Werner Lüdicke - Städtische Galerie Nordhorn
Werner Lüdicke - Städtische Galerie Nordhorn
Werner Lüdicke - Städtische Galerie Nordhorn
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
DAS KULTURMAGAZIN FÜR DIE GANZE FAMILIE<br />
PORTRAIT<br />
Manfred Flucht<br />
KUNSTSCHULE<br />
Denkanstöße<br />
KUNSTWEGEN<br />
Turf Cupola<br />
NUMMER 14<br />
FRÜHJAHR 2008<br />
THEMENHEFT<br />
Ad Absurdum
Inhalt<br />
3 Editorial<br />
4 Lieblingsbilder Helmut Riestenpatt und <strong>Werner</strong> <strong>Lüdicke</strong><br />
6 <strong>Galerie</strong> Augenzeuge eines kreativen Entstehungsprozesses<br />
8 Portrait Manfred Flucht:Auf digitalen Wellen reiten<br />
10 Standpunkt Thomas Wagner: Steckt in der zeitgenössischen Kunst<br />
eigentlich Ironie?<br />
11 Was ist eigentlich… Arte povera?<br />
12 schöne Tipps<br />
13 Themenheft<br />
25 kunstwegen Turf Cupola<br />
26 Kunstschule „Denkanstöße“<br />
28 Reportage Italien in der Obergrafschaft<br />
30 Kochkünstler Markus Huemer: Nutella-Mousse<br />
31 Bücherecke<br />
32 Der andere Blick … im Kreis herum<br />
34 Die bunte Seite<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber<br />
<strong>Städtische</strong> <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong><br />
Vechteaue 2, 48529 <strong>Nordhorn</strong><br />
Tel.: (0 59 21) 97 11 00<br />
Fax: (0 59 21) 97 11 05<br />
kontakt@staedtische-galerie.nordhorn.de<br />
Redaktion<br />
Daniel Klause (verantwortlich)<br />
Marianne Begemann<br />
Andre Berends<br />
Thomas Kern<br />
Roland Nachtigäller<br />
Dagmar Thiel<br />
Fotos<br />
Andre Berends (S. 25, 28, 29)<br />
Daniel Klause (S. 26)<br />
Stephan Konjer (S. 36)<br />
Jürgen Lüken (S. 1, 4, 5, 7, 8, 9, 32, 33, 34)<br />
Titel<br />
Jürgen Lüken<br />
Illustrationen<br />
Frank Ulmer<br />
Gestaltung<br />
Lorena Volkmer<br />
Druck<br />
A. Hellendoorn KG, Bad Bentheim<br />
„schön”erscheint mit<br />
freundlicher Unterstützung<br />
des Landes Niedersachsen.<br />
Willkommen,<br />
er ist der Superstar unter den Malern. 35 Jahre nach seinem Tod erzielen<br />
Werke des Spaniers Pablo Picasso immer neue Rekordsummen.<br />
Helmut Riesenpatts Picasso hat nicht einmal 20 Euro gekostet. Der<br />
Kunstdruck von Picassos berühmter Federzeichnung „Don Quixote“<br />
ziert das Kaminzimmer des Theatermanns aus Bad Bentheim. Es ist<br />
die Ironie in der Geschichte des „Manns von La Mancha“, von<br />
Picasso mit einfachem brüchigen Strich in Szene gesetzt, die den<br />
Schauspieler Riestenpatt fasziniert und „Don Quixote“ zu seinem<br />
Lieblingsbild macht.<br />
Das Thema Ironie beschäftigt auch schön-Gastkolumnist Thomas<br />
Wagner. Er hat in der zeitgenössischen Kunst eine Renaissance des<br />
feinen Spotts ausgemacht.Auch die Zwölftklässler des Lise-Meitner-<br />
Gymnasiums in Neuenhaus sind fündig geworden, bei einem Besuch<br />
der Ausstellung „Wir schalten zurück nach Rheda-Wiedenbrück“ von<br />
Jürgen Stollhans in der <strong>Städtische</strong>n <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong>. Mehr dazu in<br />
der Rubrik „Kunstschule“.<br />
Kunst verschiedener Art an einem angenehmen Ort einem breiten<br />
Publikum zugänglich machen, das wollen Frans-Jozef und Alberte<br />
Hennekens. schön-Autor Andre Berends hat das Ehepaar in seinem<br />
Kleinod für die Künste in Bad Bentheim besucht.<br />
Und schließlich hat sich auch schön-Kolumnist Frank Ulmer von<br />
Pablo Picasso inspirieren lassen. Ein Schuft, wer sich Böses bei<br />
seinem Bentheimer Landschaf denkt.<br />
Viel Freude beim Lesen und Betrachten wünscht<br />
Daniel Klause<br />
3<br />
Editorial
Lieblingsbilder 4<br />
Helmut<br />
Riestenpatt<br />
Dieses Bild<br />
finde ich gut …<br />
Alter 72<br />
Beruf Gymnasiallehrer i.P.<br />
Berufung Programmmacher und<br />
Schauspieler an der Freilichtbühne<br />
in Bad Bentheim<br />
Familienstand verheiratet, drei Kinder<br />
Die Geschichte<br />
ist<br />
so ganz nach<br />
Helmut RiestenpattsGeschmack:Auf<br />
der einen Seite<br />
der kraftvolle<br />
Held, voller<br />
Tatendrang, ein<br />
Mann mit Visionen,<br />
nicht von<br />
dieser Welt. Der<br />
andere dagegen<br />
klein, untersetzt,<br />
schlau, mit beiden<br />
Füßen fest<br />
auf der Erde, im<br />
besten Sinne des<br />
Wortes auf dem<br />
Boden der Tatsachen<br />
stehend.<br />
Zwei ungleiche Charaktere, die das Schicksal<br />
zusammengeführt hat.<br />
Den ehemaligen Lehrer für Deutsch und<br />
Geschichte am Burg-Gymnasium in Bad Bentheim<br />
fasziniert Miguel de Cervantes’ Roman<br />
„Don Quixote“ bis heute. Schon als Pennäler<br />
habe er mit den Abenteuern des „Ritters von<br />
der traurigen Gestalt“ mitgefiebert. Im Studium<br />
lernte er die Hintergründe der Geschichte<br />
kennen. „Es ist eine Parodie auf die mittelalterlichen<br />
Trivialgeschichten, die um das Jahr 1600<br />
den Buchmarkt in Spanien überschwemmten.<br />
Und es ist als Parabel zu verstehen auf das<br />
spanische Weltreich, das damals nur noch als<br />
Trugbild in der Erinnerung der Menschen existierte“,<br />
erklärt Riestenpatt.<br />
Pablo Picasso reduzierte das Spiel um<br />
Schein und Sein mit einfachsten Mitteln in seinem<br />
Bild „Don Quixote“ (1955). Riestenpatt<br />
stieß zufällig auf das Bild.Vor gut fünf Jahren<br />
hat er den Kunstdruck mit einem schlichten<br />
schwarzen Rahmen in seinem Kaminzimmer<br />
aufgehängt. Umringt von Bücherregalen hat es<br />
gegenüber des offenen Kamins seinen Platz<br />
gefunden.Vorher hing hier lange Jahre ein<br />
Bauernbrueghel. Deftig, farbenfroh. Der Theatermann<br />
Helmut Riestenpatt liebt die Gegensätze.<br />
„Don Quixote ist die beherrschende<br />
Figur in dem Bild. Er möchte die Gerechtigkeit<br />
in die Welt bringen. Mit dem deutlich gekrakelten<br />
Strich, mit dem Picasso das Pferd<br />
Rosinante gezeichnet hat, zeigt er das<br />
brüchige in der Figur des Ritters“, sagt Riestenpatt.<br />
Daneben steht der Bauer Sancho Pansa<br />
mit seinem Esel fest auf dem Boden. Die Sonne<br />
und die Windmühlen erinnern an Kinderzeichnungen.<br />
Für Helmut Riestenpatt hat das Welt- und<br />
Menschenbild des Miguel de Cervantes bis<br />
heute nichts von seiner Gültigkeit verloren.<br />
Das habe auch Picasso gesehen, der immer<br />
wieder Gaukler und Clowns portraitierte.<br />
Das Tragikomische der Romanvorlage und des<br />
Bilds interessieren Riestenpatt. „Es hat etwas<br />
Beruhiges, dass sich der Mensch noch von<br />
Idealen leiten lässt und nicht nur von der<br />
Schwerkraft“, meint er.<br />
Inszeniert oder gespielt hat Helmut Riestenpatt<br />
den „Don Quixote“ noch nicht. Dabei<br />
gebe es zahlreiche Vorlagen, ein Musical<br />
(„Der Mann von La Mancha“) eine Oper und<br />
ein Ballett sowie mehrere Filme.Aber das kann<br />
ja noch kommen. Daniel Klause<br />
<strong>Werner</strong> <strong>Lüdicke</strong><br />
Alter 58 Jahre<br />
Beruf Lehrer am Gymnasium <strong>Nordhorn</strong><br />
für Biologie, Chemie und Physik<br />
Familienstand verheiratet, zwei Söhne<br />
Warme Rot-, Gelb- und Brauntöne sind in<br />
Spritztechnik aufgetragen und vermitteln<br />
eine angenehme Atmosphäre im Wohnzimmer<br />
von <strong>Werner</strong> <strong>Lüdicke</strong>. Zu sehen sind abstrakte,<br />
ineinander fließende und sich durchdringende<br />
Formen. „Science Art“ hat der Maler Horst<br />
Rumstedt seine Technik bezeichnet – und wo<br />
könnte ein solches Bild besser hängen als im<br />
Haus eines Lehrers für Biologie, Chemie und<br />
Physik. Das Werk ohne Titel war das zweite<br />
Bild, das sich die Eheleute <strong>Lüdicke</strong> von Horst<br />
Rumstedt Ende der 1970er Jahre gekauft<br />
haben. „Entdeckt haben wir es in einer Heidelberger<br />
<strong>Galerie</strong>“, sagt <strong>Werner</strong> <strong>Lüdicke</strong>, der in<br />
der Stadt am Neckar geboren wurde und dort<br />
auch studiert hat.<br />
Das Bild mit seinen runden Formen lässt viel<br />
Interpretationsspielraum: „Mir gefallen die<br />
Komposition und die Farbzusammenstellung“,<br />
berichtet <strong>Lüdicke</strong>. Man könne vieles hindeuten,<br />
und gerade diese Vielschichtigkeit fasziniere<br />
ihn:Tropfen, Flossen, Moleküle, Fische, eine<br />
Schnecke, die aus dem Bild herauskriecht, oder<br />
sogar eine aufgebrochene Eierschale sind mit<br />
ein wenig Fantasie zu erkennen. „Rumstedts<br />
Bilder sprechen mich vor allem als Biologe an.<br />
Sie vermitteln, dass alles im Fluss ist“, erklärt<br />
<strong>Lüdicke</strong>.<br />
Der heute fast vergessene Horst Rumstedt<br />
wurde 1921 in Sangerhausen in Sachsen-<br />
Anhalt geboren und starb 1986 in Otzberg<br />
im Odenwald. Er stellte seine Werke international<br />
aus, unter anderem in New York, Chicago,<br />
London, Beirut, Neapel und Zürich. Die<br />
„Science Art“ befasst sich mit der künstlerischen<br />
Auseinandersetzung der immer stärker<br />
von Wissenschaft und Technik geprägten<br />
Umwelt. Rumstedt schuf den Begriff Anfang<br />
der 1960er Jahre.Werke aus dem Mikrobereich<br />
wie Gewebeschnitte durch Pflanzen gehörten<br />
ebenso dazu wie Metalldünnschliffe, atomphysikalische<br />
Erscheinungen und Laser. „Der<br />
Künstler steht nicht mehr nur als beziehungsloser<br />
Träumer im Raum, sondern als wissenschaftlich<br />
geschulter Künder eines naturwissenschaftlichen<br />
Weltbildes.“ Mit diesen<br />
Worten beschrieb Rumstedt selbst seine<br />
Kunstform. In seinen Werken versetzt er den<br />
Betrachter in die Welt der Mikroorganismen.<br />
„In diesem Sinne war Rumstedt einer der<br />
ersten umweltbewussten Maler“, meint<br />
<strong>Lüdicke</strong>.<br />
<strong>Werner</strong> <strong>Lüdicke</strong> ist 1978 als Lehrer ans<br />
Gymnasium nach <strong>Nordhorn</strong> gekommen und<br />
kulturell sehr engagiert. Seit 1991 ist er stellvertretender<br />
Vorsitzender und Konzertorganisator<br />
des Musikschul-Fördervereins „pro<br />
nota“. „Musik spielt eine große Rolle in meinem<br />
Leben“, sagt der 58-Jährige, der als<br />
Zehnjähriger begonnen hat Geige zu lernen.<br />
„Ich konzentriere mich sehr auf die Arbeit bei<br />
,pro nota’, da bleibt nicht mehr viel Platz<br />
für Anderes.“ Doch das Haus am Kleiberweg<br />
zeugt auch vom Interesse an bildender Kunst.<br />
Gegenüber von Rumstedts „Science Art“<br />
hängt ein anderes, eher klassisches Bild: Die<br />
„Boddenschiffe“ von Hans Oberländer aus<br />
Rostock liegen in winterlicher See.<strong>Werner</strong><br />
<strong>Lüdicke</strong>s Mutter war eine gute Freundin des<br />
Malers. Oberländer schenkte ihr während des<br />
Zweiten Weltkrieges kurz vor seinem Tod das<br />
unsignierte Gemälde. <strong>Lüdicke</strong>: „Die Bilder von<br />
Oberländer und Rumstedt passen zwar eigentlich<br />
nicht zusammen, aber die Boddenschiffe<br />
sind so eng mit unserer Familiengeschichte<br />
verwoben, dass sie hier einfach auch ihren<br />
Platz haben sollen.“ Dagmar Thiel<br />
5<br />
Lieblingsbilder
<strong>Galerie</strong> 6<br />
Augenzeuge<br />
eines kreativen<br />
Entstehungsprozesses<br />
„Baustelle Kunst“ gewährt Einblicke<br />
in die Gedankenwelt der Künstler<br />
Was zeichnet eine Baustelle aus? Arbeit.<br />
Schmutz.Absperrungen:Vorsicht –<br />
Lebensgefahr! Eltern haften für ihre Kinder!<br />
Baugerüste.Aufgekrempelte Ärmel. Schufterei.<br />
Schweiß. Manchmal auch Zuschauer – die alles<br />
besser wissen.<br />
Was zeichnet eine <strong>Galerie</strong> für aktuelle Kunst<br />
aus? Weiße Wände.Absperrungen: Nicht<br />
berühren! Auch hier: Eltern haften für ihre<br />
Kinder! Leises Gemurmel. Gepflegte Unterhaltung:<br />
„Mir gefällt es außerordentlich! Es erinnert<br />
irgendwie an …, ach, wie heißt er doch<br />
gleich? Finden Sie nicht auch?“ Besserwisserei!<br />
Schlaumeier!<br />
Baustelle und Kunst – offensichtlich gibt es<br />
hier krasse Gegensätze, aber auch überraschende<br />
Parallelen. Ebenso in der <strong>Städtische</strong>n<br />
<strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong>? Roland Nachtigäller, Leiter<br />
des Hauses, bietet mit der „Baustelle Kunst“<br />
seit einiger Zeit eine Veranstaltung an, die sich,<br />
wenige Tage vor der Eröffnung einer Ausstellung,<br />
an Erzieherinnen, Kunstlehrerinnen und<br />
Kunstlehrer, Fachleute und Laien richtet. Der<br />
Zeitpunkt ist in der Regel so gewählt, dass die<br />
wesentliche Arbeit des Ausstellungsteams<br />
erledigt ist. Das heißt: Die Werke des jeweiligen<br />
Künstlers oder der Künstlerin sind angeliefert,<br />
vor Ort fertig gestellt und gehängt beziehungsweise<br />
in den Räumen der <strong>Galerie</strong> positioniert.<br />
Dazu muss unter Umständen eine völlig neue<br />
Innenarchitektur konzipiert werden: Sichtachsen<br />
müssen überdacht und alternativ entwickelt<br />
werden,Wände sind neu zu stellen,<br />
mitunter werden Kabinett ähnliche Orte installiert,<br />
die es erlauben, die jeweiligen Arbeiten<br />
so zu betrachten, wie es die Künstlerinnen<br />
oder Künstler fordern. Regelmäßig kommt ein<br />
neuer Anstrich hinzu. Dies muss nicht immer<br />
weiß sein. Zuletzt, bei Matthias Bitzer, dem<br />
Kunstpreisträger 2008 der Stadt <strong>Nordhorn</strong>,<br />
fand sich zum Beispiel eine ungewöhnliche,<br />
graubraune Raum hohe Wand zur Präsentation<br />
seiner großformatigen Malereien.Aber natürliche<br />
kommt es auch vor, dass die Wände selbst<br />
Teil eines Kunstwerks werden, wie bei Oliver<br />
Grajewski und Hannes Trüjen. Dann sind sie<br />
in einer besonderen Art und Weise zu präpa-<br />
Reise zur Kunst: Nach dem Besuch der documenta im vergangenen Jahr organisiert der Förderkreis der <strong>Städtische</strong>n <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong> den Besuch einer Ausstellung in einer anderen<br />
Stadt. Am Sonnabend, 7. Juni, heißt das Ziel Herford. Die Besucher erwartet eine Führung durch den ostwestfälischen Teil von „Ad Absurdum“ im MARTa. Darüber hinaus<br />
bleibt ausreichend Zeit für ein gemeinsames Mittagessen und einen Bummel durch die Innenstadt von Herford.Anmeldungen sind ab sofort möglich unter (0 59 21) 97 11 00 oder<br />
per E-Mail an kontakt@staedtische-galerie.nordhorn + + + + Baukunst: In diesem Jahr beginnt die <strong>Städtische</strong> <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong> das Projekt „Architektur-Forum <strong>Nordhorn</strong>“, ein<br />
kurzweiliges und äußerst vielfältiges Vortrags- und Gesprächsprogramm mit renommierten internationalen Referenten. Grundgedanke dabei ist, einen etwa 30-minütigen<br />
Impulsvortrag zum Ausgangspunkt für eine Gesprächsrunde zu nehmen, die in entspannter Atmosphäre (mit Getränken und Imbiss) jeweils von einem örtlichen Architekten<br />
rieren: die Wandfläche als Mal- und Zeichengrund.<br />
Eine neue Innenarchitektur hat unter anderem<br />
zur Folge, dass Beamer, DVD-Player und<br />
Audiogerätschaften, insbesondere aber die<br />
Beleuchtung neu ausgerichtet werden müssen.<br />
Womöglich sind Leitungen zu legen, zumindest<br />
muss das Equipement aufeinander abgestimmt<br />
werden, damit für die Ausstellungsbesucher<br />
nur die Überraschung über die ungewöhnliche<br />
Neukonzeption bleibt, die dahinter stehende<br />
notwendige Mühe und Arbeit aber nicht wahrgenommen<br />
werden. Eine Baustelle, wie<br />
umfangreich und komplex sie auch sein mag,<br />
steht eben nie im Mittelpunkt des Geschehens.<br />
Sie ist immer Hintergrund, unabdingbare Voraussetzung<br />
eines Ereignisses.Auch die „Baustelle<br />
Kunst“.Wer verschwendet schon einen<br />
Gedanken daran, wie die 3000 Luftballons für<br />
Hans Hermmerts Panzer inmitten der <strong>Galerie</strong><br />
aufgeblasen wurden? Das Pieksen, der Knall<br />
am Ende ist interessant, nicht das Aufblasen<br />
und Verknoten der einzelnen, bunten und niedlichen<br />
Luftbällchen.<br />
In diesem Sinne scheint für die „Baustelle<br />
Kunst“ zu Jürgen Stollhans alles bereitet.<br />
Stühle sind zurechtgestellt, auch Wein und eine<br />
Kleinigkeit zu Essen sind aufgetischt. Dazu die<br />
Baustellenbesucher:Wohl 20 bis 25 Interessierte,<br />
Frauen und Männer von, na sagen wir<br />
20 bis 65 Jahren, haben sich an diesem Mittwoch<br />
zwei Tage vor dem eigentlichen Ausstellungsbeginn<br />
eingefunden, um sich mit der<br />
Kunst von Stollhans auseinanderzusetzen. Die<br />
steht überall verteilt herum.Aber leider nicht<br />
wie erwartet im kunstwegen-Pavillon, dem Ort<br />
der Baustelle Kunst, sondern nur im eigentlichen<br />
Hauptausstellungsraum der <strong>Galerie</strong> von<br />
Stephen Craig. Und der bleibt verschlossen.<br />
Erste Verwunderung: Baustelle Kunst ohne<br />
Kunst? Nur Baustelle?<br />
Schnell wird dieser Irritationen begegnet:<br />
In der Tat, dieses Mal findet die abendliche Veranstaltung<br />
nicht zwischen den schon gehängten<br />
Werken der Ausstellung statt, sondern im<br />
zeitlich begrenzten Atelier des Künstlers: Im<br />
kunstwegen-Pavillon. Hier hat Jürgen Stollhans<br />
über Wochen gearbeitet. Mit Kreide gezeichnet<br />
– oder doch gemalt? Jedenfalls findet sich<br />
Kreidestaub en masse, überall, auf dem Boden<br />
und um Modelle herum verteilt. Langsam wird<br />
es spannend! Was wird die Ausstellung zeigen?<br />
Offensichtlich auch neue Werke, die extra<br />
vor Ort für die <strong>Galerie</strong> entstanden sind.<br />
Und dann betritt Jürgen Stollhans den<br />
Raum. Da ich ihn von einigen Fotos her zu kennen<br />
glaube, trete ich auf ihn zu und frage<br />
direkt, ob er Jürgen Stollhans, die Hauptperson<br />
des heutigen Abends sei. „Bin ich das?“, fragt<br />
er zurück. „Ja, das bin ich wohl!“ Lächelnd<br />
geht er herum, schaut sich fast ungläubig die<br />
Besucher an und beginnt mit ihnen zu sprechen<br />
und zu diskutieren.<br />
Moment Mal! Ist dies nicht Jürgen Stollhans,<br />
jener Künstler, der im vergangenen Jahr<br />
auf der zwölften documenta in Kassel ausgestellt<br />
hat? Jener Stollhans, der mühelos einen<br />
großen Teil der documenta-Halle bespielte?<br />
Der mit seinen Kreidearbeiten auffiel, herausstach<br />
aus manchem Einerlei der weltgrößten<br />
Ausstellung für aktuelle Kunst? Und dieser<br />
Stollhans kommt so freundlich in <strong>Nordhorn</strong> auf<br />
mich zu? Hallo! Es verspricht tatsächlich ein<br />
interessanter Abend zu werden!<br />
Barrieren zwischen Künstler und Publikum?<br />
Die scheinen nicht zu bestehen! Und dann<br />
beginnt es: Roland Nachtigäller stellt uns Jürgen<br />
Stollhans vor. Und dieser berichtet über<br />
seinen Werdegang, über sein künstlerisches<br />
Werk generell und über seine Ausstellungen im<br />
Speziellen. Private Fotos hat er mitgebracht.<br />
Sie werden projiziert. Spannend! Keine Frage<br />
bleibt unbeantwortet. Selbst Hintergründe zur<br />
Ideenfindung seiner Werke werden verständlich.<br />
Ja, die Besucher selbst werden um ihre<br />
Meinung gebeten, zum Beispiel wie die eine<br />
oder andere Ecke in den Ausstellungsräumen<br />
mit den angefertigten beziehungsweise mit<br />
den mitgebrachten Arbeiten gestaltet werden<br />
könnte. Ein Modell der Ausstellungsräume hilft<br />
dabei, die Übersicht zu behalten. Einiges<br />
scheint sich noch im Prozess zu befinden, manches<br />
ist noch nicht definitiv beschlossen.<br />
Darum findet die Baustelle Kunst auch im<br />
kunstwegen-Pavillon statt und nicht im eigentlichen,<br />
schon weitgehend, aber noch nicht endgültig<br />
präparierten Ausstellungsraum.Auf einmal<br />
wird klar: Den Besuchern wird erklärt, erläutert<br />
und erzählt.Aber sie sind auch Teil eines<br />
Prozesses. Den sie natürlich nicht maßgeblich<br />
steuern – das wäre nun doch anmaßend.Aber<br />
zu erleben, wie die Diskussion verläuft, welche<br />
Gedanken zu diesen oder jenen Aspekten und<br />
Details von Roland Nachtigäller oder Jürgen<br />
Stollhans geäußert werden – das ist schon<br />
außergewöhnlich. Es zeigt: Hier ist eine kreative<br />
Baustelle. Kunst entsteht. Die Besucher sind<br />
dabei.Auch beim nächsten Mal! Thomas Kern<br />
<strong>Galerie</strong><br />
moderiert wird. Nach dem Auftakt am 24.April wird am 22. Mai der Architekturprofessor Ulrich Exner (Siegen/Istanbul) zu Gast sein. Die Gesprächsrunde moderiert der <strong>Nordhorn</strong>er<br />
Architekt Gebhard Jeurink. + + + + Kunst und Natur: Die Saison der „Frischluft-Führungen“ beginnt am 18. Mai in <strong>Nordhorn</strong> um 11.30 Uhr und setzt sich dann an jedem Sonntag<br />
zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten zwischen Frenswegen und Laar fort. Es ist keine Anmeldung erforderlich. Die Teilnahme kostet zwei Euro pro Person, Kinder bis<br />
14 Jahre frei. Einen Überblick über Orte und Zeiten gibt es auf einem eigenen Flyer, in der Tagespresse oder unter www.staedtische-galerie.nordhorn.de/kunstwegen.htm.<br />
+ + + + Wiedersehen:Angelika Margull, Kunstpreisträgerin der Stadt <strong>Nordhorn</strong> aus dem Jahr 1981, zeigt am Freitag, den 20. Juni um 19 Uhr in der <strong>Städtische</strong>n <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong><br />
ein faszinierendes Filmporträt: Rudolf Springer, eine lebende Legende des deutschen Kunstmarkts, wurde 1909 geboren und ist noch immer auf Berliner Eröffnungen zu treffen.<br />
7
Portrait XXXXXX 8 8 9 Portrait<br />
Auf digitalen<br />
Wellen reiten<br />
Ich bin Frühaufsteher.Wollen wir uns morgen<br />
gleich um 8 Uhr treffen?“ Was die Uhrzeit<br />
angeht, ist Manfred Flucht ein äußerst unkonventioneller<br />
Künstler. Das zeitige Aufstehen<br />
hat einen Grund: Seit zwölf Jahren ist Manfred<br />
Flucht alleinerziehender Vater seiner heute<br />
14-jährigen Tochter Marie. „Dass ich das so gut<br />
hingekriegt habe, macht mich stolz“, sagt er.<br />
Auch in seinem Künstlerdasein habe ihn die<br />
Verantwortung für die Tochter stark geprägt.<br />
Zeichner Manfred Flucht<br />
taucht die Grafschaft in ein neues Licht<br />
Im geduckten und gemütlichen Arbeitsraum<br />
dampft eine große Kanne Earl Grey. Zwar ist<br />
man bei einem Zeichner zu Besuch. Doch hängen<br />
hier keineswegs nur Zeichnungen an den<br />
Wänden, sondern auch Bilder aus gespachtelten<br />
Druckerfarben, Materialcollagen, Reliefs<br />
sowie digital bearbeitete Motive.<br />
Der gebürtige Schüttorfer lebt seit einem<br />
Dreivierteljahr am Gildehauser Nordhang.<br />
Manfred Flucht ist gelernter Bauzeichner und<br />
hat in der Werbe- und Druckereibranche gearbeitet.<br />
Seit 25 Jahren zeichnet und malt er.<br />
Zurzeit ist Flucht dabei, sich als Künstler selbstständig<br />
zu machen.Vor allem seine Kalender<br />
mit Zeichnungen aus der Grafschaft erweisen<br />
sich dabei als festes Standbein. Rund 1000<br />
Exemplare hat Flucht vom aktuellen Kalender<br />
verkauft. Ihn gibt es in verschiedenen Auflagen<br />
mit Motiven aus Bentheim, Schüttorf, Rheine,<br />
Lingen oder dem Kloster Frenswegen.Auch auf<br />
dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg und in<br />
Bremen sind Kalender entstanden. Flucht fotografiert<br />
die Motive und zeichnet sie dann von<br />
seinen Fotos detailgetreu ab.Weil er die Kalender<br />
selbst digital druckt und bindet, macht<br />
Flucht sich von Druckereien unabhängig und<br />
kann in kleinen Auflagen entsprechend der<br />
Nachfrage produzieren.<br />
<strong>Nordhorn</strong>ern dürfte Manfred Flucht auch<br />
durch seine Bilder der stillgelegten Textilfirmen<br />
Rawe und Nino bekannt sein. Ebenso zeichnet<br />
er Motive aus der spanischen Emporda und<br />
den französischen Pyrenäen. Dennoch gilt die<br />
besondere Vorliebe des 51-Jährigen seiner<br />
näheren Umgebung, die er immer wieder<br />
gerne mit dem Fahrrad erkundet.<br />
Nicht zuletzt seitdem Manfred Flucht seine<br />
Tochter alleine erzieht, lautet sein Motto<br />
„Nicht aus der Ruhe bringen lassen“. Das hat<br />
er auch auf die Kunst übertragen: „Kunst muss<br />
Spaß machen und bezahlbar sein“, sagt er.<br />
Bis Mitte 2007 hat Flucht in der ehemaligen<br />
Druckerei Lammers in Schüttorf gelebt, die<br />
dann der Künstler Uwe Schloen gekauft hat<br />
(siehe Portrait in schön 13). Beim Umzug in das<br />
historische Haus am Gildehauser Nordhang<br />
musste Flucht für Hunderte Bilder einen eigenen<br />
Lagerraum anmieten. „Der Umzug war<br />
eine gute Gelegenheit, sich auf Grafiken zu<br />
konzentrieren und sie weiterzuentwickeln“,<br />
sagt Flucht. „Kunst verleitet zu Ausschweifungen.Wenn<br />
man viel Platz hat, werden die Bilder<br />
größer, zugleich lässt man sich eher ablenken.“<br />
Als selbstständiger Künstler hat sich<br />
Flucht jetzt mehr Disziplin verordnet.<br />
Um von seiner Kunst leben zu können, hat<br />
er nach langem Ringen auch pragmatische<br />
Entscheidungen getroffen. So hat er seine<br />
Kleinskulpturen aus der Serie „Bentheimer<br />
Gold“ zum Beispiel sehr erfolgreich auf den<br />
Weihnachtsmärkten der Region verkauft.<br />
„Trotzdem war ich lange zerrissen, ob ich das<br />
mit meinem Verständnis als Künstler vereinbaren<br />
kann.Aber jetzt ist es eben so: Ich mache<br />
auch Kunsthandwerk – warum nicht.“ Beim<br />
„Bentheimer Gold“ trifft Feder auf Stein: Zeichnungen<br />
werden auf Metallbleche gedruckt und<br />
dann mit dem Sandstein verbunden. So entstehen<br />
Skulpturen, von denen jede durch die<br />
Einzigartigkeit des Sandsteins ein Unikat ist.<br />
Flucht ist Obergrafschafter mit Leib und<br />
Seele und mit der künstlerisch-kulturellen Entwicklung<br />
hier äußerst zufrieden. „In Bentheim<br />
entsteht eine große Offenheit für Kunstprojekte“,<br />
meint Flucht. Dieser frische Wind<br />
ermögliche Veränderungen. Das sei Kunst ganz<br />
im Sinne von Joseph Beuys’ Ausspruch „Der<br />
Mensch als lebende Skulptur“.Als Beispiele<br />
nennt er das kleine Musiktheater Hennekens<br />
Hof oder das Künstleratelier von Talal Refit in<br />
Bentheim.<br />
Manfred Fluchts besonderes Engagement<br />
gilt dem „City-Sight-Project“. Zusammen mit<br />
dem Schüttorfer Heinz-Ludwig Kötting setzt er<br />
sich dabei mit der künstlerischen Darstellung<br />
von Städtemotiven auseinander. Fluchts Federzeichnungen<br />
mit Tusche werden von Kötting<br />
am Computer digital bearbeitet, farbig unterlegt<br />
und teilweise verfremdet.Auf der Homepage<br />
www.digitale-wellen.de sind Ergebnisse<br />
dieser Zusammenarbeit zu sehen. „Wir verknüpfen<br />
das uralte Handwerk Zeichnen mit<br />
moderner digitaler Technik. Dadurch lassen wir<br />
neue Bilder entstehen, die in einem ganz anderen<br />
Licht erscheinen“, sagen die Künstler.<br />
Ab 16. Mai sind die Werke in der <strong>Galerie</strong> Haus<br />
Westerhoff in Bad Bentheim zu sehen. „Bentheim<br />
goes Pop-Art“ nennt Flucht das Ergebnis<br />
dieser Arbeitsweise.<br />
Flucht und Kötting haben das Projekt<br />
bereits weiterentwickelt: In einer Gemeinschaftsproduktion<br />
mit den Musikern der<br />
Gruppe „Herbert H. Herbert“ haben sie den<br />
Turm der reformierten Kirche in Schüttorf<br />
sowie das <strong>Nordhorn</strong>er Rathaus mit den digital<br />
veränderten Zeichnungen Fluchts bebildert.<br />
„Die Musik hat die Lightshow besonders<br />
effektvoll in Szene gesetzt“, sagen die Künstler.<br />
Eine Wiederholung ist geplant, beim diesjährigen<br />
Weihnachtsmarkt in Gildehaus werden<br />
Flucht und Kötting zudem digitalisierte<br />
Motive aus der Obergrafschaft auf die Ostmühle<br />
projizieren. Beim VVV ist Flucht damit<br />
auf offene Ohren gestoßen.Als Obergrafschafter<br />
nutzt der Künstler seine zahlreichen Kontakte.<br />
Das sei der Vorteil einer Kleinstadt: Man<br />
kennt sich, trifft sich und entwickelt Ideen und<br />
Projekte. Flucht: „Mir ist es besonders wichtig,<br />
mit anderen Leuten zu arbeiten. Denn mich<br />
interessiert vor allem der Geist, der hinter der<br />
Kunst steht.“ Dagmar Thiel<br />
Informationen zu Manfred Flucht finden sich auch auf seinen Internetseiten unter:<br />
www.city-sight-project.com, www.bentheimer-gold.de und www.digitale-wellen.de.<br />
Ab 16. Mai zeigt die <strong>Galerie</strong> Haus Westerhoff in Bad Bentheim Zeichnungen von Manfred<br />
Flucht mit Digitalisierungen von Heinz-Ludwig Kötting.
Standpunkt 10<br />
Steckt in der zeitgenössischen<br />
Kunst eigentlich Ironie? Von Thomas Wagner<br />
Begeben wir uns aufs Glatteis<br />
– und schauen wir, wie<br />
lange wir uns auf den Beinen<br />
halten können. Denn ein solches<br />
ist Ironie, ein einziges Glatteis,<br />
auf dem Dahinzuschlittern nur<br />
Spaß macht, wenn man andere<br />
mit auf dasselbe führen kann.<br />
Wenn eine Frau die Herrschaftsverhältnisse<br />
umkehrt<br />
und einen Mann als Hund an<br />
der Leine durch die Stadt führt<br />
wie Valie Export weiland Peter<br />
Weibel – ist’s sarkastisch oder<br />
ironisch? Und wenn, dank Mauricio<br />
Cattelan, der Papst von<br />
einem Meteor niedergestreckt<br />
wird? Um was handelt es sich,<br />
wenn Francis Alÿs mit einem<br />
roten Käfer einen staubigen Hang solange hinauffährt,<br />
bis die Musik einer mexikanischen<br />
Mariachi-Kapelle unterbrochen wird und er<br />
rückwärts wieder hinunterrollt? Ist es eine<br />
Tragödie oder ist es eine Komödie? Marcel<br />
Duchamps Ready-mades sind zweifellos ironisch,<br />
ja, glauben wir dem Ironiker selbst, sogar<br />
„meta-ironisch“? Aber Manzonis „Künstlerscheiße“<br />
und Slominskis fein säuberlich zusammengefaltete<br />
Staubtücher, Rehbergers aus<br />
dem Gedächtnis nachgebaute Design-Klassiker<br />
und Lehankas aus einem Kasten Bier bestehender<br />
„Adventskalender“ – sind sie es auch?<br />
Sicher gilt hier nur der Satz von Karl Kraus,<br />
des wahren Großmeisters der Ironie: „Je näher<br />
man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es<br />
zurück.“ Spaß ist eben nicht gleich Spaß, Ironie<br />
nicht gleich Ironie. Mal wird gepoltert, mal<br />
das schlechte Allgemeine zerkleinert im feinen<br />
Mahlwerk der Anspielung, auf dass jedes vor<br />
Weltschmerz oder Liebesglück nur so triefende<br />
Pathos zerbreche.Wie schon in der Frühroman-<br />
Thomas Wagner (52) ist<br />
Kunstkritiker, u. a. für das<br />
Magazin „art“ und die<br />
FAZ, und Hochschuldozent.<br />
Er lebt in der Nähe<br />
von Frankfurt.<br />
tik, so können auch heute<br />
nervöse Geister nicht in der<br />
platten Harmonie zur Ruhe<br />
kommen. Und im Tarnanzug<br />
unernster Rede und hintersinniger<br />
Bildproduktion<br />
lässt sich der Untergang der<br />
Idee in der Wirklichkeit, lassen<br />
sich Selbstgefälligkeit<br />
und political correctness<br />
einfach leichter ertragen.<br />
Wurde die Ironie in den<br />
90er Jahren noch als typisch<br />
für die 80er mit dem Hinweis<br />
abgelehnt, nun sei aber<br />
Schluss mit den subtilen<br />
Umwegen und den heitersubversiven<br />
Spielen, schließlich<br />
habe man gegen Ende<br />
des von Katastrophen geprägten 20. Jahrhunderts<br />
Grund genug, endlich wieder ernst zu<br />
sein, so scheint es, als kehre die Ironie nun in<br />
zahllosen Mischformen mit Witz und Humor<br />
wieder zurück auf die Bühne. Die Frage indes<br />
bleibt: Sind Nathalie Djurbergs Trickfilme komisch,<br />
tragisch oder ironisch? Meint Jonathan<br />
Meese sein Erzkünstlertum tatsächlich ernst?<br />
Es gibt mehr Fragen als Antworten. Das hält<br />
wach und den Geist beweglich. Per Definition<br />
ist Ironie eine Form der Verstellung, eine Ausflucht.<br />
„Die Ironischen“, schreibt bereits Aristoteles,<br />
„die sich in der Rede kleiner machen,<br />
geben sich als Leute von feinerer Sitte. Denn<br />
sie scheinen sich nicht aus Gewinnsucht solcher<br />
Rede zu bedienen, sondern um alle Aufgeblasenheit<br />
zu vermeiden.“ Sind die Ironiker<br />
tatsächlich Anti-Prahl-Hälse? Oder prahlen sie<br />
damit, dass sie nicht prahlen? Läuft der Ironiker<br />
davon, und wenn ja, wovor? Davor, dass er<br />
es besser weiß, als er zugeben mag? Oder einfach<br />
vor dem Ernst des Daseins?<br />
Ironie ist eine reflektierte Form des Verhaltens.<br />
Sie setzt die genaue Kenntnis der Situation<br />
ebenso voraus wie die Möglichkeit verschiedener<br />
Handlungsoptionen. Schon deshalb<br />
ist Ironie das Gegenteil des „Hier-stehe-ichund-kann-nicht-anders“.<br />
Der Ironiker kann<br />
anders. Doch ist der allgegenwärtige Retro-<br />
Look in der Kunst wie im Design, sind all die<br />
romantischen Spiele eines Peter Doig, die blitzblanken<br />
Pudel eines Jeff Koons oder all die<br />
chicen, re-designten Minis und Fiat Cinquecentos<br />
deshalb ironisch gemeint? Läuft, wer ein<br />
zum Klassiker avanciertes Modell mit Pinsel<br />
oder Luftpumpe zu einem edlen Lifestyleprodukt<br />
aufbläst, etwa nicht vor den wirklichen<br />
Herausforderungen davon, denen wir uns so<br />
oder so stellen müssen?<br />
In unseren spätmodernen Tagen ist auch<br />
die Ironie ein Schmiermittel der Aufmerksamkeit.Aber<br />
ist sie deshalb nur eine heitere<br />
Augenklappe, dazu da, uns die Augen vor<br />
dem Ernst der Lage zu verschließen? Oder<br />
trägt sie dazu bei, die Dinge und deren Wahrnehmung<br />
nicht verhärten zu lassen und unser<br />
Denken geschmeidig zu erhalten?<br />
Wie bewahrt man heutzutage Haltung? –<br />
das ist durchaus eine ernste Frage. Denn im<br />
Verwöhnraum des globalen Kapitalismus<br />
hat sich die Ironie als aufgeschäumter Ernst<br />
verwandelt. Sie ist zur Post-Ironie geworden,<br />
zu einer Strategie, die dazu dient, nicht offenbar<br />
werden zu lassen, dass es gute Gründe<br />
gibt, ironisch, sarkastisch, ja sogar zynisch<br />
zu reagieren.Was kritisch daherkommt, wird<br />
einfach unter einen generellen Ironieverdacht<br />
gestellt, bis der Unterschied zwischen Ironie<br />
und Ernst verschwindet. „Schein“, stellt Karl<br />
Kraus fest, „hat mehr Buchstaben als Sein.“<br />
Und Sie, lieber Leser, müssen selbst entscheiden,<br />
ob Sie, was ich Ihnen soeben serviert<br />
habe, für Ironie halten.<br />
Was heißt Armut? Einfachste Materialien,<br />
darunter alte, zerschlissene Kleider?<br />
Abgetragene Schuhe? Banale Dinge, die aus<br />
der Massenproduktion der Konsumindustrie<br />
stammen? Zu nichts anderem nutze?<br />
Exakt diese Bausteine – und viele andere<br />
mehr – finden sich Ende der 60ziger Jahre<br />
des vergangenen Jahrhunderts in der zeitgenössischen<br />
Kunst, der arte povera.Was<br />
zählt, ist die Rückbesinnung auf natürliche<br />
Materialien und elementare Formen. Hinzu<br />
kommen Elemente, die für die damalige Zeit<br />
neu und ungewöhnlich waren: Fiberglas, Latex<br />
und Kunstharz, bei einigen Künstlern auch<br />
Neonlicht und Neonröhren.Alles simpel und<br />
zunächst nicht für die Kunst vorgesehen. Doch<br />
durch die fremden Zusammenhänge, in die<br />
diese Dinge gesetzt werden, entwickeln sich<br />
neue gedankliche Bezüge:Assoziationen, die<br />
die verwendeten Objekte von ihrer banalen<br />
… Arte povera?<br />
Arte [arte] f.: Kunst; Handwerk; ehem. Zunft, Innung<br />
povero/povera [adj.]: arm; dürftig<br />
„Die zwei Alter des Baumes“<br />
Giuseppe Penone<br />
1991<br />
Lärchenholz<br />
ca. 21 x 500 x 20 cm<br />
Bedeutung befreien und ihre poetische Kraft<br />
freisetzen.<br />
Die Künstlerinnen und Künstler jener Zeit<br />
kümmern sich nicht mehr um die althergebrachten<br />
Unterscheidungsformen zwischen<br />
Malerei und Skulptur. Sie stellen den traditionellen<br />
Werkbegriff radikal in Frage. Kunst<br />
besteht nicht mehr aus edlem Material. Kein<br />
Marmor, kein Blattgold, keine üppigen und<br />
kunstvoll gedrechselten Rahmen, die in dieser<br />
Zeit selbst noch für die Werke von Pablo<br />
Picasso Verwendung finden. Die neuen<br />
Materialen stammen aus dem Alltag – doch<br />
sie verankern die aus ihnen entstandenen<br />
Werke nicht darin. Sie befreien sie davon.<br />
„Die Werke der Arte Povera bilden die Welt<br />
nicht ab, sondern erschaffen sie in poetischen<br />
Erzählungen und unerwarteten Konstellationen<br />
immer wieder neu. Die Künstler benutzen die<br />
Unmittelbarkeit und Unkalkulierbarkeit, die<br />
11<br />
Was ist eigentlich ...<br />
„Iglu über der kleinen Fulda“<br />
Mario Merz<br />
1982<br />
Ton, Reisig, Steine<br />
Installation zur documenta 7<br />
Kassel<br />
vermeintliche Ärmlichkeit der Materialien aus<br />
Natur und Leben, um Werke zu schaffen, die<br />
offen und veränderlich bleiben. Feuer brennt<br />
und verbrennt,Wasser breitet sich aus und<br />
gefriert, Luft kondensiert zu Reif, Pferde schnauben,<br />
Früchte des Feldes wachsen und vergehen,<br />
Neon durchzieht energetisch die Malerei, Gold<br />
oder Wachs erstarren und verschließen. Das<br />
Spiel mit der Prozesshaftigkeit, mit der Fragilität<br />
und der Flüchtigkeit elementarer Stoffe<br />
verbindet sich in diesen Werken ganz selbstverständlich<br />
mit Errungenschaften der Zivilisation.“*<br />
Wichtige Vertreter der arte povera sind u.a.:<br />
G.Anselmo,A. Boetti, P. P. Calzolari, L. Fabro, J.<br />
Kounellis, M. Merz, G. Paolini, P. Pascali, G.<br />
Penone, M. Pistoletto, E. Prini und G. Zorio.<br />
*Besucherinformation der Kunsthalle Nürnberg:<br />
Arte Povera - Arbeiten und Dokumente aus der Sammlung<br />
Goetz 1958 bis heute, in: www.kunsthalle.nuernberg.de/<br />
ausstellung/1997/artepovera/artepovera.htm<br />
Thomas Kern
schöne Tipps 12<br />
Martin Brüger und Cony Theis<br />
im Kunsthaus DA im Kloster Gravenhorst<br />
2004 eröffnete das „Kunsthaus DA“ im<br />
Kloster Gravenhorst bei Hörstel.Ausstellungen,Workshops<br />
und Sommerateliers laden<br />
seitdem Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />
zum Mitdenken, Mitmachen und Miterleben<br />
ein.Auch Feste, Konzerte, Lesungen und Theateraufführungen<br />
werden hier in regelmäßiger<br />
Folge veranstaltet. Bis 29. Juni präsentiert der<br />
Projektstipendiat „KunstKommunikation 07“,<br />
Martin Brüger, in der Ausstellung „Copy &<br />
Paste“ seine großformatigen fotografischen<br />
Reproduktionen von alten ein- und zugemauerten<br />
Fenstern,Türen und anderen Architekturfragmenten<br />
des historischen Klostergemäuers.<br />
Ein flüchtiger Blick in den Ausstellungsraum<br />
Martin Brüger,Architekturfragment<br />
offenbart erst einmal wenig: Der Raum ist<br />
größtenteils leer, während die fotografierten<br />
Gemäuerfragmente an den Wänden des<br />
modernen eingebauten Treppenturmes sich<br />
erst beim zweiten Blick als nicht „echt“, sondern<br />
reproduziert erweisen. Dann jedoch entdeckt<br />
der Besucher immer mehr sich in der<br />
Architektur versteckende Details, die dazu einladen,<br />
das historische Gebäude nach den „Originalen“<br />
zu durchsuchen. Die über einen längeren<br />
Zeitraum angelegte Fotoinstallation<br />
wird vom Künstler mehrmals verändert und<br />
schafft so bei der genauen Architekturbetrachtung<br />
des Kunsthauses immer wieder neue<br />
Situationen der Irritation, wo Begriffe wie Tradition<br />
und Innovation,<br />
Kunst und<br />
Künstlichkeit, Fläche<br />
und Raum auf leicht<br />
zugängliche Weise<br />
kritisch hinterfragt<br />
werden.<br />
Seit 20.April zeigt<br />
das „Kunsthaus DA“<br />
zusätzlich Portraits<br />
von Cony Theis. Die<br />
Projektstipendiatin,<br />
„KunstKommunikation<br />
08“, hinterfragt<br />
das traditionelle Verhältnis<br />
von Malerin<br />
und Modell und jenes<br />
Cony Theis, Männerportrait<br />
zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft.<br />
Dabei liegt es nahe, Partner in das Prozedere<br />
einer Werkfindung einzubeziehen. Die meisten<br />
Arbeiten von Cony Theis sind denn auch als<br />
interaktive Prozesse angelegt. Die Künstlerin<br />
bietet an, aktiv an der Entstehung von Porträts<br />
mitzuwirken und die Fragen des Porträthaften<br />
lustvoll mit zu untersuchen. In verschiedenen<br />
Projektphasen werden Jugendgruppen, Besucher<br />
des Kunsthauses oder einzelne Paare zum<br />
Porträt eingeladen. Sie können dabei auf<br />
unterschiedliche Weise die Bildentstehung mit<br />
vorantreiben. Beim Besucherselbstporträt ist<br />
Handanlegen sogar ausdrücklich erwünscht.<br />
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag<br />
14 bis 18 Uhr, Sonntag 11 bis 18 Uhr.<br />
Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++<br />
n Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster Hafenweg 28, bis 20. Juni, „Bitte schön!“ – 15 Stipendiaten des Cusanuswerks stellen<br />
aus; 28. Juni bis 6. Juli, Förderpreisausstellung; 26. Juli bis 6. Oktober, Irene und Christine Hohenbüchler: Stahlskulpturen, dienstags bis freitags<br />
14 bis 19 Uhr, sonnabends und sonntags 12 bis 18 Uhr n Kunstverein Lingen Kaiserstraße, bis 22. Juni, „Alge – Dillmann – Krauskopf:<br />
Landschaftsmalerei“; 6. Juli bis 14. September, „Christina Doll und Simon Pasieka: Malerei“, dienstags, mittwochs und freitags 10 bis 17 Uhr,<br />
donnerstags 10 bis 20 Uhr, sonnabends und sonntags 11 bis 17 Uhr n Atelier Sägemühle Mühlendamm in <strong>Nordhorn</strong>, bis 1. Juni, Arbeiten von<br />
Frauke Weldin, sonnabends und sonntags 15 bis 18 Uhr n Otto-Pankok-Museum Neuer Weg in Gildehaus, bis 30. September, „Hans Ohlms –<br />
Malerei“, mittwochs 15 bis 17 Uhr, sonnabends und sonntags 14 bis 17 Uhr n Kunstverein Grafschaft Bentheim Hauptstraße 37 in Neuenhaus,<br />
bis 25. Mai, Uwe Esser: Wand- und Bodenarbeiten, Malerei; 14. Juni bis 31. August, Markus Wirthmann: „Ein Künstlerforscher“, mittwochs bis<br />
sonnabends 15 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr<br />
von Ann-Sofi Sidén<br />
Nicht viel los in Neugnadenfeld. Kaum ein<br />
Mensch ist auf den Straßen unterwegs –<br />
mal abgesehen von einem Auto, das durch eine<br />
der Dorfalleen fährt.Auch die Häuser wirken<br />
verlassen. Unheimlich? Langweilig? Eigentlich<br />
nicht. Es ist ein friedlicher Eindruck, den die Bilder<br />
der 16 im Kreis aufgestellten Monitore vermitteln.Auf<br />
einer der Mattscheiben ist die Kirche<br />
von Neugnadenfeld zu sehen – wer genau<br />
hinschaut, entdeckt davor sogar den kleinen,<br />
dunklen Iglu, in den die Luftaufnahmen live<br />
übertragen werden.<br />
Plötzlich ändert sich das Programm. Die<br />
Fernseher zeigen nun nicht mehr das sanft vor<br />
sich hin schlummernde Dorf, sondern den kahlen<br />
Betonraum im Inneren der Torfkuppel. Es<br />
Turf Cupola<br />
dauert einen Moment, bis dem Betrachter<br />
dämmert, dass er einem alten Bekannten auf<br />
den Hinterkopf schaut – sich selbst. Das Bild<br />
erscheint leicht zeitverzögert und lässt dem<br />
Beobachter gerade genug Zeit, um auf dem<br />
gegenüberliegenden Schirm zu sehen, wie er<br />
sich selbst den Rücken zuwendet. Kurze Zeit<br />
später wechselt das Bild wieder.<br />
„Turf Cupola“ ist ein Kunstwerk mit weicher<br />
Schale und hartem Kern. Die Kuppel samt<br />
Boden besteht aus Beton. Darin untergebracht<br />
ist eine perfide Überwachungstechnik, mit der<br />
Ann-Sofi Sidén an die Geschichte der nahegelegenen<br />
früheren Kriegsgefangenenlager erinnert.<br />
Äußerlich ist davon nichts zu sehen. Die<br />
Kuppel ist mit für die Region typischen Torf-<br />
25<br />
plaggen eingedeckt. Sie verliehen dem Kunstwerk<br />
den Charakter des Unscheinbaren, wäre<br />
da nicht diese Igluform, die nicht so recht in die<br />
ländliche Skyline passt.<br />
Anders als die meisten kunstwegen-Stationen<br />
in der Niedergrafschaft liegt „Turf Cupola“<br />
nicht verborgen zwischen Wiesen und Äckern,<br />
sondern mitten in einem Dorf. Das macht die<br />
Anfahrt vergleichsweise leicht. Die Torfkuppel<br />
– vier Meter hoch und sechs Meter im Durchmesser<br />
– liegt zwischen Kirche und Dorfgemeinschaftshaus.<br />
Es ist inzwischen acht Jahre<br />
her, dass Ann-Sofi Sidén sie dort aufstellen ließ.<br />
Ein paar hundert Meter weiter an der Schwedenstraße<br />
steht der rund 28 Meter hohe Turm<br />
mit den 16 Kameras. Andre Berends<br />
kunstwegen
Kunstschule<br />
26<br />
Zuerst war ich überwältigt, aber dann auch<br />
etwas enttäuscht, als ich erfuhr, dass<br />
Jürgen Stollhans Hilfsmittel benutzt hat“, sagt<br />
Sarah. „Unter Kunst ist doch eher zu verstehen,<br />
dass jemand etwas frei per Hand malt<br />
nur nach dem, was man sieht“, meint auch<br />
ihre Mitschülerin Ira. Dirk ist anderer Meinung:<br />
„Aber es geht doch um das Gesamtkonzept,<br />
um die Aussage die dahinter steht.“ - „Ohne<br />
das Hilfsmittel der Bildprojektion hätte er es<br />
nicht in drei Wochen geschafft. Interessant<br />
sind die Zusammenhänge und Verknüpfungen“,<br />
meint Carmen.<br />
Karin Pena wünscht sich Diskussionen wie<br />
diese im Kunstleistungskurs der Klasse zwölf<br />
am Lise-Meitner-Gymnasium. Die 22 Ober-<br />
Denkanstöße<br />
Kunstvermittlung findet nicht nur<br />
in den Laboren der Kunstschule statt<br />
stufenschüler haben mit ihrem Lehrer Klaus<br />
Mosch-Wicke die Ausstellung „Wir schalten<br />
zurück nach Rheda-Wiederbrück“ in der<br />
<strong>Städtische</strong>n <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong> besucht und<br />
diskutieren einige Wochen später im Unterricht<br />
über Inhalt und Aussage der Werke von Jürgen<br />
Stollhans. Karin Pena hat den jungen Erwachsenen<br />
die Ausstellung vermittelt. „Es geht bei<br />
den Besuchen von Schulklassen nicht um die<br />
klassische Führung mit Vortrag, sondern<br />
darum, sensibel auf die jeweilige Gruppe einzugehen“,<br />
erläutert die Leiterin der Kunstschule.<br />
Was verbinden Schüler mit der Ausstellung?<br />
Das sei stets die Ausgangsfrage. Dabei falle die<br />
Antwort manchmal gar nicht so leicht, etwa<br />
beim Besuch „schwer pubertierender Siebtund<br />
Achtklässler“ in der Schau von Matthias<br />
Bitzer. „Die Jugendlichen verbanden zunächst<br />
gar nichts mit den 20er Jahren“, erinnert sich<br />
Pena.Als sie dann jedoch die Parallelen zwischen<br />
dem Leben der Halbweltdame Emmy<br />
Ball-Hennings und der skandalträchtigen<br />
Sängerin Amy Whinehouse gezogen habe,<br />
habe sie das Interesse der Gymnasiasten<br />
geweckt. „Wenn die Aufmerksamkeit gewonnen<br />
ist, kann man weiter gehen zu den Ausdrucksformen“,<br />
sagt die Kunstschulleiterin.<br />
Gerne arbeite sie auch mit Haupt- und Realschülern.<br />
„Die sind oft frech und provokant<br />
und nicht so zurückhaltend und schüchtern<br />
wie viele Gymnasiasten.“<br />
Eine lebhafte Diskussion löste der Besuch der Ausstellung „Wir schalten zurück nach Rheda-Wiederbrück“ bei den Schülern des Kunst-Leistungskurses des<br />
Lise-Meitner-Gymnasiums aus. Die Zwölftklässler besuchten die Schau gemeinsam mit ihrem Lehrer Klaus Mosch-Wicke.<br />
Mit den Leistungskursschülern aus Neuenhaus<br />
hatte sie es leichter. Sie haben schnell<br />
verstanden. „Künstlern geht es heute nicht<br />
mehr darum, dass Bilder schön sind. Künstler<br />
wollen eine Aussage machen“, erklärt Ira.<br />
Ihre Mitschülerin Carmen findet es interessant,<br />
wenn Bilder nicht einfach nur schön sind,<br />
„weil man genauer hinschaut“. Schöne Bilder<br />
würden dagegen<br />
schnell langweilig.<br />
„Gebrochene Bilder<br />
stoßen zum Denken<br />
an“, sagt Susanne.<br />
Und ihr Mitschüler<br />
Nils erklärt: „Die Bilder<br />
sind nicht schön.<br />
Deutschland war<br />
nicht schön unter den<br />
Nazis, die ihre Architektur<br />
mit geraden<br />
Linien in die Städte<br />
gehauen haben.“<br />
Karin Pena richtet<br />
die Art der Kunstvermittlung<br />
am Alter der<br />
Schülergruppen aus.<br />
Während sie die Aufmerksamkeit<br />
der<br />
Mittelstufenschüler<br />
oft erst mit einem<br />
Funken wecken muss,<br />
hat sie die Zwölftklässler<br />
zunächst gut<br />
zehn Minuten ganz<br />
allein gelassen. Einzige<br />
Aufgabe: Die<br />
Schüler sollten sich ihre Fragen merken. „Und<br />
ich habe ihnen gesagt, dass es in der Kunst<br />
keine blöden Fragen gibt“, sagt Pena. „Ich war<br />
zunächst total überwältigt, weil die Schwarzweiß-Bilder<br />
so realistisch sind“, erinnert sich<br />
Nils. Er habe sich in die Vergangenheit zurückversetzt<br />
gefühlt. Seine Mitschülerin Sarah<br />
beherzigte Karin Penas Tipp, sich durch die<br />
Ausstellung zu schlängeln und auch einmal<br />
quer zu gehen. So konnte sie Stollhans’ Aussage<br />
entschlüsseln.<br />
Manchmal merke sie, dass die Schüler überhaupt<br />
keine Lust auf die Ausstellung haben.<br />
„Dann mache ich etwas Anderes mit ihnen,<br />
etwa Plakate anschauen oder in Büchern<br />
blättern oder ich frage, ob sie schon einmal<br />
eine Ausstellung besucht haben“, berichtet<br />
die Kunstvermittlerin. Für die meisten Schüler<br />
ist es tatsächlich das erste Aufeinandertreffen<br />
mit zeitgenössischer Kunst. Bei Grundschülern<br />
gehe sie zumeist spielerisch an die Kunst<br />
Impressionen aus der Ausstellung „Wir schalten zurück nach Rheda-Wiedenbrück“ von Jürgen Stollhans<br />
heran.Was assoziiert ihr mit einem bestimmten<br />
Werk? So lautete etwa die Aufgabe an<br />
jedes Kind beim Besuch einer Klasse in der<br />
Gruppenausstellung „Wucherungen und<br />
Wandnahmen“. Statt eine Antwort zu formulieren,<br />
sollten die Kinder dabei ihre Empfindungen<br />
mit Memory-Karten ausdrücken. Die<br />
Ergebnisse haben selbst die erfahrene Pädagogin<br />
überrascht. „Wichtig ist, den Kindern das<br />
Gefühl zu geben, dass nichts falsch ist“, erklärt<br />
Karin Pena. Im Gegensatz zur Schule sei die<br />
Kunstschule ein wertfreier Raum ohne Notendruck.<br />
27<br />
Auch der Besuch der Ausstellung „Wir<br />
schalten zurück nach Rheda-Wiedenbrück“<br />
hat vordergründig nichts zu tun mit dem<br />
Unterrichtsstoff des zweiten Halbjahrs der<br />
zwölften Klasse. Der lautet nämlich „Die Landschaftsmalerei<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />
„Man sieht mehr das vom Menschen<br />
gemachte. Die Natur steht dabei im Hintergrund“,<br />
sagt Christina.<br />
Ihre Mitschülerin versucht<br />
den Vergleich<br />
von Stollhans’ Kreidebildern<br />
mit Caspar<br />
David Friedrichs<br />
romantischem Bild der<br />
Wissower Klinken auf<br />
Rügen: „Bei den Kreidefelsen<br />
steht man<br />
außerhalb. Hier steht<br />
man mittendrin, als<br />
steige man gerade aus<br />
dem Zug aus.“ Für Carmen<br />
liegt der Gegensatz<br />
in der Suche nach<br />
der heilen Welt. Früher<br />
hätten die Künstler<br />
nach diesem Ideal<br />
gesucht, heute komme<br />
es in ironischer Form<br />
daher, wenn Stollhans<br />
Militäranhänger mit<br />
dem Kinderlied „Heile,<br />
heile Gänschen“ in<br />
Verbindung bringe.<br />
Für Karin Pena<br />
schlummert in der<br />
Kunstvermittlung noch ein großes Potenzial.<br />
Die Besuche von Schulklassen und anderer<br />
Gruppen in den Ausstellungen der <strong>Städtische</strong>n<br />
<strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong> seien dabei genauso wichtig<br />
wie die Kursangebote der Kunstschule. Damit<br />
sich die Lehrer vorab einen Eindruck von den<br />
aktuellen Schauen machen können, werden<br />
sie zur „Baustelle Kunst“ eingeladen. „Wir<br />
laden aber nicht nur Kunstlehrer ein. „Die<br />
Apparate in der aktuellen Ausstellung ,<br />
Ad Absurdum’ dürften auch für Physiklehrer<br />
und ihre Schüler interessant sein“, sagt<br />
Karin Pena. Daniel Klause<br />
Kunstschule
Reportage 28<br />
Italien in der<br />
Obergrafschaft<br />
Alberte und Frans-Jozef Hennekens<br />
erfüllen sich in Bad Bentheim einen Traum<br />
Kommen Sie einfach mit durch, dann können<br />
Sie sich die Bude schon mal anschauen.<br />
Mein Mann hat gerade noch Besuch“, sagt<br />
Alberte Hennekens-Hillenaar und läuft durch<br />
den Flur in den Innenhof. So, so, die Bude<br />
also ...Wie sonst wären zwei Häuser auf einem<br />
1000 Quadratmeter großen Grundstück mit<br />
Südhang-Weinberg-Garten in der Innenstadt<br />
von Bad Bentheim – noch dazu am Fuße der<br />
Burg – auch zu beschreiben?<br />
Bude. Das klingt nach Kirmes und Weihnachtsmarkt.<br />
In der Grafschaft ist sie obendrein<br />
ein fester Bestandteil der ländlichen<br />
Jugendkultur, ein Cliquentreff. Die Bude ist also<br />
ein Ort der Kommunikation. Das hat sie mit<br />
„Hennekens Hof“ gemeinsam. Das Anwesen<br />
an der Ecke Wilhelmstraße/Schoppenstiege ist<br />
ein Platz für Künstler, Musikliebhaber und<br />
Menschen, die der Hektik des Alltags für einen<br />
Moment entfliehen wollen.<br />
Für das Ehepaar Hennekens ist ihre Bude<br />
die Erfüllung eines Lebenstraums. „Manchmal<br />
auch eines Albtraums“, sagt Frans-Jozef Hennekens<br />
schmunzelnd. Der 62-Jährige steht in<br />
einem der Nebengebäude, die vom Innenhof<br />
aus zu betreten sind, und erklärt zwei Gästen,<br />
was es mit der Bodega auf sich hat. Das Ehepaar<br />
ist von der kleinen Weinstube begeistert.<br />
Die beiden sind etwa Mitte 50 und haben in<br />
einem der Fremdenzimmer im Obergeschoss<br />
übernachtet. Jetzt, bei Tageslicht, möchten sie<br />
sich den ehemaligen Schlachthof, den die Niederländer<br />
vor viereinhalb Jahren erstanden<br />
haben, genauer anschauen.<br />
Der Hausherr führt die Gäste in die Sandsteinwerkstatt,<br />
die oberhalb des Innenhofs<br />
liegt. Dort finden Bildhauer alles, was sie<br />
Von außen sieht man dem ehemaligen Schlachthof<br />
das südländische Flair des Innenhofs nicht an.<br />
Alberte und Frans-Jozef Hennekens haben sich am<br />
Fuße der Bentheimer Burg ihren Lebenstraum erfüllt.<br />
Einmal im Monat treten im Innenhof Künstler mit Musik der verschiedensten Stilrichtungen vor einem<br />
kleinen Publikum auf.Außerdem gibt es im Hennekens Hof eine voll ausgestattete Bildhauerwerkstatt.<br />
benötigen: Hammer, Meißel, Raspel, Pinsel,<br />
Bürsten und natürlich Sandsteinblöcke.Auch<br />
ein paar fertige Exponate sind zu sehen. Frans-<br />
Jozef Hennekens öffnet die breite, hölzerne<br />
Flügeltür und lässt die Sonne ins Atelier. Mit<br />
seiner Frau und dem Ehepaar tritt er hinaus auf<br />
die Schoppenstiege. „Das ist doch fast so wie<br />
in Italien“, schwärmt Alberte Hennekens-Hillenaar<br />
und genießt die Sonnenstrahlen.<br />
Auf der anderen Seite der Werkstatt, der<br />
Gartenseite, wird gebaut. Dort soll eine Terrasse<br />
entstehen. Frans-Jozef Hennekens hat<br />
vor einigen Tag bereits das Dach gedeckt, viel<br />
fehlt nicht mehr bis zur Fertigstellung. Darf<br />
auch nicht. „Mitte Mai haben wir draußen das<br />
erste Konzert“, sagt seine Frau und lässt den<br />
Blick zufrieden über die Baustelle schweifen.<br />
„Bis dahin ist alles fertig“, meint die 58-<br />
Jährige. Dann sollen am Hang auch wieder<br />
Stühle und Tische zum Verweilen einladen und<br />
eine Markise den Innenhof überdachen.<br />
Die ist vor allem dann wichtig, wenn der<br />
schwarze Bechstein-Flügel, an dem Sohn Jan<br />
Daniel Hennekens gelegentlich spielt, an<br />
einem lauen Sommertag aus dem Musiktheater<br />
die Rampe hochgerollt wird und sich der<br />
Innenhof in eine Bühne verwandelt. Ein<br />
Schauer würde genügen – und das sündhaft<br />
teure Tasteninstrument wäre dahin. Einmal im<br />
Monat öffnen Hennekens ihren Hof für ein<br />
Konzert. Zum Open-Air-Auftakt spielt am<br />
Sonntag, 18. Mai, ab 15.30 Uhr das Bublischki-<br />
Ensemble aus Gronau Klezmer-Musik.<br />
Bei den Konzerten in der Wintersaison von<br />
Oktober bis April bietet Alberte Hennekens-<br />
Hillenaar den Gästen bei einer Tasse Kaffee<br />
kostenlos selbstgebackenen Kuchen an. „Die<br />
Leute sollen sich bei uns wohlfühlen“, erklärt<br />
sie. In Künstlerkreisen hat sich „Hennekens<br />
Hof“ bereits einen Namen gemacht. „Wir<br />
brauchen gar nicht viel zu suchen. Mittlerweile<br />
ist es so, dass viele Musiker sich an uns wenden<br />
und fragen, ob sie hier auftreten können.<br />
Ich bereite schon das Programm für 2010 vor“,<br />
sagt Frans-Jozef Hennekens.<br />
Auftritte planen, das ist eigentlich etwas,<br />
das seine Frau früher einmal gemacht hat. Die<br />
promovierte Sozialpädagogin hat Popkonzerte<br />
für Jugendzentren organisiert. Das war zu einer<br />
Zeit, als ihr Mann – promovierter Philosoph<br />
und Soziologe – an der Fachhochschule<br />
Enschede Bildungskonzepte entwickelte. Das<br />
Ehepaar hat 20 Jahre in Hengelo gelebt und<br />
wollte, nachdem Frans-Jozef Hennekens den<br />
Dienst quittiert hatte, ja eigentlich auf einen<br />
Bauernhof nach Frankreich ziehen. Dass es<br />
dann doch die Grafschaft geworden ist, liege<br />
vor allem an der Urlaubsatmosphäre in Bad<br />
29<br />
Die Wahl-Obergrafschafter haben ihren Garten in<br />
viereinhalb Jahren in eine blühende Oase verwandelt.<br />
Bentheim, meint der Niederländer. „Das hier<br />
ist wirklich etwas Besonderes – obwohl es nur<br />
kurz hinter der Grenze liegt.“<br />
Und dann war da dieser ehemalige, leer<br />
stehende Schlachthof mitten in der Stadt. „Wir<br />
haben uns gleich in den Innenhof verliebt und<br />
uns ausgemalt, was wir dort alles machen<br />
könnten“, berichtet Alberte Hennekens-Hillenaar.<br />
Bevor es aber soweit gewesen sei,<br />
habe es noch sehr viel aufzuarbeiten gegeben:<br />
„Wir haben einiges umgebaut und verändert.<br />
Es gab mehrere Betriebsräume, die wir so<br />
nicht verwenden konnten.“ Dies alles habe<br />
nicht nur eine ganze Stange Geld und Zeit,<br />
sondern auch viel Geduld gekostet.<br />
Von dem früheren Ladenlokal zum Beispiel<br />
ist heute nichts mehr zu sehen. Dort haben<br />
Hennekens einen kleinen Konzertsaal mit Dielenboden<br />
und 70 Stühlen eingerichtet. Die<br />
Bodega war einst das Schlachthaus, und wo<br />
heute die Konzertbesucher den Hof betreten,<br />
sind damals Lastwagen ein- und ausgefahren.<br />
Ein gutes Verhältnis pflegen Hennekens zu<br />
ihren Nachbarn. „Sie helfen uns bei den Konzerten<br />
und sind uns eine große Hilfe“, sagt<br />
Frans-Jozef Hennekens und lobt: „Wir werden<br />
hier auf Händen getragen.“ Andre Berends<br />
Reportage
Kochkünstler 30<br />
Nutella-Mousse<br />
von Markus Huemer<br />
Erinnern Sie sich noch an die 30 Zebrafinken in der <strong>Städtische</strong>n <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong>? Sie lebten dort sechs Wochen in einer überdimensionalen<br />
Voliere, allerdings mit einem umgedrehten Tag-Nacht-Rhythmus und in Gesellschaft von zwei weiß leuchtenden Videobeamern. Dass<br />
dies 2005 die Installation eines leidenschaftlichen Malers zur Ausstellung „austrias” war, verblüffte.Wenn man sich allerdings auf die<br />
künstlerische Weltsicht des 1968 in Österreich geborenen Markus Huemer einließ, dann ergaben sich spannende Perspektiven.<br />
Bilder haben für ihn angesichts der allgegenwärtigen Medienwelt keinen festen Träger mehr, sind flüchtige Formfindungen, die kaum<br />
noch ohne Bezüge zu bereits Existierendem gesehen werden können. So tragen seine Gemälde gerne Titel wie „Ich könnte jetzt auch<br />
ein politisches Bild malen“. - Es ist Alles möglich, man muss immer wieder bei Null anfangen, aber das mit ungebrochener Leidenschaft …<br />
Markus Huemer lebt mit seiner Familie in Berlin. Roland Nachtigäller<br />
Echt oder<br />
Fälschung?<br />
Bis zur letzten Seite wird der Leser im Ungewissen gelassen: Ist das<br />
Bild eines bekannten Schweizer Malers, das für viele Millionen Euro<br />
bei einer Auktion ersteigert wird, echt oder handelt es sich um eine<br />
Fälschung? Wer ist der anonyme Käufer? Und welche Rolle spielt die<br />
Hauptperson Adrian Weynfeldt bei dem Kunsthandel? Von Beruf ist er<br />
Millionenerbe und nebenbei Kunstexperte. Der Mittfünfziger legt<br />
großen Wert auf die Regelmäßigkeit seines Alltags, fest davon überzeugt,<br />
dies sei eine lebensverlängernde Maßnahme.Auch Sex spielt<br />
eigentlich keine Rolle mehr in seinem Leben.<br />
Doch diese Regelmäßigkeit bekommt im Laufe der Geschichte immer<br />
mehr Risse, nicht zuletzt durch eine jüngere Frau, die Weydenfeldt wie<br />
die Wiedergängerin einer verflossenen Liebe erscheint. Entgegen seiner<br />
Gewohnheit, lässt er sich mit ihr ein.Am nächsten Morgen droht die<br />
Frau, sich vom Balkon seiner Wohnung zu stürzen.Weydenfeldt kann<br />
sie davon abhalten. Sie macht ihn für ihr weiteres Lebens verantwortlich,<br />
verschwindet aber zunächst wieder von der Bildfläche.<br />
Und dann ist da der alte Freund seines Vaters, der mal wieder sein<br />
Geld verspekuliert hat und eben dieses Gemälde veräußern muss, wie<br />
bereits alle seine anderen Bilder zuvor. In seinem Haus hängen nur noch<br />
geschickte Fälschungen – mit einer Ausnahme. Oder?<br />
Wie in seinen früheren Romanen versteht es Martin Suter, immer<br />
wieder mit überraschenden Wendungen Spannung aufzubauen. Auch<br />
wenn er mit „Der letzte Weydenfeldt“ nicht die Intensität und Dichte<br />
seiner beiden ersten Romane „Small World“ und „Die dunkle Seite des<br />
Mondes“ erreicht – seine präzise Sprache und sein Erzählstil bereiten<br />
auch dieses Mal beim Lesen großes Vergnügen. Marianne Begemann<br />
Martin Suter:<br />
Der letzte Weynfeldt<br />
Diogenes<br />
314 Seiten<br />
19,90 Euro<br />
Dieses dicke, quadratische<br />
Buch kommt<br />
ohne einen begleitenden<br />
Text aus, und doch erzählt<br />
es ganz viel über die<br />
Faszination des Lesens.<br />
Aus Tausenden von Abbildungen<br />
über den Vorgang des Lesens hat der Autor Rainer Griese das<br />
Bilderbuch zusammengestellt. Und schreckt dabei nicht vor Kitsch<br />
zurück. Neben berühmten Gemälden und Plastiken lesender Menschen<br />
zeigt er Gugelhupfformen mit einer lesenden Figurine, lesende Gartenzwerge,<br />
Osterhasen oder Putten, die in die Lektüre vertieft zu sein<br />
scheinen.Auch das „stille Örtchen“ hält offenbar nicht vom Lesen ab.<br />
Viele der Plastiken und Gemälde hat der Fotograf Griese in überraschende<br />
Umgebungen gesetzt oder mit Mitteln der Fotomontage verfremdet.<br />
Diese Bilder laden zum Schmunzeln ein, andere machen einfach<br />
nur Lust, sofort nach einem Buch zu greifen und darin lesend zu<br />
versinken. Marianne Begemann<br />
Rainer Griese:<br />
Lesen. Ohne Worte<br />
224 Seiten<br />
Gerstenberg Verlag<br />
15,90 Euro<br />
Lesen.<br />
Ohne Worte<br />
31<br />
Bücherecke
Der andere Blick 32<br />
Kreisstädtisch:<br />
Hier zeigt man, was man hat.<br />
Ein Kloster, eine Kirche und<br />
viele ordentliche Häuschen.<br />
... im Kreis herum<br />
Umzingelt:<br />
Wer hat die armen Steine<br />
zusammengetrieben? In <strong>Nordhorn</strong>.<br />
Rätselhaft:<br />
Ein Steinkreis mitten in<br />
Lingen!? Waren es Aliens?<br />
Oder Kommunalpoltiker?<br />
Biblisch:<br />
Golgatha liegt mitten in Bad Bentheim.<br />
Bedenklich:<br />
Ich glotzt TV. Und fahr<br />
immer rum, und rum und<br />
rum. In Schüttorf.<br />
Kühn: Fortschrittliches<br />
Denken in der Kleinstadt.<br />
Gesehen in Wettringen.<br />
33<br />
Der andere Blick
Die bunte Seite 34 Sind Sie schon Mitglied?<br />
Seit vielen Jahren wird die Arbeit der <strong>Städtische</strong>n <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong><br />
von einem engagierten Förderkreis ideell wie finanziell begleitet.<br />
Alte Meister<br />
Carla Lange-Tiemann<br />
Sportlehrerin aus <strong>Nordhorn</strong><br />
Er ist ein unverzichtbarer Partner der <strong>Galerie</strong> für alle kulturellen und<br />
künstlerischen Aktivitäten, die über das gewohnte Maß hinaus gehen.<br />
Im Gegenzug bezieht die <strong>Städtische</strong> <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong> die Mitglieder<br />
Was gefällt Ihnen an der Grafschaft am Besten?<br />
besonders eng in ihre Arbeit mit ein: Angeboten werden Sonder-<br />
Die kurzen Wege zu den Veranstaltungsorten und die gut<br />
ausgebauten Radwege.<br />
Etwas, das Sie sammeln: Espressotassen, aber erst seit Kurzem.<br />
Ein Künstler oder eine Künstlerin, die Sie sehr schätzen:<br />
Herbert Grönemeyer, weil er ein guter Typ ist.<br />
führungen, Essen und Gespräche mit Künstlern im kleinen Kreis, Reisen<br />
zu besonderen Ereignissen außerhalb <strong>Nordhorn</strong>s, Vorabinformationen<br />
oder auch die kostenlose Zusendung des Magazins »schön« direkt nach<br />
Erscheinen. Alle Mitgliede erhalten auf die hochwertigen Kataloge einen<br />
Welche Ausstellung, welches Konzert oder Theaterstück, hat Sie<br />
Sonderrabatt von mindestens 30%.<br />
nachhaltig beeindruckt?<br />
Die pro-nota-Konzerte, weil man nahe an den Künstlern sitzt und<br />
wegen der hohen Qualität der Musiker.<br />
Rücken Sie näher an die <strong>Städtische</strong> <strong>Galerie</strong> <strong>Nordhorn</strong> heran und stoßen<br />
Sie zu einer interessanten, vielfältigen und aufgeschlossenen Gruppe<br />
Welchen Ort in der Grafschaft lieben Sie besonders?<br />
kulturbegeisteter Menschen. Mit einem Jahresbeitrag von 30 €<br />
Veldhausen, weil ich dort geboren bin.<br />
(Schüler u. Studenten 10 €) helfen Sie aktiv mit, dass Kunst und Kultur<br />
Wer oder was hätten Sie sein mögen?<br />
Innenarchitektin.<br />
in <strong>Nordhorn</strong> weiterhin lebendig und abwechslungsreich bleiben und<br />
Von welchem Künstler hätte Sie gerne ein Bild im Wohnzimmer<br />
hängen?<br />
Ein Bild des französischen Malers Jean Helion.<br />
Etwas, das Ihnen an der Religion gefällt:<br />
Die Werte und bestimmte Rituale, die durch Religion noch aufrecht<br />
erhalten werden.<br />
Kinder sind …<br />
… Glück, Zuversicht, Zukunft.<br />
Eine Sache, die Sie gerne putzen:<br />
Gemüse, aber eigentlich putze ich nicht gerne.<br />
In der Grafschaft fehlen mir immer noch …<br />
Gute Verkehrsanbindungen vor allem der Bahn.<br />
Ein Grund, weshalb Sie aus der Grafschaft wegziehen würden:<br />
Der einzige Grund wäre, in die Nähe meiner Kinder zu ziehen,<br />
wenn ich einmal als Oma gebraucht werde.<br />
Sind Sie Mitglied in einem Verein?<br />
Im Golfclub Emstal in Lingen.<br />
Eine schöne Tradition ist …<br />
Das Beiern zu Weihnachten in der reformierten Kirche in Veldhausen.<br />
Außergewöhnliches zu bieten haben.<br />
Pablo Picasso: Bentheimer Landschaf<br />
SCHONE Fragen...<br />
dabei sein<br />
neugierig, aufgeschlossen,<br />
interessiert, engagiert<br />
förderkreis<br />
städtische galerie nordhorn e.v.<br />
herrn thomas kern<br />
vechteaue 2, 48529 nordhorn<br />
tel. 05921-97 11 00, fax 97 11 05
DAS KULTURMAGAZIN FÜR DIE GANZE FAMILIE