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Die Rittersleut um Wangen rum - Ferienregion Allgäu

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Themenwege<br />

im württembergischen <strong>Allgäu</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Rittersleut</strong><br />

<strong>um</strong> <strong>Wangen</strong> r<strong>um</strong><br />

Drei <strong>Wangen</strong>er Burgen erzählen


Der Themenweg ist ca. 30 km<br />

lang, hält sich überwiegend an<br />

asphaltierte Wege und Straßen<br />

mit geringer Verkehrsbelastung.<br />

Zweckmäßig ist die Benutzung<br />

des Fahrrads. Weil das <strong>Allgäu</strong><br />

eine „bucklige“ Gegend ist, sind<br />

einige wenige Steigungen unvermeidlich.<br />

Es empfiehlt sich, die<br />

drei Burgen in der Reihenfolge<br />

der Beschreibung aufzusuchen.<br />

Am Wege liegen, außer den Wirtschaften<br />

in <strong>Wangen</strong>, Deuchelried,<br />

Niederwangen, Primisweiler<br />

und Neuravensburg weitere lohnende<br />

Ziele, die einen Stop oder<br />

einen kleinen Umweg rechtfertigen,<br />

z.B. die prächtige Maria<br />

Immaculata im Hochaltar der<br />

Deuchelrieder Dorfkirche oder<br />

die romanische Kapelle in<br />

Untermooweiler.<br />

<strong>Die</strong> Turmhügelburg Oflings und<br />

das Gelände der Ruine Praßberg<br />

sind Privatbesitz. Es wird sehr<br />

dar<strong>um</strong> gebeten, dies zu berücksichtigen.<br />

Zur Einführung<br />

Im hohen und auch noch im<br />

späten Mittelalter sicherte ein<br />

dichtes Netz von Burgen Land<br />

und Herrschaft. Allein im Gebiet<br />

der Stadt <strong>Wangen</strong> gab es an die<br />

20 wehrhafte Rittersitze und<br />

Burgen. Viele sind spurlos verschwunden.<br />

Unsere Runde führt<br />

zu drei bemerkenswerten mittelalterlichen<br />

Bauwerken.<br />

Der Name Burg kommt von<br />

„bergen“, „geborgen“. In der<br />

Burg konnte man sich wehren,<br />

in höchster Not in den Bergfried<br />

flüchten. Den Hauptturm<br />

einer Burg nannte man Bergfried.<br />

Weil die Herkunft dieses<br />

Worts unklar ist, kann man die<br />

Phantasie ein bisschen walten<br />

lassen. In den Bergfried gelangte<br />

man nicht durch eine Tür im<br />

Erdgeschoß, sondern über eine<br />

Leiter, die leicht entfernt werden<br />

konnte, in das sichere obere<br />

Stockwerk. Der Eingang ist meistens<br />

an Kragsteinen zu erkennen,<br />

auf denen ursprünglich ein<br />

kleines Podest den Einstieg<br />

ermöglichte. Das tür- und fensterlose<br />

Erdgeschoß war nur<br />

durch ein Loch im Boden des<br />

1. Stocks zugänglich und diente<br />

oft als „Verließ“ für Gefangene.<br />

Von <strong>Wangen</strong> nach Oflings<br />

Start bei der Gallusbrücke, am<br />

Minigolfplatz vorbei dem Rundweg<br />

4, 5 folgend argenaufwärts.<br />

Nach ca. 500 m (bei der Flussschwelle)<br />

den Rundweg nach<br />

links verlassen, auf schmalem<br />

Wiesenpfad Richtung Krankenhaus,<br />

dort nach rechts bis Ortseingang<br />

Deuchelried, dort nach<br />

links zur B18 und auf dem Radweg<br />

nach Oflings.<br />

Oflings<br />

An der Straße von <strong>Wangen</strong> in<br />

Richtung Leutkirch, kurz hinter<br />

<strong>Wangen</strong> im Wohnplatz Oflings,<br />

fällt ein eigenwilliger weißer Turm<br />

auf. Dabei handelt es sich <strong>um</strong> die<br />

Turmhügelburg Oflings, erbaut<br />

etwa <strong>um</strong> 1200. Solche Burganlagen<br />

bestanden im Kern nur aus einem<br />

mächtigen steinernen Wohnturm<br />

mit Kantenmaßen zwischen acht<br />

und neun Metern sowie Mauerstärken<br />

zwischen zwei und drei<br />

Metern in den unteren Geschossen,<br />

auf einem künstlichen oder<br />

natürlichen Hügel errichtet. Der<br />

Hügel war meistens von einem<br />

Wassergraben <strong>um</strong>geben – so auch<br />

in Oflings.<br />

Das oberste (Wohn)Geschoß war<br />

vielfach überkragend und als Fachwerkbau<br />

ausgebildet. <strong>Die</strong>se kleinrä<strong>um</strong>igen<br />

Wohn- und Festungsanlagen<br />

gab es seit dem 12. und<br />

13. Jh. gerade in Oberschwaben in<br />

sehr großer Zahl. Sie repräsentierten<br />

gewissermaßen den Normaltyp<br />

des Sitzes niederadliger Ritter<br />

oder Ministerialen (<strong>Die</strong>nstleuten)<br />

der großen geistlichen und weltlichen<br />

Herren, z<strong>um</strong> Beispiel der<br />

Welfen und Staufer, der Montforter<br />

oder des Klosters St. Gallen.<br />

Nur der König selbst, Grafen, Herzöge<br />

und Bischöfe besaßen anfangs<br />

in der Regel weiträ<strong>um</strong>igere<br />

Burganlagen, wie etwa die Waldburg,<br />

die Ravensburg (heute<br />

Veitsburg) oder die Meersburg.<br />

<strong>Die</strong> Türme bestehen aus nur grob<br />

zugehauenen, aber doch regelmä-<br />

Turm aus Findlingen


ßig aufgemauerten Findlingen,<br />

im Fall Oflings aus Argensteinen,<br />

deren Größe von unten nach oben<br />

abnimmt. Das Oflingser Mauerwerk<br />

war verputzt.<br />

<strong>Die</strong> Burg Oflings – wie z<strong>um</strong> Beispiel<br />

auch die benachbarten Burgen<br />

Epplings, Haldenberg und<br />

Praßberg – waren Teil des <strong>Allgäu</strong>er<br />

Besitzes der Reichsabtei Sankt<br />

Gallen.<br />

Der Abt war Hausherr, der in<br />

der Burg hausende Ritter jedoch<br />

<strong>Die</strong>nst- oder Lehensmann. Mit<br />

der Burgherrschaft waren grundund<br />

leibherrschaftliche Ansprüche<br />

an die Bewohner des Herrschaftsbezirks<br />

verbunden, ebenso die Niedergerichtsbarkeit.<br />

<strong>Die</strong> Hochgerichtsbarkeit<br />

(Blutbann) gehörte<br />

dagegen von alters her zur Grafschaft<br />

Eglofs. 1340 wird Oflings<br />

als Lehen der Familie Huß von<br />

Wolflins (aus „Wolflins“ wird in<br />

der Umgangssprache „Oflings“)<br />

bezeugt. Schon vor 1510 wurde<br />

die Burg an die Reichsstadt<br />

Oflings auf der <strong>Wangen</strong>er Landtafel 1617<br />

<strong>Wangen</strong> verkauft, doch gelang es<br />

der Stadt erst 1767, die Hochgerichtsbarkeit<br />

im Bereich der kleinen<br />

Burgherrschaft dem damaligen<br />

Inhaber, dem Reichsgrafen Franz<br />

von Abensberg und Traun für<br />

12.000 Gulden abzukaufen. Erst<br />

mit dem Erwerb des Rechts, über<br />

Leben und Tod zu richten, gehörte<br />

Oflings nun uneingeschränkt z<strong>um</strong><br />

reichstädtischen Territori<strong>um</strong>.<br />

1897 kaufte Anaklet Sigg, der Urgroßvater<br />

des heutigen Besitzers,<br />

das „Schlößle“, wie die Turmhügelburg<br />

in den älteren Grundbucheintragungen<br />

heißt, von der<br />

Stadt <strong>Wangen</strong>.<br />

<strong>Die</strong> heutigen Besitzer, Nicola und<br />

Eugen Sigg, wohnen mit Begeisterung<br />

in den uralten Gemäuern.<br />

Mit Hilfe des Denkmalamts und<br />

der Nachbarn und Verwandten renovierten<br />

sie 1996 ihr „Haus“. Es<br />

ist ein Haus der Extreme: Zwei<br />

Meter dicke Mauern, sechs Stockwerke,<br />

im Winter Eiskristalle an<br />

den Wänden, fast nur Treppen, in<br />

den oberen Stockwerken eine<br />

Sandsteinwendeltreppe, das Esszimmer<br />

im 4. Obergeschoß, der<br />

Wohnra<strong>um</strong> im<br />

Dachgeschoß.<br />

Das Leben im<br />

Turm hat eine<br />

besondere<br />

Qualität und<br />

bietet – abgesehen<br />

vom<br />

Treppensteigen,<br />

das allerdings<br />

wieder einen<br />

gesundheitlichen<br />

Trainingseffekt mit sich bringt<br />

– zeitgemäßes Wohnen in überraschend<br />

großen Rä<strong>um</strong>en und in<br />

einem einzigartigen historischen<br />

Ambiente.<br />

Von Oflings zur<br />

Ruine Praßberg<br />

B 18 queren, am Mühlbach entlang<br />

z<strong>um</strong> Freibad Stefanshöhe,<br />

beim Freibad nach rechts zu<br />

einem kleinen Bahndurchlass,<br />

von dort durch den Wald zur<br />

Straße nach Beutelsau, über<br />

die Argenbrücke bis Abzweig<br />

„Praßberg“. Fahrräder bei Haus<br />

Praßberg 1 abstellen und den<br />

Fußweg zur Ruine benutzen.<br />

<strong>Die</strong> Burg Praßberg<br />

Ihre Entstehung<br />

Ebenso wie die Burg Oflings war<br />

auch die Burg Praßberg in ihrem<br />

Ursprung mit der Geschichte des<br />

Klosters St. Gallen verbunden. Sie<br />

wurde 1123 gebaut und wir wissen<br />

auch war<strong>um</strong>. Vor dem weltgeschichtlichen<br />

Hintergrund des<br />

Schloß Prassberg auf der <strong>Wangen</strong>er Landtafel 1617<br />

Investiturstreits zwischen Kaiser<br />

und Papst (Gang nach Canossa!)<br />

sowie den kriegerischen Auseinandersetzungen<br />

zwischen dem<br />

fränkischen Kaiserhaus sowie den<br />

Welfen und Zähringern kam es im<br />

Kloster St. Gallen zu einer zwiespältigen<br />

Abtwahl. Herzog Konrad<br />

von Zähringen nutzte einen Verfahrensfehler,<br />

<strong>um</strong> den zuerst gewählten<br />

Abt Heinrich von Twiel<br />

mit militärischer Gewalt zu verjagen<br />

und dann seinen eigenen<br />

Parteigänger, Abt Mangold von<br />

Mammern, in einer zweiten Wahl<br />

wählen zu lassen. Abt Heinrich<br />

flüchtete ins <strong>Allgäu</strong> auf die damals<br />

den Grafen von Montfort gehörende<br />

Burg Zeil. Von dort aus versuchte<br />

er, die Klostergüter in<br />

Leutkirch, <strong>Wangen</strong>, Kisslegg und<br />

Scheidegg in Besitz zu nehmen.<br />

Abt Mangold ließ deshalb im Tal<br />

der Unteren Argen die Burg Praßberg<br />

erbauen, <strong>um</strong> von hier aus<br />

das sanktgallische Klostergut im<br />

<strong>Allgäu</strong> zu verteidigen. Abt Heinrich<br />

zog sich ins Kloster Zwiefalten<br />

zurück und konnte nach Mangolds<br />

Tod als Probst wieder in St. Gallen<br />

leben.<br />

<strong>Die</strong> Ritter<br />

von Praßberg<br />

<strong>Die</strong> Burg wurde<br />

Besitz St. GallenerMinisterialen,<br />

die sich „von<br />

Prassberg“ nannten<br />

und 1167<br />

erstmals bezeugt<br />

wurden. Um<br />

1400 starb dieses<br />

Geschlecht aus. Bereits 1341<br />

war die nur wenige Kilometer entfernte<br />

Nachbar-Burg Leupolz von<br />

dem Rittergeschlecht der Vögte<br />

von S<strong>um</strong>merau (an der Argen nahe


Grabplatte<br />

eines<br />

Ritters von<br />

Praßberg,<br />

Pfarrkirche<br />

St. Martin,<br />

16. Jhd.<br />

dem Bodensee bei Rattenweiler<br />

gelegen) erworben worden.<br />

1411 erwarb Heinrich Vogt von<br />

S<strong>um</strong>merau zu Leupolz auch das<br />

größere Schloß Praßberg und<br />

schrieb sich von nun an „zu Praßberg“,<br />

nicht mehr „zu Leupolz“.<br />

Bemerkenswerte Grabsteine dieses<br />

Rittergeschlechts befinden sich in<br />

der Leupolzer St. Laurentiuskirche<br />

und vor allem in der Pfarrkirche<br />

St. Martin in <strong>Wangen</strong>.<br />

Mitglieder der Familie bekleideten<br />

zahlreiche bedeutende<br />

geistliche und weltliche<br />

Ämter in ganz Süddeutschland.<br />

1731 waren<br />

die Praßberger so verschuldet,<br />

dass sie ihren Besitz<br />

verkaufen mussten. Der<br />

Freiherr Westernach zu Kronburg<br />

kaufte die beiden Herrschaften<br />

Praßberg und Leupolz.<br />

Bereits 1749 verkaufte er die Herrschaften<br />

an Graf Joseph Franz zu<br />

Wolfegg. Bis zur Mediatisierung<br />

1805 blieben die beiden Herrschaften<br />

wolfeggisch.<br />

<strong>Die</strong> Burganlage<br />

<strong>Die</strong> Burg liegt am Ende eines Höhenrückens,<br />

der gegen Südosten<br />

z<strong>um</strong> Argental, ungefähr gegen<br />

Westen und Süden zu zwei Tobeln<br />

steil abfällt. <strong>Die</strong> Burg war deshalb<br />

nur von Norden angreifbar, weshalb<br />

dort ein Halsgraben angelegt<br />

worden war.<br />

Der Halsgraben<br />

<strong>Die</strong>s ist ein meist künstlich angelegter<br />

tiefer und breiter Graben,<br />

<strong>um</strong> die am Ende einer Bergzunge<br />

liegende Burg vom Bergrücken<br />

abzutrennen. Der Graben sollte<br />

einen schnellen Angriff Berittener<br />

verhindern, das Anlegen von<br />

Sturmleitern und, in der frühen<br />

Zeit, auch den Beschuss durch<br />

Belagerungsmaschinen und Geschütze<br />

erschweren.<br />

Der Bergfried<br />

Der Halsgraben<br />

Der Bergfried von Praßberg wurde<br />

an der verwundbarsten Stelle der<br />

Burg z<strong>um</strong> Schutz des Tors errichtet.<br />

Er hat ein Grundmaß von<br />

9,8 x 9,7 Meter. Man betrat den<br />

Der Bergfried der Burg Praßberg von 1123<br />

Turm durch einen 6 Meter hoch<br />

gelegenen Eingang von der Süd-<br />

Ost-Seite. In das darüberliegende<br />

Geschoß gelangte man nur über<br />

eine enge Wendeltreppe, die gegen<br />

Eindringlinge gut verteidigt<br />

werden konnte. Zeitweilig wurden<br />

Gefangene aus den Herrschaften<br />

Praßberg und Leupolz im erdgeschossigen<br />

Turm-Verlies eingesperrt.<br />

Der Zerfall (Ruin) der Burg<br />

und Mauerwerk die Besitzer, die<br />

einst stolze Feste z<strong>um</strong> Abbruch zu<br />

versteigern. Der Abbruch begann<br />

1846. Aus Respekt vor der Geschichte<br />

der Burg und aus der<br />

damals aufkommenden romantischen<br />

Begeisterung für das Mittelalter<br />

ließ man Bergfried, Kapelle<br />

und Ringmauer stehen. Erst in den<br />

1970er-Jahren ist die Kapelle Opfer<br />

neuzeitlicher Vandalen geworden.<br />

Ungefährer Grundriß der Burg Praßberg<br />

<strong>Die</strong> neuen Eigentümer nach 1731<br />

lebten nicht mehr auf der Burg.<br />

Nur noch herrschaftliche Beamte<br />

benutzten die<br />

Gebäude als<br />

<strong>Die</strong>nstwohnung.<br />

Um 1800 wurden<br />

hier auch<br />

die Leupolzer<br />

Schüler unterrichtet.Allmählich<br />

zerfiel die<br />

Burg. Schließlich<br />

zwangen Schäden<br />

an Dach<br />

Ruine Praßberg, Caspar Obach, Mitte 19. Jhd., Ansicht von Westen


Von Prassberg nach<br />

Neuravensburg<br />

Zurück über die Argenbrücke<br />

nach rechts entlang der Kleingartenanlage<br />

bis zur B 32-Querung.<br />

Nach Ortseingang <strong>Wangen</strong><br />

rechts über Wittwaisstrasse,<br />

Nieratz, H<strong>um</strong>brechts, Niederwangen<br />

nach Primisweiler. Dort nach<br />

Ortsmitte links abbiegen nach<br />

Mindbuch und Neuravensburg.<br />

<strong>Die</strong> Gedeckte Brücke (18. Jhd.)<br />

über die Argen benutzen. Fahrräder<br />

beim Rathaus, besser 150<br />

m weiter nahe der Schule abstellen<br />

und zu Fuß auf der ehemaligen<br />

„Hauptstraße“ der abgegangenen<br />

Stadt zur Burg aufsteigen.<br />

Hervorragende Bergsicht!<br />

Bequeme Rückfahrt nach <strong>Wangen</strong><br />

über asphaltierten Radweg<br />

(sehenswürdig die Hiltensweiler<br />

Gedeckte Brücke, 18. Jhd.) oder,<br />

etwas anstrengender, entlang<br />

dem Schwarzenbach nach Untermooweiler<br />

(romanische Kapelle<br />

von 1152), von dort nach <strong>Wangen</strong>,<br />

am schönsten über den mit +<br />

gekennzeichneten Weg über<br />

Schuppenberg, Jussenweiler, Elitz.<br />

<strong>Die</strong> Neuravensburg<br />

Schon im 9. Jahrhundert hatte das<br />

Kloster St. Gallen auch im Bereich<br />

der heute zur Stadt <strong>Wangen</strong> gehörenden<br />

Ortschaft Neuravensburg<br />

großen Landbesitz. Das Gebiet<br />

wurde durch eine starke Burg,<br />

ursprünglich wohl Sitz der Gaugrafen<br />

des Argengaus, gesichert.<br />

Auf dem Rücken des Burghügels<br />

wurde im 13. Jahrhundert durch<br />

Heinrich von Ravensburg eine<br />

Stadt gegründet: “Nov<strong>um</strong> Ravinspurch“.<br />

Auf der Burg saßen als Inhaber<br />

des sanktgallischen Klosterlehens<br />

welfische, später staufische<br />

Ministerialen. Als der Abt von<br />

St. Gallen nach dem Tod Heinrichs<br />

von Neuravensburg (<strong>um</strong>1270) das<br />

Klosterlehen zurückforderte, kam<br />

es nach einer zwiespältigen Abtwahl<br />

zu längeren kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen, in deren<br />

Verlauf das kleine Städtchen Neuravensburg<br />

von den Montfortern<br />

niedergebrannt wurde. Überreste<br />

der alten Stadtmauern zeigen sich<br />

einem aufmerksamen Auge noch<br />

heute an den Flanken des Burghügels,<br />

dessen Nichtbebaubarkeit<br />

seit einigen Jahren durch Stadtund<br />

Ortschaftsratsbeschluß gesichert<br />

ist.<br />

Bis 1803 war die Neuravensburg,<br />

zwischen den altsanktgallischen<br />

Dörfern Schwarzenbach und<br />

Roggenzell gelegen, Verwaltungsmittelpunkt<br />

aller Klosterbesitzungen<br />

nordwärts des Bodensees.<br />

Im 14. und 15. Jahrh. wurde die<br />

Herrschaft Neuravensburg vielfach<br />

verpfändet, u.a. auch an die<br />

Grafen von Praßberg, von 1451<br />

bis 1586 schließlich an die Reichsstadt<br />

Lindau. Im Bauernkrieg 1525<br />

verwüsteten die Bauern des „Neuravensburger<br />

Haufens“ die Burg.<br />

Im Jahr 1586 löste die Reichsstadt<br />

<strong>Wangen</strong> für 25190 Gulden die<br />

Stadt Lindau als Pfandherr ab und<br />

bekam nach vielen Streitereien<br />

mit den selbstbewussten Neuravensburger<br />

Bauern in einem<br />

<strong>Die</strong> Neuravensburg<br />

Vertrag mit Ammann und Gemeinde<br />

Neuravensburg die üblichen<br />

Rechte eines Lehnsherren zugestanden:<br />

Steuereinnahmen, Frondienste,<br />

Straßenbau, Sterbefallabgaben<br />

u.v.a. Anno 1608 focht jedoch<br />

Abt Bernhard Müller von<br />

St. Gallen den Kaufvertrag von<br />

1586 an und erreichte vor dem<br />

Kammergericht in Speyer die<br />

Rückgabe der Herrschaft Neuravensburg<br />

an das Kloster. Sie<br />

wurde bis zur Säkularisation 1803<br />

nun nicht mehr verpfändet, sondern<br />

durch ein sanktgallisches<br />

Obervogteiamt, das in der Burg<br />

eingerichtet wurde, verwaltet.<br />

Von der Burg z<strong>um</strong> Schloß<br />

<strong>Die</strong> fürstäbtliche Obervogtei war<br />

schließlich nicht nur Verwaltungsstandort,<br />

sondern hatte auch repräsentative<br />

Funktionen zu übernehmen.<br />

Dem wachsenden absolutistischen<br />

Zeitgeist entsprechend<br />

ließ Abt Bernhard 1613 mit dem<br />

Umbau der Burg z<strong>um</strong> herrschaftlichen<br />

und wohnlichen Schloß beginnen.<br />

1617 waren die Bauarbeiten<br />

abgeschlossen.<br />

Ein Abt im Exil<br />

In den Schweizer<br />

Glaubenskriegen<br />

1696-1718<br />

bekriegten sich<br />

die katholischen<br />

Urkantone und<br />

der sanktgallische<br />

Klosterstaat<br />

einerseits, die<br />

Zwinglianer und Calvinisten,<br />

voran die Kantone Zürich und<br />

Bern, andererseits. Leodegar<br />

Bürgisser, der streitbare und von<br />

gegenreformatorischen Ideen erfüllte<br />

Abt von St. Gallen, war an<br />

diesen Auseinandersetzungen<br />

aktiv beteiligt. Schließlich musste<br />

er 1712 fliehen, wobei ihm jetzt<br />

das über dem Bodensee gelegene<br />

„feste Schloß“ in Neuravensburg<br />

sehr gelegen kam. Mit seinem Hof<br />

und einem Teil des Konvents richtete<br />

er sich auf dem Berg ein, von<br />

wo aus er, wie alle Exilpolitiker,<br />

alle Hebel in Bewegung setzte, an<br />

viele Herrscher Europas seine Briefe<br />

versandte und Neuravensburg,<br />

vielleicht auch etwas zweifelhaft,<br />

in großem Umkreis bekannt machte.<br />

1717 starb Abt Leodegar, ohne<br />

sein Kloster wieder gesehen zu<br />

haben. Sein in Neuravensburg<br />

gewählter Nachfolger, Abt. Joseph<br />

von Rudolfi, verhandelte geschickter<br />

mit den Eidgenossen und durfte<br />

mit dem Konvent 1718 nach<br />

St. Gallen zurückkehren.


* Deuchelried<br />

Dorfkirche Deuchelried<br />

Maria Immaculata 18. Jhd.<br />

Grundlage: Digitales Orthophoto Baden-Württemberg<br />

© Landesvermessungsamt Baden-Württemberg<br />

(www.lv-bw.de), vom 22.09.2010, Az.: 2851.2-A/778<br />

*** Untermooweiler<br />

** Hiltensweiler<br />

Gedeckte Brücke, 18. Jhd.<br />

Romanische Kapelle St. Nikolaus geweiht 1252


<strong>Die</strong> neuen Landesherren<br />

ab 1803<br />

Dem Untergang des alten Kaiserreichs<br />

folgte nach dem Willen<br />

Napoleons eine unglaubliche<br />

europäische „Flurbereinigung“. Das<br />

mährisch-österreichische Fürstengeschlecht<br />

von <strong>Die</strong>trichstein wurde<br />

für den Verlust ihres Schlosses<br />

Tarasp im Unterengadin an die<br />

neugeschaffene Helvetische Republik<br />

entschädigt – ausgerechnet<br />

mit Burg und Herrschaft Neuravensburg!<br />

Neuravensburg – 164<br />

Impress<strong>um</strong><br />

Herausgeber<br />

Gästeamt <strong>Wangen</strong> im <strong>Allgäu</strong><br />

Tel. 07522 / 74-211<br />

Email: tourist@wangen.de<br />

www.wangen.de<br />

Verfasser<br />

Edwin Wölfle<br />

Dr. Jörg Leist<br />

Initiator<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

Heimatpflege württ. <strong>Allgäu</strong><br />

Fotografien<br />

D.J.A. <strong>Wangen</strong><br />

Werner Haug<br />

Roland Hofmann<br />

Horst Barlogie<br />

Sabine Sigel<br />

Dr. Jörg Leist<br />

Dr. Rainer Jensch<br />

Josef Stadlmaier<br />

Schloß<br />

Neuravensburg<br />

von Westen.<br />

Romantisierende<br />

Darstellung des<br />

Neuravensburger<br />

Malers Johann<br />

Bapt. Bingger<br />

(1827-1902)<br />

von 1871<br />

Häuser und (ohne <strong>Die</strong>nstboten)<br />

834 Einwohner – war damit fürstliche<br />

Standesherrschaft geworden.<br />

Doch Johann Baptist von <strong>Die</strong>trichstein<br />

verkaufte bereits 1829<br />

Neuravensburg an das Königreich<br />

Württemberg, für immerhin<br />

73.000 Taler.<br />

Nach einem weiteren Zwischenverkauf<br />

wurde das Schloß 1836<br />

an einen <strong>Wangen</strong>er Gastwirt auf<br />

Abbruch verkauft und von 1837-<br />

1845 allmählich bis auf den Bergfried<br />

abgetragen.<br />

Layout/Druck<br />

Druckerei Kleb, <strong>Wangen</strong>-Haslach

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