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Monika Schneidereit, Referatsleiterin Kunst + Musikhochschulen im ...

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<strong>Monika</strong> <strong>Schneidereit</strong><br />

Das <strong>Kunst</strong>hochschulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Vortrag auf der Jahrestagung der Konferenz der Hochschulen für Musik, Theater, Tanz, <strong>Kunst</strong><br />

und Design am 19. November 2010<br />

Anrede<br />

Ich möchte mich zunächst sehr dafür bedanken, dass ich Ihnen heute das<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vorstellen darf. Es ist mir eine Freude<br />

und auch eine Ehre, weil es doch zeigt, dass über unser Land hinaus Interesse an diesem <strong>im</strong><br />

gesamten deutschsprachigen Raum bis heute einmaligen Gesetz besteht. Die guten<br />

Erfahrungen, die wir mit diesem Gesetz machen, lassen mich – <strong>im</strong> Interesse der Qualität<br />

künstlerischer Ausbildung - hoffen / wünschen, dass Nordrhein-Westfalen damit nicht allein<br />

bleibt.<br />

Ich werde versuchen, Ihnen die Philosophie dieses Gesetzes in seinen wesentlichen Punkten<br />

zu erläutern, ohne dabei allzu sehr ins Detail zu gehen. Dafür bleibt in der Diskussion nachher<br />

bei Bedarf sicher noch ausreichend Gelegenheit.<br />

Das Gesetz ist selbstverständlich auf der Homepage meines Ministeriums abrufbar. ich habe<br />

aber auch einige Exemplare mitgebracht für diejenigen unter Ihnen, die sich damit ausführlicher<br />

befassen wollen.<br />

1. Die <strong>Kunst</strong>hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Das Land Nordrhein-Westfalen hat 7 <strong>Kunst</strong>hochschulen:<br />

a) die vier <strong>Musikhochschulen</strong><br />

Hochschule für Musik Detmold<br />

gegründet durch die Initiative der Bürger der Stadt, die nach dem Ende des Krieges<br />

einen Wiederaufbau nach all den Zerstörungen ohne Kultur für unmöglich hielten<br />

Robert-Schumann Hochschule Düsseldorf<br />

- jüngste Musikhochschule, 1987 aus Abteilung der Kölner Musikhochschule entstanden<br />

- <strong>im</strong>mer noch leichtes Defizit in der Ausstattung


- 2 -<br />

Folkwang Hochschule in Essen mit Abteilungen in Duisburg (Klavier und Alte Musik) und<br />

Bochum (Schauspiel)<br />

An der Folkwang-Hochschule sind außer der Musik auch die darstellenden Künste<br />

einschließlich des Tanzes angesiedelt und seit 2008 auch das Design.<br />

Hochschule für Musik und Tanz Köln mit Abteilungen in Aachen und Wuppertal<br />

größte Musikhochschule in Deutschland und wohl auch in Europa<br />

Zu den <strong>Musikhochschulen</strong> zählt auch der Fachbereich Musikhochschule der Universität<br />

Münster, der bis 2002 als Abteilung der Musikhochschule Detmold zugeordnet war. Die<br />

Integration in eine Universität ist in künstlerischer Hinsicht problematisch, weil damit eine<br />

institutionell begründete Verbindung zu den <strong>Musikhochschulen</strong> und damit jegliche qualitative<br />

Rückkoppelung sowohl für die Eingangs- wie für die Abschlussprüfungen fehlt.<br />

-offene Baustelle<br />

b) die beiden <strong>Kunst</strong>akademien<br />

<strong>Kunst</strong>akademie Düsseldorf<br />

Diamant unter den Perlen<br />

bald 200 Jahre alt<br />

in allen historischen Phasen brillante Künstler unter den Lehrenden und den<br />

Studierenden<br />

<strong>Kunst</strong>akademie Münster<br />

- mit nur 16 Professuren kleinste <strong>Kunst</strong>hochschule des Landes<br />

- gegründet 1987, hervorgegangen aus dem lehrerbildenden Institut der <strong>Kunst</strong>akademie<br />

Düsseldorf<br />

- Lehrerausbildung gleichgewichtig neben der rein künstlerischen Ausbildung<br />

c) die <strong>Kunst</strong>hochschule für Medien Köln<br />

einmalige Kombination aus Medienkunst, Film, Gestaltung und Wissenschaft<br />

auch die KHM ist eine „junge“ Hochschule<br />

gegründet 1990, gerade 20jähriges Jubiläum<br />

gehört aber bereits heute zu den Spitzenplätzen der Filmausbildung, gerade deshalb,<br />

weil sie nicht vordergründig auf die Ausbildung für Filmberufe abzielt, sondern <strong>Kunst</strong>- und<br />

Medienausbildung auf der Basis ihres einmaligen Konzepts integriert.


- 3 -<br />

In diesen 7 <strong>Kunst</strong>hochschulen werden Studiengänge <strong>im</strong> gesamten künstlerischen<br />

Fächerspektrum (mit Ausnahme der Literatur) angeboten - durchgängig auf hohem bis<br />

höchstem nationalen und internationalen Niveau. Ich darf das hier so sagen, weil dieses hohe<br />

Niveau für die Entscheidung, ein eigenes Gesetz zu machen und die <strong>Kunst</strong>hochschulen auf<br />

andere Weise zu steuern als die Universitäten und Fachhochschulen, eine wesentliche Rolle<br />

gespielt hat. Natürlich gibt es auch Universitäten und Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen,<br />

die international hoch angesehen und wettbewerbsfähig sind (z. B. Aachen, Bonn, Köln und<br />

Bochum), aber es gibt – anders als <strong>im</strong> <strong>Kunst</strong>hochschulbereich - auch Hochschulen, die nicht<br />

auf gleichem Niveau konkurrieren. Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit in Forschung und<br />

Lehre und damit der Wettbewerbsfähigkeit war deshalb bei den beiden Novellen zum<br />

Hochschulgesetz, die es in diesem Jahrzehnt gegeben hat, eines der wesentlichen Ziele. Für<br />

die <strong>Kunst</strong>hochschulen ist es dagegen wichtigstes Ziel aller Landespolitik, das erreichte hohe<br />

Niveau zu erhalten und die <strong>Kunst</strong>hochschulen bei ihrer Arbeit zu unterstützen.<br />

2. <strong>Kunst</strong>hochschulen haben und brauchen ein offenes, kollegiales und kommunikatives<br />

Binnenkl<strong>im</strong>a<br />

Die <strong>Kunst</strong>hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen sind <strong>im</strong> Vergleich zu Universitäten und<br />

Fachhochschulen sehr kleine Einrichtungen. Die Zahl der Studierenden liegt zwischen 303 an<br />

der <strong>Kunst</strong>akademie Münster und 1419 an der Kölner Musikhochschule, die Zahl der<br />

Professuren liegt zwischen 16 (<strong>Kunst</strong>akademie Münster) und 110 (Musikhochschule Köln).<br />

Die <strong>Kunst</strong>hochschulen des Landes zusammen haben ein Haushaltsvolumen von 72,5 Mio €<br />

(alle Daten beziehen sich auf das Jahr 2008). Das entspricht rund einem Drittel des Haushalts<br />

einer mittleren Universität wie Bonn oder nur 0,03 % des Haushalts aller staatlichen<br />

Hochschulen zusammengenommen.<br />

Schon allein aus diesen Größenordnungen, aber noch viel mehr aus den Merkmalen<br />

künstlerischer Arbeit und den ausgeprägten Persönlichkeitsprofilen von Lehrenden und<br />

Studierenden ergibt sich ein Binnenkl<strong>im</strong>a, das weniger von strukturierten Routineabläufen<br />

geprägt ist als von <strong>im</strong>mer neuen, sich täglich ändernden Anforderungen künstlerischer<br />

Produktionsprozesse. Und das ungleich mehr angewiesen ist auf die jeweils individuelle<br />

Verständigung zwischen den beteiligten Personen (Künstler, Studierende und Verwaltung).<br />

Nicht zuletzt deshalb bestehen alle <strong>Kunst</strong>hochschulen auf dem - aus der Sicht der übrigen<br />

Hochschulpolitik schon beinahe antiquiert erscheinenden - Senat, dem Rektor und Dekane als<br />

Mitglieder angehören und der als kollegiales Entscheidungsgremium zentrale Instanz der<br />

Hochschule ist.


- 4 -<br />

3. Qualitätskontrolle an <strong>Kunst</strong>hochschulen kann sich kaum auf objektive Zahlen stützen,<br />

sondern kommt ohne subjektive Bewertungen nicht aus<br />

Die Qualität einer <strong>Kunst</strong>hochschule entscheidet sich daran, ob es ihr gelingt, Künstlerinnen und<br />

Künstler als Studierende und Lehrende zusammenzuführen und an sich zu binden. Sich für ein<br />

Leben als Künstler oder Künstlerin, für eine künstlerische Ausbildung zu entscheiden, ist in der<br />

Regel keine Berufswahl wie andere. Sie setzt nicht nur <strong>im</strong>mer eine besondere, außerordentliche<br />

Begabung voraus, sondern sie wird i.d.R. gar nicht <strong>im</strong> eigentlichen Sinne getroffen, sondern<br />

ergibt sich zwingend oft schon <strong>im</strong> Kindesalter. Und nicht <strong>im</strong>mer, vielleicht sogar meistens nicht,<br />

ist es eine Entscheidung, die leicht fällt. Die jungen Menschen, die das Bewerbungsverfahren<br />

an einer <strong>Kunst</strong>hochschule erfolgreich überstehen, haben <strong>im</strong>mer bereits Jahre der Qualifizierung<br />

und künstlerischen Arbeit hinter sich. Sie kommen - selbst wenn sie vielleicht vom großen<br />

Ruhm träumen mögen - <strong>im</strong> sicheren Wissen, dass sie härteste Arbeit und hohes Risiko<br />

erwartet.<br />

Sie kommen oft wegen eines einzelnen Lehrers und sie kommen insbesondere in die<br />

<strong>Musikhochschulen</strong> oft schon als Kinder. Die Ausbildung besteht in allen <strong>Kunst</strong>hochschulen zu<br />

einem wesentlichen und quantitativ hohen Anteil aus der persönlichen Beziehung zwischen<br />

Lehrer und Schüler. Ob eine Hochschule gute Schüler und Schülerinnen hat, hängt an der<br />

Persönlichkeit der Lehrenden. Und ob sie international Erfolg hat, hängt daran, ob<br />

herausragende Künstler dort ein Umfeld vorfinden, das ihnen hilft, sich ihrer <strong>Kunst</strong> zu widmen<br />

und die Studierenden in die <strong>Kunst</strong>ausübung einzubeziehen und das zugleich ihren Schülern<br />

den Spielraum gibt, sich selbst zu erproben.<br />

Der Erfolg einer <strong>Kunst</strong>hochschule zeigt sich am künstlerischen Erfolg der Lehrenden, der<br />

Studierenden und der Absolventen. Schon das Aufnahmeverfahren ist eine qualitative Auswahl<br />

auf höchstem Niveau. Die Zahl der in den einzelnen Fächern aufgenommenen Studierenden<br />

ergibt sich deshalb nicht in erster Linie aus einer quantitativ festgelegten Aufnahmequote,<br />

sondern wird durch die Zahl der <strong>im</strong> jeweiligen Bewerberjahrgang vorhandenen künstlerischen<br />

Begabungen best<strong>im</strong>mt. Absolventenzahlen sind nur eingeschränkt ein Maßstab für den<br />

Ausbildungserfolg, weil gerade die herausragenden Studierenden ihr Studium oft mit einem<br />

Engagement oder dem Beginn einer Existenz als freier Künstler beenden als mit einem<br />

formalen Studienabschluss.<br />

Ein System der Steuerung und der Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung für<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulen muss diesen besonderen Bedingungen Rechnung tragen. Qualität lässt sich<br />

<strong>im</strong> Bereich der <strong>Kunst</strong>hochschulen nicht angemessen mit quantitativen Parametern abbilden.<br />

Zudem kommt die Feststellung dessen, was künstlerische Qualität ist, nicht ohne subjektive<br />

Bewertungen aus.


- 5 -<br />

Es macht deshalb Sinn, dass die jeweilige Öffentlichkeit, in der Leistung und Qualität von <strong>Kunst</strong>,<br />

Künstlern und <strong>Kunst</strong>ausbildung wahrgenommen und bewertet werden, einbezogen wird. Die<br />

öffentliche Wahrnehmung ist, dem Niveau unserer <strong>Kunst</strong>hochschulen entsprechend, nicht auf<br />

ihre jeweiligen Standort-Regionen begrenzt, sondern national bzw. international. Wir sind<br />

deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass weder die für wissenschaftliche Studiengänge<br />

entwickelte Akkreditierung noch die Einrichtung von Hochschulräten den <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

qualitativ weiterhelfen.<br />

Stattdessen sieht das <strong>Kunst</strong>HG die Einrichtung eines für alle <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

gemeinsamen Landesbeirats vor, der die Außenwahrnehmung der künstlerischen Qualität der<br />

Ausbildungen rückkoppelt und der Land und Hochschulen <strong>im</strong> Hinblick auf die qualitativfachlichen<br />

Fragen der <strong>Kunst</strong>hochschulen berät. Er ist mit Persönlichkeiten aus den<br />

verschiedenen Feldern der <strong>Kunst</strong> besetzt und kristallisiert sich darüber hinaus langsam zu<br />

einem ausgesprochen hilfreichen Forum zur Beratung von Fragen, die alle <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

gemeinsam treffen.<br />

Das <strong>Kunst</strong>HG sieht zwar grundsätzlich die Akkreditierung der Studiengänge der<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulen vor. Dies ist aber eher ein politisch notwendiges Zugeständnis und ein<br />

Offenhalten für zukünftige Entwicklungen. Der entsprechende § 7 beginnt deshalb mit dem Satz<br />

„Die Besonderheiten der <strong>Kunst</strong>hochschulen erfordern Ausnahmen vom Grundsatz der<br />

Akkreditierung in künstlerischen Studiengängen.“ In der Umsetzung sind vor diesem<br />

Hintergrund alle Studiengänge, deren künstlerische Anteile mehr als 50% ausmachen, von der<br />

Akkreditierung ausgenommen.<br />

4. Vorgeschichte und Prozess der Entscheidungsfindung<br />

Erst mit der Verabschiedung der <strong>Kunst</strong>hochschulgesetzes vom 20. 10. 1987, das bis zum<br />

Hochschulgesetz <strong>im</strong> Jahre 2005 <strong>im</strong> Wesentlichen unverändert geblieben ist, erhielten die bis<br />

dahin staatliche Anstalten den Hochschulstatus. Sie sind seitdem den Universitäten gleich<br />

gestellt.<br />

Anstoß zu diesem ersten <strong>Kunst</strong>hochschulgesetz war die Tatsache, dass Nordrhein-Westfalen<br />

zum damaligen Zeitpunkt das einzige Land der Bundesrepublik war, das für diesen Bereich<br />

über keine umfassenden gesetzlichen Vorgaben verfügte. Die Organisation künstlerischer<br />

Ausbildung in Anstalten des öffentlichen Rechts war zudem <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

verfassungsrechtlichen Garantien (Freiheit von Forschung und Lehre) als bedenklich beurteilt<br />

worden.<br />

Mit dem Hochschulgesetz 2005 wurde dieses <strong>Kunst</strong>hochschulgesetz aufgehoben. Die<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulen unterlagen damit den gleichen Regelungen wie die Universitäten und


- 6 -<br />

Fachhochschulen, von einigen Besonderheiten wie dem Hochschulzugang oder dem Status der<br />

Lehrbeauftragten an den <strong>Musikhochschulen</strong> abgesehen.<br />

Die <strong>Kunst</strong>hochschulen hatten sich zunächst einhellig gegen die Integration in ein einheitliches<br />

Hochschulgesetz ausgesprochen. Erst als kein grundsätzlicher Entscheidungsspielraum mehr<br />

bestand, hatten sie die weitere Mitarbeit natürlich nicht verweigert. Unterstützung hatten sie <strong>im</strong><br />

Landtag bei der CDU-Fraktion, die sich mit einem, vom damaligen Landtag abgelehnten Antrag<br />

für den Erhalt des <strong>Kunst</strong>hochschulgesetzes eingesetzt hatte.<br />

Tatsächlich wurde dieses Hochschulgesetz in den <strong>Kunst</strong>hochschulen nicht umgesetzt, sondern<br />

bis zur Verabschiedung des neuen <strong>Kunst</strong>hochschulgesetzes <strong>im</strong> Frühjahr 2008 „untertunnelt“.<br />

In der ersten Dienstbesprechung der neuen Legislaturperiode <strong>im</strong> August 2005 (die Neuwahlen<br />

<strong>im</strong> Mai hatten zur Ablösung der von SPD und Grünen gestellten Regierung durch eine neue<br />

Koalition aus CDU und FDP geführt) hatte der neue Wissenschaftsminister Pinkwart eine<br />

grundsätzliche Offenheit für eigene gesetzliche Regelungen signalisiert, sofern diese nicht eine<br />

einfache Doppelung ohne substantiell eigenen Regelungsgehalt seien.<br />

Daraufhin haben die <strong>Kunst</strong>hochschulen zunächst den Kanzler der <strong>Kunst</strong>akademie Düsseldorf,<br />

zunächst einen Entwurf eines exemplarischen <strong>Kunst</strong>hochschulgesetzes erarbeitet, um deutlich<br />

zu machen, dass die Formulierung eines in sich st<strong>im</strong>migen Gesetzes für die <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

möglich sei, ohne das HG zu wiederholen oder auf Verweise angewiesen zu sein. Wichtigstes<br />

Anliegen aller <strong>Kunst</strong>hochschulen war es, die Regeln für Organisation und Betrieb aus den<br />

eigenen Bedürfnissen und Bedingungen zu definieren. Rechtliche Vorschriften für<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulen sollten sich aus den Notwendigkeiten der <strong>Kunst</strong> und der <strong>Kunst</strong>ausbildung<br />

ableiten statt in der Differenz zu Wissenschaft und wissenschaftlicher Lehre einen<br />

Ausnahmestatus zu beschreiben.<br />

Nachdem ein solcher Entwurf vorlag, wurde <strong>im</strong> Dezember 2005 wurde bei einer Besprechung<br />

mit den <strong>Kunst</strong>hochschulen vereinbart, dass sie bis zum Sommer des Jahres 2006 ihre<br />

Vorstellungen und Vorschläge für ein <strong>Kunst</strong>hochschulgesetz erarbeiten sollten. Das weitere<br />

Vorgehen und ggfls. das Verfahren zum Entwurf eines Gesetzes sollten dann gemeinsam<br />

erörtert werden.<br />

Ergebnis einer daraufhin eingerichteten Arbeitsgruppe der <strong>Kunst</strong>hochschulen, an deren<br />

Beratungen ich für das Ministerium beteiligt war, war ein „Thesenpapier zur Gestaltung eines<br />

Regelwerks für die sieben <strong>Kunst</strong>- und <strong>Musikhochschulen</strong> des Landes NRW“. Das Papier<br />

war von allen 7 Rektoren gemeinsam unterzeichnet, und ich denke, dass hierin einer der<br />

Schlüssel für den erfolgreichen Weg zum <strong>Kunst</strong>HG lag. Bis dahin waren die <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

vor allem jede mit sich selbst beschäftigt und waren dementsprechend in politischen<br />

Diskussionen und Entscheidungsprozessen nur sehr begrenzt erfolgreich.


- 7 -<br />

Zusammengefasst sahen die <strong>Kunst</strong>hochschulen <strong>im</strong> Konkreten viel, <strong>im</strong> Grundsätzlichen<br />

dagegen wenig Änderungsbedarf gegenüber dem System der Organisation und Steuerung auf<br />

der Grundlage des 2004 aufgehobenen <strong>Kunst</strong>hochschulgesetzes.<br />

5. Die Eckpunkte des <strong>Kunst</strong>HG<br />

Nach dem Vorliegen dieses Thesenpapiers ging der Entscheidungsprozess zügig voran. Zu<br />

Beginn des Jahres 2007 wurde der Prozess der Gesetzgebung eingeleitet, <strong>im</strong> Februar 2008<br />

wurde das Gesetz in seiner heute gültigen Fassung verabschiedet, zum 1. April 2008 ist es in<br />

Kraft getreten. Die mit dem Thesenpapier und in der Folge auch <strong>im</strong> Beratungsprozess erreichte<br />

Einigkeit zwischen den <strong>Kunst</strong>hochschulen hatte außer dem Gesetz selbst eine weitere<br />

phänomenale Folge: das Gesetz wurde von Landtag einst<strong>im</strong>mig beschlossen, d.h. alle <strong>im</strong><br />

Landtag vertretenen Parteien einschließlich denen der damaligen Opposition (die ja zuvor das<br />

alte <strong>Kunst</strong>hochschulgesetz aufgegeben hatte und die heute wieder die Regierung stellt) haben<br />

diesem Gesetz zugest<strong>im</strong>mt. Ich denke, man muss in der Geschichte des Landtags weit zurück<br />

gehen, um einen ähnlichen Fall einst<strong>im</strong>miger Beschlussfassung bei einem operativen Gesetz<br />

zu finden, wenn es denn überhaupt schon einmal einen solchen Fall gegeben hätte.<br />

Die wesentlichen Regelungen des Gesetzes, die in allen grundsätzlichen Fragen den<br />

Vorschlägen des Thesenpapiers der <strong>Kunst</strong>hochschulen entsprechen und die zugleich die<br />

Unterschiede zum allgemeinen Hochschulgesetz markieren, sind:<br />

- Beibehaltung der Doppelnatur der <strong>Kunst</strong>hochschulen als Körperschaften und<br />

Einrichtungen des Landes; das schließt ausdrücklich auch die Beibehaltung staatlicher<br />

Fachaufsicht, sofern es nicht um Selbstverwaltungsangelegenheiten geht, ein. Die<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulen sehen in der Mitverantwortung des Staates, die allerdings <strong>im</strong> praktischen<br />

Betrieb der Hochschulen genügend Autonomie gewährleisten müsse, nicht Bevormundung,<br />

sondern überwiegend einen notwendigen Schutz, den die <strong>Kunst</strong> und noch mehr die<br />

<strong>Kunst</strong>ausbildung braucht.<br />

- Beibehaltung von Rektorat und Senat in der kollegialen Struktur des alten<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulgesetzes; diese Struktur ist <strong>im</strong> Gesetz als Regelfall definiert. Vorgesehen sind<br />

aber darüber hinaus selbstständige Gestaltungsmöglichkeiten bei der Hochschulverfassung, um<br />

auch für nicht absehbare zukünftige Entwicklungen gerüstet zu sein.<br />

- Verzicht auf Hochschulräte als Steuerungsorgane der <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

- offene Regelungen zur Binnenstruktur, insbesondere <strong>im</strong> Hinblick auf mögliche<br />

Alternativen zu einer Gliederung in Fachbereiche<br />

- Delegation von Berufungsverfahren und Genehmigung von Studiengängen in die<br />

Zuständigkeit des Rektors bzw. der Rektorate


- 8 -<br />

- Einrichtung eines gemeinsamen Beirats für alle <strong>Kunst</strong>hochschulen (s.o.)<br />

- weitgehende Ausrichtung der Einzelregelungen in den Bereichen Lehre, Studium,<br />

Prüfungen und Dienstrecht an den Belangen der <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

6. Im Bereich der <strong>Kunst</strong>hochschulen ist der Staat nicht Hindernis, sondern Garant des<br />

notwendigen Wettbewerbs<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulen brauchen die Autonomie in allen Fragen der <strong>Kunst</strong>. Im Bereich der<br />

Administration ist dagegen gerade wegen des der <strong>Kunst</strong> und damit der künstlerischen<br />

Ausbildung eigenen offenen Prozesses ihrer Entstehung staatlicher Schutz und Unterstützung<br />

<strong>im</strong> positiven Sinne zur Absicherung von Freiräumen erforderlich, um dem eigenen<br />

Leistungsanspruch gerecht werden zu können.<br />

Anders als Universitäten und Fachhochschulen sahen und sehen die <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />

staatliche Zuständigkeit nicht als Wettbewerbshindernis, sondern als Garantie und Schutz für<br />

die Sicherung des künstlerischen Niveaus. <strong>Kunst</strong> und <strong>Kunst</strong>hochschulen waren und sind durch<br />

die Jahrhunderte hindurch auf besondere mäzenatische oder gesellschaftliche Fürsorge und<br />

Unterstützung angewiesen. Die Beibehaltung staatlicher Verantwortung nicht <strong>im</strong> täglichen<br />

Ablauf, sondern in der Garantenstellung für die Qualität der Ausbildung ist Voraussetzung dafür,<br />

dass auch in Zukunft der erfolgreiche Wettbewerb um die besten Künstlerinnen und Künstler<br />

und um die besten Studierenden das hohe Niveau und Ansehen der <strong>Kunst</strong>hochschulen des<br />

Landes best<strong>im</strong>men kann.<br />

Ergebnis des <strong>Kunst</strong>HG ist deshalb eine fruchtbringende und konstruktive Zusammenarbeit<br />

zwischen den <strong>Kunst</strong>hochschulen des Landes und der staatlichen Aufsicht, die – das kann ich<br />

zweieinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes uneingeschränkt auch für die<br />

<strong>Kunst</strong>hochschulen sagen – von allen als außerordentlich hilfreich und unterstützend, ja als<br />

beflügelnd erlebt wird.<br />

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