Das Wildweiberhäuschen in Langenaubach - in Haiger
Das Wildweiberhäuschen in Langenaubach - in Haiger
Das Wildweiberhäuschen in Langenaubach - in Haiger
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<strong>Das</strong> <strong>Wildweiberhäuschen</strong> <strong>in</strong> <strong>Langenaubach</strong><br />
Beim <strong>Wildweiberhäuschen</strong> handelt es sich um e<strong>in</strong>en über 3o m hohen Felsen am südlichen Ende<br />
des Dorfes <strong>Langenaubach</strong>. <strong>Das</strong> Alter des <strong>Wildweiberhäuschen</strong>s liegt bei etwa 360 Millionen Jahre.<br />
Der Felsen ragt majestätisch aus dem umgebenden Hochwald heraus. Dem Betrachter fällt er<br />
e<strong>in</strong>erseits durch se<strong>in</strong>e helle Kalkfarbe auf und andererseits deswegen, weil e<strong>in</strong> so gewaltiger Fels <strong>in</strong><br />
der hiesigen Landschaft e<strong>in</strong>malig ist. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere für die Benutzer der L 3044 südlich von<br />
<strong>Langenaubach</strong> auf dem Weg von und nach Rabenscheid.<br />
Der Felsen, entstanden aus Korallen-Kalk e<strong>in</strong>es Urmeeres, ist an sich schon etwas Besonderes, und<br />
die 2 dar<strong>in</strong> bef<strong>in</strong>dlichen Höhlen steigern die Besonderheit nochmals.<br />
So ist es nicht verwunderlich, wenn um ihn im Laufe der Menschheitsgeschichte viele Sagen<br />
entstanden s<strong>in</strong>d.<br />
Die erste Nennung lesen wir 1712 bei Johannes Kraft, der als Schulmeister <strong>in</strong> <strong>Haiger</strong> und Herborn<br />
tätig war.<br />
Die Sagen von den „Wilden Weibern“ bei <strong>Langenaubach</strong> f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> verschiedenen Sagensammlungen<br />
bis <strong>in</strong> die Gegenwart, wie zum Beispiel:<br />
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1. In der <strong>Wildweiberhäuschen</strong>-Höhle oberhalb <strong>Langenaubach</strong> wohnten vor langer Zeit die<br />
„Wilden Weiber“. Oft sah man sie vor dem E<strong>in</strong>gang sitzen. Da kämmten sie ihr Haar und<br />
sangen schöne Lieder. Sie waren allen guten, fleißigen Menschen zugetan und halfen ihnen, wo<br />
sie nur konnten. Am Hang der Fuchskaute wohnte e<strong>in</strong> armer, aber rechtschaffener Schäfer,<br />
dem sie besonders gewogen waren. Zu ihm kamen sie oft, backten ihm gutes Brot, so dass er<br />
ke<strong>in</strong>en Hunger zu leiden brauchte, und zeigten ihm die heilkräftigen Kräuter für se<strong>in</strong>e kranken<br />
Schafe. Vielen fleißigen Leuten halfen sie sogar bei der Ernte.<br />
2. Böse und faule Menschen wurden dagegen von den „Wilden Weibern“ bestraft. <strong>Das</strong> musste<br />
e<strong>in</strong> Bauer aus dem Dorf erfahren, der ihnen von der Wäsche, die sie am Bach unterhalb des<br />
Felsens zum Bleichen und Trocknen ausgebreitet hatten, e<strong>in</strong> Hemd gestohlen hatte. Um<br />
Mitternacht kamen sie vor se<strong>in</strong> Haus, verursachten vor dem Fenster e<strong>in</strong> großes Getöse, als ob<br />
das ganze Haus e<strong>in</strong>stürze, klopften an die Scheiben, drangen endlich <strong>in</strong> wilden Scharen zur<br />
Türe und <strong>in</strong> die Stube h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, tanzten mit höllischem Lärm um das Bett des Bauern und schrieen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fort: „Gib uns das Hemd wieder!“ Zuletzt rissen sie ihn an den Haaren aus dem Bett<br />
und schleiften ihn so lange durch die Stube, bis er ihnen endlich das Hemd wieder herausgab.<br />
3. Unachtsamen Müttern, die ihre K<strong>in</strong>der vernachlässigten, nahmen die „Wilden Weiber“ die<br />
K<strong>in</strong>der weg, entführten sie <strong>in</strong> ihre Höhle und gaben sie erst später den verzweifelten und<br />
Besserung gelobenden Müttern wieder.<br />
Danach wurden die „Wilden Weiber“ immer mehr verärgert. Sie foppten und neckten die<br />
Menschen, wo sie nur konnten. Als dann die Gruben und Ste<strong>in</strong>brüche viel Unruhe <strong>in</strong> ihre<br />
Wohnungen brachten, ließen sie sich immer seltener sehen, zogen sich tiefer <strong>in</strong> die Felsen<br />
zurück und verschwanden zuletzt ganz.<br />
4. Am Fuße des <strong>Wildweiberhäuschen</strong>s öffnet sich e<strong>in</strong> alter Stollen, der wohl ursprünglich e<strong>in</strong>e<br />
kle<strong>in</strong>e Höhle gewesen se<strong>in</strong> mag. In diesem Stollen soll e<strong>in</strong> großer Schatz, e<strong>in</strong> ganzes Fass voll<br />
Gold, verborgen se<strong>in</strong>. Zwei Männer aus dem Dorf wollten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Nacht zur Geisterstunde den<br />
Schatz heben, bereiteten alles vor, was nötig war. Schweigend machten sie sich ans Werk;<br />
denn niemand darf beim Schätze heben e<strong>in</strong> Wort sprechen, sonst gefährdet er das ganze<br />
Vorhaben und sich selbst. Es gelang den Männern, e<strong>in</strong> Seil <strong>in</strong> die Tiefe zu lassen und mit e<strong>in</strong>er<br />
Schl<strong>in</strong>ge den Schatz zu fassen. Anfangs g<strong>in</strong>g das Ziehen leicht, wurde aber immer schwerer, je<br />
mehr sich der Schatz der Oberfläche näherte. Unter großen Mühen hatten sie das Fass schon<br />
soweit gehoben, dass sie se<strong>in</strong>en goldenen Inhalt im fahlen Mondlicht glänzen und schimmern<br />
sahen. Aber immer schwerer wurde der Schatz, so dass er kaum noch zu halten war. Da<br />
endlich <strong>in</strong> der höchsten Not, er möchte ihnen doch wieder entgleiten und alle Arbeit wäre<br />
umsonst gewesen, vergaß der e<strong>in</strong>e das Gelöbnis und schrie se<strong>in</strong>em Gefährten zu: „Willem,<br />
heb!“ Im gleichen Augenblick ertönte e<strong>in</strong> furchtbarer Donnerschlag, und mit ihm sauste der<br />
Schatz <strong>in</strong> die Tiefe. Niemand hat ihn später heben können.<br />
Die Schatzsage lebt 1953 auf, denn im Stollen vom <strong>Wildweiberhäuschen</strong> wird wirklich e<strong>in</strong> Schatz<br />
gefunden und der Wahrheitsgehalt der Sage somit bestätigt.<br />
Es handelt sich um 87 Silbermünzen aus der Zeit zwischen 1195 und 1315. Der Schatz ist heute im<br />
Heimatmuseum von <strong>Haiger</strong> zu bestaunen und stellt den größten Münzfund der Stadt dar.<br />
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Der Silberschatz ist allerd<strong>in</strong>gs jung gegenüber den Funden aus der Eiszeit.<br />
Nachzuweisen s<strong>in</strong>d: Knochen von Rentier, Schneehuhn, Lemm<strong>in</strong>ge, Büffel, Eisfuchs, nordische<br />
Wühlmausarten, Höhlenbär, Wollnashorn.<br />
„Die Urgeschichte des <strong>Haiger</strong>er Raumes fängt mit Knochen an aus der unteren<br />
Wildweiberhaushöhle.“<br />
Dieser Satz des <strong>Haiger</strong>er Ehrenbürgers und bisher bedeutendsten Heimatforschers Dr. hc. Karl Löber<br />
spricht für sich und misst dieser altehrwürdigen Stätte die größte Bedeutung zu.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Wildweiberhäuschen</strong> stellt somit die Urzelle der Besiedlung des<br />
<strong>Haiger</strong>er Raumes dar.<br />
1932 wurde e<strong>in</strong> Menschenzahn gefunden, den man auf 5o.ooo Jahre schätzte.<br />
Aus der Jungste<strong>in</strong>zeit (2ooo – 5ooo v. Chr.) fand man e<strong>in</strong>e Pfeilspitze.<br />
2ooo Jahre alte Scherben verschiedenster Art und Form, aus der sogenannten Laténe-Zeit, liegen<br />
etliche vor und lassen kaum Zweifel an e<strong>in</strong>er wie auch immer gearteten vorgeschichtlichen<br />
Besiedlung.<br />
Zu den vielen vorgeschichtlichen Funden gesellen sich aus dem Mittelalter Eisenschlacke und<br />
Keramikscherben h<strong>in</strong>zu.<br />
Erwähnung f<strong>in</strong>den soll auch der Bims-Sand, der am <strong>Wildweiberhäuschen</strong> liegt. Er stammt aus der<br />
Eifel. Der W<strong>in</strong>d hat ihn bei den dortigen Vulkanausbrüchen u. a. bis hierher getragen. Se<strong>in</strong> Alter<br />
konnte auf 9080 Jahre datiert werden.<br />
Aber nicht nur kulturgeschichtlich ist das <strong>Wildweiberhäuschen</strong> von größter Bedeutung.<br />
Es gehört zu den reichsten Pflanzenstandorten der Gegend und hat ebenfalls e<strong>in</strong> bemerkenswertes<br />
Vorkommen von seltenen Tierarten.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Wildweiberhäuschen</strong> ist e<strong>in</strong>es der ältesten Naturschutzgebiete <strong>in</strong> Hessen<br />
und wurde bereits 1927 unter Schutz gestellt.<br />
Damals wollte die Geme<strong>in</strong>de <strong>Langenaubach</strong> das <strong>Wildweiberhäuschen</strong> e<strong>in</strong>em Kalkabbau opfern, weil<br />
die wirtschaftlichen Interessen e<strong>in</strong>es Ste<strong>in</strong>bruchbetriebes oder die diesbezüglichen E<strong>in</strong>nahmen höher<br />
e<strong>in</strong>geschätzt wurden als ihr Wahrzeichen.<br />
Weitsichtige Personen wie Forstmeister Behlen, der damalige Landrat sowie Konservator Dr. Dönges<br />
aus Dillenburg vereitelten dies Gott sei Dank. Dr. Dönges schrieb am 11. 8. 1927:<br />
„Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Nichterhaltung des Wildweiberhaus-<br />
Felsens e<strong>in</strong> Verbrechen wäre.“<br />
In neuerer Zeit wurde e<strong>in</strong> Großteil des Aubachtales unter Naturschutz gestellt und ist mit dem<br />
<strong>Wildweiberhäuschen</strong> zusammen als e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit zu sehen.<br />
Wohl ke<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de des gesamten Kreises hat solch e<strong>in</strong> gewichtiges Pfund aus den Bereichen<br />
Menschheitsgeschichte<br />
Pflanzenwelt<br />
Tierwelt<br />
Geologie<br />
Archäologie,<br />
mit dem sie Werbung machen kann; für ihre Stadt, den Rothaarsteig, den nahen Westerwaldsteig. Die<br />
dauernden Exkursionen von Universitäten, Vere<strong>in</strong>en, Verbänden und Privaten bezeugen dies jahre<strong>in</strong><br />
jahraus. Im weiten Umfeld hat ke<strong>in</strong>e Schöpfung der Natur solch e<strong>in</strong>e Anziehungskraft wie das<br />
<strong>Wildweiberhäuschen</strong>.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Wildweiberhäuschen</strong> ist das natürliche Wahrzeichen des<br />
Aubachtales und der gesamten Stadt <strong>Haiger</strong>.<br />
Text: Hans Joachim Moos<br />
Gestaltung: Peter Wolff<br />
Foto S. 1: E. Schubert, <strong>in</strong>: Archäologische Denkmäler <strong>in</strong> Hessen, 1968<br />
Foto S. 2: Dr. hc. Karl Löber, <strong>in</strong>: Heimatjahrbuch für den Dillkreis, 1972<br />
Foto S. 3: Hans Joachim Moos<br />
Foto S. 4: Peter Wolff<br />
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