschaft
mit besonderen Lebensbedingungen
ist, haben sich
sogar wieder Wildkatzen angesiedelt.
Eine Kreuzung mit der Hauskatze,
im Expertenjargon als
Verbastardisierung bezeichnet,
sei keinesfalls im Sinne des Artenerhalts,
erläutert unser Gesprächspartner
stirnrunzelnd.
Am Ende setzt Carl-Christian
Bittorf ganz klar auf Kommunikation
und gegenseitigen Respekt.
Hundebesitzer mögen überlegen,
wann die beste Zeit zum Gassigehen
sei. Es müsse vielleicht nicht
unbedingt die Dämmerung sein.
Weiterhin bittet er darum, auf befestigten
Wegen zu bleiben und
den Vierbeiner dort, wo es unübersichtlich
wird, ebenso wie im
Wald konsequent an der Leine zu
führen. Außerdem weist der Jäger
darauf hin, dass Wiesen seitens
der Landwirtschaft als Futterquelle
dienen. Insofern gebiete es
Jäger Carl-Christian Bittorf bittet Hundebesitzer insbesondere
in der Brut- und Setzzeit um Rücksichtnahme.
der Anstand, Hinterlassenschaften
wegzuräumen. Sein Fazit:
„Leben und leben lassen.“
Hunde seien von Natur aus
„wildscharf“, meint Jagdpächter
Wolfgang Stumpff aus Ostheim
im Telefonat mit unserer Redaktion.
Der Trieb lasse sich daher lediglich
durch Gehorsamsübungen
im Zaum halten. Ist der treue Begleiter
seinem Herrchen weit voraus,
höre er nicht mehr, so der
Ein Rehkitz in seinem Versteck
hätte bei einem Hundeangriff
keine Überlebenschance.
Foto: Tanja Heier
Jäger. Daher stimmt er den Aussagen
des Mellrichstädter Kollegen
vollumfänglich zu.
Stumpff fügt an, dass Hunde,
egal welcher Rasse, einen individuellen
Wert für den Besitzer darstellen
und meist vollwertige Familienmitglieder
sind. „Man muss
beide Seiten verstehen“, sinniert
der Besitzer von „Arco“, einem
stattlichen Deutschen Langhaar-
Rüden. Schließlich kennt Wolfgang
Stumpff die gegensätzlichen
Standpunkte aus eigener Erfahrung.
Daher steht für ihn auch
ganz klar fest: „Mit Toleranz klappt
das.“
Respekt, Rücksicht
und Verständnis
Susanne Frank (Nordheim) arbeitet
seit 15 Jahren als selbstständige
Hundetrainerin und betreibt
hauptberuflich eine eigene
mobile Hundeschule. Gemeinsam
mit ihrem Lebensgefährten ist sie
außerdem im Hundezentrum
Rhön-Grabfeld (Oberelsbach) tätig.
Auf unser Bitten hin trafen wir
die Expertin mit Hundedame
„Lady“ zur Schnupperstunde. Keine
Sorge, der geforderte Mindestabstand
blieb dabei stets gewahrt.
Bereits an der Tür beginne für
den Hund die Orientierungsphase,
informiert Susanne Frank,
während ihre tierische Begleiterin
freudig aus dem Auto springt. Je
ruhiger also der Halter schon
beim Aufbruch auf seinen Liebling
einwirkt, umso entspannter verlaufen
die täglichen Gassirunden.
Für „Lady“ gibt es keinen Zweifel
6
EXKLUSIV
Fotos: Ralph Rautenberg
Das alte Lied
Zur Rücksichtnahme gehört auch, die Hunde-Hinterlassenschaften von Wegen
und aus der Flur zu beseitigen. Leider halten sich nicht alle Halter daran.
Foto: Susanne Frank
an der Rollenverteilung. Läuft sie
schnuppernd voraus, übernimmt
der Irish-Setter/Neufundländer-
Mix automatisch die Führung. Der
Instinkt besage nämlich, dass das
Frauchen ihr folge, erklärt die
Trainerin.
Doch gerade in unübersichtlichem
Gelände wisse niemand,
was oder wer hinter der nächsten
Wegbiegung wartet, mahnt Susanne
Frank. Da ist der Grundgehorsam
des Hundes das A und
O. „Ohne guten Rückruf geht gar
nichts“, weiß sie und setzt zum
Pfiff an. Ist dieser Rückruf noch
nicht ausreichend trainiert, so
dass der Hund wirklich zuverlässig
abrufbar ist, gilt es, das Tier
auf Folgeposition, also hinter sich
selbst in der Führungsrolle, zu
bringen. Am sichersten sei jedoch
die Führung mittels Führgeschirr
und Schleppleine.
In diesem Zusammenhang
geht die Hundetrainerin auf vier
tragende Säulen der Grundausbildung
ein. Dazu zählen: Bindung
aufbauen, Grundgehorsam/Impulskontrolle,
Führungsmanagement
und das Schaffen von
Alternativaufgaben. Ein Vierbeiner
etwa, welcher vollauf mit der
Suche nach einer kleinen Teilration
seiner Futtermenge beschäftigt
ist, hat weder Zeit noch Muße,
einer Fährte zu folgen. Die dazugehörige
Demonstration mit dem
„Futterdummy“ beweist dies.
Eifrig spürt „Lady“ die im Gras
verteilten Happen auf, ohne sich
um vorbeilaufende Passanten zu
kümmern. Natürlich sei es eine
Frage von Rasse, Alter und Charakter,
wie leicht es mit dieser
spielerischen Art der Ablenkung
funktioniere – es gebe jedoch
noch viel mehr alternative Beschäftigungsmöglichkeiten,
meint
unser Gegenüber.
Weiterer Effekt: Aus Hundesicht
habe dieser nun „einen
„Ohne guten Rückruf geht gar nichts!”
Hundetrainerin Susanne Frank
Job zu erledigen“ und gar kein Interesse
an Grabenkämpfen mit
Artgenossen oder dem Jagen von
Wildtieren. Gerade in der Brutund
Setzzeit empfiehlt die Fachfrau,
auf festen Wegen zu bleiben.
Ackerland sei fremdes
Eigentum, verweist sie auf die
Rechte der Landwirte und mahnt
eindringlich, keine Flurschäden
anzurichten. Gleiches gelte für
Koppeln und umzäunte Weiden.
Verschmutzungen durch Hundekot
können durch umsichtiges
Agieren und frühzeitiges Zurückpfeifen
vermieden werden.
Doch Hundebesitzer haben
nicht nur Pflichten, sondern auch
Rechte. So appelliert Susanne
Frank an Spaziergänger ohne
Hund, stets Vorsicht walten zu
lassen, um grundsätzlich Konflikte
zu vermeiden. Wer frontal
auf einen Vierbeiner zuläuft und
sich ihm entgegen bückt, wirke
bedrohlich. Herrchen und Frauchen
müssen immer um Erlaubnis
gefragt werden, bevor fremde
Personen (und sei es in bester
Absicht) nach dem Tier greifen.
Gleiches gilt besonders für Kinder.
„Einfach anfassen ist ein No-
Go“, resümiert die Fachfrau aus
langjähriger Erfahrung.
In der Flur gebiete es der Anstand,
die Hinterlassenschaften seines
Hundes zu entfernen, erklärt uns
Jäger Carl-Christian Bittorf. Das
gleiche gilt natürlich auch für
Wege innerhalb der Stadt. Wie
von einigen Mellrichstädtern in den
letzten Tagen bemängelt, sehen
das leider insbesondere im Bereich
der westlichen Stadtmauer –
ein beliebtes Gebiet für Spaziergänger
mit und ohne Hund – nicht
alle Hundehalter so. „Ich ärgere
mich jedes Mal darüber – Hundetüten
sind ja vorhanden und Papierkörbe
auch“, schrieb uns etwa
eine Bürgerin, die zahlreiche Hundehaufen
auf dem Weg anmerkte.
Zum Teil liegen die Hinterlassenschaften
auch feinsäuberlich in die
dafür vorgesehenen Plastikbeutel
verpackt am Wegesrand. Erst am
Samstag entdeckte ich selbst
einen solchen Kotbeutel, der fast
schon provokativ direkt und mitten
auf dem Weg am Absperrpfosten
des Fußwegs bei der Burgmühle
abgelegt wurde. Auch Kirschgarten
und Großenberg – sowie vermutlich
viele andere Naherholungsgebiete
und Parks in anderen
Gemeinden – werden so zum
Hundeklo. Respekt, Rücksicht und
Verständnis wünscht man sich
auch an dieser Stelle. Es gibt
schließlich viele Hundehalter, die
sich an die Regeln halten. Doch
ähnlich wie bei den Corona-Maßnahmen
funktioniert das nur, wenn
möglichst alle mitmachen.
Ralph Rautenberg
Auf der Facebook-Seite des
Hundezentrums Rhön-Grabfeld
hat sie einen Kurzfilm online gestellt.
Hier wird eindrucksvoll die
Welt aus der Perspektive eines
Vierbeiners gezeigt. Damit möchte
Susanne Frank Menschen
dafür sensibilisieren, wie leicht es
passieren kann, dass übermütig
tobende Fellnasen dem Jungwild
nachhaltig schaden.
Insofern stärkt die 39-Jährige,
die sich selbst augenzwinkernd
als „hundeverrückt“ bezeichnet,
allen Jägern und Naturschützern
den Rücken. Respekt, Rücksicht
und Verständnis sind die Worte,
die sie während unserer Runde
am häufigsten gebraucht.
Tanja Heier