Welcome to Heaven - Leseprobe
„Welcome to Heaven“ ist ein außergewöhnlicher Roman mit Sogwirkung. Er entführt die Leserinnen und Leser auf die verborgene Seite des Online-Datings und lässt sie aufgrund seiner Brisanz nicht selten den Atem anhalten…
„Welcome to Heaven“ ist ein außergewöhnlicher Roman mit Sogwirkung. Er entführt die Leserinnen und Leser auf die verborgene Seite des Online-Datings und lässt sie aufgrund seiner Brisanz nicht selten den Atem anhalten…
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
PROLOG
So fühlte er sich also an. Der Moment, der mein Leben von
einer Sekunde auf die andere veränderte. Ob es ihn in jedem
Leben gibt? Diesen Moment, der das Leben für immer in ein
Vorher und ein Nachher teilt? Dieser eine Augenblick, nicht
länger als ein Lidschlag, in dem alles zerbricht und der alles in
einem anderen Licht erscheinen lässt.
Es ist lange her. Einige Jahre sind seitdem vergangen. Doch
wenn ich zurückblicke, ist die Geschichte in mir so lebendig,
als würde sie gerade geschehen.
Es war der 20. September. Schon im Schlaf war die Angst an
mir hochgekrochen. Ich schlug die Augen auf und sprang aus
dem Bett. Keine Sekunde länger konnte ich ihr standhalten,
dieser quälenden Frage, die mich seit Tagen beschäftigte.
Was war, wenn es wirklich funktionierte?
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und die Angst verwandelte
sich in eine unheilvolle Vorahnung.
Ich betete: „Bitte, bitte, Gott – lass es nicht funktionieren.“
Dann schaltete ich mein Notebook ein. Während ich auf den
Bildschirm starrte, begann ich zu zittern, zuerst an den Knien,
danach an den Oberschenkeln, schließlich am ganzen Körper.
Ich war nicht in der Lage meine Finger auf die Tastatur zu legen.
Ich dachte an die Operation. Im Aufwachraum wurde ich
aus einem unangenehmen Tiefschlaf gerissen. Eine Frauenstimme
brüllte mehrmals meinen Namen in mein Ohr. Noch
während ich langsam erwachte, fing ich furchtbar an zu zittern.
7 5
Ich wollte es unterdrücken, aber es ging nicht. Mir war entsetzlich
kalt. Mit aller Kraft versuchte ich meinen Körper zu
kontrollieren, aber er ließ es nicht zu. Eine Schwester stellte sich
neben mich und streichelte mir kurz über die Wange.
„Ich kann nicht aufhören“, murmelte ich. „Ich kann nicht
aufhören zu zittern.“
„Ich weiß“, sagte sie beruhigend und zog eine Wärmelampe
über mein Bett.
Mit klebrigen Fingern rief ich die Webseite auf. Schweißperlen
rannen mir von der Stirn. Mir war nicht kalt, mir war
furchtbar heiß.
Was tat ich hier?
Habe ich wirklich geglaubt, dass ich mich entscheiden kann?
Ich hatte keine Wahl.
Ich musste es tun.
Wie ferngesteuert gab ich die Mailadresse ein. Automatisch
erschienen acht Sterne. „Oh, Gott, bitte hilf mir!“
Ich zögerte. Dann drückte ich die Entertaste und der Abstieg
in eine irdische Hölle begann. Später werde ich darüber
denken, dass dieser Moment das Ende meiner Unschuld war.
8 5
1. KAPITEL
Langsam öffnete ich die Augen. Ich hatte tief geschlafen. Für
einen Augenblick. Doch der genügte, um unter größten
Schwierigkeiten in die Realität zurückzufinden. Ich blinzelte in
die Sonnenstrahlen eines kalten Winterlichts, die mir durch die
halb geöffneten Jalousien in die Augen stachen.
Etwas war geschehen.
Etwas, das ich noch nie erlebt hatte. Aber ich konnte mich
nicht erinnern.
Und dann fühlte ich sie, die Hand auf meinem Bauch und
einen warmen Atem, der sanft meinen Nacken berührte. Jetzt
wusste ich es wieder.
„Tom?“, fragte ich.
Er atmete tief ein und gab einen undefinierbaren Laut von
sich.
„Ja?“, antwortete er mit rauer Stimme und zog mich näher zu
sich heran, ohne die Augen zu öffnen.
Regungslos lag ich in seinen Armen und fragte mich, wie ich
diesen Moment in meiner Seele festhalten könne.
„Ein vergangener Tag kehrt nie zurück“, sagte mein Vater
immer.
Genau wie eine vergangene Nacht, dachte ich. Erst jetzt
glaubte ich, die Bedeutung dieses Satzes zu verstehen. Gerade
hatte ein neuer Tag begonnen und die letzte Nacht mit Tom
durfte nur noch in meiner Erinnerung existieren. Und doch
war es merkwürdig. Ich fühlte kein Ende, obwohl es zu Ende
schien, bevor es begann.
9 5
Vorsichtig löste ich mich aus seiner Umarmung und betrachtete
seinen Körper. Olivbraune Haut, groß, schlank und
muskulös. Die durchtrainierte Figur eines Läufers. Bei seinem
Anblick lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich konnte
nicht glauben, dass er in meinem Bett lag. Eine widerspenstige
Locke hatte sich über seine Stirn gelegt. Ich strich sie beiseite
und studierte mit den Fingerspitzen seine ebenmäßigen
Gesichtszüge.
„Ein schöner Mann, nicht wahr? Verlieb dich nicht in ihn“,
sagte Mechthild damals nach unserem Treffen im La Casa.
„Natürlich nicht“, antwortete ich und versuchte meine Unsicherheit
zu verbergen. „Aber selbst wenn, wo ist das Problem?“
Sie schaute mich ernst an. „Du brauchst einen klaren Kopf.“
Und ich hatte das komische Gefühl, dass sie mir nicht alles
sagte.
Nun lag Tom neben mir. Ich blickte auf den Wecker und
wendetemichwiederzuihm.„HeuteistHeiligabend“,flüsterte
ich und berührte sein Ohr mit meinen Lippen. „Wir müssen
aufstehen.“
Tom hörte meine Worte mit geschlossenen Augen. Bei dem
Wort ‚Heiligabend‘ zeigte sich ein winziges Lächeln um seine
Mundwinkel, aber das Wort ‚aufstehen‘ verursachte eine tiefe
Falte zwischen seinen dunklen Augenbrauen.
„Wie spät ist es?“, fragte er.
„Kurz vor neun.“
„Dein Zug fährt erst in vier Stunden. Deine Eltern warten
noch nicht auf dich“, sagte er immer noch schläfrig.
„Ich weiß. Aber ich muss noch packen.“
„Ich auch“, stöhnte er und drehte sich auf den Rücken.
Zum ersten Mal an diesem Tag schaute ich in seine dunkelblauen
Augen.
Für einen Augenblick lag er nur da und starrte an die Decke.
Dann kam Leben in ihn.
105
„Aber das ist mir egal!“
Er warf sich auf mich, so dass ich bewegungsunfähig unter ihm lag und übersäte mein
Gesicht, meinen Hals und meine Brüste mit winzigen Küssen. Ich stieß kleine Schreie aus
und wehrte mich lachend. Doch Widerstand war zwecklos. Er hielt mich an den Handgelenken
fest und schien eine gewisse Freude an meiner hilflosen Lage zu haben. Aber nach wenigen
Sekunden ließ er seinen Oberkörper kraftlos auf mich fallen, bettete seine Wange auf meiner
Schulter und schlief wieder ein. Friedlich wie ein Kind lag er in meinen Armen. Er atmete leise
und gleichmäßig. In ein paar Minuten klingelt der Wecker, dachte ich. Mit geschlossenen
Augen hörte ich seinen Atemzügen zu. Meine Gedanken flogen durch die Ereignisse der
letzten Monate und zu dem Tag, als meine Geschichte mit Tom begann.
115