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wt 5-6-2020 - Innere Sicherheit

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technik V-VI/2020

G 4949

52. Jahrgang

w 14,50

ISSN 0043-2172

FCAS

Blaupause künftiger

europäischer

Verteidigungskooperation


Innere Sicherheit

Innere Sicherheit

Initiativen

TeutoDefence Germany Behördentage

Ein bedarfsgerechtes Fahrzeug für die Spezialkräfte stellt sich vor

Eigentlich hätten in der letzten Oktoberwoche die TeutoDefence

Germany Behördentage stattfinden sollen. Letztendlich fiel auch diese

familiäre „Hausmesse“ der Corona-Pandemie zum Opfer. Viele Einheiten

der polizeilichen und militärischen Spezialkräfte waren angemeldet. Zum

zahnjährigen Veranstaltungsjubiläum hatte man das Treffen für behördliches

Fachpublikum um die „Live Fire Days“ erweitert. Trotz Absage

gab es dann doch am 28. Oktober eine Präsentation vor ausgewähltem

Fachpublikum. Gezeigt wurde erstmals der LAPV (Light Armoured Patrol

Vehicle) ENOK 6.2 von ACS Armoured Car Systems, ausgestattet mit

einer Fernbedienbaren Leichten Waffenstation (FLW) deFNder Light des

belgischen Herstellers FN Herstal. ACS bezeichnet das Fahrzeug als

„Offensivfahrzeug für besondere Einsatzlagen.“ Es soll die Bedürfnisse

von Polizei-Spezialkräften erfüllen. Das neue taktische Fahrzeugsystem

wurde unter der Federführung von TeutoDefence Germany und der

Integration einer Waffenstation von FN Herstal und dem LAPV ENOK erfolgreich

umgesetzt.

Das Fahrzeug

Die LAPV ENOK-Familie kommt in drei Ausführungen: ENOK 5.4,

ENOK 6.2 und ENOK 7.5. Die Zahl in der Typenbezeichnung bezeichnet

das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs. Zwei Varianten – ENOK 5.4

und ENOK 6.2 – basieren auf dem Mercedes-Benz G-Modell, während

der ENOK 7.5 vom Mercedes-Benz Unimog-Fahrgestell abgeleitet ist.

Der LAPV ENOK 6.2 ist ein leichtes, gepanzertes Patrouillenfahrzeug auf

dem Militärfahrgestell der Mercedes-Benz G-Klasse. Bei der Federung

kommen höhenverstellbare Federbeine (aus dem Rallye Truck-Bereich)

zum Einsatz. Die Achsen sind mit Radvorgelege-Getrieben aufgerüstet,

um die Bodenfreiheit auf 45 cm zu erhöhen. Beadlock-Felgen mit

äußerer Verschraubung verhindern, dass die Reifen bei extrem niedrigem

Luftdruck von der Felge gedreht werden. Bei 6,2 Tonnen Gesamtgewicht

bietet das Fahrzeug 1.300 kg Nutzlast sowie 200 kg Dachlast.

Der von ACS und Mercedes-Benz entwickelte und produzierte

LAPV ENOK ist bei der Bundeswehr in Nutzung, so beim Kommando

Spezialkräfte (KSK), den Feldjägern, den Hundestaffeln der Pioniertruppe

und bei den Fernmeldern der Division Schnelle Kräfte (DSK). Neben der

Bundeswehr setzt auch die Bundespolizei 28 ENOK 6.2 als geschütztes

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Halbgruppenfahrzeug (Geschütztes Einsatzfahrzeug 2 Luftsicherheit;

GEF-2 LuSi) ein. Die Eliteeinheit GSG 9 wird als weiterer Nutzer genannt.

Außerdem befinden sich ENOK-Fahrzeuge bei der Bayerischen

Landespolizei (zwei Fahrzeugen mit Krähennest; ein Fahrzeug davon ausgerüstet

mit Waffenstation von Dynamit Nobel Defence) und beim SEK

Niedersachsen (ein Fahrzeug) im Einsatz.

Die Waffenanlage

Eingesetzt wird die FLW deFNder Light von FN Herstal. Holger Veh,

Geschäftsführer der TeutoDefence Germany, betont, dass „die deFNder

Light nicht nur sehr leicht, sondern auch einfach und schnell in Fahrzeuge

integrierbar ist.“ Dem schließt sich auch Sebastian Schaubeck, COO

bei ACS, mit den Worten an: „Die Integration der FN Waffenstation war

erstaunlich problemlos!“

Nach Entschlussfassung, die Waffenstation auf das Fahrzeug zu integrieren,

vergingen gerade mal zwei Wochen bis zur Einsatzreife des

Systems. Die Montage/Integration der FLW erfolgte in den Räumlichkeiten

von TeutoDefence Germany. Die technische Unterstützung wurde aus

einem Dreimann-Team, bestehend aus jeweils einem Mitarbeiter von

TeutoDefence Germany, FN Herstal und ACS, erfolgreich umgesetzt.

Als Waffen kann die FLW deFNder die Maschinengewehre MINIMI

5,56x45 mm NATO (M249), MINIMI 7,62x51 mm NATO, MAG 58 (M240)

7,62x51 mm NATO sowie die schweren Maschinengewehre M2 und

M3P (beide .50 BMG/12,7x99 mm NATO) aufnehmen. Letztere können

nur in der deFNder Medium aufgenommen werden. Hier liegt das

Gesamtgewicht dann einschließlich Waffe und Munition bei rund 200

kg. Theoretisch sind auch andere Waffen denkbar, dies würde eine

Anpassung der Waffenstation erfordern und bei den geringen Stückzahlen

der Polizeifahrzeuge wohl nicht wirtschaftlich sein.

Die FLW deFNder Light besteht aus zwei Hauptbaugruppen: die

Oberdeck-Baugruppe mit Waffenmodul, einschließlich Maschinengewehr,

Visiermodul, Munitionskasten (250 Patronen 7,62x51 mm),

Mast mit Azimut- und Elevationsauslösern (-60 Grad bis +80 Grad) und

Schleifring, sowie das Unterdeck mit Bedienerkonsole mit Display für

die Zielvisualisierung und -bekämpfung (Farb-CCD-Kamera mit Zoom)

und Bedienungsgriff (Joystick) für Ziel-, Schuss- und Visierauswahl. Das

Gesamtgewicht liegt bei 90 kg, die Aufbauhöhe der Waffenanlage bei weniger

als 520 mm. Mit der MINIMI 5,56x45 mm ist sie mit 80 kg sogar

leichter. Damit lässt sich die Waffenanlage auch auf Fahrzeugen mit geringer

Dachlast nutzen.

Optional werden angeboten: Munitionskästen mit einem Fassungsvermögen

bis 600 Patronen 7,62x51 mm, Tag/Nacht-Optik, CCD-Kamera

mit Infrarot-Wärmebildgerät, Laserentfernungsmesser (einschließlich ballistischem

Rechner), ballistischer Schutz bis Level 1 nach MIL-STD-4569

Der LAPV ENOK 6.2 ausgestattet mit Fernbedienbarer Leichter Waffenstation deFNder Light mit Maschinengewehr MAG 58 (M240) 7,62x51 mm von FN Herstal.

(Fotos: TeutoDefence Germany; Swen Schubert)


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und Stabilisator. Die Waffenanlage ist gyroskopisch stabilisiert, einschließlich

eines stabilisierten Aufklärungsbildes und der Zielverfolgung.

Damit kann die Waffenanlage bei Tag und Nacht eingesetzt und direkt an

ein Battle Management System (BMS) angebunden werden.

Die patentierte Stabilisatoranlage ermöglicht den qualifizierten

taktischen Einzelschuss und kommt damit einer der wichtigsten An forderung

der Polizei nach: Der Stabilisator (Wiegensystem) – im Zu sammenspiel

mit dem geringen Rückstoß – erhöht nicht nur die Erst schusstrefferwahrscheinlichkeit,

sondern garantiert auch, dass der zweite,

dritte und vierte Schuss identisch mit dem ersten im Ziel liegt. Holger

Veh sagte dazu: „Das Wiegensystem wurde speziell auf die FN Herstal-

Maschinengewehre abgestimmt.“

Die Bedienmöglichkeiten der Waffenanlage ermöglichen sowohl den

Einzelschuss als auch einstellbare Längen von Feuerstößen. Eingebaut

ist auch ein Schusszähler. Der Austausch von Maschinengewehren nimmt

ohne spezielles Werkzeug nicht länger als einige Minuten in Anspruch,

und die Waffe kann in weniger als 15 Sekunden zur Verwendung als zerlegte

Waffe entfernt werden. Die FLW deFNder hat mit +80 Grad einen

sehr hohen Elevationswinkel. Dieser weite Elevationswinkel ist besonders

nützlich in bebautem Einsatzumfeld, wenn Ziele weit oben in Gebäuden

bekämpft werden müssen.

Die Waffenanlage ist unter Schutz aus dem ENOK heraus bedienbar.

Der Bediener sitzt hinten links im Fahrzeug. Ein Nachladen ist durch die

Dachluke des Fahrzeuges möglich. Bei der Vorführung im Oktober wurde

ein Ziel aus der Fahrt heraus und auf Entfernungen von 100 m bis 20

m bekämpft. TeutoDefence Germany ist der Ansprechpartner für diese

Komplettlösung, bestehend aus Fahrzeug, Waffenanlage und Waffe.

Briefing

Drohnenabwehr – Jede Drohne könnte eine

Bedrohung für uns sein

Im Herbst 2016 wurden zwei Peschmerga-Kämpfer im Irak durch eine

explodierende Consumer-Drohne getötet und 14 weitere Personen teils

schwer verletzt. Die IS-Drohne wurde von kurdischen Kämpfern abgeschossen

und sollte untersucht werden, als ein integrierter Sprengsatz

detonierte. Der Vorfall gilt als einer der ersten tödlichen Angriffsdrohnen-

Einsätze des IS im Irak. Zahlreiche Drohnenfunde in befreiten Gebieten

deuteten auf intensive Entwicklungs- und Testversuche des IS hin, die

Wirkung von Angriffsdrohnen zu intensivieren. Zunächst eingesetzte

„Kamikaze-Drohnen“ wurden durch Trägervarianten abgelöst, die z. B. 40

mm Granaten mit HE (High Explosive)-Gefechtsladung gezielt abwarfen.

Spätestens 2017 war klar, die Verwendung von Consumer-

Drohnen als Angriffswaffe würde die Taktiken in asymmetrischen

Auseinandersetzungen verändern. Das gilt auch für reguläre Truppen,

besonders nachdem erste moderne Kampfpanzer durch unbemannte

Luftfahrzeugsysteme (Unmanned Aircraft Systems; UAS) im Wert von

US$1.000 zerstört wurden. Kleine Drohnen von Armee-Führungsstäben

wurden als „neue asymmetrische Bedrohung“ klassifiziert, denn es zeigte

sich, dass die Aufklärung und Bekämpfung von USCAS (Unmanned Small

Combat Aircraft System) äußerst schwierig ist.

Entwicklung wirksamer Detektions- und Abwehrsysteme

Doch Rüstungs- und Technikunternehmen in aller Welt nahmen die

Aufgabe an und entwickelten eine Vielzahl von UAS-Detektions- und

Abwehrsystemen. Heute bieten weltweit mehr als 200 Unternehmen

USCAS-Detektions- und -Abfangsysteme an, wobei die Kategorien

Detektion und Abfangen autark und auch kombiniert angeboten werden.

Die Frage, welche der beiden Kategorien eingesetzt wird, ist durch

das Einsatzprofil bzw. durch das zu sichernde Objekt bestimmt. Ein internationaler

Verkehrsflughafen muss den Flugbetrieb einstellen, wenn

eine Drohne im An- oder Abflugkorridor detektiert wird. Da jede Stunde

Betriebseinstellung hohe Kosten verursacht, liegt es im Interesse von

Flughafenbetreibern, Drohnen nicht nur als Gefahr zu detektieren, sondern

Die Systemlösungen SecuriWall DDS detektieren unbemannte Flugobjekte

höchst zuverlässig. Mobile Einheiten für temporäre Einsätze erweitern den

Detektionsradius auf mehrere Kilometer.

(Alle Fotos: Securiton Deutschland)

die Gefährdung möglichst schnell zu neutralisieren. Personen des öffentlichen

Interesses hingegen, die im privaten Umfeld Papparazzi-Attacken

fürchten, können sich durch Drohnendetektionssysteme vor unerwünschten

Beobachtungen schützen, im Alarmfall erfolgt der Rückzug ins Haus.

Die „Königsklasse“ der Drohnenbekämpfung ist die Detektion. Kleine

Flugkörper mit 15 bis 70 cm Durchmesser, von 0,15 bis 40 kg Gewicht, mit

Geschwindigkeiten von bis zu 80 km/h, mit einem hohen Kunststoffanteil,

in Distanzen von bis zu sieben Kilometern zu erkennen, stellt eine technologische

Herausforderung dar, die durch singuläre Detektions-Sensoren nur

schwer zu realisieren ist. Multisensorsysteme werden aus RF-Sensoren,

Radarsystemen, Akustiksensoren, Wärmebild- und hochauflösenden

Videokameras fusioniert. Der eingesetzte Komponentenmix ist so vielschichtig

wie die Produkte der Elektronikindustrie. Rüstungsunternehmen

scheinen die Strategie zu verfolgen, möglichst weitreichende und universell

einsetzbare Drohnendetektionssysteme (DDS) zu entwickeln, wodurch

auch die Preisentwicklung bestimmt wird. Zivile Anbieter von DDS haben

die Systemkosten im Blick und reduzieren sich auf Erfassungsdistanzen

von sieben bis acht Kilometern, oft weniger. Eine 60 km/h fliegende

Drohne legt sieben Kilometer innerhalb von sieben Minuten zurück, genügend

Vorwarnzeit, sowohl im Rahmen von militärischen als auch zivilen

Anwendungen. Drohnenmeldungen werden in der Regel von leistungsfähigen

Managementsystemen verarbeitet, die sowohl Drohnendistanz,

-kurs und -geschwindigkeit präzise angeben. Im militärischen Umfeld

werden Drohnenmeldungen mit den typischen Warnfunktionen kommuniziert,

sodass festgelegte Schutz- und Abwehrmaßnahmen durchgeführt

werden können. Gewerblich-industrielle Anwendungen verarbeiten

Drohnenwarnmeldungen schutzobjektbezogen. So werden

beispielsweise Beschattungssysteme aktiviert, wenn Drohnen im Umfeld

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