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Facharbeit Sandra Hauser

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Facharbeit Sandra Hauser LTZ Hufschule

FACHARBEIT LTZ HUFSCHULE

WIEVIEL BEWEGEN SICH PFERDE IN VERSCHIEDENEN HALTUNGSFORMEN?

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Facharbeit Sandra Hauser LTZ Hufschule

Die verschiedenen Haltungsformen beschäftigen, denke ich, alle Pferdemenschen. Sei

das als Besitzer, Halter, Tierärzte, Hufschmiede/ Hufpfleger Osteopathen etc., alle die in

irgendeiner Weise mit Pferden zu tun haben. Die Haltung beeinflusst unsere Pferde

stark. Ob im Futterangebot, Psyche oder der Bewegung.

Im Rahmen meiner Ausbildung wurde dieses Thema für mich wieder einmal mehr sehr

präsent. Man hat viele Einblicke in verschiedenen Ställen. Sportställe mit Boxenhaltung,

Offenstallhaltung, Aktivställe, Altersweiden etc. Heute ist in der Pferdehaltung beinahe

alles möglich.

Die verschiedenen Haltungen haben Vor- und Nachteile. Dies liegt schlussendlich ganz

klar in der Argumentation des Besitzers. Was ich zum Beispiel beobachten konnte, sind

gelangweilte oder gestresste Pferde in allen Haltungsformen. Das Boxenpferd vielleicht

aus Langweile, das Offenstallpferd leidet vielleicht unter der Rangordnung, weil das

Platz und Futterangebot zu knapp war. Zufriedene Pferde durfte ich aber auch

gleichermassen in allen Haltungsformen begegnen.

Was mich aber vor allem interessierte, war: Wie viel bewegen sich die Pferde frei in den

verschieden Haltungsformen?

Für dieses Projekt benutzte ich einen handelsüblichen Schrittzähler für Menschen:

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Facharbeit Sandra Hauser LTZ Hufschule

Um diesen am Pferd zu befestigen, entschloss ich mich ein gamaschenähnliches

Säckchen aus weichem Frottee zu nähen, wo ich den Zähler hineinlegen konnte. Eine

Plastiktüte schützte ihn vor Nässe und Feuchtigkeit. Für Frottee entschied ich mich um

das Pferdebein optimal vor Scheuerstellen zu schützen und für ein komfortables Tragen.

Dies zeigte auch die gewünschte Wirkung. Keiner der Pferde schien dieser Schrittzähler

nur ansatzweise zu stören. Dieses befestigte ich dann mit einem Klett um das

Pferdebein. Durch das er am Pferdebein angebracht war, zählte er nur den Schritt des

jeweiligen Beines. Egal ob es ein kleiner Schritt in der Boxe war oder ein Galoppsprung

im Freien, es zählte immer nur ein Schritt.

Alle Versuchspferde trugen ihn eine Woche. So hatte ich über einen etwas längeren

Zeitraum die Infos wie sich die Pferde verhalten. Die Schrittzahlen waren in dieser

Woche täglich immer etwa im gleichen Rahmen. Die geringen Abweichungen waren

meist wetterabhängig. Alle Pferde bewegten sich bei schlechtem Wetter und sehr

schönem Wetter weniger. Gründe dafür sind sicherlich, dass sie (wenn möglich)

geschützte Orte aufsuchten um sich vor der nasskalten Witterung, sowie auch vor Hitze

und Insekten zu schützen. Als die Tage noch nicht so heiss und ohne Insektenplage

waren, standen sie oft einfach nur da und sonnten sich.

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Die Schrittlänge eines normalen, grossen Warmblutpferdes beträgt zwischen 70 und

140cm, die Wegeleistung im Schnitt 6-8 km/h. Die Trittlänge eines Warmblutpferdes im

Trab 130-220cm. Bei Trabrennpferden sind schon Trittlängen bis 820cm gemessen

worden. Die Geschwindigkeit im Trab kann bei Warmblutpferden 14-20km/h, beim

Traber bis zu 55km in der Stunde erreichen. Galoppsprunglängen bei Warmblutpferden

werden von 3,00- 8,00m gemessen, beim Vollblut bis 10,00m.

In der freien Natur legt ein Pferd täglich zwischen 10 und 20km zurück. Meist aber

schlendernd beim Grasen.

Um die zurückgelegte Distanz ging es mir in meinem Projekt aber nicht, sondern wieviel

sich die Pferde bewegen. Mir standen fünf Pferde zur Verfügung, diese leben in

Boxenhaltung mit Paddock, Gruppenhaltung, Gruppenhaltung mit über Nacht

Boxenhaltung und Offenstallhaltung mit drei Hektaren frei zugänglichem Weideland.

Ich wählte bewusst zuerst die jüngsten Pferde in der jeweiligen Gruppe. Ich wollte

ausschliessen, dass der Grund des Altersunterschiedes für die Aktivität

ausschlaggebend ist. Zu diesen Beobachtungen komme ich aber später.

Nun möchte ich die Pferde vorstellen:

"Bonfire Heart", 6-jährige Irländerstute

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Bonfire Heart lebt in Boxenhaltung mit Auslauf. Sie geniesste zur Zeit meiner

Messungen die Ausbildung zum Springpferd und einem verlässlichen Freizeitpferd.

Hauptsächlich lebt sie in ihrer Box mit 14m 2 Grundfläche. Tagsüber steht ihr der

angrenzende Auslauf mit einer Fläche von 21m 2 zusätzlich auch noch zur Verfügung.

Ihr Tagesablauf ist strukturiert. Nach der Morgenfütterung geht es für 30 Minuten Schritt

in die Führmaschine. Spannend zu wissen ist, dass eine halbe Stunde Führanlage 2500

Schritte ausmachen. Die Mittagsstunden verbringt sie auf einem grossen Sandpaddock

(300m 2 ) und im Sommer ist sie dann auf der Weide.

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Am späteren Nachmittag stand meist Beritt oder ein Ausritt auf dem Programm. Knapp

eine Stunde Arbeit rechnen wir mit 5000 - 6000 Schritten. Diese werden aber im

Vergleich zu den anderen Pferden nicht angerechnet, weil es mir nur um die freie

Bewegung in der Haltung des Pferdes geht.

In der freien Bewegung kam Bonfire Heart auf durchschnittlich 250 - 300 Schritte im

Tag.

"Maverick", 4-jähriger Haflinger x VA

Maverick lebt in einer gemischten Gruppe in Gruppenhaltung. Er wurde zu dieser Zeit

noch nicht gearbeitet und genoss sein Junggesellenleben. Zu seiner Herde gehören

zwei ältere Haflinger (24-jährige Stute und ein 21-jähriger Wallach), eine 12-jährige

Haflinger x VA Stute und eine 9-jährige Minishetty Stute.

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Zur Zeit der Messung wurden sie in der Nacht separat in der Box mit 9m 2 Grundfläche

gehalten. In der Regel waren sie 10 Stunden in der Box. Dies ist nur im Winter der Fall.

Sobald die Nächte milder werden, bleiben sie den Rest des Jahres ganztägig auf der

Weide. Den Rest des Tages verbrachten sie zusammen auf einem grossen Stück

Auslauf (Weideland 2000m 2 ). Sie wurden viermal täglich mit Heu gefüttert und der

angrenzende Bach diente als Wasserquelle.

Maverick und ebenfalls auch die 12-jährige Stute, liefen in dieser Form um die 1500

Schritte im Tag. Seine älteren Kollegen nicht viel weniger. Arina (24-jährige) um die 200

Schritte weniger.

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"Memphis", 9-jähriger AV- Zuchthengst

Bildquelle: Silvio Pfister, Biologisch zertifizierter Zuchtbetrieb

Dieser Zuchthengst lebt in einer Junghengst/Walllachgruppe in einer Offenstallhaltung.

Der Besitzer hat eine eigene Araber- & Partbredaraberzucht und Aufzuchtplätze. Zur

Zeit der Messung waren fünf Jungpferde bei ihm im Stall. Heu steht ihnen immer zur

Verfügung, darum haben sie auch keinen eigentlichen Grund, dass sie an gewissen

Tageszeiten mehr laufen oder stehen. Der Tagesablauf ist konstant.

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Um den überdachten Fressplatz 86m 2 und den Liegeplatz 50m 2 haben sie viel Land zur

Verfügung um zu spielen und herumzutollen (2000m 2 ).

Das Auf und Ab fördert ihre Muskeln, das Gleichgewicht und ihre Koordination. Vor

allem wenn es so viel Schnee hat wie beim Zeitpunkt des Projektes.

Memphis lag bei der Anzahl der Schritte etwas höher als Maverick, das sind

durchschnittlich 1700 Schritte täglich.

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Nun komme ich zu dem letzten Pferd;

"Baci", 10-jähriger Andalusier/Araber

Bildquelle: Andi Weisshaupt

Baci wird gelegentlich für Ausritte genutzt.

Diese Pferdegruppe war die einzige Pferdegruppe, die ich leider nicht selbst beobachten

konnte. Ich übernehme deswegen die Angaben und Infos des Besitzers und danke ihm

dafür. Baci wollte ich in meinem Projekt unbedingt dabeihaben, weil er in Ungarn in

einem Offenstall mit ganzjährig drei Hektaren frei zugänglicher Weide lebt. Im Stall, der

eine Grundfläche von 36m 2 hat, steht immer Heu zur Verfügung. Darum haben auch

diese Pferde haltungsbedingt keinen Grund sich einmal mehr oder weniger zu

bewegen.

Bildquelle: Andi Weishaupt

Bildquelle: Andi Weishaupt

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Bildquelle: Andi Weishaupt

Natürlich ist das ein sehr spannender Vergleich zu unser Schweizer Pferdehaltung. Die

Pferdegruppe besteht aus drei Pferden. Baci, ein 30-jähriger Camarquewallach und ein

13-jähriger CH-Warmblut. Der grösste Altersunterschied, den wir in den verschiedenen

Gruppen hatten. Auch bei ihnen war zu beobachten, dass das Alter keinen enormen

Einfluss auf die Schrittzahlen hatte. Es waren um die 500 Schritte.

Zu unserer grossen Verwunderung variiert die geleistete Schrittzahl zu unseren

Schweizer Offenstallpferden mit weniger Platzangebot nicht wie erwartet. Baci lief

durchschnittlich 2000 Schritte am Tag.

Kurz im Überblick:

− Boxenhaltung mit Auslauf: 250 - 300 Schritte täglich

− Gruppenhaltung mit über Nacht Box: 1500 Schritte täglich

− Offenstallhaltung: 1700 Schritte täglich

− Offenstallhaltung mit 3 Hektaren frei zugänglichem Weidegang: 2000 Schritte

täglich

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Ich denke, diese Erkenntnisse sind generell das was wir erwartet haben. Umso mehr

Platz das Pferd hat, umso mehr bewegt es sich freiwillig. Allerdings habe ich schon

erwartet, dass sich die Pferde mit drei Hektaren mehr bewegen als unsere auf

zweitausend Quadratmetern ohne Futterangebot. Zeigt uns also, dass der Drang zur

Bewegung also nicht rein Platz- und futterbedingt ist. Grundsätzlich denke ich, dass

unsere Vorstellung wieviel sich unsere Pferde frei bewegen viel höher war.

Ich war mir auch ziemlich sicher, dass sich die Zahlen zwischen den alten und jungen

Pferden deutlich unterscheiden. Dies ist nun anhand der Messungen wiederlegt.

Nun stellt sich mit diesen neuen Erkenntnissen wieder die Frage an uns:

Welche Haltung ist nun rein bewegungstechnisch die Beste für unser Pferd?

Dazu sollte man sich meiner Meinung nach viele Aspekte anschauen. Zum Beispiel das

Arthrose-Pony: Ist es ihm gedient, im Offenstall mit 24h Heufütterung zu stehen, dabei

aber viel zu dick ist, kann sich aber immer bewegen? Mache ich meinem ausrangierten

Sportpferd noch einen Gefallen, es auf eine Altersweide zu stellen, weil ich es nicht

mehr selbst bewegen kann oder will? Kann es mit seiner neuen unbehüteten Freiheit

überhaupt umgehen? Braucht mein junges, gesundes Pferd in einer Boxenhaltung zu

stehen, wenn ich sowieso kaum Zeit zum Reiten oder Trainieren habe?

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man jedes Pferd spezifisch und realistisch

anschauen sollte. Natürlich auch in Bezug auf die Interessen der Besitzer.

Ich hoffe, dass ich mit dieser kleinen Bewegungsanalyse einen kleinen Einblick in den

Bewegungsalltag unserer Pferde verschafft habe, der uns mal wieder zum Nachdenken

anregt.

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