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„mittendrin“ ist das Mitgliedermagazin des Ortsvereins Köln-Mitte in der KölnSPD Diese Ausgabe stellt die Bewerber:innen um eine SPD-Kandidatur in den Bundestagswahlkreisen Köln I und Köln II vor.

„mittendrin“ ist das Mitgliedermagazin des Ortsvereins Köln-Mitte in der KölnSPD
Diese Ausgabe stellt die Bewerber:innen um eine SPD-Kandidatur in den Bundestagswahlkreisen Köln I und Köln II vor.

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SPD-Ortsverein Köln-Mitte | <strong>21</strong>/<strong>02</strong><br />

Marion Sollbach<br />

im Interview<br />

Sanae Abdi<br />

im Interview<br />

Simon Bujanowski<br />

im Interview


AUF INS WAHLJAHR 20<strong>21</strong><br />

SPD-ORTSVEREIN KÖLN-MITTE


Vorab<br />

Liebe Genoss:innen,<br />

Marcus Cormann<br />

Vorsitzender im<br />

SPD-Ortsverein Köln-Mitte<br />

<strong>mittendrin</strong>, das Mitgliedermagazin<br />

des SPD-Ortsvereins<br />

Köln-Mitte liegt nicht in gedruckter,<br />

sondern ausschließlich<br />

in digitaler Form vor.<br />

Ihr findest es – nutzbar für alle<br />

Endgeräte – bei Yumpu.com<br />

Am 17. März wählt die KölnSPD auf einer Konferenz im<br />

Gürzenich ihre Kandidat:innen für die diesjährigen Wahlen<br />

zum Deutschen Bundestag. Der OV Mitte hat seine Delegierten<br />

zu dieser Konferenz bereits auf einer Mitgliederversammlung<br />

im Dezember 2<strong>02</strong>0 bestimmt und dazu auch alle Bewerber:innen<br />

um eine Kandidatur in einem Wahlkreis, der das<br />

OV-Gebiet und die Kölner Innenstadt berührt, eingeladen.<br />

Vorgestellt hatten sich Sanae Abi, Simon Bujanowski, Kathi<br />

Letzelter und Marion Sollbach. Am Wochenende vor der<br />

jetzigen Kandidat:innen-Kür haben wir alle noch einmal<br />

ganz persönlich nach ihrer Motivation und ihren politischen<br />

Ansichten befragt. Das Ergebnis der Fragerunden findet Ihr in<br />

dieser Spezialausgabe der „<strong>mittendrin</strong>“.<br />

Wie es sich in Zeiten der Pandemie gehört, fanden die Gespräch<br />

„per Video“ statt. Alle Bewerber:innen wurden einzeln<br />

befragt, alle erhielten die selben Fragen in der selben Reihenfolge.<br />

Natürlich gab es zur Beantwortung der Fragen keine<br />

Vorgaben – auch kein Zeitlimit. Nachträglich wurden die Anworten<br />

verschriftlicht und nur mäßig redigiert (Ähs entfernt,<br />

offene Satzenden geschlossen etc.) – gut zu hörende Sprache<br />

unterscheidet sich doch oftmals von gut zu lesender. Im Anschluss<br />

wurden den Bewerber:innen ihre Texte noch einmal<br />

vorgelegt – auch hier gab es kaum noch Korrekturen. Die Antworten<br />

bleiben also auch in ihrer jetzigen Form authentisch.<br />

Alle Fragen sind durchnummeriert, so dass die Antworten der<br />

einzelnen Bewerber:innen gut verglichen werden können.<br />

Inzwischen hat Kathi Letztelter entschieden, sich zum jetzigen<br />

Zeitpunkt nicht um die SPD-Kandidatur in einem Bundestagswahlkreis<br />

zu bewerben. Sie erklärt dies auf Seite 15.<br />

Ich möchte mich bei allen vier Bewerber:innen um die<br />

SPD-Kandidatur in einem Bundestagswahlkreis noch einmal<br />

sehr herzlich bedanken. Dafür, dass sie sich dieser wichtigen<br />

Aufgabe stellen wollen und natürlich dafür, dass sie Zeit für<br />

unsere Fragen gefunden haben.<br />

Nun wünsche ich eine informative Lektüre der zum Teil durchaus<br />

umfangreichen Antworten.<br />

Impressum<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

ist das Mitgliedermagazin des SPD-Ortsvereins Köln-Mitte<br />

SPD-Ortsverein Köln-Mitte<br />

Magnusstraße 18b | 50672 Köln | facebook.com/spd.koeln.mitte<br />

Der Vorstand<br />

Marcus Cormann, Vorsitzender [V.i.S.d.P.] | Ingrid Hack, Kassiererin | Almut Eichner, Schriftführerin<br />

Die Rechte für die Bilder eines Beitrags liegen bei den jeweils Interviewten.


ENGAGEMENT<br />

BRAUCHT RAUM<br />

Für unsere<br />

Wahlkampfutensilien<br />

suchen wir einen neuen<br />

Platz in Keller- oder<br />

Garage.<br />

Wer hat ca. 3 m 2 frei?


<strong>mittendrin</strong><br />

ist das Mitgliedermagazin des<br />

SPD-Ortsvereins Köln-Mitte<br />

<strong>mittendrin</strong> informiert und<br />

lädt ein zum Gespräch der<br />

OV-Mitglieder untereinander sowie<br />

zwischen Mitgliedern und Anwohnern<br />

Unser Titelbild zeigt<br />

einen Erker an der Fassade des<br />

im 15. Jahrhundert errichteten<br />

Festsaalbaus „Gürzenich“, in dem<br />

die KölnSPD am 17.3.20<strong>21</strong> ihre<br />

Kandidat:innen für die Wahl zum<br />

Deutschen Bundestag kürt.<br />

6<br />

15<br />

16<br />

Marion Sollbach<br />

Bewerberin um die<br />

Kandidatur im WK 94<br />

Kathi Letzelter<br />

Bewerbung<br />

zurückgezogen<br />

Sanae Abdi<br />

Bewerberin um die<br />

Kandidatur im WK 93<br />

09 | Was stellt unsere Demokratie zur Zeit am ehesten<br />

unter Stress?<br />

10 | Sollten Bürger:innen mehr Möglichkeiten zur politischen<br />

Mitwirkung erhalten?<br />

11 | Was kann der Bund unternehmen, um Wohnen<br />

bezahlbarer zu machen?<br />

12 | Wie kann der Bund für mehr Bildungsgerechtigkeit<br />

sorgen?<br />

13 | Was sind aus Bundessicht die drängendsten Aufgaben in<br />

Sachen Mobilität?<br />

14 | Welche Umweltthemen müssen sofort angegangen<br />

werden?<br />

15 | Was muss in Sachen Arbeit gestärkt oder angestoßen<br />

werden?<br />

16 | Was muss in Sachen Digitalisierung unternommen<br />

werden?<br />

17 | Was ist für Dich zur Zeit europapolitisch das wichtigste<br />

Thema?<br />

18 | Was sagst Du zum Thema Geflüchtete?<br />

24<br />

Simon Bujanowski<br />

Bewerber um die<br />

Kandidatur im WK 93<br />

19 | Wer ist außerhalb der EU Deutschlands wichtigster<br />

Partner?<br />

20 | Wie beurteilst Du die Regierungsmaßnahmen gegen die<br />

Pandemie?<br />

<strong>21</strong> | Wie zufrieden bist Du mit der Regierungsarbeit der<br />

letzten Jahre?<br />

01 | Was hat Dich ursprünglich bewegt, einer Partei<br />

beizutreten – und warum der SPD?<br />

<strong>02</strong> | Welche Eigenschaften muss ein:e Bundestagsabgeordnete:r<br />

mitbringen?<br />

03 | Über welche Sachkompetenz verfügst Du?<br />

04 | Wie bis Du bislang im angestrebten Wahlkreis präsent?<br />

05 | Was empfindest Du als Deinen bislang größten<br />

politischen Erfolg?<br />

06 | Welche Themen bzw. Bereiche willst Du als Bundestagsabgeordnete<br />

besetzen?<br />

07 | Wie willst Du Wähler:innen von Dir überzeugen?<br />

22 | Unter welchen Gegebenheiten sollte die SPD eine Regierungskoalition<br />

bilden?<br />

23 | Die SPD sieht sich als Friedenspartei. Wie siehst Du die<br />

Rolle der Bundeswehr?<br />

24 | NoWaBo, Mützenich, Lauterbach – wie viel Köln verträgt<br />

der Bund?<br />

25 | Warum sind Frauen in den Parlamenten immer noch<br />

unterrepräsentiert?<br />

26 | Wie stehst Du zu unserem Kanzlerkandidaten<br />

Olaf Scholz?<br />

27 | Inwieweit sollten Mandatsträger:innen Nebentätigkeiten<br />

möglich sein?<br />

28 | Was möchtest Du von Berlin aus direkt für Köln leisten?<br />

08 | Wie beurteilst Du das Funktionieren der Demokratie in<br />

Deutschland?<br />

29 | Welche nicht gestellte Frage möchtest Du unbedingt<br />

noch beantworten?


Mitte im Wahlkreis<br />

Marian Sollbach<br />

6 <strong>mittendrin</strong>


Marion<br />

Sollbach<br />

Bewerberin für die SPD-Kandidatur<br />

im Bundstagswahlkreis 94 / Köln II<br />

(Lindenthal, Rodenkirchen, Innenstadt-Süd)<br />

01 | Was hat Dich ursprünglich bewegt, einer<br />

Partei beizutreten – und warum der SPD?<br />

Ich bin der SPD 1986 beigetreten. Der Anlass<br />

war Tschernobyl und die sehr widersprüchliche<br />

Berichterstattung anschließend – dass die einen<br />

gesagt haben „Wir fallen morgen alle tot um.“<br />

und die anderen meinten „Das ist zweieinhalbtausend<br />

Kilometer entfernt, es passiert nichts.“.<br />

Ich habe mir damals gedacht, nur in den Parteien<br />

bist du so nah an den Informationen dran, um<br />

die Wahrheit zu bekommen. Dann saß ich vor<br />

dem Telefonbuch und habe gesagt „Grün oder<br />

rot, grün oder rot, …?«, aber als Arbeiterkind<br />

kam für mich dann doch nur die SPD in Frage.<br />

<strong>02</strong> | Welche Eigenschaften muss ein:e Bundestagsabgeordnete:r<br />

mitbringen?<br />

Fleiß, Durchsetzungsstärke, Kommunikationsfähigkeit<br />

und genug Empathie um auch wirklich<br />

den Wählerwillen zu vertreten.<br />

03 | Über welche Sachkompetenz verfügst Du?<br />

Ich habe die letzten 20 Jahre als „Leiterin Nachhaltigkeit“<br />

in einem Unternehmen gearbeitet<br />

und weiß daher, welche Rahmenbedingungen<br />

Unternehmen brauchen, um mehr Nachhaltigkeit<br />

umzusetzen. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

will ich jetzt im Bundestag mit<br />

durchsetzen.<br />

Ich war für mein Unternehmen auch bereits lobbytechnisch<br />

unterwegs. Für die Branchenverbände<br />

war ich jeweils Umweltausschuss-Vorsitzende<br />

in Brüssel und Berlin, weiß daher, welche<br />

die politischen Themen der Branche sind. Ich<br />

würde gerne die richtigen Rahmenbedingungen<br />

für mehr Nachhaltigkeit in der Branche setzen.<br />

04 | Wie bis Du bislang im angestrebten Wahlkreis<br />

präsent?<br />

Ich wohne in einem anderen Wahlkreis, in Nippes,<br />

bin aber im Wahlkreis Köln II zur Welt gekommen.<br />

Ich bin in Bayenthal geboren und<br />

aufgewachsen, dort zur Grundschule gegangen,<br />

später in der Südstadt aufs Humboldt-Gymnasium,<br />

habe dort mein Abitur gemacht und an der<br />

Universität zu Köln studiert. Ich würde sagen,<br />

die ersten 25 Jahre meines Lebens war dieser<br />

Wahlkreis mein Lebensmittelpunkt, auch wenn<br />

ich ab dem Alter von 12 Jahren woanders gewohnt<br />

habe. Dort war ich auch in Vereinen. Zum<br />

Beispiel habe ich beim TuS Rondorf Basketball<br />

gespielt. Daher kenne ich mich in diesem Wahlkreis<br />

ganz gut aus.<br />

05 | Was empfindest Du als Deinen bislang<br />

größten politischen Erfolg?<br />

In Bezug auf Projekte außerhalb der Partei bin<br />

ich sehr stolz darauf, 2014 mit sehr viel Kraft und<br />

Energie die getrennte Verpackungsentsorgung<br />

der gelben Tonne gerettet zu haben. Als das System<br />

unterfinanziert war und kurz vor dem Kollaps<br />

stand habe ich das Projekt geleitet, das die<br />

Finanzierung und damit das System gesichert<br />

hat.<br />

In der Partei bin ich relativ stolz darauf, dass wir<br />

jetzt das dritte Jahr hintereinander einen Gleichstellungsbericht<br />

veröffentlicht haben und damit<br />

„Ich weiß, welche<br />

Rahmenbedingungen<br />

Unternehmen<br />

brauchen, um mehr<br />

Nachhaltigkeit<br />

umzusetzen.“<br />

| 03<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

7


Mitte im Wahlkreis<br />

Marion Sollbach<br />

ist 53 Jahre alt und seit<br />

35 Jahren SPD-Mitglied.<br />

Sie ist Diplom-Biologin<br />

und war beruflich immer<br />

im Umweltschutz tätig:<br />

Als Umweltbeauftragte<br />

im Krankenhaus, als<br />

Mitarbeiterin in einem<br />

Recyclingunternehmen<br />

und als Leiterin Nachhaltigkeit<br />

bei Metro und<br />

Kaufhof.<br />

Sie verfügt über mehr<br />

als 10 Jahre Erfahrung<br />

in der Politikberatung<br />

in Berlin und Brüssel,<br />

wo sie die Vorsitzende<br />

der Umweltausschüsse<br />

des europäischen und<br />

deutschen Handelsverbands<br />

war.<br />

In der KölnSPD ist sie<br />

Mitglied im Unterbezirksvorstand,<br />

Vorsitzende<br />

der ASF, Vorsitzende<br />

des Umweltforums und<br />

arbeitet im AK gegen<br />

Antisemitismus und<br />

Rassismus mit.<br />

zumindest Transparenz darüber schaffen, wie<br />

die KölnSPD mit diesem Thema umgeht.<br />

06 | Welche Themen bzw. Bereiche willst Du als<br />

Bundestagsabgeordnete besetzen?<br />

Ich möchte natürlich in den Umweltausschuss,<br />

ich möchte gerne in den Gleichstellungsausschuss<br />

und ich möchte in die deutsch-israelische<br />

Parlamentariergruppe. Das sind die drei<br />

Themen, an denen mein Herz hängt: Nachhaltigkeit,<br />

Gleichstellung und der Kampf gegen<br />

Antisemitismus. Das sind die Bereiche, in denen<br />

ich gerne arbeiten würde, mit einem deutlichen<br />

Schwerpunkt im Bereich Umwelt- und Klimaschutz.<br />

07 | Wie willst Du Wähler:innen überzeugen?<br />

Der Wahlkreis ist bei den letzten drei Bundestagswahlen<br />

an die CDU gegangen, aber in der<br />

Kommunalwahl lagen dort die Grünen deutlich<br />

vorne. Ich glaube, dass ich mit meinem klaren<br />

Nachhaltigkeitsprofil zum einen grüne Wechselwähler:innen<br />

ansprechen kann und zum<br />

anderen mit meinen 20 Jahren Erfahrung in<br />

der freien Wirtschaft auch konservative Wechselwähler:innen<br />

– daneben natürlich auch das<br />

SPD-Stammklientel.<br />

Am Anfang werde ich mich erst einmal bekannt<br />

machen müssen. Das ist dadurch, dass wir gerade<br />

vorwiegend digital arbeiten müssen, leider<br />

erschwert. Wir sind aber schon dabei, eine Reihe<br />

von Videos zu drehen, um mich vorzustellen<br />

etc. Natürlich ist es ganz wichtig, auch persönlich<br />

aufzutreten. Ich habe einige Ortsvereine im<br />

Wahlkreis schon gebeten, mir die wichtigsten<br />

Multiplikator:innen und Vereine in ihrem Gebiet<br />

zu nennen. Auf die anderen gehe ich sofort nach<br />

der WKK zu. So kann man dann auf die Leute<br />

zugehen und sich, anstatt sich in einem Café zu<br />

treffen, vielleicht auf einem Spaziergang miteinander<br />

austauschen, um zu erfahren, was ihre<br />

Themen sind.<br />

08 | Wie beurteilst Du das Funktionieren der Demokratie<br />

in Deutschland?<br />

Ich bin sehr überzeugt, dass sie immer noch gut<br />

funktioniert. Wir sehen, dass beispielsweise die<br />

Gerichte auch während der Pandemie Verordnungen<br />

kassiert haben, wenn sie in Abwägung<br />

der verschiedenen Güter der Meinung waren,<br />

dass der Gesetzgeber die persönlichen Rechte<br />

zu sehr eingeschränkt hatte. Daher glaube ich,<br />

dass die Gewaltenteilung immer noch gut funktioniert.<br />

Selbstverständlich muss man auf den Umstand,<br />

dass die Nazis versuchen, sich die Exekutive sozusagen<br />

unterzuordnen – bei der Polizei, bei der<br />

Bundeswehr – einen sehr kritischen Blick werfen.<br />

Auch die Institutionen, die genau dafür zuständig<br />

sind, müssen wir stärker im Blick halten –<br />

wie den Verfassungsschutz und den MAD etc.<br />

09 | Was stellt unsere Demokratie zur Zeit am<br />

ehesten unter Stress?<br />

Für mich sind das natürlich die Kräfte, die antidemokratisch<br />

sind und die Demokratie abschaffen<br />

wollen. Vor allen Dingen rechte Kräfte,<br />

die eine Autokratie nach ungarischem Vorbild in<br />

Deutschland installieren wollen.<br />

10 | Sollten Bürger:innen mehr Möglichkeit zur<br />

politischen Mitwirkung erhalten?<br />

Grundsätzlich haben sie die ja heute bereits.<br />

Man kann sich in Parteien, Vereinen und Bürgerinitiativen<br />

engagieren, was ja auch viele<br />

Leute machen. Die neben der Wahl sozusagen<br />

direkten Instrumente wie Bürgerentscheide etc.<br />

funktionieren meines Erachtens nur, wenn auch<br />

entsprechende Info-Kampagnen begleitend<br />

gut laufen und die aufgeworfene Frage nicht zu<br />

komplex ist. Dann sehr gerne.<br />

11 | Was kann der Bund unternehmen, um Wohnen<br />

bezahlbarer zu machen?<br />

Für das Thema „Wohnen“ haben wir die Mietpreisbremse<br />

eingeführt, merken aber, dass die<br />

Regelung unterlaufen wird und nicht wirklich<br />

funktioniert. Der Bund kann natürlich Fördergelder<br />

für bestimmte Dinge zur Verfügung stellen<br />

und auch die Bundesliegenschaften für den<br />

Wohnungsbau öffnen, zu reduzierten Preisen<br />

etc. Das ist alles sehr wohl möglich.<br />

Ansonsten ist das Bauen natürlich eine Sache<br />

des Landes und der Kommunen, daher ist der<br />

Handlungsspielraum aus meiner Sicht von Berlin<br />

aus eher beschränkt.<br />

12 | Wie kann der Bund für mehr Bildungsgerechtigkeit<br />

sorgen?<br />

Wir haben ein föderales System und Bildung ist<br />

vor allen Dingen Ländersache. Vom Bund aus<br />

haben wir zum Beispiel den Digitalpakt auf den<br />

Weg gebracht. Was der Bund immer machen<br />

kann, ist finanzielle Mittel zur Verfügung zu<br />

stellen. Der Bund kann aber auch wichtige Serviceleistungen<br />

bieten. Damit ist zum Beispiel<br />

gemeint, dass auf Bundesebene geprüft wird,<br />

welche Software die Datenschutzrichtlinie erfüllt<br />

oder nicht, so dass die Länder entsprechende<br />

Empfehlungen erhalten. Das sind Sachen,<br />

die auf Bundesebene stattfinde können.<br />

Was der Bund selbstverständlich auch immer<br />

machen kann, ist, bestimmte generelle Rechte<br />

zu konstituieren, wie beispielsweise in Bezug<br />

8 <strong>mittendrin</strong>


Marian Sollbach<br />

auf Kindertagesstätten. Weil der Bund das Recht<br />

auf einen Kindergartenplatz beschlossen hat,<br />

hat er die Länder dazu verpflichtet, auch entsprechende<br />

Kindergartenplätze bereitzustellen.<br />

Das sind politische Rahmenbedingungen, die<br />

in Berlin gesetzt werden können. Ansonsten ist<br />

die Kultusministerkonferenz natürlich „janz fies“<br />

davor, dass Berlin ihnen reingrätscht.<br />

13 | Was sind aus Bundesssicht die drängendsten<br />

Aufgaben in Sachen Mobilität?<br />

Als SPD benennen wir das Ziel „Das modernste<br />

Mobilitätssystem Europas bis 2030“ zu schaffen,<br />

als eine unserer Zukunftsmissionen. Dabei<br />

ist ganz klar: Wir müssen den ÖPNV ausbauen,<br />

das heißt also auf Bundesebene vor allem die<br />

Deutsche Bahn. So, dass eben auch Strecken,<br />

die vielleicht in der Vergangenheit stillgelegt<br />

worden sind, wieder belebt werden, dass Strecken,<br />

die heute noch nicht elektrifiziert sind,<br />

elektrifiziert werden, dass die Deutsche Bahn<br />

durchgehend WLAN-fähig ist etc., um alles auch<br />

attraktiver für Pendler:innen zu machen.<br />

Gleichzeitig müssen wir beispielsweise im<br />

Schwerlastbereich, im Lkw-Verkehr, stärker in<br />

umweltfreundliche Mobilität investieren, das<br />

bedeutet ein umfassendes Netz an Wasserstofftankstellen,<br />

aber eben auch Elektroladestationen.<br />

Was man in Berlin durch finanzielle Förderung<br />

machen kann, ist beispielsweise die<br />

Umstellung auf Wasserstoffbusse in den Kommunen.<br />

Was schon lange angegangen wird, ist das Thema<br />

Elektromobilität / E-Autos. Mit viel Geld wird<br />

die Anschaffung von Elektroautos gefördert.<br />

Das versucht man nun schon seit zehn Jahren,<br />

jetzt zieht es das erste mal an, die Verkäufe in<br />

diesem Bereich steigen deutlich.<br />

14 | Welche Umweltthemen müssen sofort angegangen<br />

werden?<br />

Der Klimawandel ist anders als die Pandemie<br />

nicht mit Impfungen bekämpfbar, sondern ausschließlich<br />

durch weniger CO2-Emissionen, bis<br />

hin zur CO2-Speicherung. Daher ist es ganz<br />

wichtig, dass wir dieses Thema angehen. Das<br />

bedeutet einen deutlichen Ausbau erneuerbarer<br />

Energien in Deutschland.<br />

Eigentlich haben wir das Ziel „60 Prozent erneuerbare<br />

Energien bis 2030“, jetzt sagen wir in<br />

unserem Regierungsprogramm für den Strombereich<br />

sogar „100 Prozent bis 2040“.<br />

Aber der Strombereich alleine reicht nicht, wir<br />

müssen vor allen Dingen auch im Verkehr und<br />

„Ich möchte in den<br />

Umweltausschuss,<br />

ich möchte in den<br />

Gleichstellungsausschuss<br />

und<br />

ich möchte in die<br />

deutsch-israelische<br />

Parlamentariergruppe.“<br />

| 06<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

9


Mitte im Wahlkreis<br />

„Arbeit“ ist das<br />

absolut zentrale<br />

Thema der Sozialdemokratie<br />

und<br />

im Bereich Arbeit<br />

ist das zentrale<br />

Thema „bessere<br />

Entlohnung.“<br />

15 |<br />

Alicem Marian Polat Sollbach<br />

bei den Gebäuden den Einstieg in die erneuerbaren<br />

Energien schaffen. Dabei ist die Wasserstofftechnologie<br />

eine Schlüsseltechnologie<br />

sowohl beispielsweise für die Herstellung von<br />

Fernwärme etc. – sofern es grüner Wasserstoff<br />

ist – als auch als Speichertechnologie.<br />

Wir haben heute das Problem, dass der grüne<br />

Strom vor allem offshore an der Küste hergestellt<br />

wird. Um ihn dann sinnvoll über die gesamte<br />

Bundesrepublik verteilen zu können,<br />

auch zu Zeiten, in denen es vielleicht windstill ist,<br />

brauchen wir halt Speichertechnologien. Dafür<br />

ist Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie. Hier<br />

investiert der Bund gerade in jenen Gebieten,<br />

die durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung<br />

besonders betroffen sind wie das Rheinische<br />

Revier und die Lausitz. Gerade dort soll<br />

ganz gezielt Wasserstofftechnologie platziert<br />

werden, nebst entsprechender Einrichtungen<br />

zur anwendungsorientierten Forschung.<br />

15 | Was muss in Sachen Arbeit gestärkt oder<br />

angestoßen werden?<br />

„Arbeit“ ist das absolut zentrale Thema der Sozialdemokratie,<br />

deswegen sind wir auch immer<br />

dafür, dass möglichst alle Leute ein Recht auf<br />

Arbeit haben und nicht – anders als die Grünen<br />

– das Recht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen.<br />

Das zentrale Element ist die Arbeit und die muss<br />

natürlich auch entsprechend gut bezahlt werden.<br />

Deswegen ist im Bereich Arbeit das zentrale<br />

Thema „bessere Entlohnung“. Das fängt bei<br />

einer Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro<br />

an, geht aber vor allen Dingen weiter bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung<br />

von Tarifverträgen<br />

in deutlich mehr Branchen.<br />

Ich habe selbst im Handel gearbeitet, dort werden<br />

mittlerweile nur noch 25 Prozent der Mitarbeiter:innen<br />

nach Tarif bezahlt. In der Pflege<br />

ist es ja jetzt gerade an der Caritas gescheitert.<br />

Das sind sozusagen die Themen, an die man ran<br />

muss.<br />

Als Frau, die an Gleichstellung interessiert ist,<br />

finde ich es natürlich großartig, dass wir ein<br />

Gesetz zum Thema „Equal Pay“ schaffen wollen.<br />

Bei gleicher Aufgabe und Qualifikation ist<br />

es heute immer noch so, dass Frauen im Schnitt<br />

6 bis 7 Prozent weniger bekommen als Männer.<br />

Das ist für mich ein absolutes Unding. Das<br />

wollen wir angehen, aber auch den ganzen Auswuchs<br />

mit Leiharbeit, Scheinselbstständigkeit,<br />

Ich-AGs etc. – das kenne ich aus meiner eigenen<br />

Tätigkeit in der Wirtschaft. Eigentlich wollten wir<br />

für Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt sorgen, de<br />

facto haben wir „arbeitende Arme“ geschaffen.<br />

Da müssen wir stärker ’ran und diese ganzen<br />

offenen Flanken schließen So haben wir es jetzt<br />

in der Fleischindustrie gemacht, dort kann nun<br />

nicht weiter über Sub-Sub-Subs gearbeitet werden.<br />

16 | Was muss in Sachen Digitalisierung unternommen<br />

werden?<br />

In Sachen Netzausbau sind wir ein echtes Entwicklungsland.<br />

Wir brauch einen deutlichen<br />

Netzausbau, das ist erst einmal die Grundlage.<br />

Davon hängt zum Beispiel auch ab, wie viele<br />

Leute im Homeoffice arbeiten können. Das wiederum<br />

hat einen direkten Einfluss auf die Wohnungsfrage,<br />

weil natürlich viele Leute in die Metropolen<br />

gezogen sind, um dort näher an ihrem<br />

Arbeitsplatz zu sein. Könnten sie verstärkt im<br />

10 <strong>mittendrin</strong>


Homeoffice arbeiten, würden sie vielleicht doch<br />

in Nümbrecht oder Blankenheim bleiben. Daher<br />

ist der Netzausbau hierbei für mich zunächst<br />

das Allerwichtigste. Es heißt ja auch in unserem<br />

Ziel „Wir werden die Gigabite-Gesellschaft“, das<br />

ist ganz wichtig.<br />

Zum Ausbau der Netze und der Infrastruktur<br />

kommt natürlich immer auch der Ausbau der<br />

Medienkompetenz. Wir sehen auch, dass gerade<br />

Jugendliche mit Themen wie Datenschutz<br />

sehr schludrig umgehen. Es geht aber auch<br />

darum, dass wir Fake News in den sozialen Netzen<br />

deutlicher bekämpfen. Aber auch in Sachen<br />

Digitalisierung ist es mir wichtig, ein Gleichstellungsthema<br />

zu nennen: Dort, wo vermehrt<br />

KI-Algorithmen eingesetzt werden, müssen<br />

diese auch geschlechtsneutral sein. Mittlerweile<br />

hat man festgestellt: Da Algorithmen meistens<br />

durch männliche Nerds gefüttert werden, haben<br />

sie einen entsprechenden Geschlechts-Bias, d.h.<br />

sie bilden vor allem die männliche Sicht ab. Das<br />

muss natürlich bekämpft werden.<br />

17 | Was ist für Dich zur Zeit europapolitisch das<br />

wichtigste Thema?<br />

Ich bin total begeistert davon, was Frans Timmermans<br />

mit dem New Green Deal macht, auf<br />

allen Ebenen. Sicher bin ich nicht mit jeder einzelnen<br />

Maßnahme zufrieden. Dass diese Ohrstäbchen-Dinger<br />

jetzt nicht mehr aus Plastik<br />

sein dürfen, okay, kann man machen, wäre jetzt<br />

aber nicht mein dringendstes Anliegen gewesen.<br />

Wir haben jetzt auf europäischer Ebene<br />

aber auch ein Klimaschutzgesetz, das für alle<br />

EU-Staaten mehr Verbindlichkeit in die Klimaschutzziele<br />

gebracht hat. In Brüssel arbeiten sie<br />

in diesem Bereich an ganz vielen Themen, das<br />

ist für mich ganz wichtig. Ich bin überzeugte Europäerin.<br />

Ich habe viele Jahre in Brüssel als Vorsitzende<br />

des europäischen Handelsverbands EuroCommerce<br />

Lobbyarbeit gemacht und ich sage: Wir<br />

müssen die Solidarität innerhalb der EU wieder<br />

deutlich stärken. Ich habe geheult, als die EU<br />

den Friedensnobelpreis bekommen hat. Davon<br />

ist heute aber leider nicht mehr viel zu sehen.<br />

Deswegen muss man Regeln schaffen, die all<br />

jenen Grenzen setzen, die die EU nur noch ausnutzen,<br />

aber nichts mehr beitragen – Länder<br />

wie Ungarn und Polen. In der Flüchtlingspolitik<br />

müssen wir endlich Dublin umsetzen, Griechenland<br />

und Italien von ihren Belastungen entlasten<br />

und die Geflüchteten über alle EU-Mitgliedstaaten<br />

verteilen.<br />

18 | Was sagst Du zum Thema Geflüchtete?<br />

Die wenigsten Geflüchteten kommen überhaupt<br />

in der EU an. Zur Zeit sind ca. 70 Millionen Geflüchtete<br />

unterwegs, davon kommt nur eine geringe<br />

Anzahl zu uns. 2015 wären wir nicht in diese<br />

Situation gekommen, wenn wir Länder wie<br />

Jordanien oder den Libanon etc. so unterstützt<br />

hätten, wie es nach den UN-Regeln eigentlich<br />

unsere Pflicht gewesen wäre. Die Geflüchteten<br />

waren ja schon zwei Jahre in den dortigen Camps<br />

und haben sich nur auf den Weg gemacht, weil<br />

wir sie dort haben verhungern lassen. In jenen<br />

Ländern hätten sie keine kulturellen Probleme<br />

gehabt, sie hätten keine sprachlichen Probleme<br />

gehabt. Aber natürlich: Wenn ich kurz davor<br />

wäre, zu verhungern, würde ich mich auch auf<br />

den Weg machen. Wir müssen die Geflüchteten<br />

vor Ort besser unterstützen, damit sie dort so<br />

lange bleiben können, bis die Krise sicher vorbei<br />

ist. Gleichzeitig müssen wir unseren Beitrag<br />

leisten, die Krise zu beenden. Das machen wir<br />

in Syrien zum Beispiel überhaupt nicht. Dort<br />

lassen wir den Krieg einfach laufen. „Fluchtursachen<br />

vor Ort bekämpfen“ ist so ein Schlagwort,<br />

aber natürlich geht es genau darum.<br />

Sind Geflüchtete dann aber unterwegs, müssen<br />

wir sie auch entsprechend aufnehmen. Dazu<br />

sind wir nicht nur internationale Verpflichtungen<br />

eingegangen, sondern es ist quasi ein Menschenrecht.<br />

Wenn man sich anguckt, wie Moria<br />

aussieht, ist das eine absolute Frechheit.<br />

19 | Wer ist außerhalb der EU Deutschlands<br />

wichtigster Partner?<br />

Wir haben im Prinzip drei wichtige Achsen: Wir<br />

haben Russland, wir haben China, wir haben<br />

die USA. Davon sind die USA unsere geborene<br />

wichtigste Achse, weil sie uns im Wertegefüge<br />

am nächsten stehen. Mit Biden und Harris<br />

stimmt das zum Glück auch wieder, daher hoffe<br />

ich, dass diese Achse in den nächsten Jahren<br />

wieder gestärkt wird.<br />

Mit China ist es schwierig. Mit einer Diktatur demokratische<br />

Vereinbarungen zu treffen ist immer<br />

heikel. Wir haben es gerade im wirtschaftlichen<br />

Bereich immer wieder erlebt, dass China<br />

kein Interesse daran zeigt, Markenpiraterie oder<br />

Wirtschaftsspionage ernsthaft zu unterbinden.<br />

China ist ein riesiger Markt, den wir für uns erschließen<br />

müssen, aber immer in dem Wissen,<br />

dass dies auch Gefahren birgt.<br />

Russland ist auch nicht gerade demokratisch,<br />

aber wenn es zum Beispiel um Nord Stream 2<br />

geht, sage ich ganz klar: Ich bin dafür, weiterzubauen.<br />

Wir brauchen Erdgas als Brückentechnologie,<br />

wenn wir schon aus Atomkraft und Kohle<br />

aussteigen. Andere Länder, von denen wir Erdgas<br />

alternativ bekommen könnten, sind auch<br />

keine lupenreinen Demokratien – außer Nor-<br />

„Wir müssen Regeln<br />

schaffen, die all<br />

jenen Grenzen setzen,<br />

die die EU nur<br />

noch ausnutzen,<br />

aber nichts mehr<br />

beitragen – Länder<br />

wie Ungarn und<br />

Polen.“<br />

| 17<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

11


Mitte im Wahlkreis<br />

„Wäre<br />

Svenja Schulze<br />

nicht wegen der<br />

guten Agrarpraxis<br />

ins Obligo gegangen,<br />

hätte Deutschland<br />

am Ende<br />

des Jahres keine<br />

Agrarsubventionen<br />

mehr bekommen.“<br />

<strong>21</strong> |<br />

wegen, und so viel Erdgas hat man dort nicht.<br />

Wenn man also Erdgas braucht und Fracking<br />

nicht haben will, hängt man quasi am Fliegenfänger<br />

autokratischer Systeme, leider.<br />

20 | Wie beurteilst Du die Regierungsmaßnahmen<br />

gegen die Pandemie?<br />

Als Naturwissenschaftlerin „krieg’ ich Plack“,<br />

weil alles so unsystematisch abläuft. Auch ändert<br />

man zwischendurch immer mal wieder<br />

die Zielsetzung, das ärgert mich am meisten.<br />

Es gibt einfach unterschiedliche Ziele: Wir wollen<br />

so wenig Tote wie möglich, wir wollen unser<br />

Gesundheitssystem nicht überlasten, wir wollen<br />

die Inzidenzzahlen so niedrig halten, dass<br />

wir das Infektionsgeschehen nachvollziehen<br />

können. Diese drei Ziele werden gefühlt bunt<br />

gemischt. Mal verfolgt man das eine, mal das<br />

andere, mal keins davon und mal hat man ein<br />

ganz neues. Für mich ist das vollkommen unsystematisch<br />

bis sinnlos.<br />

In den ersten drei Monaten war das auf-Sichtfahren<br />

absolut in Ordnung, damals hat man<br />

gar nicht anders agieren können. Mittlerweile<br />

haben wir eine große Menge an Informationen,<br />

aber aus meiner Sicht werden diese Informationen<br />

gar nicht berücksichtigt. Das finde ich<br />

ganz schrecklich. Beim Impfen ist die Reihenfolge<br />

völlig richtig, aber dass wir zu blöd sind,<br />

die Impfdosen, die uns geliefert werden, auch<br />

sinnvoll zu verimpfen, ist für mich absolut unverständlich.<br />

<strong>21</strong> | Wie zufrieden bist Du mit der Regierungsarbeit<br />

der letzten Jahre?<br />

Also mit der SPD in der Bundesregierung, mit<br />

unseren Minister:innen bin ich wirklich sehr zufrieden.<br />

Wir haben sehr viele wichtige Projekte<br />

wie die Grundrente, und auch ganze „Pakete“<br />

wie im Gleichstellungsbereich durchbekommen.<br />

Wir haben die Arbeitsbedingungen verbessert.<br />

In der Pandemie hat Hubertus Heil sofort reagiert:<br />

mit der Kurzarbeit, mit dem Bürgergeld,<br />

mit der Grundsicherung usw. Wir haben Maßnahmen<br />

ergriffen, die maßgeblich dazu beigetragen<br />

haben, dass es in Deutschland trotz des<br />

Lockdowns sozial und gesellschaftlich relativ ruhig<br />

ist und die Panik und die Existenzängste der<br />

Menschen relativ übersichtlich blieben.<br />

Ich würde aber sagen, außer Gerd Müller als<br />

Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit,<br />

der jetzt mit Hubertus zusammen das<br />

Lieferkettengesetz geschaffen hat, sind die Unionsminister:innen<br />

durch die Bank Vollpfosten.<br />

Ein Andi Scheuer hat wirklich nichts auf die Reihe<br />

bekommen und ist der dritte CSU-Minister, in<br />

dessen Verantwortungsbereich ja eigentlich der<br />

Ausbau der digitalen Infrastruktur liegt. Dann<br />

haben wir eine Julia Klöckner, die in der Landwirtschaftspolitik<br />

im Bereich Tierwohl nichts<br />

macht.<br />

Wäre das BMU mit Svenja Schulze nicht wegen<br />

der guten Agrarpraxis ins Obligo gegangen, hätte<br />

Deutschland am Ende des Jahres in der Landwirtschaft<br />

keinen Plan vorgelegt und deshalb<br />

keine Agrarsubventionen mehr bekommen.<br />

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat 5<br />

Milliarden für den Digitalpakt angekündigt, das<br />

dann aber nicht budgetiert. Das alles ist so dilettantisch,<br />

dass ich sage, die würden bei uns hoffentlich<br />

noch nicht mal Beisitzer im Ortsverein.<br />

22 | Unter welchen Gegebenheiten sollte die<br />

SPD eine Regierungskoalition bilden?<br />

Meine Präferenz ist definitiv Rot/Rot/Grün oder<br />

Grün/Rot/Rot, je nachdem, was geht. Also, eine<br />

Koalition zusammen mit Grünen und Linken,<br />

weil ich glaube, dass wir dort die meisten unserer<br />

Themen umgesetzt bekommen. Nichtsdestotrotz,<br />

als Demokraten müssen wir in allen<br />

Konstellationen agieren können.<br />

Ich habe 2017/2018 auch gegen die GroKo gestimmt.<br />

Ich glaube, dass die Große Koalition uns<br />

Sozialdemokrat:innen nicht gut tut, aber de facto<br />

haben wir unsere Projekte in der Koalitionsvereinbarung<br />

im hohen Maße durchbekommen.<br />

Am Ende gilt immer, was man tatsächlich erreicht<br />

hat. Ich denke, dass wir in den letzten Jahren<br />

ziemlich viel hinbekommen haben, auch in<br />

dieser GroKo. Das wird leider von den Wähler:innen<br />

nicht in dem Maße goutiert, wie wir uns das<br />

wünschen würden, aber de facto haben wir zu<br />

einem deutlichen gesellschaftlichen Fortschritt<br />

beigetragen. Klar, über die AfD brauch wir nicht<br />

reden. Mit denen null, niemals.<br />

23 | Die SPD sieht sich als Friedenspartei. Wie<br />

siehst Du die Rolle der Bundeswehr?<br />

Ich bin keine Pazifistin. Angriffskriege darf es<br />

von deutschem Boden nie mehr geben! Aber<br />

im Zweifel müssen wir uns selbstverständlich<br />

verteidigen können. Es ist aktuell in unserer<br />

Situation in Europa, <strong>mittendrin</strong> in der EU, nicht<br />

wahrscheinlich, dass es dazu käme, aber sicher<br />

ist das nie. Auch bei den USA hatten wir nicht<br />

gedacht, wie schnell Trump eine stabile Demokratie<br />

destabilisieren kann. Daher brauchen wir<br />

eine Bundeswehr. Ich finde es auch richtig, dass<br />

wir an wichtigen Friedenseinsätzen teilnehmen.<br />

Dafür braucht die Bundeswehr Kompetenzen,<br />

dafür muss sie auch vernünftig ausgestattet<br />

werden. Wir können nicht Menschen in unserem<br />

Namen in Gefahrensituationen bringen<br />

und sie dort schlecht ausgestattet lassen. Ich<br />

12 <strong>mittendrin</strong>


glaube aber nicht, dass wir dazu zwei Prozent<br />

des BIP ausgeben müssen. Auch da wieder: Das<br />

Bundesverteidigungsministerium müsste mal<br />

vernünftig einkaufen, also keine Geräte für beschaffen,<br />

die jenseits von 30°C nicht mehr richtig<br />

funktionieren. So was kann doch nicht sein.<br />

Also, von mir ein klares Bekenntnis dazu, dass<br />

wir uns verteidigen können müssen und das<br />

die Soldat:innen dafür eine vernünftige Ausstattung<br />

brauchen.<br />

Es sind momentan natürlich drei Parteien in den<br />

Parlamenten, die überhaupt gar kein Interesse<br />

an Frauenförderung haben. Das sind CDU/CSU,<br />

das ist die FDP – und die AfD hat das erst recht<br />

nicht. Die haben gar keine Lust mehr Frauen<br />

aufzustellen und haben ja auch gar keine Quotenregelung.<br />

Aber obwohl wir in der SPD seit<br />

über 30 Jahren über eine Quotenregelung verfügen,<br />

haben wir jetzt zum Beispiel in NRW nur in<br />

30 Prozent der insgesamt 64 Wahlkreise Frauen<br />

aufgestellt. Obwohl wir eine Quotenregelung<br />

Marian Sollbach<br />

24 | NoWaBo, Mützenich, Lauterbach – wie viel<br />

Köln verträgt der Bund?<br />

Es kann gar nicht genug Kölsches in Berlin geben.<br />

In Stephan Grünewalds Buch „Köln auf<br />

der Couch“ geht es darum, dass Kölner:innen<br />

im Schnitt viel optimistischer sind, als andere.<br />

Dieser Optimismus, den wir haben, dass wir im<br />

Zweifel das Glas immer eher für halb voll halten,<br />

dass wir immer wieder sagen „Lass’ uns nach<br />

vorne schauen.“, der kann Berlin nur gut tun, davon<br />

kann Berlin gar nicht genug bekommen.<br />

25 | Warum sind Frauen in den Parlamenten immer<br />

noch unterrepräsentiert?<br />

haben, halten wir uns nach über 30 Jahren immer<br />

noch nicht daran und das hat viele strukturelle<br />

Gründe. Wir sehen ja gerade wieder in Köln,<br />

dass dann Männer der Meinung sind, Quote ist<br />

schön, aber ich bin toll und ich muss das jetzt<br />

unbedingt machen.<br />

Frauen sind auch so sozialisiert, dass sie im<br />

Zweifel zurückziehen, wenn man ihnen sagt „Da<br />

ist dieser junge Mann, der muss doch davon seine<br />

Familie ernähren.“<br />

Es gibt die Kritik an anderen, aber es gibt auch<br />

die Kritik an uns Frauen: Wir müssen einfach<br />

auch fordern. Da bin ich absolut eins mit Simone<br />

de Beauvoir, die gesagt hat: „Frauen, die<br />

„Obwohl wir in der<br />

SPD seit über 30<br />

Jahren über eine<br />

Quotenregelung<br />

verfügen, haben<br />

wir in NRW nur<br />

in 30 Prozent der<br />

Wahlkreise Frauen<br />

aufgestellt.“<br />

| 24<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

13


Marian Sollbach<br />

„Ich will aus<br />

Berlin Rahmenbedingungen<br />

setzen, damit die<br />

RheinEnergie den<br />

Anteil erneuerbarer<br />

Energien schnellstmöglich<br />

hochfahren<br />

kann.“<br />

28 |<br />

14 <strong>mittendrin</strong><br />

nichts fordern, werden beim Wort genommen.<br />

Sie bekommen nichts.“ Man macht sich damit<br />

keine Freunde, wenn man als Frau pushy ist,<br />

aber wir wollen hier ja auch nicht Freunde fürs<br />

Leben finden, sondern gesellschaftliche Dinge<br />

verändern.<br />

26 | Wie stehst Du zu unserem Kanzlerkandidaten<br />

Olaf Scholz?<br />

Ich habe Norbert und Saskia mit an die Parteispitze<br />

gewählt, dazu stehe ich, an der Stelle<br />

hätte ich Olaf für ungeeignet gehalten. Für die<br />

Kanzlerschaft hätte ich selbstverständlich Franziska<br />

Giffey, Malu Dreier oder Manuela Schwesig<br />

mindestens für genauso qualifiziert gehalten,<br />

eigentlich sogar noch um einen Tick besser,<br />

weil sie auch noch ein wenig Wärme ausstrahlen.<br />

Die drei haben sich aber entschieden, lieber<br />

Landescheffinnen zu werden. Ich hätte mir also<br />

gut eine Frau als Spitzenkandidat:in vorstellen<br />

können, dennoch: Olaf ist absolut in Ordnung.<br />

Er hat die Erfahrung, er hat die Bekanntheit,<br />

er hat die Glaubwürdigkeit und er hat mit den<br />

von ihm ins Wahlprogramm eingebrachten Zukunftsmissionen<br />

gezeigt, dass er die Zeichen<br />

der Zeit wirklich erkennt.<br />

27 | Inwieweit sollten Mandatsträger:innen Nebentätigkeiten<br />

möglich sein?<br />

Das kommt immer darauf an. Normalerweise<br />

wird man im Bundestag gut genug bezahlt, dass<br />

das ausreichen müsste. Wenn aber jemand beispielsweise<br />

Partner:in in einer Anwaltskanzlei<br />

ist, dann muss es möglich sein, sie noch nebenher<br />

zu führen, weil es ja wünschenswert<br />

ist, dass die Leute auch nach dem Mandat noch<br />

ein Leben führen können und nicht, nur weil sie<br />

sonst keine Einkunftsmöglichkeiten haben, am<br />

Mandat kleben. In solchen Fällen finde ich das<br />

absolut legitim. Neue Tätigkeiten oder irgendwelche<br />

dubiose Beratungsleistungen aber gehen<br />

für mich überhaupt nicht.<br />

28 | Was möchtest Du von Berlin aus direkt für<br />

Köln leisten?<br />

Ich will aus Berlin die Rahmenbedingungen<br />

setzen, die es braucht, damit die RheinEnergie<br />

den Anteil erneuerbarer Energien in der eigenen<br />

Stromerzeugung schnellstmöglich hochfahren<br />

kann. Der liegt im Moment nur bei unter<br />

6 Prozent. Wir brauchen dafür einen Push<br />

aus Berlin und vielleicht eine Solar-Kampagne,<br />

damit auch in Köln auf deutlich mehr Häusern<br />

Solaranlagen installiert werden. Wir haben die<br />

Rahmenbedingungen mit dem Mieterstromkonzept<br />

eigentlich schon gesetzt, aber es wird<br />

noch zu wenig umgesetzt. Es braucht also noch<br />

einmal einen klaren Impuls aus Berlin, den ich<br />

gerne geben würde.<br />

29 | Welche nicht gestellte Frage möchtest Du<br />

unbedingt noch beantworten?<br />

Die Frage nach der Parität bei der Findung der<br />

Kandidat:innen. Ich bin für Parität in den Wahlkreisen,<br />

auch bei der KölnSPD. Deswegen: Am<br />

Mittwoch zwei Wahlkreise für Frauen, um sich<br />

beim Thema Parität an den eigenen Werten<br />

messen zu lassen.


Kathi Letzelter<br />

Kathi Letzelter<br />

Bewerbung zurückgezogen<br />

Liebe Kathi, Du hast Deine Bewerbung um die<br />

SPD-Kandidatur im Bundestagswahlkreis 93 /<br />

Köln II zurükgezogen. Warum?<br />

In den letzten Wochen habe ich viel Herzblut in<br />

meine Bewerbung für die Kandidatur zur Bundestagskandidatin<br />

gesteckt. Ich habe mich<br />

5 Tage vor der Entbindung meines Kleinen und<br />

8 Tage danach bei Ortsvereinen vorgestellt.<br />

Mein persönlicher Schwerpunkt war der Einsatz<br />

für mehr Chancengleichheit. Ich bin der festen<br />

Überzeugung, dass ich mit der Wahl dieses<br />

Schwerpunkts vielen Bürger:innen aus der Seele<br />

spreche. Zusätzlich stehe ich für einen respektvollen<br />

politischen und privaten Umgang. Ich bin<br />

daher weiterhin der Überzeung, dass ich eine<br />

gute Kandidatin für diesen Wahlkreis wäre.<br />

Auch wenn ich eine gute Kandidatin wäre ist für<br />

mich persönlich jetzt der falsche Zeitpunkt für<br />

eine Kandidatur.<br />

Im Rahmen des Mutterschutzes habe ich gemerkt,<br />

dass für mich mein Arbeitsleben und<br />

meine berufliche Zukunft bei meinem Unternehmen<br />

wichtig sind. Dort befindet sich einiges<br />

im Wandel, bei dem ich die Möglichkeit habe, Teil<br />

der Entwicklung zu sein und mich dabei selbst<br />

weiterzuentwickeln. Beruf, Kleinkind und eine<br />

Kampagne für den Bundestagswahlkampf zu<br />

koordinieren ist für mich mit meinem Anspruch,<br />

den ich für eine Kandidatur an mich selbst stelle,<br />

nicht möglich. Deshalb werde ich meine Kandidatur<br />

aus beruflichen Gründen zurückziehen.<br />

Ich bin sehr dankbar, dass ich den parteiinternen<br />

Prozess einmal selbst durchlaufen habe und damit<br />

die Stärken als auch die Schwächen in unserer<br />

Partei erleben konnte. Einige Vorstellungen,<br />

wie im OV Mitte, waren sehr respektvoll und unsere<br />

Genossinnen und Genossen haben sich gefreut,<br />

dass sie eine Wahl für dieses wichtige Amt<br />

hatten. Ich entschuldige mich in aller Form bei<br />

all denen, die diese Wahl nun nicht mehr haben.<br />

Andere Verfahren waren hingegen eher entmutigend<br />

und zeugten nicht von der politischen<br />

Kultur, die wir als solidarische Partei leben wollen<br />

und sollen. Ich möchte daher meine Energie<br />

als stellvertretende Vorsitzende in einen Wandel<br />

der politischen Kultur investieren. Damit wir<br />

in Zukunft in unserer politischen Arbeit überall<br />

Solidarität und Respekt leben.<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

15


Mitte aktiv<br />

Sanae Abdi<br />

16 <strong>mittendrin</strong>


Sanae Abdi<br />

Bewerberin für die SPD-Kandidatur im<br />

Bundestagswahlkreis 93 / Köln I<br />

(Porz, Kalk, Deutz, Teile der Innenstadt)<br />

01 | Was hat Dich ursprünglich bewegt, einer<br />

Partei beizutreten – und warum der SPD?<br />

Das Ganze fing schon sehr früh an. Ich komme<br />

aus Lüdenscheid, einer Kleinstadt im<br />

Sauerland. In der Zeit, als ich dort groß geworden<br />

bin, war das Straßenbild geprägt<br />

durch Neo-Nazis, das war dort einfach keine<br />

Seltenheit. Die standen dort in Grüppchen vor<br />

allem bei uns auf dem Rathausplatz. Das war<br />

immer eine sehr bedrohliche Situation. Ich<br />

hätte mich zum Beispiel nicht getraut, abends<br />

nach 18 Uhr alleine an denen vorbeizugehen.<br />

Es gab nicht viele Möglichkeiten, sich damit<br />

auseinanderzusetzen und sich vielleicht auch<br />

ein bisschen zur Wehr zu setzen. Für mich gab<br />

es da nur die Jusos als politische Antwort. Mit<br />

denen hatte ich zumindest das Gefühl, Widerstand<br />

zu leisten. So begann ich damals, mich<br />

bei den Jusos zu engagieren.<br />

Der Partei richtig beigetreten bin ich, als ich<br />

zum Studium nach Köln kam, das war 2007.<br />

Ich bin in die SPD eingetreten, weil ich in genau<br />

der Partei, in der ich schon immer meine<br />

Ideale und Werte vertreten sah, auch selbst<br />

aktiv werden wollte.<br />

<strong>02</strong> | Welche Eigenschaften muss ein:e Bundestagsabgeordnete:r<br />

mitbringen?<br />

Ein:e Bundestagsabgeordnete:r muss den<br />

Blick von außerhalb der Partei mitbringen. Die<br />

Menschen, die im Bundestag sitzen, sind ja<br />

die Vertreter:innen des Volkes und daher ist<br />

es wichtig, dass sie auch in unterschiedliche<br />

Bereiche dieses Volkes Einblick hatten. Zum<br />

Beispiel, dass sie auch woanders als in der<br />

Partei gearbeitet haben. Insgesamt sollten<br />

die Abgeordneten aus den verschiedenen Lebensbereichen<br />

der Bevölkerung kommen und<br />

sich dort auskennen. Dabei spielt auch Diversität<br />

eine Rolle. Es ist wichtig, dass die Unterschiedlichkeit<br />

der Menschen sich im ganzen<br />

Bundestag wiederfindet und dort auch vertreten<br />

wird.<br />

03 | Über welche Sachkompetenz verfügst Du?<br />

Ich bin Mitarbeiterin eines Bundesunternehmens<br />

und habe darüber schon Einblick in die<br />

Bundespolitik, nämlich in die Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Das ist ein ursozialdemokratischer<br />

Teil der Politik. Ich arbeite in einem<br />

Projekt für Nachhaltigkeit in der Lieferkette.<br />

Die Bereiche „nachhaltiges Wirtschaften“ und<br />

„Entwicklungszusammenarbeit“ sind jene, aus<br />

denen ich unbedingt Fachkompetenz mitbringe.<br />

Darüber hinaus kenne ich mich selbstverständlich<br />

mit dem Bundeshaushalt aus.<br />

Bundesunternehmen sind natürlich immer<br />

haushaltsgebunden, insofern ist Haushaltskompetenz<br />

mein tägliches Brot. Steuermittel<br />

so einzusetzen, dass sie nachhaltig verwendet<br />

werden, ist Alltagsaufgabe für mich.<br />

„Die Menschen im<br />

Bundestag sind<br />

die Vertreter:innen<br />

des Volkes, daher<br />

ist es wichtig, dass<br />

sie auch in unterschiedliche<br />

Bereiche<br />

dieses Volkes<br />

Einblick hatten.“<br />

| <strong>02</strong><br />

04 | Wie bis Du bislang im angestrebten Wahlkreis<br />

präsent?<br />

Ich komme aus der Innenstadt, bin hier im<br />

Stadtbezirksvorstand aktiv und habe ein gutes<br />

Netzwerk in die Ortsvereine.<br />

Darüber hinaus war mein Ortsvereinsvorsitzender<br />

Tim Cremer Mitarbeiter des ehemaligen<br />

Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises<br />

und so habe ich durch ihn tiefe Einblicke<br />

in die entsprechende Arbeit gewinnen können.<br />

Wir haben gemeinsame Touren durch<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

17


Mitte im Wahlkreis<br />

Sanae Abdi<br />

„Wir sind die<br />

Partei der sozialen<br />

Gerechtigkeit,<br />

wirmüssen die<br />

Sozialreformen<br />

weiter voranbringen.“<br />

06 |<br />

den Wahlkreis gemacht und er hat mir so<br />

schlichte Dinge gezeigt, wo klassischerweise<br />

Wahlkampfstände gemacht wurden, aber zum<br />

Beispiel auch, welche Fußballplätze mit Bundesförderung<br />

saniert wurden. Durch Tim habe<br />

ich tatsächlich sehr viel Hintergrundwissen<br />

zum Wahlkreis bekommen. Ich bin aber zum<br />

Beispiel mit den Jusos in Kalk sehr vernetzt,<br />

solche Dinge begründen meine Präsenz im<br />

Wahlkreis.<br />

05 | Was empfindest Du als Deinen bislang<br />

größten politischen Erfolg?<br />

Meine Kandidatur bei der Kommunalwahl,<br />

auch wenn ich mein Mandat nicht errungen<br />

habe. Trotzdem war das für mich ein großer<br />

politischer Erfolg, weil ich sehr viele Stimmen<br />

für die SPD gewinnen und vor allem meine Inhalte<br />

transportieren, also an den Wähler und<br />

die Wählerin bringen konnte. Das kam bei vielen<br />

an und das ist ein politischer Erfolg. Ich begegne<br />

immer noch Menschen auf der Straße,<br />

die mir sagen, sie seien seit Jahren Mitglied<br />

einer anderen Partei, haben aber jetzt zum<br />

ersten Mal SPD gewählt, weil sie von meinen<br />

Inhalten überzeugt waren und sich über mein<br />

politisches Auftreten gefreut haben, dann verbuche<br />

ich das durchaus als politischen Erfolg –<br />

für mich und die Partei.<br />

06 | Welche Themen bzw. Bereiche willst Du<br />

als Bundestagsabgeordnete besetzen?<br />

Natürlich die Entwicklungszusammenarbeit,<br />

weil ich da meine Fachkompetenz sehe. Das<br />

ist etwas, wofür ich mich ganz stark im Bundestag<br />

einsetzen möchte. Es ist auch so, dass<br />

Sascha Raabe, unser entwicklungspolitischer<br />

Sprecher, bei der Bundestagswahl nicht noch<br />

einmal kandidiert. Zur nächsten Wahl verlieren<br />

wir also ein bisschen Kompetenz und<br />

diese will ich als Mitarbeiterin der GiZ wieder<br />

hineinbringen. Das ist ein politischer Bereich,<br />

den ich gerne besetzen möchte.<br />

Zum Anderen ist die Umwelt- und Klimapolitik<br />

ein sehr wichtiger Bereich für mich, in dem wir<br />

als SPD viel stärker aktiv sein müssen. Diesen<br />

Bereich will ich für mich ganz klar als einen<br />

weiteren benennen.<br />

Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit,<br />

müssen die Sozialreformen weiter voranbrin-<br />

18 <strong>mittendrin</strong>


gen und dabei alle Menschen mitdenken. All<br />

diese unterschiedlichen Felder stoßen aneinander.<br />

Wie wird Arbeit zukünftig aussehen?<br />

Welche Auswirkungen hat die nötige Umweltpolitik<br />

auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen,<br />

welche die Digitalisierung? Sozialdemokrat:innen<br />

müssen die Weichen so stellen,<br />

dass die Menschen mit all den Entwicklungen<br />

gut zurechtkommen.<br />

07 | Wie willst Du Wähler:innen von Dir überzeugen?<br />

Meine Stärke liegt in der persönlichen Ansprache.<br />

Wenn ich mit Menschen persönlich<br />

in Kontakt komme, funktioniert das gut. Ich<br />

bin ein Fan des klassischen Wahlkampfstandes,<br />

auch wenn andere das antiquiert finden.<br />

Ich glaube, dass wir im Wahlkreis beständig<br />

Ansprechpartner:innen sein müssen. Wir<br />

müssen zeigen, dass wir uns wirklich für die<br />

Anliegen der Menschen interessieren. Damit<br />

kann ich überzeugen – und auch über meine<br />

Themen.<br />

Ich kann überzeugend aufzeigen, dass wir Sozialdemokrat:innen<br />

für eine fortschrittliche<br />

Umwelt- und Klimapolitik stehen und dass wir<br />

als SPD unbedingt gebraucht werden, da nur<br />

wir wirkliche soziale Politik in diesem Land<br />

machen.<br />

Abseits vom Wahlkampfstand bin ich natürlich<br />

auch digital aktiv. Das ist für mich so normal,<br />

dass ich das nicht immer extra dazudenken<br />

muss. Ich bin damit groß geworden, dass passiert<br />

automatisch.<br />

08 | Wie beurteilst Du das Funktionieren der<br />

Demokratie in Deutschland?<br />

Die Demokratie funktioniert bei uns sehr gut.<br />

Wir alle können für Dinge auf die Straße gehen,<br />

deren Notwendigkeit offenbar nicht für<br />

jeden sofort ersichtlich ist. Die Frage ist, wie<br />

wir damit umgehen, wenn das für Dinge geschieht,<br />

die uns selbst vielleicht nicht passen.<br />

Auch der AfD müssen wir mit demokratischen<br />

Mitteln begegnen. Das geht, denn Demokratie<br />

ist wehrhaft. Die Demokratie funktioniert<br />

sehr gut, das bleibt aber nur so, wenn man beständig<br />

daran arbeitet, sie auch weiterzuentwickeln.<br />

So stellt sich zum Beispiel immer die<br />

Frage nach mehr Bürgerbeteiligung.<br />

„Meine Stärke liegt<br />

in der persönlichen<br />

Ansprache. Wir<br />

müssen zeigen,<br />

dass wir uns wirklich<br />

für die Anliegen<br />

der Menschen<br />

interessieren.“<br />

| 07<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

19


Mitte im Wahlkreis<br />

„Wir können nicht<br />

unsere Flüsse<br />

sauber halten,<br />

indem wir die<br />

Chemikalien zum<br />

Färben von T-Shirts<br />

in Indien ins Meer<br />

fließen lassen.“<br />

14 |<br />

Sanae Abdi<br />

ist 34 Jahre alt und<br />

in Marokko geboren.<br />

Seit 2008 ist sie Mitglied<br />

in der SPD.<br />

Sanae hat in Marburg<br />

und Bonn Jura studiert.<br />

Heute ist sie Projektmanagerin<br />

bei der Gesellschaft<br />

für Internationale<br />

Zusammenarbeit in<br />

Bonn.<br />

09 | Was stellt unsere Demokratie zur Zeit am<br />

ehesten unter Stress?<br />

Das ist natürlich der Einfluss von rechts. Die<br />

AfD und rechte Hetze stellen sich gegen unsere<br />

demokratische Grundordnung. Das greift<br />

die Demokratie an und setzt sie unter Stress.<br />

So gesehen ist Demokratie immer auch gefährdet,<br />

aber da sehe ich gerade uns als starkes<br />

Bollwerk der Verteidigung. Zudem leben<br />

wir gerade in einer Pandemie, in einer Krisensituation.<br />

Das verunsichert alle.<br />

10 | Sollten Bürger:innen mehr Möglichkeiten<br />

zur politischen Mitwirkung erhalten?<br />

Außer bei meiner eigenen Kandidatur war ich<br />

bei jeder Wahl Wahlhelferin, schon mit 16 Jahren.<br />

Bei einer Kommunalwahl gab es einen<br />

Bürgerentscheid über den Bau eines Mehrgenerationen-Spielplatzes.<br />

Bei der Stimmabgabe<br />

kam dann eine ältere Dame zu mir: „Wie<br />

soll ich das denn entscheiden? Ich weiß doch<br />

nicht , ob das Geld dafür da ist.“ Das ist mir all<br />

die Jahre in Erinnerung geblieben.<br />

Ja, es ist wichtig, das Bürger:innen mitentscheiden,<br />

aber das kann man nicht in jeder Situation<br />

einfordern. Politische Entscheidungen<br />

beinhalten das Mitdenken unterschiedlichster<br />

Dinge und verlangen meist nach Kompromissen.<br />

Ja, Bürgerentscheide in gewisser Weise,<br />

aber nicht allumfänglich. Man wählt Politiker:innen<br />

ja dafür, dass sie einen bei den Entscheidungen<br />

vertreten und dafür kann man<br />

sie später dann auch verantwortlich machen.<br />

11 | Was kann der Bund unternehmen, um<br />

Wohnen bezahlbarer zu machen?<br />

Beispielsweise kann der Bund weitgehend ungenutzte<br />

Liegenschaften, über die er in ganz<br />

Deutschland verfügt, den Kommunen für den<br />

Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen.<br />

Das kann der Bund einfach sofort machen.<br />

Darüber hinaus kann der Bund durch eine entsprechende<br />

Bodenpolitik die Kommunen in<br />

ihren Bemühungen stärken. Auch das ginge<br />

im Grunde sofort.<br />

Es ist wichtig, dass sich der Bund hier engagiert.<br />

Wir kennen, die Situation in Köln, sie ist<br />

in Berlin und Hamburg nicht anders. Wohnen<br />

ist ein Grundrecht für dessen Garantie auch<br />

der Bund in der Pflicht steht.<br />

12 | Wie kann der Bund für mehr Bildungsgerechtigkeit<br />

sorgen?<br />

Dafür sind in unserem föderalen System ja<br />

die Länder verantwortlich. Mit dem Digitalpakt<br />

hat der Bund beispielhaft Verantwortung<br />

für die Lösung drängender Probleme in den<br />

Schulen mitübernommen. Das ginge natürlich<br />

auch in anderen Bereichen.<br />

Ich zum Beispiel war auf einer Gesamtschule,<br />

die über Sozialarbeiter:innen verfügte. In diesem<br />

Bereich bräuchte es definitiv mehr Förderung,<br />

um Schulen besser auszustatten.<br />

Meine Schule war zudem eine „Schule gegen<br />

Rassismus“. Für solche und ähnliche Programme<br />

kann der Bund mehr Fördermittel bereitstellen.<br />

Auch das ist Bildungsarbeit.<br />

13 | Was sind aus Bundessicht die drängendsten<br />

Aufgaben in Sachen Mobilität?<br />

Der Güterverkehr muss auf die Schiene, zur<br />

Entlastung der Straßen. Wir brauchen zudem<br />

einen kostenlosen ÖPNV, was an sich nicht<br />

Bundesaufgabe ist, aber auch da kann der<br />

Bund durch Förderung einiges bewirken. Wir<br />

kommen nur zur einer wirklichen Verkehrswende,<br />

wenn mehr Menschen einen ordentlichen<br />

ÖPNV nutzen können und dann mehr<br />

und mehr auf das eigene Auto verzichten.<br />

Es ist völlig kontraproduktiv, wenn wir das<br />

Pferd von hinten aufzäumen und die Autos<br />

aus den Innenstädten herausholen, ohne einen<br />

attraktiven ÖPNV anzubieten.<br />

Das ganze muss für die Menschen kostengünstig<br />

sein, nicht jeder kann sich teure Tickets<br />

für Bahnen leisten, die nicht in den eigenen<br />

Stadtteil fahren. Meine Schwester lebt<br />

in Worringen. Wenn sie mich mit zwei kleinen<br />

Kindern in der Innenstadt besuchen will, ist<br />

das Auto nicht nur schneller, sondern auch immer<br />

noch preiswerter. So sollte das nicht sein.<br />

14 | Welche Umweltthemen müssen sofort angegangen<br />

werden?<br />

Wir müssen zur Klimaneutralität kommen,<br />

also müssen wir CO2 reduzieren. Wir brauchen<br />

daher eine wirkliche CO2-Besteuerung.<br />

Hier würde ich mir ein Umlage wünschen, die<br />

dann auch in die Sozialkassen einzahlt. Der<br />

Atomausstieg ist beschlossen, jetzt müssen<br />

wir noch raus aus der Kohle – und das so<br />

schnell wie möglich.<br />

Wir müssen auch Unternehmen generell mehr<br />

in die Verantwortung nehmen, nachhaltig<br />

zu handeln. Das fängt bei Energiekonzernen<br />

an, die ihre Produktion nachhaltig umrüsten<br />

müssen. Die Textilindustrie hat ihre Produktion<br />

ins Ausland verlagert und Arbeitsplätze<br />

in Deutschland abgebaut, weil sie im Ausland<br />

weniger Sozial und Umweltstandards einhalten<br />

muss, was die Produkte preiswerter macht.<br />

Genau das darf nicht passieren. Wir können<br />

nicht unsere Flüsse sauber halten, indem wir<br />

die Chemikalien zum Färben von T-Shirts in<br />

20 <strong>mittendrin</strong>


Sanae Abdi<br />

Indien ins Meer fließen lassen. In der Globalisierung<br />

solche Fragen nicht mitzudenken war<br />

und ist ein fataler Fehler. Ich würde mir eine<br />

europäische Lösung wünschen, was nicht<br />

heißt, dass wir in Deutschland nicht schon voranschreiten<br />

könnten.<br />

15 | Was muss in Sachen Arbeit gestärkt oder<br />

angestoßen werden?<br />

Wir müssen die Anforderungen der Klimakrise<br />

und der Digitalisierung endlich mehr im<br />

Bereich Arbeit mitdenken. Die sozialökonomische<br />

Transformation spielt eine entscheidende<br />

Rolle. Wie verändert sich Arbeit? Wie verändern<br />

sich Arbeitsplätze?<br />

Die aktuelle Debatte um das Homeoffice betrachte<br />

ich zwiespältig. Mobiles Arbeiten muss<br />

möglich sein, darf aber Arbeitgeber nicht aus<br />

ihrer Verantwortung entlassen. Das beginnt<br />

beim Anspruch auf einen gut ausgestatteten<br />

Arbeitsplatz und endet nicht bei der Frage<br />

nach den Möglichkeiten eines Betriebsrates<br />

und der Vernetzung mit den Gewerkschaften.<br />

Was geschieht, wenn man Arbeitsplätze quasi<br />

aus dem Betrieb nimmt und an einen anderen<br />

Ort verlegt? Wer achtet auf Sicherheit und<br />

Gesunderhaltung? Insgesamt ist die Stärkung<br />

der Ausbildung und die Ausweitung von Ausbildungsplätzen<br />

wichtig, gerade in der Pflege.<br />

16 | Was muss in Sachen Digitalisierung unternommen<br />

werden?<br />

Das zu sagen hört sich schon völlig kurios an:<br />

Wir brauchen einen flächendeckendenden,<br />

schnellen Zugang zum Internet. Den gibt es in<br />

Deutschland schlicht nicht überall. Wir brauchen<br />

im ländlichen die gleichen Möglichkeiten<br />

wie im städtischen Raum. In der Kölner Innenstadt<br />

hakt es auch im Netz.<br />

Die Zuständigkeit für Digitalisierung liegt im<br />

Verkehrsministerium. Das ist schon der erste<br />

Fehler. Mein Hirn macht es einfach nicht mit,<br />

dass „Verkehr“ und „Digitalisierung“ gleich<br />

angegangen werden sollten.<br />

Ich wünsche mir, dass Digitalisierung im Jahr<br />

20<strong>21</strong> ein eigenständiger Bereich wird, mit einem<br />

eigenständigen Fokus, wir müssen da<br />

vorankommen.<br />

17 | Was ist für Dich zur Zeit europapolitisch<br />

das wichtigste Thema?<br />

Das Lieferkettengesetz, für das ich mir eine<br />

europäische Lösung erhoffe.<br />

18 | Was sagst Du zum Thema Geflüchtete?<br />

Ich halte nichts vom Dublin-Abkommen. Wenn<br />

Kommunen zum Beispiel in Deutschland sagen,<br />

dass sie den Willen und die Mittel haben,<br />

Geflüchtete aufzunehmen, dann sollte das<br />

„Die Zuständigkeit<br />

für Digitalisierung<br />

liegt im Verkehrsministerium.<br />

Das<br />

ist schon der erste<br />

Fehler.“<br />

| 16<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

<strong>21</strong>


Mitte im Wahlkreis<br />

Sanae Abdi<br />

„Bei der Aufwertung<br />

der Arbeit von<br />

zum Beispiel Pflegekräften<br />

reicht mir<br />

das Handeln der<br />

Regierung nicht.“<br />

20 |<br />

möglich sein. Es darf nicht sein, dass sich der<br />

Bundesinnenminister quer stellt und quasi<br />

zusieht, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken.<br />

19 | Wer ist außerhalb der EU Deutschlands<br />

wichtigster Partner?<br />

Ich hoffe, jetzt wieder die USA. Aber ich würde<br />

mich gar nicht so auf ein Land fokussieren<br />

wollen. Ich denke, dass wir insgesamt viel globaler<br />

aufgestellt sein sollten.<br />

Natürlich sind die USA einer der wichtigsten<br />

Partner, zum Beispiel auch bei der Erreichung<br />

der Klimaziele. Es hat immer noch eine ganz<br />

andere Kraft, wenn die USA ein Abkommen<br />

mitunterzeichnen.<br />

20 | Wie beurteilst Du die Regierungsmaßnahmen<br />

gegen die Pandemie?<br />

Weitestgehend gut. Dinge wie das Kurzarbeitergeld,<br />

das wir als SPD durchgesetzt haben,<br />

waren in dieser Krise für viele Menschen unglaublich<br />

wichtig und hat sie vor dem Verlust<br />

ihres Arbeitsplatzes bewahrt.<br />

Bei der Aufwertung der Arbeit von zum Beispiel<br />

Pflegekräften reicht mir das Handeln<br />

der Regierung nicht. Ich hätte mir gewünscht,<br />

dass spätestens in der Pandemie allen klar geworden<br />

ist, dass Pflegekräfte besser bezahlt<br />

werden müssen. Auch die Gastronomie und<br />

Soloselbstständige haben erst sehr spät Mittel<br />

erhalten und oft reichen sie nicht aus.<br />

<strong>21</strong> | Wie zufrieden bist Du mit der Regierungsarbeit<br />

der letzten Jahre?<br />

Da muss ich sagen: semizufrieden. Ich bin<br />

froh, dass die SPD an dieser Regierung beteiligt<br />

war, weil wir so tatsächlich einige Dinge<br />

durchsetzen konnten, beispielsweise die Erhöhung<br />

des Mindestlohns. In vielen Dingen<br />

wurden wir aber einfach ausgebremst. Bei<br />

vielen Dingen hätten wir viel weiter gehen<br />

können – und wollte das ja auch–, es war aber<br />

nicht möglich.<br />

Wieder das Beispiel „Lieferkettengesetz“. Hier<br />

hat die SPD mit Hubertus Heil etwas sehr gutes<br />

ausgearbeitet, was dann durch die Einwirkung<br />

der CDU so beschränkt wurde, dass<br />

wir nur einen Bruchteil von dem haben, was<br />

wir eigentlich wollten und selbst das vielleicht<br />

nicht werden durchsetzen können.<br />

Die CDU wehrt sich oft gegen den Fortschritt.<br />

Mit dem Anteil der SPD bin ich zufrieden, mit<br />

dem Rest weniger.<br />

22 | Unter welchen Gegebenheiten sollte die<br />

SPD eine Regierungskoalition bilden?<br />

Ohne Koalition kommen wir ja nicht hin.<br />

Ich würde mir natürlich ein Rot/Rot/Grünes-<br />

Bündnis mit Olaf Scholz als Bundeskanzler<br />

wünschen. Sofern das nicht möglich sein<br />

wird, wünsche ich mir eine Variation des Rot/<br />

Rot/Grünen-Bündnisses, mit wem auch immer<br />

in der Kanzler:innenrolle. Das wäre ein<br />

links-progressives Bündnis, mit dem wir viele<br />

22 <strong>mittendrin</strong>


unserer Inhalte aus dem Wahlprogramm umsetzen<br />

könnten.<br />

Ich wäre gegen eine große Koalition, weil wir<br />

dann wieder in Richtung Fortschritt ausgebremst<br />

würden und vielleicht nicht mal einen<br />

Bruchteil von dem, was in unseren Zukunftsmissionen<br />

steht, umsetzen könnten.<br />

23 | Die SPD sieht sich als Friedenspartei. Wie<br />

siehst Du die Rolle der Bundeswehr?<br />

Die Bundeswehr ist nötig, wenn es um unsere<br />

Verteidigung geht. Genau dort sehe ich die<br />

Aufgabe der Bundeswehr. Wir sollten nicht<br />

weiter aufrüsten. Ich halte nichts von der Erreichung<br />

des 2-Prozent-Ziels.<br />

Anstatt das 2-Prozent-Ziel anzustreben, sollten<br />

wir lieber viel mehr Wert auf das 0,7-Prozent-Ziel<br />

der Entwicklungshilfe legen. Das<br />

haben wir in den letzten 50 Jahren nur einmal<br />

erreicht, nämlich im letzten Jahr. Wir sollten<br />

viel mehr präventiv arbeiten, damit ein Einsatz<br />

der Bundeswehr gar nicht erst in Erwägung<br />

gezogen werden muss.<br />

24 | NoWaBo, Mützenich, Lauterbach – wie viel<br />

Köln verträgt der Bund?<br />

Köln kann nirgendwo auf der Welt genug vertreten<br />

sein. Ein Stück Rheinland kann Berlin<br />

immer gut tun. Die Spitze von Partei und Bundestagsfraktion<br />

wird von Kölnern geprägt, offenbar<br />

können wir KölnSPDler für die Partei<br />

gute Arbeit leisten. Das kann Berlin nicht schaden.<br />

25 | Warum sind Frauen in den Parlamenten<br />

immer noch unterrepräsentiert?<br />

Weil vor allem rechte und konservative Parteien<br />

zu wenig Frauen aktiv einbinden und so<br />

selbst konservativ eingestellte Frauen sich<br />

diesen Parteien dann auch nicht aktiv zuwenden.<br />

Zudem ist das geltende Regelwerk nicht<br />

besonders frauenfördernd.<br />

Wir diskutieren ja gerade über ein Paritätsgesetz,<br />

das würde allerdings nur die Parität der<br />

Liste einfordern. In der SPD haben wir bereits<br />

eine verbindliche Quotierung der Liste, aber<br />

wenn wir nicht genug aktive Frauen in die<br />

Wahlkreise bekommen, nutzt auch irgendwann<br />

die Liste nichts mehr. Irgendwann hat<br />

man einfach nicht mehr genug Frauen, um<br />

paritätisch zu besetzen. Echte Parität kann nur<br />

durch die paritätische Besetzung der Wahlkreise<br />

funktionieren. Zudem ist Politik etwas, dass<br />

im Zusammenhang steht mit der Ausübung<br />

von Macht und Macht ist was, das Frauen meist<br />

zuwider ist. Gesetzliche Regelungen sind wichtig,<br />

um den Mut von Frauen zu stärken, sich in<br />

dieser Rolle wiederzufinden – immerhin stellen<br />

sie mehr als die Hälfte der Bevölkerung.<br />

26 | Wie stehst Du zu unserem Kanzlerkandidaten<br />

Olaf Scholz?<br />

Ich hätte mir für die Kanzlerkandidatur lieber<br />

eine Frau gewünscht, das ist kein Geheimnis.<br />

Nichtsdestotrotz ist Olaf ein Guter Kandidat<br />

und sicher ein guter Bundeskanzler, keine<br />

Frage. Er hat bewiesen, dass er krisenfest ist.<br />

Als Finanzminister und Vizekanzler in dieser<br />

schwierigen Zeit macht er einen sehr guten<br />

Job. Er ist auch einfach der beliebteste SPD-Politiker<br />

im Land. In Kombination mit einem sehr<br />

links-progressiven Wahlprogramm, dass er<br />

selbst mit vorgelegt hat, wird er einen sehr guten<br />

Job machen.<br />

27 | Inwieweit sollten Mandatsträger:innen Nebentätigkeiten<br />

möglich sein?<br />

Im Bund am liebsten gar nicht. Mandatsträger:innen<br />

sollen dem Volk verpflichtet sein<br />

und nicht irgendwelchen Interessensgruppen<br />

oder Unternehmen.<br />

28 | Was möchtest Du von Berlin aus direkt für<br />

Köln leisten?<br />

Ich möchte, dass die Fördergelder, die in Berlin<br />

zur Verfügung gestellt werden, in Köln auch<br />

ankommen. Das will ich leisten, durch ein enges<br />

Netzwerk in die Kommunalpolitik hinein,<br />

zu den in Köln Aktiven. Das sind die BV, das<br />

ist der Rat etc. Das Netzwerk ist wichtig, um<br />

zu wissen, an welcher Stelle Förderungen tatsächlich<br />

vor benötigt werden, die dann direkt<br />

in Köln auch wirken können. Das ist etwas, das<br />

ich direkt aus Berlin leisten kann.<br />

Daneben gibt es globalere Themen, die<br />

trotzdem einen direkten Kölnbezug haben.<br />

Höhenberg und Vingst sind die Stadtteile mit<br />

der größten Kinderarmut. Mit Instrumenten<br />

wie der Kindergrundsicherung kann man quasi<br />

von Berlin aus unmittelbar in diesen Stadtteilen,<br />

in Köln Wirkung erzielen.<br />

29 | Welche nicht gestellte Frage möchtest Du<br />

unbedingt noch beantworten?<br />

Die Frage: Wie stellst Du dir den Bundestag der<br />

Zukunft vor? Als ein durchaus diverses Parlament,<br />

in dem Menschen nicht bereits seit 20<br />

Jahren sitzen. Ich spreche mich klar für eine<br />

Begrenzung der Amtszeit aus, weil ich glaube,<br />

dass Politik nur dann lebt, wenn sie wandelbar<br />

ist. Politik soll vielfältig sein. Das schaffen<br />

wir mit einem diversen, agilen Bundestag,<br />

der nicht in sich verharrt, sondern offen ist für<br />

neue Gesichter.<br />

„Ich hätte mir für<br />

die Kanzlerkandidatur<br />

lieber eine<br />

Frau gewünscht,<br />

das ist kein<br />

Geheimnis.“<br />

| 26<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

23


Mitte im Wahlkreis<br />

Simon<br />

Bujanowski<br />

Bewerber für die SPD-Kandidatur im<br />

Bundestagswahlkreis 93 / Köln I<br />

(Porz, Kalk, Deutz, Teile der Innenstadt)<br />

„Ich glaube, dass<br />

der gesellschaftliche<br />

Zusammenhalt<br />

viel größer sein<br />

könnte und dass<br />

die Menschen das<br />

auch wollen.“<br />

<strong>02</strong> |<br />

01 | Was hat Dich ursprünglich bewegt, einer<br />

Partei beizutreten – und warum der SPD?<br />

Ich wollte schon als Jugendlicher immer lieber<br />

selbst etwas machen, als nur Veränderungen<br />

zu beobachten oder zu kommentieren – oder<br />

gar darüber zu lamentieren.<br />

Mit ca. 15 oder 16 Jahren war ich auf einem<br />

Treffen in einem Jugendzentrum, bei dem sich<br />

eine Politikerin vorgestellt hat. Das fand ich<br />

sehr, sehr spannend und habe dann begonnen,<br />

mich selbst dafür zu interessieren. Als<br />

Partei ist es dann die SPD geworden, weil mir<br />

der Gedanke der Gerechtigkeit und Chancengleichheit<br />

sehr nahe ist, unter anderem durch<br />

mein Elternhaus. Ich bin bei meiner Mutter<br />

groß geworden und sie hat mir diese Werte<br />

vorgelebt: dass alle Menschen gleich viel wert<br />

sind, dass alle Menschen die gleichen Rechte<br />

haben sollten, dass alle Menschen die gleichen<br />

Chancen haben sollten. Davon bin ich bis<br />

heute zutiefst überzeugt.<br />

<strong>02</strong> | Welche Eigenschaften muss ein:e Bundestagsabgeordnete:r<br />

mitbringen?<br />

Als erstes braucht man die Fähigkeit, sich<br />

nicht verbiegen zu lassen. Man muss eine Haltung<br />

mitbringen und einen inneren Kompass.<br />

Wir sehen ganz aktuell anhand der Skandale<br />

innerhalb der Unionsfraktion, dass das offensichtlich<br />

nicht allen gelingt. Dann muss man<br />

einen klaren Willen zur Veränderung haben<br />

und eine Vorstellung darüber, wohin sich die<br />

Gesellschaft entwickeln soll. Ich glaube, dass<br />

der gesellschaftliche Zusammenhalt viel größer<br />

sein könnte und dass die Menschen das<br />

auch wollen. Ein größerer Zusammenhalt ist<br />

Voraussetzung dafür, dass es gleiche Chancen<br />

für alle geben kann.<br />

Dann braucht es die Fähigkeit und die Bereitschaft<br />

zur Kommunikation. Man muss in der<br />

Lage sein, sich wirklich auf Menschen einzulassen.<br />

Die Leute sprechen Politiker:innen jeweils<br />

auf völlig unterschiedliche Art und Weise<br />

an, sowohl, was den Weg angeht, als auch,<br />

was den Ton angeht. Darauf muss man sich<br />

einstellen können.<br />

Ich finde auch eine örtliche Verwurzelung<br />

wichtig. Man sollte einen Bezug zu dem Ort<br />

haben, an dem man kandidiert, und sich mit<br />

ihm identifizieren können.<br />

03 | Über welche Sachkompetenz verfügst Du?<br />

Ich habe Politikwissenschaften studiert, darin<br />

anschließend auch promoviert und war bereits<br />

in mehreren unterschiedlichen Arbeitsfeldern<br />

tätig. Ich habe sowohl in selbstständigen Tätigkeiten<br />

gearbeitet als auch als Angestellter<br />

und kenne so ganz unterschiedliche Bereiche.<br />

Inzwischen arbeite ich für die KölnBusiness<br />

Wirtschaftsförderung und habe mich während<br />

24 <strong>mittendrin</strong>


Foto: David Peters (auch S. 30)<br />

Simon Bujanowski<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

25


Simon Bujanowski und Inga Weber, von den Street Angels<br />

„Ich habe immer<br />

Wert darauf gelegt,<br />

dass wir als SPD<br />

auch unabhängig<br />

von Wahlen ansprechbar<br />

sind.“<br />

04 |<br />

der letzten Jahre verstärkt mit Wirtschaftspolitik<br />

beschäftigt.<br />

Ich habe Politikwissenschaften studiert, darin<br />

anschließend auch promoviert und war bereits<br />

in mehreren unterschiedlichen Arbeitsfeldern<br />

tätig. Promoviert habe ich zum Thema<br />

Außenpolitik, speziell zur polnischen Europapolitik.<br />

„Europäische Zusammenarbeit“ ist<br />

also ein weiterer Kompetenzbereich.<br />

04 | Wie bist Du bislang im angestrebten Wahlkreis<br />

präsent?<br />

Ich bin Mitglied der Bezirksvertretung Porz<br />

und dort auch Fraktionsvorsitzender. Als solcher<br />

habe ich die Aufgabe, überall dort präsent<br />

zu sein, wo es nötig und möglich ist – und das<br />

bin ich dann auch. Vor Corona war das deutlich<br />

einfacher, natürlich bei den Sitzungen<br />

der BV, dann aber auch bei Treffen von Bürgervereinen,<br />

bei Karnevalsveranstaltungen,<br />

Vereinsfesten, Sommerfesten, Bürgersprechstunden<br />

und und und. Das volle Programm.<br />

Daneben habe ich immer Wert darauf gelegt,<br />

dass wir als SPD auch unabhängig von Wahlen<br />

ansprechbar sind. Wir sehen zu, dass wir<br />

regelmäßige Formate haben und seien es<br />

nur Stände auch außerhalb des Wahlkampfs.<br />

Wichtig ist natürlich die Präsenz auf allen digitalen<br />

Kanälen.<br />

Immer mehr Menschen suchen den Kontakt<br />

zur Politik im Digitalen. Die Kanäle verstärken<br />

sich sogar gegenseitig: Menschen diskutieren<br />

zum Beispiel in einer örtlichen digitalen Gruppe,<br />

dann treffen sie im echten Leben geplant<br />

oder ungeplant auf Politiker:innen, sprechen<br />

mit diesen über die in der Gruppe besprochenen<br />

Themen und in der digitalen Gruppe wieder<br />

über das Treffen mit den Politiker:innen,<br />

die dann wiederum auch digital aktiv sind. Das<br />

will ich dann im Bundestag auch so halten.<br />

05 | Was empfindest Du als Deinen bislang<br />

größten politischen Erfolg?<br />

2018 habe ich ein Projekt in Porz entscheidend<br />

mit angeschoben und zwar in einem klassischen<br />

Brennpunktviertel, das heißt: Hochhäuser,<br />

hoher SGB-II-Anteil, viele Menschen mit<br />

geringen Bildungsabschlüssen, dazu Drogenhandel,<br />

Ratten auf der Straße, Müllprobleme.<br />

Dort leben aber ganz tolle Menschen, die viel<br />

Interesse daran haben, dass es bei ihnen besser<br />

wird, dass auch ihr Viertel schöner wird.<br />

Dort haben wir es geschafft, einen regelmäßigen<br />

Dialog zu etablieren. Die Wohnungsbaugesellschaft<br />

vor Ort wird nun sogar selbst<br />

Sozialarbeit anbieten. Inzwischen war bereits<br />

der NRW-Innenminister vor Ort, um zu sehen,<br />

wie sich Verhältnisse nachhaltig verbessern<br />

26 <strong>mittendrin</strong>


können. Da ist einiges passiert und da bin ich<br />

sehr stolz drauf.<br />

So verstehe ich die SPD im besten Sinne, dass<br />

wir in genau diese Bereiche gehen und den<br />

Leuten sagen: „Ihr seid uns nicht egal. Es ist<br />

uns wichtig, wie ihr hier lebt und dass ihr die<br />

gleichen Chancen habt, wie alle anderen.“<br />

06 | Welche Themen bzw. Bereiche willst Du<br />

als Bundestagsabgeordneter besetzen?<br />

Mein zentrales Thema ist der gesellschaftliche<br />

Zusammenhalt. Ich merke in der Kommunalpolitik<br />

immer wieder, dass man viel tun<br />

kann, dass man aber auch an Grenzen stößt.<br />

Manche Entscheidungen werden einfach an<br />

anderer Stelle getroffen, vor allem im Bund.<br />

Zusammenhalt können wir schaffen, indem<br />

wir vor allem ökonomische Ungleichheit verringern.<br />

Ökonomische Ungleichheit schwächt<br />

den Zusammenhalt, schwächt die Demokratie<br />

und sorgt für weniger Wirtschaftswachstum.<br />

Gleichzeitig müssen wir investieren. Wenn die<br />

Bundesrepublik sich Geld leiht, „zahlt“ sie zur<br />

Zeit negative Zinsen. Es wäre fahrlässig, diese<br />

historische Chance nicht zu nutzen.<br />

Für mich sind sozialorientierte Wirtschaftspolitik<br />

und gesellschaftlicher Zusammenhalt<br />

Kernaufgaben sozialdemokratischer Politik.<br />

07 | Wie willst Du Wähler:innen von Dir überzeugen?<br />

Wir haben in der Coronazeit das Problem, dass<br />

persönliche Kontakte, von denen der Wahlkampf<br />

eigentlich lebt, kaum machbar sind. Ich<br />

möchte deshalb so viel wie möglich auf digitale<br />

Formate setzen und zwar in unterschiedlichen<br />

Abstufungen. Ich will sowohl Postings<br />

veröffentlichen, in denen ein Thema nur kurz<br />

angerissen wird, als auch Inhalte auf meiner<br />

Website für all jene anbieten, die tiefergehendes<br />

Interesse haben.<br />

Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Erklärvideos<br />

gemacht, in denen konkrete Sachverhalte<br />

und Ideen kurz und verständlich aufgegriffen<br />

werden. Bereits angefangen habe ich mit<br />

meiner Gesprächsreihe auf Zoom „Gemeinsam<br />

ins Wochenende“, die sehr gut ankommt.<br />

Das alles kann man über soziale Medien sehr<br />

zielgerichtet bewerben.<br />

Daneben will ich, soweit dass irgend möglich<br />

ist, den persönlichen Kontakt suchen. Sehr<br />

gute Erfahrungen haben wir auch mit Haustürbesuchen<br />

gemacht.<br />

Nicht zuletzt will ich auf dem Netzwerk aufbauen,<br />

das ich in elf Jahren Kommunalpolitik<br />

aufgebaut habe, dadurch habe ich zu vielen<br />

Multiplikatoren bereits jetzt Kontakt.<br />

08 | Wie beurteilst Du das Funktionieren der<br />

Demokratie in Deutschland?<br />

Die Demokratie in Deutschland funktioniert<br />

generell sehr gut. Durch meine Kontakte im<br />

internationalen Bereich, gerade nach Osteuropa,<br />

habe ich einen anderen Blick darauf,<br />

wie Wahlen zum Beispiel in Belarus oder in<br />

Russland ablaufen. Durch diesen Kontext<br />

weiß ich die Art und Weise, wie Demokratie in<br />

Deutschland funktioniert, noch einmal extra<br />

zu schätzen.<br />

Trotzdem muss man immer schauen, was wir<br />

noch besser machen können. Gerade in der<br />

Coronazeit finde ich zum Beispiel die geringe<br />

Beteiligung des Parlaments kritisch. Es wird<br />

viel von Gremien entschieden, die dafür formal<br />

gar nicht vorgesehen sind, zum Beispiel<br />

durch die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten<br />

und damit eigentlich nur durch die Exekutive.<br />

Das ist schwierig.<br />

09 | Was stellt unsere Demokratie zur Zeit am<br />

ehesten unter Stress?<br />

Als größte Gefahr für die Demokratie sehe ich<br />

tatsächlich die große ökonomische Spaltung.<br />

Wenige Menschen vereinen enorm viel Reichtum<br />

auf sich, den andere in ihrem Leben niemals<br />

auch nur annähernd werden für sich erarbeiten<br />

können. Auf der anderen Seite haben<br />

wir Menschen in Brennpunkten, die keine faire<br />

Chance haben und deren Kinder heute schon<br />

wissen, dass sie in ihrem Leben bestimmte<br />

Möglichkeiten niemals haben werden. Und<br />

genau sie fallen in der Coronazeit noch mehr<br />

zurück. Dazwischen sehen wir eine Mittelschicht,<br />

die sich vor dem Abstieg fürchtet. Das<br />

führt dazu, dass alle zuerst an sich denken und<br />

der Zusammenhalt verloren geht. Das bedroht<br />

die Demokratie. Dagegen müssen gerade wir<br />

als SPD noch mehr unternehmen.<br />

10 | Sollten Bürger:innen mehr Möglichkeit zur<br />

politischen Mitwirkung erhalten?<br />

Menschen sollten generell die Möglichkeit haben,<br />

ihr direktes Umfeld mit zu gestalten. Was<br />

das bedeutet und wie das geht, lernt man am<br />

besten im eigenen Machen. Wir sollten also<br />

aktiv auf die Leute zugehen und ihnen die<br />

Möglichkeit anbieten, sich für sie bedeutenden<br />

Projekten zu engagieren, von klein auf.<br />

Aber Menschen müssen auch in der Lage sein,<br />

für die Gemeinschaft Verantwortung zu übernehmen.<br />

Als alleinerziehende Mutter, die in<br />

Sorge um ihre wirtschaftliche Existenz lebt,<br />

geht das kaum. So macht sie auch nicht die<br />

Erfahrung, dass ihr Engagement fürs Ganze<br />

funktioniert, dass sie selbst etwas verändern<br />

„Ökonomische Ungleichheit<br />

schwächt<br />

den Zusammenhalt,<br />

schwächt die<br />

Demokratie und<br />

sorgt für weniger<br />

Wirtschaftswachstum.“<br />

| 06<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

27


Mitte im Wahlkreis<br />

„Wir sind die<br />

Partei der Arbeit.<br />

Wenn es um die<br />

Zukunft der Arbeit<br />

geht, dann sollten<br />

wir der Ort sein,<br />

an dem diskutiert<br />

wird.“<br />

15 |<br />

kann. Auch hier wirkt wieder die ökonomische<br />

Spaltung.<br />

11 | Was kann der Bund unternehmen, um<br />

Wohnen bezahlbarer zu machen?<br />

Der Bund hat zuletzt das Baulandmobilisierungsgesetz<br />

beschlossen, das es Kommunen<br />

einfacher macht, mit konkreten Maßnahmen<br />

vor Ort Wohnen bezahlbarer zu machen.<br />

Der Bund verfügt zudem über Grundstücke,<br />

die er für den Wohnungsbau zur Verfügung<br />

stellen kann.<br />

Die Hans-Böckler-Stiftung hat im letzten Jahr<br />

eine Studie veröffentlicht, die beschreibt,<br />

wie der Bund im Wohnungsbau über Beteiligungsgesellschaften<br />

aktiv werden kann.<br />

Diese könnten örtliche Wohnungsbaugesellschaften<br />

unterstützen oder sich sogar an ihnen<br />

beteiligen. Der Bund kann so indirekt eine<br />

ganze Menge machen.<br />

12 | Wie kann der Bund für mehr Bildungsgerechtigkeit<br />

sorgen?<br />

Hier hat der Bund ja mit dem Digitalpakt begonnen,<br />

etwas zu unternehmen. Ich halte das<br />

für vollkommen richtig, das ist ein guter Einstieg.<br />

Nach diesem Vorbild könnte der Bund zu Beispiel<br />

einen Schulsozialpakt ins Leben rufen.<br />

An vielen Schulen fehlen Sozialarbeiter:innen,<br />

gerade in benachteiligten Gebieten. Hier<br />

könnte der Bund mit einer Finanzierung einspringen<br />

und sehr viel bewirken.<br />

13 | Was sind aus Bundesssicht die drängendsten<br />

Aufgaben in Sachen Mobilität?<br />

Die Verkehrswende, also der Umstieg auf<br />

emissionsfreie Mobilität. Dann ein entschlossener<br />

Ausbau des ÖPNV, also von Bus und<br />

Bahn. Das betrifft zum Beispiel das Gebiet des<br />

OV Mitte mit dem Projekt der sogenannten<br />

Ost-West-Achse. Wenn man das wirklich – wie<br />

es die SPD vorgeschlagen hat – auf zwei Ebenen<br />

mit vier Gleisen betreiben will, geht das<br />

nur mit Förderung vom Bund.<br />

Weiterhin muss der Bund dafür sorgen, dass<br />

das Schienennetz deutlich ausgebaut wird,<br />

auch um mehr Güterverkehr auf die Schiene<br />

zu bringen. Wir müssen vom Fokus auf Pkw<br />

und Lkw wegkommen.<br />

14 | Welche Umweltthemen müssen sofort angegangen<br />

werden?<br />

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist<br />

eine der mit Abstand wichtigsten Herausforderungen<br />

des <strong>21</strong>. Jahrhunderts. Das betrifft<br />

neben dem Bereich Mobilität vor allem den<br />

Bereich Energie. Ich bin für eine konsequente<br />

Umstellung auf erneuerbare Energien. Bestehende<br />

Gebäude haben außerdem einen<br />

sehr hohen Anteil am Energieverbrauch in<br />

Deutschland, also müssen sie besser gedämmt<br />

werden. Hier macht der Bund schon<br />

einiges, dennoch sind noch bei Weitem nicht<br />

alle Gebäude auf dem neuesten Stand.<br />

15 | Was muss in Sachen Arbeit gestärkt oder<br />

angestoßen werden?<br />

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten 12 Monaten<br />

deutlich verändert, zumindest in allen<br />

Bereichen, die homeofficefähig sind. Arbeit<br />

wird sich in den kommenden Jahren weiter<br />

massiv wandeln, durch die Digitalisierung, vor<br />

allem aber durch Künstliche Intelligenz, in Dimensionen,<br />

die wir momentan noch gar nicht<br />

abschätzen können. Das ist ein unbedingter<br />

Kernbereich der SPD.<br />

Wir sind die Partei der Arbeit. Wenn es um die<br />

Zukunft der Arbeit geht, dann sollten wir der<br />

Ort sein, an dem diskutiert wird, wie wir in Zukunft<br />

eigentlich arbeiten wollen. Wir sollten<br />

schon über den Begriff der Arbeit sprechen.<br />

Was meint das? Warum betrachtet man unbezahlte<br />

Care-Arbeit nicht wirklich als Arbeit? Als<br />

Elternteil eines kleinen Sohns weiß ich sehr<br />

genau, dass diese Sichtweise falsch ist. Die<br />

SPD muss der der Ort sein, an dem das diskutiert<br />

wird.<br />

Wir haben spannende Jahre vor uns, die wir als<br />

SPD maßgeblich mitgestalten wollen.<br />

16 | Was muss in Sachen Digitalisierung unternommen<br />

werden?<br />

Technisch hängt Deutschland so sehr zurück,<br />

dass es für eine Industrienation wie die unsere<br />

schon peinlich ist.<br />

Wir müssen das Glasfasernetz überall ausbauen,<br />

wir müssen dafür sorgen, so dass es<br />

überall ein leistungsfähiges Mobilfunknetz<br />

gibt. In unseren Schulen muss es flächendeckend<br />

WLAN geben und die Schüler:innen<br />

müssen Geräte haben, mit denen sie vernünftig<br />

arbeiten können, von den Schulen<br />

bereitgestellt. Aber wir müssen auch von unserer<br />

Einstellung her eine größere Offenheit<br />

entwickeln, solche Technologien anzuwenden.<br />

Dass es geht, dass es möglich ist, zeigt ja das<br />

vergangene Corona-Jahr – und auch, was noch<br />

nicht funktioniert.<br />

17 | Was ist für Dich zur Zeit europapolitisch<br />

das wichtigste Thema?<br />

Der Zusammenhalt der Europäischen Union.<br />

Wir konnten in den letzten Jahren massive<br />

28 <strong>mittendrin</strong>


Spaltungstendenzen beobachten und haben<br />

den Brexit erlebt. Aus egoistischen Motiven<br />

heraus werden nationalorientierte Kampagnen<br />

betrieben, die am Ende niemandem helfen,<br />

schon gar nicht den Menschen in den betroffenen<br />

Ländern.<br />

Wir sind ein Wirtschaftsraum von jetzt 450<br />

Millionen Menschen. In einer Welt, in der es auf<br />

einen Wettbewerb zwischen den USA und China<br />

hinausläuft, versuchen Mächte wie Russland<br />

sehr bewusst, die Europäer zu spalten.<br />

Es ist elementar, dass wir zusammenhalten<br />

und unsere Rolle in der Welt zur Geltung bringen.<br />

Da sehe ich auch mich auch selbst in der<br />

Pflicht. Ich habe neben dem deutschen auch<br />

einen polnischen Hintergrund und möchte natürlich<br />

unbedingt einen Beitrag leisten, dass<br />

sich die Beziehungen beider Länder positiver<br />

entwickeln.<br />

18 | Was sagst Du zum Thema Geflüchtete?<br />

Hier finde ich es sehr schwierig, wie die Europäische<br />

Union agiert. Die praktizierte Abschottung<br />

steht nicht im Einklang mit den europäischen<br />

Werten.<br />

Ich finde es unfassbar, dass wir ein Lager wie<br />

Moria hinnehmen. Wir hatten zeitweise allein<br />

in Köln mehr Geflüchtete untergebracht, als<br />

derzeit im ganzen Lager Moria lebten. Natürlich<br />

schaffen wir das. Natürlich wollen wir,<br />

dass die Menschen unter menschenwürdigen<br />

Bedingungen leben. Wir könnten sie einfach<br />

aufnehmen. Dass manche von einem Pull-Effekt<br />

reden, der angeblich dagegen spräche<br />

und dann ein Lager wie Moria zulassen, ist absolut<br />

absurd und zynisch. Da hat die EU großen<br />

Nachholbedarf.<br />

Bei der Verteilung Geflüchteter fehlt es an<br />

innereuropäischer Solidarität. Das ist aber<br />

nichts, worauf wir hoffen dürfen, also müssen<br />

wir als Deutschland vielleicht noch einen<br />

Schritt mehr gehen als andere. Es gibt genug<br />

Kommunen, auch Köln, die willens und in der<br />

Lage wären, Geflüchtete aufzunehmen, aber<br />

die Union und gerade das Innenministerium<br />

unter Seehofer stellen sich quer. Das ist nur<br />

einer von vielen Gründen, warum die Union<br />

an der nächsten Bundesregierung nicht mehr<br />

beteiligt sein sollte.<br />

19 | Wer ist außerhalb der EU Deutschlands<br />

wichtigster Partner?<br />

Das sind für mich nach wie vor die USA, als<br />

wichtigstes Land in der NATO, als Verbündeter<br />

seit vielen Jahrzehnten, als prägender Teil der<br />

westlichen Welt, als Handelspartner etc. Bei<br />

„Aus egoistischen<br />

Motiven heraus<br />

werden nationalorientierte<br />

Kampagnen<br />

betrieben, die<br />

am Ende niemandem<br />

helfen.“<br />

| 18<br />

Simon Bujanowski<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

29


„Ich war und bin ein<br />

Gegner der GroKo,<br />

gerade bin ich aber<br />

sehr froh, dass<br />

die SPD mit in der<br />

Regierung sitzt.“<br />

20 |<br />

Simon Bujanowski<br />

ist 36 Jahre alt und<br />

wohnt mit seiner Frau<br />

und dem gemeinsamen<br />

Sohn in Poll.<br />

Seit 2009 ist er Mitglied<br />

der Bezirksvertretung<br />

Porz, dort seit 2014<br />

SPD-Fraktionsvorsitzender<br />

und zudem Mitglied<br />

im Unterbezirksvorstand.<br />

Simon ist Mitgründer<br />

und Koordinator des<br />

Integrationskreises<br />

Köln-Poll.<br />

Er ist Kind einer deutschen<br />

Mutter und eines<br />

polnischen Vaters, in<br />

Köln geboren, im Wahlkreis<br />

groß geworden<br />

und zur Schule gegangen<br />

(Deutz), hat Politikwissenschaften<br />

studiert<br />

und darin promoviert.<br />

Simon arbeitet in der<br />

Innenstadt bei KölnBusiness,<br />

der Wirtschaftsfördergesellschaft<br />

der<br />

Stadt Köln.<br />

all den vielen Kritikpunkten, die man zu recht<br />

haben kann.<br />

20 | Wie beurteilst Du die Regierungsmaßnahmen<br />

gegen die Pandemie?<br />

Am Anfang hatten die Maßnahmen der Regierung<br />

eine sehr hohe Akzeptanz, weil der erste<br />

Lockdown eine völlige neue Situation war und<br />

jeder Verständnis hatte.<br />

Nachdem dann ein langer Sommer verstrichen<br />

ist, in dem viele Experten fortwährend<br />

davor warnten, dass wir auf eine zweite Welle<br />

zusteuern, kann ich nicht verstehen, dass<br />

nicht die entsprechenden Vorbereitungen getroffen<br />

worden sind. Die Zeit ist nicht genutzt<br />

worden, um gute und sichere Konzepte für<br />

Schulen zu entwickeln. Darunter leiden vor allem<br />

die Schüler:innen.<br />

Im Moment machen die verantwortlichen Minister<br />

keine gute Figur. Gerade Jens Spahn<br />

muss immer mehr Fehler eingestehen.<br />

Auf der anderen Seite machen die SPD-Minister:innen<br />

in der Krise einen sehr guten Job.<br />

Olaf Scholz war kein Freund von Verschuldung,<br />

hat aber sehr schnell umgesteuert, als<br />

es nötig wurde, und das größte Hilfspaket der<br />

deutschen Geschichte aufgelegt, so dass wir<br />

jetzt die wirtschaftliche Situation nicht noch<br />

schlimmer erleben.<br />

Ich war und bin ein Gegner der GroKo, gerade<br />

bin ich aber sehr froh, dass die SPD mit in der<br />

Regierung sitzt.<br />

<strong>21</strong> | Wie zufrieden bist Du mit der Regierungsarbeit<br />

der letzten Jahre?<br />

Auf die SPD bezogen muss ich sagen, dass<br />

die Ministerinnen und Minister aus den Möglichkeiten<br />

sehr viel gemacht haben. Trotzdem<br />

wünsche ich mir ein progressives Bündnis.<br />

22 | Unter welchen Gegebenheiten sollte die<br />

SPD eine Regierungskoalition bilden?<br />

Mir wäre eine Koalition unter der Führung der<br />

SPD und ohne die Union am liebsten.<br />

Rot/Rot/Grün halte ich für möglich, wenn bestimmte<br />

außenpolitische Überzeugungen<br />

der Linkspartei nicht zum tragen kommen,<br />

zum Beispiel ihr Dogma, mit der Bundeswehr<br />

auch nicht an UN-Missionen teilnehmen zu<br />

wollen.<br />

23 | Die SPD sieht sich als Friedenspartei. Wie<br />

siehst Du die Rolle der Bundeswehr?<br />

Dass die Bundeswehr an Friedenseinsätzen<br />

im Ausland teilnehmen kann, muss grundsätzlich<br />

möglich sein, auch um unsere außenpolitische<br />

Handlungsfähigkeit zu erhalten.<br />

24 | NoWaBo, Mützenich, Lauterbach – wie viel<br />

Köln verträgt der Bund?<br />

Dass die genannten Kölner in Spitzenämtern<br />

der Partei mehr Verantwortung übernommen<br />

haben, hat die SPD auf jeden Fall vorangebracht.<br />

Als Kölner ist das für mich völlig klar:<br />

Der Bund verträgt auf jeden Fall mehr Köln.<br />

Vor allen Dingen verträgt der Bund aber viel<br />

mehr SPD.<br />

25 | Warum sind Frauen in den Parlamenten<br />

immer noch unterrepräsentiert?<br />

Wir müssen das Ziel der Parität in allen Parlamenten<br />

erreichen. Die SPD hat seit Langem<br />

paritätisch aufgestellte Listen, andere Parteien<br />

haben das so noch nicht. Dafür müssen wir<br />

eine gesetzliche Grundlage schaffen.<br />

26 | Wie stehst Du zu unserem Kanzlerkandidaten<br />

Olaf Scholz?<br />

Ich glaube, dass Olaf ein wirklich guter Kanzler<br />

sein wird. Inhaltlich bin ich zufrieden mit<br />

dem von ihm vorgelegten Entwurf des Wahlprogramms.<br />

Da ist die Vermögenssteuer drin,<br />

da ist der erhöhte Mindestlohn drin und vieles<br />

mehr. Das geht große Schritte in die Richtung,<br />

von der ich beständig rede, nämlich die ökonomische<br />

Ungleichheit zu bekämpfen.<br />

Wenn er es schafft, genau das im Wahlkampf<br />

rüberzubringen, haben wir nicht nur eine gute<br />

Chance aufs Kanzleramt, sondern am Ende<br />

auf einen sehr guten Bundeskanzler.<br />

27 | Inwieweit sollten Mandatsträger:innen<br />

Nebentätigkeiten möglich sein?<br />

In dem Rahmen, in dem die Nebentätigkeit<br />

dem Mandat nicht in die Quere gerät – weder<br />

durch Abhängigkeiten noch durch zeitliche<br />

Einschränkungen.<br />

Wenn man die Tätigkeit im Deutschen Bundestag<br />

ernsthaft betreibt, geht das weit über<br />

einen 40-Stunden-Job hinaus. Ich kann mir<br />

nicht vorstellen, wie es dabei möglich sein soll,<br />

umfangreiche Nebentätigkeiten auszuüben.<br />

Dass es grundsätzlich erlaubt sein sollte, finde<br />

ich richtig, allerdings muss die Transparenz<br />

deutlich erhöht werden. Abgeordnete sollten<br />

genau angeben müssen, welche Nebentätigkeiten<br />

sie für wen machen und welche Vergütungen<br />

sie dafür exakt erhalten.<br />

28 | Was möchtest Du von Berlin aus direkt für<br />

Köln leisten?<br />

Ich möchte dafür sorgen, dass Fördermittel<br />

des Bundes verstärkt nach Köln kommen. Es<br />

gibt eine Vielzahl von Förderprogrammen des<br />

Bundes und Köln nimmt diese nur in erschre-<br />

30 <strong>mittendrin</strong>


Simon Bujanowski<br />

ckend geringem Ausmaß in Anspruch. Teilweise<br />

schafft es die Stadtverwaltung nicht einmal,<br />

einen Antrag einzureichen. Das möchte ich<br />

verbessern.<br />

Durch meine kommunalpolitische Tätigkeit<br />

habe ich durchaus ein Netzwerk in die Stadtverwaltung<br />

hinein und auch zu den politischen<br />

Entscheidungsträgern. Ich möchte von Berlin<br />

aus dafür wirken, dass Köln die für die Stadt<br />

sinnvollen Fördermittel besser nutzen kann.<br />

29 | Welche nicht gestellte Frage möchtest Du<br />

unbedingt noch beantworten?<br />

Die Frage: Glaubst Du, dass wir den Wahlkreis<br />

gewinnen können?<br />

Wir haben den Wahlkreis jahrzehntelang immer<br />

wieder gewonnen, 2017 ging er erstmals<br />

verloren. Seitdem sind wir in den Umfragen<br />

abgesackt, seitdem sind die Grünen stärker<br />

geworden und wir hatten eine Kommunalwahl,<br />

die für uns ernüchternd ausgegangen<br />

ist. Trotzdem glaube ich, dass wir den Wahlkreis<br />

zurückholen können. Zum einen wegen<br />

der Genoss:innen vor Ort. Da ist so viel Leben,<br />

so viel Offenheit, ein so großer Wunsch nach<br />

Veränderung, dass mich das sehr optimistisch<br />

stimmt. Zum anderen weiß ich, dass wir in den<br />

OV viele gute Wahlkämpfer:innen haben, die<br />

Menschen überzeugen können. Es wird harte<br />

Arbeit, aber wir können das schaffen.<br />

„Ich möchte dafür<br />

sorgen, dass Fördermittel<br />

des Bundes<br />

verstärkt nach<br />

Köln kommen.“<br />

| 28<br />

<strong>mittendrin</strong><br />

31

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