Tempus fugit - Von Uhren und Menschen: Die Geschichte der Familie Leopold Müller und Söhne von 1880 bis heute
Diese Chronik erzählt die Geschichte einer Handwerkerfamilie, die seit 1880 Gehäuse für Grossuhren herstellt. Unter Grossuhren versteht man Tisch-, Wand- und Standuhren - Kleinuhren sind dagegen Taschen- und Armbanduhren. Das stets inhabergeführte Unternehmen hat im Laufe der Zeit zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise überstanden und sich unter wechselnden und teilweise sehr schwierigen Rahmenbedingungen behauptet. Es sind die Unternehmertugenden Mut, Fleiß, Erfindungsgeist, Sparsamkeit, Verlässlichkeit und Beharrlichkeit, die zusammen mit ungewöhnlicher Kreativität, handwerklichem Geschick, hohem persönlichen Einsatz und Qualitätsbewusstsein diesen Erfolg über Jahrzehnte möglich machten. Dabei hat die Familie stets die führende Rolle gespielt: Hier wurden die Entscheidungen getroffen, die Erfolge gefeiert, die Krisen durchlitten: Hier war das Gerüst, das die Firma in guten wie in schlechten Zeiten beflügelt, gestützt und gehalten hat - und das bis heute.
Diese Chronik erzählt die Geschichte einer Handwerkerfamilie, die seit 1880 Gehäuse für
Grossuhren herstellt. Unter Grossuhren versteht man Tisch-, Wand- und Standuhren -
Kleinuhren sind dagegen Taschen- und Armbanduhren. Das stets inhabergeführte Unternehmen
hat im Laufe der Zeit zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise überstanden
und sich unter wechselnden und teilweise sehr schwierigen Rahmenbedingungen behauptet.
Es sind die Unternehmertugenden Mut, Fleiß, Erfindungsgeist, Sparsamkeit, Verlässlichkeit
und Beharrlichkeit, die zusammen mit ungewöhnlicher Kreativität, handwerklichem Geschick,
hohem persönlichen Einsatz und Qualitätsbewusstsein diesen Erfolg über Jahrzehnte
möglich machten.
Dabei hat die Familie stets die führende Rolle gespielt: Hier wurden die Entscheidungen
getroffen, die Erfolge gefeiert, die Krisen durchlitten: Hier
war das Gerüst, das die Firma in guten wie in schlechten
Zeiten beflügelt, gestützt und gehalten hat - und das bis
heute.
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Tempus fugit
Von Uhren und Menschen
Von Uhren und Menschen
Die Geschichte der Firma Leopold Müller und Söhne von
1890 bis heute
Tempus fugit
Von Uhren und Menschen
Copyright © Christiane Breuer 2008
Druck
Bindung
KonMedia, Bühl
Buchbinderei Bruder,
Ottersweier
Die Geschichte der Familie Leopold Müller
und Söhne von 1880 bis heute
Diese Chronik erzählt die Geschichte einer Handwerkerfamilie, die seit 1880 Gehäuse für
Grossuhren herstellt. Unter Grossuhren versteht man Tisch-, Wand- und Standuhren -
Kleinuhren sind dagegen Taschen- und Armbanduhren. Das stets inhabergeführte Unternehmen
hat im Laufe der Zeit zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise überstanden
und sich unter wechselnden und teilweise sehr schwierigen Rahmenbedingungen behauptet.
Es sind die Unternehmertugenden Mut, Fleiß, Erfindungsgeist, Sparsamkeit, Verlässlichkeit
und Beharrlichkeit, die zusammen mit ungewöhnlicher Kreativität, handwerklichem Geschick,
hohem persönlichen Einsatz und Qualitätsbewusstsein diesen Erfolg über Jahrzehnte
möglich machten.
Dabei hat die Familie stets die führende Rolle gespielt: Hier wurden die Entscheidungen
getroffen, die Erfolge gefeiert, die Krisen durchlitten: Hier
war das Gerüst, das die Firma in guten wie in schlechten
Zeiten beflügelt, gestützt und gehalten hat - und das bis
heute.
Seit mehr als 200 Jahren ist der Schwarzwald
die Heimat der Grossuhren. 1960 waren von
330 Betrieben in der westdeutschen Uhrenproduktion
mit insgesamt 35.000 Beschäftigten
90% im Schwarzwald angesiedelt. Damit stand
die deutsche Uhrenindustrie in Europa an
zweiter Stelle hinter der Schweiz. Der
Umsatz lag bei 560 Mio. DM, der Exportanteil
betrug 45%.
Die Firma Leopold Müller exportiert in erster
Linie Lautsprechergehäuse. Der Exportanteil -
gerechnet auf den Gesamtumsatz - liegt der
bei 5-10%.
Das Schwarzwälder Uhrmachergewerbe entstand
unter anderem durch das Hofgüterrecht.
Danach erbte der jüngste Sohn den Hof. Die
älteren Söhne mussten sich nach einer anderen
Erwerbstätigkeit umsehen und kamen so
zur Uhrmacherei, die vom 18. Jahrhundert an
in den Bauernstuben im Winter heimisch wurde.
Mitte des 19. Jahrhunderts, mit der Einführung
der „Amerikaneruhr“, die nur in Fabriken
hergestellt werden konnte, starb das bäuerliche
Hausgewerbe der Uhrmacher langsam aus.
Jubiläum der Uhrenkastenschreinerei Leopold Müller in Bräunlingen 1890
(4. von rechts: Leopold Müller I., 2. von rechts: Sohn Leopold Müller II.)
Bevor alles begann...
hatte Leopold Müller I. in Bräunlingen
einen selbständigen Handwerksbetrieb,
eine Uhrenkastenschreinerei. Ende des 19.
Jahrhunderts gab es im Schwarzwald eine
blühende Uhrenindustrie. Auch für Leopold
Müller I. liefen die Geschäfte gut, bereits
beim 10jährigen Jubiläum seiner Schreinerei
in Bräunlingen hatte er neben seinem Sohn
Leopold II. neun Beschäftigte.
Als ein guter Kunde ihn um eine Bürgschaft
bat, sah er darin kein Risiko. Doch es kam,
wie es kommen musste: Der Kunde ging in
Konkurs, die Bürgschaft wurde fällig und
Leopold Müller I. verlor seinen Betrieb.
Der einzige Ausweg war, in der Badischen
Uhrenfabrik als Angestellter zu arbeiten, und
so kam die Familie Müller nach Furtwangen.
Leopold Müller I. nahm also eine Stelle
als Konstrukteur in der Badischen
Uhrenfabrik an. Seine große Berufserfahrung
als Schreiner und Bildschnitzer wurde hoch
geschätzt. Er selbst achtete sehr auf Etikette,
war sich seiner Stellung bewusst und ging
täglich in Frack und Zylinder zur Arbeit.
Seinem Sohn Leopold Müller II. (1874-
1950) gefiel es gut in Furtwangen. 1899
heiratete er Maria Hummel, die als Waise
aufgewachsen war, aber ein Haus mit in die
Ehe brachte. Das Haus wurde verkauft und
mit dem Erlös wurde das heutige Stammhaus
der Familie, das sogenannte Glatzenhaus in
Schönenbach, erworben.
Das Glatzenhaus 1912
Leopold Müller II.
(1874-1950)
und seine Frau
Maria
geb. Hummel
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts nahm
das Uhrenhandwerk in Furtwangen,
auch durch die Errichtung der
Uhrmacherschule, einen ungeheuren
Aufschwung. Die Qualität der Produkte
verbesserte sich. Die Schule bildete
immer mehr qualifizierte Arbeitskräfte
aus. Einige dieser Handwerksmeister
versuchten, sich arbeitssparende, durch
Wasserkraft angetriebene Maschinen
und bessere Werkzeuge zuzulegen.
Den Hausgewerblern, die ihr Handwerk
noch auf traditionelle Weise ausübten,
waren sie schnell überlegen. Es folgte
eine regelrechte Gründerzeit. Bis 1880
entstanden die Badische Uhrenfabrik,
Lorenz Furtwängler & Söhne und
andere. In dieser Zeit gründete Leopold
Müller I. seinen Handwerksbetrieb.
Goldene Hochzeit 1949
im Haus Leopold Müller II.
„Amerikaneruhr“
entworfen von Leopold Müller I .
für die Badische Uhrenfabrik
in Furtwangen
Leopold Müller II. und seine Frau bekamen
fünf Kinder, die alle ein Handwerk
lernten und ausübten: Leopold III. und
Albert wurden Schreiner, Josef Schuhmacher,
Bertha wurde Schneiderin und Maria
Hutmacherin. Alle arbeiteten bzw. hatten ihre
Werkstatt im Haus der Familie.
Die Kinder der Familie
Leopold Müller II. (von links)
Josef, Maria, Leopold III., Bertha und
Albert
Zwischen 1870 und 1905 ging die Zahl der selbständigen Betriebe in der Uhrenfertigung stetig
zurück. Die badische Gewerbestatistik nennt für 1895 34 Fabriken mit ca. 3000 Arbeitern und
175 Selbständige mit 2000 Beschäftigten. Die Arbeitszeit in den Fabriken betrug 10-12 Stunden
außer sonntags. Der Tageslohn für einen Uhrmacher betrug 3,30 Mark, für einen Schreiner 3,34
Mark und für eine weibliche Hilfskraft 1,75 Mark. Zum Vergleich: Wohnen, Essen, Kleidung und
Wäsche kosteten eine alleinstehende Arbeiterin pro Tag etwa 1,45 Mark, so blieben pro Tag etwa
30 Pfennig übrig. 1913 konnte ein Uhrmacher zusammen mit seiner Frau eine Jahreseinkommen
von 1420 Mark erzielen. Das reichte, bei einer Familie mit vier Kindern, gerade zum Überleben.
Wie kamen die Uhren aus den entlegenem
Schwarzwälder Orten zu den Kunden?
Das gleiche Problem hatten Jahrhunderte
zuvor die Glasbläser. Und so entstand
das Gewerbe der Träger. Sie trugen
die Glaserzeugnisse in speziellen
Tragerucksäcken über die Berge in die
Städte. Später nahmen sie auch Uhren
mit. Allerdings entwickelte sich hier das
Gewerbe der Packer oder Spediteure: Sie
erhielten die Uhren ohne Bezahlung vom
Hersteller, verpackten und transportierten
sie zum Händler. Der Händler schickte den
Erlös an den Packer. Der Packer behielt eine
Provision und gab den Rest dem Uhrmacher.
Das System war aber keineswegs fair: Die
Packer unterhielten Läden, in denen die
Uhrmacher einkaufen mussten, und lieferten
auch die Rohstoffe für die Fertigung.
So verdienten sie dreifach und die
Uhrenmacher erhielten einen Hungerlohn.
Aber die Uhrenhersteller hatten keine Wahl
– sie konnten ihre Erzeugnisse selbst nicht
vermarkten.
Furtwangen ca. 1930
Leopold III. Müller (1905-1980) und seine Frau Maria
Nach seiner Ausbildung als Uhrenkastenschreiner
war Leopold Müller II. in der Uhrenfabrik
von Lorenz Furtwängler & Söhne tätig.
Er war besonders geschickt im Lackieren und
Polieren der kunstvollen Uhrengehäuse.
Sein Sohn Leopold Müller III. (1905-1980) besuchte
die Staatliche Schreinerschule in Furtwangen.
Sein Gesellenstück wurde mit dem 2. Preis
ausgezeichnet – jedoch deshalb „nur“ mit dem
Zweiten, weil er dem Gesellen, der den ersten
Preis erhielt, gegen Ende der Zeit noch half, sein
Gesellenstück fertig zu stellen, woraufhin dieser
dann den ersten Preis erhielt. 1920 ging er zusammen
mit drei anderen Gesellen auf Wanderschaft,
die ihn unter anderem bis nach Hamburg und
Salzburg führte. Jedoch hielt er es nur ein Jahr
in der Fremde aus, dann zog das Heimweh ihn
zurück nach Furtwangen.
Wie der Vater war er bei der Firma Lorenz Furtwängler
& Söhne beschäftigt, zu damaliger Zeit
eine große Uhrenfabrik. 1930 heiratete er in Schönenbach
Maria Blum. Das Ehepaar bekam zwei
Kinder, Siegfried und Regina.
Die Familie von Maria Blum
Familienfeste
wurden bei Müllers gern und ausgiebig
gefeiert: Geburtstage, Hochzeitstage,
Jubiläen....
Hier wird Grossvater Leopold Müller II.
65. Geburtstag gefeiert.
Durch die Aufnahme von Sommergästen
wurde in den Jahren 1930-1939 etwas
Geld dazuverdient. Leopold III. bringt hier
das Gepäck der Gäste mit der Handkarren
zum Bahnhof.
Die Geschichte vom Pferd
Großvater Blum hatte in jungen Jahren
ein Karussellpferd geerbt. Das Pferd war
etwas schwierig zu transportieren. Er
nahm zunächst den Zug nach Triberg.
Von dort zog er es mit Mühe über die
Berge von Nußbach nach Furtwangen.
Das Pferd ist noch heute im Besitz der
Familie.
Siegfried bekam zu seiner Geburt ein
Sparbuch von der Sparkasse geschenkt.
Man beachte die mahnenden Worte...
Maria, Ehefrau von Leopold Müller III.
mit ihren Kindern Siegfried und Regina
sowie Schülern der Uhrmacherschule
Ein weiteres Zubrot in den kargen Jahren
nach der Wirtschaftskrise verdiente sich
die Familie durch die Aufnahme von Schülern
der Großherzoglich Badischen Uhrmacherschule
in Furtwangen. Die Schüler wohnten
bei Familie Müller, erhielten Kost und
Logis.
Jugenstiluhr um 1920
A
ls Furtwängler in Konkurs ging, gründete
Leopold Müller III. zusammen mit
seinem Bruder Albert, der ebenfalls Schreiner
war, 1938 die Firma „Gebrüder Müller
– Holzbearbeitung, Spezialwerkstatt für
Uhrengehäuse“. Das Wappen dazu hatte er
schon 1937 entworfen.
Die Uhrenindustrie hatte den 1. Weltkrieg
ganz gut überstanden und erlebte bis
1925 sogar einen kleinen Aufschwung.
Doch die solide, aber unrationell gebauten
Uhren sind teurer als die Massenwaren
der Konkurrenz (auch der schwäbischen),
die Exporterlöse gehen zurück. Schon vor
der Weltwirtschaftskrise bricht die große
Arbeitslosigkeit aus. Waren 1923 noch
etwas über 2000 Personen in der Industrie
beschäftigt, sind dies 1932 weniger als 500.
Furtwängler musste seine Fabrik schließen,
die Badische Uhrenfabrik reduzierte ihre
Belegschaft von über 300 auf 48. 1936 ist
die Hälfte der Erwerbstätigen in Furtwangen
arbeitslos.
Heute ist Furtwangen besonders stolz auf
seine geringe Arbeitslosenquote – sie liegt
ständig unter 3%. Kein Ort in Deutschland
hat so wenige Arbeitslose.
Es war nicht einfach, einen Kundenstamm
aufzubauen. Zuerst arbeitete man für
die Bauern, die in Winterarbeit Uhren
zusammenfügten, später kamen Aufträge von
Händlern über Stand- und Tischuhren dazu.
Zahlreiche Schreiben erzählen, wie
schwierig es war, Material zu beschaffen:
Man brauchte Holz für die Gehäuse und
für Furniere, Leim zum Zusammenfügen,
Koks, um den Leim zu kochen, Lack für die
Veredelung. Das Holz wurde vor dem Kauf
im Sägewerk von den beiden Schreinern
persönlich in Augenschein genommen.
Schild über dem Eingang zur Werkstatt
Auszug aus der Chronik des
Schwarzwald-Baar-Kreises
I
m ersten Jahr listet die Einkommensteuererklärung
einen Umsatz von 2644
Reichsmark auf, doch schon 1939 kam man
auf 5936 Reichsmark.
Leopold Müller III. war ein lebensfroher
Mensch und feierte gern mit seiner Familie.
Hier ist er als Dirigent bei der Fasnacht zu
sehen.
Eine schwingende Lampe, ein
Herzschlag und eines der größten
wissenschaftlichen Gehirne waren
verantwortlich für die Entwicklung des
Pendels. Eine schwingende Lampe,
so glaubt man, brachte Galilei (1564-
1649) während einer Pulsmessung
auf den Weg des Pendels (ca. 1583).
Durch die Genialität verschiedener
Uhrmacher und Erfinder, erreichte die
Pendeluhr in weniger als 150 Jahren
eine so auffallende Ganggenauigkeit,
dass der Minuten- und Sekundenzeiger
keine außergewöhnlichen Teile mehr
darstellten.
Leopold Müller III. (2. von linls)
bewacht einen Fluplatz in Frankreich
Albert Müller
Leopold Müller III.
Im 2. Weltkrieg wurden beide Brüder
eingezogen, Leopold musste in Frankreich
Flugplätze bewachen und Albert lernte als
Infanterist den Schrecken des Krieges in
Russland kennen.
Der Betrieb wurde stillgelegt. Die Familie
hielt sich mit Heimarbeit über Wasser.
A
lbert kam im Sommer 1943 schwer verwundet und dauerhaft behindert aus dem Krieg
zurück, nahm aber dennoch kurz darauf die Arbeit in der Firma wieder auf. Mit einem
herzzerreißenden Schreiben wandte er sich an die Handwerkskammer Konstanz mit der
Bitte, ihn ausnahmsweise als Meister in die Handwerksrolle einzutragen. Das wurde jedoch
abgelehnt, und so musste sein Vater pro forma die Firma weiterführen.
Kriegsweihnacht 1942
Nach dem Krieg, als Leopold III. aus
der Kriegsgefangenschaft zurück in
Furtwangen war, wurde vor dem Neubeginn
erst einmal der Maschinenbestand amtlich
aufgenommen. Hobel-, Schleif- und
Bandsägemaschine waren noch brauchbar,
Kreis- und Bandsäge, beide ziemlich betagt,
mussten repariert werden. Dennoch fing man
sofort mit der Produktion an: Schatullen,
Leuchter, Kunstgewerbeartikel und Möbel
wurden gefertigt und oft gegen Lebensmittel
getauscht. Tisch- und Wanduhren waren
wieder gefragt!
1947 legten Albert und Leopold Müller vor
der Handwerkskammer in Konstanz die
Meisterprüfung ab.
Die Brüder suchten ihre alten Kunden
auf und konnten 1948 zum eigentlichen
Handwerk zurückkehren. Sie belieferten die
örtlichen Uhrenhersteller, wie zum Beispiel
die Badische Uhrenfabrik in Furtwangen,
die Firma Schatz in Triberg, Urgos in
Schwenningen und Schmeckenbecher in
Villingen.
Maria Müller mit ihren Kindern
Siegfried und Regina 1940
Furtwangen überlebte
den 2. Weltkrieg
unzerstört. Aber
während der französischen
Besatzung
litt die Bevölkerung
unter extremer
Wohnungsnot und
einer katastrophalen
Versorgungslage.
Obwohl die Menschen
selbst fast nichts zu
essen hatten, mussten
sie noch die Besatzer
mit Lebensmitteln
versorgen.
Die Industrie wurde
durch Demontagen
schwer geschädigt.
Es bleibt schwierig, Material zu
beschaffen, aber langsam kommt
die Wirtschaft in Gang. Oft werden
Gegengeschäfte gemacht – Material gegen
fertige Uhren. Auch die Handwerkskammer
erhebt schon wieder Beiträge…
Maria Müller geb. Blum stirbt 1946 und
Leopold III. steht mit den beiden Kindern
Siegfried und Regina allein da. „Ein
guter Vater ist er gewesen“, sagt Regina, „er
lebte nur fürs Geschäft und seine Kinder“.
1949 heiratet er Sophie Hirt. Albert ist inzwischen
auch verheiratet.
Es geht aufwärts mit
der Firma, man spezialisiert
sich auf handwerklich
sehr hochwertige
Tisch- und Wanduhren
und arbeitet 10-12 Stunden
täglich, auch am
Samstag. Nur der Sonntag
ist Ruhetag. Hier nutzt
man die Zeit, in die Kirche
zu gehen und kleine
Ausflüge zu machen.
Und was passierte
bei Krankheit?
„Krankheit war
nicht vorgesehen.
Krankengeld,
Lohnfortzahlung, das
gab es nicht.“
D
er erste Mitarbeiter wird 1950 eingestellt
– für einen Stundenlohn von 1,20 DM.
Urlaub gab es nicht, erst einige Jahre später
erhielten Mitarbeiter 14 Tage Urlaub im Jahr.
Die Inhaber machten in dieser Zeit Großputz,
reinigten die Werkstatträume gründlich,
schärften die Werkzeuge oder taten die Dinge,
für die in der Hektik des Tagesgeschäftes
keine Zeit war.
Es war selbstverständlich, daß die Frauen
der Familie in der Firma mitarbeiteten,
natürlich gegen keine oder nur geringe Bezahlung.
Ihre Aufgaben waren: Kanten brechen,
Bohren, kleine Teile leimen oder lackieren,
Verpacken, Zählen.
Irgendwann kamen die
Aufträge ganz von selbst,
akquirieren musste man nur
in wirtschaftlich schlechten
Zeiten, so dass man hie
und da auch gezwungen war
Kurzarbeit anzumelden. Die
Zahlungsmoral war miserabel.
Häufig machten Kunden
pleite, bevor es den Gebrüdern
Müller gelang, ihre Forderungen
einzutreiben. Auf diese
Weise ging viel Geld verloren.
Anfang der 60er Jahre kam es zum Streit
zwischen beiden Brüdern: Man trennte
sich. Leopold führte die Schreinerei und
Uhrengehäusewerkstatt weiter, Albert ging in
die Industrie.
1960 platzt die Werkstatt aus allen Nähten,
ein Anbau wird dringend nötig. Die
Fertigungsfläche wird um das Doppelte
vergrößert.
Erster Anbau 1960
Das Uhrengewerbe und damit die
Uhrengehäusefertigung erleben eine
Blütezeit.
Siegfried war ungeheuer kreativ und
hatte die überragende zeichnerische
Begabung seines Großvaters ebenso
geerbt wie die Musikalität seiner Mutter.
Zahlreiche Zeichnungen von Verzierungen,
Uhrenmodellen und Mustermöbeln zeugen
von seinem Ideenreichtum.
I
n seiner Freizeit spielt er seit der 4. Klasse
Handharmonika und Trompete bei der
Stadtmusik. Später zupfte er noch zusätzlich
die Saiten am Kontrabaß seiner eigenen
Tanzkapelle. 1965 legt er in Konstanz die
Meisterprüfung ab.
G
astarbeiter im Schwarzwald: Die ersten
zwei Italiener kamen Anfang der 60er
Jahre. Ein paar Jahre später fanden Spanier
den Weg in die Schreinerei. Der Grund war,
wie in der Wirtschaft allgemein, Arbeitskräftemangel.
Außerdem konnte man sich
in der Uhrengehäuseschreinerei auch ohne
Sprachkenntnisse ganz gut zurechtfinden, die
Serienfertigung ist in dieser Hinsicht ideal. In
der Regel waren die Gastarbeiter, bevor sie in
die Schreinerei kamen, vorher auf dem Bau
beschäftigt.
Die meisten Deutschen gingen lieber in die
Fabrik oder arbeiteten in der Metallbearbeitung
– dort wurde mehr verdient. Die Spanier,
im Laufe der Zeit vier Männer, kamen
alle aus demselben Dorf. Trotz der harten
Winter fühlten sie sich wohl in Furtwangen.
Ende der 80er Jahre kam der Türke Ismael in
den Betrieb, der bis heute mitarbeitet. Auch
der Italiener Leonardo ist seit vielen Jahren
dabei.
Leopold III.
mit Enkelin Julitta
Leopold Müller III. hatte 1949 seine zweite
Frau Sophie, geb. Hirt, geheiratet, und
das erwies sich als Segen: Sie hatte eine kaufmännische
Ausbildung und übernahm sofort
die Buchhaltung des Betriebes. Auch sonst
erwies sie sich als „Motor“ des aufstrebenden
Familienbetriebes – sie hielt das Geld zusammen,
regelte alle finanziellen Angelegenheiten
und half auch sonst tatkräftig mit.
Barockuhr schwarz
„Tempus fugit“
Die Firma heißt jetzt wieder „Leopold
Müller – Uhrengehäuse- und Möbelschreinerei“.
Siegfried heiratet 1958 Julie
Rombach aus Neukirch und wird stolzer
Vater von drei Kindern: Julitta, Markus und
Andreas. Es folgt die zweite Betriebserweiterung.
Die Werkstätten erstrecken sich nun
über zwei Stockwerke, das Unternehmen
beschäftigt inzwischen zehn Mitarbeiter.
Siegfried Müller und seine Frau Julie
geb. Rombach
Die Belegschaft der
Schreinerei Müller
1967
Leopold Müller III.
und seine Frau Sophie
geb. Hirt in der
Mitte hinten, Siegfried
Müller 2. von
rechts, Markus Müller
vorn sitzend, im
Alter von 3 Jahren.
Auf dem Foto auch
zwei Gastarbeiter
Es muss perfekt sitzen.
Es muß sicher halten.
Und es muß schnell gehen.
In der Zeitschrift „Holzpraxis“ erläutert
Siegfried Müller 1991, wie er Napoleonuhren
mit Ponal express zusammenfügt.
Markus Müller ist mit einer Standuhr zu
sehen.
Markus, Andreas, Julitta, Julie und Siegfried Müller
Firmensitz Schreinerei Müller
1997 aus der Luft
Die Anschaffung einer CNC-Fräsmaschine
macht den Einstieg in die
Herstellung von hochwertigen Lautsprecherboxen
möglich. Und als das Firmenbüro
neu möbliert werden muß, erfindet
Markus Müller 2001 die Systembox: Ein
flexibles Möbelstück für Hunderte von
Einsatzmöglichkeiten – in Büro, Garderobe,
Kinderzimmer, auf Messen, und,
und, und…
Es ist Markus, der nach dem Tod des
Großvaters 1980, in die Fußstapfen des
Vaters tritt und als 16jähriger die Schreinerlehre
beginnt. Vater Siegfried übernimmt
die Firma. Die Produktpalette wird
erweitert: Die Schreinerei Müller stellt nun
zusätzlich Verkaufstheken, Fensterläden,
Haustüren und Möbel her und bietet professionellen
Innenausbau an.
Markus legt 1991 die Meisterprüfung
in Freiburg ab und erhält für seine
moderne Standuhr den „Förderpreis für
gutes Design“. Er übernimmt die Firma
vom Vater und gestaltet sie um: Es wird
rationalisiert und viel Geld in Maschinen
investiert, um kostengünstiger zu fertigen.
Lautsprecherboxen
von
Revox, gefertigt
von Schreinerei
Müller
D
och seine Liebe gilt den Uhren.
Die Modeuhren der 70er Jahre – Tischuhren
in Teak oder Palisander, polyesterlackiert
und auf Hochglanz poliert - sind out,
auch die Wanduhren in Eiche rustikal und
die Uhrenschilder mit Kreuzfuge. Der Markt
verlangt jetzt nach Napoleonuhren. 1998
werden zum ersten Mal über 10.000 Gehäuse
pro Jahr gefertigt. Noch heute verkauft
Markus Müller davon rund 500 pro Jahr.
Doch so richtige Dauerrenner unter
den Modellen gibt es nicht mehr.
Die Zahl der Kunden nimmt stetig ab, dafür
steigt der Umsatz pro Kunde.
G
roßuhren sind weniger gefragt, der
Kunde von heute kauft die Uhr nicht
als Zeitmesser, sondern als Designobjekt,
als Kunstgegenstand.
Uhrengehäuse im
Postmoderne-Stil
für Firma Kienzle
Massivholz lagert seit
2001 temperiert in der
Werkstatt
Zwischenlager
halbfertige Tischuhrgehäuse
Standuhr aus Fichte
massiv
mit handgemaltem
Schild
Motiv: Glatzenhaus
Einträge in der Handwerksrolle
Handwerkskammer Konstanz
Die aktuelle Kollektion umfasst unterschiedliche
Modelle - moderne und
traditionelle.
Eine von sechs Modellen aus der
Serie Napoleon-Uhr
Aus den Katalogen bekannter
Uhrenhersteller -
der Uhrengehäuse-Designer
bleibt anonym...
Moderne Wanduhren in Holz/Metall-
Kombination aus der aktuellen Kollektion
U
nd so experimentiert Markus Müller
mit Materialien, die auf den ersten Blick
nicht unbedingt zur guten alten analogen
Uhr passen wollen: Glas und Schiefer, rostige
Eisenteile, uralte, verwitterte Bretter treten
unter der Hand des Designers in einen spannungsreichen
Dialog mit strengen Zifferblättern.
Jedes Jahr komponiert er rund 20 neue
Uhren, setzt kraftvolle Elemente in eine spielerisch
leichte Beziehung und schafft Unikate,
die mit der Zeit gehen.
Firmensitz 2008
Die fünfte und sechste Generation von Leopold Müller & Söhne:
Familie Müller-Uhlmann
Mike, Markus, Marcel, Emilio, Luca,Sandra und Fiora
Chronologie
Schreinerei Leopold Müller und Söhne
Uhrengehäuse und Möbel
1939 Gründung der Spezialwerkstätte für Uhrengehäuse durch
die Brüder Albert und Leopold Müller III.
Die Produktion umfasst hauptsächlich Tisch- und Standuhren
1940 Beide Brüder werden zum Kriegsdienst eingezogen
Unterbrechung der Produktion
1945 schwieriger Neubeginn, zunächst mit Schatullen und Leuchten
Möbel werden gegen Lebensmittel getauscht
1948 Leopold und Albert Müller legen die Meisterprüfung
im Schreinerhandwerk ab
1949 Wiedereinstieg in die Uhrengehäuseproduktion
Beliefert werden ortsansässige Uhrenfabriken wie Badische Uhrenfabrik
und Firma Mayer in Furtwangen, Firma Schatz in Triberg, Urgos in
Schwenningen und Schmeckenbecher in Villingen
1953 Die geschäftlichen Wege der Brüder Albert und Leopold trennen sich.
Leopold Müller III. führt die Schreinerei und Uhrengehäusewerkstatt weiter
1964 Der erste Werkstattanbau – die Fertigungsfläche vergrößert sich
um das Doppelte
1965 Leopolds Sohn Siegfried legt die Prüfung zum Schreinermeister ab
Er arbeitet bereits seit seinem Handelsschulabschluss 1949 voll in der
Firma mit.
Das Uhrengewerbe und damit auch die Uhrengehäusefertigung erleben
eine Blütezeit
1980 Die zweite Betriebsvergrößerung – die Werkstatt nimmt nun zwei
Stockwerke ein, das Unternehmen beschäftigt 10 Mitarbeiter.
Nach dem Tod von Leopold Müller III. übernimmt Siegfried die
Führung des Familienunternehmens
1991 Siegfrieds Sohn Markus legt die Meisterprüfung ab und erhält für sein
Meisterstück den „Förderpreis für gutes Design“
Er leitet von nun an die Firma
1994 Mit dem Kauf einer CNC-Fräsmaschine wird die Produktion modernisiert.
Gleichzeitig kann die Schreinerei Müller nun auch hochpräzise
Lautsprecherboxen herstellen – eine Erweiterung der Produktpalette
2001 Die dritte Betriebsvergrößerung, die Fertigung wird weiter modernisiert
Ein eigenes Möbelsystem, Systembox, wird auf den Markt gebracht –
die Automatisierung macht’s möglich.
Nach wie vor umfasst der Hauptteil der Produktion der Firma Leopold Müller und
Söhne die Fertigung von Uhrengehäusen – Tischuhren, Wanduhren und Standuhren in
allen Größen und Formen.
Lochhofstr. 4
78120 Furtwangen
Tel. 07723 7446
Fax 07723 4823
mail schreiner-mueller@t-online.de
www.systembox.de