Projektkonzept-Outsider Art inklusiv-Barbara Schmidt
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Outsider Art inklusiv
Lebenshilfe Heidelberg – Sammlung Prinzhorn – Pädagogische Hochschule Heidelberg
Projektkonzept – Outsider Art inklusiv
Vorangegangenes Seminar „Kunst & Inklusion“ – Sommersemester 2019, damals in der Ausstellung „Gewächse der Seele.
Pflanzenfantasien zwischen Symbolismus und Outsider Art“ Wilhelm-Hack Museum Ludwigshafen
Outsider Art inklusiv
Lebenshilfe Heidelberg – Sammlung Prinzhorn – Pädagogische Hochschule Heidelberg
1. FORTENTWICKLUNG EINER IDEE – Kunst & Inklusion. Ein Seminarkonzept in der Kooperation
zwischen Lebenshilfe Heidelberg & Pädagogischer Hochschule Heidelberg
Der Beginn des inklusiven Hochschulseminars „Kunst & Inklusion“ liegt im Jahr 2013. Seitdem entwickeln
Barbara Schmidt, Dipl. Kunsttherapeutin (Lebenshilfe Heidelberg), Prof. Dr. Teresa Sansour,
Fachrichtung Geistige Entwicklung (bis März 2020 PH Heidelberg, jetzt Universität Oldenburg) und
Susanne Bauernschmitt, Kunstpädagogin (PH Heidelberg) das Seminarkonzept fortlaufend und variantenreich
weiter.
Drei Grundgedanken tragen die Konzeption Kunst & Inklusion von Anfang an:
Inklusives künstlerisches Arbeiten: Erwachsene Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten
im hochschulischen Kontext gemeinsam künstlerisch. Das inklusive Setting ist nicht primärer
Gegenstand des Seminars, vielmehr steht die Kunst selbst, sowohl in der Kunstrezeption
als auch bei der Kunstproduktion im Zentrum, der sich die Teilnehmer*innen handelnd
und im steten Austausch nähern.
Kooperatives Arbeiten: Wir, Barbara Schmidt und Susanne Bauernschmitt, die Lebenshilfe
Heidelberg und das Fach Kunst der PH-Heidelberg, arbeiten, lehren, entwickeln und forschen
mit Kultureinrichtungen der Metropolregion zu Fragen der kulturellen Teilhabe, inklusiver
künstlerischer Bildung und innovativen Kunstvermittlungsformaten kooperativ zusammen.
Verknüpfung von kultureller Teilhabe, Hochschullehre, Forschung: Die inklusiven Seminargruppen
setzen sich im Rahmen des Seminarkonzepts intensiv mit aktuellen Ausstellungen
der Region auseinander. Im Sinne einer Aktionsforschung (vgl. Altrichter/Posch 2007) wird
das Handeln aller gemeinsam mit den Teminarteilnehmer*innen untersucht. Aus den Reflexionen
und Erhebungen werden wiederum Schlussfolgerungen für inklusive kulturelle Bildung
und Kunstvermittlung formuliert, generell und konkret für die kooperierenden Museen, aber
auch für inklusive Lernsettings im schulischen Kunstunterricht.
Stand zu Beginn der Seminarkonzeption 2013 das gemeinsame künstlerische Schaffen der inklusiven
Gruppen noch im Zentrum, weiteten sich der Blick zunehmen. Ausstellungsbesuche des Kunstvereins
Heidelberg, der Kunsthalle Mannheim, des Museums Hack Ludwigshafen, der Sammlung Prinzhorn
Heidelberg wurden zu Ausgangspunkten für eigene künstlerische Formulierungen, die, in finalen Gegenüberstellung
der „künstlerischen Resonanzen“ mit den Originalwerken, zu erhellenden unerwarteten,
kunstvermittelnden Einsichten führten.
Im hier nun fortgedachten Projektkonzept sollen nicht mehr nur künstlerische Resonanzen, sondern
innovative, spielerische, kunstnahe, inklusive Vermittlungskonzepte entwickelt werden; nicht von
Kunstpädagog*innen oder Kunstwissenschaftler*innen oder Kunstvermittler*innen, sondern von einer
heterogenen Seminargruppe für wiederum heterogene Besuchergruppen des Museums Prinzhorn.
2. INKLUSIONSDISKURS auf dem KUNSTMARKT. Sammlung Prinzhorn, Museum für historische
Werke aus psychiatrischen Anstalten sowie von Psychiatrieerfahrenen heute
Letztlich begann der kunstgeschichtliche Diskurs über die „Inklusion“ von sogenannter Outsider Art
bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, mitunter mit dem Kunsthistoriker und Mediziner Hans Prinzhorn
(1886-1933). Er entwickelte aus einer ersten Ansammlung von Werken von Anstaltsinsassen der
Psychiatrie die Idee, ein „Museum für pathologische Kunst“ in Heidelberg aufzubauen. Seine üppig
illustrierte Publikation von 1922 mit dem Titel „Bildnerei der Geisteskranken“ fand großes Interesse,
auch bei Expressionist*innen und Surrealist*innen (vgl. Röske 2019, 176 ff). Mit dem aufkommenden
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Nationalsozialismus verlor sich eine Wertschätzung der Outsider Art gänzlich. Werke der Sammlung
Prinzhorn wurden als „Vergleichsmaterial“ in den Ausstellungen Entartete Kunst, die von 1937-41
durch Deutschland tourten, für die Diffamierung von Künstler*innen der klassischen Moderne genutzt
und wohl teilweise vernichtet.
Der Künstler, Jean Dubuffet, „der 1945 den Begriff Art brut prägte, um Kunstwerke am Rande der
Kunst gegenüber der etablierten »kulturellen« Kunst herauszustellen“, war auf der Suche nach dem
Originären, auch in der Sammlung Prinzhorn, wenngleich der Ursprung der Werke in Psychiatrien für
ihn kein Kriterium war. Dubuffet war überzeugt, dass es „ebenso wenig eine Kunst der Geisteskranken
gibt wie der Magenkranken oder Kniekranken.“ (Dubuffet, zit. nach Röske 2019, 182)
Mit Harald Szeeman, der 1960 die Ausstellung Bildnerei der Geisteskranken – Art brut – Insania pingens
mit 250 Werken der Sammlung Prinzhorn in Bern kuratierte, erwachte und wuchs zunehmend
das internationale Interesse an Outsider Art; von der documenta 5 1972 über die 55. Biennale Venedig
2013 bin hin zu einer Reihe an aktuellen Ausstellungen wie Weltempfänger (2018/19 Lenbachhaus,
München), Flying High (2019, Kunstforum Wien), Gewächse der Seele (2019 Ausstellungsprojekt,
Ludwigshafen/Mannheim/Heidelberg/Bad Dürkheim).
Ist eine Integration/Inklusion von Outsider Art in den etablierten Kunstbetrieb bereits erreicht oder
bedarf es besonderer Aufmerksamkeit? Im Rahmen des Symposiums „Eine Kunst wie jede andere?“
des Projekts Gewächse der Seele wurde 2019 explizit die Frage nach dem Begriffs Outsider Art mit
Blick auf Etikettierung und Stigmatisierung entsprechender Kunst diskutiert. (vgl. https://arthist.net/archive/20946)
Die kunstwissenschaftlichen Fragen sind, parallel zu den gesellschaftlichen Diskursen, brandaktuell.
Vor diesem Hintergrund erhalten Orte, wie die Sammlung Prinzhorn, die historische wie zeitgenössische
Werke von Menschen mit Psychiatrieerfahrungen sammeln und zeigen, diskursive, gesellschaftspolitische
Aufmerksamkeit.
Um den Diskurs weiter voranzutreiben, plant die Projektkonzeption innovative Vermittlungsformate
für die Historie von Outsider Art, wie für ausgewählte Werke der Sammlung Prinzhorn.
3. ZUSAMMENGEBRACHT: Outsider Art inklusiv = Seminarkonzept Kunst & Inklusion
Vorhaben:
+ Outsider Art der Sammlung Prinzhorn
In der Auseinandersetzung mit der Historie der Outsider Art, mit künstlerischen Werken von Menschen
mit Psychiatrieerfahrung sollen im Rahmen der Seminare Kunst & Inklusion in heterogenen
Gruppe Kunstvermittlungskonzepte für die Sammlung Prinzhorn entwickelt werden. Die verschiedenen
Perspektiven, Interessen, Vorwissen, Herangehensweisen an Kunst der heterogenen Seminargruppe
bereichern die Entwicklung innovativer Kunstvermittlungsformate für ein breites Publikum.
Es werden nicht „hierarchisch“ für eine spezielle Besucherschicht Kontexte „verständlich“ reduziert.
Vielmehr sollen Perspektivwechsel, die letztlich jeder Kunst immanent sind, auch in den Vermittlungskonzepten
zum Tragen kommen. Subjektive, spielerische, irritierende, unerwartete, vielfältige
Impulse auf Kunst waren in vorangegangenen Seminaren immer wieder erhellend, bewegend, herausfordernd.
Die Projektkonzeption möchte diese Momente für experimentell-offene Kunstvermittlungssituationen
nutzen und sie (über die Präsentationen der Seminargruppen hinaus) einer breiten
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Besucherschaft zugängig machen. Hierfür sollen inklusiv innovative, medial variantenreiche, partizipative
Kunstvermittlungsformate zu Werken der Outsider Art im Sinne einer Künstlerischen Kunstvermittlung
entwickelt werden.
Künstlerische Kunstvermittlung:
Der Begriff Vermittlung ist diffizil, denn er suggeriert doch schnell eine Konstellation, bei der der bzw.
die Vermittler*in zwischen Kunst und Betrachter*in steht und laut Hofmann „eine einseitige Übermittlung
der ‚richtigen‘ Botschaft [bietet], als ob das Werk an den Mann bzw. die Frau gebracht werden
müsse.“ (Hofmann 2013, S.20). Maset spricht der Kunstvermittlung in Bildungsinstitutionen vielmehr
eine „hybride Rolle zwischen ästhetischer Alphabetisierung und der Entwicklung einer eigenständigen
ästhetischen Praxis von Lernenden zu“ (Maset 2007, online). Dafür bedarf es notwendigerweise
einer Abkehr von einer vornehmlich input-orientierten, kognitiven Informations- und Wissensvermittlung
als Serviceleistung hin zu einer partizipativen und transformativen Auseinandersetzung
mit Kunst. (vgl. Mörsch 2009, 13)
Der Ansatz einer Künstlerischen Kunstvermittlung verfolgt ebensolche Ziele. Die Vermittlungsarbeit
wird dabei methodisch und strukturell an der Kunst ausgerichtet. (vgl. Lüber 2013, 111) Das meint
nicht, die Kunst zu instrumentalisieren und künstlerische Strategien ,zielgerichtet‘ für pädagogische
Vermittlungszwecke zu nutzen. Vielmehr ist, laut Maset, die Vermittlung selbst als Formungs- und
Gestaltungsprozess zu denken, der gar kunsthafte Züge entwickeln kann. (vgl. Maset 2007, online)
So, wie die Kunst einen irgendwo hinführt, wohin man bisher nicht gedacht hat; so, wie die Kunst immer
neue Perspektiven bietet, die erst im Prozess der Auseinandersetzung sichtbar werden, so soll
die künstlerische Kunstvermittlung zu autonomem Denken und Handeln mit unbekanntem Ausgang
einladen. Demnach konzentriert sich die Kunstvermittlung laut Eva Sturm nicht mehr auf eine vom
Künstler bzw. der Künstlerin, vom Kurator bzw. der Kuratorin getroffene Interpretation, sondern weitet
Ver_Handlungs-Räume, in denen selbstbestimmt subjektive „Wahrheiten“ und Deutungen zwischen
Betrachter und Kunstwerk formuliert werden können. (vgl. Sturm 2002, 28)
Der Wunsch für die Projektkonzeption: Je vielfältiger diese selbstbestimmten, subjektiven Wahrheiten,
individuellen Wahrnehmungen und divergierenden Denkrichtungen bei einer Entwicklung von
Vermittlungsformaten zu tragen kommen können, desto inklusiver werden die Vermittlungsimpulse
wirken, und alle, selbst bewanderte, wissende Museumsbesucher auf neue Wahrnehmungsfährten
locken können. Im Rahmen des inklusiven Seminars sollen diese individuellen Ideen medial, didaktisch
und methodisch reflektiert und als Prototypen konzeptuell oder materialisiert formuliert werden.
„Inklusiver Doppeldecker“. Format, Material, kulturelle Praktik
Neben einer potentiell gleichberechtigen Teilhabe an Kunst und Kultur, die sich den Seminarteilnehmer*innen
wie auch den Museumsbesuchern durch die Projektkonzeption eröffnen würde, bezieht
sich Inklusion auch impliziert auf die Anerkennung unterschiedlicher kultureller Praktiken der Interaktion,
Kommunikation und Äußerung. In der Sammlung Prinzhorn zeigen sich Formulierungen unterschiedlicher
Wirklichkeitsauffassung oder kunstferne Materialien, wie beispielsweise Klopapier als
Bildträger oder Brotteig als plastische Material. Inklusion fordert ein, auch solche ästhetischen Konzepte
und „ungeahnte“ kulturelle Praktiken wertschätzend anzuerkennen.
Sollten bei der Realisierung materialgeleiteter Vermittlungsformate „ungewohnten“, ästhetisch Materialen
oder ungewohnte Interaktionsimpulse angedacht werden, würde diese im Sinne einer kulturellen
Vielfalt zweifelsfrei Bestärkung und Anerkennung finden.
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4. Outsider Art inklusiv –WOFÜR? FÜR WEN? WARUM?
• Outsider Art inklusiv – Inklusive künstlerische Bildung für alle
Methoden der kulturellen Bildung sprechen alle Menschen mit all ihren Sinnen an und setzen bei den
jeweiligen Stärken der Individuen an. Inklusive Angebote der kulturellen Bildung sollten stärker genutzt
werden, um die Verständigung jenseits von Sprache zu fördern. Gerade Kunst- und Kultureinrichtungen
ermöglichen vielfältige Begegnungen und können in höherem Maß für und unter Teilhabe
von Menschen mit Beeinträchtigungen inklusiv (weiter)entwickelt werden.
In inklusiven Partizipationsforen können weitergehende Fragestellungen bearbeitet werden, bei denen
Menschen mit Einschränkungen insbesondere als Expert*innen in eigener Sache gefragt sind.
Von Interesse sind der Diskurs mit und über Menschen mit und ohne Einschränkungen als Rezipient*innen
von Kunst und Kultur. Die diversen Sichtweisen von und auf behinderte Menschen und
Kulturschaffende wie die künstlerische Qualität im Spannungsfeld von Behinderung stellen gängige
Muster in Frage.
Ein inklusives, innovatives Konzept für zeitgemäße und lebendige künstlerische Kunstvermittlung
überwindet persönliche und gesellschaftliche Barrieren. Menschen mit und ohne Einschränkungen
wird die Möglichkeit gegeben, unterschiedliche Facetten ihrer Persönlichkeit sowie deren Talente
sichtbar, erlebbar zu machen. Die Potenziale sollen erkannt und aktiviert werden. Kunst bietet Raum
für gesellschaftliche Teilhabe und der Vermittlung von Bildung. Darüber hinaus, erfahren die Teilnehmer*innen
der Lebenshilfe Wertschätzung und Anerkennung durch die Wahrnehmung der Gesellschaft.
Diese Erfahrung stärkt den Selbstwert des Einzelnen, verbindet Menschen und führt gleichzeitig
zu einer neuen Wahrnehmung von Menschen mit Einschränkungen, im Außen.
Aus unserer Sicht stellt die Idee der Inklusion, eine Gesellschaft dar, in der jeder Mensch anerkannt
wird und gleichberechtigt sowie selbstbestimmt an dieser teilhaben kann. Unabhängig von Geschlecht,
Alter oder Herkunft, von Religionszugehörigkeit oder Bildung, von eventuellen Beeinträchtigungen
oder sonstigen individuellen Merkmalen. Durch künstlerische, gestalterischen und kulturelle
Projekte, bemühen wir uns den Inklusionsprozess zu intensivieren. Über gemeinsame Prozesse in der
Gruppe verflechten sich die Mitwirkenden. Künstlerisches Tun eignet sich hervorragend um Barrieren
abzubauen und Brücken zu schaffen für ein gemeinsames Miteinander. Inklusion wird somit erfahren
und erlebt.
Vor dem Hintergrund einer demokratischen Werteorientierung bedeutet Inklusion Vielfalt, im Sinne
inklusiver Kulturarbeit, eine Vielfalt von kulturellen und künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, zu
sehen als eine Chance für die gesellschaftliche Weiterentwicklung, aber auch als eine Herausforderung
in der Umsetzung. Inklusive Kulturarbeit wird hier als Methode verstanden, Verständigung unter
anderem jenseits der Sprache zu fördern.
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Outsider Art inklusiv – Mediensensible, inklusive Kunstvermittlung – analog & digital
Eine zeitgemäße, innovative und barrierefreie Kunstvermittlung soll allen Menschen einen gleichberechtigten,
selbstbestimmten Zugang zu allen Kunst- und Kulturbetrieben ermöglichen.
Durch einen gezielten Einsatz, spezifizierter Medien (VR, AR) erlebt der Nutzer, beim Betrachten eines
Kunstwerks, medial unterstützt eine multisensuale Ansprache.
Eine multisensuale Ansprache führt zu einer verbesserten Informationswahrnehmung, -speicherung
und -verarbeitung, da sich die Eindrücke über verschiedene Sinnesorgane hinweg unterstützen. Neben
den visuellen werden bei 360°-Lösungen in der Regel auch die akustischen Sinne der Nutzer angesprochen,
die sich gegenseitig unterstützen. In VR kommt häufig noch die Haptik hinzu, sodass Interaktionseffekte
entstehen: Was das Auge sieht, kann die Hand auch ergreifen. Diese gleichzeitige
Darbietung multisensualer Reize kann eine stärkere Aktivierungswirkung hervorrufen, sodass sich der
Nutzer diesen Stimuli eher zuwendet und das Kommunikationsmittel mit einer erhöhten Aufmerksamkeit
wahrnimmt. Die Nutzer werden durch das gezielte Anwenden von Medien, als Akteure in das
Kunstgeschehen einbezogen.
Ebenso denkbar sind analoge, materialgeleitete Vermittlungsformate, die durch ihre Materialität zur
Aktivierung, Emanzipation und Partizipation auffordern. Handelnd können individuelle Zugänge zu
Werken und Themen eröffnet werden, Wahrnehmungen geschärft, Perspektiven gewechselt, Be-
Greifen ermöglicht, subjektive Diskurse initiiert werden. Materialsensible Vermittlungsformate, wie
beispielsweise getönte, fokussierende Sichtfelder, Farbfächer, Kontrastkarten, Sprechblasen, Seile,
etc. versetzen den Besucher in die Rolle des partizipativen Akteurs, jenseits festgelegten Faktenwissens.
Handlungsorientierte, selbstbestimmte Auseinandersetzungsprozesse mit Kunstwerken werden
angestoßen. Im Rahmen von wissenschaftlichen Arbeiten sind bereits unterschiedliche materialgeleitete
Prototypen für innovative Kunstvermittlungsformate erdacht worden, die mit dem spezifischen
Blick auf Werke der Sammlung Prinzhorn fortentwickelt werden sollen.
Perspektiven für die Teilnehmer*innen der Lebenshilfe
"Durch die Teilnahme am Seminar Kunst und Inklusion, der pädagogischen Hochschule Heidelberg
lerne ich genau hinzusehen. Mein Blick wird geschärft. Das gemeinsame Arbeiten und der Austausch
mit den Studierenden, verändert mein Denken. Das tut gut!" (Doris Riesterer)
"Für mich sind die gemeinsamen Besuche von Ausstellungen, verknüpft mit der Wissensvermittlung
zu den jeweiligen Kunstwerken besonders wichtig. Toll, dass ich während eines Seminars so viel
Neues lernen kann. Das fordert mich heraus und treibt mich in meinem künstlerischen Tun an.“ (Connie
Wolf)
"Unbeschreiblich wie stolz es mich macht, wenn die Studierenden oder andere Menschen von meiner
Kunst beeindruckt sind. Das macht mich ziemlich glücklich! (Nils Palm)
"Kunst ist leicht, Kunst macht mich leicht. Denn wenn wir Kunst machen, sind wir alle gleich." (Silvia
Lauer)
Die Tage, an denen wir gemeinsam mit den Studierenden Kunst machen, sind meine Lieblingstage.
Der Austausch, das Lernen und das gemeinsame künstlerische Schaffen, machen mich glücklich. An
der pädagogischen Hochschule bin ich ein ganz anderer Mensch. Kunst ist Freiheit. (Pascal Berlinghof)
• Perspektiven für die Teilnehmer*innen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg
„Nicht nur das inklusive Setting war für mich spannend, sondern auch der Ansatz und Aufbau des Seminars
mit Hinblick auf das „Format“ der künstlerischen Kunstvermittlung, bei dem das Subjekt im
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Vordergrund stand. Meine bisherigen Kunstvermittlungserlebnisse (insbesondere die im schulischen
Kontext) waren primär kognitiv, inhaltlich informativ angelegt. Dabei vermisste ich häufig den persönlichen
Bezug und Leerstellen für eigene Betrachtungs- oder Annäherungsweisen zur Kunst.“ (S7,
287-291)
„Das Seminar hat mich zum Nachdenken angeregt, ich habe die gesellschaftlichen Bedingungen, die
mit dem Thema Inklusion zusammenhängen hinterfragt. Ich habe mir die Frage gestellt, was passieren
würde, wenn ich morgen plötzlich eine Behinderung hätte. Wie würde ich behandelt werden wollen?
Was würde sich ändern und was nicht? Das Leben mit einer Behinderung stellt Menschen vor besondere
Herausforderungen, sollte aber nicht bedeuten die Partizipation an Kunst, Kultur, Bildung und vor
allem Selbstbestimmung nicht zu ermöglichen.“ (S5, 228-234)
„Die anfängliche Aufgeregtheit, Hilfestellung für Behinderte zu geben (so meine Vorstellung von Inklusion)
war bei mir weggeblasen. „Wer inkludiert hier wen?“, dachte ich mir im Gespräch mit Herrn L.
[Teilnehmer der Lebenshilfe] und seiner jahrelangen Erfahrung mit diesem Seminar oder mit P. [Teilnehmer
der Lebenshilfe] und seiner sehr genauen Arbeitsweise mit Fineliner auf Papier. Wo sollte ich
Helfen? Mein Netz spannte sich weiter: Es war die „Kunst“ zuzulassen Inklusion nicht nur als „Arbeit/Rolle“
zu sehen. Vielleicht sogar den Spieß umzudrehen und sich inkludieren zu lassen.“ (S10, 395-
404)
„Die Kunst beeindruckte und schloss uns immer mehr zusammen. Wir redeten, diskutierten, lachten,
arbeiteten und staunten gemeinsam. Es fiel mir teilweise gar nicht mehr auf, dass manche Einschränkungen
hatten. Genauso wie ich entdeckten sie ihre eigene Kunst, welche mich sehr beeindruckte. Die
Kunst schaffte die Kommunikation zwischen uns bis hin zu persönlichen Gesprächen, durch die Freundschaften
entstanden.“ (S9, 351-355)
„Ganz andere Erfahrungen konnte ich in diesem Seminar sammeln. Bedingt durch eine etwas andere
Rolle als selbst Teilhabende erstaunte mich die Selbstverständlichkeit, mit der wir alle gleichberechtigt
an den Inhalten des Seminars teilhaben konnten. Es musste nicht darüber reflektiert und gegrübelt
werden, wie einer vorher definierten Gruppe geholfen werden kann, bestimmte, zu vermutende Probleme
zu überwinden und unsichtbar zu machen. Vielmehr standen die Kunst und der künstlerische
Prozess im Mittelpunkt.“ (S13, 532-537)
(Auszüge aus dem Statements der Studierenden, zu Kunst & Inklusion in der Ausstellung „Gewächse
der Seele“, Sommersemester 2019)
Literatur:
Outsider Art inklusiv
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ALTRICHTER, H./ POSCH, P. (2007): Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht? Unterrichtsentwicklung
und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
GEISSLER, K.A. (1985): Lernen in Seminargruppen. Studienbrief 3 des Fernstudiums Erziehungswissenschaft
„Pädagogisch-psychologische Grundlagen für das Lernen in Gruppen“. Tübingen: Deutsches
Institut für Fernstudien.
HOFMANN, F. (2014): Unscharfe Begriffe. Die Führung und andere Bezeichnungen für Vermittlung.
In: Hofmann, F., Rauber, I. & Schöwel, K. (Hg.): Führungen, Workshops, Bildgespräche. Ein Hand- und
Lesebuch für Bildung und Vermittlung im Kunstmuseum. München: Kopaed. S. 20-21.
LÜBER, H. (2013): Eine Möglichkeit der Vermittlung der Fähigkeit zu Vermittlung von Kunst. In:
Burghardt, S., Meyer, T., Urlaß, M. (Hg.): convention. Ergebnisse und Anregungen. München: Kopaed.
S. 107-112.
MASET, P. (2007): Perspektive Kunstvermittlung. Beitrag zum Symposium "Mediation. Wie ist Kunst
im öffentlichen Raum vermittelbar?" am 06. Juli 2006, VorOrt, Hamburg. Verfügbar unter: http://archiv.ask23.de/draft/archiv/misc/mediation_maset.html
[16.07.17].
MÖRSCH, C. (2009): Am Kreuzpunkt von vier Diskursen. In Mörsch, C. (Hg.): Kunstvermittlung zwischen
kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12 Zürich: Diaphanes. S. 9-33.
RÖSKE, T. (2019): Von medizinischer Diskriminierung zu künstlerischer Inklusion. In: Hornäk, S./ Henning,
S./ Gernand, D. (Hg.): Aus der Praxis. Inklusive Möglichkeiten künstlerischen und kunstpädagogischen
Handelns. München, kopaed Verlag. 175—193.
STURM, E. (2002): Kunstvermittlung als Dekonstruktion. In: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst
(Hg.): Kunstcoop. Künsterlnnen machen Kunstvermittlung. Berlin: Vice Versa.
WILHELM-HACK-MUSEUM (2019): Eine Kunst wie jede andere? Ludwigshafen, 5.&6. Juli 2019. In: Art-
Hist.Netzwerk für Kunstgeschichte: https://arthist.net/archive/20946 (09.07.2020)
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Lebenshilfe Heidelberg – Sammlung Prinzhorn – Pädagogische Hochschule Heidelberg
Vorangegangenes Seminar „Kunst & Inklusion“ – Wintersemester 2018/19, damals in der Kunsthalle Mannheim
Kontakt: Barbara Schmidt,
Lebenshilfe Heidelberg,
barbara.schmidt@lebenshilfe-heidelberg.de
Tel: 0176-30747916