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Auf großer Fahrt mit der „Passat“ • Drucken • Lübeck • Lokales • LN-Online<br />
ln-online/lokales<br />
vom 26.04.2011 00:00<br />
Auf großer Fahrt mit der „Passat“<br />
Das Lübecker Traditions-Schiff wird 100 Jahre alt. Thorolf Glahn segelte mit. Und erlebte das Ende einer<br />
Epoche.<br />
Thorolf Glahn heute – mit einem Ölbild der Pamir, das in seiner Hamburger Wohnung hängt.<br />
http://www.ln-online.de/lokales/luebeck/3102548/drucken/<br />
Foto: ln<br />
Das Lübecker Traditions-Schiff wird 100 Jahre alt. Thorolf Glahn segelte mit. Und erlebte das<br />
Ende einer Epoche.<br />
Thorolf Glahn (78) aus Hamburg hat es – von seinem Vater. „Der fuhr auch schon zur See.“ Auch auf<br />
Segelschiffen. Vor dem Krieg. Und Sohn Thorolf schien es im Jahr 1950, als sei die große Zeit der alten<br />
Windjammer vorbei. Ein für alle Mal.<br />
„Da erfuhr mein Vater, dass zwei ehemals deutsche Segelschiffe nun von Neuseeland über Finnland<br />
zurückkehren sollten.“ Die Namen: „Pamir“ und „Passat“. Sie sollten abgewrackt werden, hieß es erst.<br />
Und dann, es habe sich doch ein Reeder gefunden, ein Schweizer. Und der Kapitän suche nun in Kiel eine<br />
Mannschaft. . .<br />
„Segeln war mein Traum“<br />
Thorolf Glahn, gerade 18 Jahre alt, packte die Abenteuerlust. „Ich nahm meinen Seesack, setzte mich in<br />
die Bahn und fuhr hin.“ Da lagen die beiden Segler. Rostig, vergammelt. Kein sonderlich erhebender<br />
Anblick, erinnert sich Glahn. Helmut Grubbe, der Kapitän der „Passat“ habe ihn nur kurz befragt und<br />
dann eingestellt.<br />
„Segeln war mein Traum“, so Glahn. „Wo es hingehen würde, war mir egal.“ Im Januar 1952 schließlich<br />
war es so weit – die „Passat“ stach in See. „Wir fuhren erst die Weser aufwärts, um in Brake Zement zu<br />
laden. Dann ging es nach Südamerika. Brasilien.“<br />
Was für ein Erlebnis. „Das ganz große Abenteuer“, sagt Thorolf Glahn, und seine Augen leuchten. 86<br />
Mann waren sie. 40 Kadetten. Und einige alte Seebären. „Der Bootsmann hatte die US-Flagge auf die<br />
Brust tätowiert. Der war mal auf amerikanischen Schiffen gefahren.“ Stolz wie Oskar sei er gewesen, als<br />
ein Toppmatrose ihn schließlich mit in die Takelage nahm. Der Frischproviant indes war schon nach zwei<br />
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Auf großer Fahrt mit der „Passat“ • Drucken • Lübeck • Lokales • LN-Online<br />
Wochen alle. Bald wurden die Kartoffeln knapp. Es gab Erbsen, Bohnen, Dosengemüse, Schiffszwieback.<br />
Und Sauerkraut. „Deshalb nannten uns die englischen Sailors ,Krauts’.“ Sogar zwei Schweineställe waren<br />
unter der Back. „Die Schweine wurden von Küchenabfällen ernährt und auf der Heimreise geschlachtet.“<br />
Der Passat-Wind brachte sie zum Äquator. Die schweren Sturmsegel wurden gegen leichtere Tropensegel<br />
gewechselt. „Delfine begleiteten unser Schiff.“<br />
Zwischen den Wachen spielte die Mannschaft Karten, Skat oder Poker. Oder sie nähte sich<br />
Arbeitskleidung aus altem Segeltuch.<br />
Auch Kostüme fertigten sie, für die Äquatortaufe. Die war übrigens ein großes Ereignis. „Wild verkleidete<br />
Schwarze kletterten aus dem Klüvernetz an Bord. Matrosen, die sich mit Talg und Graphit eingerieben<br />
hatten. Sie trugen Röckchen aus altem Tauwerk. Und trieben die Täuflinge an Bord zusammen. „Wir<br />
mussten um Gnade bitten und wurden mit Feuerlöschschläuchen unter Wasser gesetzt.“ Am nächsten<br />
Morgen kam Neptun und wurde vom Kapitän mit einem Schluck Rum begrüßt. „Sie sperrten uns in den<br />
Schweinestall, wuschen uns die Haare mit Schmieröl. Dann wurden wir ins Taufbecken gestoßen und<br />
untergetaucht. Dreimal. Hinterher gab es eine Bowle aus Himbeersirup und Rum.“<br />
Auf der Südhalbkugel tauchten erste Albatrosse auf. Wo man als Seemann richtig staune, so Glahn, „wie<br />
groß die eigentlich sind“. Stundenlang segelten die beeindruckenden Vögel auf der Luvseite neben der<br />
„Passat“ her. Bei Windstille gingen sie aufs Wasser.<br />
„Alte Matrosen zeigten uns, wie man einen Albatros angelt.“ Sie nahmen ein dreieckiges Stück Blech,<br />
hefteten einen Speckköder an einer scharfen Kante an. Der Albatros biss sich fest, wurde an Bord<br />
gezogen. „Wir umringten ihn neugierig. 3,50 Meter Flügelspannweite. Ganz schöne Jollies.“<br />
In Rio Grande do Sul, Brasilien, gingen sie an Land. „Es gab eine uralte Straßenbahn, bei der man<br />
während der Fahrt auf- und abspringen konnte.“<br />
Die Rückfracht waren Schaf-Felle, Honig, Hörner und Hufe. Einen Tag von Buenos Aires entfernt, geriet<br />
die „Passat“ in einen Sturm und nahm Wasser über. Glahn: „Ich hatte nachts Wache. Da kam mir einer<br />
entgegen, den hatte ich noch nie gesehen. Ein blinder Passagier. Ein junger Österreicher, der nach Hause<br />
wollte.“<br />
Sechs Monate dauerte die Fahrt.<br />
Auch die zweite Reise ging nach Brasilien. Dann war der Reeder pleite. Glahn ging nach Hamburg auf die<br />
Seemannsschule, machte sein Steuermannspatent, fuhr für die Laeisz-Reederei auf einem<br />
Bananendampfer. „Aber als wir 1956 zurückkamen, lag da die ,Passat’.“ Eine Gemeinschaft von Reedern<br />
hatte die Segler wieder ausgerüstet. Glahn ging hinüber: „Und da stand ich wieder vor Kapitän Grubbe.<br />
Er sagte: ,Gut, dass du kommst. Ich brauche dringend Steuerleute, die segeln können.’ Und ich hab<br />
gedacht: Scheiß auf den Banendampfer. Ich mach’s.“<br />
Begegnung mit der „Pamir“<br />
Es ging nach Brasilien, weiter nach Buenos Aires. Auf der Rückreise trafen sie ein letztes Mal die „Pamir“.<br />
1957 war das. „15 Grad südlicher Breite im Atlantik. Da kam sie uns entgegen, ging schließlich auf<br />
unsere Leeseite. Wir freuten uns, folgten ihr ein Stück, fuhren 30 Minuten in Rufweite neben ihr her.“<br />
Bald darauf sank die „Pamir“ in einem Hurrikan. „Wir hörten verstümmelte Funksprüche. Erst drei, vier<br />
Tage später erfuhren wir, dass sie untergegangen war. Wir waren furchtbar geschockt.“ Was konnte der<br />
Grund gewesen sein? Glahn: „Wie die ,Pamir’ hatten auch wir Getreide geladen, Gerste. Früher kam sie<br />
in Säcken an Bord, jetzt lose, als Schüttgut. War es verrutscht, so dass das Schiff Schlagseite bekam?<br />
„Besorgt öffneten wir unseren den Laderaum und stellten fest, dass das auch bei uns der Fall war.“ Sie<br />
schaufelten das Getreide glatt. „Wir hatten Angst zu kentern.“<br />
So wäre es auch fast gekommen. „Im Atlantik kam ein Sturm auf. Von beiden Seiten stürzten die Wellen<br />
an Deck.“ Tagelang. Die „Passat“ bekam immer mehr Backbord-Schlagseite, richtete sich nicht wieder<br />
auf. Der Kapitän beschloss, Wasser in den Steuerbord-Laderaum zu pumpen. Das Schiff lag so wieder<br />
einigermaßen gerade, auch der Sturm ließ nach. Die Gefahr war überstanden. Doch es war auch die<br />
letzte Reise der „Passat“. Das Ende einer Epoche. 80 Seeleute waren beim Untergang der „Pamir“<br />
ertrunken. Nur sechs überlebten.<br />
Doch die frühere Mannschaft hält die Legende am Leben. Die alten Seeleute sind heute in der „Pamir-<br />
Passat-Vereinigung“. Thorolf Glahn ist einer von ihnen. „Es war eine großartige Zeit.“<br />
Von Marcus Stöcklin<br />
Quelle im Internet: http://www.ln-online.de/nachrichten/3102548<br />
http://www.ln-online.de/lokales/luebeck/3102548/drucken/<br />
© 2010 www.ln-online.de<br />
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