BKV Report 2020/2021
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Dr. Martin Reuter
Forschungs- und Technologiepolitik beim
VCI Verband der Chemischen Industrie
Im Interesse aller
Inzwischen gibt es zahlreiche Pilotanlagen und Projekte zur
Weiterentwicklung chemischer Recyclingverfahren. Für wie
erfolgversprechend halten Sie diesen Verwertungsweg?
Der Verwertungsweg des chemischen Recyclings muss notwendigerweise
insbesondere für die Abfallströme gegangen werden,
die bislang eben nicht anderweitig verwertet werden können. Es
gibt zahlreiche neue Projekte auf dem Gebiet des chemischen
Recyclings. Diese vielversprechenden Entwicklungen sind sehr
vielfältig, sodass wir davon ausgehen dürfen, in der Zukunft zahlreiche
ergänzende Verfahren für ausgewählte Stoffströme und
auch für gemischte Abfälle zur Verfügung zu haben, wo wir einen
besonders großen Bedarf sehen. Wichtig ist, dass alle chemischen
Recyclingverfahren so weit entwickelt werden, dass mit ihnen
robuste und wirtschaftlich tragfähige Verfahren zur Verfügung
stehen. Hier gibt es für die Forschung auf allen Stufen der Entwicklung
weiterhin viel zu tun, aber angesichts des großen Potenzials
lohnt sich dies auf jeden Fall. Ich wünsche mir mehr Unterstützung
durch die Politik auf dem Gebiet der Forschungsförderung und
für die Rahmenbedingungen im Abfallrecht, sodass wir Rückenwind
für die vielfältigen Aktivitäten aus Industrie und Wissenschaft
bekommen. In Deutschland haben wir hier viel technologisches
Know-how, dieses müssen wir aber ausbauen.
Werkstoffliche Recycler sehen teilweise die Entwicklungen
chemischer Verfahren kritisch, weil sie darin eine Konkurrenz
zu ihrem Geschäft befürchten. Wie schätzen Sie diese Befürchtungen
ein?
Diese Befürchtung halte ich für unbegründet. Es besteht eine
große Chance, über chemische Recyclingtechnologien, neue
bisher nicht zugängliche Stoffströme dem Recycling zugänglich
zu machen. Großes Entwicklungspotenzial haben wir gerade in
der Kombination und in der Abstimmung von mechanischen und
chemischen Verfahren. Hier wird sich in der Wertschöpfungskette
der Abfallaufbereitung noch einiges bewegen müssen. Aber
letztlich dürften sich neue Möglichkeiten für das Recycling über
eine Optimierung der Abfallaufbereitung insgesamt ergeben. Wir
müssen hier den Dialog zwischen der Chemieindustrie, der Kunststoffbranche
und dem Abfallrecycling intensivieren, um Missverständnisse
zu vermeiden, denn nur gemeinsam lässt sich eine
effektive und effiziente Recyclingwirtschaft aufbauen. Das ist in
unser aller Interesse.
Welche Bedeutung hat dieses Projekt im Rahmen der VCI-
Mitteilung zu einer CO 2
-freien Chemie 2050?
Eine treibhausgasneutrale Chemie benötigt auch eine nicht fossile
Kohlenstoffquelle. Hierfür bieten sich nicht zuletzt Verfahren an,
die kohlenstoffreiche Abfälle aus Kunststoffprodukten wieder
als Chemierohstoff zur Verfügung stellen. Sie werden wichtige
Beiträge für eine treibhausgasneutrale Kohlenstoffversorgung der
Chemie leisten können. Es geht jetzt darum, die zur Verfügung
stehenden Verfahren bis zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit weiterzuentwickeln
und im Industriemaßstab aufzubauen. Die Unternehmen
der Chemieindustrie engagieren sich hier stark. Es geht auch
darum zu zeigen, dass chemische Recyclingverfahren eine hohe
Energieeffizienz und in der Gesamtbewertung des Lebenszyklus
eine hohe Nachhaltigkeit aufweisen können.