Drei dinge - Sailing Classics
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Drei dinge - Sailing Classics
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d o s sie r > s e g e l r e i s e n<br />
schimmern grünlich, die Positionslichter<br />
glimmen auf den Mastspitzen, darüber<br />
blitzen die Sterne. Wir lauschen der Musik<br />
des Meeres, der Motor brummt leise den<br />
Bass dazu. „Vielleicht frischt der Wind wie‑<br />
der auf“, sagt der Kapitän. „Aber wahr‑<br />
scheinlich erst, wenn der Skorpion unter‑<br />
gegangen ist.“ Mit der rechten Hand am<br />
Ruder weist er auf einen hellen Stern an<br />
Backbord, eine Handbreit über dem Hori‑<br />
zont: „Das ist der Jupiter. Genau darunter<br />
liegt der Skorpion.“ Über uns spannt sich<br />
wie ein Gewölbebogen die Milchstraße.<br />
Wenn man den Kopf zurücklegt, ist es, als<br />
führen wir genau darauf entlang.<br />
Gäste werden nicht zur Ruderwache<br />
eingeteilt, außer bei Atlantiküberquerun‑<br />
gen. Daher dürfen wir schlafen gehen. Am<br />
nächsten Morgen spiegeln sich grüne Ber‑<br />
ge im polierten Stahlrahmen des Bull‑<br />
auges. Drapella hat in einer kleinen Bucht<br />
Anker geworfen. „Ich wollte“, sagt er, „dass<br />
ihr noch etwas von der herrlichen Küste<br />
seht.“ Statt unter die Dusche springen wir<br />
ins tiefblaue Wasser, lassen uns am Rumpf<br />
entlang treiben. Vom Schiff hört man<br />
schon Geschirr klappern. Die Stewardess<br />
serviert das Frühstück auf dem Achter‑<br />
deck: frischen Obstsalat, Joghurt, Toast,<br />
Schinken, Käse, Honig und Marmelade.<br />
danach helfen wir segel hissen.<br />
Mein Job beschränkt sich allerdings darauf,<br />
am Mast den Schalter für das jeweilige<br />
Segel auf „up“ zu drücken, bis der Kapitän<br />
„stopp“ sagt. Was hätte Kolumbus für so<br />
einen Schalter gegeben!<br />
Ich sinke zurück in den Liegestuhl, die<br />
Fahrt nach Calvi vergeht viel zu schnell.<br />
Sind wir wirklich gestern erst in Sardinien<br />
aufgebrochen? Es kommt mir vor, als hebe<br />
und senke sich die Welt unter dem blauen<br />
Himmel schon seit ewigen Zeiten.<br />
Calvi ist ein selbstbewusstes Städtchen.<br />
Mit zwei handschriftlichen Briefen von Ko‑<br />
lumbus wollen die Korsen beweisen, dass<br />
der Seeheld nicht in Genua, sondern hier<br />
zur Welt kam. Sein angebliches Geburts‑<br />
haus wurde allerdings 1794 von englischen<br />
Belagerern zerstört. Nach der Weite auf See<br />
gehen uns die vollen Gassen und die vielen<br />
Souvenirgeschäfte schnell auf die Nerven.<br />
Wir nehmen Kurs auf Cap Corse, die<br />
Nordspitze der Insel. Drapella drückt mir<br />
das Steuer in die Hand. „Kurs 110 Grad“, lau‑<br />
tet die Anweisung. Das sagt er so leicht! Bin<br />
ich Kolumbus? Jedenfalls reagiert die „Kai‑<br />
rós“ auf mein Kurbeln nur zögernd. Wie ein<br />
störrischer Gaul ist sie jetzt, der immer erst<br />
überlegt, ob er meinen Befehl befolgen<br />
will. Und sie verlangt ständige Aufmerk‑<br />
samkeit. Drehe ich das Ruder nur einen<br />
Moment zu spät zurück, ist sie schon zu<br />
weit geschwenkt. Dann stimmt der Winkel<br />
zum Wind nicht mehr, die Segel flattern,<br />
und der Kapitän reckt vom Vorschiff aus<br />
den Kopf und ruft: „Auf diesem Kurs kom‑<br />
Kabine auf der „Kairós“<br />
der 38 Meter lange ZweiMastschoner<br />
„Kairós“ bietet Platz<br />
für 20 Passagiere in zehn Doppelkabinen<br />
mit Bad und Klimaanlage. ein<br />
Koch und eine stewardess kümmern<br />
sich um das Wohl der segelgäste.<br />
Den sommer über kreuzt das schiff<br />
im Mittelmeer, es werden reisen<br />
für Familien und Themenkreuzfahrten<br />
angeboten, etwa zu den Vulkanen<br />
italiens. eine Woche inkl. VP ab 1550<br />
euro. <strong>Sailing</strong>-<strong>Classics</strong>, Frauenkopf-<br />
str. 25, 70184 Stuttgart, Tel. 0711-<br />
674 96 00, www.sailing-classics.com<br />
men wir morgen in Marseille an!“ Ich muss<br />
mich derart konzentrieren, dass ich von<br />
der Küste nicht mehr viel mitkriege. Erst<br />
mit der Zeit geht es besser, ich steuere die<br />
„Kairós“ nun tatsächlich gen Cap Corse.<br />
Ob es mit meiner Fahrweise zu tun hat?<br />
Beim Abendessen auf dem Achterdeck<br />
dreht sich das Gespräch um Schiffsunglü‑<br />
cke. Drapella ist auf so ziemlich allen Arten<br />
von Pötten gefahren, auf Containerschif‑<br />
fen, der England‑Irland‑Fähre und dem<br />
Großsegler „Sea Cloud“. Mehr als hundert<br />
Mal hat er den Atlantik überquert, er kann<br />
einiges erzählen. Einmal hätte er beinahe<br />
sein Schiff in einer Rettungsinsel verlassen<br />
müssen. „Beim Millenniumsrennen riss<br />
der Rumpf unseres Katamarans“, erzählt er.<br />
„Es passierte, als wir schon 850 Seemeilen<br />
nordöstlich der brasilianischen Stadt Forta‑<br />
leza waren. Wir konnten nicht mehr navi‑<br />
gieren, sondern uns nur noch treiben las‑<br />
sen.“ Zum Glück ging es zurück nach<br />
Brasilien. „Wir schafften es an Land, wenn<br />
auch nur knapp.“ Wir lauschen mit angeneh‑<br />
mem Schaudern und sind froh, dass vom<br />
nahen Land die Lichter Korsikas funkeln.<br />
Am nächsten Tag haben auch wir ein<br />
wenig Pech. Der Wind bläst genau aus Rich‑<br />
tung Elba. Wir kommen der Insel zwar nä‑<br />
her, aber es dauert drei Mal so lange wie<br />
geplant. Statt den direkten Weg zu neh‑<br />
men, krakeln wir mit unserer Route ein<br />
riesiges, liegendes Z aufs Mittelmeer. Die<br />
„Kairós“ lehrt uns, dass man bereit sein<br />
muss, seine Pläne zu ändern. Kolumbus<br />
hat schließlich auch Indien gesucht und ist<br />
stattdessen in Amerika gelandet.<br />
Die letzte Wende. „Ruder auf 20 Grad<br />
steuerbord!“, ruft Drapella vom Vorschiff.<br />
Ich kurbele nach rechts, bis der Zeiger die<br />
20 erreicht. Sekunden später dreht die<br />
„Kairos“ in den Wind. Die Segel flattern<br />
kurz, dann schlagen sie um. „Ruder wieder<br />
auf Null!“ Aye aye, Sir. Die „Kairós“ hält<br />
inne, nimmt die Witterung von Elba auf.<br />
Und jagt wieder wie ein Rennpferd los.<br />
„an Bord kann sich niemand<br />
verstecken“<br />
Auf see kann schlechte stimmung schnell zu einem<br />
sicherheitsrisiko werden. Kommunikationswissenschaftlerin<br />
nicola Baucks schult skipper für schwierige situationen<br />
➢ Was war die schwierigste<br />
Situation, die Sie auf<br />
einem Schiff erlebt haben?<br />
Vor Jahren segelte ich<br />
mit einem Skipper, der seine<br />
Fähigkeiten überschätzte, aber seine<br />
Unsicherheit unbedingt verbergen wollte.<br />
Als wir in einen Sturm gerieten,<br />
waren er und die Crew völlig überfordert.<br />
Es endete damit, dass wir beim Ein‑<br />
laufen in den Hafen sogar andere Boote<br />
rammten. Zwar wurde niemand ver‑<br />
letzt, doch der Skipper hatte das Vertrauen<br />
seiner Mannschaft verloren. Ein Teilneh‑<br />
mer wollte abreisen, und von einer<br />
Mitseglerin weiß ich, dass sie seither nie<br />
wieder ein Boot bestiegen hat.<br />
➢ Was kann der Skipper tun, damit sich<br />
alle an Bord wohlfühlen?<br />
Ganz wichtig ist, dass er die Erwartungs‑<br />
haltungen klärt. Beispiel: Zwei Gäste<br />
wollen „eine gute Zeit haben“. Das heißt<br />
für den einen: aktiv sein, viele Ma‑<br />
növer üben. Der andere hingegen stellt<br />
sich darunter vor, die Sonne an Deck<br />
zu genießen. Da muss der Skipper<br />
Kompromisse finden. Er muss aber auch<br />
klarmachen, dass eine Segelreise<br />
nicht planbar ist. Die Haltung der Gäste<br />
hat sich in diesem Punkt verändert:<br />
Sie haben hohe Ansprüche, beschweren<br />
sich sogar über schlechtes Wetter.<br />
➢ Früher waren Kapitäne oft autoritär.<br />
Das lassen sich Passagiere nicht gefallen.<br />
Wie muss sich ein Skipper verhalten?<br />
Er sollte Ruhe und Kompetenz ausstrah‑<br />
len, besonders in heiklen Situationen.<br />
Zündstoff auf dem Segelschiff: Die<br />
einen wollen Manöver, andere lieber faulenzen<br />
Er darf nicht an seine Grenzen kommen.<br />
In die Planung bezieht er alle an<br />
Bord ein – und ist dabei kritikfähig.<br />
➢ Was ist das häufigste Ärgernis an Bord?<br />
Der Besserwisser! Ihm gegenüber<br />
muss der Skipper klarstellen, dass nur er<br />
das Sagen hat. Unklare Verantwort‑<br />
lichkeiten können ein Sicherheitsrisiko<br />
sein. Zum Beispiel ein Teilnehmer,<br />
der zu sehr zurechtgewiesen wurde und<br />
deshalb keine Lust mehr auf den<br />
Törn hat. Der legt eine Leine nicht ordent‑<br />
lich bereit, die verheddert sich dann,<br />
und bei Wind kann ein Vorsegel<br />
nicht schnell genug geborgen werden.<br />
Beim Segeln gibt es immer eine<br />
unmittelbare Rückmeldung auf Fehler –<br />
technisch wie auch sozial.<br />
Das Ökosiegel „Blaue<br />
Flagge“ (www.blaue-flagge.<br />
de) wird seit 1987 vergeben<br />
– an Badestellen, Boote und Häfen.<br />
letztere müssen in jedem Jahr<br />
erneut nachweisen, dass sonder- und<br />
recyclingmüll fachgerecht ent-<br />
sorgt wird, dass der Hafen an den öffentlichen<br />
nahverkehr angeschlossen<br />
ist und dass notfallpläne für Unfälle<br />
mit giftigen substanzen vorliegen.<br />
Bootseigner müssen das label nur einmal<br />
beantragen. in einer schrift-<br />
lichen erklärung verpflichten sie sich<br />
➢ Wann sollte man über Konflikte an<br />
Bord sprechen?<br />
Sofort! Auf einem Schiff gibt es nicht<br />
die üblichen Fluchtmöglichkeiten, man<br />
kann sich nicht verstecken. Aggres‑<br />
sionen brechen schneller aus. Je länger<br />
ein Konflikt schwelt, desto schwerer<br />
ist er zu lösen.<br />
➢ Sind Frauen fürs Bordklima die<br />
besseren Skipper?<br />
Frauen bringen oft mehr Sensibilität<br />
für soziale Prozesse mit und haben weni‑<br />
ger Angst, ihr Gesicht zu verlieren.<br />
Um ein gutes Klima an Bord herzustellen,<br />
erfordert es aber auch Mut: Man muss<br />
Missstimmungen thematisieren<br />
und Konflikte lösen. Das können Männer<br />
ebenso gut lernen wie Frauen.<br />
Umweltsiegel für Häfen und schiffe: die „Blaue Flagge“<br />
unter anderem, naturschutzgebiete<br />
zu respektieren, keinen Abfall in<br />
gewässer zu entsorgen und umweltfreundliche<br />
reinigungsmittel zu<br />
verwenden. Organisiert wird die Kampagne<br />
von der Foundation for environmental<br />
education (Fee), in Deutschland<br />
vertreten durch die Deutsche<br />
gesellschaft für Umwelterziehung<br />
(DgU) in schwerin. Über die An-<br />
träge entscheidet eine internationale<br />
Jury. in der saison 2007 wehte<br />
die „Blaue Flagge“ weltweit über 3264<br />
Häfen und Badestellen.<br />
116 geo saison | 2.2008 2.2008 | geo saison 117