Artikel_Digitales_Onboarding_4:2021
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Praxis Digitales Onboarding
Führungskraft weiter. «Dann sollte aber Schluss
sein. Neue Mitarbeitende müssen den ersten Arbeitstag
erst einmal verdauen.» Die folgenden
Tage seien für neue Mitarbeitende ebenso herausfordernd,
da sie in den ersten Wochen das Team
kennenlernen und die Abläufe verinnerlichen
müssten. Das erfordere regelmässige Feedbackund
Teammeetings sowie virtuelle Lunch-Dates
oder Kaffeepausen, sagt Stock. «Führungskräfte
und HR sollten damit immer wieder prüfen, ob
sich neue Mitarbeitende wohlfühlen und sie im
Unternehmen angekommen sind.»
Nicht nur beim physischen, auch beim digitalen
Onboarding kommt der HR-Abteilung eine
wichtige Rolle zu: als Unterstützer, Ratgeber und
als Instanz, die im Hintergrund alle Fäden zusammenhält,
präzisiert Stock. Dafür brauche die
Personalabteilung jedoch Freiräume. Die Verantwortungsbereiche
müssten zudem klar abgesteckt
sein. Dennoch könne HR nicht allein für
«Immer wieder überprüfen,
ob der neue Mitarbeitende
sich wohlfühlt.»
die Einarbeitung von Neuankömmlingen sorgen.
«Sehr wohl aber dafür, dass die Infrastruktur bereitsteht
und die Mitarbeitenden alle Tools und
unternehmerischen Herausforderungen kennen.
Oft noch vor dem ersten Arbeitstag.»
Post-Corona-Zeit
Doch können virtuelle Sitzungen und Kaffee-
Treffen einen physischen Einstieg ersetzen? An
Bemühungen seitens der Unternehmen fehlt es
jedenfalls nicht: «Viele Firmen wollen den Start
ihrer neuen Mitarbeitenden zu einem gelungenen
Erlebnis machen», sagt Ute Barnickel. Bisher hat
sie überwiegend positive Rückmeldungen erhalten.
«Vor ihrem ersten Arbeitstag erhalten Neuankömmlinge
beispielsweise eine Welcome-Box
mit personalisiertem Büromaterial und Kaffeebecher
oder eine Willkommens-Videobotschaft des
Teams.»
Nicht allen Mitarbeitenden geht es beim virtuellen
Onboarding jedoch gleich gut. Besonders
junge Menschen tun sich laut Eva Stock eher
schwer damit. «Sie sind zwar in einer digitalen
Welt aufgewachsen, dennoch funktioniert die Berufswelt
in ihren Augen vielfach übers ‹ins Büro
gehen›, ‹mit Kollegen zusammenarbeiten› und
‹Spass› bei der Arbeit haben.» Tendenziell falle es
Menschen zudem durchs Zusehen und Beobachten
leichter, herauszufinden, wie Systeme funktionieren.
Insbesondere bei unausgesprochenen
«Gesetzen». «Ein Arbeitsplatz ist ein geschlossenes
System mit Codes, die man erst erkennen
muss», sagt Stock. «Das ist schwierig, wenn alle
zu Hause am Küchentisch sitzen.»
Das findet auch Stefanie Näf. Erst bei den ersten
Lockerungen im Sommer 2020 trifft sie das
Eva Stock
Bloggerin (hristnotacrime.
com) und Speakerin
Ute Barnickel
Inhaberin der Executive-
Assistant-Search-Boutique
Barnickel and Fellows
Stefanie Näf
Verantwortliche Marke &
Kommunikation, Yousty
Yousty-Team wieder im Büro. «Ein Team-Meeting
vor Ort zu erleben, Mittagspausen zusammen
zu verbringen oder einen Schwumm in der
Limmat zu nehmen, sind Momente, in denen
man seine Teamkollegen von einer ganz anderen
Seite kennenlernt.»
n
Erlebnisbericht
Im Frühling 2020 traten Sie eine neue
Stelle bei der Yousty AG an. Anfangs
noch im Büro, hat sich das Onboarding
zunehmend ins Homeoffice verlagert.
Wie haben Sie die ersten Wochen erlebt?
Stefanie Näf: Technisch war ich super ausgestattet.
Mein Chef machte sogar eine kleine
Schweizer Rundreise und brachte uns Bildschirme
vom Büro nach Hause. Anfangs zweifelte
ich daran, virtuell alles kennenzulernen,
zu verstehen und dann anwenden zu können.
Dank eines gut strukturierten Onboarding-
Plans erhielt ich während der ersten drei Wochen
aber eine Einführung in allen Abteilungen
der Firma und lernte die verantwortlichen
Personen kennen. Ab dann war es
learning by doing.
War es schwierig, sich im Team zu integrieren?
Wir hatten tägliche Check-ins am Morgen und
Check-outs am Abend. Das gab mir Sicherheit
und meinem Tag Struktur. Bei Fragen konnte
ich mich jederzeit per Call oder per Chat an
mein Team wenden. Deshalb habe ich mich
trotz der Umstände als Teammitglied wohl gefühlt
und wurde gut unterstützt.
Was haben Sie gelernt?
Eine neue Stelle anzutreten, ist immer anstrengend.
Neue Leute, eine neue Umgebung, viele
Informationen und ein neuer Arbeitsweg. Im
Homeoffice fällt dieser externe Stressfaktor
weg. Dadurch spart man Zeit und Energie. Zudem
lernt man durch ein digitales Onboarding
automatisch alle technischen Möglichkeiten
wie Video-Call-Programme kennen, die man
auch später im Arbeitsalltag nutzen kann.
Checkliste: Tipps für HR
und Unternehmen
• Eine ordentliche Zeitplanung und Dokumentation
sind entscheidend: Pünktlichkeit, Planung,
dokumentierte Standardprozesse und
Verantwortlichkeiten.
• «Unwritten rules» per Video übermitteln:
Nehmen Sie in die Einarbeitung ein Modul für
Werte, Unternehmenskultur und sozial erwünschtes
Verhalten auf.
• Bestimmen Sie einen Onboarding-«Buddy»:
Dieser sollte erreichbar sein und bei Fragen
und Problemen zur Verfügung stehen.
• Regelmässiges Feedback: Achten Sie darauf,
dass Vorgesetzte regelmässig Feedback-Termine
vereinbaren, damit das Probezeitgespräch
nicht zur unangenehmen Überraschung
wird.
• Vergessen Sie das persönliche Onboarding
nicht: Das Vermitteln von Sicherheit und Zugehörigkeit,
virtuelle Treffen mit allen Teammitgliedern
und der informelle Austausch,
zum Beispiel durch digitale Kaffeepausen
oder Afterwork-Drinks, sind wichtig.
Quelle: Capterra
44 HR Today 4 | 2021