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Geschichte der Evangelisch-Lutherischen - am Klinikum Augsburg

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<strong>Evangelisch</strong>-Lutherische<br />

Klinikseelsorge<br />

im <strong>Klinikum</strong> <strong>Augsburg</strong><br />

Ein chronologischer Abriss <strong>der</strong> letzten 30 Jahre<br />

2001<br />

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<strong>Augsburg</strong>er <strong>Evangelisch</strong>e Klinikseelsorge<br />

Kurzgefasste Chronologie mit persönlichen Stellungnahmen<br />

1854 Angestoßen durch den <strong>Augsburg</strong>er Pfarrkonvent<br />

und verbunden mit einer Anschubfi nanzierung von l00 Gulden<br />

wurde <strong>der</strong> ”Protestantische - St. Johannis - Zweigverein” gegründet.<br />

Das Ziel war, - wegen des konfessionellen Gleichgewichtes<br />

- ”die Einführung <strong>der</strong> Krankenpfl ege durch evangelische Diakonissen”.<br />

Zum Vorstand des Vereins gehörten: Der <strong>Augsburg</strong>er<br />

Bürgermeister, fünf Bürger und drei Pfarrer. Die Bayerische Regierung<br />

genehmigte diese Vereinsgründung im gleichen Jahr.<br />

1855 Zwei in Straßburg ausgebildete Diakonissen<br />

meldeten sich nach <strong>Augsburg</strong>. Bereits <strong>am</strong> Ende des Jahres<br />

war die Zahl <strong>der</strong> Schwestern auf zehn angewachsen. Ihre Oberin<br />

wurde Julie Hörner aus Straßburg.<br />

1859 Mit <strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> ”Protestantischen<br />

Krankenabteilung im Städtischen Krankenhaus” war praktisch<br />

die evangelische Klinikseelsorge geboren: Eine <strong>der</strong> im Haupthaus<br />

tätigen Diakonissen war von nun an für die geistliche<br />

Betreuung <strong>der</strong> protestantischen Patienten verantwortlich. Die<br />

Sakr<strong>am</strong>entsverwaltung (1*) hatte <strong>der</strong> zuständige Pfarrer <strong>der</strong><br />

Barfüßergemeinde. Er hielt auch die Gottesdienste in <strong>der</strong> <strong>Evangelisch</strong>en<br />

Krankenhauskapelle. Die Seelsorgeschwester blieb im<br />

Haupthaus, auch nach dem Bau eines eigenen Krankenhauses<br />

<strong>der</strong> Diakonissenanstalt (1893) mit einem Hausgeistlichen. Beide,<br />

dieser Pfarrer und die Seelsorgeschwester wurden aus <strong>der</strong> Kasse<br />

<strong>der</strong> Diakonissenanstalt bezahlt. Diese Regelung bewährte sich<br />

sehr gut, bis 1933.<br />

1933 Mit <strong>der</strong> Machtübernahme <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />

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in Deutschland entstand sehr schnell eine neue ”braune”<br />

Schwesternschaft. Im <strong>Augsburg</strong>er Städtischen Krankenhaus<br />

richtete man eine Ausbildungsstätte ein und drängte nach und<br />

nach die Nonnen und Diakonissen als konfessionelle Pfl egekräfte<br />

hinaus. Als sich 1939 auch <strong>der</strong> St. Johannis Zweigverein<br />

aufgelöst hatte, hörte die haupt<strong>am</strong>tliche evangelische Seelsorge<br />

im Städtischen Krankenhaus offi ziell auf.<br />

1969 Zwischenzeitlich geschah <strong>der</strong> Seelsorgedienst<br />

an Kranken neben<strong>am</strong>tlich durch Gemeindepfarrer. Erst mit <strong>der</strong><br />

Einführung von Pfarrer Werner Schmidt als Krankenhauspfarrer<br />

gab es wie<strong>der</strong> einen haupt<strong>am</strong>tlichen Klinikseelsorger (2*) für die<br />

Städtischen und privaten <strong>Augsburg</strong>er Krankenhäuser. Aber eine<br />

fl ächendeckende seelsorgerische Tätigkeit erwies sich als unmöglich.<br />

Dazu entwickelte sich die <strong>Evangelisch</strong>e Klinikseelsorge<br />

weg vom traditionellen Besuchsstil hin zur patientenzentrierten<br />

Gesprächsseelsorge. So begann Werner Schmidt ab 1972 eine<br />

Gruppe ehren<strong>am</strong>tlicher Frauen und Männer auszubilden, um<br />

eine breitere Basis zur kompetenten Begleitung von Patienten<br />

zu schaffen. Diese ehren<strong>am</strong>tlichen Bezugspersonen für die<br />

Kranken erhielten regelmäßige Supervision und Fortbildung<br />

(3*). 1980 wechselte Pfarrer Werner Schmidt seine Stelle. Der<br />

inzwischen installierte katholische Klinikseelsorger Pfarrer Dr.<br />

Hubert Kranzfel<strong>der</strong> überbrückte die Vakanzzeit und setzte <strong>der</strong><br />

Zeit vorauseilend ein einmaliges Zeichen für gute ökumenische<br />

Zus<strong>am</strong>menarbeit, indem er die evangelische Gruppe <strong>der</strong> ehren<strong>am</strong>tlichen<br />

Mitarbeiter mit betreute.<br />

1981 Als Nachfolger von Pfarrer Werner Schmidt<br />

k<strong>am</strong>en nach <strong>Augsburg</strong> zwei Seelsorger: Zuerst Pfarrer Martin<br />

Puschmann (1981) und 1982 Pfarrer Joachim Pawelke (1982),<br />

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eide mit einer speziellen Zusatzausbildung.<br />

Ab 1982 wurden die Städtischen Krankenhäuser in das neu<br />

erbaute Zentralklinikum integriert. D<strong>am</strong>it hatte man für den<br />

ges<strong>am</strong>ten schwäbischen Raum ein Haus <strong>der</strong> höchsten Versorgungsstufe<br />

eingerichtet. Die Aufgaben <strong>der</strong> Klinikseelsorge haben<br />

sich zwar auf ”ein Haus” konzentriert, aber das Arbeitsfeld war<br />

riesenhaft angewachsen. Mit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>klinik und dem psychiatrischen<br />

Bezirkskrankenhaus sind rund 2000 Patienten und<br />

5000 Mitarbeiter des Personals zu betreuen. Zusätzlich zu den<br />

Besuchen <strong>am</strong> Krankenbett werden im ZK tägliche Gottesdienste<br />

angeboten. (Davon wöchentlich eine ökumenische und eine<br />

evangelische Abendandacht und ein sonntäglicher Abendmahlsgottesdienst).<br />

In <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>klinik fi ndet ein monatlicher Kin<strong>der</strong>-<br />

Bibel-Nachmittag statt und im Bezirkskrankenhaus wird ein<br />

wöchentlicher Abendgottesdienst gefeiert. Beson<strong>der</strong>s wichtig ist<br />

<strong>der</strong> ökumenische Ethikunterricht an den Schwesternschulen, <strong>der</strong><br />

oft im Haus Tobias stattfi ndet und so die Gesprächsatmosphäre<br />

för<strong>der</strong>t. Die Aus- und Fortbildung ehren<strong>am</strong>tlichen Mitarbeiter<br />

behält viel Raum (4*). Der heutige Lukastag zur offi ziellen<br />

Begegnung zwischen ”Seelsorge und dem ärztlichen und pfl egerischen<br />

Klinikpersonal” und <strong>der</strong> Aktionskreis ”EINE WELT”<br />

war ursprünglich eine evangelische Erfi ndung, wird aber heute<br />

ökumenisch weitergeführt. Zum Beispiel wird die Partnerschaft<br />

zu einer Klinik in Nepal unterhalten o<strong>der</strong> zu an<strong>der</strong>en Projekten<br />

in <strong>der</strong> Dritten Welt. Das Ziel über den ”Tellerrand <strong>der</strong> Klinikseelsorge”<br />

hinauszuschauen, wird freundlicherweise auch stark von<br />

<strong>der</strong> Verwaltung des ZK unterstützt.<br />

Das größte Anliegen bleibt die gute ökumenische Zus<strong>am</strong>menarbeit<br />

mit dem Te<strong>am</strong> <strong>der</strong> katholischen Kolleginnen und Kollegen.<br />

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Die ”Klinikseelsorge” tritt nach außen meist wie e i n Block auf<br />

und manche Personalvertreter wissen nicht, ob <strong>der</strong> Gesprächspartner<br />

zur katholischen o<strong>der</strong> evangelischen Seelsorge gehört.<br />

Das heißt nicht, daß die konfessionelle Identität aufgegeben<br />

wird, im Gegenteil werden bei Dienstgesprächen, bei Fortbildungen<br />

o<strong>der</strong> m den Mittagspausen viele theologische Probleme<br />

gewälzt.<br />

Auch außerhalb des Zentralklinikums gibt es eine Reihe von<br />

Aufgaben, wo mitgearbeitet wird: Zum Beispiel Gründung von<br />

Aidshilfe, Hospizarbeit, Arbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> Bayererischen<br />

Krankenhauspfarrerinnen und Krankenhauspfarrer.<br />

Ehemalige Mitarbeiterinnen:<br />

1988 bis 1994 Gisela Blume, Communität Casteller Ring (CCR)<br />

und Pfarrerin Ursula Seiler von 1983 - 1998. Sieben Praktikantinnen<br />

erwarben sich Seelsorgekenntnisse.<br />

1995/1997 Nach dem Ausscheiden von Pfr. Martin<br />

Puschmann, <strong>der</strong> sich wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gemeindearbeit widmet kommt<br />

Pfr. Günter Dorn in das Zentralklinikum und die Nachfolge von<br />

Pfr. Joachim Pawelke tritt 1997 Pfr. Heinz D. Müller an, bisher<br />

Seelsorger <strong>am</strong> <strong>Klinikum</strong> in B<strong>am</strong>berg.<br />

Derzeit arbeiten neben den beiden haupt<strong>am</strong>tlichen Pfarrern<br />

eine Diakonisse, eine Organistin und eine Teilzeitsekretärin in<br />

<strong>der</strong> Seelsorge mit. Fünfzehn ehren<strong>am</strong>tliche Mitarbeiter für den<br />

Besuch <strong>am</strong> Krankenbett sind <strong>der</strong>zeit für die evangelische Seelsorge<br />

im ganzen Hause tätig.<br />

In an<strong>der</strong>en Kliniken wirken und wirkten u.a.:<br />

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Im Krankenhaus <strong>der</strong> Diakonissenanstalt von 1983 - 1998 Pfarrerin<br />

Ursula Seiler, seit 1998 Frau Jutta Krimm, Pfarrerin , Teilzeit.<br />

In <strong>der</strong> Hessingklinik ab 1999 Frau Irmgard Blank, Diakonin -<br />

Teilzeit.<br />

In <strong>der</strong> Zus<strong>am</strong>klinik Diakon Lothar Michel von 1995 - 2000. In<br />

<strong>der</strong> Vakanzzeit Pfr. i.R. Joachim Pawelke und seit 2001 Diakon<br />

Fritz Lieb, Teilzeit.<br />

Die an<strong>der</strong>en Kliniken werden durch Gemeindepfarrer seelsorgerlich<br />

betreut.<br />

Anmerkungen:<br />

1* Aus dieser „Grün<strong>der</strong>zeit“ st<strong>am</strong>men die auf dem Deckblatt abgebildeten<br />

Abendmahlsgeräte. Durch die Stiftung einer Mitarbeiterin (1997) bek<strong>am</strong><br />

<strong>der</strong> Kelch eine neue wertvolle Cupa.<br />

2* Die heutige Klinikseelsorge untersteht dem Dekanatsbezirk <strong>Augsburg</strong><br />

und wird von <strong>der</strong> Ges<strong>am</strong>tkirchenverwaltung fi nanziert und überprüft.<br />

3* Die beiden biographischen Berichte spiegeln etwas von <strong>der</strong> Haltung<br />

<strong>der</strong> ehren<strong>am</strong>tlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie<strong>der</strong>, wenn sie einmal<br />

für den Dienst <strong>der</strong> Klinikseelsorge „entzündet“ worden sind und von den<br />

Klinikpfarrern begleitet wurden.<br />

4* siehe dazu den folgenden Bericht von Emma Schäffner<br />

Literatur:<br />

75 Jahre <strong>Evangelisch</strong>e Diakonissenanstalt <strong>Augsburg</strong><br />

Die Evangelsiche Diakonissenanstalt <strong>Augsburg</strong>, 1855 - 1955<br />

10 Jahre Klinikseelsorge, Katholsiche Seelsorge im Zentralklinikum<br />

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Die Grün<strong>der</strong>jahre <strong>der</strong> <strong>Evangelisch</strong>en Klinikseelsorge<br />

in <strong>Augsburg</strong><br />

von Emma Schäffner, 1997<br />

Um Pfi ngsten 1972 trafen wir uns zum ersten Mal im Annahof,<br />

ohne zu ahnen, was auf uns zuk<strong>am</strong>. Pfarrer Werner Schmidt,<br />

2.Pfarrer bei St. Anna, hatte sich <strong>der</strong> Klinikseelsorge zugewandt<br />

und suchte nun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diesen<br />

neuen Dienst. Mit einem Hausbesuch hatte er Kontakt aufgenommen,<br />

unsere idealistischen Motivationen gehört und uns<br />

angeworben. Als Gruppe von sechs Frauen und einem Mann<br />

trafen wir uns nun wöchentlich und begannen einen neuen entscheidenden<br />

Abschnitt in unserer persönlichen Entwicklung.<br />

Einige Monate lang wurden wir mit <strong>der</strong> <strong>am</strong>erikanischen Seelsorgebewegung<br />

vertraut gemacht: 1925 wurde sie von Pfarrer Anton<br />

Boisen ins Leben gerufen. Später k<strong>am</strong> die klientenzentrierte<br />

Gesprächstherapie von Carl Rogers dazu. Mit den wichtigsten<br />

Regeln im Hinterkopf wurden wir sofort ins kalte Wasser <strong>der</strong><br />

Praxis im Hauptkrankenhaus geworfen. An jeden Besuch schloß<br />

sich ein Erfahrungsaustausch an, <strong>der</strong> unsere Spannungen auffi ng<br />

und abbaute. Wir arbeiteten mit Gesprächsanalysen von H. Chr.<br />

Piper, mit <strong>der</strong> Seelsorgeliteratur von D. Stollberg, und Victor<br />

Emil Freiherr von Gebsattel. Dazu brachten wir die eigenen<br />

Gesprächsprotokolle von den Patientenbesuchen mit. Langs<strong>am</strong><br />

entwickelten sich durch zusätzliche Übungen die ersten Erfahrungen<br />

in <strong>der</strong> Gruppendyn<strong>am</strong>ik.<br />

Die Organisation im Hauptkrankenhaus: Als kirchliche Mitarbeiter<br />

erhielten wir an <strong>der</strong> Pforte Einsicht in die Krankenblätter und<br />

schrieben die N<strong>am</strong>en und Stationen <strong>der</strong> evangelischen Patienten<br />

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heraus. Der katholische Pförtner hat mir, einer Protestantin versprochen,<br />

für mich zu beten, daß ich trotzdem in den Himmel<br />

komme. Auch die katholischen Ordensschwestern nahmen uns<br />

freundlich auf, so daß sich bald ein vertrauensvolles Arbeitsklima<br />

entwickeln konnte und wir Probleme <strong>der</strong> Patienten mit den<br />

Schwestern besprechen konnten. Mit den Ärzten k<strong>am</strong>en wir viel<br />

ins Gespräch. Bei <strong>der</strong> d<strong>am</strong>aligen langen Verweildauer <strong>der</strong> Kranken<br />

war das sehr hilfreich. Lei<strong>der</strong> erfüllte sich unsere Hoffnung<br />

nicht, eine gemeins<strong>am</strong>e Balint-Gesprächsgruppe ins Leben zu<br />

rufen. Bald erhielten wir die Möglichkeit, auch außerhalb <strong>der</strong><br />

offi ziellen Besuchszeiten an die Krankenbetten zu kommen.<br />

Im Durchschnitt hatte ich sechs Gespräche pro Besuchstag. Die<br />

Arbeitsbedingungen in den großen Zehn-Betten-Sälen waren<br />

wegen des hohen Geräuschpegels, des Duftes aus den Nachtstühlen<br />

oft sehr anstrengend. Trotzdem gelang es meistens eine<br />

Atmosphäre für ein Gespräch zu schaffen. Mit den Sozialarbeiterinnen<br />

gab es eine gute Zus<strong>am</strong>menarbeit. Aber <strong>der</strong> „i“-Punkt<br />

des Jahres war die Weihnachtsfeier in <strong>der</strong> Krankenhauskapelle.<br />

Spitzenvertreter des öffentlichen Lebens und alle Chefärzte<br />

erschienen “feierlich“. Auch wir traten festlich gekleidet an. Die<br />

musikalische Gestaltung durch Orchester und Chor <strong>der</strong> Städtischen<br />

Singschule bildete den Rahmen für den Gottesdienst. Zu<br />

den anschließenden Feiern auf den Stationszimmern brachten<br />

wir unsere, mit Sorgfalt gestalteten, Weihnachtskarten als Geschenk<br />

mit, <strong>der</strong>en Bil<strong>der</strong> und Texte wir an einem Gruppenabend<br />

erarbeitet hatten. Diese Beschäftigung mit den Karten war ein<br />

Höhepunkt des Jahres. Von Schwestern und Ärzten wurden sie<br />

immer erwartet und begrüßt.<br />

Selbsterfahrung und Gruppendyn<strong>am</strong>ik (CPT) blieben Pfarrer<br />

Werner Schmidt und uns weiter wichtig und verfl ochten die<br />

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Gruppe untereinan<strong>der</strong>. Schweigepfl icht war selbstverständlich.<br />

Was in die Gruppe gehörte, hatte ausschließlich in <strong>der</strong> Gruppe zu<br />

bleiben. Im Laufe <strong>der</strong> Zeit wurde das Arbeits-Du eingeführt und<br />

wir wurden mit allen d<strong>am</strong>als gängigen therapeutischen Richtungen<br />

vertraut gemacht: “Die Kunst <strong>der</strong> Wahrnehmung-(Clinebell),<br />

Transaktionsanalyse (Eric Berne), Themenzentrierte Interaktion<br />

(Ruth Cohen). Bald merkten wir, daß durch die intensive Selbsterfahrung<br />

sich in uns eigene Entwicklungen und Verän<strong>der</strong>ungen<br />

anbahnten.- Als 1974 die <strong>Augsburg</strong>er Telefonseelsorge gegründet<br />

wurde, bek<strong>am</strong>en wir die Gelegenheit, an den Vorträgen bekannter<br />

Psychologen teilzunehmen. Im Rahmen eines Pfarrkonvents<br />

hörten wir den berühmten therapeutischen Pfarrer Hans Frör.<br />

So war Werner Schmidt darauf bedacht, uns auch außerhalb <strong>der</strong><br />

Kliniken bekannt zu machen. Jährlich hatten wir mindestens ein<br />

Gruppenwochenende mit Themen <strong>der</strong> Bio-Energetik, <strong>der</strong> Eutonie,<br />

<strong>der</strong> Gestalttherapie. Unvergeßlich ist eine wun<strong>der</strong>schöne Tagung<br />

über Musiktherapie in Salzburg 1977. An den Jahrestagungen<br />

<strong>der</strong> <strong>Evangelisch</strong>en Klinikseelsorge, <strong>der</strong>en Vorsitzen<strong>der</strong> “unser<br />

Pfarrer“ inzwischen geworden war, nahmen wir genauso teil,<br />

wie an ökumenischen Veranstaltungen. Ich erinnere mich, daß<br />

wir an einem Abend im Augustanasaal an einzelnen Tischen die<br />

Gesprächsführung übernehmen sollten und Herr Domkapitular<br />

Dr. Beis zu Pfarrer Schmidt sagte, er beneide die evangelische<br />

Kirche um diese Pionierarbeit auf dem Gebiet <strong>der</strong> Seelsorge.<br />

Es wurde auch fröhlich gefeiert, an Abenden, bei den Gruppenwochenenden<br />

und den jährlichen Gartenfesten, und wir<br />

waren inzwischen aus einer Dienstgemeinschaft fast zu einer<br />

Art Lebensgemeinschaft zus<strong>am</strong>mengewachsen.<br />

Inzwischen hatte Werner Schmidt begonnen eine zweite und eine<br />

dritte Gruppe auszubilden, die einen lockereren Stil in die Arbeit<br />

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achten. Das kleine Zimmer im Annahof war zu klein geworden<br />

und wir zogen in den großen Raum nach Stadtbergen um, den<br />

das Diakonische Werk uns zur Verfügung stellt. Unser Arbeitsfeld<br />

konnte jetzt auch auf das Westhaus, das Vincentinum und die<br />

Hessingklinik ausgedehnt werden. In <strong>der</strong> Hessingklinik wurden<br />

an S<strong>am</strong>stagen regelmäßige Abendmahls-Gottesdienste gefeiert,<br />

zu denen die Betten und Rollstühle von den Stationen in die<br />

Kapelle geschoben werden mußten und auch die Ehemänner <strong>der</strong><br />

Seelsorgerinnen eingespannt wurden.<br />

Nach acht Jahren intensivster Ausbildung und begleiten<strong>der</strong><br />

Betreuung entschied sich Werner Schmidt zu einem Wechsel<br />

seines Arbeitsplatzes. Das war 1980. Zuvor waren wir in ein neues<br />

Domizil in die Völkstraße umgezogen und Pfarrer Schmidt hatte<br />

eine vierte Gruppe initiiert. Wir durften Fahrtkosten abrechnen.<br />

Aber durch den Weggang einiger Mitarbeiter blieb unsere Gruppenstärke<br />

bei zwölf Ehren<strong>am</strong>tlichen. Durch die Zäsur schienen<br />

wir allein gelassen zu sein. Da bot sich eine Lösung an: Pfarrer<br />

Hubert Kranzfel<strong>der</strong>. <strong>der</strong> dabei war die katholische Klinikseelsorge<br />

aufzubauen wurde zum rettenden Engel. Er war bereit, uns als<br />

Gruppenleiter weiter zu betreuen. Das war <strong>der</strong> Grundstein für<br />

die spätere harmonische ökumenische Zus<strong>am</strong>menarbeit auch im<br />

Zentralklinikum. Im Jahr 1981 trat Pfarrer Martin Puschmann<br />

die Nachfolge von Werner Schmidt an. 1982 folgte Pfarrer<br />

Joachim Pawelke. Im gleichen Jahr begann <strong>der</strong> Umzug <strong>der</strong><br />

ersten Stationen <strong>der</strong> <strong>Augsburg</strong>er Krankenhäuser ins <strong>Klinikum</strong>.<br />

Für die Pfl egekräfte. die Ärzte. auch die Patienten war es eine<br />

große Herausfor<strong>der</strong>ung, aber es klappte gut. Wir ehren<strong>am</strong>tlichen<br />

Mitarbeiterinnen - als vierzehnköpfi ge Gruppe - wurden nun auf<br />

das große <strong>Klinikum</strong> verteilt. Wir gingen auf einen vierzehntägigen<br />

Turnus <strong>der</strong> Gruppensitzungen über. Im Jahr 1984 wurden<br />

Seite 11


wir zusätzlich von dem Therapeuten Harald Killius betreut. So<br />

bildete sich im Lauf <strong>der</strong> Jahre <strong>der</strong> heutige Status heraus.<br />

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Siebzehn Jahre in <strong>der</strong> ehren<strong>am</strong>tlichen Klinikseelsorge<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>klinik<br />

von Maja Tekt, 1993<br />

Über den Umweg meines Friseursalons lernte ich 1975 einen<br />

Arzt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>klinik kennen. Er führte mich durch seine Station.<br />

Ein Gespräch mit Professor Neidhart und <strong>der</strong> Oberin fand statt,<br />

aber es gab zu viele Schwierigkeiten mit Herz und Kopf in <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>klinik ehren<strong>am</strong>tlich mitarbeiten zu können.<br />

Ein Jahr später reiste Oberarzt Haggenmüller in die Schweiz. um<br />

dort eine neu errichtete Kin<strong>der</strong>klinik zu besuchen. Er kehrte mit<br />

dem Gedanken zurück, mit ehren<strong>am</strong>tlichen Kräften zu arbeiten,<br />

wie er es in <strong>der</strong> Schweiz erlebt hatte. So rief man mich von <strong>der</strong><br />

Klinik an. ob ich noch gewillt sei, mitzuarbeiten? Keine Frage.<br />

Ich war da! Herr Dr. Haggenmüller, d<strong>am</strong>als Leiten<strong>der</strong> Direkter<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>klinik, übernahm die volle Verantwortung<br />

So k<strong>am</strong> ich in die Kin<strong>der</strong>klinik. Der Anfang war nicht leicht. Den<br />

Schwestern war ich fremd. Ich hatte noch nie mit kranken Kin<strong>der</strong>n<br />

zu tun gehabt. Die Kin<strong>der</strong> zwischen 1 und 6 Jahren, also in<br />

dem Alter, wo sie die Nähe <strong>der</strong> Eltern beson<strong>der</strong>s brauchten. Dies<br />

wußte ich ja aus eigener Erfahrung. Ein klein wenig habe ich<br />

versucht, die von den Kin<strong>der</strong>n so benötigte Liebe weiterzugeben:<br />

Ich habe gestreichelt. getröstet, sie in den Schlaf geträllert, das<br />

Näschen geputzt, sie gefüttert, mit ihnen gespielt, mit ihnen <strong>am</strong><br />

Boden gesessen und aus Bil<strong>der</strong>büchern vorgelesen, sie im Arm<br />

gehalten, Tränen getrocknet und noch manch an<strong>der</strong>es, eben<br />

all das, wofür die Schwestern kaum Zeit hatten. Es waren auch<br />

wun<strong>der</strong>bare Schwestern, die mit großer Hingabe ”ihre Kin<strong>der</strong>”<br />

pfl egten. Ich bete auch für sie zu unserem Gott, denn sie brau-<br />

Seite 13


chen und verdienen diese Fürbitte.<br />

Beziehungen zu Kin<strong>der</strong>n sind nur möglich, wenn man von ihnen<br />

angenommenen ist. Man kann ihnen nichts vormachen. Man<br />

darf sich auch nicht aufdrängen Gott sei gedankt. daß ich keine<br />

Schwierigkeiten hatte und die Kin<strong>der</strong> mich so mochten, wie ich<br />

war. Ich war für sie die ”Tante Maja”.<br />

Ich denke an Turku, einen 3-jährigen Buben aus <strong>der</strong> Türkei, <strong>der</strong><br />

mit Knochenschwund in <strong>der</strong> Klinik lag. Er war unser aller Schatz<br />

und ich durfte mithelfen, bestimmte Bewegungen mit ihm zu<br />

üben. Wie groß war dann seine Freude auf ”meiner” Station,<br />

als er mit Kopfbewegungen nein und ja zu sagen verstand. Es<br />

wurde ein neuer Sportwagen besorgt und so konnte das Kind<br />

auch in den Park gefahren werden, zum Weiher, zu den Enten<br />

und Vögeln.<br />

Dann war da ein Bub auf <strong>der</strong> Station <strong>der</strong> Muskelschwund hatte.<br />

Er konnte nicht sprechen und er war blind. Wenn dieses Kind<br />

meine Stimme vernahm, arbeitete er in seinem Bettchen herum,<br />

das mit Polstern ausgelegt war. Er verdrehte seine Augen und<br />

beruhigte sich erst, wenn er mich spürte. Er war schön, <strong>der</strong> Bub,<br />

hatte Augen wie Kirschen, mit langen Wimpern. Auch wir fuhren<br />

in den Park. Ich sehe noch die Gesichter <strong>der</strong> Menschen, die uns<br />

begegneten, weil sie noch nie soviel Leid an einem Kind gesehen<br />

hatten. Ich erzählte dem Kind vom Wasser, wie es plätschert und<br />

sagte: ”Hör, wie es platsch, platsch, platsch macht.“ Körperchen<br />

und Gesichtchen waren so angespannt, als erwartete er etwas<br />

Großes zu erleben. Da nahm ich vom Wasser und ließ es in seine<br />

geöffnete Hand tropfen. Es war wie eine heilige Handlung.<br />

Wer von uns beiden in diesem Moment glücklicher war, weiß<br />

Seite 14


ich nicht. Es war ein Geschenk für uns beide. Als wir noch ein<br />

bißchen weiterspielten wollte ich ihn auch die Blumen fühlen<br />

lassen. So legte ich ihm zuerst ein Gänseblümchen in die Hand<br />

und sagte, es sei eine k 1 e i n e Blume und dann einen Löwenzahn,<br />

das war dann die g r o ß e Blume. Wie er diese Momente<br />

auskostete. So ein Erlebnis ist nicht weltbewegend und doch ist<br />

es <strong>der</strong> Motor zum Leben.<br />

Bei ausländischen Kin<strong>der</strong>n, die unsere Sprache nicht verstanden,<br />

k<strong>am</strong> noch etwas an<strong>der</strong>es hinzu: Die wortlose Sprache <strong>der</strong> Liebe.<br />

Wenn ich Kin<strong>der</strong> um mich habe und versuche, mich in sie hineinzudenken,<br />

erkenne ich plötzlich <strong>der</strong>en Größe. So bin ich durch<br />

die Kin<strong>der</strong> weiser geworden und dankbarer. Denn alle Liebe, die<br />

ich geben durfte k<strong>am</strong> tausendfach zu mir zurück.<br />

(Maria Tekt ist die Autorin des Buches „Hun<strong>der</strong>t Jahre haben Flügel“ - Erinnerungen<br />

an eine Jugend auf dem Lande - herausgegeben von <strong>der</strong> <strong>Augsburg</strong>er<br />

Allgemeinen)<br />

Seite 15


Anstelle eines Nachwortes:<br />

Gewidmet ist diese Broschüre Schwester Elisabeth Glaser, stellvertretend<br />

für alle ehren<strong>am</strong>tlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

<strong>der</strong> evangelischen Seelsorge im <strong>Klinikum</strong> <strong>Augsburg</strong>, die zum Teil<br />

seit Jahrzehnten mit Herz und Seele für die Patientinnen und<br />

Patienten da sind.<br />

Ihnen allen gilt unser herzliches: Vergelt‘s Gott.<br />

<strong>Augsburg</strong>, Ostern 2001<br />

Pfr. i.R. Joachim Pawelke<br />

Text: Titelbild:<br />

Pfarrer i.R. Joachim Pawelke, <strong>Augsburg</strong> Helmut Weichlein, <strong>Augsburg</strong><br />

Satz & Layout:<br />

Pfarrer Heinz D. Müller, <strong>Augsburg</strong><br />

Anschrift:<br />

<strong>Evangelisch</strong>e Seelsorge im KLinikum <strong>Augsburg</strong><br />

Stenglinstr. 2<br />

86156 <strong>Augsburg</strong><br />

Telefon: 0821-400 4375<br />

Fax: 0821-400 4864<br />

http://www.klinikum-augsburg.de<br />

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