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ZL Interview Shirin Ebadi (Mai 10)

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Zürcher Landzeitung Donnerstag,27. Mai 2010

Ausland

15

Iran Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi über das Regime und Menschenrechtsverletzungen

«Ich befürworteein Burkaverbot»

DerWesten dürfewegen

demAtomstreit dieMenschenrechtsverletzungen

im Iran

nicht vergessen, fordert Friedensnobelpreisträgerin

Shirin

Ebadi. Sie istfür ein Verbot

vonGesichtsverhüllungen.

Interview Philipp Hufschmid

Shirin Ebadi, im Juni 2009 wurden die

Proteste gegen die manipulierte Präsidentschaftswahl

gewaltsam niedergeschlagen.

Wie stark ist die oppositionelle

grüne Bewegung heute?

Je gewaltsamer das Regime wird,

desto stärker wird die grüne Bewegung.

Sie ist durch die Unterdrückung der Proteste

gestärkt worden.

Haben die Repressionen gegen die Opposition

seit den manipulierten Wahlen

zugenommen?

Ja, das ist richtig. Je schwächer die

Regierung wird, desto gewaltsamer wird

sie.Erstam9.Mai 2010 sind wieder fünf

Oppositionelle hingerichtet

worden. Und

das Regime war nicht

einmal bereit, die

Leichname den Familienangehörigen

übergeben.

zu

Wie steht es grundsätzlich

um die Menschenrechte

imIran?

Wir sind Zeugen von systematischen

Menschenrechtsverletzungen im Iran.

Die Zahl der inhaftiertenJournalistenist

die höchste weltweit. Im Jahr 2009 wurden

in keinem anderen Land mehr Minderjährige

hingerichtet.

Sie haben sich stark für die Rechte der

Frau eingesetzt. Hat sich die rechtliche

Situation der Frau imIran inden letzten

Jahren verbessert?

In einigen wenigen Fällen sind Gesetze

zu Gunsten der Frauen geändert

worden. Unter anderem wurde im Jahr

2004 das Sorgerecht für Kinder verbessert.

Aber wir haben noch einen langen

Shirin Ebadi

Die 1947 geborene Shirin Ebadi ist

in Teheran aufgewachsen. 1975 wurde

sie als erste Frau imIran zur Richterin

ernannt. Nach der Islamischen Revolution

1979 wurde sie mit religiösen

Argumenten des Amtes enthoben. Als

Anwältin engagierte sie sich später vor

allem für die Rechte von Frauen und

Kindern. 2000 wurde sie deshalb angeklagt

und verhaftet. Für ihren

Kampf für Freiheit und Menschenrechte

wurde sie 2003 mit dem Friedensnobelpreis

und letzte Woche mit

dem Internationalen Demokratiepreis

Bonn ausgezeichnet. (phh)

Wegvor uns, bis wir eine Gleichberechtigung

zwischen Mann und Frau haben.

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf

zur Verbesserung der Rechte

der Frau?

Am dringendsten ist eine Reform des

diskriminierenden Familienrechts.

In mehreren europäischen Ländern sollen

Burka und Niqab gesetzlich verboten

werden. Washalten Sie davon?

Das Verhüllen des Gesichts ist im

Islam verboten. Musliminnen dürfen

beim Gebet ihr Gesicht nicht bedecken.

Andernfalls verstossen sie gegen die

religiösen Vorschriften. Auch auf der

Pilgerfahrt in Mekka ist es verboten,

dass Frauen ihr Gesicht bedecken. Die

Gesichtsvermummung ist nicht islamisch

und auch aus Sicherheitsgründen

nicht vertretbar. Deshalb befürworte ich

ein Verbot von Burka und Niqab.

Wie viel Rückhalt hat Staatsoberhaupt

Ali Chamenei noch im Volk?

Ich glaube, die grüne Bewegung hat

klar gezeigt, inwieweit Chamenei noch

unterstützt wird.

Unterstützt die iranische

Bevölkerung die

Position von Präsident

Mahmud Ahmadinedschad

im Atomstreit?

Ich muss betonen,

dass der Atomstreit

für die iranische Bevölkerung

keine grosse

Bedeutung hat. Für

die Gesellschaft sind

Arbeitsplätze und Freiheit viel wichtiger.

Die Menschen leiden unter der hohen

Arbeitslosigkeit und der Unfreiheit.

Und sie wollen, dass ihnen die fundamentalen

Menschenrechte endlich gewährt

werden.

«Wir sind Zeugen

vonsystematischen

Menschenrechtsverletzungen

im Iran.»

Die ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats

wollen schärfere Sanktionen

gegen den Iran verhängen, wenn

die Uran-Anreicherung weitergeht. Finden

Sie das richtig?

Wirtschaftliche Sanktionen werden

der iranischen Bevölkerung nur Schaden

zufügen. Ausserdem geben sie dem

Regime einen Anlass, die Menschen politisch

noch stärker unter Druck zu setzen.

Lassen Sie mich stellvertretend für

die iranische Bevölkerung eine Bitte

äussern: Es muss verhindert werden,

dass die massiven Menschenrechtsverletzungen,

die jeden Tag im Iran passieren,

durch den Atomstreit aus der Öffentlichkeit

verdrängt werden.

Stattdessen sollte in den westlichen

Ländern versucht werden, wieder zu

zeigen, wie schlimmdie Lage für diepolitischen

Gefangenen im Iran ist.

Dann soll die internationale Gemeinschaft

also einfach zusehen, wie das iranischeRegime

sein Atomprogramm weiterverfolgt?

Ich bin grundsätzlich gegen Atomenergie,

selbst wenn es für friedliche

«Für die iranischeGesellschaft sind Arbeitsplätzeund Freiheit viel wichtiger

als der Atomstreit»: Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. (epa)

Zwecke ist. Die Atomenergie ist keine

gesunde Energie. Wir haben imIran ein

hohes Potenzial für Sonnenenergie. Mit

einem Zehntel der Summe, die für das

Atomprogramm ausgegeben wurde, wären

wir in der Lage, genügend Sonnenenergie

zu erzeugen. Dass würde es uns

nicht nur ermöglichen, den gesamten

Energiebedarf des Landes zu decken.

Wir könnten sogar Energie exportieren.

Als Nobelpreisträgerin sind Sie die bekannteste

Regimekritikerin im Iran.

Müssen Sie nicht ständig Repressionen

fürchten?

Ich lebe seit Jahren mit Drohungen.

Das dauert an. Mein Leben ist nicht sicherer

geworden.

Dieses Jahr konnten Sie wegen einer

Preisverleihung nur per Video-Botschaft

am Internationalen Menschenrechtsforum

inLuzern teilnehmen. Werden Sie

2011 dabei sein?

Wegen der besonderen Situation, in

der ich mich befinde, kann ich leider

nicht langfristig planen.

Irak Streit um Entschädigungszahlungen vergiftet Klima zwischen Kuwait und Irak

Washeisst «besondere Situation»?

Es passieren immer wieder unerwartete

Dinge. Wie erwähnt wurden am 9.

Mai2010 erneut fünf politische Gefangene

hingerichtet. Das heisst, eine Situation

kann sich jeden Moment grundlegend

verändern. Deshalb ist langfristiges

Planen für mich sehr schwierig.

Waskann die Schweiz tun, um dem Iran

zu helfen?

Wir hoffen, dass die Presse objektiv

über die Verhältnisse im Iran berichtet.

Zudem: Wenn Schweizer Politiker in

den Iran reisen, dann sollen sie sich mit

Vertretern der Zivilgesellschaft treffen.

Damit würden sie zeigen, dass sie die

Menschen im Iran respektieren.

StichwortIHRF

Das nebenstehende Telefoninterview

mit der Friedensnobelpreisträgerin

Shirin Ebadi ist im Rahmen des

Internationalen Menschenrechtsforums

Luzern (IHRF) zustande gekommen.

AmIHRF wird jährlich ein

aktuelles Thema der Menschenrechtsdebatte

zur Diskussion gestellt.

«Menschenrechte und Migration»

lautet das Thema für 2011.

Organisiert wird das IHRF vom Zentrum

für Menschenrechtsbildung der

Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz

in Luzern. (zl)

www.ihrf.ch

Regierung löstirakische Fluggesellschaft auf

Wegeneines Streits mitKuwait

um Entschädigungszahlungen

hat dieirakischeRegierung

diestaatliche Fluggesellschaft

IraqiAirways aufgelöst.

Michael Wrase, Limassol

Als Grund für die Entscheidung

nannte ein irakischer Regierungssprecher

die «vielen kuwaitischen Störungen»

sowie die Tatsache, dass man keine

eigenen Flugzeuge mehr besässe.

Iraqi Airways fliegt seit fünf Jahren mit

in Österreich und Schweden geleasten

Maschinen. Ende April flog die Gesellschaft

zum ersten Mal seit 20 Jahren

nach London, wodas Flugzeug im Auftrag

von Kuwait Airways von den britischen

Behörden zunächst beschlagnahmt

wurde. Dem Chef von Iraqi

Airways, der sich an Bord der Maschine

befand, wurde der Reisepass abgenommen.

Erkonnte erst nach einer Woche

nach Bagdad zurückkehren.

Kuwait Airways verlangt von Iraqi

Airways 1,2 Milliarden als Entschädigung

für zehn ihrer Flugzeuge, die während

des irakischen Überfalls auf Kuwait

im Sommer 1991 von den Truppen

Saddam Husseins gestohlen wurden.

Der Raub der Maschinen wird von Bagdadnicht

bestritten; nach dem Sturzdes

Diktators im Jahre 2003, argumentiert

man inder irakischen Hauptstadt, habe

sich die Rechtslage aber verändert. Es

sei an der Zeit, die international anerkannte

Regierung des «neuen befreiten

Irak» von Entschädigungszahlungen an

Kuwait zu befreien.

Gegen «gierige Scheichs»

Einseitige Schritte diesbezüglich hat

Bagdad bislang nicht unternommen. Seit

1991 zahlte der Irak erst 30 Prozent –

und heute 5Prozent –seiner Öleinnahmen

in einen Entschädigungsfonds ein

und erfülltdamit eine Forderung des UN-

Sicherheitsrates. Mehr als 38Milliarden

Dollar sollKuwaitbislang vonIrakerhalten

haben. Für die Wiedergutmachung

von Sach- und Umweltschäden, der Zerstörung

vonErdölanlagen sowie Schäden

in Wüsten und Meeresgebieten während

der siebenmonatigen Besatzung fordert

Kuwait allerdings das Fünffache, nämlich

190 Milliarden Dollar.

Der anhaltende Streit um die extrem

hohen kuwaitischen Reparationsforderungen,

der nun zur wohl nur temporären

Auflösung von Iraqi Airways führte,

hat das Klima zwischen beiden Ländern

nachhaltig vergiftet. Mehrfach gingen in

den letzten Wochen und Monaten Hunderte

von Irakern auf die Strassen, um

gegen «kuwaitische Provokationen» zu

protestieren. Die Regierung müsse sich

endlich gegen «gierige Scheichs»wehren.

Nicht wenige verteidigten hinter vorgehaltener

Hand SaddamHusseins Kuwait-

Invasion sowie die seinerzeit erfolgte Annektierung

der «19. irakischen Provinz»

(Kuwait).

Korea

Clinton warnt

Nordkorea

Im Konfliktumdie Versenkung

eines südkoreanischen

Kriegsschiffes erhöhten

dieUSA gesternihren Druck

auf Nordkorea.

Aussenministerin Hillary Clinton erklärte

am Mittwoch in Seoul, es gebe

überwältigende Beweise für die Schuld

Nordkoreas am Schiffsuntergang im

März. Sie drang auf einegeschlossene internationale

Reaktion. Der Torpedoangriff

auf das Schiff stelle eine «inakzeptable

Provokation» dar, sagte Clinton nach

Krisengesprächen mit der südkoreanischen

Regierung. «Die internationale

Gemeinschafthat dieVerantwortung und

Pflicht zu antworten».

Der Zwischenfall erfordere eine

«feste, aber wohl überlegte» Antwort,

sagte Clinton weiter. Sie warnte die

Führung in Pjöngjang, dass es Provokationen

und die «Politik der Drohungen

gegen seine Nachbarn» einstellen müsse.

Die USA überprüften «zusätzliche Optionen

und Befugnisse, um Nordkorea

und seine Führer zur Verantwortung zu

ziehen». Wie diese Optionen aussehen

könnten, sagte sie nicht.

Clinton bekräftigte in Seoul die Unterstützung

der US-Regierung für Südkoreas

Strafmassnahmen gegen Nordkorea

und den Wunsch nach einer Einschaltung

des Uno-Sicherheitsrats. Clintons

Kurzaufenthalt in Seoul galt auch als

Geste der Solidarität. (dpa/afp)

Italien

7000 Konten von

Steuersündern aufCD

Die Ende 2009 aufgetauchte CD mit

vertraulichen Bankdaten aus der

Schweiz hat nun auch mutmassliche

italienische Steuersünder auffliegen lassen.

Italiens Steuerbehörden fanden darauf

nahezu 7000 Konten von italienischen

Steuerzahlern mit insgesamt 6,9

Milliarden Dollar Vermögen. Auf 132

Konten würden jeweils mehr als zehn

Millionen Dollar liegen, teilten die Behörden

mit. Die Daten auf der CD

stammten von der Genfer Tochter der

britischen Grossbank HSBC, wo sie der

ehemalige Mitarbeiter Hervé Falciani

entwendet hatte. Im Dezember waren

die Daten zuden französischen Behörden

gelangt, die sie letzte Woche an Italien

weitergegeben haben. (reu)

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In Kürze

Reichensteuer eingeführt

Madrid. Spanien löst einen Teil seiner

Haushaltsprobleme mit einer Reichensteuer.

Die Regierung werde Besserverdienende

in den kommenden Wochen

bitten, einen grösseren Beitrag zu leisten,

sagte Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez

Zapatero. Details wollte er nicht

nennen. Gemäss Medienberichten soll

die Steuer abeinem Eigenkapital von einer

Million Euro greifen. (reu)

Abschied der Blauhelme

New York. Die Uno-Blauhelme der Friedensmission

im Tschad und der Zentralafrikanischen

Republik (Minurcat) werden

bis Ende des Jahres abgezogen. Der

Uno-Sicherheitsrat stimmte einstimmig

für eine entsprechende Resolution. Bereits

am 27. Mai sollen die ersten Friedenstruppen

die Region verlassen. (dpa)

005.743666

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