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Stadtteilmagazin für Osdorf und Umgebung - Westwind

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novierten wir grollend unsere Höhle<br />

<strong>und</strong> machten weiter, als wäre nichts<br />

geschehen.<br />

Es wäre auch nichts geschehen,<br />

wenn nicht eines Morgens Planierraupen<br />

damit begonnen hätten,<br />

unsere Miniaturalpen einzuebnen.<br />

Ein Berg nach dem anderen wurde<br />

unwiederbringlich dem Erdboden<br />

gleich gemacht. Traurig sahen<br />

wir dem Schauspiel zu, denn gleich<br />

würde auch unser Versteck einer<br />

der Planierraupen zum Opfer fallen.<br />

Aus irgendeinem Gr<strong>und</strong>, so schien<br />

es zunächst, sollte unserer Höhle<br />

jedoch verschont bleiben, denn<br />

die herannahende Raupe hob ihre<br />

Schaufel plötzlich vom Boden hoch<br />

<strong>und</strong> machte sich daran, unseren<br />

Berg zu ersteigen. Jeden Moment<br />

sahen wir unsere Höhle einstürzen.<br />

Doch nichts geschah. Das hatten<br />

wir aber gut gemacht! Wir hatten<br />

unsere Höhle gegen einen möglichen<br />

Einsturz mit Stützen <strong>und</strong><br />

Querbalken aus Bauholz, das hier in<br />

Massen herum lag, gesichert.<br />

„Wir hörten schon<br />

die Handschellen<br />

klicken.“<br />

Auf dem Gipfel angekommen,<br />

wippte die Raupe in die Waagerechte<br />

<strong>und</strong> wollte sich gerade mit<br />

dem Vorderteil nach unten neigen,<br />

als es dann doch passierte. Wie in<br />

Zeitlupe gaben unsere Stützbalken<br />

nach <strong>und</strong> die Raupe versank, mit<br />

dem Heck zuerst, in unserem Versteck.<br />

Nur noch ihre eiserne Schaufel<br />

streckte sich aus dem offenen<br />

Berg gen Himmel. Erstarrtes Entsetzen<br />

in unseren Gesichtern – wir<br />

hörten schon die Handschellen klicken,<br />

denn wir wussten ja: „Baustelle<br />

betreten verboten“. Dann eine<br />

erste Erleichterung. Der Fahrer der<br />

Raupe wühlte sich, von Erdklumpen<br />

bedeckt <strong>und</strong> lauthals fluchend,<br />

aus dem Berg hinaus. Gott sei Dank,<br />

er war unverletzt.<br />

„Los, abhauen“, befahl Klaus-<br />

Dieter. Aus sicherer Entfernung be-<br />

stadtteilgeschichte<br />

obachteten wir das<br />

Scheiben in ganz<br />

weitere Geschehen.<br />

<strong>Osdorf</strong> gab. Die<br />

Es dauerte mehrere<br />

aktuellen Hitsing-<br />

St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> erforles,<br />

die Wolf Dieter<br />

derte die Kraft von<br />

Stubel am Sams-<br />

zwei weiteren Platag<br />

in der Internanierraupen,<br />

um das<br />

tionalen Hitparade<br />

havarierte Ungetüm<br />

im Radio vorstellte,<br />

aus dem Erdloch zu<br />

hingen schon am<br />

ziehen. Wieder wur-<br />

Montag im Thomden<br />

wir, wie auf gesens<br />

Schaufenster,<br />

heimnisvolle Weise,<br />

an einer Wäsche-<br />

nicht erwischt.<br />

1970 / 1971<br />

leine, mit winzi-<br />

Der legendäre Betonhaken<br />

genWäscheklammern befestigt. 4,50 DM kostete<br />

Der <strong>Osdorf</strong>er Born war soweit eine Single. Bei 5 DM Taschengeld<br />

komplett. Die Einkaufszeile Kroon- im Monat hab ich mir mindestens<br />

horst/Bornheide war damals nicht drei Wochen lang die Nase platt ge-<br />

überdacht <strong>und</strong> dennoch ein Madrückt, bis ich mir wieder eine leisgnet<br />

<strong>für</strong> alle Borner. Man ging zu ten konnten.<br />

einer der Banken, Haspa oder BfG, Meine Mutter ging einkaufen<br />

traf sich beim Bäcker, bestaunte die bei PRO oder SPAR. Dann <strong>und</strong> wann<br />

Auslage im Schaufenster von Juwe- gab sie ihre Rabattmarkenhefte ab<br />

lier Christ oder gönnte sich etwas <strong>und</strong> kassierte stolze 5 Mark. Von<br />

Erlesenes zum Naschen bei Arko. dem Geld gönnte sie sich, vielleicht<br />

Meine Eltern trafen sich mit der bei Roshop, der Drogerie, die heute<br />

Hausgemeinschaft einmal im Mo- von Schlecker betrieben wird, eine<br />

nat zum Kegeln im Keglertreff, <strong>und</strong> große Flasche Haarspray, um ihre<br />

bei Gerd Mohr gab es alles, was das Frisur in unserem fensterlosen Ba-<br />

Heimwerkerherz begehrte. Hier dezimmer einzupüstern. Ein grausi-<br />

schickte mich mein Vater des Öfger Geruch, der sich über St<strong>und</strong>en<br />

teren hin, wenn seine Bohrmaschi- hielt.<br />

ne sich an den Betonwänden un- Die hochtoupierte <strong>und</strong> blonserer<br />

Plattenbauwohnung wieder dierte Frisur meiner Mutter wurde<br />

die Zähne ausbiss – viel Lärm, aber gelegentlich bei Salon Müller wie-<br />

kein Bohrloch. Der fre<strong>und</strong>liche Herr der in die richtige Form gebracht.<br />

Mohr hielt <strong>für</strong> dieses Problem, das Mein Bruder <strong>und</strong> ich trieben uns<br />

jeder Borner kannte, spezielle Be- derweil bei Spielwaren Neumann<br />

tonhaken bereit, <strong>und</strong> er muss sich herum, dort wo sich heute das<br />

mit den Dingern eine goldene Nase Tabakgeschäft neben der Wool-<br />

verdient haben. Betonhaken waren worth befindet. Das Geschäft um-<br />

weiße Plastikhaken mit drei Stahlfasste beide Etagen. Vom Flummie<br />

stiften, die man mit einem Hammer über den Balsaholz-Flieger bis hin<br />

<strong>und</strong> etwas Geschick in die Beton- zur teuren Carrera-Bahn gab es alwände<br />

schlagen konnte – aber nie les, was das Herz eines Kindes hö-<br />

wieder heil heraus bekam. Bei Mohr her schlagen ließ. Hier konnten wir,<br />

bekam man alles, von der kleinsten wenn wir durften, st<strong>und</strong>enlang he-<br />

Schraube bis zum Wasserhahn. rumstöbern.<br />

Sammelsurium von A bis Z gab‘s Was mir aus heutiger Sicht auf-<br />

bei der Wohle, so nannten wir das fällt: Anfangs war der <strong>Osdorf</strong>er<br />

Warenhaus Woolworth, das noch Born nicht nur ein neuer, sondern<br />

heute in der Ladenzeile zu fin- auch ein junger Stadtteil. Junge Elden<br />

ist. Mein Lieblingsladen, so ab tern, Kinder <strong>und</strong> Jugendliche präg-<br />

1971 etwa, war das Elektrogeschäft ten das Stadtteilbild.<br />

Thomsen, weil es hier die heißesten<br />

Wird fortgesetzt.<br />

Foto: G. Sadler<br />

November 2011<br />

westwind<br />

7

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