VKD-Praxisberichte 2012
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Editorial<br />
»Eines der Probleme beim Fußball ist,<br />
dass die einzigen Leute, die wissen,<br />
wie man spielen müsste,<br />
auf der Pressetribüne sitzen.«<br />
(Robert Lembke)<br />
»Spielpraxis« ist eines der Leitmotive, das Sie in den Aktivitäten des Verbandes der<br />
Krankenhausdirektoren Deutschlands (<strong>VKD</strong>) seit seiner Gründung im Jahre 1903 immer<br />
wieder finden. Die vom <strong>VKD</strong> herausgegebenen <strong>Praxisberichte</strong> bieten Hilfestellungen<br />
und Erfahrungen zu den aktuellen Fragen des Klinikmanagements. Sie sind für jeden<br />
Klinikmanager eine Fundgrube, der selbst an ähnlichen Fragestellungen arbeitet. Sie<br />
sind natürlich auch hilfreich für Berater, Politiker, Krankenkassen, wissenschaftliche<br />
Institutionen und alle, die wissen wollen, wie ein Krankenhaus funktioniert. Sie können<br />
damit die Perspektive der »Pressetribüne« für einen kurzen Moment verlassen und erleben,<br />
was »auf dem Rasen« passiert.<br />
Schwerpunkt der <strong>Praxisberichte</strong> <strong>2012</strong> sind Beispiele für eine mitarbeiterorientierte und<br />
familienfreundliche Unternehmenspolitik. Wie können Krankenhäuser als Arbeitgeber<br />
attraktiver werden? Weiterhin spielen Strukturfragen eine Rolle. Dabei geht es sowohl<br />
um Angebots- als auch Organisationsstrukturen bis hin zu der Möglichkeit, dass auch<br />
Mitarbeiter Mitgesellschafter eines Krankenhauses werden können. Neben Einzelthemen<br />
liegt ein besonderes Interesse im IT-Bereich. Im privaten Umfeld spüren wir die immensen<br />
Veränderungen. Die Computer werden immer kleiner, die Nutzungsmöglichkeiten<br />
immer größer. Auch in der Klinikbranche sind immense Veränderungen zu erwarten.<br />
Die <strong>Praxisberichte</strong> sind ein Instrument zum Knowhow-Transfer. In der Schwerpunktsetzung<br />
<strong>2012</strong> treffen sie wieder den »Nerv der Zeit«. Allen Autorinnen und Autoren danke<br />
ich sehr herzlich, dass sie ihre Erfahrungen und Kenntnisse hier eingebracht haben. Sie<br />
unterstützen damit auch den <strong>VKD</strong>, weil so der Anspruch, gerade in Fragen der Praxis<br />
und des Klinikmanagements erster Ansprechpartner zu sein, ausgezeichnet erfüllt wird.<br />
Danken möchte ich auch dem Redaktionsteam, das wieder hervorragende Arbeit geleistet<br />
hat. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich eine anregende Lektüre und<br />
verbleibe<br />
mit den besten Wünschen<br />
Ihr<br />
Dr. Josef Düllings<br />
<strong>VKD</strong>-Präsident<br />
3
<strong>Praxisberichte</strong> zu aktuellen Fragen<br />
des Krankenhausmanagements<br />
PERSONALFÜHRUNG<br />
Vertrauen ist kein Sprintprojekt<br />
Wie die Schön Klinik Bad Bramstedt ein »Great Place to Work« wurde<br />
Markus Baer, Stefanie Klein, Astrid Reining ........................................................... Seite 3<br />
Ein attraktives Gehalt genügt nicht<br />
Familienfreundliche Unternehmenspolitik zur erfolgreichen<br />
Mitarbeiterbindung und Fachkräfteakquise<br />
Ingrid Sacher, Christin Drescher, Daniela Wolter .................................................. Seite 11<br />
Mitarbeiterorientierung ist Patientenorientierung<br />
Regionaler Marktführer mit strategisch ausgerichtetem Personalkonzept<br />
Sabine Hellwig, Harald Kothe-Zimmermann ......................................................... Seite 19<br />
Attraktiv als Arbeitgeber<br />
Lahn-Dill-Kliniken: Mit sorgfältiger Planung und Kontinuität<br />
gegen den Fachkräftemangel<br />
Richard Kreutzer ...................................................................................................... Seite 27<br />
Familienfreundlichkeit gecheckt<br />
Mitarbeiterorientierung im Leitbild des Städtischen Klinikums Wolfenbüttel<br />
Joachim Kröger, Ralf Harmel .................................................................................. Seite 35<br />
Kooperations-Kita »Schweriner Seefahrer«<br />
Bau und Betrieb einer eigenen Kindertagesstätte auf dem Klinikgelände<br />
Christoph Essmann .................................................................................................. Seite 41<br />
Qualifikationen richtig einsetzen<br />
Umverteilung von Tätigkeiten und interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
im stationären Bereich<br />
Stefanie Bothur, Dr. Gunhild Küpper, Norbert Vongehr, Helena Wohlgemuth .... Seite 47<br />
GESUNDHEITSZENTRUM<br />
Großprojekt Gesundheitszentrum<br />
Das Städtische Klinikum Brandenburg führte vier MVZ zusammen<br />
und sichert so auch die ambulante Versorgung<br />
Gabriele Wolter, Dr. Harald Vanherpe, Olaf String ............................................... Seite 57<br />
1
ALTERNATIVE EIGENTUMSSTRUKTUR<br />
Ein Förderverein als Trägereinrichtung – kann das gut gehen?<br />
Organisationsstruktur der freigemeinnützigen Tessinum GmbH<br />
ermöglicht vielfältige Synergien<br />
Frank Acker, Kerstin Trommer ................................................................................ Seite 63<br />
Das Spremberger Modell<br />
Mitarbeiter des Krankenhauses als Mitgesellschafter und Mitgestalter<br />
Kathrin Möbius ........................................................................................................ Seite 69<br />
BABYKLAPPE<br />
Die Babyklappe am St. Adolf-Stift in Reinbek<br />
Eine Abwägung zwischen Bedenken und Rechtfertigungen<br />
Lothar Obst .............................................................................................................. Seite 75<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Erfolgsmodell Entscheiderfabrik<br />
Krankenhaus-Erfolg durch optimalen IT-Einsatz<br />
Dr. Pierre-Michael Meier ......................................................................................... Seite 83<br />
Speicherung und Aufbewahrung großer Datenmengen<br />
Effizientes Management der Massen an medizinischen und administrativen<br />
Daten unter Berücksichtigung von Zukunfts- und Investitionssicherheit<br />
Dr. Andreas Zimolong, Gerhard Härdter, Gunther Nolte, Claus Zuppa ................ Seite 85<br />
Werkzeug zur strategischen Krankenhaussteuerung<br />
Risiko- und Potenzialanalysen anhand von Geo- und Marktdaten<br />
für ein strategisches Konzernmanagement in der Gesundheitswirtschaft<br />
Dr. Uwe Günther, Dr. Andreas Goepfert, Nils Wittig, Dr. Silke Haferkamp,<br />
Roland Mennicken, Stefan Lachmann, Alois Steidel ............................................. Seite 95<br />
Chancen und Risiken der IT-Mobilität<br />
Evaluation von mobilen Endgeräten für den Einsatz bei mobiler Visite,<br />
bei Pflege und in anderen Szenarien<br />
Michael Haumann, Detlef Lübben, Harald März, Günter Reckmann,<br />
Carmen Schönberg, Josef Schüler, Haiko Sabbe, Ellen Simon ............................ Seite 103<br />
Integration mobiler Werkzeuge in die EFA<br />
Mobility Solutions für das FallAkten-Portal FallAkte Plus auf Basis<br />
von Soarian Integrated Care unter Erfüllung der aktuellen<br />
Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen<br />
Dr. Andreas Beß, Volker Lowitsch, Dr. Martin Grandy, Nicolas Starck,<br />
Jan C. E. Wendenburg ........................................................................................... Seite 113<br />
2
Patientenaufklärung 2.0<br />
Effizienzsteigerung im Patientenkontakt durch elektronischen Ersatz<br />
von patientenunterschriebenen Dokumenten<br />
Thomas Pettinger, Dr. Carl Dujat, Andreas Schneider, Thomas Kleemann,<br />
Axel Maier, Sven Fröbel, Hubert Köferl ............................................................... Seite 119<br />
GOLDEN HELIX AWARD <strong>2012</strong><br />
Gute Ideen exzellent umgesetzt<br />
Zum 20. Mal wird der traditionsreiche Qualitätspreis verliehen .................... Seite 125<br />
Mehr Lebensqualität für krebskranke Kinder und ihre Familien<br />
Verbund PädOnko Weser-Ems – Regionale ambulante Versorgung<br />
pädiatrisch-onkologischer Patienten aus der Weser-Ems-Region<br />
im Rahmen einer Integrierten Versorgung ........................................................ Seite 127<br />
Informierte Patienten erkennen Schwachpunkte<br />
Einführung eines Patientensicherheitsfilms<br />
am Klinikum Altenburger Land ........................................................................... Seite 131<br />
Mehr Transparenz, bessere Vergleichbarkeit, stetige Verbesserung<br />
Projekt: Qualitätssicherung in der stationären Therapie durch die Einführung<br />
eines klinikinternen und klinikübergreifenden Benchmarkprojektes<br />
am Beispiel der Behandlung von PatientInnen mit einer Anorexia nervosa<br />
oder einer Major Depression ............................................................................... Seite 135<br />
Autoren ........................................................................................................ Seite 141<br />
Impressum<br />
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den folgenden Texten in der Regel die<br />
männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist aber selbstverständlich immer mit<br />
eingeschlossen.<br />
3
Vertrauen ist kein Sprintprojekt<br />
Wie die Schön Klinik Bad Bramstedt ein »Great Place to Work ® « wurde<br />
von Marcus Baer, Stefanie Klein, Astrid Reining<br />
Der Schön Klinik Bad Bramstedt ist es gelungen, innerhalb von vier Jahren aus einer<br />
hohen Unzufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Arbeitsplatz und der Klinik als<br />
Arbeitgeber einen sogenannten »Great Place To Work ® « zu entwickeln. Die Teilnahme<br />
an dem Wettbewerb »Beste Arbeitgeber im Gesundheitswesen« legte hierfür den<br />
Grundstein. Das Besondere an dem Prozess war, dass sich die Zufriedenheitswerte in<br />
den ersten Jahren spürbar, aber dennoch nur moderat entwickelten. Am Ende der beiden<br />
letzten von bislang fünf Befragungen standen nicht nur hohe Veränderungsraten<br />
der einzelnen Werte, sondern ein Gesamtergebnis, das zur Prämierung als einer der<br />
besten Arbeitgeber Deutschlands führte.<br />
Die Schön Klinik Bad Bramstedt zählt im Ranking des unabhängigen »Great Place to<br />
Work ® « Instituts zu den »100 Besten Arbeitgebern Deutschlands <strong>2012</strong>«. Unter allen teilnehmenden<br />
Krankenhäusern erzielte sie den dritten Platz. Um das zu erreichen, waren<br />
Geduld und Durchhaltevermögen gefragt. Denn Vertrauen zu gewinnen stellte sich als<br />
Schlüsselelement in der Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit heraus. Und Vertrauen<br />
entsteht nicht über Nacht oder lässt sich gar verordnen. Mit Hilfe vielfältiger Maßnahmen<br />
und einer grundsätzlichen Änderung im Umgang miteinander ist es der Klinik gelungen,<br />
einen Kulturwandel zu vollziehen – und das innerhalb von nur vier Jahren.<br />
Der Weg zu einem »Great Place to Work ® «<br />
»Alles in allem kann ich sagen, dies hier ist ein sehr guter Arbeitsplatz.«<br />
Im Jahr 2007 stimmten dieser Aussage im Fragebogen 44 Prozent der Mitarbeiter zu.<br />
Im vergangenen Jahr waren es 82 Prozent.<br />
Abbildung 1: Zufriedenheit der Mitarbeiter im Jahresvergleich.<br />
3
Die Ausgangslage war denkbar schlecht, der dringende Handlungsbedarf offensichtlich:<br />
Nur vier von zehn Mitarbeitern gaben 2007 an, zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz zu<br />
sein. Die Befragungsergebnisse bei Ärzten und Psychologen lagen noch weit darunter.<br />
Schon einige Jahre zuvor hatte die Schön Klinik Bad Bramstedt selbst entwickelte<br />
Zufriedenheitsbefragungen durchgeführt, jedoch ohne konkrete Maßnahmen daraus<br />
abzuleiten.<br />
Die Teilnahme an der externen und standardisierten Benchmark-Befragung durch das<br />
»Great Place to Work ® « Institut bildete für das psychosomatische Krankenhaus eine Art<br />
Neuanfang im Kontext der Mitarbeiterzufriedenheit. Schon die Befragung selbst stellte<br />
dabei ein gewisses Werkzeug dar. Schließlich konnte 2007 niemand ernsthaft davon<br />
ausgehen, als einer der »besten Arbeitgeber Deutschlands« aus dem Wettbewerb hervorzugehen.<br />
Die durch die Befragung ermittelten Ergebnisse bildeten vielmehr einen<br />
Status Quo ab und stellten die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz in Relation zu anderen<br />
Unternehmen der Branche. Dabei geben die Ergebnisse ein recht gutes Bild des aktuellen<br />
Arbeitsklimas. Denn die Beurteilung durch das unabhängige Institut basiert zu einem<br />
großen Teil auf der anonymen Befragung der Mitarbeiter.<br />
Von Anfang an spielte die Einbindung des Betriebsrats eine große Rolle. Ärztliche und<br />
Kaufmännische Leitung sowie die Mitarbeitervertretung entschieden sich gemeinsam dazu,<br />
sich durch ein externes Institut beurteilen zu lassen. Dies war eine wichtige Voraussetzung<br />
für die weitere Entwicklung und half, Misstrauen und Vorbehalte bei den Mitarbeitern<br />
abzubauen: Der gesamte Prozess zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit wurde<br />
seitens des Betriebsrats nicht nur wohlwollend begleitet, sondern aktiv unterstützt und<br />
mitgestaltet.<br />
Die Schön Klinik Bad Bramstedt im Norden Hamburgs ist eines der größten Kompetenzzentren<br />
Deutschlands für psychosomatische Erkrankungen wie Angststörungen,<br />
Zwangserkrankungen, Essstörungen, Burn-out, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen<br />
sowie somatoforme und Schmerzstörungen. Das Therapiekonzept ist integrativverhaltensmedizinisch<br />
ausgerichtet. Durch die Zusammenarbeit mit der Universität zu<br />
Lübeck und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf entsprechen die Therapieverfahren<br />
jeweils dem neuesten Stand der Wissenschaft. Die Schön Klinik Bad Bramstedt<br />
behandelt in mehr als 400 Betten pro Jahr rund 3.200 Patienten.<br />
Die Fachklinik gehört zur Klinikgruppe Schön Klinik in privater Trägerschaft mit den<br />
Schwerpunkten Orthopädie, Neurologie, Psychosomatik, Chirurgie und Innere Medizin.<br />
In den Kliniken in Bayern, Schleswig-Holstein, Hessen und Hamburg verfügt die Schön<br />
Klinik über rund 4.200 Betten und beschäftigt 7.900 Mitarbeiter.<br />
4
Die Fußballmannschaft der Klinik – Zusammenhalt stärken, gemeinsam Spaß haben.<br />
Die Analyse: Handlungsbedarf in allen Bereichen<br />
Der Weg von 44 Prozent auf 82 Prozent Mitarbeiterzufriedenheit gelang der Schön Klinik<br />
Bad Bramstedt nicht allein aufgrund einzelner Sozialleistungen oder Sportangebote.<br />
Nachdem die desaströsen Ergebnisse bekannt wurden, folgten wochenlange intensive<br />
Analysen. Es zeigte sich, dass in nahezu allen Bereichen großer Handlungsbedarf bestand.<br />
Dabei war schnell klar: Ohne Vertrauen in das Unternehmen und die Vorgesetzten kann<br />
sich die Mitarbeiterzufriedenheit nicht positiv entwickeln. Damit daraus eine solide Basis<br />
wachsen konnte, brauchte es Zeit und individuelle Methoden, die zum Unternehmen und<br />
vor allem zu den handelnden Personen passten. Gerade deshalb war es auch kein linearer<br />
Prozess, der dazu führte, dass heute acht von zehn Mitarbeitern ihrem Arbeitsplatz die<br />
Note »sehr gut« verleihen. Denn Vertrauen entsteht nicht von heute auf morgen, sondern<br />
im Rahmen eines teilweise langwierigen Prozesses, der viel Offenheit, Ehrlichkeit,<br />
Mut und auch Vertrauen seitens der Leitung in die Belegschaft verlangt. Glaubwürdigkeit<br />
und Authentizität sind dabei unabdingbare Voraussetzungen, um eine vertrauensvolle<br />
Beziehung zwischen Mitarbeitern und Führungskräften zu etablieren.<br />
Um nicht gleich mit den »dicken Brettern« zu beginnen, konzentrierte man sich zu allererst<br />
auf die Bereiche Information und Kommunikation. Hier waren für alle Mitarbeiter<br />
sichtbare und schnell umsetzbare Veränderungen möglich. Eine veränderte Haltung<br />
der Klinikleitung und Führungskräfte zu grundlegenden Themen wie Transparenz,<br />
Wertschätzung, Verbindlichkeit und Teamgeist unterfütterte die Maßnahmen und<br />
gab ihnen zusätzliches Gewicht. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus eine neue<br />
Unternehmenskultur, deren Veränderung nicht nur innerhalb der Klinik spürbar ist, sondern<br />
auch von Patienten und Geschäftspartnern bemerkt und thematisiert wird.<br />
5
Information und Kommunikation<br />
»Erklären hat nichts damit zu tun, sich zu rechtfertigen.<br />
Das wird häufig verwechselt. Wenn man jedoch möchte, dass Mitarbeiter im Boot<br />
sind, sollte man sie auf dem Laufenden halten und ihnen Zusammenhänge und<br />
Hintergründe transparent machen.«<br />
Marcus Baer, Kaufmännischer Leiter der Schön Klinik Bad Bramstedt<br />
Lediglich 25 Prozent der Mitarbeiter stimmten im Jahr 2007 der Aussage zu, die<br />
Führungskräfte würden sie über wichtige Themen und Veränderungen auf dem<br />
Laufenden halten. Aktuell liegt dieser Wert bereits bei 73 Prozent. Dahinter steht die<br />
neu entwickelte, klare Grundhaltung, Informationen transparent zu machen und kommunizieren<br />
zu wollen. In Zusammenarbeit mit den einzelnen Abteilungen und der<br />
Arbeitnehmervertretung wurde eine ganze Reihe von Maßnahmen entwickelt, die dem<br />
Zweck dienten, ausnahmslos allen Mitarbeitern den Zugang zu relevanten Informationen<br />
zu ermöglichen. Verbindliche und regelmäßige Sitzungen auf allen Hierarchieebenen<br />
zählten ebenso dazu wie geregelte Kommunikationswege via Aushänge, Intranet,<br />
Mitarbeiterzeitung und Hausmitteilungen.<br />
Zu den wichtigsten Maßnahmen in diesem Zusammenhang zählt die Erweiterung der<br />
monatlichen Leitungskonferenz, in der mittlerweile alle Bereiche vertreten sind – von den<br />
Ärzten und Psychologen über die Pflege bis zur Küche, den Fachtherapien und der Haustechnik.<br />
Darüber hinaus war die Einführung regelmäßiger Mitarbeiterversammlungen<br />
von großer Bedeutung. »Klinik im Dialog« heißen diese alle zwei Monate stattfindenden<br />
Veranstaltungen, auf denen die Klinikleitung über die aktuelle Lage informiert und neue<br />
Themen vorstellt, Zwischenberichte über laufende Projekte gibt oder besondere Anlässe<br />
feiert. Auf diese Weise hat sich eine Informationskaskade von der Geschäftsführung<br />
bis zum einzelnen Mitarbeiter etablieren können, die Kommunikationswege regelt und<br />
nachvollziehbar macht.<br />
Sehr von Vorteil sind hierbei die insgesamt flachen Hierarchieebenen in der Klinik.<br />
Die Klinikleitung, bestehend aus dem Kaufmännischen Leiter und drei gleichberechtigten<br />
Chefärzten, kommt ohne einen Ärztlichen Direktor aus, womit bereits eine<br />
Hierarchieebene entfällt. Die äußerst konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit innerhalb<br />
der Klinikleitung ersetzt die klassische »Rivalität« zwischen Kaufleuten und Ärzten.<br />
Stattdessen werden betriebswirtschaftliche und medizinische Notwendigkeiten im Team<br />
abgewogen und in aller Regel gemeinsam einvernehmliche Lösungen entwickelt.<br />
Allein dieses Auftreten der Klinikleitung als Einheit ist als sehr erfolgreiche Teiletappe<br />
auf dem Weg zum »Great Place to Work ® « zu bewerten. Denn Vertrauen kann nur dort<br />
entstehen, wo Angst und Misstrauen keine Rolle spielen. In welche Richtung soll sich ein<br />
Mitarbeiter orientieren, wenn Vorgesetzte im ständigen Dissenz agieren und der eine<br />
nach links, der andere nach rechts steuert? Um einen gemeinsamen Weg erfolgreich zu<br />
beschreiten, ist es essenziell, an einem Strang zu ziehen.<br />
6
Wertschätzung und Glaubwürdigkeit<br />
»Für mich ist das hier ein Great Place to Work,<br />
weil ich als ganzer Mensch wahrgenommen werde.«<br />
Pia Wenz, Sachbearbeiterin<br />
Wertschätzung war im Laufe der Jahre zu einem Reizwort geworden. Das ambitionierte<br />
Arbeitsumfeld hatte ein sensibles Gleichgewicht zerstört: zwischen dem Anspruch,<br />
Höchstleistung und Spitzenmedizin zu bieten, und dem Bedürfnis, wertschätzend und<br />
respektvoll mit dem Einzelnen und seinen Leistungen umzugehen. Daher wurde seit der<br />
ersten Befragung im Jahr 2007 eine Vielzahl wertschätzender Maßnahmen eingeführt,<br />
die den Mitarbeitern vor Augen führen sollen, dass die Klinikleitung sie als Person sowie<br />
ihre Leistungen im Unternehmen anerkennt.<br />
Heute sind Maßnahmen dieser Art fest in der Arbeitsplatzkultur der Schön Klinik Bad<br />
Bramstedt verankert. Dazu zählen beispielsweise Hausmitteilungen bei Personalveränderungen<br />
und persönliche Glückwünsche und Präsente zu besonderen Anlässen.<br />
Die Art und Weise, wie sich die Anerkennung äußert, unterscheidet sich genauso wie die<br />
Anlässe, die betrieblich oder auch nicht-betrieblich sein können. Deshalb werden besondere<br />
Teamleistungen oder Jubiläen genau so bedacht wie eine Geburt, Hochzeit, längere<br />
Krankheit oder Trauerfälle.<br />
In den letzten fünf Jahren hat die Schön Klinik Bad Bramstedt auf diese Weise eine ganze<br />
Reihe einzelner Maßnahmen eingeführt, die für sich genommen vielleicht gar nicht einmal<br />
so bedeutend scheinen – die aber in der Summe und aus Sicht der Mitarbeiter umso<br />
bedeutsamer sind. Die Voraussetzung dafür ist jedoch Glaubwürdigkeit dessen, was man<br />
tut. Mitarbeiter haben ein feines Gespür dafür, ob es einem als Arbeitgeber ernst ist. Die<br />
Erfahrungen der Schön Klinik Bad Bramstedt zeigen, dass es offensichtlich weniger darauf<br />
ankommt, was man macht, sondern vielmehr darauf, wie man es macht. So spielt es<br />
beispielsweise eine große Rolle, ob man das Überbringen von Glückwünschen delegiert<br />
oder zur »Chefsache« macht.<br />
Auch gesundheitsfördernde Maßnahmen und solche zur Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf hat das psychosomatische Fachkrankenhaus begonnen, nach und nach umzusetzen.<br />
So können sich die Mitarbeiter jederzeit an einen externen Familienservice wenden, der<br />
sie auf Wunsch bei allen Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt:<br />
angefangen bei der Kinderbetreuung über die Pflege älterer Familienmitglieder bis hin<br />
zur individuellen Hilfe in schwierigen Lebenslagen. Zu den festen Betriebssportangeboten<br />
zählen mittlerweile eine betriebseigene Fußballmannschaft, die auch bei Firmenturnieren<br />
antritt, eine Radsportgruppe, Bogenschießen und die Option, zwei Mal wöchentlich das<br />
hauseigene Schwimmbad zu benutzen. Präventionskurse, etwa im Yoga, werden regelmäßig<br />
angeboten und monatlich kommt ein Masseur für die Mitarbeiter ins Haus.<br />
Auch wurden in den letzten Jahren eigeninitiativ Vergütungsstrukturen angepasst,<br />
Urlaubstage erhöht oder Sonderurlaubstage für alle Mitarbeiter bei Übertreffen der<br />
Klinikziele gewährt. Alle Mitarbeiter der Schön Klinik werden in den Krankenhäusern des<br />
Konzerns auf Wunsch als Wahlleistungspatienten mit Chefarztbetreuung behandelt.<br />
7
Fröhliche Truppe beim Sommerfest der Klinik.<br />
All diese Maßnahmen hat die Schön Klinik Bad Bramstedt ohne Druck von außen, zum<br />
Beispiel aufgrund eines Tarifabschlusses, etabliert. Das unterstrich die Ernsthaftigkeit der<br />
Maßnahmen und führte zu einer Form der offen gelebten Wertschätzung, die nach und<br />
nach Vertrauen in die Leitung des Hauses generierte.<br />
Teamspirit und Atmosphäre<br />
»Was ich an der Tätigkeit hier besonders finde, ist, dass wir einerseits<br />
alle sehr ernsthaft, kritisch und auch konstruktiv miteinander arbeiten<br />
und andererseits wirklich sehr viel Spaß miteinander haben können.<br />
Das macht es mir leicht, jeden Tag wieder herzukommen.«<br />
Stefanie Ehlers, Oberärztin<br />
Gemeinsam lachen zu können, ist in einem Umfeld mit seelisch erkrankten Menschen<br />
ein wesentlicher Aspekt, der das Zusammenarbeiten im Team erleichtert. Im Kreise der<br />
direkten Kollegen lobten die Mitarbeiter früher schon eine gute Arbeitsatmosphäre und<br />
einen engen Zusammenhalt. Doch klinikübergreifend oder sogar im Austausch mit der<br />
Leitungsebene hatte sich Vieles grundlegend ändern müssen.<br />
Mittlerweile veranstaltet die Schön Klinik Bad Bramstedt regelmäßig zielgruppenspezifische<br />
Events, um Spaß und Teamgeist über alle Berufsgruppen hinweg zu fördern:<br />
Beispielsweise führen einzelne Abteilungen gemeinsame Aktivitäten außerhalb der<br />
Arbeitszeit durch, die Auszubildenden veranstalten zwei Mal im Jahr einen eigenen<br />
Workshop, die Betriebssportgruppen nehmen an Turnieren oder Wettkämpfen<br />
teil und beim Sommerfest sind auch Familienangehörige willkommen. Die bereits<br />
8
erwähnten »Kleinigkeiten mit besonderer Wirkung« bereichern mitunter auch diese Art<br />
der Veranstaltungen und Aktivitäten: Zum Beispiel ist es ein schon fast traditioneller<br />
Bestandteil der Weihnachtsfeier, dass die Führungskräfte vorab gemeinsam Plätzchen<br />
backen – und diese dann auf der Weihnachtsfeier an die Mitarbeiter verteilen.<br />
Gerade im Bereich Teamspirit zeigt sich deutlich, wie sich anfänglich initiierte Maßnahmen<br />
in alltäglich praktizierte Unternehmenskultur gewandelt haben: Flache Hierarchien<br />
und interdisziplinäre Zusammenarbeit prägen das Arbeitsklima der Schön<br />
Klinik Bad Bramstedt über alle Berufsgruppen hinweg. Zwanglose Zusammenkünfte<br />
wie das gemeinsame Mittagessen im Mitarbeiterspeisesaal oder das Get together vor<br />
der Mitarbeiterversammlung »Klinik im Dialog« führen deshalb regelmäßig zu einem<br />
Erfahrungs- und Informationsaustausch, der noch vor einigen Jahren unüblich bzw. eher<br />
zufällig war.<br />
Vertrauen und Nachhaltigkeit<br />
»Eine Maßnahme aufzuschreiben, ist die eine Sache,<br />
aber sie auch wirklich anzupacken und als Person dafür zu stehen,<br />
das zeigt erst, dass man es ernst meint.«<br />
Barbara Schlaghecke-Josenhans, Sozialberatung<br />
In den zwei Jahren nach der ersten Befragung zur Mitarbeiterzufriedenheit im Jahr 2007<br />
hatten sich die allgemeinen Werte trotz einer Vielzahl an Maßnahmen zwar deutlich<br />
verbessert, dümpelten allerdings immer noch knapp jenseits der 50 Prozent (s. Abb. 1).<br />
Daran ließ sich deutlich messen, wie tief das Problem bei den Mitarbeitern saß. Auch<br />
wenn einzelne Stimmen bereits zurückmeldeten, dass sich einiges getan habe, so blieb<br />
die breite Anerkennung noch aus. Analysen zeigten: Viele Mitarbeiter fürchteten offenbar,<br />
der umfangreiche Maßnahmenkatalog sei vielleicht doch nur ein »Strohfeuer« gewesen.<br />
Sie hielten es für möglich, dass die Klinikleitung ihr Engagement einstellen würden, wären<br />
die Befragungsergebnisse deutlich besser ausgefallen.<br />
Trotz dieser ernüchternden Ergebnisse hat die Klinikleitung am Ziel festgehalten,<br />
die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern. Das war eine der vielleicht wichtigsten<br />
Entscheidungen im gesamten Prozess. Insgesamt dauerte es vier Jahre, bis die Mitarbeiter<br />
wirklich glauben konnten, dass die Leitung den angestrebten Kulturwandel innerhalb des<br />
Krankenhauses ernst meinte und dass sich das Arbeitsklima nachhaltig verbessern sollte.<br />
Während dieser Zeit wurden immer wieder neue Maßnahmen umgesetzt und solche, die<br />
sich bewährten, wurden beibehalten.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Ein Geheimrezept dafür, wie ein Unternehmen ein »Great Place to Work ® « werden kann,<br />
gibt es nicht. Im Fall der Schön Klinik Bad Bramstedt hat sich vor allem eines gezeigt:<br />
Gegenseitiges Vertrauen ist die Voraussetzung für einen attraktiven Arbeitsplatz. Bis sich<br />
Vertrauen entwickelt und zur soliden Basis für ein gesundes Arbeitsklima wachsen kann,<br />
braucht es Zeit und Durchhaltevermögen.<br />
9
Wo, wann, was geändert werden muss, ist dagegen höchst individuell. Denn auch das hat<br />
sich im geschilderten Fall gezeigt: Damit die einzelnen Maßnahmen die erhoffte Wirkung<br />
zeigen konnten, mussten sie glaubwürdig und authentisch sein. Dazu hat die Schön<br />
Klinik Bad Bramstedt immer wieder Prozesse in Frage gestellt, Abläufe unter die Lupe<br />
genommen, hingehört und Kritik angenommen – um im nächsten Schritt optimierende<br />
Maßnahmen in die Wege zu leiten.<br />
Auch beim<br />
Bogenschießen<br />
geht es nicht nur<br />
um den Treffer<br />
ins Schwarze.<br />
Wo, wann, was geändert werden muss, ist dagegen höchst individuell. Denn auch das hat<br />
sich im geschilderten Fall gezeigt: Damit die einzelnen Maßnahmen die erhoffte Wirkung<br />
zeigen konnten, mussten sie glaubwürdig und authentisch sein. Dazu hat die Schön<br />
Klinik Bad Bramstedt immer wieder Prozesse in Frage gestellt, Abläufe unter die Lupe<br />
genommen, hingehört und Kritik angenommen – um im nächsten Schritt optimierende<br />
Maßnahmen in die Wege zu leiten.<br />
Darüber hinaus strahlt ein gesundes Arbeitsklima auch nach außen ab: Kunden, im<br />
Fall des Krankenhauses die Patienten, spüren es, wenn Mitarbeiter zufrieden sind.<br />
Deshalb fügt sich das Engagement, das die Schön Klinik Bad Bramstedt in Bezug auf die<br />
Mitarbeiterzufriedenheit an den Tag legt, in die gesamte Unternehmensphilosophie: Die<br />
konsequente Qualitätsmessung und die Kontrolle durch unabhängige Institutionen entspricht<br />
dem Selbstverständnis der Schön Klinik. Deshalb lässt das Krankenhaus seit Jahren<br />
die medizinischen Leistungen überprüfen und zertifizieren. Sogar die Servicequalität hat<br />
bereits eine Auszeichnung nach hohem Hotellerie-Standard erhalten.<br />
Die Mitarbeiter- und die Patientenzufriedenheit sind Werte, die in den Klinikzielen<br />
fest etabliert sind. Und die auch künftig immer dem Anspruch unterliegen, stets<br />
verbessert werden zu können. Hier liegt eine der größten Herausforderungen: Die<br />
Mitarbeiterzufriedenheit auf dem hohen Niveau zu halten, auf dem sie sich jetzt befindet.<br />
Themenfelder mit Aktionspotenzial gibt es genug, vom Demografiemanagement bis zur<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf.<br />
10
Ein attraktives Gehalt genügt nicht<br />
Familienfreundliche Unternehmenspolitik zur erfolgreichen<br />
Mitarbeiterbindung und Fachkräfteakquise<br />
von Ingrid Sacher, Christin Drescher, Daniela Wolter<br />
Der Vereinbarkeit von Beruf und Familie kommt im Zuge der demografischen<br />
Entwicklung und angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels eine größer werdende<br />
Bedeutung zu. Insbesondere bei der Rekrutierung von Fachkräften steht die<br />
Gesundheitswirtschaft vor einer Herausforderung, denn gut qualifiziertes Personal<br />
wird knapp. In einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern sind die Krankenhäuser<br />
in besonderem Maße vom Personal- und vor allem Ärztemangel betroffen.<br />
Daher setzte die Sana-Krankenhaus Rügen GmbH als Tochterunternehmen der<br />
Sana Kliniken AG verstärkt und frühzeitig auf eine familienfreundliche Unternehmenspolitik.<br />
Als einer der größten Arbeitgeber der Insel Rügen sieht das Sana-Krankenhaus die<br />
Notwendigkeit, die Standort- und Arbeitgeberattraktivität für potenzielle Mitarbeiter zu<br />
erhöhen. Die Erfahrungen zeigen, dass qualifizierte Fachkräfte allein durch ein attraktives<br />
Gehalt nicht mehr zu gewinnen sind. Die weichen Faktoren sind daher fester Bestandteil<br />
in der Erwartungshaltung der Interessenten. Sie stellen darüber hinaus auch einen klaren<br />
Wettbewerbsvorteil für die Klinik dar.<br />
Das Krankenhaus erfüllt den gesetzlichen Versorgungsauftrag des Landes Mecklenburg-<br />
Vorpommern zur medizinischen Versorgung der Region Rügen. Um dieser Verantwortung<br />
weiterhin gerecht zu werden, ist ein Konzept zum Fachkräfteerhalt und zur<br />
Fachkräfterekrutierung unabdingbar. Daher gilt es, die bereits seit einiger Zeit bestehenden<br />
familienfreundlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiter im Rahmen der<br />
Personalakquise konkret zu kommunizieren sowie darüber hinaus weitere Ansätze zur<br />
Vereinbarung von Beruf und Familie zu schaffen und diese ständig zu optimieren.<br />
Familienfreundlichkeit versus Gehalt<br />
Abbildung 1:<br />
Mitarbeiter wollen Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie.<br />
11
Eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zeigt, dass für 92 Prozent aller<br />
Beschäftigten mit Kindern ein familienfreundlicher Arbeitsplatz ebenso wichtig ist wie<br />
das Gehalt. Für Arbeitnehmer ohne Kinder trifft dies zu 65 Prozent zu (Abbildung 1).<br />
Hält man diesen Zahlen die Ergebnisse der betriebsinternen Bedarfsermittlung des<br />
Sana-Krankenhauses auf Rügen entgegen, so lässt sich erkennen, dass auch hier die<br />
Wünsche der Mitarbeiter nach einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf genau in diese<br />
Richtung gehen. Die Befragung bestätigte den aktuellen Bedarf. Danach gaben etwa 79<br />
Prozent der Befragten an, in Vollzeit beschäftigt zu sein. Etwa 21 Prozent - mit steigender<br />
Tendenz - nehmen das Angebot der Teilzeitbeschäftigung in Anspruch, hauptsächlich,<br />
um familiären Gegebenheiten gerecht zu werden. Sie akzeptieren also ein geringeres<br />
Einkommen. Das ist ein deutliches Signal.<br />
Die Arbeitszeitmodelle gehen jedoch weit über die Möglichkeit der Teilbeschäftigung<br />
hinaus. Dass dies angesichts des bereits existierenden Fachkräftemangels fester<br />
Bestandteil der Personalakquise sein muss, steht außer Frage. Daneben schreibt sich die<br />
Sana-Krankenhaus Rügen GmbH im Zuge der Familienfreundlichkeit auch die folgenden<br />
Felder auf die Fahne (Abbildung 2).<br />
Abbildung 2: Maßnahmen zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit.<br />
Was zeichnet ein familienfreundliches Krankenhaus aus?<br />
Einsatzbereitschaft und Engagement von Mitarbeitern können durch eine hohe<br />
Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz und den Arbeitsbedingungen nachhaltig gesteigert<br />
werden. Hierzu ist ein verantwortungsbewusstes Entgegenkommen von Seiten des<br />
Arbeitgebers unabdingbar.<br />
12
Arbeitszeitmodelle<br />
Die weitgehende Berücksichtigung der individuellen familiären Situation der Mitarbeiter<br />
spielt hierbei eine wichtige Rolle. Adäquate Arbeitszeitmodelle, wie flexible Arbeitszeiten<br />
mit Kern- und Gleitzeiten, tragen maßgeblich dazu bei, die Vereinbarkeit von Berufs- und<br />
Familienleben auszubalancieren. Grundlegend sind die zwischen den Gewerkschaften<br />
und dem Krankenhausträger geschlossenen Tarifverträge, welche die Interessen der<br />
Arbeitnehmer und -geber widerspiegeln. Unter Sicherstellung des in einem Krankenhaus<br />
erforderlichen Schicht- und Bereitschaftsdienstsystems werden Dienst- und Urlaubspläne<br />
optimal mit den betrieblichen Erfordernissen in Einklang gebracht. Hierzu gehört<br />
eine rechtzeitige und für Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglichst verlässliche<br />
Urlaubsplanung, die in unserer Einrichtung zu Beginn eines Urlaubsjahres vorliegt und<br />
mit dem Betriebsrat abgestimmt ist.<br />
Die Gestaltung der Arbeitszeit ist wesentlich für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie. Die Herausforderung im Krankenhausbetrieb ist, dass die Patientenversorgung<br />
rund um die Uhr sichergestellt werden muss. Das Krankenhaus hat den Anspruch an eine<br />
strukturierte mittelfristige Dienstplanung mit ausreichend zeitlichem Vorlauf und der<br />
Möglichkeit, individuelle Wünsche zu berücksichtigen. Auch Teilzeit-Modelle unterstützen<br />
eine gute Balance von Familien- und Berufsleben. So sind Teilzeitverträge sowohl im ärztlichen,<br />
pflegerischen und administrativen Bereich schon lange üblich. Das Krankenhaus<br />
stellt sich permanent der Problematik, Arbeitzeitmodelle und Strukturen so zu optimieren,<br />
dass die Balance von Familie und Karriere selbstverständlich und umsetzbar wird.<br />
Unterstützung für Mitarbeiter mit Kindern<br />
Ein Tarifvertrag beinhaltet neben diversen Ausgestaltungsmöglichkeiten zu Arbeitszeitmodellen<br />
auch die Möglichkeit der finanziellen Förderung der Kinderbetreuung in<br />
Form von Zuschüssen. Mütter und Väter, die einen Krippen- und /oder Kindertagesstätten-Platz<br />
beanspruchen, erhalten einen monatlichen Zuschuss in Höhe von derzeit 100<br />
Euro brutto.<br />
Weiterhin stehen werdenden Müttern und jungen Eltern ständige Kontakthaltemöglichkeiten<br />
mit dem Unternehmen zur Verfügung. Dabei können während der Elternzeit unter<br />
anderem Fortbildungsangebote in Anspruch genommen werden. Daraus ergeben sich<br />
Vorteile für beide Seiten. Mitarbeiter erweitern ihre Kompetenz und erleichtern sich<br />
den Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Das Krankenhaus fördert das Potenzial ihrer<br />
Mitarbeiter, überwindet die Trennung von Beruf und Familie und sichert sich damit wertvolles<br />
Know-how sowie Fachkompetenz.<br />
Unterstützung für pflegende Angehörige<br />
Gerade ältere Mitarbeiter müssen ihre berufliche Tätigkeit aber oft auch in Einklang mit<br />
der Pflege von Angehörigen bringen. Das Krankenhaus bietet hier Informationen und<br />
Unterstützung. Der Kontakt mit dem Krankenhaus, auch bei familienbedingter Abwesenheit,<br />
ist stets gegeben, so dass kurze Kommunikationswege und Abstimmungsmöglichkeiten<br />
als alltägliche Selbstverständlichkeiten gelebt werden können. Mitarbeiter sollen<br />
sich vertrauensvoll auf die Unterstützung des Arbeitsgebers verlassen können, auch<br />
13
in Zeiten, wo vorübergehend familiäre Verpflichtungen Vorrang haben. Letztlich ist ein<br />
Geben und Nehmen auch im beruflichen Miteinander Ausgangspunkt grundlegender<br />
gegenseitiger Wertschätzung und Wertschöpfung.<br />
Betriebliche Gesundheitsförderung<br />
Neben der Familienfreundlichkeit ist ein Unternehmen, vor allem eine Gesundheitseinrichtung,<br />
stets daran interessiert, dass die Mitarbeiter gesund sind und bleiben.<br />
Daher bietet das Krankenhaus neben familienfreundlichen Angeboten ebenfalls präventive<br />
Gesundheitsangebote, z. B. Aqua-Fitness, Rückenschule, Nordic Walking oder<br />
Thai Chi. Für Mitarbeiter, deren Arbeitsvertrag sich nach dem Konzerntarifvertrag ver.di<br />
richtet, beteiligt sich der Arbeitgeber mit finanziellen Zuschüssen an den Kursen. Diese<br />
werden gern angenommen und wirken darüber hinaus als wichtige Motivations- und<br />
Erfolgsfaktoren.<br />
Qualitätssiegel als familienfreundliches Krankenhaus<br />
Es gibt viele junge Eltern und auch Mitarbeiter mit pflegebedürftigen Angehörigen im<br />
Sana-Krankenhaus und somit viele gute Gründe, in eine familienorientierte Personalpolitik<br />
zu investieren, die nachhaltig wirkt. Das Sana-Krankenhaus in Bergen setzt an diesem<br />
Punkt an. Bereits im Jahr 2009 hat sich das Haus dem Lokalen Bündnis für Familien auf<br />
Rügen als Bündnispartner angeschlossen. Turnusmäßige Treffen verschiedener regionaler<br />
Akteure befördern die aktuelle Thematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bei<br />
einem Wettbewerb der Insel Rügen in der Kategorie Sozialwesen/Gesundheitswesen<br />
konnte die Sana-Krankenhaus Rügen GmbH im Dezember 2011 eine Auszeichnung als<br />
»Familienfreundlichstes Unternehmen auf Rügen« entgegen nehmen.<br />
Darüber hinaus wurde mit dem renommierten Audit »Beruf und Familie« (berufundfamilie<br />
gGmbH) der gemeinnützigen Hertie-Stiftung die Arbeitssituation im Krankenhaus<br />
unter familienfreundlichen Gesichtspunkten im Juni <strong>2012</strong> zertifiziert. Dabei handelt<br />
es sich um ein Qualitätssiegel, das von führenden Wirtschaftsverbänden empfohlen<br />
wird und das unter der Schirmherrschaft des Bundesfamilienministeriums und des<br />
Bundeswirtschaftsministerium steht.<br />
Das Sana-Krankenhaus Rügen betreibt als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung<br />
206 Betten. Jährlich werden etwa 24.000 stationäre und ambulante Patienten versorgt.<br />
Angeschlossen sind dem Inselkrankenhaus eine Kurzzeitpflegeeinrichtung sowie<br />
ein stationäres Hospiz. Die Sana-Krankenhaus Rügen GmbH beschäftigt in <strong>2012</strong> rund<br />
400 Mitarbeiter, davon ca. 50 Ärzte.<br />
14
Die Jury freut sich mit den Mitarbeitern des Sana-Krankenhauses Rügen über den Gewinn als<br />
»Familienfreundlichstes Unternehmen auf Rügen« in der Kategorie »Sozialwesen/ Gesundheitswesen«.<br />
(v.l.n.r.: Wilfried Rothkirch, Vorsitzender des DEHOGA Regionalverbandes Rügen; Daniela<br />
Wolter, Assistentin der Geschäftsführung; Ronny Voigtsberger, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender;<br />
Christin Drescher, Planung/Organisation/Qualitätsmanagement; Karsten Liefländer,<br />
Leiter der IHK-Geschäftsstelle Nordvorpommern/ Rügen (Stralsund); Margitta Bergmann,<br />
Betriebsratsvorsitzende; Dr. med. Oec. med. Knut Müller, Leitender Chefarzt; Silke Ritschel,<br />
Geschäftsführerin; Marga Unger, Pflegedienstleitung; Ingrid Sacher, Verwaltungsdirektorin und<br />
Christine Wenmakers, Sprecherin des Lokalen Bündnisses für Familien auf Rügen)<br />
Betriebsnahe Kindertageseinrichtung mit Randzeitenbetreuung<br />
In dem stetigen Bestreben, das Erwerbs- und Familienleben in Einklang zu bringen,<br />
stoßen Klinikmitarbeiter mit Kindern häufig an ihre Grenzen. Ein Grund sind die eingeschränkten<br />
Öffnungszeiten der Kindertageseinrichtungen. Das Sana-Krankenhaus Rügen<br />
hat dies frühzeitig erkannt und arbeitet bereits seit 2009 an der Idee, eine betriebsnahe<br />
Kindertageseinrichtung mit Randzeitenbetreuung zu realisieren. Zur Umsetzung der Vision<br />
wurde eine Projektgruppe gegründet. Die Ende 2010 durchgeführte Befragung ermittelte<br />
den Bedarf für ein solches Angebot. Im Ergebnis wurde ein reges Interesse der Mitarbeiter<br />
mit betreuungspflichtigen Kindern an einer solchen Einrichtung deutlich.<br />
Im Anschluss an die Befragung konnte das Krankenhaus die Eckpunkte dieses Projektes<br />
genauer definieren. Gewünscht wurden unter anderem Betreuungsmöglichkeiten, insbesondere<br />
für Kinder im Alter zwischen 0 bis 6 Jahren. Die Öffnungszeiten sollten zwischen<br />
5.30 Uhr und 20.30 Uhr liegen. Auch die Betreuung am Wochenende und an Feiertagen sei<br />
wichtig, hier insbesondere in der Zeit von 5.30 Uhr bis 15.00 Uhr. Öffnungszeiten darüber<br />
hinaus seien nur in Ausnahmefällen notwendig.<br />
15
Krankenhauseigene Räumlichkeiten stehen bereits zur Verfügung und müssen noch<br />
durch Baumaßnahmen den rechtlichen Vorgaben angepasst werden. In einer Begehung<br />
mit dem zuständigen Jugendamt sowie mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales<br />
Mecklenburg-Vorpommern wurden die Räume für grundsätzlich geeignet befunden.<br />
Mit Fortschreiten des Projektes wurde allerdings klar, dass das Krankenhaus zur<br />
weiteren Umsetzung einen Kooperationspartner mit Kernkompetenzen im Bereich der<br />
Kinderbetreuung benötigt. Er wurde über eine öffentliche Ausschreibung gefunden.<br />
Aktuell werden gemeinsam die genauen Umsetzungsmöglichkeiten geprüft und die<br />
Rahmenbedingungen für die geplante Kindertageseinrichtung mit Randzeitenbetreuung<br />
ausgelotet. Das Projekt findet sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei der lokalen<br />
Bevölkerung großen Zuspruch.<br />
Die Vorteile des Projekts:<br />
1. Motiviertere Mitarbeiter und höhere Arbeitsqualität belohnen den Arbeitgeber<br />
mit höherer Produktivität und sorgen für Patientenzufriedenheit<br />
2. Höhere Chancen, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig an das<br />
Krankenhaus zu binden<br />
3. Wertvolles Fachwissen bleibt dem Krankenhaus erhalten. Weniger Fluktuation<br />
bedeutet auch weniger Kosten bei der Neubesetzung von Stellen.<br />
Auditierungsworkshop »Beruf und Familie« im Sana- Krankenhaus Rügen<br />
16
Teilnehmer am Auditierungsworkshop »Beruf und Familie«:<br />
(v.l.n.r.): Silke Ritschel, Britta Stielow, Ronny Voigtsberger, Christin Drescher, Margitta Bergmann,<br />
Sandra Kankel, Holger Hannig, Anja Busch, Christa Preuhs, Dr. Claudia Wriske, Ingrid Sacher<br />
Ausblick<br />
Ein Blick in die Zukunft verdeutlicht den großen Handlungsbedarf im Gesundheitswesen,<br />
familienfreundlichere Arbeitswelten zu schaffen. Die Gesellschaft wird in den kommenden<br />
Jahren immer älter. Aktuelle Prognosen des Allensbach-Instituts (im Familienmonitor<br />
2010) gehen davon aus, dass im Jahr 2050 mehr als 30 Prozent der Bevölkerung<br />
über 65 Jahre alt sind. Ende 2005 waren es noch 19 Prozent. Zugleich geht die Zahl der<br />
potenziell erwerbstätigen Personen immer weiter zurück. Bis 2030 werden cirka 5,5<br />
Millionen Arbeitskräfte fehlen. Durch sinkende Absolventenzahlen entsteht ein erheblicher<br />
Personalmangel bei Ärzten sowie bei Klinikfachkräften.<br />
Neben dieser Entwicklung gibt es weitere wichtige Tendenzen: Die Gesundheitsbranche ist<br />
traditionell ein Arbeitsbereich mit hohem Frauenanteil. Dieser Trend wird auch in Zukunft<br />
anhalten. Über 60 Prozent aller Medizin-Studienanfänger sind weiblich, ebenso über 80<br />
Prozent der Pflegekräfte. Der Klinikalltag in Medizin und Pflege erfordert viel Flexibilität<br />
und ein hohes Maß an Konzentration. Eine familienfreundliche Unternehmenspolitik, die<br />
diesen Trend unterstützt, erkennt den Bedarf der Mitarbeiter und reagiert mit attraktiven<br />
Teilzeitvarianten, familienorientierten Dienstplanmodellen und Urlaubsregelungen darauf.<br />
17
Ein Blick über den Tellerrand<br />
Im Vergleich von 19 europäischen Staaten belegt Deutschland laut einer Untersuchung<br />
des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln (2010) in Sachen Familienfreundlichkeit<br />
Platz 7. Verglichen wurden die Rahmenbedingungen für Familien. Führend ist Deutschland<br />
hingegen bei der finanziellen Unterstützung der Eltern. Väterfreundlichkeit liegt im<br />
Trend. Auch Männer übernehmen mehr familiäre Aufgaben als früher, etwa durch das<br />
Wahrnehmen der Elternzeit. So ist insgesamt zu beobachten, dass sich die Prioritäten<br />
verschieben. Die berufliche Karriere steht nicht mehr bedingungslos über dem Thema<br />
Familie.<br />
Andere Länder, z. B. in Skandinavien, bieten bereits Konzepte, die beides bei noch dazu<br />
attraktiver Vergütung vereinbaren. Da gerade Nachwuchskräfte zunehmend ins Ausland<br />
abwandern, ist es aus Sicht des Sana-Krankenhauses in Bergen die logische Konsequenz,<br />
schnell und nachhaltig im Sinne des Gesundheitsstandortes Deutschland zu handeln.<br />
Erreicht werden soll dieses Ziel durch vielfältige Maßnahmen, unter anderem in den<br />
Bereichen Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuung und Karriereplanung. Gelingt es, die<br />
Wünsche der Mitarbeiter erfolgreich mit den Krankenhausinteressen zu verbinden, ist dies<br />
für alle ein Plus.<br />
Innenansicht Sana-Krankenhaus Rügen GmbH<br />
18
Mitarbeiterorientierung ist<br />
Patientenorientierung<br />
Regionaler Marktführer mit strategisch ausgerichtetem Personalkonzept<br />
von Sabine Hellwig, Harald Kothe-Zimmermann<br />
Durch die Lage der Gesellschaft für Leben und Gesundheit (GLG) – sie grenzt direkt<br />
an Berlin – gibt es vor allem zwei Hauptproblemfelder: die Gewinnung von Personal<br />
und eine hohe Fluktuation bei den Ärzten. Das Unternehmen reagiert darauf<br />
sowie auf die ohnehin schwierige Arbeitsmarktsituation und den damit verbundenen<br />
Fachkräftemangel mit einem strategisch ausgerichteten, breit angelegten<br />
Personalkonzept. Für Bewerber und Mitarbeiter wurde ein umfangreiches Bündel<br />
von Maßnahmen geschnürt, zu dem neben attraktiven Arbeitsplätzen die Förderung<br />
der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenso gehören wie besondere Anreize<br />
für Medizinstudierende. Die GLG verfügt über ein klares Unternehmensprofil, zu<br />
dem auch die regionale Identifikation gehört. Sie ist Marktführer in der regionalen<br />
Gesundheitswirtschaft, arbeitet beständig und erfolgreich an hoher Qualität, investiert<br />
zielgerichtet und engagiert sich in zahlreichen Netzwerken.<br />
Die Gesellschaft für Leben und Gesundheit (GLG) nutzt ganz verschiedene Möglichkeiten,<br />
um mit den Eckpfeilern ihres Unternehmenserfolgs berufsgruppenbezogen zu werben.<br />
Einheitliches Corporate Design als Erkennungsmerkmal<br />
Als attraktiver und leistungsstarker Arbeitgeber präsentiert sich die GLG durch ein einheitliches<br />
Corporate Design (CD). Die Unternehmensidentität muss schnell und eindeutig<br />
erkennbar sein. Dazu wurden alle externen und auch internen Kommunikationsmittel<br />
umgestaltet. Mit dieser Arbeitgebermarke stellt sich die GLG in den klassischen<br />
Bereichen der Werbung in Print-, Internet-, Radio- und Fernsehmedien dar. Gezielte<br />
Arbeitsplatzanzeigen werden durch regelmäßige Imagewerbung ergänzt. Letztere<br />
dient vor allem im regionalen Umfeld der Information über Leistungsangebote und<br />
Engagement, aber auch der Möglichkeit der Identifikation mit dem Unternehmen.<br />
Anreize für den ärztlichen Nachwuchs<br />
Um potenzielle Bewerber für die GLG zu interessieren, werden Jobbörsen und Messen<br />
besucht. Je nach Berufsgruppe finden diese in der Region, aber auch überregional und<br />
international statt. Das alles reicht allerdings längst nicht aus, um genügend Ärzte für<br />
die Zukunft zu uns zu holen. Deshalb bemühen wir uns besonders um den Nachwuchs.<br />
Stipendien<br />
Seit 2006 gibt es das GLG-Stipendium. Ziel ist es, den medizinischen Nachwuchs zu<br />
sichern und die Stipendiaten frühzeitig und langfristig an die GLG und die Region zu binden.<br />
Dem Management der GLG als größtem Arbeitgeber der Region ist das Engagement<br />
in und für die Gesundheitsregion Nord-Ost-Brandenburg sehr wichtig. In Brandenburg gibt<br />
es keine medizinische Fakultät. Studenten aus der Region müssen das Bundesland zum<br />
Studieren verlassen. Das GLG-Stipendium ist eine Form, die jungen Leute danach zurück<br />
19
in ihre Heimat zu holen. Deshalb wird es an Studierende der Medizin vergeben, die aus<br />
der Region stammen und nach ihrem Studium ihren Arbeitsplatz als Ärztin oder Arzt in<br />
einem Unternehmen der GLG antreten.<br />
Das GLG Stipendium bietet eine finanzielle Unterstützung während des Medizinstudiums<br />
in einer Höhe von monatlich bis zu 500 Euro. Nach Bestehen der zweiten ärztlichen<br />
Prüfung erhält der Stipendiat ein Angebot zur Festanstellung als Arzt in Weiterbildung<br />
in einem Unternehmen der GLG. Der Vertrag regelt weiterhin, dass nach Notwendigkeit<br />
und vorhandenen Möglichkeiten nötige praktische Ausbildungen und Famulaturen in<br />
den Unternehmen der GLG absolviert werden können. Der Stipendiat hat im Gegenzug<br />
einige Bedingungen zu erfüllen: Er muss das Studienziel in vorgesehener Zeit erreichen,<br />
regelmäßige Nachweise über absolvierte Studienabschnitte und Prüfungen vorweisen<br />
und sich nach erfolgreich absolviertem Studium für ein Beschäftigungsverhältnis in einem<br />
Unternehmen der GLG für mindestens drei Jahre verpflichten.<br />
Bewerben können sich Abiturienten, die im Vergabejahr des Stipendiums ein Medizinstudium<br />
beginnen, aber auch bereits eingeschriebene Medizinstudenten. Die Bewerber<br />
müssen aus der Region Barnim/Uckermark/Märkisch Oderland kommen.<br />
Inzwischen ist das Stipendium 37 Mal vergeben worden. Vier Stipendiaten haben ihr<br />
Studium bereits erfolgreich abgeschlossen und arbeiten in Unternehmen der GLG. Wer<br />
in dieser Region seine Wurzeln hat, sich über einige Jahre hinweg keine Sorgen um<br />
einen Arbeitsplatz machen muss und zudem noch finanziell unterstützt wird, der verlässt<br />
die Region und den Arbeitgeber nicht so schnell. Wir sichern mit dem Stipendium<br />
nicht nur unseren eigenen Nachwuchs, sondern wirken auch der Fluktuation entgegen.<br />
Mussten wir in den Anfangsjahren der Vergabe des Stipendiums noch kräftig dafür die<br />
Werbetrommel rühren, haben wir seit 2010 mehr Bewerber als zur Verfügung stehende<br />
Stipendien. Tendenz steigend.<br />
Weiterbildungsangebote<br />
Das größte Krankenhaus der GLG, das Werner Forßmann Krankenhaus in Eberswalde, ist<br />
akademisches Lehrkrankenhaus der Charité Berlin. Das ist derzeit die beste Möglichkeit,<br />
möglichst viele Medizinstudenten mit attraktiven Weiterbildungsangeboten im Rahmen<br />
der Facharztausbildung für unser Unternehmen zu interessieren. In Zusammenarbeit<br />
mit der Landesärztekammer Brandenburg präsentieren wir das Unternehmen vor den<br />
Medizinstudenten im sechsten Studienjahr.<br />
Praktisches Jahr<br />
Eine umfangreichere Unterstützung erhalten Medizinstudenten im Praktischen Jahr (PJ).<br />
Ihnen wird eine fachübergreifende Fortbildungsreihe angeboten, die GLG finanziert ihnen<br />
eine Unterkunft oder das Fahrgeld zum Arbeitsplatz und ermöglicht ein kostenfreies<br />
Mittagessen. Jeder Medizinstudent, der im Unternehmen sein praktisches Jahr absolviert,<br />
hat grundsätzlich die Möglichkeit, ein Stipendium in Höhe von monatlich 350 Euro<br />
zu bekommen. Für diejenigen, die sich während dieser PJ-Zeit für eine Bindung an ein<br />
Unternehmen der GLG nach erfolgreich abgeschlossenem Studium entscheiden, besteht<br />
20
die Möglichkeit, eine vertraglich fixierte Zusage für einen Arbeitsplatz zu bekommen,<br />
verbunden mit einem höheren PJ-Stipendium.<br />
Derartige Anreize sind wichtig, und eine Arbeitsplatzgarantie sorgt für Sicherheit. Angehende<br />
Ärzte schauen sich aber auch sehr genau an, was der Arbeitgeber sonst noch so<br />
zu bieten hat, wie er mit seinen Mitarbeitern umgeht, welche Entwicklungsmöglichkeiten<br />
es gibt, wie gegebenenfalls die Familie eingebunden werden kann und was der Ort, die<br />
Region zu bieten hat.<br />
Personalgewinnung für die Pflege<br />
Personalgewinnungsmaßnahmen für den ärztlichen Dienst haben aufgrund des Ärztemangels<br />
oberste Priorität. Dennoch verlieren wir die anderen Berufsgruppen nicht aus<br />
den Augen. Auch die Bewerbungen für den Bereich der Pflegeberufe haben abgenommen.<br />
Berufsorientierung für den Pflegenachwuchs<br />
Für die Akquise von Auszubildenden für Pflegeberufe sind konkrete Angebote zur<br />
Berufsorientierung festgeschrieben. Dazu gehören der klassische Tag der offenen<br />
Tür im Krankenhaus, aber auch z.B. Lehrertouren, die in Zusammenarbeit mit dem<br />
Schulamt und der Ausbildungsstätte durchgeführt werden. Gemeinsam mit dem<br />
Berufsinformationszentrum wollen wir künftig noch viel stärker in den Schulen unterwegs<br />
sein. Sowohl die Schüler als auch Lehrer und Eltern müssen besser und rechtzeitiger über<br />
die Berufsbilder in der Pflege informiert werden. Neben der ausführlichen Präsentation<br />
der Ausbildungsberufe in unseren Ausbildungsbroschüren, setzen wir zusätzlich auf<br />
persönliche Ansprechpartner, auf Informationsmaterial, das wir für die Lehrkräfte zur<br />
Verfügung stellen, sowie auf gemeinsame Projekte.<br />
Fachkräfte aus dem Ausland<br />
Ein weiterer Baustein ist die Rekrutierung baltischer Fachpflegekräfte für das Unternehmen.<br />
Die GLG bietet Bewerber/innen aus Lettland und Litauen eine Sprachausbildung<br />
und einen medizinischen Update-Kurs Pflege nach dem deutschen Krankenpflegegesetz<br />
an. Ziel des Engagements ist eine langfristige Bindung der Bewerberinnen an eine<br />
Tätigkeit in den Unternehmen der GLG. Die Vertragslaufzeit besteht aus einem<br />
Förderzeitraum von z.Zt. sechs Monaten – dem Zeitraum zum Erlernen der deutschen<br />
Sprache und einem medizinischen Uptdate-Kurs Pflege mit Kompetenzprüfung – und<br />
einer sich anschließenden Tätigkeit als Pflegefachkraft von mind. 24 Monaten in einem<br />
Unternehmen der GLG. Im März 2011 haben wir mit einer ersten kleinen Gruppe begonnen.<br />
Fast alle Teilnehmerinnen arbeiten inzwischen im Unternehmen. Derzeit bereiten<br />
wir eine vierte Gruppe vor.<br />
Mitarbeiterorientierung ist Teil der Qualitätssicherung<br />
Wer in der GLG arbeitet weiß, dass dem Thema Qualität große Bedeutung beigemessen<br />
wird. Dazu gehört für das Unternehmen auch, dass in der Mitarbeiterorientierung ein<br />
Schwerpunkt gesetzt und ungewöhnliche Ideen entwickelt werden. Mitarbeiterorientierung<br />
ist Patientenorientierung. Jedes Krankenhaus ist KTQ-zertifiziert.<br />
21
Es gibt verschiedene Arbeitszeitmodelle, schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit,<br />
Service für Familien genauso wie Stärkung von Kompetenzen aller Mitarbeiter, besonders<br />
der Führungskräfte, bis hin zu gesundheitsfördernden Angeboten. Die GLG hat zahlreiche<br />
Kooperationspartner und ist Mitglied in verschiedenen Netzwerken, was sich positiv auf<br />
die Arbeitsvielfalt und Weiterbildungsmöglichkeiten auswirkt.<br />
Jeder Mitarbeiter kann sich aktiv mit Ideen zur Verbesserung seines Arbeitsumfeldes<br />
einbringen, es gibt ein betriebliches Vorschlagswesen und regelmäßige Mitarbeiterbefragungen.<br />
Verhaltenskodex entwickelt<br />
Im Jahr 2009 wurde gemeinsam mit Mitarbeitern aus allen Berufsgruppen der<br />
GLG-Verhaltenskodex entwickelt. Dieser Kodex bezieht sich auf das Verhalten der<br />
Mitarbeiter untereinander, auf eine professionelle Führung, den einfühlsamen Umgang<br />
mit Patienten und externen Kunden, den konsequenten Schutz der Umwelt und auf<br />
die kontinuierliche Sicherung der Qualität. Damit im Zusammenhang stand auch die<br />
Einführung von Mitarbeiterjahresgesprächen. Dazu gehörte die Entwicklung eines<br />
Leitfadens und die Schulung der Führungskräfte. Für jeden Mitarbeiter wird zukünftig<br />
eine persönliche Qualifizierungs- und Personalentwicklungsplanung im Rahmen des<br />
Mitarbeiterjahresgespräches erstellt und eine Fortbildungsbedarfsplanung abgegeben.<br />
Im Verhaltenskodex ist u.a. die Verpflichtung zur Durchführung des Mitarbeiterjahresgespräches<br />
genauso verankert, wie das Recht auf Teilnahme der Führungskräfte<br />
an einem jährlichen Führungstraining. Es gibt Fortbildungsangebote, die die Fachkompetenzen<br />
der Mitarbeiter stärken oder erweitern, aber auch berufsgruppen-spezifische<br />
Angebote, die alle im GLG- Fortbildungskalender aufgeführt sind.<br />
Viele Angebote zur Mitarbeiterbindung<br />
Abseits vom direkten Arbeitsalltag werden den Mitarbeitern weitere interessante<br />
Angebote gemacht, mit dem Ziel, sie an das Unternehmen zu binden.<br />
Wohnraumsuche<br />
Wer aus einer anderen Region zu uns ziehen möchte, um in einem Unternehmen der GLG<br />
zu arbeiten, den unterstützen wir bei der Suche nach Wohnraum, zum Teil übernimmt die<br />
GLG auch Umzugskosten.<br />
Kinderbetreuung<br />
Für Familien mit Kindern bieten wir Kita-Plätze in Partnerkitas an, die auf verlängerte<br />
Betreuungszeiten eingestellt sind. Wir fördern Musikschulunterricht für Mitarbeiterkinder.<br />
Rabatte und Ferienhäuser<br />
Für die Mitarbeiter gibt es zahlreicher Rabatte, die mit regionalen Anbietern und<br />
Geschäften vereinbart werden konnten. Wer Erholung braucht, kann die betriebseigenen<br />
Ferienhäuser nutzen.<br />
22
Gut aufgehoben –<br />
Mitarbeiterkinder im Ferienlager<br />
Gemeinsame Feste<br />
Und das Feiern gehört ebenfalls dazu, bietet es doch Raum für Anerkennung von<br />
Leistungen, vor allem aber für die Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls. An jedem<br />
Krankenhausstandort wird jährlich das Mitarbeiterfest gefeiert, es gibt Weihnachtsfeiern<br />
für Kinder, für Rentner und in jedem Jahr auch das GLG-Sportfest.<br />
Einzigartige Gesundheitsmesse<br />
Die GLG veranstaltet gemeinsam mit Partnern für Gesundheit ein Mal im Jahr die Erlebnismesse<br />
»Mensch und Gesundheit«. Hier engagieren sich Mitarbeiter in Bezug auf eine<br />
besondere, außergewöhnliche Präsentation gezielter Gesundheitsthemen – entdecken,<br />
staunen, ausprobieren. Darüber hinaus erhält jeder GLG Mitarbeiter Messeeintrittskarten<br />
für die ganze Familie.<br />
Erfolgreiche Messe<br />
Mensch & Gesundheit<br />
23
GLG-Bikes für die Pendler<br />
Mit dem GLG-Bike kommen wir einem Teil unserer Mitarbeiter auf dem Weg zur<br />
Arbeit »entgegen«. Das Unternehmen stellt kostenfrei Fahrräder im GLG-Design für die<br />
Berufspendler zur Verfügung. Sie können damit die Strecke vom Bahnhof zum Krankenhaus<br />
schneller zurücklegen. Die GLG-Bikes werden an allen Krankenhausstandorten angeboten.<br />
An den Bahnhöfen wurden extra Abstellplätze eingerichtet. Die GLG-Bikes werden auch<br />
im Stadtbild wahrgenommen und ergeben so einen besonderen Werbeeffekt. Es wird als<br />
positiv erlebt, dass das Unternehmen sich für die Mitarbeiter und ihre Gesundheit sowie<br />
für eine gesunde Umwelt einsetzt.<br />
Gute Idee umgesetzt: Die GLG-Bikes<br />
Exklusive Veranstaltungen<br />
Für die Bindung an das Unternehmen sind auch die exklusiven, nicht öffentlichen<br />
Veranstaltungen initiiert, die es nur für GLG Mitarbeiter gibt. Dazu gehören im Laufe<br />
eines Jahres mehrere hochkarätige klassische Konzerte, Comedyabende und ein Rock/<br />
Pop Konzert, mit renommierten regional und überregional bekannten Künstlern, wie z.B.<br />
Musikern der Staatskapelle Berlin, Mirja Boes, Karat/ City u.a.<br />
Audit und Zertifikat<br />
Das Bestreben, eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Mitarbeiter zu erreichen,<br />
zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Unternehmen und beeinflusst<br />
alle Bereiche der Arbeit. Einen kleinen Teil davon – die Personalgewinnung und die<br />
Mitarbeiterorientierung – haben wir in Ausschnitten hier dargelegt.<br />
24
Perspektiven und Karriere:<br />
Interessenten auf der<br />
Messe »Perspektiven<br />
und Karriere« informieren<br />
sich über das<br />
Klinikunternehmen<br />
Fazit<br />
Die Vielzahl der Aktivitäten zur Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung hatte das<br />
erfreuliche Ergebnis, dass die Anzahl der freien Stellen im Unternehmen deutlich reduziert<br />
und die früher sehr hohe Fluktuationsrate auf ein erträgliches Maß zurückgeführt<br />
werden konnte. Insbesondere mit dem GLG Stipendium, den exklusiven Veranstaltungen,<br />
dem GLG Bike und den Weiterbildungsmöglichkeiten, haben wir in der Region deutliche<br />
Impulse gesetzt, die auch bundesweit Beachtung fanden<br />
Die Gesellschaft für Leben und Gesundheit mbH (GLG) ist ein Unternehmen der<br />
Landkreise Barnim, Uckermark und der Stadt Eberswalde im Nordosten des Landes<br />
Brandenburg. Als Marktführer in der regionalen Gesundheitswirtschaft bietet sie das<br />
komplette Leistungsspektrum der Krankenhausversorgung an. Zur GLG gehören vier<br />
Krankenhäuser, eine Fachklinik für verhaltensmedizinische Rehabilitation, Medizinische<br />
Versorgungszentren, eine ambulante Pflege, ein ambulantes Rehabilitationszentrum<br />
und weitere Unternehmensbereiche.<br />
25
26
Attraktiv als Arbeitgeber<br />
Lahn-Dill-Kliniken: Mit sorgfältiger Planung und Kontinuität<br />
gegen den Fachkräftemangel<br />
von Richard Kreutzer<br />
Krankenhäuser müssen sich heute und künftig um qualifiziertes Personal aktiv bewerben.<br />
Die Lahn-Dill-Kliniken bringen sich als Arbeitgeber erster Wahl mit einem langfristig<br />
angelegten Programm in Position. Sie verbessern ihre organisatorische Substanz<br />
konkret und zielgenau und haben dafür wesentliche Handlungsfelder definiert,<br />
innerhalb derer passgenaue Maßnahmen entwickelt werden. Fünf Planungsschritte<br />
ermöglichen ein strukturiertes, zielführendes Vorgehen, das in die unternehmerische<br />
Gesamtstrategie eingebunden ist. Die ersten Maßnahmen wurden bereits erfolgreich<br />
umgesetzt.<br />
Es könnte eine Nachricht sein, die positive Erwartungen weckt: Erstmals ging nach<br />
Jahren des kontinuierlichen Anstiegs die Zahl unbesetzter Arzt-Stellen in deutschen<br />
Krankenhäusern um sage und schreibe rund ein Viertel zurück. Ist man auf bestem<br />
Wege, dem Fachkräftemangel Herr zu werden? Mitnichten. Was vordergründig nach<br />
aussichtsreicher Problembewältigung aussieht, geht in weiten Teilen auf den kurz- und<br />
mittelfristigen Einsatz von Honorarärzten zurück. Umgerechnet 2.500 durch Honorarärzte<br />
kompensierte Vollzeitstellen schönen so das Bild, lösen aber nicht das grundlegende<br />
Problem. Zudem ist es eines, das nicht nur den ärztlichen Dienst betrifft. Vielmehr zeichnet<br />
sich ab, dass sich die Situation im Bereich der Pflege merklich verschärfen könnte: Auf<br />
den Stationen ist die Zahl nicht besetzter Stellen in zwei Jahren um 140 Prozent gestiegen.<br />
Die Pflege im OP-Dienst weist rund zwei Drittel mehr offene Stellen aus, und in der<br />
Anästhesie-Pflege hat sich laut Krankenhausbarometer 2011 des Deutschen Krankenhaus<br />
Instituts (DKI) die Zahl unbesetzter Stellen um 150 Prozent erhöht. Hier steuern die<br />
Krankenhäuser auf ein – in letzter Konsequenz – existenzielles Problem zu. Einrichtungen,<br />
die versorgungsseitig und letztlich wirtschaftlich überleben wollen, müssen sich heute<br />
und künftig um qualifiziertes Personal buchstäblich bewerben. Wie das gelingen kann,<br />
zeigt das Beispiel der Lahn-Dill-Kliniken.<br />
Auf die Plätze – fertig – los?<br />
Es braucht sicher nicht allzu viel Fantasie, um zu erkennen, dass es so schnell<br />
nicht gehen kann. Auch wenn die Notwendigkeit drängt, hinsichtlich der eigenen<br />
Arbeitgeberattraktivität zu punkten und schnelle Ergebnisse zu erzielen, so ist doch<br />
die Sorgfalt der Grundpfeiler für belastbare, langfristige Erfolge. Ein eiligst aus dem<br />
Boden gestampfter Betriebskindergarten mag öffentlichkeitswirksam für kurzzeitige<br />
Aufmerksamkeit sorgen, hilft aber der Einrichtung langfristig nicht weiter, wenn er<br />
am Bedarf vorbei geht oder als vermeintliches Highlight nicht in ein umfassendes<br />
Maßnahmenpaket eingebunden ist. Möchte man sich als Arbeitgeber der Wahl in Position<br />
bringen, muss dafür die organisatorische Substanz konkret und zielgenau verbessert<br />
werden. Das erfordert eine systematische Projektplanung und -organisation, wie sie<br />
die Lahn-Dill-Kliniken mit Unterstützung des externen Beratungsunternehmens Rochus<br />
Mummert erfolgreich initiiert haben und kontinuierlich weiter entwickeln.<br />
27
Systematische Bestandsaufnahme und detaillierte Planung<br />
Was macht einen attraktiven Arbeitgeber aus? Welche Kriterien sind für Arbeitnehmer<br />
wichtig? So unterschiedlich die individuellen Lebensumstände der Mitarbeiter sind, so<br />
unterschiedlich gestalten sich persönliche Präferenzen in Sachen Arbeitgeberattraktivität.<br />
Man muss sich daher als erstes darüber klar werden, welche Handlungsfelder tatsächlich<br />
relevant sind. Das Direktorium der Lahn-Dill-Kliniken ergänzt um weitere Führungskräfte<br />
(= erweitertes Direktorium) hat für den Verbund folgende Bereiche definiert:<br />
• Führung und Transparenz<br />
• Ausbildung, Mitarbeiterentwicklung und berufliche Perspektive<br />
• Motivation und Sinnstiftendes<br />
• Work-Life-Balance<br />
In diesen Handlungsfeldern sollte der konkrete Bedarf an Verbesserungen erhoben und<br />
passgenaue Maßnahmen entwickelt werden. Gemessen am Umfang dieses Vorhabens<br />
hat sich sofort die zweite Notwendigkeit abgezeichnet: Für eine größtmögliche<br />
Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Veränderungen mussten die dafür notwendigen<br />
Prozesse schnell und standardisiert ablaufen. Das Projektteam »Attraktiv als Arbeitgeber«<br />
hat dazu fünf Schritte konzipiert, die letztlich zu einem unter allen Beteiligten abgestimmten<br />
Gesamtprogramm führten (Abb. 1):<br />
Abbildung 1: Die fünf Planungsschritte des Projekts<br />
28
• Bestandsaufnahme planen<br />
Zusammengefasst und dokumentiert bildeten die Projektziele die Grundlage für die<br />
detaillierte Aufbereitung eines Interviewleitfadens, mit dem der Verbesserungsbedarf<br />
der Belegschaft erhoben werden konnte. Um ein möglichst repräsentatives Ergebnis<br />
zu erzielen, wurden Interviewpartner aus allen Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen<br />
vorgesehen.<br />
• Bedarf erheben<br />
Insgesamt 17 Interviews wurden mit Führungskräften im Zeitraum zwischen<br />
Dezember und Januar 2010 durchgeführt. Ergebnis war eine Fülle unterschiedlicher<br />
Themen und Maßnahmenvorschläge.<br />
• Sortieren und priorisieren<br />
Innerhalb eines Priorisierungsworkshops mit dem erweiterten Direktorium ging es<br />
darum, die benannten Themen innerhalb der Handlungsfelder zu bewerten und<br />
bereits vorgetragene Maßnahmenideen aufzugreifen. Der Workshop wurde erfolgreich<br />
abgeschlossen mit einer abgestimmten Situationsbewertung und priorisierten<br />
Themen samt erster Maßnahmenideen.<br />
• Arbeitspakete schnüren<br />
Auf Basis der gesetzten Prioritäten wurden Arbeitspakete definiert und die<br />
Umsetzung sowohl zeitlich als auch organisatorisch skizziert. Zu den initial festgelegten<br />
Arbeitspaketen gehörten:<br />
➜ Mitarbeitergespräche einführen<br />
➜ Gesundheitsakademie aufbauen<br />
➜ Umstrukturierung der Krankenpflegeschule und Erhöhung der Attraktivität der<br />
Ausbildung »Gesundheits- und Krankenpfleger/in«<br />
➜ Organisation und Prozesse verbessern<br />
➜ Quick Wins realisieren<br />
• Umsetzung festlegen<br />
Konkrete Projektpläne mit detaillierten Zeitabläufen, Verantwortlichkeiten und<br />
Ressourcenplanungen waren Inhalt des finalen Planungsschrittes. Ebenso wie die<br />
sorgfältige Konsolidierung der Arbeitspakete mit laufenden Projekten.<br />
Diese fünf Planungsschritte haben ein strukturiertes, zielführendes Vorgehen ermöglicht.<br />
Nach ihrem Durchlauf konnte klar aufgezeigt werden, welche Projekte wie in die unternehmerische<br />
Gesamtstrategie eingebunden und wie sie im Detail jeweils organisiert sind<br />
(Zeit- und Ressourcenplanung).<br />
Grundsätze und Erfolgsfaktoren der Projektarbeit<br />
Von Beginn an haben wir sichergestellt, dass die Steuerung der »Attraktiv als Arbeitgeber«-Maßnahmen<br />
als integraler Bestandteil in die Unternehmensstrategie fest eingebunden<br />
ist. Daneben war und ist der Erfolg der Maßnahmen allerdings noch von einer<br />
Reihe ganz pragmatischer Faktoren auf Projektebene abhängig:<br />
29
Interdisziplinäre Teams<br />
Alle Teams sind interdisziplinär zusammengesetzt. So können wir sehr effizient von<br />
unterschiedlichen Kompetenzen, Blickwinkeln und Fähigkeiten aller Mitglieder profitieren.<br />
Klare Ziele<br />
Klar definierte, realistische Ziele, solide geplante zeitliche Projektphasen sowie eindeutige<br />
Zuständigkeiten schaffen einen Rahmen, in dem die Teams sehr strukturiert vorgehen<br />
können.<br />
Ergebnisverantwortung<br />
Wichtig ist, dass die jeweilige Projektleitung ergebnisverantwortlich agiert. Regelmäßige<br />
Berichte an den Lenkungsausschuss tragen dazu bei, dass eventuelle Schwierigkeiten<br />
schnell und konstruktiv ausgeräumt werden und der jeweilige Projektverlauf nicht gefährdet<br />
wird.<br />
Umfassende Kommunikation<br />
Nicht zuletzt spielt eine umfassende und kontinuierliche Kommunikation über Ziele, Hintergründe<br />
und Fortschritte eine große Rolle. Hierzu haben wir frühzeitig Meinungsbildner<br />
eingesetzt, die eine hohe Glaubwürdigkeit und damit ein hohes Maß an Akzeptanz für die<br />
Projektabläufe und Maßnahmen bei den Mitarbeitern erreichen.<br />
Interne und externe Kompetenz nutzen<br />
Beim gesamten Programm ist es von Beginn an Ziel gewesen, soweit wie möglich interne<br />
Kompetenzen und Ressourcen zu nutzen. Zusätzlich war es eingangs dennoch notwendig,<br />
spezifische Expertisen zur Unterstützung der Umsetzungsteams einzukaufen. Dies betraf<br />
zum Beispiel Kompetenzen wie Projektmanagement, Zielgruppenkenntnisse, Moderation<br />
oder Kommunikation.<br />
Auswahl erfolgreicher Maßnahmen<br />
So gut die Planung im Vorfeld auch sein mag (und sein muss), so wenig kann die<br />
Umsetzung der Maßnahmen von heute auf morgen erfolgen. Es ist deshalb wichtig darauf<br />
zu achten, dass man eine Ausgewogenheit schafft zwischen Projekten, die eine längere<br />
Anlaufzeit benötigen und solchen, die schnell erkennbare Ergebnisse liefern. »Quick<br />
Wins« sind in der Frühphase entscheidend, um Skeptiker zu überzeugen, die angesichts<br />
des vergleichsweise hohen Initialisierungsaufwandes negative Stimmungen verbreiten<br />
könnten, wenn den Worten nicht bald auch sichtbare Taten folgen. Nachfolgend eine<br />
kleine Auswahl an erfolgreich initiierten Maßnahmen:<br />
Einführungstag – In jeder Hinsicht ein guter Start<br />
Der erste Eindruck ist entscheidend. Das gilt auch für den Arbeitsplatz und damit insgesamt<br />
für den Arbeitgeber. Deshalb sollen sich unsere neuen Mitarbeiter von Beginn<br />
an willkommen fühlen. Vergleichsweise rasch umsetzbar war die Initiierung eines<br />
Einführungstages, den wir seit Sommer 2010 quartalsweise für alle neuen Mitarbeiter<br />
durchführen. Das Programm berücksichtigt drei Bausteine:<br />
30
1. Informationen zur Einrichtung, ihre Strukturen und Leitbilder<br />
2. Kennenlernen der Menschen, die die Lahn-Dill-Kliniken führen: Geschäftsführung,<br />
Direktorium, leitende Mitarbeiter<br />
3. Besichtigung weiter Teile des Hauses.<br />
Es ist uns ein Anliegen, unsere neuen Kollegen faktisch gut zu informieren, sie aber auch<br />
persönlich wertzuschätzen und willkommen zu heißen. Deshalb wird der Einführungstag<br />
überwiegend von Geschäftsführung, Direktorium und leitenden Mitarbeitern durchgeführt.<br />
Mitarbeitergespräche – Potenziale<br />
für Mitarbeiter und Klinik erkennen<br />
»Gut, dass wir darüber gesprochen haben.« Was im betriebsamen Klinikalltag häufig zu<br />
kurz kommt, soll in Form von strukturieren Gesprächen zwischen allen Mitarbeitern und<br />
ihren jeweiligen direkten Führungskräften unter vier Augen zur Sprache kommen: Fragen<br />
zur beruflichen Weiterentwicklung, zur Zusammenarbeit auf der Station oder all das, was<br />
schon längst einmal hätte gesagt werden sollen.<br />
Nach Schulung der Führungskräfte und Information der Mitarbeiter in neun ausgewählten<br />
Pilotabteilungen fanden ab Ende 2010 die ersten 100 Mitarbeitergespräche statt.<br />
Hilfestellung für beide Gesprächspartner bot ein Leitfaden, der vom berufsgruppenübergreifenden<br />
Projektteam konzipiert wurde. Die Rückmeldungen aus den Abteilungen<br />
waren überwiegend positiv. Es hatten sich aber auch zwei kritische Punkte heraus kristallisiert:<br />
Zum einen konnten insbesondere auf den Stationen nicht immer geeignete<br />
Räume für die Gespräche gefunden werden. Und zum anderen war es offenbar einigen<br />
Mitarbeitern noch nicht ganz klar, was sie in dem Gespräch erwarten würde. So konnten<br />
im Vorfeld der einrichtungsweiten Einführung im Sommer 2011 sinnvolle Anpassungen<br />
vorgenommen werden.<br />
Wenngleich das Raumproblem noch nicht abschließend gelöst werden konnte, so ist dennoch<br />
die Maßnahme in allen Abteilungen positiv angenommen worden.<br />
Neue Wege gehen: Aus-, Fort- und Weiterbildung<br />
Die Lahn-Dill-Kliniken sind Akademisches Lehrkrankenhaus der Justus-Liebig-Universität<br />
und haben einen großen Anteil an der Ausbildung von Medizinstudenten, insbesondere<br />
im Praktischen Jahr. Wichtig ist uns die praxisnahe Ausbildung der Studenten direkt am<br />
Krankenbett unter fachkundiger Anleitung unserer Ärzte.<br />
Dieses Engagement wird auf Dauer nicht mehr ausreichen. Darum haben die Lahn-Dill-<br />
Kliniken gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten des Arzt-Notrufs für die Region<br />
Lahn-Dill (ANR) im Sommer 2011 die Gesellschaft zur Förderung der Gesundheitsregion<br />
Lahn-Dill (GFG) gegründet. Eine ihrer Kerntätigkeiten ist der Aufbau einer Gesundheitsakademie<br />
mit Fort- und Weiterbildungsangeboten für Mitarbeiter der Lahn-Dill-<br />
Kliniken und regional niedergelassenen Ärzten. Der Fokus liegt darauf, den Bedarf sowie<br />
die Planung und Durchführung von Veranstaltungen zentral zu verwalten. So können<br />
Parallelveranstaltungen vermieden, Synergien in der Akquise von Teilnehmern genutzt<br />
und damit letztlich ausgewählte, hochwertige Angebote geschaffen werden. Neben der<br />
31
Organisation der Gesundheitsakademie berät die GFG regionale Gesundheitsdienstleister<br />
bei Projekten an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.<br />
Doch nicht nur im medizinischen Bereich werden wir zukünftig mit Fachkräftemangel zu<br />
kämpfen haben, auch im pflegerischen Bereich werden wir uns engagieren müssen. Aus<br />
diesem Grund planen wir, die Ausbildung zur Fachkraft für Gesundheits- und Krankenpflege<br />
attraktiver zu machen und werden ein neues Konzept für unsere Krankenpflegeschule<br />
entwickeln.<br />
Innovatives Weiterbildungsangebot –<br />
»Netzwerkorientiertes Prozessmanagement im Gesundheitswesen«<br />
Der Arbeitsalltag im Krankenhaus wird zunehmend bestimmt von abteilungs-, einrichtungs-<br />
und sektorenübergreifenden Prozessen. Sich in Netzwerken zu organisieren wird<br />
deshalb immer stärker von allen Berufsgruppen im Krankenhaus gefordert. In naher<br />
Zukunft werden entsprechende Kompetenzen zum Qualitätsmerkmal einer Einrichtung.<br />
Um uns hierfür zu qualifizieren und unsere Mitarbeiter bestmöglich dafür auszubilden,<br />
bieten wir 184 Kollegen unterschiedlicher Funktionsbereiche die Möglichkeit, die<br />
Fortbildung »Netzwerkorientiertes Prozessmanagement im Gesundheitswesen« am<br />
Studienzentrum Marburg der Steinbeis-Hochschule Berlin zu absolvieren. Hierzu stellen<br />
wir alle teilnehmenden Mitarbeiter an 20 Tagen im Jahr frei. Insgesamt durchlaufen<br />
zehn Schulungsgruppen gestaffelt ab <strong>2012</strong> bis 2014 die Weiterbildungsmaßnahme. Sie<br />
besteht aus fünf Modulen: Organisationsentwicklung, integriertes Managementsystem,<br />
Projektmanagement, Leadership und Kommunikation im interdisziplinären Team.<br />
Von bundesweit 140 Weiterbildungen dieser Art finden nur 12 im Gesundheitswesen und<br />
der Sozialwirtschaft statt. Der Europäische Sozialfonds (EFS) hat die Lahn-Dill-Kliniken vor<br />
diesem Hintergrund als innovatives und zukunftsorientiertes Unternehmen gewürdigt und<br />
fördert die Weiterbildungsmaßnahme mit rund 30 Prozent der Gesamtkosten.<br />
Für die interne Projektkoordination ist die GFG (s.o.) gemeinsam mit der Akademie der<br />
Steinbeis-Hochschule Berlin in Marburg zuständig.<br />
Betriebskindergarten – paradiesisch für Klein und Groß<br />
Er ist nicht das Allheilmittel im Wettstreit um gutes Personal. Aber in der Innen- und<br />
Außenwirkung ist der Betriebskindergarten das mediale Vorzeigeprojekt – wenn die<br />
Bedingungen stimmen. Am Standort Wetzlar ist uns das für den Kindergarten der Lahn-<br />
Dill-Kliniken in besonderer Weise gelungen: Nach vorausgegangener Bedarfsanalyse<br />
stehen jetzt 500 Quadratmeter Innenraum und 2.300 Quadratmeter Außengelände<br />
für 50 Mitarbeiterkinder zur Verfügung. Vier thematisch gestaltete Gruppenräume, ein<br />
Bewegungsraum, ein Atelier und ein Badezimmer mit Planschbecken lassen keine<br />
Kinderwünsche offen.<br />
Für Begeisterung bei den Eltern sorgen neben der professionellen Betreuung die<br />
Öffnungszeiten: montags bis freitags von 6:00 bis 20:00 Uhr, weitere Öffnungszeiten für<br />
Samstag und Sonntag von je acht Stunden sind geplant. Geschlossen ist die Kita nur an<br />
gesetzlichen Feiertagen. Damit ist der Kindergarten der Lahn-Dill-Kliniken vom räumlichen<br />
Umfang einer der großzügigsten im Landkreis und bezüglich der Öffnungszeiten sogar<br />
einzigartig.<br />
32
Viel Platz zum Spielen<br />
im Betriebskindergarten<br />
Die laufenden Kosten bestreiten die Eltern über ortsübliche Beiträge. Hinzu kommen<br />
Zuschüsse des Landes, der Kommune und der Lahn-Dill-Kliniken. Die (Um-)Baukosten von<br />
rund 1,45 Millionen Euro stammen zu rund 80 Prozent aus Eigenmitteln der Lahn-Dill-<br />
Kliniken; die restliche Summe wurde durch Fördermittel gedeckt. Für die Kita war kein<br />
Neubau erforderlich, ein Gebäudeteil des Schwesternwohnheimes konnte hierfür sinnvoll<br />
umfunktioniert werden.<br />
Zwischenbilanz und Ausblick<br />
Mit der zügigen Implementierung von »Einführungstag« und »Mitarbeitergesprächen«<br />
konnten wir zwei Quick Wins verbuchen, die sofort deutlich gemacht haben, dass wir<br />
über Verbesserungsmöglichkeiten nicht nur sprechen, sondern sie auch realisieren. Zudem<br />
haben insbesondere die Mitarbeitergespräche selbst zu weiteren Verbesserungen geführt:<br />
Im Pflegebereich werden inzwischen grundsätzlich »Wunscharbeitszeiten« und tatsächlicher<br />
Pflegeaufwand abgeglichen, und OP-Zeiten werden über 16 Uhr hinaus ausgedehnt<br />
und schaffen individuellere Arbeitszeitmodelle. Dass dies insgesamt auch wirtschaftliche<br />
Vorteile mit sich bringt, macht das Ganze zu einer Win-Win-Situation.<br />
Das sind nur zwei Beispiele aus einer Reihe von Fortschritten, die einerseits die Abläufe<br />
der Einrichtung verbessern und gleichzeitig positive Auswirkungen auf das subjektive<br />
Empfinden unserer Mitarbeiter haben. Die Quick Wins haben somit einerseits das originär<br />
an sie gestellte Verbesserungspotenzial gehoben, gleichzeitig haben sie das Vertrauen der<br />
Mitarbeiter in weitere langfristig angelegte Maßnahmen gestärkt. Denn eines ist sicher:<br />
Mit ein paar schnellen Maßnahmen wird man nicht zum Arbeitgeber der Wahl. Das ist<br />
ein langfristiger und kontinuierlicher Prozess, der niemals zum Erliegen kommen darf –<br />
wenngleich es im Tagesgeschäft sicher Schwankungen in der Intensität gibt. Wer sich auf<br />
erreichten Lorbeeren ausruht, läuft Gefahr, dass er schon bald wieder hinterher hinkt.<br />
33
An den Lahn-Dill-Kliniken haben wir deshalb fortlaufend die Projekte im Blick: Sie werden<br />
kritisch begleitet, evaluiert und wo erforderlich angepasst. Und auch für neue Ideen<br />
behalten wir immer ein offenes Ohr. So planen wir momentan ein Austauschprogramm<br />
mit Krankenhäusern aus den USA. Ziel ist es, dass unsere Ärzte neue Impulse sowie Ideen<br />
erhalten und wir diese dann - angepasst auf unser Krankenhaus-Unternehmen – bei den<br />
Lahn-Dill-Kliniken implementieren können. Ein Engagement, das unsere Mitarbeiter honorieren<br />
und von dem alle Beteiligten profitieren.<br />
Die Lahn-Dill-Kliniken sind ein Klinikverbund in Mittelhessen. Zu ihm zählen die<br />
Standorte Wetzlar, Braunfels und Dillenburg. Das Klinikum Wetzlar-Braunfels ist Akademisches<br />
Lehrkrankenhaus der Justus-Liebig-Universität und Haus der Schwerpunktversorgung<br />
mit rund 650 Betten. Das Krankenhaus Dillenburg ist Haus der Regelversorgung<br />
mit etwa 260 Betten. In Summe werden im Verbund jährlich über 38.000 Patienten<br />
von fast 2.000 Voll- und Teilzeitkräften stationär behandelt. Der Zusammenschluss der<br />
drei Einrichtungen hat es ermöglicht, Synergien zu nutzen und in Mittelhessen eine<br />
wohnortnahe medizinische Versorgung auf höchstem Niveau zu etablieren. Fallzahlen,<br />
Schweregrad und Mitarbeiterzahlen sind seither stetig gestiegen. Die Lahn-Dill-Kliniken<br />
schreiben seit 2003 kontinuierlich schwarze Zahlen.<br />
Tochtergesellschaften sind die MedServ Lahn-Dill GmbH, die MVZ Lahn-Dill-Kliniken<br />
GmbH und die Gesellschaft zur Förderung der Gesundheitsregion Lahn-Dill.<br />
Die Klinik Falkeneck in Braunfels<br />
Die Dill-Kliniken Dillenburg<br />
Das Klinikum Wetzlar<br />
34
Familienfreundlichkeit gecheckt<br />
Mitarbeiterorientierung im Leitbild des Städtischen Klinikums Wolfenbüttel<br />
von Joachim Kröger, Ralf Harmel<br />
Seit rund sieben Jahren gibt es in Wolfenbüttel ein lokales »Bündnis für Familie«, in<br />
das neben anderen Institutionen der Stadt auch das Städtische Klinikum eingebunden<br />
ist. Das Klinikum versucht, für seine Mitarbeiter Bedingungen zu schaffen, die ihnen<br />
die Balance von Familie und Beruf ermöglichen. Seit dem Jahr 2008 wird systematisch<br />
an dem Thema gearbeitet. Das Klinikum wurde Mitglied im Unternehmensnetzwerk<br />
»Erfolgsfaktor Familie« und nimmt an der Kampagne des Marburger Bundes für<br />
ein familienfreundliches Krankenhaus teil. Ein »Familienfreundlichkeitscheck« des<br />
Unternehmensnetzwerks »Bündnis für Familie« Anfang 2011 zeigte den bis dahin<br />
erreichten Stand der Dinge und ist nun Grundlage weiterer Verbesserungen.<br />
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bezieht sich nicht nur auf junge Familien mit<br />
Kindern. Familie – das sind auch Partner und Partnerinnen, sind zu pflegende Angehörige,<br />
sogar nachbarschaftliche Kontakte. Rund 360 der 650 Mitarbeiter des Städtischen<br />
Klinikums Wolfenbüttel haben Kinder, aber auch fast 120 tragen Verantwortung für pflegebedürftige<br />
Angehörige. Der weit gefasste Familienbegriff ist Basis unseres Handelns in<br />
Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.<br />
Die Städtisches Klinikum Wolfenbüttel gGmbH ist ein Krankenhaus der Grund- und<br />
Regelversorgung. Die Gesellschaft ist eine hundertprozentige Tochter der Stadt Wolfenbüttel,<br />
geführt von einem Sana-Management. Das Haus verfügt über 300 Betten und<br />
beschäftigt rund 650 Mitarbeiter. Jährlich werden rund 14.000 Patienten stationär<br />
behandelt.<br />
Die Aktivitäten des Klinikums zum Thema »Balance von Familie und Beruf« gehen in zwei<br />
Richtungen: Sie beziehen sich auf die Stadt und die Region innerhalb des kommunalen<br />
Netzwerks sowie nach innen, auf die Mitarbeiter. Koordiniert werden sie von einer offenen<br />
Projektgruppe, die feste Mitglieder hat, aber auch jedem, der an einer temporären<br />
Mitarbeit interessiert ist, die Möglichkeit dazu gibt. Wichtig bei der Besetzung der Gruppe<br />
war nicht, dass jeder Bereich einen Mitarbeiter entsendet, sondern dass diejenigen, die<br />
dabei sind, auch wirklich Engagement zeigen. Ständige Teilnehmer besuchen auch die<br />
Treffen des Netzwerks »Erfolgsfaktor Familie«. Die Projektarbeit wird im Klinikum sehr<br />
positiv bewertet. Da sowohl Vertreter der Personalabteilung als auch des Betriebsrats<br />
Mitglieder sind, finden sich für Anliegen und Probleme sehr schnell Lösungen. Da die<br />
Projektarbeit für alle Interessenten offen ist, kommen immer wieder neue Ideen hinein.<br />
Leiter der Projektgruppe ist Pflegedirektor Ralf Harmel.<br />
35
Im lokalen »Bündnis für Familie« sind kommunale Institutionen, wie der Familien- und<br />
Kinderservice, das Seniorenservicebüro, das Jugendamt, das Gesundheitsamt und auch<br />
das Städtische Klinikum Wolfenbüttel, zudem Vertreter der Schulen und die Kindertagesstätten-Aufsicht<br />
miteinander vernetzt. Es werden gemeinsame Aktionen organisiert,<br />
z.B. Ferienaktionen, Besuche des Hubschrauberlandeplatzes am Klinikum, oder<br />
Tage der offenen Tür im Klinikum für Kinder.<br />
Familienfreundlichkeit geprüft<br />
Mit einem Familienfreundlichkeitscheck (s. Textkasten S. 37) wurde im vergangenen Jahr<br />
erstmals die Personalpolitik des Krankenhauses auf den Prüfstand gestellt: Wie weit ist<br />
das Thema Familienfreundlichkeit schon in allen Köpfen verankert? Familienfreundlichkeit<br />
muss zum Bestandteil der täglichen Ablauforganisation werden. Das ist das Ziel. Auf dem<br />
Weg dorthin ist man schon ein gutes Stück vorangekommen, doch – wie der Check zeigte<br />
– es gibt auch noch einiges zu tun.<br />
Das Klinikum bietet seinen Mitarbeitern schon eine ganze Reihe familienfreundlicher<br />
Maßnahmen an. Dennoch waren die Ergebnisse des Familienfreundlichkeitschecks nicht<br />
durchweg erfreulich. Als wesentliches Defizit stellte sich heraus, dass sehr viel offensiver<br />
und kommunikativer mit dem Thema »Vereinbarkeit von Beruf und Familie«<br />
umgegangen werden muss. So war eine ganze Reihe von schon umgesetzten<br />
Maßnahmen zum Zeitpunkt der Befragung nicht in der gesamten Belegschaft bekannt.<br />
Zum Beispiel fühlten sich Mitarbeiter ohne Kinder oft nicht angesprochen. Die Umsetzung<br />
verlief auch auf den einzelnen Stationen sehr unterschiedlich – abhängig z.B. von den<br />
jeweiligen Stationsleitungen. Es wurde u.a. erkannt, wie wichtig es ist, nicht nur über<br />
neue Angebote nachzudenken, sondern immer wieder die vorhandenen Möglichkeiten zu<br />
kommunizieren, Vorschläge aufzunehmen bzw. dazu überhaupt erst einmal zu ermuntern.<br />
36<br />
Das<br />
Städtische<br />
Klinikum<br />
Wolfenbüttel
Das Projekt »Familienfreundlichkeitscheck« – aus dem Auswertungsbericht des<br />
Unternehmensnetzwerks »Erfolgsfaktor Familie«<br />
(Das Pilotprojekt wurde u.a. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend und der Europäischen Union unterstützt.)<br />
Zentrale Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung im Städtischen Klinikum Wolfenbüttel<br />
waren u.a.:<br />
• Ein großer Teil der Beschäftigten bewertet die eigene Vereinbarkeitssituation<br />
als gut.<br />
• Etwa die Hälfte hatte aber auch regelmäßig ein Gefühl der Überlastung und der<br />
Vernachlässigung familiärer Aufgaben zugunsten des Berufs.<br />
• Es besteht eine hohe Bereitschaft, Kolleginnen zu unterstützen, diese wird aber<br />
nicht gleichermaßen wahrgenommen. Vorgesetzte werden als unterstützender als<br />
die Kollegen erlebt.<br />
• Die Hälfte der Befragten hatte erkannt, dass die Unternehmensleitung das Thema<br />
ernst nimmt.<br />
• Der Informationsstand zu den Angeboten für die Beschäftigten scheint aber ausbaufähig<br />
zu sein – nur ca. 30 Prozent fühlten sich gut informiert.<br />
• Angebote wurden nur teilweise genutzt.<br />
• Als wichtigste Verbesserungsmöglichkeiten wurden genannt: Flexibilisierungsmöglichkeiten<br />
bei den Arbeitszeiten, Kinderbetreuung, gerade auch in Ferienzeiten<br />
oder Ausnahmesituationen, Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen.<br />
Aus der Befragung wurde auch deutlich: Das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie betrifft zwar alle Mitarbeiter, jedoch fühlen sich nicht alle in derselben<br />
Weise davon betroffen. Es gibt hier nicht nur deutliche Unterschiede zwischen den<br />
einzelnen Berufsgruppen, sondern auch zwischen den Altersgruppen, die von der<br />
Krankenhausführung beachtet werden müssen.<br />
Während sich zum Beispiel vor allem Ärzte planbare und geregelte Arbeitszeiten wünschten,<br />
eine längerfristige Planung auch von obligatorischen und wichtigen Terminen,<br />
da bei Ad-hoc-Zusammenkünften die Arbeit am Patienten liegen bleibt und nach der<br />
eigentlichen Arbeitszeit erledigt werden muss, war das für die Verwaltung oder auch die<br />
Pflegedienstdirektion und den Pflege- und Funktionsdienst offenbar kein so drängendes<br />
Problem.<br />
Während jüngere oder kürzer im Klinikum tätige Mitarbeiter Unterstützungsangebote eher<br />
wahrnehmen, ist das bei Älteren weniger der Fall. Auch die Bereitschaft, selbst Kollegen zu<br />
unterstützen, ist unterschiedlich ausgeprägt und bei jenen, die zwischen 10 und 20 Jahren<br />
im Klinikum arbeiten, am geringsten.<br />
Die Schlussfolgerung war: Einige Maßnahmen und Projekte zur Vereinbarkeit von Beruf<br />
und Familie können nicht für alle Berufs- und Altersgruppen in derselben Weise umgesetzt<br />
werden. Diese Fokussierung auf spezielle Gruppen führt dann allerdings wieder<br />
dazu, dass diese oft relativ klein sind und die Maßnahmen nicht von allen Mitarbeitern<br />
als familienfreundlich wahrgenommen werden. Auch das ist natürlich wieder eine Frage<br />
der Kommunikation.<br />
37
Einige Beispiele von Angeboten des Klinikums für die Mitarbeiter:<br />
Gesundheitsförderung<br />
Das Krankenhaus bietet Kurse zur Gesundheitsförderung an. Mit einem Fitnessstudio gibt<br />
es darüber hinaus eine Kooperation für teilnehmende Beschäftigte. Das war zur Zeit der<br />
Befragung aber offenbar relativ unbekannt.<br />
Individuelle Arbeitszeiten<br />
Es werden vielfach individuelle Arbeitszeitlösungen in den einzelnen Bereichen gefunden.<br />
Neben einer Vielzahl an unterschiedlichen Teilzeitarbeitsverträgen ist abteilungsbezogen<br />
auch die Lage der Arbeitszeit verschiebbar. Von diesem Angebot machen insbesondere<br />
Mitarbeiter des Pflege- und Funktionsdienstes und des ärztlichen Dienstes Gebrauch.<br />
Fortbildungen und Kurse<br />
Fortbildungen zu Themen wie Burnout, Rückenschule, Konfliktmanagement werden<br />
angeboten, Freistellungen aber bisher nur für den Pflege- und Funktionsdienst gewährt.<br />
Parkplätze und mehr<br />
Gut angenommen werden die kostenlosen Parkplätze für Mitarbeiter, der Personaleinkauf<br />
in der Krankenhausapotheke und das Mittagessen in der Cafeteria – sie betreffen<br />
viele, werden daher zusätzlich auch untereinander kommuniziert.<br />
Mittagessen zum Mitnehmen<br />
Nicht immer gelingt es, nach einem Arbeitstag mit anschließender Übergabezeit zu<br />
Hause noch ein warmes Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Daraus entstand die Idee,<br />
Mittagessen zum Mitnehmen anzubieten. Nachdem der Bedarf dafür nochmals erfragt<br />
worden war, macht die Klinikküche das Angebot eines Essens zum Mitnehmen. Die<br />
Portionen können je nach Bedarf von jedem selbst zusammengestellt und in speziellen<br />
Styroporbehältnissen nach Hause getragen werden.<br />
Patenschaften<br />
Mitarbeiterinnen, die Nachwuchs erwarten und in die Elternzeit gehen, wird eine<br />
Patenschaft angeboten. Die Paten – Mitglieder der Projektgruppe – klären mit den<br />
Betreffenden den Unterstützungsbedarf und erläutern ihnen die möglichen Angebote,<br />
leiten, wenn nötig, auch Maßnahmen ein. Zu den Angeboten gehören z.B. die<br />
Unterstützung bei Behördengängen, die Vermittlung von Betreuungsstellen, aber auch<br />
Beratungsgespräche, in denen es um Wünsche und Ängste die künftige berufliche<br />
Situation betreffend, geht. Die Projektgruppe berät, wenn die betreffende Kollegin das<br />
wünscht, über die Möglichkeit angepasster Arbeitszeiten, die Veränderung der wöchentlichen<br />
Dienstzeit oder auch den Einsatz in einem anderen Bereich des Klinikums.<br />
Ferienbetreuung für Mitarbeiterkinder<br />
An Brückentagen und in den Ferien ist es für die Eltern kleinerer Kinder oft schwierig,<br />
die Betreuung abzusichern. Daher wurde eine hausinterne, professionelle Möglichkeit<br />
geschaffen. Es sollte kein externes Personal angestellt werden. Mitarbeiterinnen und<br />
auch ein Mitarbeiter des Hauses setzten sich für ein halbes Jahr an den Wochenenden<br />
38
auf die Schulbank und ließen sich zu Tagespflegepersonen ausbilden, finanziert vom<br />
Klinikum. Die Betreuung findet im Konferenzzentrum des Hauses statt. Entsprechende<br />
Ausstattung und Spielzeug wurden angeschafft. Die Betreuungszeit wird als reguläre<br />
Arbeitszeit gewertet.<br />
Pflegeberatung für Mitarbeiter<br />
Für Mitarbeiter, die zu Hause Angehörige pflegen, bietet das Team der Sozialberatung des<br />
Klinikums Unterstützung an. Es informiert über die verschiedenen Betreuungsangebote<br />
und vermittelt bei Bedarf auch stationäre Pflegeplätze.<br />
Die nächsten Schritte<br />
Die Ergebnisse des FamilienfreundlichkeitsChecks des Netzwerkbüros »Erfolgsfaktor<br />
Familie« wurden als gut bewertet. Jetzt ist man dabei, die nächsten Schritte zu gehen.<br />
Kommunikation verbessern<br />
Der Check hat gezeigt, dass vor allem in der Kommunikation Verbesserungspotenziale<br />
liegen. Diese werden inzwischen umfassend angegangen – mit ersten guten Ergebnissen.<br />
• So steht die familienbewusste Personalpolitik in allen Sitzungen auf der Tagesordnung.<br />
In jedem Team gibt es Beauftragte dafür.<br />
• Es wurde ein Führungskräftecoaching etabliert.<br />
• Das Städtische Klinikum hat sein Leitbild erneuert, in dem auch die<br />
familienbewusste Philosophie verankert ist.<br />
• In die Stellenbeschreibungen der Führungskräfte wurde die Aufgabe einer<br />
familienbewussten Führung aufgenommen.<br />
• Noch stärker sollen die verschiedenen Angebote kommuniziert werden – in der<br />
Mitarbeiterzeitung ebenso wie auf entsprechenden Postern.<br />
• Eine neue, zentrale Anlaufstelle für umfassende Beratungsleistungen ist angedacht.<br />
Die Ergebnisse des Familienfreundlichkeitschecks wurden der Belegschaft bekanntgemacht<br />
und öffentlich durch die Projektgruppe präsentiert. Die örtliche Presse war dazu<br />
eingeladen und berichtete darüber. In der Mitarbeiterzeitung wurde umfangreich berichtet<br />
und über die nächsten Schritte und Ziele informiert.<br />
Angebote ausweiten<br />
Die bereits vorhandenen Angebote sollen erweitert und je nach Bedarf weitere geschaffen<br />
werden. Mittelfristig soll ein Springerpool aufgebaut werden.<br />
Permanente Aufgabe ist auch künftig die Ermöglichung familienbewusster Arbeitszeiten.<br />
Fazit<br />
Familienfreundlichkeit ist ein Dauerthema, dem sich ein Krankenhaus beständig widmen<br />
muss. Dabei ist zu bedenken, dass die Angebote und ihre Akzeptanz immer<br />
wieder auf den Prüfstand zu stellen sind. Sie werden sich mit den Bedürfnissen der<br />
Belegschaft ändern – so, wie die Zusammensetzung der Belegschaft sich ebenfalls ändert.<br />
Voraussetzung dafür, hier immer auf dem richtigen Weg zu bleiben, ist Kommunikation.<br />
Jetzt wird das Audit »Beruf und Familie« angestrebt.<br />
39
40
Kooperations-Kita »Schweriner Seefahrer«<br />
Bau und Betrieb einer eigenen Kindertagesstätte auf dem Klinikgelände<br />
von Christoph Essmann<br />
Die AHG Klinik Schweriner See hat im Jahr 2009 gemeinsam mit drei Gemeinden und<br />
regionalen Handwerksbetrieben eine Kindertagesstätte auf ihrem Gelände errichtet.<br />
Sie steht Mitarbeiterkindern ebenso zur Verfügung wie Kindern von Patienten und<br />
dem Nachwuchs von Einwohnern der Gemeinde und der Region. Neben anderen<br />
Maßnahmen wird damit jungen Mitarbeitern und potenziellen Bewerbern signalisiert:<br />
Die Rehabilitationsklinik legt Wert darauf, dass ihre Belegschaft Beruf und Familie<br />
vereinbaren kann und dass sie dafür ihr Möglichstes tut.<br />
Vor zehn Jahren noch beschäftigten sich viele Kliniken fast ausschließlich mit Kostenmanagement<br />
und Prozessoptimierung. Dem Personalmanagement wurde nur eine untergeordnete<br />
Rolle zugewiesen. Fachkräfte standen in ausreichender Zahl zur Verfügung,<br />
man konnte sich aus der Vielzahl der Bewerbungen den passenden Kandidaten aussuchen.<br />
Im Fokus des Personalwesens stand vor allem die Entwicklung effizienter<br />
Personalauswahlverfahren.<br />
Das hat sich grundlegend geändert. Aus einer Studie des Deutschen Krankenhausinstitutes<br />
geht hervor, dass im Jahr 2010 bundesweit 5.500 Stellen im ärztlichen Dienst<br />
der Krankenhäuser nicht besetzt werden konnten. Bis 2019 fehlen etwa 37.400 Ärzte,<br />
wenn man die heutigen »Schwundquoten« unter den Medizinstudierenden bzw.<br />
Absolventen auch in Zukunft unterstellt. Der tatsächliche Ärztemangel im deutschen<br />
Gesundheitswesen lag schon 2010 vermutlich noch um einiges höher, da in der Studie<br />
nur Krankenhäuser berücksichtigt wurden. Auch in den über 1.200 Rehabilitationskliniken<br />
Deutschlands sind Arztstellen nur mit großer Mühe zu besetzen.<br />
Dieser Trend ist auch in anderen Fachbereichen (z.B. Pflege, Psychotherapeuten,<br />
Erzieherinnen) deutlich spürbar - und das nicht nur in strukturschwachen und ländlichen<br />
Regionen.<br />
Die Verfügbarkeit an qualifizierten Fachkräften wird schon aufgrund der demografischen<br />
Veränderung in Deutschland in vielen Bereichen weiter deutlich sinken. Sowohl die<br />
Personalakquise als auch die Mitarbeiterbindung werden für Rehabilitationskliniken und<br />
Krankenhäuser in den nächsten Jahren zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil.<br />
Der Fachkräftenachwuchs bei den Medizinern ist bereits heute zu über 63 Prozent<br />
weiblich. Der Anteil der Ärztinnen an den berufstätigen Medizinern steigt kontinuierlich.<br />
Gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erhöhen damit<br />
die Attraktivität einer Klinik als Arbeitgeber. Sie verbessern und erleichtern die Gewinnung<br />
von Personal und die Bindung vor allem junger Mitarbeiter mit Kindern.<br />
Was ist potenziellen Bewerbern besonders wichtig?<br />
Um vakante Positionen bei fortschreitendem Fachkräftemangel weiterhin optimal besetzen<br />
zu können, muss das Personalmanagement – so banal es vielleicht klingen mag –<br />
41
sich in »die Schuhe der potenziellen Stellenbewerber stellen«. Welche Präferenzen<br />
haben sie? Was ist ihnen besonders wichtig? Eine bundesweite Befragung von<br />
Medizinstudenten hat gezeigt, dass 73,7 Prozent aller Befragten es als sehr wichtig einschätzen,<br />
Familie und Beruf gut miteinander vereinbaren zu können. (Jacob R., Universität<br />
Trier; Heinz A., Universität Trier; Müller C.-H., KBV; Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hg.):<br />
Berufsmonitoring Medizinstudenten 2010. Ergebnisse einer bundesweiten Befragung. Köln:<br />
Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, <strong>2012</strong>). Das ist ihnen bei der Auswahl eines Krankenhauses<br />
als Arbeitgeber sogar deutlich wichtiger als ein hohes Einkommen.<br />
Arbeitgeber müssen sich also intensiv Gedanken darüber machen, welche zusätzlichen<br />
Angebote neben der absoluten Gehaltshöhe ihr Unternehmen für Bewerber attraktiv<br />
macht.<br />
Die Gehälter von Ärzten werden in vielen Krankenhäusern und Rehakliniken über<br />
Tarifverträge festgelegt. Dadurch ist der Spielraum auf der Gehaltsebene für die<br />
Geschäftsleitung oft eingeschränkt. Selbst wenn die tariflichen Bedingungen eine freie<br />
Gehaltsfestsetzung ermöglichen, setzen dieser die bereits bestehende Gehaltsstruktur<br />
und/oder das Budget sehr enge Gestaltungsgrenzen. Auch dadurch rücken Maßnahmen<br />
zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter in den Vordergrund und werden zum<br />
strategischen Wettbewerbsvorteil.<br />
Mitglied im Unternehmensnetzwerk<br />
Die AHG Klinik Schweriner See engagiert sich bereits seit vielen Jahren für die<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie ist unter anderem Gründungsmitglied<br />
des Unternehmensnetzwerkes Erfolgsfaktor Familie unter der Schirmherrschaft des<br />
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des<br />
Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Das Netzwerk ist mit derzeit rund<br />
2.400 Mitgliedern die bundesweit größte Plattform von Unternehmen, die familienbewusste<br />
Unternehmensführung als Teil der Unternehmenskultur verstehen, Müttern oder<br />
Vätern bei der Kinderbetreuung oder beim Wiedereinstieg in den Beruf helfen, oder im<br />
Unternehmensumfeld für den ökonomischen Nutzen einer besseren Vereinbarkeit aktiv<br />
werben wollen.<br />
Gerade wegen der attraktiven Arbeitsbedingungen folgten zahlreiche Auszeichnungen<br />
und Preise- u.a. als Frauenfreundlicher Betrieb (1999), Preisträger im Landeswettbewerb<br />
Chancengleichheit für Männer und Frauen sichert Zukunft (2002), Sonderpreis »Betriebliche<br />
Kinderbetreuung« Erfolgsfaktor Familie (2008) und Bester Arbeitgeber im Gesundheitswesen<br />
(2008, Great Place to Work).<br />
Kindertagesstätte auf dem Klinikgelände<br />
Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 ist die AHG Klinik Schweriner See auf die Mitaufnahme<br />
von Begleitkindern ausgerichtet. Gerade für Familien mit kleinen Kindern und Alleinerziehende<br />
ist es sehr schwierig, während des Aufenthaltes in einem Krankenhaus<br />
oder einer Rehabilitationseinrichtung auch noch die Kinderbetreuung zu organisieren.<br />
Deswegen gibt es in manchen Kliniken die Möglichkeit, Kinder während des<br />
42
Klinikaufenthaltes mitzunehmen. Diese werden dann während der Therapiezeiten der<br />
Eltern von Erzieherinnen in speziell dafür gestalteten Räumlichkeiten betreut.<br />
Die Infrastruktur zur Kinderbetreuung existierte damit seit Gründung der Klinik. Da lag<br />
es nahe, auch Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, ihre Kinder mit zur Arbeit zu<br />
bringen und in einer klinikeigenen Kindertagesstätte während der Arbeitszeit betreuen<br />
zu lassen. Diese Idee wurde 2002 von der Klinikleitung mit der Eröffnung einer<br />
eigenen Kindertagesstätte mit zunächst sechs Plätzen (drei Krippenplätze und drei<br />
Kindergartenplätze) innerhalb der Klinik in die Tat umgesetzt. Die Kita war bereits seit<br />
dieser Zeit in der Jugendhilfeplanung des Landkreises Nordwestmecklenburg berücksichtigt<br />
und erfüllte im Rahmen der üblichen Betriebserlaubnis durch das Landesjugendamt<br />
Mecklenburg-Vorpommern alle gesetzlichen Anforderungen an Kindertagesstätten.<br />
Bereits damals fiel die Entscheidung, den Mitarbeitern eine kostenlose Kinderbetreuung<br />
innerhalb der betrieblichen Kindertagesstätte zu ermöglichen. Die erhobenen Elternbeiträge<br />
wurden den Mitarbeitern dafür steuerfrei über einen Kinderbetreuungskostenzuschuss<br />
vollständig erstattet. Neben der in Kindergärten sonst üblichen Ganztagsoder<br />
Halbtagsbetreuung (hier werden Kinder in der Regel langfristig über mindestens<br />
einen Monat betreut) konnten alle Mitarbeiter ihre Kinder unkompliziert auch tageweise<br />
mit zur Arbeit bringen und im Kindergarten betreuen lassen.<br />
Aufgrund der großen Nachfrage und des positiven Feedbacks der Mitarbeiter wurde die<br />
Kapazität der betriebseigenen Kindertagesstätte im Jahr 2006 auf fünfzehn Plätze erhöht<br />
(sechs Krippenplätze und neun Kindergartenplätze).<br />
Die Nachfrage blieb aber weiterhin hoch. Daher gab es von Seiten der Klinik schon länger<br />
Überlegungen, die Kapazitäten für die Kinderbetreuung nochmals auszuweiten und<br />
die Rahmenbedingungen dafür durch großzügigere Räume und Außenanlagen zu verbessern.<br />
Hier trafen sich dann die Interessen der Klinik mit denen des Klinikstandortes,<br />
der Gemeinde Lübstorf. Der 1.500-Einwohner-Ort unterhielt neben dem Gelände der<br />
Grund- und Gesamtschule eine Kita, in der zwischen 90 und 100 Jungen und Mädchen<br />
aus den umliegenden Dörfern betreut wurden. Das 1976 errichtete Gebäude war jedoch<br />
völlig veraltet und die benötigten Flächen für eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung<br />
waren nicht vorhanden. Auch provisorisch aufgestellte Container boten keine wirkliche<br />
Langzeitalternative und die finanzielle Ausstattung der Gemeinde ließ einen Neubau aus<br />
eigener Kraft nicht zu.<br />
Kooperation für einen Neubau<br />
Eine Kooperation bot sich also an. Die Gemeinde Lübstorf und die AHG Klinik Schweriner<br />
See beschlossen den gemeinsamen Neubau einer größeren Kindertagesstätte auf<br />
dem Klinikgelände und die Zusammenführung der kommunalen und der klinikeigenen<br />
Einrichtungen unter einem Dach und suchten für die Realisierung des Bauvorhabens<br />
weitere Partner.<br />
43
Für den Neubau des Kindergartens wurde eine Objektgesellschaft gegründet, an der<br />
neben der AHG Klinik Schweriner See und mit ihr verbundenen Unternehmen drei<br />
Gemeinden und einige Handwerksunternehmen beteiligt waren. Zweck dieser Gesellschaft<br />
war die Errichtung und Vermietung der Immobilie an den Betreiber.<br />
Der neu zu errichtende Kindergarten war zunächst für 99 Kinder geplant. Da jedoch<br />
die Nachfrage nach Krippenplätzen in der Bauphase weiter stieg, erhöhte man die<br />
Kapazität um zwei weitere Krippengruppen auf insgesamt 111 Kinder. Das zweistöckige<br />
Gebäude bietet heute auf einer Fläche von ca. 2000 Quadratmetern Platz für fünf<br />
Kindergartengruppen (davon einer integrativen Gruppe) und sechs Krippengruppen. Am<br />
1. September 2009 konnte das Haus nach einigen Verzögerungen in der Bauphase eingeweiht<br />
werden. Die Kita »Schweriner Seefahrer« wurde eröffnet und die Kinder staunten<br />
nicht schlecht, als sie in das farbenfrohe und großzügig gestaltete Gebäude einziehen<br />
durften (s. Foto).<br />
Die neue »Kita Schweriner Seefahrer«<br />
In dem Neubau werden seit 2009 sowohl die Kinder von Mitarbeitern, von Bewohnern<br />
aus den umliegenden Gemeinden als auch die Begleitkinder der Patienten betreut. Durch<br />
intensive Kommunikation der Angestellten der Kita mit den Mitarbeitern der Klinik kann<br />
die Betreuung der Mitarbeiterkinder optimal den Bedürfnissen angepasst werden. Die<br />
Öffnungszeiten von 6 bis 18 Uhr (Randzeitenbetreuung bis 19.00 Uhr) sind für die meisten<br />
Mitarbeiter vollkommen ausreichend. Bei Bedarf können auch individuelle Lösungen<br />
mit der Kita vereinbart werden. Das wird aber nur selten in Anspruch genommen.<br />
44
Bei Mitarbeitern im Schichtdienst (das sind zumeist Pflegekräfte, da die Nachtdienste<br />
im ärztlichen Bereich überwiegend von speziell dafür eingestellten Bereitschaftsärzten<br />
durchgeführt werden) müsste eigentlich ein 24-stündiger Kindergartenbetrieb vorgehalten<br />
werden, um die Kinderbetreuung hier immer gewährleisten zu können. Dazu sollte<br />
jedoch eine ausreichend große Zahl von Mitarbeitern diesen Service auch nachfragen – in<br />
Rehabilitationskliniken sind dafür die Mitarbeiterzahlen meist zu gering.<br />
Den Betrieb der Kita übernahm die Servicegesellschaft der Klinik. Dort wurden bis zur<br />
Kita-Eröffnung überwiegend Dienstleistungen in den Bereichen Reinigung und Küche<br />
für die Klinik erbracht. Die Erzieherinnen der Klinik und die in der kommunalen<br />
Kita angestellten Mitarbeiterinnen wurden im Rahmen eines Betriebsüberganges<br />
in die Servicegesellschaft überführt. Neben der neu errichteten Kita betreibt die<br />
Servicegesellschaft auch den Hort der Schule mit 66 Plätzen am ehemaligen Standort<br />
der kommunalen Kita. Die Gemeinde Lübstorf hat es im vergangenen Jahr geschafft,<br />
das veraltete Gebäude aufwändig zu sanieren. Im Januar <strong>2012</strong> konnte es eingeweiht<br />
werden. Dadurch sind auch im Hortbereich moderne und mit viel Liebe zum Detail<br />
konzipierte Plätze geschaffen worden - ein weiterer Meilenstein zur Verbesserung der<br />
Kinderbetreuung in der Region.<br />
Weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />
Neben dem Betrieb eines Kindergartens auf dem Klinikgelände setzt die Klinik zusätzlich<br />
eine Vielzahl von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie um.<br />
Dazu gehören u.a.:<br />
• Flexible Arbeitszeitmodelle<br />
• Keine Verpflichtung für Ärzte zur Teilnahme an Ruf- und Bereitschaftsdiensten<br />
• Vertrauensarbeitszeit<br />
• Langfristige Dienstplanung<br />
• Möglichkeit zur Beschäftigung während der Elternzeit<br />
• Längere Beurlaubungen (oft auch Sabbatical-Zeiten genannt: eine längere Auszeit,<br />
die für Umschulungen, Weiterbildungen, Reisen oder auch Orientierung genutzt<br />
werden kann)<br />
• Kostenlose telefonische Beratung in allen sozialen und familiären Fragen rund um<br />
die Uhr<br />
Fazit<br />
Alle diese Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben einen<br />
positiven Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit und erleichtern die Stellenbesetzung<br />
deutlich. Gerade für Mitarbeiter mit kleinen Kindern erleichtern sie den Arbeitsalltag<br />
erheblich – auch wenn der Nutzen nur sehr schwer in Zahlen bewertet werden kann.<br />
Das Vorhalten betrieblich unterstützter Kinderbetreuung fordert vom Unternehmen<br />
zunächst eine Investition – gerade beim Bau und Betrieb einer Kindertagesstätte sind<br />
erhebliche finanzielle und personelle Mittel notwendig. Diese Investition signalisiert<br />
jedoch die Bereitschaft des Unternehmens, sich sozial zu engagieren – in diesem Fall<br />
nicht nur für die eigenen Mitarbeiter, sondern auch für die Bewohner der umliegenden<br />
Ortschaften.<br />
45
Aber selbst wenn keine großen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, kann eine Klinik<br />
sich für eine verbesserte betriebliche Kinderbetreuung engagieren. Eine Kooperation<br />
mit Tagesmüttern in der Umgebung des Hauses und ein finanzieller Zuschuss bei der<br />
Betreuung sind ohne großen Aufwand für jede Klinik möglich. Darüber hinaus kann<br />
man auch den Kontakt zu Betreibern von Kindertageseinrichtungen suchen und die<br />
Möglichkeiten der Zusammenarbeit sowohl in einer nahe gelegenen Kita als auch in den<br />
eigenen Räumlichkeiten prüfen.<br />
Wie auch immer die Entscheidung fällt - bei allen Planungen sollte idealerweise das<br />
örtliche Jugendamt oder das Landesjugendamt mit einbezogen werden. Eine gute<br />
Kommunikation erleichtert den Prozess der Betriebserlaubnis und der damit zusammenhängenden<br />
Prüfungen erheblich.<br />
Die AHG Klinik Schweriner See ist eine Rehabilitationsklinik mit 204 Behandlungsplätzen<br />
mit den Behandlungsschwerpunkten psychosomatische Erkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen.<br />
Sie besteht seit 1994. Jährlich werden rund 1.100 Patienten<br />
behandelt. Die Klinik beschäftigt zusammen mit der eigenen Servicegesellschaft ca. 180<br />
Mitarbeiter, darunter 14 Ärzte, 17 Pflegende, 17, Erzieherinnen und 55 therapeutisch<br />
tätige Mitarbeiter.<br />
46
Qualifikationen richtig einsetzen<br />
Umverteilung von Tätigkeiten und interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
im stationären Bereich<br />
von Stefanie Bothur, Dr. Gunhild Küpper, Norbert Vongehr, Helena Wohlgemuth<br />
Krankenhäuser stehen vor großen Herausforderungen: Demografischer Wandel,<br />
Fachkräftemangel, knapper werdende finanzielle Ressourcen. Gleichzeitig müssen sie<br />
ihre Qualität steigern und im Wettbewerb bestehen, dabei steht das Patientenwohl<br />
immer an erster Stelle. Das Hellmig-Krankenhaus in Kamen verfolgt diese Ziele erfolgreich<br />
mit der Umverteilung von Tätigkeiten im stationären Bereich und dem Einsatz<br />
von Servicekräften.<br />
Insbesondere für Krankenhäuser in ländlichen Regionen ist es schwierig »gutes« und ausreichend<br />
Personal zu rekrutieren. Verstärkt wird die Situation durch den demografischen<br />
Wandel: Es gibt immer weniger Nachwuchskräfte. Weitere Facetten des demografischen<br />
Wandels – die die Krankenhäuser gleich zweifach treffen – sind zum einen die immer<br />
älter werdenden multimorbiden Patienten, welche zunehmend pflegebedürftiger sind.<br />
Zum anderen werden aber auch die Mitarbeiter/-innen immer älter, was insbesondere<br />
in der Funktionsgruppe Pflegedienst bereits heute zu hohen Belastungen führt. Zukünftig<br />
werden diese noch deutlich zunehmen. Zusätzlich verkomplizieren die immer schwieriger<br />
gewordene Finanzierung der Krankenhäuser und die damit erfolgte starke Reduzierung<br />
der Personaldecke eine qualitativ hochwertige Versorgung.<br />
Hier setzte die Hellmig-Krankenhaus Kamen gGmbH an. Mit der Umverteilung der stationären<br />
Tätigkeiten sollten sowohl dem demografischen Wandel und Fachkräftemangel<br />
begegnet, aber auch ein weiterer Schritt zur Qualitätssteigerung gegangen werden. Im<br />
Wettbewerb um Patienten, wie auch um zukünftige Mitarbeiter, sollte das Hellmig-<br />
Krankenhaus noch attraktiver werden und den Patienten mehr Service bieten können.<br />
Mit dem im Jahr 2010 gestarteten Projekt »Kooperatives Prozessmanagement: Umverteilung<br />
von Tätigkeiten im stationären Bereich – Der Einsatz von Servicekräften« stellten<br />
Geschäftsführung und Pflegedirektion die Weichen, um die Strukturen im Hellmig-<br />
Krankenhaus an aktuelle und zukünftige Herausforderungen anzupassen und einen weiteren<br />
Schritt in Richtung Stärkung der Unternehmensresilienz zu gehen. Durch Delegation<br />
und Substitution ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegekräfte und pflegefremder Tätigkeiten auf<br />
Servicekräfte erfolgt eine Entlastung der Beschäftigtengruppen. (Vgl. VPU (2009a), S. 9ff.;<br />
VPU (2009b), S. 3. ff.; Bostelaar, R. A./Kießling, C. (2010), S. 11.) Der ärztliche Dienst wie<br />
auch der Pflegedienst kann sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, die Qualität<br />
der Versorgung wird verbessert und personelle Engstellen können entspannt werden.<br />
Die Reduktion von pflegefremden Tätigkeiten führt im Pflegedienst zu einer inhaltlichen<br />
Aufwertung, Leistungsqualität wird verbessert und gleichzeitig werden Kosten gespart.<br />
Das Change-Projekt wurde von der Unternehmensberatung Küpper Sozialforschung ® &<br />
Consulting GmbH konzeptionell und operativ-beratend begleitet.<br />
47
Bedarfsermittlung, Organisation und Rahmenbedingungen<br />
Das Projekt startete mit einer Prozessanalyse auf allen Stationen des Krankenhauses.<br />
Ziel war es zu analysieren, wer real welche Tätigkeiten ausübt, welche Prozesse wie<br />
verlaufen, welche Rollenverteilung auf den Stationen stattfindet und welche spezifischen<br />
Tätigkeiten auf den einzelnen Stationen erfolgen. Jede Station (insgesamt<br />
sieben) wurde im Rahmen einer offenen, teilnehmenden Beobachtung individuell<br />
begleitet und diese bedarfsorientiert durch Fachgespräche ergänzt. Die Mitarbeiter/-<br />
innen konnten und sollten ihren Arbeitsalltag wie üblich bewältigen, hatten aber<br />
auch die Möglichkeit, auf Besonderheiten hinzuweisen. Aus den Ergebnissen wurden<br />
Handlungsempfehlungen abgeleitet, die auf einem interdisziplinären Treffen des oberen<br />
und mittleren Managements vorgestellt und diskutiert wurden. Anschließend verabschiedete<br />
die Betriebsleitung einen Fahrplan für den weiteren Projektverlauf, u. a. auch die<br />
Pilotierung auf einer internistischen Station.<br />
Ziel war es, delegations- und substitutionsfähige ärztliche Tätigkeiten an Pflegefachkräfte<br />
oder den Admed-Service © zu übertragen, wie z.B. venöse Blutentnahmen, i. v.<br />
Injektionen oder Folgeverbandwechsel. Parallel wurden die Pflegekräfte durch den<br />
Einsatz der Servicekräfte entlastet (Abbildung 1). Die Innovation lag hier insbesondere<br />
im Qualifikationsmix der Servicekräfte: Administrative und medizinische Aufgaben<br />
(Kurven verwalten, Telefonate annehmen, Aufnahme- und Entlassungsmanagement,<br />
Blutentnahmen etc.) werden vom Admed-Service © durchgeführt; der Stations-Service<br />
unterstützt die Pflegekräfte z.B. bei der Grundpflege, übernimmt die Messung und<br />
Dokumentation von Vitalzeichen und führt Reinigungstätigkeiten durch, wie das<br />
Abwischen der Nachtschränkchen.<br />
Abbildung 1: Neuverteilung der Tätigkeiten auf die Berufsgruppen<br />
48
Eine interdisziplinär zusammengesetzte Steuerungsgruppe passte für die Umverteilung<br />
der Tätigkeiten zunächst die Rahmenbedingungen an; die Tätigkeitenkataloge wurden<br />
aufgestellt, Zuständigkeiten und Kommunikationsstrukturen festgelegt sowie<br />
Stellenbeschreibungen für den Admed © - und Stations-Service erstellt bzw. für die<br />
Pflegefachkräfte und stationäre Leitung verändert. Ein wichtiger Baustein war hier<br />
auch die Definition einer Medikamentenpositivliste, die ergänzt um Wirkungsweise,<br />
Nebenwirkungen und Verabreichungsdetails festlegt, welche Medikamente von den<br />
Pflegekräften überhaupt appliziert werden dürfen. Diese Liste wird alle drei Monate<br />
aktualisiert und muss durch den Ärztlichen Direktor oder zuständigen Chefarzt gegengezeichnet<br />
werden. So herrscht jederzeit Transparenz und Sicherheit über Medikamente,<br />
die von der Pflege oral, als Kurzinfusion oder auch injiziert verabreicht werden dürfen.<br />
Die Steuerungsgruppe verabschiedete darüber hinaus einen neuen Fragebogen zur<br />
Evaluation der Patientenzufriedenheit. Die Patientenbefragung sollte quantitativ gesteigert<br />
und die einzelnen Items optimiert ausgewertet werden. Dazu wurden die<br />
Bewertungsbereiche differenziert und ein patientenfreundliches Benotungssystem<br />
(ankreuzen, Bewertung nach Schulnoten) aufgenommen. In jedem Bewertungsbereich<br />
(von der Sauberkeit der Zimmer über die krankengymnastische Betreuung bis hin zum<br />
Entlassungsprozess) gibt es Raum für Kommentare. Der Fragebogen berücksichtigt nicht<br />
nur die stationäre Versorgung, sondern auch die Betreuung durch andere Berufsgruppen,<br />
Sauberkeit im Krankenhaus und Abläufe.<br />
Die Pilotierung erfolgte auf einer internistischen Station mit 36 Betten. Das Patientenklientel<br />
ist meist sehr pflegeintensiv (high-care), hier liegen komorbide Patienten, viele<br />
ältere Personen und Isolationspatienten. Während der siebenmonatigen Pilotierungsphase<br />
wurden die Bereichsleitung und stationäre Leitung begleitet und in ihrer<br />
Leadershiprolle gestärkt. Es konnten ein großer Mehrwert erreicht, anfängliche Skeptiker<br />
überzeugt und Servicekräfte erfolgreich auf der Station eingesetzt werden.<br />
Personalrekrutierung und –qualifizierung<br />
Ziel war es, Servicekräfte möglichst hausintern zu rekrutieren, projektbedingte Kündigungen<br />
zu vermeiden und Pflegepersonal so umzuverteilen, dass es auf anderen<br />
Stationen offene Stellen besetzen konnte. Sowohl der Admed-Service © als auch<br />
Mitarbeiterinnen des Stations-Services konnten intern besetzt bzw. es konnte auf ehemalige<br />
Mitarbeiterinnen (Praktikantinnen, Aushilfen) zurückgegriffen werden. Einige Stellen<br />
wurden aber auch extern neu besetzt. Der Bewerberpool, meist Frauen über 40, bestand<br />
aus überwiegend sehr gut qualifizierten Kandidatinnen. Viele hatten bereits Erfahrungen<br />
in der Alten- bzw. Krankenpflege oder waren in sozialen Bereichen engagiert.<br />
Neben Stellenanzeigen und professioneller Unterstützung einer Personalvermittlung<br />
bekam die Pflegedirektion auch Bewerbungen aufgrund des persönlichen Kontakts der<br />
Bewerberinnen mit Krankenhausmitarbeitern. Zunächst wurden neben einer Admed-<br />
Servicekraft © noch zwei Stations-Servicekräfte eingesetzt, später wurde die Anzahl der<br />
Mitarbeiterinnen im Stations-Service auf vier Personen erhöht.<br />
49
Alle Servicekräfte wurden intensiv geschult und für die zu übernehmenden Tätigkeiten<br />
qualifiziert. Beispiele für Schulungs- und Trainingsinhalte sind »Schulung der pflegerischen<br />
Tätigkeiten«, »Grundlagen diätischer Versorgung und Lebensmittelkenntnisse«, »Hygiene<br />
und Desinfektion« sowie »Kundenorientierung«. Einige Schulungsinhalte konnten intern<br />
erfolgen, Trainings zur Kundenorientierung und Rollenreflexion wurden von der begleitenden<br />
Unternehmensberatung angeboten. Erst nach intensiver Vorbereitung erfolgte<br />
der Praxiseinsatz; ein hoher Sicherheits- und Qualitätsanspruch waren hier unabdingbare<br />
Voraussetzung. Auch im stationären Einsatz standen den Servicekräften jederzeit für<br />
Rückfragen oder bei Unsicherheiten Ansprechpartner zur Verfügung.<br />
Ergebnisse und Erfahrungen der Pilotierungsphase<br />
Die Pilotierung auf der pflegeintensiven, internistischen Station startete im Februar/<br />
März 2011 mit den Schulungen und Trainings. Vor Beginn der Praxisphase fand eine<br />
Informationsveranstaltung für die Mitarbeiter statt, die allen Beteiligten die Hintergründe,<br />
Ziele und den Ablauf deutlich machte. Da die Einführung von Servicekräften für die<br />
Mitarbeiter eine große Veränderung war, wurde besonders viel Wert auf Transparenz,<br />
offene Kommunikation und die Einbeziehung funktionsgruppenübergreifender Experten<br />
gelegt. Nur wenn alle Mitarbeiter den Change mittragen, kann die Veränderung erfolgreich<br />
sein.<br />
Die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Servicekräfte waren gut gestaltet und vorbereitet:<br />
Es gab für jede Berufsgruppe einen Tätigkeitskatalog, eine Stellenbeschreibung<br />
und eine auf der Station aushängende Übersicht, wer für welche Tätigkeiten zuständig<br />
ist (Abbildung 2). Direkt zu Pilotierungsbeginn waren alle Beteiligten stark gefordert:<br />
Die Station hatte viele Isolationspatienten und einen deutlich spürbar erhöhten<br />
Pflegeaufwand. So wurden die Belastungsfähigkeit des Konzepts schnell erprobt und<br />
kleinste Unregelmäßigkeiten aufgedeckt. Erklärtes Ziel war es, die Belastungsprobe »aus<br />
eigener Kraft« zu bestehen und die Erfahrungen für eine resiliente Aufstellung zu nutzen.<br />
Das Stationsteam war nach kleinen Veränderungen erfolgreich und kann unbedenklich<br />
zukünftigen Ausnahmesituationen entgegensehen.<br />
Hellmig-Krankenhaus Kamen gGmbH<br />
Bettenzahl: 207<br />
Anzahl Mitarbeiter/-innen (in Köpfen): ca. 350 MA<br />
Versorgungsart: Grund- und Regelversorgung<br />
Träger: Hellmig-Krankenhaus Kamen gGmbH<br />
Ort: Kamen, Nordrhein-Westfalen<br />
Geschäftsführer: Norbert Vongehr<br />
Pflegedirektorin: Helena Wohlgemuth<br />
Ärztlicher Direktor: Dr. Dieter Metzner<br />
Homepage: www.hellmig.de<br />
50
Abbildung 2: Übersicht: Wer ist wofür zuständig?<br />
51
Nach rund sechs Wochen fand ein erster Reflexionsworkshop mit allen beteiligten<br />
Berufsgruppen statt: Pflegeteam, Servicekräfte, zuständige Ober- und Assistenzärzte, Führung<br />
(Pflegedirektorin, Bereichsleitungen, stationäre Leitung). Hier wurden die Prozesse<br />
auf der Station, die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit und Schnittstellen zum<br />
Thema gemacht. Es wurden konkrete Schwachstellen in der Zusammenarbeit analysiert,<br />
Schritte für die Prozessanpassung erarbeitet und eine offene Kommunikation gefördert.<br />
Alle »Betroffenen« konnten sich aktiv an der weiteren Gestaltung beteiligen und ihre<br />
Praxiserfahrungen einbringen.<br />
Die Ergebnisse des Reflexionsworkshops bildeten die Grundlage für die anschließende<br />
bedarfsorientierte Prozessoptimierung:<br />
• Bessere Abstimmung und Verbindlichkeit bei den von der Pflege<br />
begleiteten ärztlichen Visiten<br />
• Geringe Veränderung der Tätigkeitenzuordnung und damit auch des Stellenschlüssels<br />
• Gemeinsame tägliche Stationsbesprechungen aller Pflege-, Admed ©<br />
und Stations- Servicekräfte<br />
• Organisation »Erster Durchgang und Grundpflege«.<br />
Insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit führt häufig zu Irritationen. Tradierte<br />
berufsgruppeninterne Abläufe können nur schwer verändert werden und auch bestimmte<br />
Verhaltensweisen sind oft nicht einfach abzulegen. Hier ist es notwendig, Rituale zu<br />
überdenken und einen Kompromiss zu finden, der jeder Berufsgruppe entgegenkommt.<br />
Rituale überdenken und Kompromisse finden<br />
Pflege an der Visite beteiligen<br />
In der Pilotierung zeigte sich dieses Muster beim Thema »Visite«: Die Visiten konnten<br />
vor Projektbeginn nur sporadisch von der Pflege begleitet werden. Um jedoch die<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern, den Informationsaustausch zu optimieren,<br />
redundante Kommunikationsprozesse zu vermeiden und damit eine verbesserte Qualität<br />
in der Patientenbetreuung zu erreichen, sollen Visiten zukünftig von der zuständigen<br />
Bereichspflegekraft begleitet werden. Die Abstimmung der Visitenzeiten gestaltete<br />
sich dabei kompliziert: Zeitweise mussten Visiten von bis zu vier Assistenzärzten, zwei<br />
Oberärzten und einem Chefarzt koordiniert werden.<br />
Der ärztliche Dienst hat Verpflichtungen in der Funktionsabteilung, der Pflegedienst<br />
muss einen reibungslosen Stationsablauf sicherstellen (Grundpflege, Mahlzeiten, Untersuchungsvorbereitungen).<br />
Insbesondere durch die hohe Pflegeintensität, aber auch durch<br />
den zeitlichen Aufwand für die Versorgung der Isolationspatienten benötigt man ein<br />
gutes Zeitmanagement. Ziel war daher, die Visiten, nicht wie bisher, dann durchzuführen,<br />
wenn der behandelnde Arzt ein freies Zeitfenster hatte, sondern vorab feste Visitenzeiten<br />
abzustimmen. Bewährt hat sich die Definition von Zeitkorridoren, in denen Visiten stattfinden.<br />
Diese werden jeweils zu Wochenbeginn durch genaue Terminabsprachen mit der<br />
stationären Leitung oder dem Admed-Service © konkretisiert. Bei unvorhergesehenen<br />
Zwischenfällen im ärztlichen Dienst erfolgt eine rechtzeitige Information der Station. Nur<br />
in Ausnahmefällen finden die Visiten ohne eine Pflegekraft statt. Voraussetzung für einen<br />
52
gemeinsamen Durchgang ist selbstverständlich eine gute Vorbereitung und eine zeitlich<br />
effiziente Visite.<br />
Neue Berufsgruppe einbinden<br />
Mit der Einführung einer neuen Berufsgruppe gibt es nicht nur neue Mitarbeiter auf der<br />
Station, sondern »die Fraktionen« müssen auch zusammenwachsen: Die neue Berufsgruppe<br />
muss ein Teil des interdisziplinären Leistungsteams werden. Die Teamfindung<br />
und das Aufbauen eines »Wir-Gefühls« konnte in der Pilotierung durch ausgewählte<br />
Maßnahmen unterstützt werden, wie z.B. gemeinsame tägliche Teambesprechungen,<br />
Kooperation bei Tätigkeiten und Förderung der gegenseitigen Wertschätzung. So<br />
fand zu Beginn der Pilotierung die fünfzehnminütige Pflegebesprechung nur mit<br />
den Pflegekräften, teilweise auch mit dem Admed © -Service statt. Zur Förderung des<br />
Informationsflusses, aber auch zur Teamintegration, sind nun sowohl der Admed © - als<br />
auch der Stations-Service fester Bestandteil der morgendlichen Besprechung. Auch die<br />
Übergabe an den Spätdienst (Übergabe am Patientenbett) erfolgt gemeinsam mit dem<br />
Stations-Service.<br />
Loslassen alter Tätigkeiten<br />
Einen Entwicklungsprozess für die Pflegekräfte stellte auch das Loslassen alter Tätigkeiten<br />
dar. Schwierigkeiten mit dem Abgeben von Aufgaben waren insbesondere im morgendlichen<br />
»ersten Durchgang« und der Grundpflege erkennbar. Zu Beginn der Pilotierung<br />
erfolgten hier die Tätigkeiten des Stations-Services und der Pflegekräfte parallel. Das<br />
führte häufig dazu, dass einige Pflegekräfte bestimmte Tätigkeiten nicht wie festgelegt<br />
an den Stations-Service abgaben, sondern sie »mal eben schnell selbst« erledigten;<br />
Zuständigkeiten verschwammen und reibungslose Abläufe waren nicht möglich. Hier<br />
konnte durch konsequente Führung Einheitlichkeit sichergestellt werden: Pflege- und<br />
Servicekräfte arbeiten nun getrennt, die Pflegekräfte können sich weiterhin bei bestimmten<br />
Tätigkeiten vom Stations-Service unterstützen lassen, die stationäre Leitung und auch<br />
die Bereichsleiterin kommunizieren und reflektieren regelmäßig die Abläufe. Wichtig<br />
war es, »dran zu bleiben« bis die alten Denkmuster aufgelöst und das Neue alltäglich<br />
geworden ist. Die Führungskräfte wurden, um die neuen Herausforderungen noch besser<br />
bewältigen zu können, durch Coachings unterstützt.<br />
Evaluation und Roll-out<br />
Nach dem Ende der Erprobungsphase fand auf der Pilotstation die Verstetigung statt. Eine<br />
abschließende Evaluation ermittelte qualitative und quantitative Erfolge.<br />
Im Rahmen von Mitarbeitergesprächen gaben 80 Prozent der Stationsärzte, Pflegeund<br />
Servicekräfte an, dass die Einführung von Servicekräften das Krankenhaus als<br />
Dienstleistungseinrichtung am Patienten einen großen Schritt weiter gebracht hat. Die<br />
Pflegekräfte und Ärzte empfinden die Einführung der Servicekräfte als große Entlastung<br />
(Abbildungen 3 und 4a und b). Sie berichten von erheblicher Zeitersparnis durch den<br />
Wegfall von Tätigkeiten aus ihrem »alten« Aufgabenkatalog, die die Pflege z.B. für die<br />
Durchführung ärztlicher Tätigkeiten oder die Visitenbegleitung nutzen kann; der ärztliche<br />
Dienst lobt die verbesserten Organisationsstrukturen.<br />
53
Abbildung 3: Große Zufriedenheit mit dem Ergebnis des Projekts bei den Mitarbeitern<br />
Abbildung 4a: Feedback Pflegedienst<br />
54<br />
Feedback Pflegedienst<br />
• Der erste Durchgang ist nun viel besser, da der Stations-Service<br />
die Vitalzeichen und den Blutzucker misst.<br />
• Sie sind notwendig! Schön, dass sie da sind!<br />
• Die Patienten sind sehr zufrieden!<br />
• Bessere Kommunikation zwischen Pflege und Ärzten.<br />
• Es gibt eine erhebliche Zeitersparnis aufgrund des Essensverteilens,<br />
des Abrüstens der Zimmer und dem Hol-und Bringedienst durch<br />
den Stations-Service.<br />
• Tätigkeiten, die vorher nicht durchgeführt wurden, können nun<br />
meistens erledigt werden.<br />
• Die Servicekräfte sind eine große Unterstützung und wir werden<br />
sehr entlastet. Der Stations-Service misst die Vitalzeichen und den<br />
Blutzucker und der Admed-Service unterstützt administrativ.<br />
Das bringt viel mehr Zeit für die ärztlichen Tätigkeiten.<br />
• Stimmung und Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen auf der Station<br />
sind klasse!<br />
• Wenn ich jetzt schon mal auf anderen Stationen ohne Servicekräfte<br />
aushelfe, fehlen sie mir besonders. Ich weiß gar nicht mehr, wie<br />
wir ohne sie auskommen konnten.
Feedback ärztlicher Dienst<br />
• Ich habe mehr Freiräume, ich muss nicht Zwecks Spritzen zu<br />
bestimmten Zeitpunkten auf der Station sein.<br />
Das schafft mir mehr Zeit für andere Dinge und ich kann meine<br />
Arbeit anders organisieren.<br />
• Der Admed © -Service ist klasse, ich vergebe fünf Sterne. Er ist sehr<br />
gut, sehr hilfreich, sehr wichtig.<br />
• Erhebliche Entlastung der Ärzte!<br />
• Begleitung der Visite: Die Visite hat ein höheres Niveau und ist<br />
umfangreicher. Die Ärzte erhalten wichtige Patienteninformationen<br />
von der Pflege.<br />
• Alle Befunde sind jetzt zeitnah da und ich muss nicht mehr selbst<br />
überall anrufen, das brauchte meistens viele Versuche und kostete<br />
viel Zeit.<br />
• Bessere Kommunikation zwischen Pflege und Ärzten.<br />
• Es gibt jetzt eine große Entlastung bei den Ärzten. Wir müssen<br />
nicht mehr i.v. spritzen, selten Vigos legen und haben kaum<br />
Blutentnahmen.<br />
• Die Außendarstellung der Pflege wurde verbessert.<br />
Abbildung 4b: Feedback ärztlicher Dienst<br />
Neben der gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit spiegeln auch die betriebswirtschaftlichen<br />
Kennzahlen den Projekterfolg wider:<br />
So sinkt das pflegerische Überstundenkonto kontinuierlich. Die Pilotstation hat aktuell nur<br />
rund 30 bis 45 Prozent der Überstunden, die andere Stationen des Krankenhauses aufweisen;<br />
und sie gehen weiter zurück. Gründe hierfür sind die verbesserten Prozessabläufe<br />
und die Aufwertung der pflegerischen Tätigkeiten.<br />
Die Mitarbeiter sind weniger »gehetzt«, sie sind zufrieden, für alle ist es ein gesünderes<br />
Arbeiten als zuvor. Das zeigt auch der niedrige Krankenstand von 3,3 Prozent, er ist hier<br />
geringer als auf allen anderen Stationen.<br />
Auch die Anzahl der Überlastungsanzeigen hat sich während der Pilotierung im Vergleich<br />
zum Vorjahreszeitraum um mehr als 50 Prozent reduziert.<br />
Die Patientenverweildauer sank bei gestiegener Patientenfallzahl um 5,7 Prozent.<br />
Nach der erfolgreichen Erprobung soll das Konzept nun auch auf den anderen Stationen<br />
umgesetzt werden. Hier erhält die Pflegedirektion sogar Anfragen der Pflegekräfte, wann<br />
auch bei ihnen endlich der Einsatz von Servicekräften erfolgt. Zu beachten ist, dass die<br />
Stationen ihre spezifischen Bedarfe aufzeigen und weder Tätigkeitenkataloge noch die<br />
55
Personalbemessung ohne Korrekturen zu übertragen sind. Insbesondere die VK-Stellen<br />
und Einsatzzeiten müssen auf den Versorgungsbedarf abgestimmt sein. Das fordert im<br />
Übrigen auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe DBFK. Unabhängig davon wird<br />
eine Betriebsvereinbarung geschlossen, und die stationären Leitungen müssen konsequent<br />
in ihrer Führungsrolle begleitet werden.<br />
Fazit<br />
In einem Pilotprojekt konnten Admed © - und Stations-Servicekräfte erfolgreich im<br />
Hellmig-Krankenhaus Kamen implementiert werden. Innovativ und erfolgreich war hier<br />
der Qualifikations-Mix aus Admed © - und Stations-Service. Das Projekt trägt dazu bei,<br />
dass das Krankenhaus gegenüber aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gut aufgestellt<br />
ist. Auch wird es dem Pflegekäfte- und Ärztemangel besser begegnen können.<br />
Die beiden größten Berufsgruppen werden entlastet, pflegerische Tätigkeiten aufgewertet<br />
und die Attraktivität des Krankenhauses bei Patienten und potenziellen Bewerbern<br />
erhöht. Neben der Leistungsqualität, konnten auch ökonomische Kennzahlen und die<br />
Mitarbeiterzufriedenheit gesteigert werden. In den nächsten Monaten erfolgt das Roll-out<br />
im gesamten Krankenhaus<br />
Das Hellmig-Krankenhaus ist ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung am<br />
östlichen Rand des Ruhrgebiets. Es beschäftigt rund 200 Mitarbeiter/-innen im Pflegeund<br />
Funktionsdienst sowie rund 40 Ärztinnen und Ärzte und verfügt über 207 Betten.<br />
In der Bereichspflege übernehmen die Pflegekräfte alle patientennahen Tätigkeiten. Sie<br />
werden im administrativen Bereich von pflegerischen/ärztlichen Assistentinnen unterstützt,<br />
die auch die DRG-Kodierung der Diagnosen durchführen.<br />
Literatur<br />
Bostelaar, René A./Kießling, C. (2010):<br />
Patienten-Service im Krankenhaus – Ein strategisches Instrument für das Gesundheitsunternehmen<br />
der Zukunft<br />
Hannover<br />
König, Romy (<strong>2012</strong>):<br />
Assistenten sind kein Allheilmittel.<br />
In: kma pflege, 11. Jg., H. 1, S. 6-7<br />
VPU, Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätsklinika in<br />
Deutschland (2009a):<br />
Übernahme ärztlicher Tätigkeiten<br />
Münster<br />
VPU, Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätsklinika in<br />
Deutschland (2009b):<br />
Leitfaden Servicekräfte<br />
Münster<br />
56
Großprojekt Gesundheitszentrum<br />
Das Städtische Klinikum Brandenburg führte vier MVZ zusammen<br />
und sichert so auch die ambulante Versorgung<br />
von Gabriele Wolter, Dr. Harald Vanherpe, Olaf String<br />
Das Städtische Klinikum Brandenburg gründete am 1. April 2005 sein erstes<br />
Medizinisches Versorgungszentrum mit zwei Arztsitzen unter Führung der 100prozentigen<br />
Tochtergesellschaft »Gesundheitszentrum Brandenburg an der Havel GmbH«.<br />
Der weitere Erwerb von Kassenarztsitzen ergab zum Ende 2010 den Stand von 15<br />
Fachdisziplinen an vier Standorten. Die organisatorischen, logistischen und strukturellen<br />
Mängel dieses Konstrukts wurden durch die strategische Investition in einen<br />
Neubau mit zentraler Lage und guter verkehrstechnischer Anbindung gelöst. Zur<br />
Erhöhung der Standortattraktivität wurden zusätzlich Anbieter von gesundheitsnahen<br />
Dienstleistungen in das Projekt mit einbezogen. Das Projekt, die Umsetzung, die<br />
Vor- und Nachteile eines Gesundheitszentrums werden dargestellt. Ein Jahr nach<br />
Inbetriebnahme wird die aktuelle Lage positiv bewertet.<br />
Die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung in einer ländlichen Umgebung<br />
zu gewährleisten, wird immer schwieriger. Einzelpraxen in ländlichen Regionen können<br />
häufig nicht nachbesetzt werden mit der Folge, dass sich die ambulante Versorgung<br />
weiter verschlechtert. Das Städtische Klinikum Brandenburg hat eine Reihe von nicht<br />
nachbesetzten KV-Sitzen erworben und in mehrere Medizinische Versorgungszentren<br />
(MVZ) überführt. Sicherstellung der ambulanten Versorgung und ein wirtschaftlich ausgeglichenes<br />
Ergebnis waren die Prämissen des nachfolgend geschilderten Projektes.<br />
Situation der Medizinzischen Versorgungszentren (MVZ)<br />
Laut Information der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) waren in Deutschland<br />
mit dem Stand 1. Quartal 2011 bundesweit 1700 MVZ zugelassen. In diesen MVZ waren<br />
insgesamt 8969 Ärzte tätig, davon 7657 im Angestelltenverhältnis. Durchschnittlich<br />
waren je MVZ 5,3 Ärzte beschäftigt. Die Zentren befanden sich zu 37,1 Prozent in der<br />
Trägerschaft eines Krankenhauses. Im Land Brandenburg waren nach Angaben der<br />
Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB), Stand 4. Quartal 2010, 58 MVZ mit 402<br />
im Angestelltenverhältnis beschäftigten Ärzten zugelassen. Die meisten von ihnen, 63,8<br />
Prozent, befinden sich in der Trägerschaft eines Krankenhauses.<br />
Entwicklung der MVZ Gesundheitszentrum Brandenburg GmbH<br />
Das erste MVZ wurde am 1. April 2005 gegründet und in die 100-prozentige<br />
Tochtergesellschaft der Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH, der Gesundheitszentrum<br />
Brandenburg an der Havel GmbH (GZB), integriert. In der Folgezeit wurde durch<br />
den Erwerb weiterer Arztsitze das GZB stetig vergrößert. Diese Ausweitung erfolgte nicht<br />
durch eine aktive Akquise oder strategische Aufkäufe von KV-Zulassungen, sondern durch<br />
kalkulierte Übernahmen von Arztpraxen zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung.<br />
Es wurde darauf geachtet, dass aus den Ankäufen von KV-Sitzen ein ausgewogenes<br />
Portfolio an ambulanten Versorgungsangeboten resultierte.<br />
57
Mit dem Stand Ende 2010 waren im GZB vier MVZ zusammengefasst, die allerdings an<br />
vier verschiedenen Standorten in der Stadt Brandenburg an der Havel lokalisiert waren. Es<br />
handelte sich dabei um ein MVZ mit zwei Fachdisziplinen und zwei Ärzten (Chirurgie und<br />
Dermatologie), ein MVZ mit vier Fachdisziplinen und sechs Ärzten (Rheumatologie, Innere<br />
Medizin - Hausärztliche Versorgung, Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde). An zwei weiteren<br />
Standorten in der Stadt gab es ein MVZ mit drei Fachdisziplinen und vier Ärzten (HNO,<br />
Physikalische und Rehabilitative Medizin) sowie ein MVZ mit sechs Fachdisziplinen und elf<br />
Ärzten (Augenheilkunde, Neurochirurgie, Pathologie, Nuklearmedizin, Endokrinologie,<br />
Radiologie). In Summe waren im GZB Ende 2010 an vier Standorten 15 Fachdisziplinen<br />
und Arztpraxen mit 24 angestellten Ärzten zusammengefasst.<br />
Mit zunehmender Größe des GZB stiegen stetig nicht nur die Anforderungen an die<br />
Logistik, sondern auch die strukturellen und organisatorischen Kosten kontinuierlich an.<br />
Die wichtigsten strukturellen und organisatorischen Mängel waren:<br />
• ein hoher Aufwand für An- und Abtransport von Materialien, Verbrauchsgütern,<br />
Blut- und Gewebeproben, Praxis- und Sondermüll bis hin zum sicheren Transport<br />
von Praxisgebühreinnahmen<br />
• keine gemeinsamen Personalpläne, die eine personelle Sicherstellung des Praxisbetriebes<br />
bei krankheits- und urlaubsbedingten Ausfällen gewährleisten<br />
konnten<br />
• erhebliche Investitionsrückstände und ein hoher Anteil notwendiger Ersatzbeschaffungen<br />
(der überwiegende Anteil der übernommenen Arztpraxen war<br />
in den Jahren 1990 bis 1992 gegründet worden)<br />
• ein sehr unterschiedliches Niveau der Ausstattung mit Hardware und Bürotechnik -<br />
zum Teil erfolgte die Dokumentation ohne EDV-Unterstützung, jedes MVZ dokumentierte<br />
in einer eigenen, nicht vernetzten Praxissoftware, die zudem verschiedene<br />
Service- und Wartungsverträge bedingten<br />
• unterschiedliche Konditionen für Miete und Betriebskosten an den vier Standorten,<br />
autarke Arbeit jedes Standorts ohne direkten fachlichen Austausch der im GZB<br />
geführten Arztpraxen<br />
• weite Wege für die Patienten<br />
Die Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH ist ein Klinikum der qualifizierten Regelversorgung<br />
mit Schwerpunktaufgaben. Es verfügt über 466 Betten. Dreizehn bettenführende<br />
Fachabteilungen, ein Institut und eine große interdisziplinäre Notaufnahme<br />
versorgen pro Jahr ca. 25.000 stationäre und ca. 35.000 ambulante Patienten aus der<br />
Stadt Brandenburg an der Havel und den angrenzenden Landkreisen, ein Einzugsgebiet<br />
das ca. 250.000 Einwohner umfasst. Überregionale Bedeutung haben die Bereiche<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Gefäß- und Neurochirurgie sowie die augenärztliche<br />
und HNO-ärztliche Behandlung. Das Klinikum Brandenburg ist akademisches Lehrkrankenhaus<br />
der Charité.<br />
58
Das Gesundheitszentrum des Städtischen Klinikums Brandenburg<br />
Planung des Projektes »Gesundheitszentrum am Hauptbahnhof«<br />
Die genannten Nachteile zeigten deutlich, dass eine Zusammenführung der Standorte<br />
unter Vereinheitlichung von Struktur, Organisation und Logistik dringend geboten war.<br />
Nach Unterstützung des Vorhabens durch die Politik erfolgte die Planung des Neubaus<br />
»Gesundheitszentrum am Hauptbahnhof« unter folgenden Prämissen:<br />
1. Zentrale Lage an einer Bundesstraße mit großer Nähe zum Brandenburger Hauptbahnhof<br />
und gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV),<br />
2. Aufnahme sämtlicher im GZB vorgehaltenen Arztpraxen aller Standorte und darüber<br />
hinaus Ausweisung ausreichender Flächen für freiberufliche Ärzte sowie gewerbliche<br />
Gesundheitsanbieter, um Kooperationsmöglichkeiten zu schaffen und den Patienten eine<br />
ganzheitliche Versorgung und kurze Wege anzubieten,<br />
3. Ermöglichung von Synergien im Hinblick auf gemeinsamen An- und Abtransport,<br />
gemeinsame Nutzung von Warte- und Anmeldebereichen, spezielle Angebote für logistische<br />
Unterstützung, gemeinsame Nutzung von Sozialräumen, Umkleidebereichen und<br />
Konferenzzimmern, zeitnahe Umsetzung einer abgestimmten gemeinsamen Nutzung des<br />
ausgebauten OP-Bereiches von Ärzten des GZB als auch ambulant operierenden Ärzten,<br />
4. Umstellung auf eine vernetzte einheitliche Praxissoftware mit einer komfortablen<br />
Nutzerverwaltung zur Sicherstellung eines schnellen Informationsaustausches unter<br />
Einhaltung des Datenschutzes sowie zentraler Quartalsabrechnung mit der KVBB,<br />
5. Realisierung erweiterter Sprechstundenangebote durch Flexibilisierung und Abstimmung<br />
der Öffnungszeiten,<br />
6. Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit der Möglichkeit, zusätzliche<br />
Einnahmen zu erzielen,<br />
59
7. Die Fachdisziplinen, die einen unmittelbaren räumlichen Bezug zum Klinikum<br />
Brandenburg haben, sehr gut und neuwertig ausgestattet sind, sollten nicht in das<br />
»Gesundheitszentrum am Hauptbahnhof« umziehen und verblieben am bisherigen<br />
Standort (Pathologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Endokrinologie).<br />
Neben diesen geschilderten, unmittelbaren Vorteilen für das GZB wurden für die<br />
Errichtung des Gebäudes aus Sicht des Städtischen Klinikums Brandenburg weitere<br />
Vorteile gesehen:<br />
Die Einweisung von stationär zu behandelnden, elektiven Patienten kann durch<br />
Abstimmung mit den Ärzten des GZB gesteuert werden.<br />
Die Vernetzung von ambulantem und stationärem Bereich wird intensiviert, insbesondere<br />
durch die elektronische Unterstützung (Einweiserportal) zum Austausch behandlungsrelevanter<br />
Informationen.<br />
Es ergeben sich interessante Beschäftigungsangebote für Ärzte (auch des Klinikums), im<br />
Anstellungsverhältnis ambulant tätig zu sein, ohne ein eigenes wirtschaftliches Risiko zu<br />
tragen und mit der Möglichkeit, flexible Arbeitszeiten zu vereinbaren.<br />
Es können Weiterbildungsmöglichkeiten für Allgemeinmediziner zur Sicherung der ambulanten<br />
ärztlichen Versorgung in Zusammenarbeit mit dem Klinikum angeboten werden.<br />
Kooperationen mit niedergelassen freiberuflichen Kollegen im Hinblick auf gemeinsame<br />
Nutzung von Labor, Röntgen und Medizintechnik werden möglich.<br />
Der OP-Bereich im »Gesundheitszentrum am Hauptbahnhof« kann sowohl für ambulante<br />
Operationen des Klinikums als auch von ambulant operierenden Ärzte genutzt werden.<br />
Nicht zuletzt erfolgte die Planung »Gesundheitszentrum am Hauptbahnhof« mit dem<br />
gesellschaftlichen und politischen Auftrag, ein wohnortnahes verlässliches Angebot für<br />
die ambulante ärztliche Versorgung zu gewährleisten.<br />
Das Projekt<br />
Die Stadt Brandenburg an der Havel plante Anfang 2010 die Neugestaltung des<br />
Hauptbahnhofes und der angrenzenden Grundstücke, um die Attraktivität für Bevölkerung<br />
und Investoren zu erhöhen. Die zum Verkauf angebotenen Baugrundstücke eigneten<br />
sich hervorragend auch dafür, die zuvor skizzierten Planungsvorgaben für das<br />
Gesundheitszentrum zu erfüllen. Hierzu wurde ein 2.176 qm großes Baugrundstück in<br />
unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof mit Anbindung an eine Bundesstraße sowie in<br />
direkter Haltestellennähe von Bus und Straßenbahn erworben.<br />
Nach Bauantrag und –genehmigung erfolgte mit der Beräumung der Baufläche im Januar<br />
2010 der Baustart für das »Gesundheitszentrum am Hauptbahnhof«. Die Bauzeit betrug<br />
bis zum Einzug der ersten Arztpraxen am 2. April 2011 gut 14 Monate. Offiziell konnte<br />
das Gebäude bereits im Mai 2011 eingeweiht werden. Die Baukosten beliefen sich auf<br />
14,5 Millionen Euro ohne Fördermittel. Das Gebäude wurde mit vier Geschossen errichtet<br />
und verfügt über eine Bruttomietfläche von 5.607 qm, einen OP-Bereich mit zwei<br />
voll ausgestatteten OP-Sälen mit 527 qm Nutzfläche sowie über eine Tiefgarage mit 43<br />
Stellflächen auf einer Grundfläche von 2.176 qm.<br />
60
Mit dem Stand Mai <strong>2012</strong> sind 19 angestellte Ärzte des GZB mit den zuvor genannten<br />
Fachdisziplinen sowie zusätzlich einer Zahnärztin und einer MKG-Chirurgin im Gebäude<br />
etabliert. Des Weiteren haben acht freiberuflich tätige Ärzte im »Gesundheitszentrum am<br />
Hauptbahnhof« ihre angemieteten Räume bezogen. Darunter sind die Fachrichtungen<br />
Zahnmedizin, Frauenheilkunde, Neurologie und Psychiatrie, Radiologie (Mammographie-<br />
Screening), Anästhesie und Pulmologie. Zusätzlich konnten als Anbieter gesundheitsnaher<br />
Dienstleistungen eine Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Pflegeberatung,<br />
ein Hörgeräteakustiker, Zahnlabor, Labor, Sanitätshaus und eine Apotheke als Mieter<br />
gewonnen werden. Das Angebot wird komplettiert durch eine EDV-Beratungsfirma,<br />
eine Bäckerei und den Verein »Gesund in Brandenburg«, der sich um die Belange des<br />
Gesundheitsstandortes Stadt Brandenburg an der Havel bemüht.<br />
Panoramaansicht des Gesundheitszentrums<br />
Fazit<br />
Das Kontrahieren der MVZ-Standorte mit der Errichtung eines zentral gelegenen, gut<br />
erreichbaren Neubaus war eine sinnvolle und vor allem notwendige Entscheidung für<br />
das wirtschaftliche Führen der vier MVZ. Im Jahr <strong>2012</strong>, ein Jahr nach Einweihung des<br />
Gebäudes, war das Planungskonzept erfolgreich umgesetzt und die gesteckten Ziele<br />
weitgehend erreicht:<br />
Für das Unternehmen GZB:<br />
Senkung der Kosten für Gebäude, Logistik, Transport und Personal, Sicherstellung der<br />
Praxissprechzeiten auch bei krankheits- oder urlaubsbedingten personellen Engpässen<br />
Für die Patienten:<br />
gute Erreichbarkeit und kurze Wege durch eine hohe Facharztdichte und wichtige<br />
Dienstleistungen, Austausch autorisierter behandlungsrelevanter Informationen<br />
Für die Arztpraxen:<br />
gute Erreichbarkeit, flexiblere Arbeitszeiten, neues Inventar und Medizintechnik<br />
Für das Klinikum:<br />
gute logistische Anbindung und geregelter Informationsaustausch sowie die Möglichkeit<br />
der Patientensteuerung bei elektiven Behandlungen durch die Einweiser.<br />
61
Für die Stadt Brandenburg an der Havel:<br />
Schaffung sicherer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze und Sicherstellung wohnortnaher<br />
ambulanter ärztlicher Versorgung<br />
Für niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte:<br />
angepasste Beschäftigungsangebote in einem attraktiven Umfeld, bei Wunsch auch in<br />
Kombination mit dem Klinikum<br />
Ein so großes MVZ bzw. Gesundheitszentrum hat allerdings auch einige Nachteile und<br />
birgt Risiken:<br />
So wird das zentralisierte Angebot von Gesundheitsleistungen von niedergelassen Ärzten<br />
zum Teil als existenzielle Bedrohung empfunden, obwohl sich die Anzahl der KV-Sitze<br />
in unserem zulassungsbeschränkten Bereich nicht erhöht hat. Hier gab es im Vorfeld<br />
des Projektes einen hohen Diskussionsbedarf, der noch anhält. Kooperationsangebote<br />
des »Gesundheitszentrums am Hauptbahnhof« sollen die Zusammenarbeit sichern und<br />
Vorbehalte abbauen.<br />
Nicht jeder Patient findet sich damit zurecht, dass nicht »seine« Sprechstundenhilfe oder<br />
»sein« Arzt immer zu den Sprechzeiten da ist, sondern diese auch von anderen Ärzten<br />
und Medizinischen Fachangestellten abgedeckt werden. Diese Patienten werden dann<br />
vielleicht andere, einzelgeführte Arztpraxen oder Gemeinschaftspraxen bevorzugen.<br />
Nicht jeder Arzt möchte sich in eine kooperative, interdisziplinäre Zusammenarbeit einbinden<br />
lassen, so dass am Anfang der Zusammenlegung der MVZ-Standorte eine höhere<br />
Fluktuation des Personals, sowohl bei Ärzten als auch Medizinischen Fachangestellten, zu<br />
verzeichnen war. Es ist dann nicht mehr die »eigene« Praxis und Teambildung kann man<br />
nicht verordnen. Es ist daher wichtig, den Mitarbeitern Zeit und Unterstützung zu geben,<br />
damit sich bei ihnen das Gefühl, gemeinsam an diesem Projekt »Gesundheitszentrum am<br />
Hauptbahnhof« weiterzuarbeiten, entwickeln kann.<br />
Das Konzept »Gesundheitszentrum am Hauptbahnhof« ist ein mögliches Modell, die ambulante<br />
Versorgung in ländlichen Gebieten – bei vorausgesetzt guter Verkehrsanbindung -<br />
zu unterstützen, Das GZB hat bisher gute Erfahrungen gemacht. Für Fragen zur Planung,<br />
Umsetzung und Fertigstellung des Projektes stehen die Autoren gerne zur Verfügung.<br />
62
Ein Förderverein als Trägereinrichtung –<br />
kann das gut gehen?<br />
Organisationsstruktur der freigemeinnützige Tessinum GmbH<br />
ermöglicht vielfältige Synergien<br />
von Frank Acker und Kerstin Trommer<br />
Seit 1912 existieren am Standort der heutigen Tessinum GmbH Gesundheitseinrichtungen,<br />
die sich im Laufe der wechselvollen (ostdeutschen) Geschichte immer wieder<br />
in verschiedenen Organisations- und Wirtschaftsstrukturen befanden. Gegründet<br />
wurde das ursprüngliche Krankenhaus durch einen Förderverein der Einwohner des<br />
Ackerbürgerstädtchens Tessin und der Umgebung. Auch heute – 100 Jahre später –<br />
fungiert der Förderverein Tessinum e. V. als Hauptgesellschafter der Tessinum GmbH<br />
und ihrer Tochter-Gesellschaften. Die Organisationsstruktur bietet viele gestalterische<br />
Möglichkeiten und Synergie-Effekte.<br />
Die medizinische Versorgungslandschaft im heutigen Mecklenburg-Vorpommern erfuhr<br />
ab 1990 erhebliche Umbrüche. Zahlreiche Einrichtungen wie kleine Krankenhäuser,<br />
Pflegeheime und Polikliniken erwiesen sich als veraltet, unrentabel oder auch überflüssig.<br />
Die in der DDR staatlichen Gesundheitsbetriebe waren weitgehend in den Besitz der<br />
Kommunen, Gemeinden und neuen Landkreise übergegangen.<br />
Dies traf auch auf das Krankenhaus und Pflegeheim Tessin zu. Auf Grund der finanziellen<br />
Unwägbarkeiten sah sich der damalige Landkreis Rostock nicht in der Lage, beides<br />
weiter zu betreiben, zumal eine Kreisgebietsreform geplant war und das Krankenhaus<br />
voraussichtlich auch nicht mehr in den neuen Krankenhausplan des Landes Mecklenburg-<br />
Vorpommern aufgenommen werden sollte. So fanden sich Anfang 1993 engagierte<br />
Bürger der Stadt Tessin und der Umgebung sowie Mitarbeiter der Einrichtung zusammen<br />
und gründeten einen Förderverein – den heutigen Förderverein Tessinum e. V.<br />
Krankenhaus und Pflegeheim waren inzwischen eine freigemeinnützige GmbH, anfangs<br />
zu 100 Prozent dem Landkreis Rostock gehörend. Der Förderverein übernahm sukzessiv<br />
Anteile der GmbH und stellte so sicher, dass das Fortbestehen der Einrichtung nicht von<br />
den strukturellen politischen Veränderungsprozessen abhängig sein würde.<br />
Die Struktur<br />
Heute ist der Förderverein mit 94 Prozent Hauptgesellschafter, die Tessinum Physio- und<br />
Ergotherapie GmbH stellt mit 6 Prozent den zweiten Gesellschafter. Sie ist ein regionales<br />
Unternehmen, auf dem Gelände des Tessinums ansässig und als Kooperationspartner<br />
für die Rehabilitationsklinik – das Therapiezentrum für Geriatrie und Schlaganfall – tätig.<br />
Die Struktur des gesamten Tessinums ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Gesellschafterversammlung<br />
bestellt den Aufsichtsrat des Unternehmens. Dieser setzt sich aus kompetenten<br />
Vertretern der Gesundheits- und Finanzwirtschaft in der Region zusammen.<br />
Damit wird eine gute fachliche Aufsicht sowie eine kompetente Unterstützung des<br />
63
Geschäftsführers sichergestellt. Die Verantwortung für die Führung des Unternehmens liegt<br />
beim Geschäftsführer gemeinsam mit der Geschäftsleitung, der neben dem Geschäftsführer<br />
Führungskräfte aller zum Tessinum gehörenden Gesellschaften angehören.<br />
In der Tessinum GmbH befindet sich der gesamte Dienstleistungsbereich des Unternehmens.<br />
Das Therapiezentrum, das Pflege- und Betreuungszentrum sowie die Ambulante<br />
Alten- und Krankenpflege sind 100-prozentige Töchter der Tessinum GmbH.<br />
Abbildung 1: Die Struktur der Tessinum GmbH<br />
Potenziale und Risiken<br />
In der beschriebenen Struktur arbeitet die Tessinum GmbH seit vielen Jahren. Anfangs gab<br />
es viele Bedenken, ob unter Trägerschaft eines Fördervereins ein zukunftsfähiger Betrieb<br />
der Gesundheitseinrichtung überhaupt möglich sein würde. Dies kann inzwischen mit<br />
einem deutlichen »JA« beantwortet werden.<br />
Die Tessinum GmbH mit ihren Tochter-Gesellschaften ist gut in der Gesundheitslandschaft<br />
integriert. Das Therapiezentrum als geriatrische Rehabilitationsklinik mit 70 Betten ist<br />
hierbei überregional tätig, das Pflege- und Betreungszentrum mit stationärer Pflege (125<br />
Bewohner) und Tagespflege (15 Plätze) und die Ambulante Alten- und Krankenpflege<br />
haben ihren Einzugsbereich vorrangig im angrenzenden Territorium. Die Ambulante<br />
Alten- und Krankenpflege übernimmt außerdem Pflegeleistungen im Betreuten Wohnen<br />
(26 Wohneinheiten), das ebenfalls zum Tessinum gehört. Insgesamt sind inzwischen<br />
etwa 240 Mitarbeiter im Tessinum tätig.<br />
64
Das Krankenhaus Tessin 1912<br />
Luftbild der Tessinum GmbH <strong>2012</strong><br />
65
Die aufgebaute Struktur ermöglicht es, für das Gesamtunternehmen zahlreiche Synergie-<br />
Effekte auszuschöpfen. So hält die gemeinsame Nutzung von Küche, Technischem Dienst<br />
und Verwaltung den administrativen Aufwand relativ klein, die Versorgungsleistungen<br />
können entsprechend kostengünstig erbracht werden. Trotz der geringen Größe<br />
der Tessinum GmbH können beim Einkauf des medizinischen Bedarfs und bei den<br />
Lebensmitteln durch die Mitgliedschaft in einem bundesweiten Zentraleinkauf Konditionen<br />
genutzt werden, wie sie auch ein Konzern bzw. Klinikverbund erhält.<br />
Die Gremien des Fördervereins werden kontinuierlich über die Entwicklungen im<br />
Tessinum informiert:<br />
• Der Vorstand wird in seinen Sitzungen regelmäßig durch den Geschäftsführer des<br />
Tessinums über die aktuelle Situation in der Einrichtung in Kentnis gesetzt.<br />
• Einmal jährlich findet eine Mitgliederversammlung statt.<br />
• Der Aufsichtsrat erhält regelmäßig durch den Geschäftsführer Informationen<br />
über die wirtschaftliche Situation, die Entwicklung sowie über die Planvorhaben des<br />
Unternehmens.<br />
Ein weiterer Vorteil der Organisationsstruktur sind neben den Synergie-Effekten sicherlich<br />
die generell transparenten und kurzen Entscheidungsprozesse im Unternehmen.<br />
Da Vertreter aller GmbHs in der Geschäftsleitung sind, können hier alle relevanten<br />
Entscheidungen vor Ort beraten und getroffen werden. Es sind keine weiteren<br />
Abstimmungen, wie zum Beispiel in Klinikverbünden, notwendig.<br />
Es besteht zwar die Notwendigkeit, Überschüsse für erforderliche Investitionen zu<br />
erwirtschaften, jedoch kein Renditedruck, wie in privat geführten Unternehmen. Durch<br />
die Gemeinnützigkeit ist außerdem gesichert, dass sämtliche Überschüsse wieder in<br />
das Unternehmen fließen und somit ausschließlich den Patienten, Bewohnern und<br />
Mitarbeitern zugutekommen.<br />
Allerdings bringt diese Organisationsstruktur in finanzieller Hinsicht auch Risiken mit sich.<br />
So müssen eventuell entstandene Verluste im Unternehmen selbst aufgefangen werden,<br />
da der Förderverein als Träger über keine großen Kapitalreserven verfügt. Um das wirtschaftliche<br />
Risiko bei einem möglichen Belegungsrückgang im Therapiezentrum oder,<br />
wie aktuell geschehen, bei einer Vergütungsabsenkung der ambulanten Pflegeleistungen,<br />
zu minimieren, wurden die Bereiche 2008 in einzelne GmbHs aufgegliedert.<br />
Das Personalmanagement wird für alle Gesellschaften gemeinsam betrieben. Das Tessinum<br />
ist Ausbildungsbetrieb für Altenpfleger und Praktikumsbetrieb für Krankenpfleger,<br />
Physiotherapeuten und Ergotherapeuten. Es besitzt auch eine Weiterbildungsermächtigung<br />
für Geriater. Durch das breit gefächerte Angebot werden sowohl eigene<br />
Nachwuchskräfte rekrutiert als auch der Bekanntheitsgrad des Gesamtunternehmens<br />
nach außen vergrößert.<br />
66
Dies ist auch unter dem Aspekt der älter werdenden Belegschaft im Tessinum wichtig,<br />
zumal die ungünstige Altersstruktur im Mecklenburg-Vorpommern mit prozentual den<br />
wenigsten jungen Menschen die Arbeitskräftesuche erheblich erschwert.<br />
Damit die Mitarbeiter im Beruf gesund älter werden können, bietet das Tessinum seit<br />
zweieinhalb Jahren verschiedene Möglichkeiten zur Betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
an. Dies ist auch mit den eingeschränkten finanziellen Ressourcen einer gemeinnützigen<br />
Einrichtung möglich und wird als ein Baustein für die Gestaltung von alter(n)sgerechten<br />
Arbeitsplätzen angesehen.<br />
Fazit<br />
Die dargestellte Struktur mehrerer Gesundheitsanbieter unter dem Dach einer Mutter-<br />
GmbH mit einem Förderverein als Hauptgesellschafter hat sich als solide und arbeitsfähig<br />
erwiesen. Die Mitglieder des Aufsichtsrates haben die Geschicke des Unternehmens mit<br />
Sachverstand im Blick. Mit jeder einzelnen GmbH wird der Gesamtstandort gestärkt und<br />
können zahlreiche Synergie-Effekte genutzt werden.<br />
Das Tessinum ist ein komplexes Gesundheitszentrum zur Betreuung älterer Menschen.<br />
Zum gemeinnützigen Träger gehören das Therapiezentrum für Geriatrie und Schlaganfall,<br />
das Pflege- und Betreuungszentrum, die Ambulante Alten- und Krankenpflege, Betreutes<br />
Wohnen sowie ein Dienstleistungsbereich (Küche, Technischer Dienst, Verwaltung).<br />
Gleichzeitig sind am Standort Tessinum viele weitere Gesundheitsanbieter für die Bevölkerung<br />
tätig: Physio- und Ergotherapie, niedergelassene Allgemeinmediziner und Fachärzte<br />
für HNO, Chirurgie, Orthopädie sowie Gynäkologie, eine Apotheke, logopädische<br />
und podologische Praxen sowie Hilfsmittelanbieter.<br />
67
68
Das Spremberger Modell<br />
Mitarbeiter des Krankenhauses als Mitgesellschafter und Mitgestalter<br />
von Kathrin Möbius<br />
Die Struktur der Spremberger Krankenhausgesellschaft, einem gemeinnützigen, privaten<br />
Träger des Krankenhauses Spremberg, ist in der deutschen Kliniklandschaft<br />
ungewöhnlich. Das Unternehmen gehört zu 51 Prozent den Mitarbeitern. Deren Ziel<br />
war es, mit dem Erwerb sowohl die Gemeinnützigkeit als auch die private Rechtsform<br />
zu erhalten, die medizinische Grundversorgung auf hohem Niveau zu sichern und über<br />
die weitere Entwicklung mitbestimmen zu können. Das funktioniert bis heute.<br />
Als im Jahr 1997 die Stadt Spremberg, damals Hauptgesellschafterin der Spremberger<br />
Krankenhausgesellschaft, Geschäftsanteile verkaufen wollte, waren viele Mitarbeiter des<br />
Krankenhauses nicht begeistert von der Vorstellung eines neuen Mehrheitseigentümers.<br />
Sie reagierten ziemlich schnell: Der noch im September 1997 auf Initiative des<br />
Betriebsrats gegründete gemeinnützige Förderverein Krankenhaus Spremberg e.V. (FKS)<br />
bewarb sich und setzte sich mit seinem Konzept gegen weitere Bewerber durch. Am 15.<br />
Mai 1998 wurde der Vertrag über den Verkauf und die Abtretung von 51 Prozent der<br />
Geschäftsanteile an den Förderverein Krankenhaus Spremberg e.V. notariell geschlossen.<br />
Für 153.000 DM hatten die Vereinsmitglieder die entsprechenden Stammkapitalanteile<br />
erworben. Der Verein wurde Mehrheitsgesellschafter und übernahm neben der Stadt<br />
Spremberg die Verantwortung als Krankenhausträger.<br />
Die Mitarbeiter hatten damit ein Ziel erreicht: Als Krankenhausträger kann der Verein<br />
seitdem sowohl die ethische, medizinische und ökonomische Zielsetzung der Entwicklung<br />
des Krankenhauses festlegen als auch die Einhaltung dieser Ziele kontrollieren. Er legt<br />
zudem die Maßnahmen fest, die von der Belegschaft des Krankenhauses zu verwirklichen<br />
sind, um diese Zielstellungen umzusetzen.<br />
Der Entscheidung der Gesellschafterversammlung ist u. a. vorbehalten:<br />
• der Erwerb oder Verkauf von Anlagegütern und Grundstücken<br />
• der Abschluss, die Änderung oder Aufhebung längerfristiger kostenintensiver<br />
• Verträge<br />
• die Aufnahme, Kündigung und Änderung von Darlehen und Krediten<br />
• die Bestätigung der Wirtschafts-, Investitions- und Stellenpläne<br />
• die Feststellung des Jahresabschlusses und die Wahl des Abschlussprüfers<br />
• die Entlastung der Geschäftsführung<br />
• der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Chefarzt- und<br />
Geschäftsführerverträgen<br />
Der Förderverein<br />
Zur Gründungsversammlung des Fördervereins Krankenhaus Spremberg e. V. im<br />
September 1997 waren 30 Mitarbeiter des Krankenhauses Spremberg anwesend.<br />
Inzwischen ist die Zahl der Vereinsmitglieder auf 248 angewachsen, wobei rund 90 v. H.<br />
Krankenhausmitarbeiter sind.<br />
69
Abbildung 1: Struktur der Spremberger Krankenhausgesellschaft mbH<br />
Ziele<br />
Der satzungsgemäße Zweck des Vereins besteht in der Absicherung der medizinischen<br />
Grundversorgung im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich auf hohem<br />
Niveau im Versorgungsgebiet des Krankenhauses Spremberg. Der Förderverein verfolgt<br />
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Wohlfahrtszwecke.<br />
Aufgaben<br />
Hauptaufgaben sind die Wahrnehmung der Verantwortung als Träger der Spremberger<br />
Krankenhaus-GmbH, die Erhaltung der medizinischen Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit<br />
des Krankenhauses als Haus der medizinischen Grundversorgung, die Förderung<br />
der Kooperation mit niedergelassenen Ärzten und anderen an der gemeindenahen<br />
ambulanten Betreuung Beteiligten, die Zusammenarbeit mit allen territorialen<br />
Organisationen der freien Wohlfahrtspflege und Körperschaften des öffentlichen<br />
Rechtes, Öffentlichkeitsarbeit, Mitwirkung bei der Organisation und Durchführung von<br />
Weiterbildungskursen sowie Mitarbeit in Ausschüssen der öffentlichen Hand und gesundheitspolitischer<br />
Gremien.<br />
Gesellschafterversammlung<br />
Das oberste Organ der Spremberger Krankenhausgesellschaft ist die Gesellschafterversammlung.<br />
In ihr sind beide Gesellschafter mit je vier Personen vertreten -<br />
70
die Stadt mit vier Abgeordneten, der Förderverein mit vier Vorstandsmitgliedern.<br />
Gesellschafterbeschlüsse sind mit Zweidrittel-Mehrheit zu fassen.<br />
Vorstand<br />
Im Vorstand des Fördervereins sind Mitarbeiter des wirtschaftstechnischen, des ärztlichen<br />
und des Pflegedienstes des Krankenhauses vertreten sowie ein Rechtsanwalt zur fachlichen<br />
Unterstützung des Vorstandes.<br />
Das Krankenhaus Spremberg ist ein Krankenhaus der Akutversorgung und wird seit<br />
dem 1. Januar 1992 in privater Trägerschaft der gemeinnützigen Spremberger Krankenhausgesellschaft<br />
mbH geführt. In den Fachrichtungen Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie,<br />
Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik werden jährlich über 5000 Patienten<br />
stationär und über 10.000 Patienten ambulant behandelt. Seit Mai 1998 gehören<br />
51 Prozent der Geschäftsanteile dem Förderverein Krankenhaus Spremberg e.V., in dem<br />
rund 90 Prozent der Mitarbeiter Mitglied sind. Zu Gesellschaft gehören neben dem Krankenhaus<br />
zwei psychiatrische Tageskliniken, eine Poliklinik, eine Klinik-Verpflegungs- und<br />
Servicegesellschaft (zu 51 Prozent) sowie ein Kindergarten.<br />
Die Managementstrategie<br />
Intern:<br />
Die Gründung des FKS e. V. und die Übernahme von 51 v. H. der Gesellschafteranteile an<br />
der Spremberger Krankenhausgesellschaft mbH stellt die Verwirklichung eines partnerschaftlichen<br />
Modells der konkreten Mitarbeiterbeteiligung dar. Im Förderverein<br />
ist die Mehrzahl der Mitarbeiter des Krankenhauses organisiert. Sie haben damit Trägerverantwortung<br />
für ihr Krankenhaus übernommen und sich mit diesem identifiziert.<br />
Um den wachsenden Herausforderungen an das Krankenhaus zukünftig gerecht zu werden,<br />
war und ist es äußerst wichtig, die Chancen und Ressourcen dieses partnerschaftlichen<br />
Modells wirkungsvoll auszunutzen, um die Qualität der ambulanten, stationären<br />
und teilstationären medizinischen Leistungen auf hohem Niveau an jedem Arbeitsplatz<br />
zu sichern.<br />
Zur Managementstrategie gehört es daher, die Mitarbeiter mit ihren Kompetenzen ernst<br />
zu nehmen, Verantwortungen zu delegieren und sie in Entscheidungsprozesse stärker<br />
einzubeziehen. Voraussetzungen dafür sind die zeitnahe Vermittlung von Informationen<br />
und eine intensive Kommunikation mit den Mitarbeitern. Nur so werden praxisgerechte<br />
Lösungen gefunden und darüber hinaus auch die Motivation jedes Einzelnen gefördert.<br />
Dazu tragen die Vorstandsmitglieder in ihren unterschiedlichen Wirkungsbereichen bei.<br />
Darüber hinaus wird die Belegschaft regelmäßig zu Informationsveranstaltungen eingeladen,<br />
um ihr ausführlich die Grundlagen von Entscheidungen der Geschäftsführung und<br />
die Entwicklung des Krankenhauses zu erläutern.<br />
71
Im Unternehmen wird ein kooperativer Führungsstil angestrebt entsprechend dem<br />
zentralen Ansatz der Unternehmensphilosophie, die sich auf Patienten und Mitarbeiter<br />
orientiert.<br />
Alle Mitarbeiter sind wichtige Leistungsträger. Von ihrer Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit<br />
und Motivation wird die Qualität der Patientenbetreuung getragen.<br />
Die Tatsache, dass der Erfolg des Krankenhauses von der eigenen Arbeit und dem eigenen<br />
Verhalten abhängt, muss jedem Mitarbeiter verinnerlicht sein und sein Handeln<br />
bestimmen. Dazu gehört, dass Teamarbeit gefördert wird.<br />
Extern:<br />
Die Mitarbeiter des Krankenhauses erbringen ihre Leistungen direkt für die Bürger der<br />
Region. Deshalb präsentiert sich das Krankenhaus bürgernah. Voraussetzung hierfür ist<br />
eine umfassende Information im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Als Erfolg sehen wir, dass dem Förderverein des Krankenhauses Spremberg inzwischen<br />
auch Bürger und Firmen beigetreten sind, die das Krankenhaus unterstützen wollen.<br />
Das hat u.a. den Vorteil, dass sie als Mitglieder aktiv werden, über das Krankenhaus in<br />
ihrem Umfeld informieren und damit entscheidend zur Imagepflege beitragen.<br />
Sie machen uns aber auch auf Schwachstellen aufmerksam, die von außen leichter zu<br />
erkennen sind. Wir erwarten uns von ihnen auf diesem Wege zudem Anregungen und<br />
Ideen für die Verbesserung der Patientenbetreuung.<br />
Durch Presseveröffentlichungen, Tage der offenen Tür und eine offene Kommunikation<br />
gegenüber den Gremien der Stadt und der Region werden die Bürger über ihr<br />
Krankenhaus informiert.<br />
Krankenhaus Spremberg<br />
72
Erfolgsfaktoren<br />
Wesentliche Faktoren für einen Erfolg des partnerschaftlichen Eigentümermodells sind:<br />
Vertrauen<br />
• der Mitarbeiter in die Geschäftsführung<br />
• der Geschäftsführung in die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der<br />
Mitarbeiter<br />
Kooperation<br />
• durch partnerschaftlichen Führungsstil auf allen Leitungsebenen<br />
• durch Abbau hierarchischer Strukturen<br />
• durch Ernstnehmen und Akzeptanz der Mitarbeiter<br />
• durch Einbeziehung der Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung<br />
• durch Delegation von Verantwortung<br />
• durch klare und transparente Entscheidungen des Managements<br />
Kommunikation<br />
• Aufbau einer Informationsstruktur unter Einbeziehung aller Fachebenen<br />
• Förderung des Gedankenaustauschs<br />
• Unterstützung externer und interner Wissensaneignung<br />
Die Historie<br />
Januar 1992 – Gründung der Spremberger Krankenhausgesellschaft als gemeinnützige<br />
private Trägergesellschaft für das Krankenhaus Spremberg. Gesellschafter sind zu je 20<br />
Prozent der Anteile die Stadt Spremberg und der Landkreis, zu 60 Prozent Privatpersonen.<br />
1996 bis 1997 – Veräußerung der Geschäftsanteile des Landkreises an die Stadt Spremberg,<br />
die privaten Anteile werden eingezogen, die Stadt ist damit alleinige Gesellschafterin.<br />
1997 – Die Stadt Spremberg sucht einen weiteren Gesellschafter, um den gemeinnützigen<br />
privaten Status der Gesellschaft wieder herzustellen.<br />
September 1997 – Gründung des Fördervereins Krankenhaus Spremberg e.V. auf Initiative<br />
der Mitarbeiter des Krankenhauses.<br />
Oktober 1997 – Bewerbung des Fördervereins (neben weiteren Interessenten) um die<br />
Mehrheitsanteile an der Spremberger Krankenhausgesellschaft mbH.<br />
Mai 1998 – Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Stadt Spremberg und dem Förderverein.<br />
73
Fazit<br />
Die anfänglich gern als Experiment bezeichnete andere Form einer Trägerkonstellation<br />
und Führung eines Krankenhauses bewährt sich nunmehr seit 14 Jahren. Auch unter dem<br />
zunehmenden Kostendruck und stetig wachsenden Anforderungen ist unser Krankenhaus<br />
erfolgreich geblieben. Das dokumentieren steigende Patientenzahlen und die Tatsache,<br />
dass bisher keine Verluste auftraten.<br />
Jeder wird dem zustimmen, dass die Qualität der gesundheitlichen Betreuung in besonders<br />
hohem Maße von der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter<br />
geprägt wird. Deshalb stehen die Mitarbeiter gleichrangig mit den Patienten im<br />
Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens und Handelns in unserem Krankenhaus. Das<br />
partnerschaftliche Eigentümermodell bietet hierfür günstige Voraussetzungen.<br />
Die Erreichung der anspruchsvollen Ziele ist ein langwieriger Prozess der auch in unserer<br />
Einrichtung noch nicht abgeschlossen ist. Es wird auch weiterhin viel Zeit und Mühe kosten<br />
um bestehende Hürden zu überwinden.<br />
74
Die Babyklappe am St. Adolf-Stift in Reinbek<br />
Eine Abwägung zwischen Bedenken und Rechtfertigungen<br />
von Lothar Obst<br />
Durch eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI), die Stellungnahme des<br />
Deutschen Ethikrates und das Eckpunkte-Papier des Bundesfamilienministeriums ist<br />
die kontroverse Diskussion über Babyklappen erneut entbrannt. Der Autor beteiligt<br />
sich an dieser Diskussion und stellt anhand der Babyklappe des Reinbeker St. Adolf-<br />
Stiftes dar, mit welchem Umfang, welcher Sorgfalt und welchem Durchdringungsgrad<br />
ein katholisches Ordenskrankenhaus die Einrichtung einer Babyklappe in internen<br />
Arbeitsgruppen und unter Zuhilfenahme externer Beratungsstellen und Behörden<br />
abgewogen und sich schließlich dafür entschieden hat.<br />
Babyklappen gibt es in Deutschland seit 1999. Seitdem sind rund 100 dieser Einrichtungen<br />
geschaffen worden, von kirchlichen und privaten Einrichtungen, aber auch<br />
von Krankenhäusern. Lübeck war nach Hamburg die zweite deutsche Stadt mit einer<br />
Babyklappe.<br />
Nach fast dreijähriger, sehr sorgfältiger, behutsamer und umfassender Vorbereitung<br />
wurde die Babyklappe am St. Adolf-Stift, Reinbek, am 5. Juni 2008 eingeweiht und eingesegnet.<br />
Inhaltlich auseinandergesetzt hatte sich das Krankenhaus mit diesem Gedanken aber<br />
bereits seit sechs Jahren. Eine zentrale Stellung nahm dabei die Frage ein: Darf – und<br />
wenn ja, nach welcher reiflichen Prüfung und substanzieller Begründung – ein katholisches<br />
Krankenhaus vorsätzlich eine rechtswidrige Einrichtung schaffen, vor der profunde<br />
und ernsthafte Stimmen warnten, so namhafte Hilfswerke, Adoptionsforscher,<br />
Psychologen und Juristen?<br />
Welche Rechtfertigung haben wir für unser Tun? Haben wir uns ausreichend und sorgfältig<br />
genug geprüft, um dieser Verantwortung gerecht zu werden?<br />
Die Einweihung einer Babyklappe ist keine Jubelfeier, sondern eine Mahnung, dem stillen<br />
Befehl treu zu bleiben, der uns immer wieder ruft, der uns für die Nöte des anderen<br />
sensibel und empfänglich macht.<br />
Es würde einem leichtfertigen Urteil entsprechen und ganz und gar lebensfremd sein,<br />
begegneten einem bei einem so gewichtigen Prozess wie der Entwicklung einer<br />
Babyklappe bisweilen nicht drängende Zweifel über die Richtigkeit des eigenen Tuns. Die<br />
Vorstellung, ein Mensch müsse schon immer so gewesen sein, wie ihn ein solcher Prozess<br />
schließlich formt, ist ganz und gar unhistorisch.<br />
Sozialpsychologische Bedenken<br />
Erste Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Babyklappen äußerte die Hannoversche<br />
Adoptionsforscherin Prof. Dr. Christine Swientek schon im Jahr 2002 auf einer Podi-<br />
75
umsdiskussion in der Katholischen Akademie in Berlin. Ein Jahr darauf sprach sich<br />
das Kinderhilfswerk »terre des hommes« gegen Angebote zur anonymen Geburt und<br />
Babyklappen aus.<br />
Wieder ein Jahr später erwog der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) die Schließung<br />
seiner damals bundesweit zwölf Babyklappen. Viele Juristen äußerten schließlich<br />
schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken. Mehrere Gesetzentwürfe zur<br />
Legalisierung der Babyklappen und der anonymen Geburt im Krankenhaus scheiterten<br />
oder wurden vertagt.<br />
Die kritischen Stimmen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:<br />
Das Ziel, mit anonymen Geburten und Babyklappen Schwangerschaftsabbrüche zu<br />
verhindern, sei unrealistisch. Studien bewiesen, dass auch über einen Rückgang von<br />
Kindesaussetzungen bzw. Kindestötungen keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen. Es<br />
bestünde ein ausreichendes Netz an Beratungs- und Anlaufstellen. Die Krisensituationen<br />
der Mütter seien mit den bestehenden Beratungs- und Unterstützungsangeboten lösbar.<br />
Es würden mithin keine Notlagen vorliegen, die nicht im Rahmen des bestehenden<br />
Angebotes würden berücksichtigt werden können. In keinem der untersuchten Fälle sei<br />
das Leben der Mutter oder des Kindes akut bedroht gewesen, so dass alle Fälle durch<br />
Beratung handhabbar wären, die Mütter aber einer Vermeidungsstrategie gefolgt seien.<br />
Das Angebot der Babyklappen und anonymen Geburten schaffe die Nachfrage, würde<br />
in tragischem Ausmaß Findelkinder produzieren und befördere möglicherweise unverantwortliches<br />
und kurzsichtiges Handeln, unter dem Mütter wie Kinder später zu leiden<br />
hätten.<br />
Juristische Bedenken<br />
Das Bundesverfassungsgericht habe das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung<br />
zum Kernbereich der menschlichen Persönlichkeit zugehörig erklärt und es sei damit im<br />
Rahmen der freien Entfaltung der Persönlichkeit ein Recht von Verfassungsrang. Das Kind<br />
müsse aber mit einer unbekannten Abstammung leben und erleide so einen lebenslangen<br />
Rechtsverlust, während die Krisensituation der Mutter und die Bedrohung ihrer<br />
Rechte nur ein aktueller Zustand sei.<br />
Das medizinische Personal von Krankenhäusern habe kein Auskunftsverweigerungsrecht.<br />
Die Werbung sowie das systematische Anbieten und Fördern von Babyklappen und<br />
anonymen Geburten sei schließlich rechtswidrig.<br />
Immer wieder haben wir uns intensiv geprüft, ob die Bedenken gegen die Einrichtung<br />
einer Babyklappe nicht schwerer wögen als die Hilfe, die wir mit ihr anböten.<br />
Und schließlich: Darf ein Christ gegen das Gesetz verstoßen? Damit erst gar kein<br />
Missverständnis aufkommt: Auch ein weltanschaulich-konfessionelles Krankenhaus<br />
respektiert und befolgt natürlich die in einer Demokratie verfassungsgemäß zustandegekommenen<br />
Gesetze. Dem Staat schulden wir Loyalität gegenüber seinem Gesetz,<br />
Gott schulden wir Treue gegenüber seiner Botschaft. Deshalb geben wir dem Staat, was<br />
des Staates ist und Gott, was Gottes ist.<br />
76
Dieses unter juristischen Kategorien scheinbare Spannungsverhältnis ist bei der Form<br />
des Betriebs unserer Babyklappe, wie wir ihn gewählt und konzipiert haben, bis auf<br />
einen Punkt auflösbar. Selbstverständlich erkennen wir an, dass unsere Krankenhaus-<br />
Mitarbeiter kein Auskunftsverweigerungsrecht haben. Das in der Babyklappe niedergelegte<br />
Kind wird ausschließlich dem Jugendamt des Kreises Stormarn, den vorläufigen<br />
Pflegeeltern bzw. dem gerichtlich bestellten Vormund übergeben. Bei der Tagesfrist für<br />
die Anzeige richten wir uns nach § 25 des Personenstandsgesetzes. Es schließt sich ein<br />
reguläres Adoptionsverfahren an.<br />
Und schließlich und endlich werden wir selbstverständlich keine Werbung und kein systematisches<br />
Anbieten unserer Babyklappe vornehmen, ein Ansinnen, das von vornherein<br />
unseriös und der existenziellen Lebenssituation der Mütter und Kinder unangemessen<br />
und abträglich wäre. Wir stehen gewissermaßen mit offenen Armen bereit, um jene<br />
willkommen zu heißen, denen wir mit unseren Mitteln helfen können, ohne diese unsere<br />
Mittel anpreisen zu wollen.<br />
Recht auf Kenntnis seiner Abstammung<br />
Einen Gesichtspunkt freilich vermögen wir – zumindest im Moment – nicht zu lösen,<br />
nämlich die Verwirklichung des Rechtes des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung.<br />
Ein Erkennungszeichen, hinterlegt in der Babyklappe, hält den Weg für eine spätere<br />
Identifizierung und damit De-Anonymisierung offen.<br />
Ein Adoptivkind muss von Rechts wegen bis zum 16. Lebensjahr über seine leiblichen<br />
Eltern aufgeklärt werden – ein Menschenrecht.<br />
Bei den in einer Babyklappe niedergelegten Kindern ist ihre Herkunft in der Zukunft<br />
lösbar, im Übrigen genauso gut oder genauso schlecht wie bei den seit dem Mittelalter<br />
in einem Körbchen an einer Klosterpforte niedergelegten Findelkindern. Das Problem ist<br />
also nicht neu, und wir haben uns im St. Adolf-Stift um eine Lösung redlich bemüht. Der<br />
Schutz für die Mutter und der Respekt vor ihrer individuellen Lebenssituation gebietet<br />
es aber, unsere Hilfe in einem Schutzraum der Anonymität und des Vertrauens anzubieten,<br />
auf eine De-Anonymisierung der Eltern gerade nicht zu drängen und ihnen diesen<br />
Schritt nach reiflicher Überlegung für die Zukunft offenzuhalten. Doch ob überhaupt<br />
und wann jemand diesen Schritt gehen möchte, liegt allein in dem völlig freiwilligen<br />
Ermessen der Mütter bzw. der Eltern. Eine Mutter, die zu uns kommt bzw. deren extreme<br />
Lebenssituation sie zu uns spült, die soll nur eines wissen: Hier wird ihr und ihrem Kind<br />
geholfen. Wir werden uns gut um ihr Kind kümmern.<br />
Das juristische Spannungsverhältnis haben wir uns also bemüht, weitestgehend aufzulösen,<br />
von dem harten Urteil, eine Babyklappe sei rechtswidrig, sind wir mit unserer<br />
Konstruktion am St. Adolf-Stift weit entfernt.<br />
77
Briefe betroffener Mütter an ihre Kinder<br />
Doch was ist mit den anderen, ernsten Stimmen, deren Bedenken wir ernsthaft abzuwägen<br />
hatten und haben?<br />
Ein jeder stößt bei einer Sache nur insoweit zum Kern der Wahrheit vor, wie er sich mit<br />
den unmittelbaren Originalquellen auseinandersetzt. Ich räume freimütig ein, dass ich<br />
vor zehn Jahren, als wir erstmals im St. Adolf-Stift über die anonyme Geburt und eine<br />
Babyklappe nachdachten, ähnliche Bedenken hatte, wie ich sie hier schon vorgetragen<br />
habe.<br />
Schaffen wir nicht Anreize und Wege für schnelle Lösungen, dass die betroffenen Mütter<br />
sich gerade nicht mit ihrer Situation auseinandersetzen und möglicherweise vorschnell<br />
ihr Kind zur Babyklappe bringen? Erreichen wir diese Mütter mit fachlicher Beratung<br />
überhaupt? Wissen wir doch, dass sogar bei regulären Adoptionsverfahren viele Mütter<br />
langfristig Hilfe bei der psychischen Bewältigung dieser Situation benötigen. Gehen wir<br />
also mit einer Babyklappe den falschen Weg?<br />
In einer solchen Situation des Zweifels ist jeder dankbar dafür, wenn er die Möglichkeit<br />
hat, seine eigene »Damaskus-Erfahrung« zu machen.<br />
Die Babyklappe des St. Adolf-Stiftes<br />
78
Mein »persönliches Damaskus« habe ich am 23. Mai 2006 bei einem mehrstündigen<br />
Besuch bei Friederike Garbe im Agape-Haus in der Mengstraße in Lübeck erfahren. In diesem<br />
mittelalterlichen Privathaus in der historischen Altstadt Lübecks wurde die überhaupt<br />
erste Babyklappe in Schleswig-Holstein eingerichtet. Wir führten damals ein sehr langes<br />
Gespräch. Sie zeigte mir das ganze Agape-Haus, die Notunterkunft für Obdachlose und die<br />
Apartments, in denen Mütter mit ihren Kindern leben, diese zum Teil von Tagesmüttern<br />
betreut, damit die leiblichen Mütter ihrer beruflichen Beschäftigung nachgehen können.<br />
Und sie zeigte mir im Untergeschoss auch die Babyklappe und gab mir den Ordner zu<br />
lesen, in denen sich die Briefe der Mütter befanden, die diese ihren Kindern in der<br />
Babyklappe mitgegeben hatten.<br />
Erschütterndste Zeugnisse tiefster Verzweiflung waren da zu lesen. Diese Briefe sind ja<br />
in aller Regel die einzigen Quellen, die einen Zugang zur Seelenwelt dieser Frauen eröffnen.<br />
Viel mehr als diese Briefe kennen wir in aller Regel nicht von ihnen. In Kenntnis<br />
der Lektüre dieser erschütternden Briefe bin ich fest davon überzeugt, dass keine der<br />
damals fünf Verfasserinnen eine potenzielle Kindsmörderin wäre oder auch nur im<br />
Ansatz überhaupt hätte sein können. Im Gegensatz nämlich zu Tötungsdelikten haben<br />
diese Frauen ihre Schwangerschaften bewusst wahrgenommen, durchlebt und durchlitten.<br />
Hier liegen gerade keine sog. ignorierten bzw. verdrängten Schwangerschaften<br />
mit Panik in der Geburtssituation vor. Bei Frauen mit Tötungsdelikten versagen die<br />
Problemlösungsstrategien lediglich auf die mit Scham besetzte Schwangerschaft. Diesen<br />
Frauen ist es nicht möglich, eine bewusste Entscheidung für eine anonyme Geburt oder<br />
die Abgabe des Kindes in der Babyklappe zu treffen. Ganz anders aber bei den Müttern,<br />
die ihr Kind einer Babyklappe anvertrauen. Aus ihren Briefen spricht Scham über das<br />
Eingeständnis eigenen Versagens, mit der neuen Lebenssituation fertigzuwerden, die<br />
Überforderung in der Wahrnehmung der Verantwortung für ein Kind, Verzweiflung, sich<br />
schließlich nicht mehr anders helfen zu können – bewusste Denkvorgänge also, an deren<br />
Ende die Entscheidung für die Babyklappe steht.<br />
Und ein Weiteres spricht unüberseh- und unüberhörbar aus diesen Briefen: Zuneigung<br />
und tiefe Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Sie wünscht sich nichts sehnsüchtiger als den<br />
Umstand, dass es ihrem Kind anderswo besser ergehen möge, als sie es ihm selbst in<br />
Kenntnis ihrer Lebenslage zu ermöglichen imstande wäre. Ein Urteil wage ich: Keine Frau,<br />
die ihr Kind in einer Babyklappe niederlegt, wäre in der Lage, es umzubringen. Eine Frau,<br />
die ihr Kind in einer Babyklappe niederlegt, wäre nicht einmal dazu in der Lage, ihr Kind<br />
in einer Gefahrensituation auszusetzen, wo es unbeobachtet bleibt, vielleicht Schaden<br />
nehmen könnte. Der Vorfall am Hannoverschen Friederikenstift war ein bedauerliches,<br />
aber letztlich technisches Versagen der Klappvorrichtung. Viel eher nehmen die Mütter in<br />
Kauf, bei der Niederlegung ihres Kindes sogar entdeckt zu werden. Dazu geht die Mutter<br />
inmitten eines Volksfestes in die belebte Lübecker Altstadt und legt ihr Kind in die Klappe<br />
in der Mengstraße, jederzeit gefährdet, entdeckt zu werden.<br />
79
Soziale und religiöse Rechtfertigungen<br />
Schrauben wir also den Anspruch unserer Babyklappe am St. Adolf-Stift von vornherein<br />
herunter. Sie wird kein Leben retten, weil sie kein Leben zu retten braucht – die »Anerkennung«<br />
der Lebensrettung steht den bescheidenen Mitteln unserer Hilfestellung nicht gut<br />
zu Gesichte. Mut vor der konkreten Situation ist angebracht. Zurückhaltung in der Publizität<br />
legen wir uns auf. Spielen wir uns also nicht zu »Lebensrettern« auf, die wir nicht sind. Die<br />
Babyklappe ist nichts anderes als die Klosterpforte des 21. Jahrhunderts.<br />
Wenn wir mit alldem auch letzte Kritiker nicht zu überzeugen vermögen, weil sie uns<br />
noch immer entgegenhalten, damit keine Schwangerschaftsabbrüche, Tötungen und Aussetzungen<br />
von Säuglingen zu verhindern und wegen der Anonymität des Niederlegungsvorganges<br />
Beratungs- und Hilfsangebote zu unterlaufen sowie die betroffenen Frauen<br />
schließlich nicht zu erreichen. Wenn also letztlich all das im Raume stehenbleibt, sollen<br />
wir dann in Gottes Namen diesen Müttern und ihren Kindern nur deshalb nicht helfen,<br />
weil sie hinlänglich nicht in ein übliches Raster passen? Dürfen wir als überzeugte Christen,<br />
als weltanschaulich-konfessionelle Einrichtung, Hilfe dort verweigern, wo vieles gegen sie<br />
spricht, eine vermeintliche Gesetzesloyalität sie vielleicht sogar einklagen könnte, wo sie<br />
aber dennoch vonnöten und vor allem uns selbst objektiv möglich ist?<br />
Die Babyklappe ist immer die ultima ratio – für alle Beteiligten.<br />
Und zum Kronzeugen dessen rufen wir den Apostelfürsten Simon Petrus an, den Fels, dem<br />
Christus selbst die Schlüssel des Himmelreiches übergeben und auf diesem Fels er seine<br />
Gemeinde gebaut hat, wenn eben jener Petrus, als ihm mit Ernst geboten wurde, nicht im<br />
Namen Christi zu lehren, in der Apostelgeschichte antwortet und spricht: »Man muss Gott<br />
mehr gehorchen als den Menschen.«<br />
Damit ist alles gesagt. Damit ist die Grenze gezogen, über die wir als weltanschaulich-konfessionelles<br />
Krankenhaus nicht hinweggehen. Und in gut verstandener, geschwisterlicher,<br />
ökumenischer Verbundenheit würde ein Doktor der Theologie, Martin Luther, voll Überzeugung<br />
davon, dass jene Mütter, um die es hier geht, nicht der Verdammnis anheimfielen,<br />
sondern allein durch die Gnade Christi gerettet würden, vielleicht sagen: »Ich stehe hier.<br />
Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.«<br />
Wir haben uns also entschieden. Nicht reißerisch und spektakulär. Wir haben uns entschieden<br />
für das Leben, weil es nur durch Gott geschenkt ist. Wir haben uns entschieden für den<br />
Menschen, weil ihn Gott zu seinem Bilde schuf.<br />
Wir haben uns entschieden für die Hilfesuchenden, für die Mütter und ihre niedergelegten<br />
Kinder, weil uns im Hilfesuchenden der leidende Christus selbst begegnet.<br />
»Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.« Das ist gewissermaßen die Frontlinie,<br />
hinter die wir nicht mehr zurückrücken können.<br />
Die Prüfung war damit abgeschlossen.<br />
80
Doch der Mensch kann nur Mensch werden, wenn nach seiner Geburt Menschen da sind,<br />
für ihn, mit ihm. Ein neugeborenes Kind braucht, um leben zu können, Luft und Wärme,<br />
Nahrung und Zuwendung, Pflege, Geborgenheit und Kontakt. Genau dies ist der zentrale<br />
Inhalt der Babyklappe am St. Adolf-Stift. Da es sich in der Regel nicht um krankenhauspflichtige<br />
Säuglinge handelt, wird das Kind nach der ersten kinderärztlichen Untersuchung<br />
sofort in Abstimmung mit dem Jugendamt des Kreises Stormarn in die Obhut vorläufiger<br />
Pflegeeltern übergeben. Dort erfährt es Wärme, Zuwendung, Pflege und Geborgenheit.<br />
Wir wissen nicht, ob wir die Trennung von der leiblichen Mutter durch irgendein anderes<br />
Hilfsangebot kompensieren können. Gleichwohl können wir uns aber vorstellen, dass wir<br />
für die Liebe der leiblichen Mutter einen – dem Grunde nach leider gar nicht möglichen –<br />
Ersatz schaffen müssen. So gut es geht.<br />
Mitwirkende Beratungsstellen und Behörden<br />
Die Babyklappe am St. Adolf-Stift ist schließlich nach einem gut dreijährigen intensiven<br />
Informations-, Abstimmungs- und Diskussionsprozess unter Beteiligung einer ganzen<br />
Reihe externer Beratungsstellen und Behörden sowie vieler Mitarbeiter des Krankenhauses<br />
entstanden. Im Einzelnen haben daran mitgearbeitet:<br />
Externe Beratungsstellen und Behörden:<br />
• Verein »Hilfe für Schwangere in Norddeutschland e. V.«<br />
• Beratungszentrum Süd-Stormarn in Reinbek<br />
• Bürgervorsteherin der Stadt Glinde<br />
• Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Glinde<br />
• Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Reinbek<br />
• Jugendamt des Kreises Stormarn<br />
• Agape-Haus, Lübeck<br />
Mitarbeiter des St. Adolf-Stiftes:<br />
• Chefarzt und Leitende Oberärztin der Frauenklinik<br />
• Leitende Hebamme<br />
• Ev.-Luth. Pastorin sowie kath. Pfarrer des Krankenhauses (ökumenische Kranken<br />
haus-Seelsorge)<br />
• Ordensfrauen der Kongregation der Schwestern von der hl. Elisabeth (Krankenhausträger)<br />
• Pflegedirektor und Stv. Pflegedirektorin<br />
• Mitarbeiter der Technischen Betriebsleitung sowie der Wirtschaftsabteilung.<br />
Die Projektphase wurde von der Gesundheitsabteilung des Schleswig-Holsteinischen<br />
Sozialministeriums fortlaufend kooperativ und kritisch wie durch die Zurverfügungstellung<br />
neuester wissenschaftlicher Forschungsergebnisse begleitet. Dies hat uns geholfen,<br />
voreilige Euphorie zu bremsen, Irrwege zu vermeiden und auf Bedenken sachlich<br />
und angemessen einzugehen: Gewissermaßen eine selbstgewählte Prävention zur Vermeidung<br />
vor Überheblichkeit.<br />
81
Hoffentlich überflüssig<br />
Die Babyklappe am Reinbeker St. Adolf-Stift ist eingerichtet und eingesegnet. Ein langer<br />
Prozess der Abwägung aller Meinungen, der eigenen, nachhaltigen Prüfung ging zu Ende.<br />
Die Entscheidung ist gefällt. Voll Vertrauen können sich Frauen an uns wenden. Hier finden<br />
sie Schutz und Hilfe für ihre Probleme. Ihre Kinder heißen wir als Geschenk Gottes willkommen.<br />
Wir werden uns um sie kümmern. Und wir werden ihnen versprechen, für sie in<br />
gleicher Weise zu sorgen, als wären es unsere eigenen Kinder.<br />
Zum Schluss bleibt ein Wunsch bei all der Arbeit, die über die vielen Jahre für das Zustandekommen<br />
dieses Projektes notwendig war: dass diese Arbeit schließlich doch überflüssig<br />
sein möge, dass nämlich diese Babyklappe am St. Adolf-Stift möglichst wenig, wenn überhaupt<br />
gar nicht, von einer Mutter benutzt werden müsste.<br />
Wir haben etwas geschaffen, von dem wir wissen, dass es gebraucht werden könnte<br />
und von dem wir noch mehr hoffen, dass es nicht gebraucht werden muss.<br />
Ende 2011 veröffentlichte das Deutsche Jugendinstitut (DJI) eine Studie, nach der<br />
für den Zeitraum seit 1999 der Verbleib von etwa 200 anonym geborenen oder in<br />
einer Babyklappe abgelegten Kindern ungeklärt sei. Schon 2009 brandmarkte der<br />
Deutsche Ethikrat Babyklappen als »ethisch und rechtlich sehr problematisch« und<br />
forderte die Politik auf, entsprechende Angebote zur anonymen Geburt zu entwickeln.<br />
In einem Eckpunktepapier von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder vom April<br />
<strong>2012</strong> formulierte die Bundesregierung das Ziel, Babyklappen langfristig durch die<br />
»vertrauliche Geburt« in Krankenhäusern zu ersetzen; anonyme Geburten soll es in<br />
Deutschland dagegen nicht mehr geben. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />
soll noch in diesem Jahr ins Parlament eingebracht werden.<br />
82
Erfolgsmodell Entscheiderfabrik<br />
Krankenhaus-Erfolg durch optimalen IT-Einsatz<br />
von Dr. Pierre-Michael Meier<br />
Es ist ein Erfolgsmodell: Seit 2006 gibt es die Arbeits- und Kommunikationsplattform<br />
Entscheiderfabrik zur Förderung eines optimalen Einsatzes der Informations- und<br />
Medizintechnik (IMT) in deutschen Krankenhäusern. Im Mittelpunkt des Konzeptes<br />
stehen die 5 IT-Schlüssel-Themen. Sie verbinden Krankenhäuser und Industrie-<br />
Unternehmen mit dem Ziel, gemeinsam Lösungen für viele Herausforderungen in den<br />
Klinikprozessen mit Hilfe der IMT zu finden. Treiber dieser Entwicklung sind in erster<br />
Linie die Unternehmensführungen der Krankenhäuser und Entscheider im Bereich<br />
der IT und der Medizintechnik. Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands<br />
(<strong>VKD</strong>) ist von Anfang an dieser wichtigen Initiative verbunden und fördert die<br />
Projekte, die daraus entstehen.<br />
Die Entscheiderfabrik bündelt Expertenwissen aus den unterschiedlichsten Bereichen<br />
– auch Industrieverbände, Krankenversicherungen, andere Akteure der Gesundheitsbranche<br />
sind mit dabei. Ein strukturierter Informationsaustausch sorgt dafür, dass<br />
zukunftsweisende Trends und Entwicklungen erkannt und in Projekte umgesetzt werden.<br />
Seit 2008 werden jährlich fünf IT-Schlüssel-Themen aus einer Vielzahl von Vorschlägen<br />
von Klinik- und IMT-Leitungen notariell begleitet gewählt und in Projektgruppen in der<br />
Praxis bearbeitet. Auch hier wieder sind alle drei »Sparten« beteiligt: Krankenhäuser,<br />
IT-Unternehmen und Beratungsunternehmen. Regelmäßig berichten die Projektgruppen<br />
mehrmals im Jahr über ihre Erfahrungen dabei – über Fortschritte und natürlich auch über<br />
Schwierigkeiten. Zweimal jährlich werden die Ergebnisse in einem IT-Branchenreport<br />
publiziert. Sämtliche Projektberichte seit 2008 stehen für die gesamte Branche zur<br />
Verfügung.<br />
Doch nicht nur die unmittelbaren Projektergebnisse selbst sind wichtig. Im Prozess der<br />
gemeinsamen Arbeit wächst das Verständnis für die Sichtweisen, Kompetenzen und<br />
Notwendigkeiten der jeweils anderen Beteiligten. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt<br />
der Entscheiderfabrik, denn die IT-Branche war – und ist für viele Führungskräfte sicher<br />
noch immer – eine Black Box. Umgekehrt sind IT-Experten die Prozesse, Vorgehens- und<br />
Denkweisen in Krankenhäusern auch nicht immer so geläufig. Eine wichtige Rolle spielen<br />
hier die Projekt-Koordinatoren/Berater, die beide Seiten gut kennen und erfahren in den<br />
standardisierten Instrumenten und Methoden der Entscheiderfabrik sind.<br />
Erstmals werden in diesem Jahr die aktuellen fünf IT-Schlüssel-Themen in Summe in den<br />
<strong>Praxisberichte</strong>n des <strong>VKD</strong> vorgestellt. Sie wurden auf dem Entscheider-Event, der zentralen<br />
Auftaktveranstaltung jedes Jahres im Februar, notariell begleitet gewählt. Es folgte das<br />
traditionelle Sommer-Camp als Startschuss für die intensive Arbeit der Projektgruppen,<br />
ihr Thema gemeinsam auf den Weg zu bringen. Unterstützt wurden sie dabei von dem so<br />
genannten Feedbackgeber. Die erste große Präsentation der Projektergebnisse durch die<br />
Teams erfolgt im Rahmen des Deutschen Krankenhaustages auf der Medica im November<br />
in Düsseldorf. Auch in diesem Jahr wird zweimal der »IT-Branchenreport der Krankenhaus-Unternehmensführung«<br />
mit vielen Informationen rund um die fünf IT-Schlüssel-<br />
Themen, die Projektergebnisse sowie weitere Veranstaltungen veröffentlicht.<br />
83
Auf den folgenden Seiten geben die Projektteams einen ersten Überblick über ihre Arbeit<br />
und machen neugierig auf die immer sehr lebhaften, interessanten, differenzierten<br />
Berichte im Herbst.<br />
Umfangreiche Informationen über Termine und Themen finden Interessenten unter<br />
www.ENTSCHEIDERFARIK.com<br />
84
Speicherung und Aufbewahrung<br />
großer Datenmengen<br />
Effizientes Management der Massen an medizinischen und administrativen Daten<br />
unter Berücksichtigung von Zukunfts- und Investitionssicherheit<br />
von Dr. Andreas Zimolong, Gerhard Härdter, Gunther Nolte, Claus Zuppa<br />
Die technische Entwicklung bringt laufend kleinere und leistungsfähigere Technik auf<br />
den Markt, welche alle privaten und geschäftlichen Bereiche durchdringt. Dies führt<br />
zu einer zunehmenden Computerisierung aller Geschäftsprozesse in den Kliniken.<br />
Dabei profitiert das Krankenhaus nicht nur von Verbesserungen in den Bereichen<br />
Diagnostik und Therapie, sondern die technische Entwicklung führt auch zu einer<br />
Änderung der Geschäftsprozesse. Die Menge an Daten wächst beständig und bringt<br />
neue Herausforderungen mit sich. Das Klinikum Stuttgart und das Klinikunternehmen<br />
Vivantes – Netzwerk für Gesundheit in Berlin stellen sich gemeinsam mit Experten<br />
der Hewlett Packard GmbH und dem Beratungsunternehmen Synagon GmbH diesen<br />
Herausforderungen.<br />
Eine zunehmende Vielfalt an mobilen Endgeräten ermöglicht den mobilen Zugriff auf<br />
Daten und deren Verarbeitung. Anwender können an jeder Stelle im Krankenhaus auf<br />
Daten zugreifen oder Daten erfassen und sind so nicht mehr an stationäre Arbeitsplätze<br />
gebunden. Bedingt durch die einfachere Datenerfassung nimmt auch die Menge an<br />
erfassten Daten zu, wobei mit den neuen Endgeräten auch vielfach neue Applikationen<br />
eingeführt werden. Um dabei keine Insellösungen entstehen zu lassen und die Daten<br />
in nachfolgenden Prozessen nutzen zu können, sind Schnittstellen in die etablierten<br />
Systeme (KIS, PACS, elektronisches Archiv, etc.) notwendig. Da Anwender neben den<br />
mobilen Endgeräten auch weiterhin die etablierten Systeme an stationären Arbeitsplätzen<br />
benutzen, müssen sie immer die Daten in der ihnen zugeordnete Arbeitsumgebung wiederfinden.<br />
Synchronisierung zwischen verschiedenen Endgeräten und damit Duplizierung<br />
der Daten ist nur eine Übergangstechnologie, da mit jedem neuen Endgerät der<br />
Datenbestand, aber nicht der Informationsbestand, zunimmt.<br />
Nicht nur das Synchronisieren von Geräten und Systemen dupliziert den Datenbestand,<br />
auch die elektronischen Kommunikationsprozesse führen zu einer Duplizierung. Dies<br />
lässt sich sehr anschaulich im Bereich der Email-Kommunikation feststellen, wo<br />
Informationen in Form von Dateien nicht nur an einen, sondern gleich an eine Vielzahl<br />
von Empfängern »zur Information« in Form von CC (Carbon Copy, vergleichbar dem<br />
Kohlepapierdurchschlag) versendet werden.<br />
Computerisierung findet sich auch in den Bereichen Medizin- und Haustechnik. Die zunehmend<br />
feine Sensorik von Medizingeräte erzeugt immer detailliertere Informationen, so<br />
dass einzelne Untersuchungen bei neuen Gerätegenerationen im Vergleich zur vorherigen<br />
größere Datenvolumina erzeugen. Darüber hinaus werden neuere Medizingeräte<br />
in der Regel mit Netzwerkschnittstellen ausgeliefert, über die nicht nur auf die patientenrelevanten<br />
Daten zugegriffen wird, sondern über die auch die Geräteverwaltung<br />
und –administration erfolgt. Damit werden neben den patientenspezifischen Daten auch<br />
85
administrative Daten erzeugt, welche die Datenbestände weiter erhöhen. Im Bereich der<br />
Haustechnik gibt es vergleichbare Trends, auch hier finden sich immer mehr Geräte und<br />
Sensoren, welche mit Intelligenz und Kommunikationstechnik ausgestattet werden und<br />
administrative Daten für das Facility Management erzeugen.<br />
Die Datenbestände wachsen aber nicht nur bedingt durch immer neuere oder hochauflösendere<br />
Sensorik. Auch der reguläre Behandlungsprozess führt mit immer wieder<br />
neuen Patienten und Untersuchungen bei gleichzeitiger Archivierung und Sicherung<br />
der vorhandenen Daten zu einem kontinuierlich anwachsenden Datenbestand. Bei<br />
Archivierungsfristen bis zu 30 Jahren können erst danach die Daten gelöscht werden,<br />
in den meisten Bereichen sind elektronische Daten dieses Alters aber noch gar nicht<br />
vorhanden.<br />
Die Herausforderungen<br />
Systemunabhängiger Datenzugriff<br />
Auch bei einer Vielzahl an datenerzeugenden Systemen muss sichergestellt werden,<br />
dass die Daten den zugriffsberechtigten Personen in den nachgelagerten Prozessen zur<br />
Verfügung stehen, idealerweise unabhängig vom System. Nicht also der Zugriff darauf<br />
ist die Herausforderung, sondern die systemunabhängige Bereitstellung der Daten.<br />
Zwingend müssen Dateninseln vermieden werden, welche den Zugriff auf Daten nur<br />
im datenerzeugenden System zulassen. In der Praxis stößt der systemunabhängige<br />
Datenzugriff jedoch schnell an Grenzen: So werden für den Datenaustausch zwischen<br />
Systemen Schnittstellen benötigt, deren Kosten sehr stark von der Motivation der<br />
Systemlieferanten abhängen. Die einen wollen die Anwender an ihr System binden und<br />
die Daten nicht herausgeben, die anderen wollen die Daten lieber mit eigenen Modulen<br />
erzeugen und daher keine Daten von externen Systemen annehmen. Dabei spielt die<br />
technische Realisierbarkeit der Schnittstelle nur eine sehr untergeordnete Rolle. In der<br />
Regel haben sich mit DICOM, HL7 und IHE Profilen hinreichend viele Standards etabliert.<br />
Datenablage und Datenschutz<br />
Bedingt durch die Vernetzung der unterschiedlichen Systeme muss die Herausforderung<br />
gelöst werden, wo die Daten abgelegt werde, ohne sie zu duplizieren. Dies ist in<br />
aktuellen Systemkonfigurationen immer noch der Standard und führt mit jeder weiteren<br />
Vernetzung zu einem Anwachsen der Datenbestände, ohne das dabei auch<br />
der Informationsstand anwachsen würde. Aber nicht nur das damit verbundene<br />
Anwachsen der Datenbestände ist ein Problem, sondern auch die datenschutzrechtlichen<br />
Anforderungen müssen für jedes Informationsitem gelöst werden. Jeder Datenbestand<br />
muss die datenschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen, beispielsweise:<br />
• Zugriffsschutzkonzept auf Objektebene<br />
• Dokumentation des Zugriffs auf Datenobjekte der Anwender und der Administratoren<br />
• Sichere Löschung der Datenobjekte nach Ablauf der Dokumentationsfristen<br />
• Herausgabe aller Datenobjekte an den Patienten<br />
Hier sind klar zentrale Datenbestände im Vorteil, da über Schnittstellen zwar Daten aber<br />
nicht Zugriffskonzepte ausgetauscht werden können.<br />
86
Datenarchivierung<br />
Das Krankenhaus steht zudem vor der Herausforderung, dass für Diagnose und Therapie<br />
relevante Daten über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren archiviert werden müssen.<br />
Dabei ist die eigentliche Archivierung eine Herausforderung, da bei einem alle 5 bis 10<br />
Jahre stattfindenden Technologiewechsel auch alle 5 bis 10 Jahre die Daten migriert<br />
werden müssen. Eine Datenmigration ist in der Regel nicht nur mit erheblichen Kosten<br />
verbunden, sondern benötigt auch viel Zeit: So transferieren gängige PACS die Daten mit<br />
Geschwindigkeiten von 0,5 bis 2 TB pro Woche, bei einem kleinen Datenbestand von 10<br />
TB ist dies bereits fast ein halbes Jahr.<br />
Zusammenfassend lassen sich die Herausforderungen wie folgt darstellen:<br />
Datenzuwachs:<br />
Anzahl der Informationseinheiten (z.B. mehr CT-Bilder)<br />
Größe der Informationseinheiten (z.B. höher auflösende CT-Bilder)<br />
Informationsquellen (z.B. Medizinprodukte)<br />
Steigerung der Anzahl der im Krankenhaus behandelten Patienten (Stichwort: Leistungsverdichtung),<br />
geschäftspolitisch (und nicht technisch) motivierte Datenspeicherung in<br />
Einzelsystemen<br />
Proprietäre Datenablage und –verwaltung<br />
Proprietäre Zugriffsberechtigungssysteme<br />
Duplizierung von Datenobjekten bei Datenaustausch zwischen den Systemen<br />
Rechtskonforme Datenarchivierung<br />
Datenschutz und Datenlöschung (Datenlebenszyklus)<br />
Datenlebensdauer vs. Lebensdauer System (Technologie)<br />
System-/Technologietausch ohne Datenverlust bei akzeptablen Kosten<br />
Die Aufgabenstellung<br />
Zentralisierte Verspeicherung<br />
Den eingangs benannten Herausforderungen kann durch eine Zentralisierung der<br />
Verspeicherung begegnet werden. Während dies im Bereich der Hardware vielfach<br />
bereits durch ein SAN (Storage Area Network) umgesetzt worden ist, werden die<br />
eigentlichen Speicherbereiche im SAN weiterhin individuell von den einzelnen Systemen<br />
genutzt. Über das SAN findet kein systemübergreifender Zugriff auf Datenobjekte statt.<br />
Der Grund hierfür liegt in der Differenzierung zwischen Daten- und Informationsobjekt<br />
– ein System kann nichts mit einem Datenobjekt anfangen, wenn es die darin gekapselten<br />
Informationen nicht interpretieren kann. Eine Datei mit einem Bild ist für ein<br />
PACS ohne Wert, wenn keine zusätzlichen Informationen das Bild als Röntgenbild mit<br />
einem Patientenbezug ausweisen. Der Schlüssel zu einer zentralen Verspeicherung von<br />
Informationsobjekten ist daher ein Verzeichnisdienst, welcher die Informationsobjekte<br />
systemübergreifend bereitstellt. Dabei muss sichergestellt werden, dass ein systemübergreifender<br />
Stand verwendet wird. Hierzu bietet sich IHE an.<br />
87
Anpassungsfähige Speicherarchitektur<br />
Neben der logischen Verspeicherung der Informationsobjekte wird eine Speicherarchitektur<br />
benötigt, welche eine dynamische Anpassung der Speichermodalität an den Bedarf<br />
erlaubt. Ziel muss es sein, dass bei Wechsel der Speichermedien keine Migration und kein<br />
Umkopieren notwendig sind.<br />
Lösungsszenarien und Gegenüberstellung<br />
Die Speicherarchitektur<br />
Für die Verspeicherung der Informationsobjekte bietet sich als Lösung ein Grid-Storage<br />
mit offenen Standard-Schnittstellen an. Damit werden drei wesentliche Themen adressiert:<br />
1. Skalierbarkeit<br />
Für die Datenfluten aus medizinischen Großgeräten sind monolithische Systeme ungeeignet,<br />
da sie zu Beginn der Inbetriebnahme notwendigerweise viele Kapazitäten für die<br />
weitere Nutzung bereitstellen und damit überdimensioniert und entsprechend teuer sind.<br />
Im Gegensatz dazu bietet der Grid-Ansatz die Möglichkeit, mit vergleichsweise kleinen<br />
Teilsystemen (Bausteine) ein virtuelles Gesamtsystem aufzubauen. Das Gesamtsystem<br />
wächst dabei mit dem Hinzufügen weiterer kleiner Bausteine. Die Überkapazitäten und<br />
damit das nicht genutzte Kapital fallen beim Hinzufügen neuer Bausteine entsprechend<br />
geringer aus. Im Verlauf der Nutzung lässt sich damit die Speicherkapazität immer flexibel<br />
dem Bedarf anpassen, wobei mit dem Hinzufügen weiterer Teilsysteme nicht nur die<br />
Kapazität sondern auch die Performance wächst.<br />
2. Problem der mehrfachen Datenmigration<br />
Mit dem Grid-Ansatz werden immer nur vergleichsweise kleine Teilsysteme peu à peu<br />
ersetzt. Das virtuelle Gesamtsystem bleibt dabei permanent online. Das Hinzufügen<br />
neuer Teilsysteme, die Evakuierung alter Teilsysteme und das »Betanken« der neuen<br />
Teilsysteme geschieht komplett im Hintergrund.<br />
3. Offene Schnittstellen<br />
Um ein offenes Repository standardisierter Datenobjekte zu realisieren, muss auch die<br />
Verwendung proprietärer APIs vermieden werden. Mit dem Grid-Ansatz werden mit<br />
CIFS und NFS die beiden am weitesten verbreiteten, offenen Standard-Schnittstellen der<br />
Industrie verwendet. Die das Speicher-Grid nutzenden Anwendungen sind beliebig wählbar/austauschbar,<br />
ebenso wie die dahinterliegende Hardware.<br />
4. Systemarchitektur<br />
Zentrale Elemente einer systemunabhängigen Verspeicherung und Bereitstellung von<br />
Informationsobjekten sind das IHE Repository, die IHE Registry sowie der MPI Generator.<br />
Die Informationsobjekte (auch allgemein Dokumente genannt in der IHE Nomenklatur)<br />
werden in Document Repositories verspeichert, von denen beliebig viele existieren<br />
können. Die IHE Registry verwaltet dagegen den Zugriff auf die Repositories anhand<br />
von Meta-Daten, welche die Art von zu einem Patienten gespeicherten Dokumenten<br />
sowie das diese Dokumente speichernde Repository beschreiben. Systeme können auf<br />
88
die im Repository gespeicherten Dokumente zugreifen, indem sie zunächst in Form<br />
einer Suchanfrage bei der Registry den Speicherort anfragen und anschließend auf die<br />
Dokumente im Repository zugreifen. Neben diesen Dokument Consumern sieht IHE auch<br />
mit der Document Source Akteure vor, welche Dokumente in ein Repository einstellen.<br />
Diese übertragen Dokumente in ein oder mehrere Repositories. Gleichzeitig wird damit<br />
entschieden, welche Dokumente über das Repository anderen Consumern zur Verfügung<br />
gestellt werden.<br />
Die Registry ist das zentrale Element für das Auffinden von zu einem Patienten gehörenden<br />
Dokumenten. Damit dies auch für Dokumente von unterschiedlichen Document<br />
Sources funktioniert, müssen die Patienten über eine systemübergreifend eindeutige<br />
Patientenkennung verfügen. Hierfür sieht IHE mit der Patient Identity Source einen<br />
separaten Akteur vor, welcher als einziger Patientenstammdaten zur eindeutigen<br />
Identifikation von Patienten anlegt oder ändert. Nur wenn die Patient Identity Source<br />
diese vorher angelegt hat, wird die Registry einen Verweis auf ein zu einem Patienten<br />
gehöriges Dokument übernehmen.<br />
Nicht alle von einem System zu einem Patienten gespeicherten Daten können als<br />
standardisierte Informationsobjekte, als Dokument, in ein IHE Repository verspeichert<br />
werden. Die Systeme behalten daher eigene, proprietäre Datenspeicher. Außerdem<br />
sieht der Standard für IHE Repositories auch keine eigene Implementierung des<br />
Informationslebenszyklus vor, d.h., dass die Abbildung der Archivierungsfristen für die<br />
einzelnen Dokumente nicht über das IHE Repository, sondern nur durch die einzelnen<br />
Document Sources erfolgen kann.<br />
Auch das Zugriffsberechtigungskonzept wird ausschließlich von den einzelnen Document<br />
Sources verwaltet. Mit dem IHE-Profil Audit Trail and Node Authentication<br />
(ATNA) wird eine Sicherheitsinfrastruktur implementiert, welche die grundlegenden<br />
Sicherheitsanforderungen an die mit den Repositories kommunizierenden Systeme formuliert.<br />
Die Authentifizierung der Benutzer obliegt allerdings den Systemen selbst. Mit<br />
weiteren IHE-Profilen (XUA bzw. XUA++) werden dann Informationen über authentifizierte<br />
Personen, Systeme und Anwendungen ausgetauscht.<br />
Die SWOT-Analyse<br />
Stärken:<br />
• Nicht-proprietäre Datenhaltung<br />
• Austauschbarkeit der Präsentations-/Applikationsschicht<br />
• IHE Viewer als Alternativzugriff für die Präsentationsebene<br />
• MPI über alle Systeme<br />
• Sektor übergreifende Kommunikation (mit anderen IHE-Domänen)<br />
• Das Haus bleibt Herr seiner Daten<br />
• Datenmigration/Datenerweiterung gelöst: auf Speicherebene über Grid-Storage,<br />
IHE-Repository ist übernehmbar<br />
89
Schwächen:<br />
• Innovativer Ansatz, entsprechend kein über Jahre am Markt bewährter Reifegrad<br />
• Zugriffsberechtigungskonzept muss abgebildet werden in den Applikationen<br />
• Inhaltlich nicht vollständig, bildet nicht alle Anforderungen/Prozesse aus der<br />
Praxis ab<br />
• Bricht das Prinzip der GU eines Anbieters – das Haus übernimmt Verantwortung<br />
• Es braucht (wenig verfügbares) Know-how und Ressourcen<br />
• Rechtskonforme Datenarchivierung weiterhin auf Applikationsebene<br />
• Datenschutz und Datenlöschung auf Applikationsebene<br />
Chancen:<br />
• Initiiert mehr fairen Wettbewerb zwischen den Applikationsanbietern<br />
• Erhöht die Innovationsbereitschaft<br />
• Auswahl der Anbieter/Lieferanten über Qualitätsmerkmale<br />
• Stärkere Einflussnahme auf den Funktionsumfang der Applikationen<br />
• Neue Geschäftsmodelle zwischen Lieferanten und Kunden durch Neuverteilung<br />
der Verantwortung<br />
Risiken:<br />
• Investition in eine Struktur, die von den Anbietern/Lieferanten nicht bedient wird<br />
• Zeitverzug in der Umsetzung aufgrund fehlender Investitionsbereitschaft<br />
Die Systemarchitektur – Übergangszeit mit eArchiv und PACS<br />
Mit elektronischem Archiv und PACS stehen im Krankenhaus Systeme zur Verfügung, welche<br />
als zentrale Datenquellen für die angeschlossenen Systeme genutzt werden können.<br />
Dabei behalten die Systeme jedoch ihre eigenen Datenspeicher, sie stellen lediglich<br />
definierte Informationsobjekte den Systemen eArchiv und PACS zur Verfügung. Sowohl<br />
eArchiv und PACS verfügen über Funktionen zur Langzeitarchivierung, die Objekte könnten<br />
daher nach der Übermittlung aus dem system-proprietären Datenbestand entfernt und<br />
der Datenbestand so reduziert werden. In der Praxis erfolgt dies jedoch nicht. Das hat<br />
unterschiedliche Gründe:<br />
• Die Daten werden in einem proprietären Format im systemspezifischen Datenbestand<br />
gespeichert. Würden sie aus diesem Datenbestand gelöscht, müssten sie<br />
bei Bedarf aus den Archivsystemen geladen werden, womit sich die Zugriffszeit<br />
verlängert. Diese verlangsamte Reaktionszeit macht sich direkt beim Nutzer<br />
bemerkbar und ist in der Regel nicht akzeptabel.<br />
• Während die Übertragung der Daten an die zentralen Archivsysteme nur eine<br />
unidirektionale Schnittstelle erforderlich macht, würde das Zurücklesen der<br />
Daten eine bidirektionale Schnittstelle erfordern. Die Kosten für die Schnittstelle<br />
verdoppeln sich daher. Da die Systemlieferanten ohnehin nur geringes Interesse<br />
an der Auslagerung der Daten haben, werden die Schnittstellenpreise entsprechend<br />
hoch angesetzt.<br />
90
• Ohnehin können nicht alle Daten an die zentralen Archivsysteme ausgelagert wer<br />
den, so dass das System weiterhin Zugriffsschutz und eine eigene Langzeitspeicherung<br />
vorsehen muss. Mit Auslagerung von Daten an die zentralen Archivsysteme<br />
würde sich daher ausschließlich der Datenbestand reduzieren. Da dieser bei den<br />
meisten Systemen sowieso vergleichsweise gering ist, rechnet sich der Aufwand<br />
nicht.<br />
Aus den genannten Gründen verbleiben die Daten in den jeweiligen Systemen, lediglich<br />
Kopien werden in den zentralen Archivsystemen abgelegt. Im Falle eines Wechsels müssen<br />
die Daten daher in das neue System migriert werden. Dieses ist mit den eingangs<br />
erwähnten Zeit und Kosten verbunden und erfahrungsgemäß nie vollständig möglich.<br />
Um die Migrierbarkeit insbesondere bei großen Datenbeständen zu bewahren, muss die<br />
Verspeicherung der Informationsobjekte in standardisierter Form in einem systemeigenen<br />
IHE Repository gefordert werden. Gleichzeitig müssen die Metadaten in einen IHE Registry<br />
abgelegt werden, um auch den systemunabhängigen Zugriff auf das Repository zu ermöglichen.<br />
Auch wenn die Registry dann durch andere Systeme nicht direkt ansprechbar ist<br />
– bei einem Wechsel des Systems können und sollten dann Registry und Repository als<br />
Ganzes in das neue System eingebunden werden. Eine Datenmigration entfiele.<br />
Folgende Chancen und Stärken lassen sich für diese Architektur identifizieren:<br />
• Bereitstellung von Informationsobjekten über die zentralen Systeme eArchiv und<br />
PACS<br />
• Keine Duplizierung der zentral gespeicherten Daten notwendig, um diese dem<br />
Anwender bereit zu stellen<br />
• Austauschbarkeit der Präsentations-/Applikationsschicht, so lange hierüber nur auf<br />
die zentral gespeicherten Informationsobjekte zugegriffen wird<br />
• Auf der Speicherebene ist die Datenmigration/Datenerweiterung gelöst über GRID-<br />
Storage<br />
• Rechtskonforme Datenarchivierung gelöst für die in den zentralen Archivsystemen<br />
befindlichen Daten<br />
• Mehr Auswahl an Applikationen auf der Präsentationsschicht, so lange der Zugriff<br />
auf die zentral gespeicherten Informationsobjekte ausreichend ist<br />
Dem stehen folgende Schwächen und Risiken gegenüber:<br />
• Abhängigkeit von den Lieferanten PACS und eArchiv, Datenmigration geht bei<br />
fehlender interner IHE Registry nur über das Migrieren der Daten<br />
• Kein Master Patient Index (MPI), d.h., dass die Zuordnung zu Patienten nur über das<br />
Patienten führende System erfolgen kann<br />
• Anbieter spezifische Datenablage, Zugriffsberechtigungskonzept und<br />
Langzeitspeicherung<br />
91
Die Praxisprojekte<br />
Erste Umsetzungsetappen in der Praxis der an diesem Projekt der Entscheiderfabrik <strong>2012</strong><br />
beteiligten zwei Klinikunternehmen sind erfolgreich verlaufen.<br />
Klinikum Stuttgart<br />
Am Klinikum Stuttgart wurden erste Schritte zur Umsetzung einer Grid und IHE-Speicherarchitektur<br />
unternommen. Ausgehend von vier Standorten mit jeweils eigenem RIS/PACS,<br />
in Summe 83 bildgebende Modalitäten (19 davon mit >5.000 Bilder pro Untersuchung),<br />
konnte der Zugriff auf die Krankengeschichte eines Patienten aus allen vier Häusern realisiert<br />
werden. Hierzu wurde über alle Standorte ein gemeinsames RIS und PACS realisiert.<br />
Die RIS-Daten sollten strukturiert und nicht als PDF archiviert werden, hierfür kam ein IHE<br />
Speicher der Fa. Tiani Spirit zum Einsatz. Bei einem Betrachtungszeitraum von 10 bis 30<br />
Jahren stellte sich die Migration in den IHE- Speicher im Vergleich zu einer Migration in das<br />
neue RIS nahezu kostenneutral dar.<br />
In den vier PACS hatten sich über 10 Jahren insgesamt ca. 80 TB an Daten angesammelt,<br />
welche mit einer Transferrate von 0,5 bis 2 TB pro Woche (DICOM Export) in das neue<br />
PACS migriert werden. Als Speicherarchitektur kommt der HP GRID-Speicher zum Einsatz.<br />
Ein einfacher Ausbau des Datenspeichers und Austausch einzelner Speicherkomponenten<br />
ist damit möglich.<br />
Für den Zugriff auf die RIS-Befunde konnte damit ein Ausfallkonzept realisiert werden,<br />
da jetzt auch mit RIS-unabhängigen Viewern die Darstellung der strukturierten Dokumente<br />
aus dem IHE Repository möglich ist. Das Repository bildet auch die Plattform für die Verspeicherung<br />
weiterer Anwendungsdaten, beispielsweise ist die Übernahme von SAP Datenobjekten<br />
sowie die Ablage des Inhaltsverzeichnisses für die PACS-Objekte geplant. Des<br />
Weiteren sollen fachbereichsspezifische DICOM-Viewer (z. B. Echokardiologie, Herzkatheter)<br />
realisiert werden.<br />
Vivantes Netzwerk für Gesundheit<br />
In den Einrichtungen der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH sind die Planungen für<br />
die Umsetzung der IHE-Speicherarchitektur in vollem Gange. Ausgehend von vertikal-monolithischen<br />
klinischen Systemen mit gekapselter produktspezifischer Datenmodell-, Businesslogik-<br />
und GUI- Architektur soll ein DMS als elektronisches Archiv (eArchiv) zum Einsatz<br />
kommen. Es soll die revisionssichere, dokumentenechte Archivierung auf Basis eines<br />
IHE Repositories realisieren. Hierfür muss es eine unabhängige und entkoppelte 3-Schichtarchitektur<br />
mit den Elementen Datenspeicherung, Businesslogik und Präsentationsebene<br />
umsetzen. Hierzu wird zunächst ein IHE Repository aufgebaut und anschließend in dieses<br />
aus den unterschiedlichen Systemen Informationsobjekte überspielt. Hierauf setzen dann<br />
die DMS-Funktionalitäten auf.<br />
Durch den Aufbau des IHE Repositories wird die Hoheit über die eigenen Datenbestände<br />
gesichert, die Flexibilität und Handlungsfähigkeit im Hinblick auf Marktentwicklungen<br />
deutlich verbessert. Außerdem ergibt sich eine Verbesserung der Konzernhardwarearchitektur<br />
durch Minimierung der Server-, Datenbank-, Schnittstellen- und Kommunikationsserverkomponenten.<br />
92
Fazit<br />
Die ubiquitäre Erfassung und Nutzung von Daten stellt einen Schlüssel für den Erfolg von<br />
Diagnostik und Therapie dar. Es muss erreicht werden, dass Daten nicht nur innerhalb definierter<br />
Systemgrenzen nutzbar sind, sondern dass sie auch außerhalb von Systemgrenzen<br />
ihre Inhalte und Bedeutung behalten. Erst durch den Aufbau unternehmensweiter Speicherdienste<br />
für medizinische Daten bleibt das Krankenhaus im Besitz der Interpretationshoheit<br />
der Daten. Und erst dann können von den Systemen unabhängige Applikationen<br />
diesen Datenbestand erschließen.<br />
Die Arbeiten wurden in Teilen mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft & Technologie<br />
(BMWi) im Verbundprojekt smartOR mit dem Förderkennzeichen 01MA09041A gefördert.<br />
Das Projekt<br />
Am Projekt »Effizientes Management der Massen an medizinischen und administrativen<br />
Daten unter Berücksichtigung von Zukunfts- und Investitionssicherheit« nehmen<br />
das Klinikum Stuttgart, das Klinikunternehmen Vivantes – Netzwerk für Gesundheit in<br />
Berlin, die Hewlett Packard GmbH sowie das Beratungsunternehmen Synagon GmbH<br />
teil.<br />
Die Projektgruppe besteht aus Dr. Andreas Ziemolong, Synagon DmbH, Gerhard Härdter,<br />
Klinikum Stuttgart, Claus Zuppa, Hewlett Packard GmbH und Gunther Nolte, Vivantes<br />
– Netzwerk für Gesundheit.<br />
93
94
Werkzeug zur strategischen Krankenhaussteuerung<br />
Risiko- und Potenzialanalysen anhand von Geo- und Marktdaten für ein<br />
strategisches Konzernmanagement in der Gesundheitswirtschaft<br />
von Dr. Uwe Günther, Dr. Andreas Goepfert, Nils Wittig, Dr. Silke Haferkamp, Roland<br />
Mennicken, Stefan Lachmann, Alois Steidel<br />
Das strategische Management hat für die effektive und effiziente Unternehmenssteuerung<br />
und somit für den Erfolg eines Krankenhauses, speziell vor dem Hintergrund<br />
der sich verstärkenden intersektoralen Gesundheitsversorgung, einen stetig wachsenden<br />
Stellenwert. Eine wesentliche Grundlage hierfür bildet die Bereitstellung von<br />
Geo- und Marktdaten. Sie dienen zur faktenbasierten Einschätzung der Potenziale aber<br />
auch Risiken, die sich einem Krankenhauskonzern im Umfeld bezogenen Wettbewerb<br />
bieten. Die Autoren beleuchten die Herausforderungen und den Nutzen von Geound<br />
Marktdaten am Beispiel des Einsatzes von Eye on Health ® im Verbundklinikum<br />
Landkreis Ansbach sowie im Universitätsklinikum Aachen.<br />
Der deutsche Gesundheitsmarkt befindet sich nicht zuletzt aufgrund des immensen<br />
Kostendrucks, der steigenden Qualitätsanforderungen sowie des Einzug haltenden transsektoralen<br />
Wettbewerbs in einem tiefgreifenden Wandel. Die Folgen sind ein drastisches<br />
Sinken der Zahl der Krankenhäuser bis auf prognostiziert ca. 1.800 im Jahr 2020 sowie die<br />
weitere Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauern der akutstationären Patienten.<br />
Dem gegenüber stehen ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen auf über 19 Mio. im Jahr<br />
2050 sowie die weitere Zunahme an Krankenhauszusammenschlüssen bei privaten, freigemeinnützigen<br />
und ebenso öffentlichen Krankenhausträgern. Auch die Nachfrageseite<br />
des Krankenhausmarktes unterliegt gravierenden Veränderungen. Hervorzuheben ist<br />
hier die erweiterte Vertragsfreiheit der Kostenträger unter dem Stichwort des selektiven<br />
Kontrahierens. Jedoch werden auch die Patienten immer mehr zu autonomen<br />
Nachfragern, die sich ein Krankenhaus nach entsprechenden Leistungsvergleichen<br />
bewusster auswählen (Abb. 1).<br />
Alle beteiligten Akteure, insbesondere die Krankenhäuser, sind gefordert, sich dieser<br />
veränderten Situation zu stellen und ihr Marktverhalten entsprechend anzupassen.<br />
Dies erfordert die zunehmende Anwendung des markt- und betriebswirtschaftlichen<br />
Instrumentariums, insbesondere von strategischen Steuerungsmethoden und<br />
Werkzeugen. Dazu gehört speziell die Nutzung von Geo- und Marktdaten.<br />
Bisher mangelhafte Datenbasis<br />
Den deutschen Krankenhäusern mangelt es derzeit allerdings an den notwendigen<br />
Methoden und Werkzeugen des strategischen Managements. Das betrifft insbesondere die<br />
fachbezogene, intersektorale Gesundheitsversorgung. Im Speziellen fehlen die notwendigen<br />
Informationen als Grundlage für die Strategieformulierung. Entscheidungsrelevante<br />
Kennzahlen werden oftmals zu spät und zu unspezifisch angeboten, basieren stark auf<br />
ausschließlich finanzwirtschaftlichen Daten und sind auf vergangenheitsorientierte, interne<br />
Parameter fokussiert. Die Datenbasis ist isoliert und nicht Flächen deckend, häufig<br />
bedingt durch nach Fachbereichen getrennte Informationssysteme.<br />
95
Abbildung 1: Strukturwandel im Gesundheitswesen<br />
Das Ergebnis: Wichtige Entscheidungen zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser werden<br />
auch heute noch in erheblichem Maße aufgrund einer unzureichenden Faktenbasis und<br />
ungesicherter Erwartungshaltungen getroffen.<br />
Vor diesem Hintergrund startete im Rahmen des Entscheiderfabrik <strong>2012</strong> das Projekt<br />
»Risiko- und Potenzialanalysen anhand von Geo- und Marktdaten für ein strategisches<br />
Konzernmanagement in der Gesundheitswirtschaft«.<br />
Ziele definieren mittels Geo- und Marktdaten<br />
»Strategien sind Maßnahmen zur Sicherung des langfristigen Erfolges eines Unternehmens«<br />
(vgl. Ansoff, 1965). Das strategische Konzernmanagement in der Gesundheitswirtschaft<br />
sollte demnach anstreben, Strategien für die Entwicklung von Unternehmen,<br />
hier speziell von Krankenhäusern, zielorientiert zu gestalten und umzusetzen.<br />
96
Zentrales Element der strategischen Krankenhaussteuerung ist die Früherkennung von<br />
Veränderungen und deren Einbindung in die Unternehmensentscheidungen, die antizipativ<br />
getroffen werden. Grundlage hierfür bildet ein informationsverarbeitender Prozess zur<br />
Abstimmung von Anforderungen der Umwelt mit den Potenzialen des Unternehmens. Ein<br />
Krankenhaus sollte daher zunächst seine Zielsetzung definieren sowie seine Umwelt und<br />
das Unternehmen selbst analysieren, um daraus geeignete Strategien für sich abzuleiten<br />
(Abb. 2).<br />
Abbildung 2: Informationsprozess der strategischen Krankenhaussteuerung<br />
(vgl. Bea und Haas, 2005)<br />
Primärziel des Verbundklinikums Landkreis Ansbach und des Universitätsklinikums<br />
Aachen im Rahmen des Projektes »Risiko- und Potenzialanalysen anhand von Geo- und<br />
Marktdaten für ein strategisches Konzernmanagement in der Gesundheitswirtschaft« ist<br />
es, ein Werkzeug zur strategischen Krankenhaussteuerung einzuführen.<br />
Im Mittelpunkt des Vorhabens steht die Intention, ein strategisches Modellprojekt zur intersektoralen<br />
Gesundheitsversorgung zu gestalten. Damit schaffen die Projektbeteiligten<br />
gleichzeitig eine Basis dafür, dass auch andere Krankenhäuser mit vergleichbaren<br />
Fragestellungen ihr Strategiemanagement professionalisieren können (Abb. 3).<br />
97
Abbildung 3: Strategisches Modellprojekt zur intersektoralen Gesundheitsversorgung<br />
Beispielhaft können sich in diesem Gesamtkontext folgende Fragestellungen für ein<br />
Krankenhaus ergeben:<br />
• Besteht eine grundsätzliche Relevanz der intersektoralen Kooperation unter sozioökonomischen<br />
Aspekten?<br />
• Ist eine Erweiterung des Versorgungsspektrums um mögliche Zusatzleistungen entlang<br />
der Versorgungsformen und/oder Versorgungsstufen im Sinne einer<br />
Umsatzsteigerung möglich und erforderlich?<br />
• Ist eine Reduktion des Versorgungsspektrums auf bestimmte Indikationen, bzw.<br />
Indikationsgebiete, im Sinne von Kosteneffizienz möglich und erforderlich?<br />
• Wie gestalten sich die Art und der Umfang der Eigenleistung und des Einsatzes an<br />
eigenen Human- und technischen Ressourcen?<br />
• Wie gestaltet sich die Auswahl etwaiger geeigneter Kooperationspartner?<br />
Zur Beantwortung dieser und weiterer strategischer Fragen sind sowohl Umweltinformationen<br />
als auch Informationen über das eigene Krankenhaus unabdingbar,<br />
die in Relation gesetzt werden müssen. Beispielhaft sind dies umweltbezogene<br />
Angaben über die aktuelle Marktposition sowie verlässliche Daten zu Patienten- und<br />
Zuweisern, Einzugsgebieten, Marktanteilen, Fallprognosen, Mitbewerbern und möglichen<br />
Kooperationspartnern etc. Durch die Einbringung eigener Schlüsselressourcen und<br />
Kernkompetenzen, die mit den Umweltinformationen abzustimmen sind, ist es möglich,<br />
ein wertorientiertes, umfassendes und intersektorales Versorgungsangebot auf Basis von<br />
Ist- und Solldarstellungen zu definieren.<br />
98
Die Anforderungsanalyse<br />
Die Präzisierung der Ziele erfolgt im Rahmen der sich anschließenden Anforderungsanalyse,<br />
die der konkreten Operationalisierung des werkzeugbasierten strategischen Konzernmanagements<br />
im Sinne der Festlegung der benötigten Kennzahlen dient.<br />
Konzeptionelle Daten<br />
Hierbei stellen sich auf konzeptioneller Ebene wiederum Fragen, die es zu bearbeiten gilt:<br />
• Was soll anhand von Kennzahlen gesteuert werden?<br />
• Welche Kennzahlen können identifiziert werden?<br />
• Können Ziel- und Sollwerte definiert werden?<br />
• Können erforderliche Daten beschafft werden bzw. ist der Aufwand für die Beschaffung<br />
zu rechtfertigen?<br />
• Können Verantwortliche für jede Kennzahl benannt werden?<br />
• Wie reagieren Kennzahlen auf organisatorische oder technologische Veränderungen?<br />
Strategische Umweltdaten<br />
Im Ergebnis gliedern sich die Anforderungen des Verbundklinikums Landkreis Ansbach und<br />
des Universitätsklinikums Aachen an die strategisch benötigten Umweltdaten in die Datenkategorien<br />
Demografische und epidemiologische Daten, technologische Entwicklung,<br />
Entwicklung Politik und Gesetze sowie Informationen zur Marktstruktur.<br />
Im Einzelnen werden beispielsweise folgende Kennzahlen als relevant erachtet: Bevölkerungsentwicklung,<br />
Morbidität und Mortalität, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden<br />
(NUBs), neue Gesundheitsgesetzgebungen, verfügbares Patientengut im Einzugsgebiet,<br />
davon eigens versorgtes Patientengut, relevante ambulante und stationäre<br />
Leistungserbringer als Wettbewerber aber auch als mögliche Kooperationspartner ( Abb. 4).<br />
Abbildung 4: Anforderungen an strategische Umweltdaten (Auszug)<br />
99
Strategische Krankenhausdaten<br />
Bei den strategischen Krankenhausdaten (Unternehmensdaten) unterteilen sich die Anforderungen<br />
in die Kennzahlenbereiche Leistungserbringung, Personaleinsatz sowie Einsatz<br />
von finanziellen und technologischen bzw. infrastrukturellen Ressourcen. Im Einzelnen<br />
werden hier beispielsweise folgende Kennzahlen als wesentlich erachtet: Ärztliche<br />
Leistungen im Sinne von behandelten Patienten, Diagnostik- und Therapieleistungen,<br />
Leistungen der Pflege und des medizintechnischen Personals, Personalanzahl der Ärzte,<br />
Pflege und des medizintechnischen Personals, Kapitalressourcen wie Eigenkapital, Krankenhausbudget,<br />
Fördermittelverfügbarkeit, Abschreibungen (AfA) sowie infrastrukturelle<br />
Ressourcen wie Planbetten, OP-Säle und Medizintechnik ( Abb. 5).<br />
Abbildung 5: Anforderungen an strategische Krankenhausdaten (Auszug)<br />
Bei der Festlegung der Kennzahlen muss aber auch beachtet werden, wie realistisch<br />
es ist, die gewünschten Informationen tatsächlich zu bekommen und ob der Aufwand<br />
für die Beschaffung der erforderliche Daten zu rechtfertigen ist. Dies ist speziell für die<br />
Bereitstellung der strategischen Umweltdaten relevant. So wird es schwierig zu ermitteln<br />
sein, wer innerhalb einer geographischen Region welche Leistungen an welchen<br />
Patienten erbracht hat, denn dafür wird ein Zugang zu Daten der Kostenträger benötigt.<br />
Die Beschaffung der strategischen Krankenhausdaten ist im Gegensatz dazu vergleichsweise<br />
einfach, da die erforderten Informationen in den unternehmensinternen EDV-<br />
Systemen, primär im Krankenhausinformationssystem sowie im ERP-System, vorhanden<br />
sind.<br />
Auf die Frage, was anhand der einzelnen Kennzahlen aktiv gesteuert werden soll, definieren<br />
das Verbundklinikum Landkreis Ansbach und das Universitätsklinikum Aachen<br />
folgende Beispielanforderungen, die es im Laufe des Projektes noch zu konkretisieren gilt:<br />
100
• Aufzeigen des Marktes<br />
• Leistungen, die von den Marktteilnehmern in der Region nachgefragt werden<br />
• Ausweisen, wer diese Leistungen erbracht hat<br />
• Darstellungen auf unterschiedlichen Ebenen, z.B. Gesamthaus, Fachabteilung,<br />
Einzelleistung (DRG/ICD/OPS)<br />
• Prospektive Servicestruktur auf Basis von Inzidenzen, Prävalenzen, Demografie,<br />
Arztressourcen etc.<br />
• Unterstützung bei strategischen Ableitungen, wie z.B. Setzen von Leistungsschwerpunkten,<br />
Patientenmarketing und Werbung, Anpassung Chefarztkapazität,<br />
Ausbau Telemedizin in den Bereichen Telenotarzt, Teleintensivmedizin, Teleradiologie<br />
Werkzeug zur strategischen Krankenhaussteuerung – Eye on Health ®<br />
Die Umsetzung der beschriebenen Zielsetzungen und Anforderungen soll auf Basis des<br />
Werkzeuges Eye on Health ® der KMS AG für die Darstellung der Geo- und Marktdaten<br />
erfolgen. Die Bereitstellung der relevanten Unternehmensdaten wird durch eisTik.Net ® ,<br />
ebenfalls KMS AG, realisiert (Abb. 6).<br />
Abbildung 6: Werkzeug zur strategischen Krankenhaussteuerung – Eye on Health ®<br />
Hierbei werden die umfeldbezogenen Daten der sogenannten Eye on Health ® Cloud mit<br />
den unternehmensinternen Daten aus eisTik.Net ® abfragespezifisch in Verbindung gesetzt.<br />
Die strategische Betrachtung und Ableitung soll darauf basierend in Form von standardisierten<br />
Berichten (Reports) abgebildet werden. Zudem ist die Möglichkeit für weitergehende<br />
Abfragen durch die Anwender von Eye on Health ® gegeben.<br />
101
Weiteres Vorgehen und Ausblick<br />
Im bisherigen Verlauf des Projektes hat sich anhand von diversen Workshops und Projektvorstellungen<br />
im Rahmen der Entscheiderfabrik gezeigt, dass strategische Information im<br />
Bereich der Geo- und Marktdaten hohe Relevanz genießen. Insbesondere wird der Nutzen<br />
der zeitnahen Verfügbarkeit relevanter Informationen für die strategische Entscheidungsfindung<br />
sowie deren benutzerfreundliche und intuitive Anwendung als wesentlicher Vorteil<br />
für das Unternehmen erachtet.<br />
Eine der zentralen Herausforderungen des Projektes sind derzeit noch offene Fragen im<br />
Bereich der Datenbeschaffung, insbesondere bei intendierten Kostenträgerdaten. Des Weiteren<br />
gilt es, ein festes Set an kommentierten Standardabfragen (Starter-Kit) zu definieren,<br />
die durch eine unbegrenzte Menge an Individualabfragen ergänzt werden können. Dazu<br />
gehört dann auch die automatisierte und regelmäßige Versendung von entsprechenden<br />
Standardberichten.<br />
Die Konzeptphase des Projekts wurde im August <strong>2012</strong> abgeschlossen. Parallel dazu verliefen<br />
die technischen Pilotierungen von Eye on Health ® bei beiden Einrichtungen in Ansbach<br />
und Aachen. Anschließend ist für das Projekt eine Abschlussevaluation im Sinne eines<br />
»Lessons Learned« geplant, auf deren Basis der weitere Regelbetrieb von Eye on Health ®<br />
angegangen werden soll.<br />
Sämtliche Ergebnisse des Projektes werden auf dem 35. Deutschen Krankenhaustag im<br />
Rahmen der Medica am 15. November <strong>2012</strong> sowie beim Entscheider-Event 2013 der Entscheiderfabrik<br />
am 6. Februar 2013 in Düsseldorf vorgestellt.<br />
Das Projekt<br />
Im Rahmen des Entscheiderfabrik-Projektes »Risiko- und Potenzialanalysen anhand<br />
von Geo- und Marktdaten für ein strategisches Konzernmanagement in der Gesundheitswirtschaft«<br />
wird das Werkzeug Eye on Health ® der KMS AG zur strategischen<br />
Krankenhaussteuerung für das Verbundklinikum Landkreis Ansbach und das Universitätsklinikum<br />
Aachen unter Beteiligung der Unternehmensberatung Sanovis GmbH<br />
eingeführt.<br />
Die Projektgruppe besteht aus Dr. Uwe Günther, Sanovis GmbH, www.sanovis.com,<br />
Dr. Andreas Goepfert und Nils Wittig, Verbundklinikum Landkreis Ansbach,<br />
www.vkla.de, Dr. Silke Haferkamp und Roland Menicken, Universitätsklinikum Aachen,<br />
www.ukaachen.de, sowie Stefan Lachmann und Alois Steidel, KMS AG, www.kms.ag.<br />
102
Chancen und Risiken der IT-Mobilität<br />
Evaluation von mobilen Endgeräten für den Einsatz bei mobiler Visite,<br />
bei Pflege und in anderen Szenarien<br />
von Maryam Amiri, Michael Haumann, Detlef Lübben, Harald März,<br />
Günter Reckmann, Carmen Schönberg, Josef Schüler, Haiko Sobbe, Ellen Simon<br />
Welche Chancen und welche Risiken birgt der Einsatz mobiler Datenverarbeitung<br />
in der Krankenhauspraxis? Die Erwartungen an den Ausbau der Mobilität der IT im<br />
Krankenhaus haben sich bisher nicht durchgängig erfüllt. Selbst Kliniken, die entsprechende<br />
Rahmenbedingungen geschaffen haben, kamen bisher über Pilotprojekte<br />
nicht hinaus. Trotz der großen Nachfrage nach einer gut ausgebauten IT-Infrastruktur<br />
und einer wachsenden Anzahl von Applikationen für die portable Nutzung am Markt<br />
hat sich die mobile Datenverarbeitung in den Krankenhäusern noch nicht flächendeckend<br />
durchgesetzt. Das nachfolgend beschriebene Projekt der Entscheiderfabrik<br />
<strong>2012</strong> hat das Ziel, Aussagen zu den grundlegenden Anforderungen auf diesem<br />
Gebiet zu formulieren. Nach einer Analyse der Ausgangslage soll ein Praxistest<br />
unter Berücksichtigung aktuell verfügbarer Endgeräte Prozesse zu unterschiedlichen<br />
Themenstellungen an allen drei beteiligten Klinikstandorten auf ausgewählten<br />
Pilotstationen aufgreifen. Danach erfolgt eine Nutzenanalyse.<br />
Die Krankenhäuser standen in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt des Veränderungsprozesses<br />
im Gesundheitswesen. Eine Reform folgte der anderen und jede sicherte<br />
– will man den Ausführungen der Verantwortlichen glauben – die Finanzierbarkeit und<br />
Qualität der medizinischen Versorgung der Bevölkerung.<br />
Alle Reformen hatten jedoch eines gemein: die Veränderungsprozesse führten einerseits<br />
zu einem hohen Kostendruck und andererseits zu einer erheblichen Verdichtung des<br />
Arbeitsalltages im medizinischen und pflegerischen Leistungsbereich. Der Druck auf die<br />
handelnden Personen in Medizin, Pflege und Funktionsdiagnostik wächst weiter und der<br />
Alltag ist geprägt vom Spannungsfeld kurzer Belegungszeiten, steigender Fallzahlen und<br />
dem Anspruch der Patienten.<br />
Vor diesem Hintergrund müssen die Krankenhäuser ein zukunftsfähiges medizinisch/ökonomisches<br />
Leistungsangebot vorhalten, das im regionalen Wettbewerb erfolgreich ist und<br />
sie müssen den Blick zunehmend »nach innen« richten. Über die Etablierung einer kontinuierlichen<br />
Organisationsentwicklung sind die Behandlungs- und Arbeitsprozesse an den<br />
vorgenannten Rahmenbedingungen auszurichten, um eine wirksame Unterstützung für<br />
die Mitarbeiter in der klinischen Routine zu erreichen. Motiviertes, dienstleistungsorientiertes<br />
und kompetentes Personal ist ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um Patienten<br />
und zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung.<br />
Ausgangslage<br />
Eine Prozessoptimierung im Kernleistungsbereich des Krankenhauses bedeutet eine<br />
umfassende Digitalisierung der Prozesse und konsequente Reduzierung eingesetzter<br />
Formulare sowie des Papieraufkommens. Obwohl sich die Technologie in den letzten<br />
zwanzig Jahren explosionsartig entwickelt hat und moderne Medizintechnik heute<br />
103
vielen Patienten ein längeres Leben sichert, hat sich das Papieraufkommen in den<br />
Krankenhäusern nicht signifikant reduziert. Eine fortschreitende Digitalisierung der<br />
Behandlungsprozesse bedarf aufgabenangemessener Applikationen in einer mobilen<br />
Lösung am »Point-of-Care« und erfordert die Bereitschaft aller Berufsgruppen, sich in<br />
diese neuen Prozesse einzubinden. Dazu sind in Teilen erhebliche Investitionen erforderlich,<br />
um die technischen und organisatorischen Voraussetzungen (WLAN Infrastruktur,<br />
mobile Endgeräte, Applikationen) zu schaffen.<br />
Die Mobilität der IT im Krankenhaus wird seit Jahren in vielen Publikationen beschrieben<br />
und diskutiert, deshalb soll an dieser Stelle Grundsätzliches nicht wiederholt werden.<br />
Alle Publikationen stimmen jedoch darin überein, dass die hohen Erwartungen an den<br />
Ausbau der Mobilität (und einer damit verbundenen Entlastung/Absicherung der klinischen<br />
Routine) durchgängig nicht erfüllt wurden. Auch Kliniken, die alle erforderlichen<br />
Rahmenbedingungen geschaffen haben, kommen nicht über die Implementierung von<br />
Pilotprojekten hinaus. Die tragbare Patientenakte wird nahezu in allen Kliniken unverändert<br />
formularbasiert geführt.<br />
Daraus resultiert die zentrale Frage: Sind mobile Endgeräte für die Kliniken wirklich schon<br />
Realität? Trotz der großen Nachfrage nach einer gut ausgebauten IT-Infrastruktur innerhalb<br />
der Kliniken sowie einer wachsenden Anzahl am Markt befindlicher Applikationen<br />
für die portable Nutzung, hat sich die mobile Datenverarbeitung in den Krankenhäusern<br />
noch nicht Flächen deckend durchgesetzt.<br />
Als Ergebnis eines älteren Projektes setzen einige Johanniter Krankenhäuser bereits ansatzweise<br />
erste mobile IT-Geräte ein. In zurückliegenden Untersuchungen wurde jedoch<br />
festgestellt, dass auf chirurgischen und orthopädischen Stationen die Arbeitsprozesse<br />
mit herkömmlichen Notebooks noch nicht optimal unterstützt werden. Röntgenaufnahmen<br />
konnten z. B. bei Sonnenschein nicht ausreichend auf den Bildschirmen dargestellt<br />
werden.<br />
Aufgrund der immer weiter fortschreitenden Entwicklungen und der damit verbundenen<br />
höheren Leistungs- und Funktionsfähigkeiten auf dem Gebiet der mobilen<br />
Informationstechnologie, wird daher für ausgewählte Johanniter Krankenhäuser und<br />
die DianaKlinik eine Überprüfung potenzieller Einsatzmöglichkeiten der neuen mobilen<br />
Endgeräte angestrebt. Doch welche Endgeräte sind für welche Krankenhausprozesse<br />
geeignet bzw. nicht geeignet? Und können die Anforderungen an die erforderliche hohe<br />
Integration der eingesetzten Applikationen, die technische Administration sowie die<br />
Sicherungs- und Hygienemaßnahmen auch erfüllt werden?<br />
Zielsetzung<br />
Den schon vorliegenden Publikationen soll im Rahmen dieser Studie keine weitere abstrakte<br />
Nutzenanalyse folgen. Die Teilnehmer waren sich schnell einig in der Zielsetzung,<br />
den in der Ausgangslage beschriebenen Sachverhalt zu analysieren und in Form eines<br />
Praxistests verwertbare Ergebnisse zu den Chancen und Risiken der mobilen Datenverarbeitung<br />
zu erarbeiten. Dies unter Berücksichtigung aktuell verfügbarer mobiler Endgeräte.<br />
Der Praxistest wird Prozesse zu unterschiedlichen Themenstellungen an allen drei betei-<br />
104
ligten Standorten aufgreifen. Der Test wird auf ausgewählte Pilotstationen beschränkt und<br />
nach Abschluss der Studie von den Anwendern anhand eines standardisierten Bewertungsverfahrens<br />
beurteilt.<br />
Praxistest<br />
Der Praxistest ist auf ca. acht Wochen ausgelegt und wird durch die beteiligten Industriepartner<br />
begleitet. Er ist in zwei Phasen untergliedert, in die jeweils eine Technologie einbezogen<br />
und erprobt wird. Beginnend werden die abgestimmten Applikationen unter Citrix<br />
auf den mobilen Endgeräten bereitgestellt, nachfolgend werden an den Standorten der<br />
Johanniter Krankenhäuser und der DianaKlinik explizit entwickelte Apps auf den mobilen<br />
Geräten iPAD und iPhone installiert.<br />
Im Ergebnis sollen konkrete Ansatzpunkte zu den Erfolgsfaktoren einer mobilen Datenverarbeitung<br />
vorliegen sowie die wesentlichen Risiken, die einem umfassenden Einsatz entgegenwirken.<br />
Eingesetzte Geräte und klinische Prozesse<br />
Für die teilnehmenden Krankenhäuser stehen für das Projekt jeweils drei iPads, drei<br />
iPhones sowie drei unterschiedliche Visitenwagen mit Hardware zur Verfügung. Im Krankenhaus<br />
Geesthacht wird zusätzlich ein fest montierter Arbeitsplatz in einem Patientenzimmer<br />
installiert. Für die sichere Verwaltung der Geräte wurde ein Management-System<br />
eingeführt. Über dieses erfolgen remote die Bereitstellung der notwendigen Applikationen,<br />
die Sicherungsmaßnahmen zur Authentifizierung und die mögliche Sperrung und Initialisierung<br />
(bei Verlust).<br />
Als Pilotstation wurde im Johanniter Krankenhaus Geesthacht die Station 5 der Inneren<br />
Medizin ausgewählt. Betrachtet werden hier die Bereiche PKMS und mobile Visite.<br />
Folgende Tätigkeiten werden u. a. untersucht:<br />
• Tägliche Dokumentation pflegerischer Maßnahmen<br />
• Bestätigung zur Durchführung der Maßnahme mit Handzeichen (ggfs. durch zwei<br />
Pflegekräfte) in der konventionellen Patientenakte<br />
• Ableitung der Aufwandspunkte und Übergabe an SAP<br />
• Sichtung der A4 (Übersicht zu den aktuellen PKMS Patienten)<br />
Die Anwendung der mobilen Geräte erfolgt durch die Pflegekräfte. Darüber hinaus wird<br />
über Citrix Clients auf iPads und Visitenwagen ein vollwertiger Stationsarbeitsplatz zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Im Johanniter Krankenhaus Stendal wird auf der Station 1 der Orthopädie der Bereich der<br />
Medikation betrachtet. Die Anwendung der mobilen Geräte erfolgt in diesem Fall durch<br />
die Ärzte. Für die Untersuchung wurden folgende Szenarien festgelegt:<br />
• Sichtung von DRG-relevanten Grundinformationen (u.a. zur Verweildauer und Entgelthöhe)<br />
• Aufruf Patientenakte zur Sichtung der Medikation aus Voraufenthalten<br />
• Anordnung der Medikation<br />
105
• Aufruf Arzneimittelkatalog mit Interaktionsprüfung und Übernahme in die patientenbezogene<br />
Dokumentation<br />
• Sichtung Patientenkurve (Vitalparameter in Verbindung zur Medikation)<br />
• Entlassungsprozess (Prüfung Codierung und Freigabe zur Abrechnung, ggfs. Ableitung<br />
von Zusatzentgelten aus Medikamentengabe)<br />
In der Diana Klinik erfolgt die Analyse im Bereich der Therapie- und Verlaufsdokumentation.<br />
Genutzt werden hier die mobilen Geräte durch die Therapeuten und Pflegekräfte. Als<br />
Beispielszenarien werden folgende Tätigkeiten betrachtet:<br />
• Übernahme von Patienten aus der Warteliste über Stationsgrafik auf Station<br />
• Erfassung von Vital-Parametern<br />
• Anforderungen diagnostischer Maßnahmen<br />
• Entlassprozess Pflege<br />
• Sichtung der eingegangenen Anforderungen<br />
• Terminierung von Einzel- oder Gruppenleistungen<br />
• Erfassung der Leistung auf Station und in der Physiotherapie<br />
• Einsicht in Entlassungsplanung<br />
• Befundschreibung<br />
Projektverlauf in drei Schritten<br />
Im ersten Schritt wurden in den Einrichtungen der aktuelle Status der IT-Infrastruktur<br />
anhand eines Evaluationsbogens sowie die zu untersuchenden Prozesse in persönlichen<br />
Gesprächen ermittelt. Im Anschluss wurden die mobilen Endgeräte implementiert und die<br />
zuständigen Mitarbeiter der Krankenhäuser für den Praxistest geschult.<br />
Um die mobilen Endgeräte sicher verwalten zu können, sind infrastrukturelle Maßnahmen<br />
in der IT durchzuführen. Zu diesen gehört einerseits die Einführung eines Systems zur<br />
Verwaltung der Geräte der verschiedenen Betriebssystemarten (Windows, iOS, Android).<br />
Andererseits erfolgen über dieses System die Bereitstellung der benötigten Applikationen<br />
auf den Geräten, aber auch Remote-Sicherungsmaßnahmen zum Authentifizieren von<br />
Geräten sowie der möglichen Sperrung und Initialisierung der Geräte bei Verlust.<br />
Für neue Applikationen müssen Server bereitgestellt und installiert werden.<br />
Der eigentliche Praxistest findet dann im zweiten Schritt statt. Dieser unterteilt sich in<br />
zwei weitere Phasen:<br />
In der ersten Phase werden die mobilen Endgeräte nur unter Citrix-Technologie untersucht,<br />
ggfs. mit Stiftbedienung beim iPad. Dafür werden alle zu begutachtenden<br />
Applikationen in einem Citrix-Desktop zur Verfügung gestellt. Der Test findet hier nur über<br />
Nutzung der Thin Clients der Visitenwagen und der iPad statt. Ein Einsatz von Citrix auf<br />
iPhones ist nicht zielführend.<br />
In der zweiten Phase wird die Untersuchung um die APPs der ID GmbH erweitert, welche<br />
mit i.s.h.med integriert bereitstehen. Hier werden dann ausschließlich iPads und iPhones<br />
ggfs. unter Stiftbedienung getestet. Beim Abschluss der jeweiligen Phasen werden die<br />
106
Projektteilnehmer in den Kliniken anhand eines Fragebogens zum Nutzen der mobilen<br />
Endgeräte befragt. Hierfür wurde ein einheitliches und standardisiertes Bewertungsschema<br />
erarbeitet. Neben ausgewählten Fragen zu den abgestimmten Prozessen runden<br />
Themen zur Handhabung der Geräte, persönlichen Präferenz, besten Unterstützung im<br />
Prozess die Informationsgewinnung ab. Darüber hinaus wird die Erfahrung im Umgang<br />
mit den Patienten unter Nutzung der elektronischen Medien analysiert, um die Akzeptanz<br />
der Patienten in die Studie einzubeziehen.<br />
Zusätzlich werden folgende Aspekte in die Studie einbezogen:<br />
• Anforderungen an die Hygiene<br />
• Mitnahme der mobilen Endgeräte zur Nutzung im Zimmer, bspw. von MRSA<br />
Patienten<br />
• Analyse der aufgabenbezogenen Anwendung der Endgeräte<br />
• Analyse einer personenbezogenen versus bereichsbezogenen Zuordnung der mobilen<br />
Endgeräte<br />
• Vollständige elektronische Bearbeitung der Prozesse ohne weitere Hilfsmittel<br />
• Persönliche Präferenz der Anwender<br />
• Anforderungen im Bereich Datenschutz mit Bezug auf die Endgeräte<br />
Im letzten Schritt werden ab Mitte September die Ergebnisse der Fragebögen ausgewertet,<br />
dokumentiert und in eine Auswahlmatrix übernommen. Das Projekt wird mit<br />
einer Handlungsempfehlung und der Vorstellung der Ergebnisse auf der Medica <strong>2012</strong><br />
in Düsseldorf abgeschlossen. Im Zusammenhang mit der inhaltlichen Auswertung der<br />
Ergebnisse erfolgt zusätzlich noch eine betriebswirtschaftliche Bewertung der einzelnen<br />
untersuchten Geräte. In den beiden Johanniter-Krankenhäusern wird im KIS-Bereich das<br />
Produkt IS-H / i.s.h.med eingesetzt.<br />
Ergebnispräsentation<br />
Ab Mitte September werden die von den Mitarbeitern in den Einrichtungen beantworteten<br />
Fragebögen ausgewertet. Die ersten Ergebnisse werden im Oktober erarbeitet und im<br />
Rahmen der Entscheiderfabrik am 15. November <strong>2012</strong> um 15:10 Uhr auf der Medica in<br />
Düsseldorf, Congress-Center-Ost – Raum M, präsentiert. Die nachfolgenden Einschätzungen<br />
und Bewertungen der im Test eingesetzten Endgeräte werden über die mit Spannung erwarteten<br />
Bewertungsbögen fortgeschrieben und aktualisiert (Abb.1 folgende Seite).<br />
Da sich das Projekt über verschiedene Einsatzbereiche erstreckt, rechnen die Kliniken auch<br />
mit sehr unterschiedlichen Studienergebnissen. Positive Ergebnisse werden für den Einsatz<br />
von iPads im Bereich der ärztlichen Visite erwartet. Auf Seiten der Pflegeprozesse ist jedoch<br />
aufgrund noch nicht ausgereifter Applikationen sowie einer erschwerten Integration<br />
in die bestehenden KIS-Systeme eine eher negative Bewertung wahrscheinlich. Des Weiteren<br />
ist für den pflegerischen Bereich davon auszugehen, dass die Hygieneanforderungen,<br />
z. B. beim Kontakt mit Patienten, nicht ausreichend erfüllt werden können. Für die<br />
weiteren Untersuchungsbereiche zum Einsatz der mobilen Endgeräte, wie beispielsweise<br />
Benutzerfreundlichkeit, Aufnahme, Speicherung und Weitergabe von Informationen sowie<br />
die Datensicherheit werden aufgrund bereits etablierter Lösungen und Standards überwiegend<br />
positive Ergebnisse erwartet (Abbildungen 2 bis 5, Szenario-Analysen).<br />
107
Abbildung 1: Auswertungsmatrix<br />
108
109
110
Ausblick<br />
Im Ergebnis wird diese Studie Aussagen zu den grundlegenden Anforderungen an die mobile<br />
Datenverarbeitung formulieren, worüber die Entscheiderfabrik – einmal mehr – einen<br />
wesentlichen Beitrag zum Krankenhauserfolg durch optimalen IT-Einsatz leistet.<br />
Die Projektpartner<br />
Das Projektteam setzt sich aus den drei Teilnehmergruppen Klinikpartner, Industriepartner<br />
sowie einer externen Beratung zusammen. Projektinitiator ist das Berliner<br />
IT-Dienstleistungsunternehmen Johanniter Competence Center GmbH (JCC). Die unabhängige<br />
Beratung und Projektleitung übernimmt die PRO-KLINIK Krankenhausberatung<br />
GmbH & Co. KG mit Sitz in Bergisch Gladbach. Zu den Klinikpartnern gehören zwei<br />
Johanniter Krankenhäuser in Geesthacht und Stendal sowie die Diana Krankenhausbetriebsgesellschaft<br />
mbH in Bad Bevensen. Als Industriepartner stehen dem Projekt die<br />
Unternehmen März Internetwork Services AG aus Essen und die ID Information und<br />
Dokumentation im Gesundheitswesen GmbH & Co. KGaA aus Berlin zur Seite. Die März<br />
AG übernimmt dabei die Bereitstellung und Konfiguration der technischen Geräte incl.<br />
Netzwerk. Die ID GmbH stellt die entsprechenden Anwendungen zur Verfügung.<br />
Klinik-Partner:<br />
Ellen Simon, Prokuristin, Johanniter Competence Center; Pate: Günter Reckmann, Geschäftsführer,<br />
Carmen Schönberg, Pflegedienstleiterin, Johanniter Krankenhaus Geesthacht,<br />
Pate: Josef Schüler, Geschäftsführer, DIANA Krankenhausbetriebsgesellschaft<br />
Industrie-Partner:<br />
Harald März, Vorstandsvorsitzender, März Internetwork Services AG, Haiko Sobbe, Projekt-<br />
Manager, März Internetwork Services AG, Michael Haumann, Produkt-Manager, März<br />
Internetwork Services AG, Daniel Diekmann, Geschäftsführer ID GmbH, Mark Neumann,<br />
Prokurist, ID GmbH<br />
Berater:<br />
Detlef Lübben, Prokurist, Pro Klinik Krankenhausberatung<br />
111
112
Integration mobiler Werkzeuge in die EFA<br />
Mobility Solutions für das FallAkten-Portal FallAkte Plus auf Basis von<br />
Soarian Integrated Care unter Erfüllung der aktuellen Datenschutz- und<br />
Datensicherheitsanforderungen<br />
von Dr. Andreas Beß, Volker Lowitsch, Dr. Martin Grandy, Nicolas Starck,<br />
Jan C. E. Wendenburg<br />
Das Projekt »Mobilty Solutions für das FallAkten-Portal FallAkte Plus auf Basis von<br />
Soarian Integrated Care« analysiert die Anforderungen an mobile in die FallAkte<br />
integrierte Lösungen und setzt diese im Rahmen einer Applikationsentwicklung um.<br />
Im ersten Schritt wurden für die Umsetzung sektorenübergreifende Standardprozesse<br />
zwischen den stationären und den nachbehandelnden ambulanten Bereichen vor<br />
allem unter Einbindung von geriatrischen und rehabilitativen Einrichtungen ausgewählt.<br />
Gerade bei mobilen Lösungen im Bereich von Patienteninformationen gilt es,<br />
die hohen Anforderungen an Datensicherheit und Datenschutz zu erfüllen und zugleich<br />
die Anwenderfreundlichkeit nicht einzuschränken.<br />
Das moderne Gesundheitswesen ist bisher neben dem medizinischen und dem damit<br />
verbundenen technischen Fortschritt auch durch sich ändernde ökonomische und strukturelle<br />
Rahmenbedingungen geprägt. Ein wesentlicher Effekt hieraus ist das Entstehen<br />
neuer Versorgungsformen, die eine enge intersektorale Kooperation und Kommunikation<br />
in der Patientenbehandlung erfordern. Dabei liegt es im Interesse der einzelnen Partner<br />
im Gesundheitswesen, die geforderten und geschuldeten Leistungen qualitätsbewusst<br />
sowie effizient im Behandlungsprozess aufzugliedern.<br />
Hierbei sind insbesondere drei Effekte ausschlaggebend:<br />
• Medizintechnik, Spezialisierungen und Qualitätszertifizierungen bringen höhere<br />
Datenmengen und Dokumentationsanforderungen mit sich.<br />
• Durch die Verkürzungen der Verweildauer im Akutkrankenhaus bis hin zu<br />
Kurzzeitaufenthalten gewinnen effektives Entlassungsmanagement, postakute<br />
Weiterbehandlung, Rehabilitation und Überleitungspflege deutlich an Bedeutung.<br />
Eine institutionelle Translokation und Aufsplittung der Gesundheitsversorgung<br />
in unterschiedliche Einrichtungen (amb./stat. Rehabilitation, amb./stat. Pflege,<br />
Weiterbehandlung durch niedergelassenen Arzt) erfordern einen höheren<br />
Vernetzungsgrad der Patientendaten und des jeweils aktuellen Status.<br />
• Zunehmender Verdrängungswettbewerb im Gesundheitswesen motiviert zu mehr<br />
Austausch und Zuweisungsmanagement zwischen Anbietern, zum gegenseitigen<br />
Nutzen sowie gefühltem Patientennutzen. Durch eine übergreifende Datennutzung<br />
innerhalb einer Partnerschaft oder strategischen Allianz können eigene Marktvorteile,<br />
aber auch Markteintrittsbarrieren gegenüber anderen geschaffen werden. Darüber<br />
hinaus können durch Vernetzungen attraktive Versorgungspakete, insbesondere für<br />
Wahlleistungspatienten, entworfen und/oder Cross-Selling-Potenziale erschlossen<br />
und verbessert werden.<br />
113
Dies erfordert eine gemeinsame Kommunikationsplattform für den Austausch der fallbezogenen<br />
Behandlungsdaten in einer Zeit, in der eine umfassende Telematikinfrastruktur<br />
fehlt und spezialisierte Portallösungen meist ausschließlich aus der Perspektive eines Leistungserbringers<br />
oder einer geschlossenen Nutzergruppe bestehen.<br />
Hier ist die Elektronische FallAkte (EFA) (Abb. 1) eine alternative und bereits heute nutzbare<br />
Lösung, die interoperabel den effizienten, einrichtungs- und sektorenübergreifenden<br />
Austausch fallbezogener medizinischer Daten ermöglicht. Dabei weist die EFA durch ihre<br />
zweckgebundene und arztgesteuerte Gesamtstruktur ein anerkanntes Sicherheits- und<br />
Datenschutzkonzept auf, das eine dezentrale Datenhaltung, die Weiternutzung bestehender<br />
Strukturen, die zweckbestimmte Kommunikation und die Datenintegration über die<br />
Grenzen der einzelnen Provider hinweg unter Wahrung der Autonomie der einzelnen Partner<br />
sichert.<br />
Abbildung 1: Die Elektronische FallAkte als alternative Lösung<br />
Ausgehend von erfolgreich validierten Pilotprojekten zur EFA und den Ergebnissen des im<br />
Rahmen der Entscheiderfabrik 2011 bearbeiteten Projektes »FallAkte Plus ein FallAkten-<br />
Portal für den intersektoralen Austausch von Behandlungsinformationen auf Basis von<br />
Soarian Integrated Care« fokussiert das Projekt »Mobility Solutions für das FallAken-Portal<br />
FallAkte Plus auf Basis von Soarian Integrated Care« auf die Integration mobiler Werkzeuge<br />
in die EFA, um den sich ändernden Lebensgewohnheiten, Kommunikationsverhalten<br />
und Arbeitsgewohnheiten gerecht zu werden.<br />
Anwender soll im Rahmen des Pilotprojektes die Möglichkeit erhalten, mittels mobilen<br />
Endgerätes (z.B. iPad) auf EFA Daten zuzugreifen. Neue Technologien und ein ausgefeiltes<br />
Datenschutzkonzept gewährleisten, dass EFA Nutzer beim Zugriff über das mobile Endgerät<br />
sicher identifiziert werden und nur auf die für sie zugänglichen Daten Zugriff erlangen.<br />
114
Im Rahmen des Projektes wird gezeigt, dass sich diese zwingend notwendigen Datenschutz-<br />
und Datensicherheitsanforderungen auch dann anwenderfreundlich umsetzen lassen,<br />
wenn der Anwender mit seinem mobilen Endgerät (iPad) keine Internetverbindung<br />
hat oder die auf dem mobilen Endgerät befindlichen Daten bei Verlust des Gerätes weiter<br />
zuverlässig geschützt sein müssen.<br />
Ausgangsbasis aller Überlegungen zu diesem Projekt war es, einen schnellen Zugriff auf<br />
relevante Informationen am Behandlungspunkt unter einfacher Bedienung, reduzierter<br />
Komplexität und der skizzierten Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen zu ermöglichen.<br />
Hierfür werden Usecases und eine Lösungsarchitektur identifiziert und prototypisch<br />
umgesetzt.<br />
Die Analyse geht von folgenden zwei Prozessen aus:<br />
• der Überleitung aus dem stationären (akuten) in den nachbehandelnden/ambulanten<br />
(speziell geriatrischen) Pflegebereich und umgekehrt<br />
• der Zusammenarbeit zwischen niedergelassenem Arzt und der ambulanten/stationären<br />
Pflege<br />
In beiden Fällen ergibt sich ein mehrseitiges Kommunikationsverhalten zwischen Akutkrankenhaus,<br />
niedergelassenem Arzt und der Pflege, aber auch der Notfallversorgung, die<br />
den Austausch von strukturierten Informationen, wie z.B. Medikation, Warnhinweisen etc.<br />
ortsunabängig erfordern.<br />
Auf Basis einer priorisierenden Anforderungsanalyse werden die wichtigsten Anforderungen<br />
an eine mobile Lösung erhoben, um einen nutzungsadäquaten und sicheren Einsatz<br />
zu ermöglichen (Abb. 2).<br />
Abbildung 2: Die wichtigsten Anforderungen an eine mobile Lösung<br />
115
Diese Anforderungsanalyse wurde um eine Risikoanalyse für die technische Umgebung<br />
mit dem Ziel ergänzt, die notwendigen Entwicklungsfelder festzulegen, um noch bestehenden<br />
technologischen Risiken entgegenzuwirken.<br />
(Zwischen-)Ergebnisse<br />
Um die erforderlichen Sicherheitsaspekte und eine einfache sowie schnelle Applikationsentwicklung<br />
zu ermöglichen, erfolgt die Implementierung auf Basis von Apple iOS-Geräten,<br />
z.B. an Hand eines iPads.<br />
Für diese Gerätearchitektur wird eine Applikation entwickelt, die die vorgenannten Anforderungen<br />
sukzessive erfüllen soll und gleichzeitig bei hoher Anwenderfreundlichkeit im<br />
Endausbau den bidirektionalen Datenaustausch mit der FallAkte Plus unter Einhaltung von<br />
Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen, wie z.B. Schutz vor Zugriffen unbefugter<br />
Dritter und Schutz von Daten bei Verlust des mobilen Endgerätes, ermöglicht (Abb. 3).<br />
Abbildung 3: Implementierung einer anwenderfreundlichen, alle Anforderungen sukzessiv<br />
erfüllenden Applikation<br />
116
Fazit und Ausblick<br />
Auf Basis der so entwickelten Applikation erfolgt eine Evaluation der Entwicklung im Rahmen<br />
des Einsatzes im Universitätsklinikum Aachen und der Kaiserswerther Diakonie. Das<br />
erfolgt anhand einer Abbildung des Überleitungsbogens zwischen dem stationären und<br />
ambulanten Bereich bezüglich der im Projekt erwarteten Nutzenpotenziale, wie u.a. einer<br />
verbesserten Behandlungs- und Pflegequalität, der Verfügbarkeit von Informationen direkt<br />
beim Patienten/Bewohner auch in Vertretungs- und Notfallsituationen, der Reduktion von<br />
Medienbrüchen und von Notfalleinweisungen. Darüber hinaus kann eine Entlastung der<br />
IT-Infrastruktur in den Kliniken durch Maßnahmen wie z.B. »Bring-Your-Own-Device« sowie<br />
eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit erreicht werden.<br />
Das Projekt<br />
Das Projekt »Mobility Solutions für das FallAken-Portal FallAkte Plus auf Basis von Soarian<br />
Integrated Care« fokussiert auf die Integration mobiler Werkzeuge in die Elektronische<br />
Fallakte (EFA), um den sich ändernden Lebens- und Arbeitsgewohnheiten sowie<br />
dem aktuellen Kommunikationsverhalten gerecht zu werden. Ziel ist es, Anwendern im<br />
Rahmen eines Pilotprojekts die Möglichkeit zu geben, mittels mobilen Endgerätes (z.B.<br />
iPad) auf EFA Daten zuzugreifen.<br />
Die beteiligten Partner sind die Healthcare IT Solutions GmbH, eine hundertprozentige<br />
Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums Aachen, das Universitätsklinikum Aachen,<br />
die Siemens AG, die Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf, die Authenti DateInternational<br />
AG und die mgm -Management-Beratung im Gesundheitswesen GmbH.<br />
Zur Projektgruppe gehören Dr. Andreas Beß, Geschäftsführer mgm – Management-<br />
Beratung im Gesundheitswesen GmbH, Volker Lowitsch, Leiter Geschäftsbereich IT-Direktion,<br />
Universitätsklinikum Aachen, Dr. Martin Grandy, Siemens AG - Healthcare Sector -<br />
Clinical Products Division - Health Services H CX HS INT PPM CES, Nicolas Starck, Bereichsleitung<br />
Altenpflege, Kaiserswerther Diakonie, Jan C. E. Wendenburg Vorsitzender des<br />
Vorstandes, AuthentiDate International AG<br />
117
118
Patientenaufklärung 2.0<br />
Effizienzsteigerung im Patientenkontakt durch elektronischen Ersatz<br />
von patientenunterschriebenen Dokumenten<br />
von Thomas Pettinger, Dr. Carl Dujat, Andreas Schneider, Thomas Kleemann,<br />
Axel Maier, Sven Fröbel, Hubert Köferl<br />
Mit einem modernen und papierlosen Arbeitsprozess zur Patientenaufklärung warben<br />
das Klinikum Ingolstadt und der Erlanger Verlag Thieme Compliance um die Gunst der<br />
Wahlberechtigten bei der Entscheiderfabrik <strong>2012</strong>. Mit diesem patientenorientierten<br />
Thema wurde offenbar ein aktueller Bedarf getroffen: Die Entscheider wählten es auf<br />
Platz 1. Mit diesem Erfolg hatten beide Beteiligte nicht gerechnet – nahmen sie doch<br />
zum ersten Mal an der Entscheiderfabrik teil. Dass man ganz gut liegen würde mit<br />
einem Thema, das in vielen Kliniken bereits virulent ist und an dessen Lösungskonzept<br />
bereits seit längerer Zeit gemeinsam gearbeitet wird, hatten sie natürlich gehofft.<br />
Gemeinsam hatten auf dem Düsseldorfer Event der Entscheiderfabrik im Februar der<br />
stellvertretende Geschäftsführer des Klinikums Ingolstadt, Dr. Hans Jürgen Eisele, und der<br />
Projektleiter von Thieme Compliance, Thomas Pettinger, einen Vorschlag zur vollelektronischen<br />
(digitalen) Patientenaufklärung präsentiert. Damit soll es erstmals möglich<br />
werden, den aktuellen Stand der vor jedem Eingriff notwendigen Patientenaufklärung zu<br />
erfassen und im klinischen Workflow abzubilden. Pflegekräfte, Ärzte und Patienten arbeiten<br />
dann weitgehend ohne die bisher bekannten Papierdokumente, sondern erstellen<br />
gemeinsam ein elektronisches Aufklärungsdokument.<br />
Grundsätzliche Methodik der (digitalen) Patientenaufklärung<br />
Zunächst weist ein Fachangestellter des Krankenhauses dem Patienten die Aufklärungsinhalte<br />
zu, die zu dem bei ihm geplanten Eingriff passen. Neben den Inhalten der bisher<br />
genutzten Aufklärungsbögen kann es sich hierbei auch um weitere Medien, wie beispielsweise<br />
Aufklärungsfilme, handeln. Der Patient erhält anschließend Zugriff auf diese Inhalte<br />
und sieht einen Aufklärungsfilm auf einem Tablet, einem Terminal oder einem Bedside-<br />
Cockpitsystem. Dort füllt er auch in einer sehr einfach bedienbaren Oberfläche (s)eine<br />
erste Patientenanamnese aus.<br />
Diese Daten stehen dem Arzt anschließend in der Aufklärungssoftware digital zur Verfügung.<br />
Er kann sie einsehen, bearbeiten und auch das Patienten-Arzt-Gespräch dokumentieren.<br />
Dieses Gespräch ist auch in einem elektronischen Arbeitsprozess nicht ersetzbar,<br />
sondern natürlich unabdingbarer Bestandteil der Aufklärung.<br />
Abschließend unterschreiben Arzt und Patient den Aufklärungsbogen elektronisch auf einem<br />
Unterschriften-Pad. Es entsteht ein archivierbares PDF-A, welches in eine elektronische<br />
Patientenakte, ein KIS und/oder ein elektronisches Langzeitarchiv zurückgegeben<br />
werden kann. Ein optionaler qualifizierter Zeitstempel kann dabei die Integrität und Unveränderbarkeit<br />
des Dokuments zusätzlich erhöhen bzw. revisionssicher abbilden.<br />
119
Vorteile und Nutzen des Verfahrens<br />
Zunächst weist ein Fachangestellter des Krankenhauses dem Patienten die Aufklärungsinhalte<br />
zu, die zu dem bei ihm geplanten Eingriff passen. Patienten erhalten auf diese<br />
Weise die Aufklärungsinformationen in einer für Sie deutlich besser verständlichen Form.<br />
Sie füllen den Fragebogen für ihre Patientenanamnese zuverlässiger aus, da sie durch<br />
den elektronischen Ablauf besser geführt werden können. Vergessene Rückseiten kann<br />
es nicht mehr geben und auch die berühmte fehlende Lesebrille kann durch individuell<br />
auswählbare, extragroße Schrift kompensiert werden.<br />
Der Patient kann sich gleichzeitig darauf verlassen, optimal behandelt zu werden. Seine<br />
Informationen liegen dem Arzt bereits vor dem Beginn des Aufklärungsgesprächs vor.<br />
Der Arzt kann sich besser vorbereiten und individuell auf die Informationen des Patienten<br />
reagieren. Der Patient fühlt sich so sicher und in seiner Klinik gut aufgehoben.<br />
Für die Klinik ergeben sich Vorteile vor allem aus der Nachvollziehbarkeit der einzelnen<br />
Prozessschritte. Es wird sichtbar, wenn eine notwenige Aufklärung fehlt. Ein OP-Manager<br />
kann auf diese Tatsache reagieren und so Umplanungen vornehmen, bevor ein OP umgerüstet<br />
wird und im schlechtesten Fall ein Patient bereits dort angekommen ist. Wird heute<br />
ein Aufklärungsbogen nicht gefunden, muss eine Operation abgesagt werden. Das verunsichert<br />
den Patienten. Es entstehen Kosten für Leerlaufzeiten und neuerliches Umrüsten.<br />
Auch nach dem erfolgten Eingriff ist die Klinik vor dem Verschwinden des Bogens besser<br />
geschützt, als es aus der Papierakte der Fall wäre, da ein elektronisches Archiv den<br />
Aufklärungsbogen erfolgreich verarbeitet hat und diesen im Streitfall schnell auffindbar<br />
macht. Müssen heute Richter oft anhand von Eintragungen oder Notizen auf dem Papier<br />
Mutmaßungen über ein geführtes Gespräch zwischen Arzt und Patient anstellen, ist der<br />
gesamte Prozess zukünftig elektronisch dokumentiert.<br />
Das Projekt in der Entscheiderfabrik <strong>2012</strong><br />
Mit der Wahl zu einem der fünf Schlüsselthemen der Entscheiderfabrik <strong>2012</strong> gab es für ein<br />
zweites Klinikum aus dem Kreis der Teilnehmer die Möglichkeit, sich für eine Teilnahme<br />
zu bewerben. Hier entschied am Ende das Los. Zweiter Klinikpartner in diesem Projekt ist<br />
das Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal.<br />
Der stellvertretende Leiter des dortigen IT-Service-Zentrums hatte sich beworben, weil<br />
er hier eine interessante Möglichkeit sah, das in Wuppertal entwickelte und erfolgreich<br />
eingeführte Pflege- und Arztinformationssystem MediCockpit um Statusinformationen<br />
zur Patientenaufklärung zu ergänzen. Hieraus entsteht ein weiterer Mehrwert, den ein<br />
elektronischer Workflow in der Patientenaufklärung zukünftig bieten kann. Mit Dr. Carl<br />
Dujat stand dann auch der projektbegleitende Berater alsbald fest und die Arbeit im Team<br />
konnte beginnen.<br />
Pilotabteilungen<br />
Zunächst wurden in einem ganztägigen Workshop in Wuppertal die erforderlichen Arbeitspakete<br />
definiert. Die Einführung des skizzierten neuen Arbeitsablaufs erscheint auf den<br />
120
ersten Blick einfach und schlüssig. Im Detail ist es aber sehr komplex, den über Jahre etablierten<br />
und gewohnten papiergebundenen Arbeitsablauf aller Beteiligten umzustellen.<br />
Zunächst begann daher die Suche nach einer geeigneten Fachabteilung, die das Projekt<br />
in der Klinik begleiten und später umsetzen will. In Wuppertal reagierte man in einer ersten<br />
Chefarzt-Konferenz noch verhalten, im Folgetermin wollten dann aber gleich mehrere<br />
Fachabteilungen an der Pilotphase teilnehmen. Um den Rahmen des Projekts nicht zu<br />
sprengen, beteiligten sich am Ende die Neurochirurgische Station und die Terminambulanz.<br />
Ein ehrgeiziges Ziel verfolgt man auch in Ingolstadt. Dort wird mit der Erprobung in der<br />
Anästhesieambulanz mit ihrem hohen Patientendurchsatz begonnen.<br />
Technik und Infrastruktur<br />
Als Basis wurde in beiden Häusern die Software E-ConsentPro von Thieme Compliance<br />
installiert. Die Basisversion dieser Software ersetzt seit November 2011 als Nachfolger die<br />
beiden Altprodukte PICS und Diomed Digital, mit denen Aufklärungsbögen direkt in der<br />
Klinik gedruckt werden können.<br />
Mit einer modular erweiterten Version von E-ConsentPro können nun in beiden Häusern<br />
elektronische Aufklärungsbögen erstellt werden. Dabei reichen kleine virtuelle Server für<br />
die klinikweite Bereitstellung der Anwendung. Die einzelnen Nutzer rufen die Anwendung<br />
dann einfach in ihrem normalen Webbrowser mit einem Acrobat Reader Plugin auf. Lediglich<br />
an Arbeitsplätzen, an denen an einem PC signiert werden soll, musste ein Treiber zur<br />
Unterstützung des Signaturpads installiert werden. Technik und Infrastruktur standen so<br />
an beiden Standorten schnell bereit.<br />
Mit der Einführung einer elektronischen Dokumentation in der Patientenaufklärung<br />
entstehen in den Kliniken Blaupausen für modernes und papierarmes Arbeiten.<br />
121
Erfolgsfaktor Personal<br />
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Einführung der elektronischen Patientenaufklärung<br />
war aber auch die frühzeitige Einbindung aller Beteiligten, da sich deren Arbeitsabläufe<br />
zum Teil erheblich änderten. So wurde bereits erfolgreich erprobt, ob Patienten<br />
auch in höherem Alter mit dem Ausfüllen des Fragebogens an einem Gerät zurechtkommen.<br />
Die Ärzte und auch das Fach- und Pflegepersonal wurden in die Planung von Anfang an<br />
einbezogen, um neben der sich ändernden Arbeit auch die Vorteile für die Anwender,<br />
Patienten und natürlich die Klinik transparent zu machen. So wurde beispielsweise gemeinsam<br />
erarbeitet, dass ein vollkommen papierloser Workflow den Patienten unter Umständen<br />
heute nicht den Komfort bieten wird, den die beteiligten Kliniken wünschen. So<br />
wird für die Patienten zum leichten Einstieg in die Befragung ein Barcode gemeinsam mit<br />
dem Informationstext des jeweiligen Aufklärungsbogens ausgedruckt. Der Patient kann<br />
mit diesem dann die Inhalte an einem Terminal aufrufen.<br />
Datei auf Knopfdruck für den Patienten<br />
Im Sommercamp der Entscheiderfabrik wurde auch das Patientenrechtegesetz diskutiert.<br />
Es schreibt fest, dass einem Patienten zukünftig auf Wunsch Abschriften auszuhändigen<br />
sind, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung unterschrieben hat. So entsteht unter<br />
Umständen ein erheblicher Papiermehraufwand. Auch wenn die Kosten vermutlich an den<br />
Patienten weitergegeben werden können, ist allein das Handling eines gedruckten und<br />
kompliziert gefalzten sechsseitigen Bogens auf einem Kopierer durchaus anspruchsvoll<br />
und mit erheblichem Zeitaufwand verbunden. Die Übergabe einer elektronischen Datei an<br />
ein patientengeführtes Archiv oder in einen individuellen Bereich eines Patientenportals<br />
dagegen funktioniert später auf Knopfdruck.<br />
Ausblick<br />
Die bisher gesammelten Erfahrungen sollen in einem weiteren, ganztägigen Workshop<br />
Ende September verifiziert und ausgewertet werden, um daraus Best-Practice-Handlungsempfehlungen<br />
für zukünftige Einführungsprojekte der digitalen Patientenaufklärung abzuleiten.<br />
Im November <strong>2012</strong> werden die Kliniken die Ergebnisse der Pilotphase auf der<br />
Medica in Düsseldorf gemeinsam vorstellen und so mit ihren Erfahrungen auch anderen<br />
Krankenhäusern Wege aufzeigen, eine moderne und innovative Form der elektronischen/<br />
digitalen Patientenaufklärung umzusetzen.<br />
122
Das Projekt<br />
Am Projekt „Effizienzsteigerung im Patientenkontakt durch elektronischen Ersatz von<br />
patientenunterschriebenen Dokumenten (Patientenaufklärung 2.0)“ sind das Klinikum<br />
Ingolstadt und das Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal, die Thieme Compliance<br />
GmbH als Industriepartner und die promedtheus Informationssysteme für die<br />
Medizin AG als Beratungsunternehmen beteiligt.<br />
Die Projektgruppe besteht aus Thomas Pettinger, Sven Fröbel und Hubert Köferl von der<br />
Thieme Compliance GmbH, Dr. Carl Dujat von der promedtheus Informationssysteme für<br />
die Medizin AG, Thomas Kleemann und Axel Maier vom Klinikum Ingolstadt und Andreas<br />
Schneider vom Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal.<br />
123
124
GOLDEN HELIX AWARD <strong>2012</strong><br />
Gute Ideen<br />
exzellent umgesetzt<br />
Ein Jubiläum der besonderen Art: Zum 20. Mal wird im Jahr <strong>2012</strong> der Qualitätspreis<br />
Golden Helix Award verliehen. Es ist der älteste Qualitätspreis im Gesundheitswesen<br />
im deutschsprachigen Raum. Träger ist der Verband der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands (<strong>VKD</strong>).<br />
Seit dem Jahr 1992 werden mit diesem Preis Projekte ausgezeichnet, die der Erhöhung<br />
der Qualitätsstandards im Gesundheitswesen dienen und gleichzeitig die Kosten begrenzen.<br />
Im Mittelpunkt stehen die Patienten.<br />
Drei wesentliche Kriterien sind zu erfüllen:<br />
• Das Projekt muss nachweisbar einen Nutzen für die Patienten haben.<br />
• Es sollte rekonstruierbar und auf andere Gesundheitseinrichtungen und<br />
Organisationen übertragbar sein.<br />
• Es muss ein messbarer Vorteil für die Verbesserung der Versorgungsqualität<br />
nachgewiesen werden.<br />
Der Golden Helix Award ist einer der wenigen, wenn nicht überhaupt der einzige<br />
Qualitätspreis in Europa, der diese exakte Messung und eine Übertragungsmöglichkeit<br />
fordert. Es geht nicht nur um Innovation, um die gute Idee. Es geht um die konkrete<br />
Umsetzung.<br />
In diesem Jahr bewarben sich 14 Teams um den Preis. Nicht alle schafften es, diese<br />
Kriterien zu erfüllen. Schließlich wählte die Jury unter Vorsitz von Prof. Hans-Konrad<br />
Selbmann drei Projekte aus, die das Zeug zum Sieger haben und die auf den folgenden<br />
Seiten vorgestellt werden. Sie zeigen eine beachtliche Bandbreite von Themen und<br />
Problemlösungen.<br />
In einer nächsten Bewertungsrunde müssen die drei Teams sich nun der Begutachtung<br />
ihrer Arbeit vor Ort stellen. Entspricht die Darstellung in den eingereichten Berichten der<br />
Praxiswirklichkeit? In der Finalrunde schließlich müssen sie ihre Arbeit verteidigen. Diese<br />
beiden Runden standen bei Redaktionsschluss dieses Buches noch aus. Die Reihenfolge<br />
der Darstellung in den <strong>Praxisberichte</strong>n stellt also keine Rangfolge dar.<br />
Resümee und Blick in die Zukunft<br />
Im kommenden Jahr wird die Jury erstmalig ein umfangreiches Resümee der vergangenen<br />
20 Jahre ziehen: Welche Projekte waren besonders beeindruckend? Welche hatten<br />
die größte Breitenwirkung? Wie haben sich die Themen über die Jahre und angesichts<br />
125
zahlreicher Gesundheitsreformen entwickelt? Qualitätsmanagement ist heute in alle<br />
Einrichtungen des Gesundheitswesens eine Selbstverständlichkeit. Der Golden Helix<br />
Award hat dazu mit beigetragen.<br />
Mehr Informationen zum Golden Helix Award unter www.vkd-online.de<br />
(Die folgende Darstellung der Projekte<br />
beruht auf den eingereichten Berichten der Teams.)<br />
126
Mehr Lebensqualität<br />
für krebskranke Kinder und ihre Familien<br />
Verbund PädOnko Weser-Ems – Regionale ambulante Versorgung<br />
pädiatrisch-onkologischer Patienten aus der Weser-Ems-Region im Rahmen<br />
einer Integrierten Versorgung<br />
Für das Projektteam<br />
Prof. Dr. med. Hermann Müller<br />
Klinikdirektor im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin<br />
Klinikum Oldenburg GmbH<br />
Koordinator im Verbund PädOnko Weser-Ems<br />
Die Mitglieder des Projektteams kommen aus den beteiligten Kliniken in Oldenburg,<br />
Aurich, Delmenhorst, Emden, Lingen, Meppen, Nordhorn, Papenburg, Vechta, Wilhelmshaven,<br />
der Arbeitsgruppe OPflege Weser-Ems, dem häuslichen Verbundteam,<br />
der Elterninitiative und dem Deutschen Kinderkrebsregister.<br />
Beteiligt sind weiterhin fünf niedergelassene Onkologen in Schwerpunktpraxen,<br />
acht Mitglieder des psychosozialen Teams im Klinikum Oldenburg sowie zehn<br />
Krankenkassen.<br />
Ausgangssituation<br />
Im Weser-Ems-Gebiet leben 2,5 Mio. Einwohner auf einer Fläche von 15.000 Quadratkilometern.<br />
Jährlich werden etwa 60 Kinder und Jugendliche mit neu diagnostizierten<br />
Krebserkrankungen an das Deutsche Kinderkrebsregister in Mainz gemeldet. Die onkologische<br />
Behandlung in den Zentren im Nordwesten Niedersachsens wird durch das<br />
große Einzugsgebiet und dadurch bedingte lange Anfahrtswege für die Patienten und<br />
ihre Familien erschwert. Während die Patienten zur zytostatischen Therapie oft nur kurz<br />
im onkologischen Zentrum aufgenommen sind, treten potenziell gefährliche Phasen<br />
meist nach der Therapie auf, wenn die Patienten wieder zu Hause sind. In diesen Phasen<br />
sind neben regelmäßigen Spülungen des Kathetersystems zweimal pro Woche engmaschige<br />
klinische Kontrollen des Befindens und der Blutbildbefunde notwendig, um<br />
Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.<br />
Das Projektziel<br />
Behandlung und Nachsorge der Patienten sollten so strukturiert werden, dass sie und ihre<br />
Familien eine wohnortnahe kompetente Betreuung erfahren. Dazu gehört die Vermeidung<br />
langer Anfahrtswege für Patienten und Angehörige zur Versorgung außerhalb der<br />
Region im Rahmen einer häuslichen Betreuung durch ein mobiles Verbundteam, die<br />
Sicherung der Behandlungsqualität im Rahmen der Verbundbetreuung, die Vermeidung<br />
kurzzeitiger stationärer Aufenthalte zum Ausschluss infektiöser Komplikationen, die<br />
Koordination der Nachsorge, Rehabilitation, Transition und psychoonkologischen Betreuung<br />
im Rahmen einer Vereinbarung zur Integrierten Versorgung sowie die Verbesserung<br />
der Kommunikation im Verbund.<br />
127
Das Projekt<br />
Im Jahr 2001 haben sich Ärzte aus den Kinderkliniken in Weser-Ems im Verbund PädOnko<br />
zusammengeschlossen. Im Rahmen einer Vereinbarung zur Integrierten Versorgung<br />
wurde ein mobiles Versorgungsteam aufgebaut, das durch häusliche Versorgung<br />
den Familien seit Oktober 2005 mehr als 200.000 Kilometer Anfahrten zum Zentrum<br />
ersparte. Die Betreuung wurde verbessert durch Koordination der Angebote unter den<br />
Verbundkliniken, die Häufigkeit kurzzeitiger Klinikaufenthalte reduziert. Die häusliche<br />
Betreuung erfolgte unter Wahrung der hohen Qualitätsstandards ohne Steigerung<br />
der Komplikationsraten. Nachsorge, Rehabilitation, Transition und psychoonkologische<br />
Betreuung wurden im Rahmen strukturierter Verbundangebote verbessert.<br />
Die Umsetzung<br />
Hintergrund:<br />
Seit 2001 werden Kinder und Jugendliche mit onkologischen Erkrankungen stationär<br />
im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Oldenburg betreut. Zur regionalen<br />
Koordination der stationären und ambulanten Betreuung gründete sich Ende<br />
2001 der Verbund PädOnko Weser-Ems. Während noch im Jahr 2000 nur drei Prozent<br />
der an das Nationale Kinderkrebsregister gemeldeten Patienten aus dem damaligen<br />
Regierungsbezirk Weser-Ems auch in der Region behandelt wurden, stieg deren Zahl bis<br />
2009 auf 67 Prozent.<br />
Seit 2007 (GBA-Beschluss vom 1. 1. 2007) ist die stationäre Behandlung der Patienten<br />
im Verbund nur noch im Pädiatrisch Onkologischen Zentrum, Klinikum Oldenburg,<br />
möglich. Zur Sicherung der entsprechenden Qualitätsstandards in der ambulanten<br />
Therapie wurde zwischen dem Verbund und den zuständigen Kostenträgern im<br />
Oktober 2007 eine Vereinbarung zur Integrieren Versorgung der Patienten getroffen.<br />
Zwölf KV-ermächtigte Pädiater mit hämatologisch-onkologischer Erfahrung aus elf<br />
Kinderkliniken und Kinderabteilungen und elf niedergelassene internistische Onkologen in<br />
fünf onkologischen Schwerpunktpraxen traten der Vereinbarung bei. Die Mitglieder sind<br />
zu regelmäßiger Teilnahme an verbundinternen sowie externen Fortbildungen verpflichtet,<br />
Hospitationen der Mitglieder im onkologischen Zentrum Oldenburg und gegenseitige<br />
Besuche der Verbundkliniken zum kollegialen Monitoring gehören zur Qualitätssicherung<br />
im Verbund.<br />
Vermeidung von stationären Kurzzeitaufenthalten<br />
Im Rahmen der protokollgemäßen Therapien kommt es durch Unterdrückung der<br />
Knochenmarkfunktion zu Phasen besonderer Gefährdung für die Patienten. Die Eltern sind<br />
darüber informiert und angewiesen, ihr Kind bei Verdacht auf eine Infektion umgehend<br />
in einer Verbundklinik vorzustellen. Hier erfolgen anhand der klinischen und hämatologischen<br />
Befunde, die sofort telefonisch dem onkologischen Dienst im Zentrum übermittelt<br />
werden, eine gemeinsame Einschätzung sowie eine Besprechung des weiteren<br />
Vorgehens. In 10 bis 20 Prozent der Fälle kann dabei eine schwerwiegende Komplikation<br />
ausgeschlossen und ein stationärer Aufenthalt vermieden werden. Seit 2004 sind mit<br />
diesem Vorgehen kurzzeitige stationäre Aufenthalte in Oldenburg zum Ausschluss einer<br />
Infektion selten geworden. Zuvor waren diese notwendig, um angesichts der langen Anund<br />
Rückfahrzeiten zusätzliche Risiken zu vermeiden.<br />
128
Dauertherapie pädiatrisch-onkologischer Patienten mit Leukämie<br />
Die klinischen und hämatologischen Verlaufskontrollen der Dauertherapie erfolgen<br />
wöchentlich in einer wohnortnahen Verbundklinik. Etwa 75 Prozent der Patienten stellen<br />
sich wöchentlich in der onkologischen Ambulanz in Oldenburg vor, 25 Prozent in auswärtigen<br />
Kliniken.<br />
Informationsübermittlung<br />
Die Originalbefunde hämatologischer Diagnostik werden von den Verbundkliniken am<br />
Tag der Untersuchung per Fax an das Zentrum in Oldenburg übermittelt und von einer<br />
Dokumentarin/Schwester im Verbund dem ärztlichen Assistenten zur Beurteilung und<br />
telefonischen Kontaktaufnahme mit der Familie des Patienten vorgelegt. Der Assistent<br />
informiert diese am selben Tag über die weitere Dosierung der Dauermedikation. Durch<br />
ein System der Digitalisierung mikroskopischer Abstrichpräparate und radiologischer<br />
Bilder sowie zur internetgestützten Übermittlung werden die Referenzbeurteilung erleichtert<br />
und der Therapiebeginn beschleunigt. Die Anschaffung erfolgte in 2006 mit Förderung<br />
durch die Deutsche José Carreras Leukämie Stiftung.<br />
Das mobile Verbundteam<br />
Seit 2005 erfolgt eine regelmäßige häusliche, pflegerische Betreuung durch ein mobiles<br />
Team. Es besteht aus zwei Kinderkrankenschwestern, die mit je einer halben Stelle im<br />
Verbundteam tätig sind und im wöchentlichen Wechsel die Patienten auch im stationären<br />
Umfeld betreuen. Sie besuchen die Familien zuhause und verrichten Katheterspülungen,<br />
Verbandwechsel, Blutentnahmen und Zytostatikagaben.<br />
Unterstützungsangebote im Verbund<br />
• Ambulante häusliche Familien-Psychotherapie<br />
• Einleitung und Beantragung familienorientierter Rehabilitationsmaßnahmen<br />
• Überleitung in internistische Weiterbetreuung, wenn Patienten das Erwachsenenalter<br />
erreichen<br />
• Psychoonkologische Sprechstunde zur Verbesserung der Langzeitnachsorge<br />
• Erarbeitung und ständige Aktualisierung einheitlicher Pflegestandards seit 2001<br />
• Informationsmaterial und Veranstaltungen für Patienten und Angehörige<br />
Finanzierung<br />
Schon während der Laufzeit der Carreras-Förderung erfolgten regelmäßige Treffen mit<br />
den zuständigen Kostenträgern zur frühzeitigen Vorbereitung einer Weiterfinanzierung,<br />
die im Oktober 2007 in einen Vertrag zur Integrierten Versorgung mündeten. Die<br />
Finanzkalkulation der IV-Quartalspauschale – 700 Euro pro Patient – orientierte sich an den<br />
Personalkosten der etablierten Verbundstrukturen. Darüber hinaus wurde eine zusätzliche<br />
Quartalspauschale von 70 Euro je Patient für die betreuenden Ärzte in KV-Ermächtigung/<br />
internistisch-onkologischer Praxis ausgehandelt.<br />
Die Ergebnisse<br />
Durch die häusliche Versorgung wurden den Familien 1.943 Besuche in der Oldenburger<br />
Ambulanz erspart – das entspricht rund 209.000 Fahrkilometern. Das mobile Team<br />
hat durch eine Optimierung der Fahrtstrecke bei seinen Hausbesuchen nur 165.000<br />
129
Kilometer zurückgelegt. Nicht eingerechnet sind Einsparungen durch die ambulante<br />
Versorgung in den Verbundkliniken. Ohne die koordinierte Verbundstruktur wären alle<br />
Ambulanzkontrollen im Zentrum in Oldenburg notwendig und es würden noch erheblich<br />
längere Anfahrtszeiten anfallen.<br />
Stationäre Kurzzeitaufenthalte im pädiatrisch-onkologischen Zentrum Oldenburg<br />
konnten nach Etablierung des Verbundnetzwerkes um 16 Prozent im Vergleich 2004 zu<br />
2006 verringert werden.<br />
Die Behandlungsqualität ergab eine konstante Infektionsrate im Vorher-Nachher-<br />
Vergleich.<br />
Die Lebensqualität der betroffenen Patienten und Familien verbesserte sich, wie auch<br />
die Antworten auf einen zur Evaluation entwickelten und an 99 Betroffene verschickten<br />
Fragebogen zeigten.<br />
Fazit<br />
Die regionale Betreuung im Verbund PädOnko Weser-Ems bietet den betroffenen<br />
Familien eine Verbesserung ihrer Lebensqualität und sichert gleichzeitig die Behandlungsqualität.<br />
Aufgrund regelmäßiger qualitätssichernder Maßnahmen, erfolgreicher<br />
Benchmarkingergebnisse und der hohen Akzeptanz von Seiten der Familien gelang es,<br />
das Modellprojekt in eine Regelfinanzierung durch die Kostenträger (IV) zu überführen.<br />
Die Netzwerkstruktur erzeugt für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation. Gesundheitspolitisch<br />
hat der Verbund das Ziel, bei zunehmender Zentrierung medizinischer<br />
Spezialangebote die regionale Infrastruktur zur wohnortnahen Versorgung zu stärken. Von<br />
Seiten der Fachgesellschaft (GPOH) wird der Aufbau regionaler Versorgungsnetzwerke<br />
befürwortet. Eine Übertragung der Strukturen im Verbund PädOnko Weser-Ems als<br />
Modellprojekt für ambulante Versorgung auf andere medizinische Bereiche und Regionen<br />
erscheint möglich und sinnvoll.<br />
130
Das Klinikum Altenburger Land in Altenburg ist ein Krankenhaus der regionalen und<br />
überregionalen Versorgung in kommunaler Trägerschaft. In 12 Fachkliniken werden<br />
jährlich 18.000 Patienten stationär und 29.000 Patienten ambulant behandelt. Das<br />
Klinikum ist akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Leipzig und der Universitätsklinik<br />
Jena.<br />
Informierte Patienten erkennen Schwachpunkte<br />
Einführung eines Patientensicherheitsfilms am Klinikum Altenburger Land<br />
Für das Projektteam<br />
Dr. Lutz Blase<br />
Geschäftsführer<br />
Klinikum Altenburger Land GmbH<br />
Altenburg<br />
Sabrina Malitz<br />
Leiterin Stabsstelle Qualitätsmanagement<br />
Ausgangssituation<br />
Das Klinikum Altenburger Land hat in den vergangenen Jahren viele Versorgungsprozesse<br />
unter besonderer Berücksichtigung des Aspekts einer erhöhten Patientensicherheit<br />
überprüft und angepasst. Dennoch kam es immer wieder zu Zwischenfällen, welche<br />
durch die angepassten Prozesse eigentlich verhindert werden sollten. Es stellte sich<br />
heraus, dass diese hätten vermieden werden können, wenn dem Patienten die relevanten<br />
Sicherheitsaspekte des Prozesses bekannt gewesen wären und wenn auch die<br />
Mitarbeiter die ihnen eigentlich bekannten Sicherheitsaspekte stärker berücksichtigt<br />
hätten – was nicht durchgängig der Fall war.<br />
Das Projektziel<br />
Die Patienten als unmittelbar an den meisten Prozessschritten Beteiligte sollten über die<br />
ihrer Sicherheit und ihrem Komfort dienenden Elemente der Prozesse informiert werden.<br />
Das versetzt sie in die Lage, Abweichungen zu erkennen und die Mitarbeiter gegebenenfalls<br />
darauf hinzuweisen. Damit kann ein irregulär verlaufender Prozess wieder regulär<br />
fortgeführt werden.<br />
Die an der Behandlung beteiligten Mitarbeiter wiederum sollten darüber informiert sein,<br />
dass die Patienten die ihrer Sicherheit und ihrem Komfort dienenden Elemente eines<br />
Prozesses kennen.<br />
Weitere Ziele waren die Vermittlung eines verstärkten Sicherheitsgefühls und Vertrauens<br />
bei den Patienten, ein positiver Imageeffekt sowie die transparente Darstellung der<br />
Abläufe im Klinikum.<br />
131
Das Projekt<br />
Da es sich um ein komplexes Thema handelte, schien eine Informationsbroschüre nicht<br />
geeignet. Als Alternative bot sich an, die zu vermittelnden Inhalte in einem Film darzustellen.<br />
Begünstigt wurde dieser Ansatz dadurch, dass es einen eigenen Klinikkanal gibt. Dieser<br />
wurde bereits zur regelmäßigen Ausstrahlung eines Imagefilms genutzt. Es ging in dem<br />
Projekt daher um Planung, Herstellung und Einführung eines Patientensicherheitsfilms.<br />
Die Umsetzung<br />
Es wurden zur Darstellung in dem Film vor allem Aspekte ausgewählt, deren Beurteilung<br />
auch dem medizinischen Laien möglich ist:<br />
• Patientenidentifikation durch aktives Nachfragen bzw. Überprüfen der<br />
Patientenarmbänder<br />
• Einhaltung der Hygiene durch Händedesinfektion<br />
• Darstellung der Verabreichung von Medikamenten, verbunden mit der<br />
Aufforderung, bei Unklarheiten beim Personal nachzufragen<br />
• Markierung des OP-Gebietes vor einer Operation<br />
• Hinweise zur ärztlichen Aufklärung<br />
• Hinweise darauf, wie Mitarbeiter auch als solche identifiziert werden<br />
können (Mitarbeiterausweise)<br />
• Informationen zu den Mahlzeiten bzw. zu einer einzuhaltenden Diät<br />
oder Nahrungskarenz<br />
• ergänzend auch einige relevante Informationen zur Datensicherheit<br />
sowie Information zu sicherheitsrelevanten Vorgängen, die der Patient<br />
im Regelfall nicht selbst erfährt, da er sich in Narkose befindet oder<br />
nicht unmittelbar beteiligt ist<br />
Es gab eine Kick-off-Veranstaltung mit allen Beteiligten, in der das grobe Rahmenkonzept<br />
und der Zeitplan vorgestellt wurden. Es wurde eine Steuerungsgruppe gebildet, die eng<br />
mit einem Journalisten sowie einem Experten für Risikoberatung zusammenarbeitete. Die<br />
Mitarbeiter wurden regelmäßig in der Klinikumszeitung über den aktuellen Stand informiert.<br />
Es wurden die Schwerpunkte des Films besprochen, geeignete Drehorte und Darsteller<br />
im Klinikum gesucht, ein Ablaufplan erarbeitet. Gedreht wurde an zwei Tagen. Die Steuerungsgruppe<br />
begutachtete dann den ersten Schnitt. Nach Einarbeitung einiger Änderungen<br />
konnten auch die Mitarbeiter den Film in einer Präsentation ansehen und ihre Fragen<br />
dazu stellen.<br />
Um wirklich alle Mitarbeiter zu erreichen, erhielt jeder einen USB-Stick, auf dem der Film<br />
unlöschbar abgelegt ist. Diesen Stick erhält auch jeder neue Mitarbeiter. Außerdem wurde<br />
der Film ins klinikeigene Intranet eingestellt. Alle erhielten Gelegenheit, sich damit auseinanderzusetzen.<br />
132
Um auch die Patienten auf den Film aufmerksam zu machen, entwickelte die Projektgruppe<br />
Flyer und bot regelmäßige öffentliche Präsentationen für Patienten und Besucher<br />
an. Seit November 2011 wird der Film fünfmal täglich auf dem klinikeigenen Fernsehkanal<br />
gezeigt.<br />
Die Ergebnisse<br />
Hauptelement der Auswertung waren die Ergebnisse von Patientenbefragungen vor und<br />
nach dem Start des Films.<br />
Während die Patienten vorher darauf, ob ihre Fragen bei Aufnahme ins Krankenhaus<br />
zufriedenstellend beantwortet wurden, zu rund 52 Prozent mit »immer« bzw. »größtenteils«<br />
antworteten, waren danach rund 94 Prozent dieser Ansicht.<br />
Bei der Frage nach Aufklärung durch die Ärzte gab es nach Einsatz des Films keinerlei<br />
Unzufriedenheit mehr. Zuvor waren rund elf Prozent nicht zufrieden gewesen.<br />
Auch die persönliche Namensnennung der Mitarbeiter stieß auf sehr positive Resonanz.<br />
Zuvor hatten immerhin 41,50 Prozent der Patienten die Namen offenbar gar nicht erfahren.<br />
Bei der Händedesinfektion, die auch schon zuvor immer wieder Thema im Klinikum war,<br />
kam es nach Einführung des Films zu einem deutlichen Anstieg des Desinfektionsmittelverbrauchs.<br />
Fazit<br />
In relevanten Bereichen konnte nach Einführung des Films eine messbare Verbesserung<br />
der Patientensicherheit und auch der Patientenzufriedenheit festgestellt werden. Auch<br />
seitens der Mitarbeiter wurde die größere Transparenz ihrer Arbeit für die Patienten nicht<br />
als Nachteil, sondern eher als Ansporn gesehen.<br />
Eine Übertragbarkeit auf andere Krankenhäuser ist hier sehr leicht durch Orientierung<br />
sowohl hinsichtlich der Form als auch der Inhalte am Film des Klinikums Altenburger Land<br />
möglich.<br />
133
134
Die Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee ist eine psychosomatischen Klinik und<br />
gehört zur Gruppe der Schön Kliniken. Behandelt werden Essstörungen, Depressionen,<br />
Angst- und Zwangserkrankungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, posttraumatische<br />
Belastungsstörungen und chronische Schmerzbeschwerden. Eine enge Kooperation<br />
gibt es mit der Ludwig-Maximilians-Universität München. Neben einem individuell<br />
abgestimmten Behandlungskonzept werden den Patienten moderne Behandlungsmethoden<br />
nach neuesten Erkenntnissen der empirischen Forschung angeboten.<br />
Mehr Transparenz, bessere Vergleichbarkeit,<br />
stetige Verbesserung<br />
Projekt: Qualitätssicherung in der stationären Therapie durch die Einführung<br />
eines klinikinternen und klinikübergreifenden Benchmarkprojektes am Beispiel<br />
der Behandlung von PatientInnen mit einer Anorexia nervosa oder einer Major<br />
Depression<br />
Für das Projektteam<br />
Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, Ärztlicher Direktor<br />
Dr. Jörg Heuser, Qualitätsbeauftragter der Schön Klinik Roseneck<br />
Ausgangssituation<br />
In der Schön Klinik Roseneck wird die Effektivität der therapeutischen Behandlung und<br />
die Umsetzung eines leitliniengestützten Vorgehens als primäres Qualitätsziel kontinuierlich<br />
überprüft. So gibt es eine jährliche statistische Auswertung der für Patienten<br />
einer Diagnosegruppe erzielten klinisch relevanten Veränderungen. Diese Auswertungen<br />
erfolgten bisher nur für die Gesamtklinik und ohne einen direkten Vergleich zu den<br />
in anderen psychosomatischen Kliniken bei den gleichen Störungsbildern erzielten<br />
Ergebnissen.<br />
Das Projekt<br />
Es wurde ein internes und nachfolgend auch ein externes Benchmarkprojekt implementiert.<br />
Das Ziel: klinikeigene und klinikübergreifende Behandlungsergebnisse sollten für<br />
alle Mitarbeiter transparent, kontinuierlich und stationsspezifisch zurückgemeldet werden,<br />
um so einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess anzustoßen, der sich letztendlich<br />
in einer Verbesserung der Therapieerfolge auswirken soll.<br />
Das ursprüngliche Vorgehen war für die Initiierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />
in der Schön Klinik Roseneck suboptimal, da die Mitarbeiter der einzelnen<br />
Stationen nur den Gesamtwert der Klinik, nicht aber die spezifischen Werte der von<br />
ihnen selbst behandelten Patienten rückgemeldet bekamen. Sie konnten das Ausmaß der<br />
von ihnen erzielten Therapieerfolge mit denen anderer Stationen nicht vergleichen und<br />
erhielten weder eine Erfolgsbestätigung der hohen Güte der erreichten Veränderungen<br />
noch andererseits einen Hinweis auf schlechtere Ergebnissen, die als Anstoß für einen<br />
internen PDCA-Zyklus genutzt werden konnten.<br />
135
Das Projektziel<br />
Ziel des Benchmarkprojektes war die Initiierung und Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozesses der Behandlungsqualität, der sich auch in einer<br />
Verbesserung der erreichten Therapieerfolge widerspiegeln sollte.<br />
Die Umsetzung<br />
Im Jahr 2002 erfolgte daher in Abstimmung mit der Klinikleitung und dem Betriebsrat die<br />
Entscheidung, die diagnosenspezifischen klinischen Erfolgsgrößen nun auch stationsspezifisch<br />
auszuwerten und diese Werte den Mitarbeitern der betroffenen Stationen zurückzumelden.<br />
Im Jahr 2009 wurde dann zusätzlich beschlossen, die diagnosespezifischen<br />
Therapieerfolge der einzelnen Kliniken für die Mitarbeiter aller Kliniken einsehbar und<br />
transparent zu machen und diese Werte jeweils pro Quartal in einer Gesamtübersicht<br />
den behandelnden Therapeuten, Stationsleitern und Klinikleitungen zurückzumelden. Die<br />
monatlichen Werte werden jetzt sowohl im Rahmen der Teamsitzungen wie auch bei den<br />
Jours fixes der leitenden Mitarbeiter ausführlich besprochen und hinsichtlich ihrer Güte<br />
beurteilt.<br />
Der Stationsvergleich zeigte, dass es hinsichtlich der verschiedenen Therapieerfolgsmaße<br />
zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Stationen gab. Eine genauere<br />
Analyse dieser Unterschiede führte zu Tage, dass zwar alle Stationen in den Grundzügen<br />
nach einem ähnlichen verhaltenstherapeutischen Behandlungskonzept arbeiteten, dass<br />
es jedoch in vielen einzelnen Therapiebausteinen (wie z.B. in den genauen Essensregeln,<br />
im Umgang mit Therapieverträgen, in der angestrebten wöchentlichen Gewichtszunahme)<br />
und auch in der Gewichtung der einzelnen Therapiebausteine zum Teil recht deutliche<br />
Unterschiede zwischen den Stationen gab. In einer stations- und berufsgruppenübergreifenden<br />
Arbeitsgruppe wurden daher die Unterschiede und die dahinter liegenden therapeutischen<br />
Überlegungen ermittelt und dann in einem mehrstufigen Konsensusprozess<br />
ein für alle Stationen einheitliches Therapiekonzept mit identischen Therapieregeln,<br />
Zielvereinbarungen und Entscheidungsregeln erarbeitet. Dieses Konzept erfuhr im Laufe<br />
der Zeit immer wieder Feinjustierungen und Anpassungen an neuere Erkenntnisse.<br />
Schon die gemeinsame Analyse der quartalsmäßigen Erfolgsdaten und die inhaltliche<br />
Auseinandersetzung mit den dahinter stehenden therapeutischen Überlegungen führte<br />
zu einem Veränderungsprozess auf den Stationen und in der Klinik. Das auf den verschiedenen<br />
Stationen vorhandene Expertenwissen konnte dazu genutzt werden, ein<br />
einheitliches, leitliniengestütztes therapeutisches Gesamtbehandlungskonzept zu erarbeiten<br />
und schriftlich festzuhalten. Dieser Qualitätssicherungsprozess hält an und ist aus<br />
Sicht der Beteiligten ein Beispiel für gelebtes Qualitätsmanagement und eine gelungene<br />
Umsetzung eines PDCA-Zyklus im klinischen Behandlungsalltag.<br />
In einem zweiten Schritt wurden nach der Einführung des klinikübergreifenden Benchmarkprojektes<br />
im Jahr 2009 in einer klinikübergreifenden »Praxisgruppe Psychosomatik«<br />
die Unterschiede in den Erfolgsraten der beteiligten Kliniken analysiert und bewertet.<br />
136
Die Ergebnisse<br />
Sowohl in den Qualitätskommissionen und Chefarzt-Jourfixen der einzelnen Kliniken<br />
wie auch in einer hierfür eigens gegründeten berufsgruppen- und klinikübergreifenden<br />
Expertengruppe war analysiert worden, in welchen Erfolgs- und Behandlungskriterien<br />
es relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Kliniken gab und in welchen<br />
Therapiebausteinen sich die Stationen und Kliniken mit besonders guten Ergebnissen<br />
von den anderen unterscheiden. Anhand der Ergebnisse dieser Analysen wurde von der<br />
Expertengruppe eine Empfehlung für ein Best Practice-Vorgehen erarbeitet. Dieses wurde<br />
den Stationen und Kliniken vermittelt und – unter Berücksichtigung der strukturellen<br />
Möglichkeiten der einzelnen Kliniken – dort auch umgesetzt.<br />
Die in diesem Benchmarkprojekt erhobenen Daten (wie auch die Erfolgsdaten zu allen<br />
anderen in den Schön Kliniken behandelten großen Krankheitsgruppen) werden in einem<br />
eigenen Qualitätsbericht veröffentlicht und so auch den Patienten und Kostenträgern<br />
zugänglich gemacht.<br />
Als »Goldstandard« für die Messung des Therapieerfolges bei Anorexia nervosa wird<br />
von international anerkannten Experten – zuletzt auch in der S3-Leitlinie der AWMF – die<br />
erzielte Gewichtszunahme während der stationären Behandlung empfohlen und daher als<br />
zentrales Erfolgskriterium für das Benchmarkprojekt gewählt. Als weitere Kriterien für den<br />
Therapieerfolg werden die Veränderung in verschiedenen psychometrischen Inventaren<br />
(u.a. EDI-2 und SIAB-S) und die subjektive Beurteilung des Therapieerfolges durch die<br />
Patienten herangezogen.<br />
Anhand der übermittelten Werte kann die einzelne Klinik nun sehr gut bewerten, wo<br />
sie hinsichtlich der einzelnen medizinischen und psychometrischen Erfolgskriterien im<br />
Vergleich zu den anderen teilnehmenden psychosomatischen Kliniken steht.<br />
Die Initiierung und Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses der<br />
Behandlungsqualität zeigt sich u.a. in der Veränderung der erreichten Effektstärken in<br />
der als Goldstandard definierten Zielgröße »Veränderung im Body Mass Index BMI«. Die<br />
Veränderung dieser Kennziffer über die Jahre 2002 bis 2011 ist in Abbildung 1 dargestellt.<br />
Pro Jahr gehen die Daten von ca. 350 Patientinnen mit einer Anorexia nervosa in die<br />
Auswertung mit ein (siehe auch die Abbildung auf der folgenden Seite).<br />
137
Abbildung 1: Entwicklung der Behandlungsergebnisse (Effektstärke BMI-Veränderung)<br />
in der stationären Behandlung von Patienten mit einer Anorexia nervosa.<br />
Die positiven Erfahrungen haben dazu geführt, dass dieses Vorgehen nun auf alle anderen<br />
zahlenmäßig bedeutsamen Behandlungsgruppen ausgeweitet wird.<br />
Stabilität der Behandlungserfolge ermittelt<br />
Obwohl dieses Vorgehen eine sehr präzise Aussage über die jeweils erzielten Behandlungserfolge<br />
ermöglicht, ist hiermit noch keine Aussage über die Aufrechterhaltung der<br />
Behandlungserfolge nach der Entlassung aus der stationären Behandlung in die ambulante<br />
Weiterbehandlung möglich. Diese Stabilität der Behandlungserfolge ist aus Sicht der<br />
Klinik aber eine entscheidende Größe für die Gesamtbeurteilung des Therapiekonzeptes.<br />
Daher wurde in einer dritten Phase des Benchmarkprojektes beschlossen, für die einzelnen<br />
Krankheitsbilder zusätzlich auch katamnestische Daten nach sechs Monaten<br />
zu erheben. Für drei ausgewählte Störungsgruppen (Essstörungen, Zwangsstörungen,<br />
Depressionen) erfolgt nun seit einem guten Jahr nach jeweils sechs Monaten eine<br />
routinemäßige Nachbefragung aller behandelten Patienten. Hierbei wird neben den<br />
Veränderungen in den klinisch relevanten Parametern auch erfasst, ob es bei den<br />
einzelnen Patienten gelungen ist, eine integrierte Versorgungskette aufzubauen und<br />
ob zeitnah nach Entlassung eine ambulante Weiterbehandlung stattgefunden hat. Die<br />
Ergebnisse sollen Aussagen über die langfristige Stabilität der während des stationären<br />
Aufenthaltes erzielten Behandlungserfolge ermöglichen und zugleich aufzeigen, an welchen<br />
Schnittstellen die integrierte Versorgung noch verbessert werden kann.<br />
138
Erste Ergebnisse (N = 1348) bei den Patienten mit der Hauptdiagnose einer Depression<br />
belegen einerseits die Stabilität der Behandlungserfolge, zeigen andererseits aber auch<br />
die große Bedeutung einer möglichst nahtlosen, effektiven poststationären ambulanten<br />
Weiterbehandlung.<br />
Fazit<br />
Durch das Benchmarkprojekt ist es gelungen, die Behandlungsqualität und die erzielten<br />
Therapieerfolge kontinuierlich über die Jahre zu steigern. Diese Entwicklung war und<br />
ist für alle beteiligten Mitarbeiter ein entscheidender Ansporn, sich intensiver mit der<br />
Qualität der eigenen therapeutischen Arbeit auseinander zu setzen und offen für notwendige<br />
Veränderungsmaßnahmen zu sein. Es ist ein gelebtes Beispiel für das Motto »Lernen<br />
von den Besten«.<br />
139
140
Die Autoren<br />
Titel des Vorworts<br />
Dr. Josef Düllings<br />
Präsident des Verbandes<br />
der Krankenhausdirektoren Deutschlands (<strong>VKD</strong>)<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
St. Vincenz-Krankenhaus GmbH<br />
St. Josefs-Krankenhaus gem. GmbH<br />
Am Busdorf 2<br />
33098 Paderborn<br />
Vertrauen ist kein Sprintprojekt<br />
Wie die Schön Klinik Bad Bramstedt ein »Great Place to Work ® « wurde<br />
Marcus Baer<br />
Kaufmännischer Leiter<br />
Schön Klinik Bad Bramstedt<br />
Birkenweg 10<br />
24576 Bad Bramstedt<br />
Stefanie Klein<br />
Personalleiterin<br />
Astrid Reining<br />
PR und Marketing<br />
http://www.schoen-kliniken.de<br />
AReining@schoen-kliniken.de<br />
141
Ein attraktives Gehalt genügt nicht<br />
Familienfreundliche Unternehmenspolitik zur erfolgreichen Mitarbeiterbindung<br />
und Fachkräfteakquise<br />
Ingrid Sacher<br />
Verwaltungsdirektorin<br />
Sana-Krankenhaus Rügen GmbH<br />
Calandstr. 7/ 8<br />
18528 Bergen auf Rügen<br />
info.ruegen@sana.de<br />
Christin Drescher<br />
Leiterin Planung/ Organisation/ Qualitätsmanagement<br />
Daniela Wolter<br />
Assistentin der Geschäftsführung<br />
Mitarbeiterorientierung ist Patientenorientierung<br />
Regionaler Marktführer mit strategisch ausgerichtetem Personalkonzept<br />
Für die Autoren:<br />
Sabine Hellwig<br />
Personalentwicklung, interne Kommunikation<br />
Abteilung Öffentlichkeitsarbeit<br />
GLG Gesellschaft für Leben und Gesundheit mbH<br />
Rudolf-Breitscheid-Str. 36<br />
16225 Eberswalde<br />
www.glg-mbh.de<br />
142
Attraktiv als Arbeitgeber<br />
Lahn-Dill-Kliniken:<br />
Mit sorgfältiger Planung und Kontinuität gegen den Fachkräftemangel<br />
Richard Kreutzer<br />
Geschäftsführer<br />
Lahn-Dill-Kliniken GmbH<br />
Forsthausstraße 1<br />
35578 Wetzlar<br />
richard.kreutzer@lahn-dill-kliniken.de<br />
Familienfreundlichkeit gecheckt<br />
Mitarbeiterorientierung im Leitbild des Städtischen Klinikums Wolfenbüttel<br />
Joachim Kröger<br />
Geschäftsführer<br />
Städtisches Klinikum Wolfenbüttel<br />
Alter Weg 80<br />
38302 Wolfenbüttel<br />
www.städtisches-klinikum.de<br />
Ralf Harmel<br />
Pflegedirektor<br />
Städtisches Klinikum Wolfenbüttel<br />
Kooperations-Kita »Schweriner Seefahrer«<br />
Bau und Betrieb einer eigenen Kindertagesstätte auf dem Klinikgelände<br />
Christoph Essmann<br />
Verwaltungsdirektor<br />
AHG Klinik Schweriner See<br />
Am See 4<br />
19069 Lübstorf<br />
fkschwerin@ahg.de<br />
cessmann@ahg.de<br />
143
Qualifikationen richtig einsetzen<br />
Umverteilung von Tätigkeiten und interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
im stationären Bereich<br />
Stefanie Bothur<br />
Unternehmensberaterin<br />
Dr. Gunhild Küpper<br />
Unternehmensberaterin CMC/BDU<br />
Norbert Vongehr<br />
Geschäftsführer<br />
Hellmig-Krankenhaus Kamen<br />
Helena Wohlgemuth<br />
Pflegedirektorin<br />
Hellmig-Krankenhaus Kamen<br />
Für die Autoren:<br />
Küpper Sozialforschung ® & Consulting GmbH<br />
Unternehmensberatung BDU<br />
Theodor-Heuss-Ring 24<br />
50668 Köln<br />
schorn@kueso.de<br />
144
Großprojekt Gesundheitszentrum<br />
Das Städtische Klinikum Brandenburg führte vier MVZ zusammen<br />
und sichert so auch die ambulante Versorgung<br />
Gabriele Wolter<br />
Geschäftsführerin<br />
Städtisches Klinikum Brandenburg<br />
Hochstr. 29<br />
14770 Brandenburg a.d. Havel<br />
www.klinikum-brandenburg.de<br />
Dr. Harald Vanherpe<br />
Assistenz Ärztliches Direktorium<br />
Olaf String<br />
Leiter Allgemeine Verwaltung<br />
Ein Förderverein als Trägereinrichtung – kann das gut gehen?<br />
Organisationsstruktur der freigemeinnützige Tessinum GmbH<br />
ermöglicht vielfältige Synergien<br />
Frank Acker<br />
Geschäftsführer<br />
Tessinum GmbH<br />
Karl-Marx-Str. 16<br />
18195 Tessin<br />
info@tessinum.de<br />
www.tessinum.de<br />
Kerstin Trommer<br />
Qualitätsbeauftragte<br />
Mitarbeiterin<br />
für Öffentlichkeitsarbeit<br />
145
Das Spremberger Modell<br />
Mitarbeiter des Krankenhauses als Mitgesellschafter und Mitgestalter<br />
Kathrin Möbius<br />
Geschäftsführerin<br />
Spremberger Krankenhausgesellschaft mbH<br />
Karl-Marx-Straße 80<br />
03130 Spremberg<br />
www.krankenhaus-spremberg.de<br />
Die Babyklappe am St. Adolf-Stift in Reinbek<br />
Eine Abwägung zwischen Bedenken und Rechtfertigungen<br />
Lothar Obst<br />
Oberamtsrat a.D.<br />
Kaufmännischer Direktor<br />
Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift<br />
Hamburger Straße 41<br />
21465 Reinbek<br />
www.krankenhaus-reinbek.de<br />
Erfolgsmodell Entscheiderfabrik<br />
Krankenhauserfolg durch optimalen IT-Einsatz<br />
Dr. Pierre-Michael Meier<br />
Stv. Sprecher, IuiG-Initiativ-Rat der<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
pierre-michael.meier@iuig.org<br />
Rochusweg 8<br />
41516 Grevenbroich<br />
146
Speicherung und Aufbewahrung großer Datenmengen<br />
Effizientes Management der Massen an medizinischen und administrativen Daten<br />
unter Berücksichtigung von Zukunfts- und Investitionssicherheit<br />
Für die Autoren:<br />
Dr. Andreas Zimolong<br />
Geschäftsführer Synagon GmbH<br />
Im Süsterfeld 6<br />
52072 Aachen<br />
andreas.zimolong@synagon.de<br />
Werkzeug zur strategischen Krankenhaussteuerung<br />
Risiko- und Potenzialanalyse anhand von Geo- und Marktdaten für ein strategisches<br />
Konzernmanagement in der Gesundheitswirtschaft<br />
Für die Autoren:<br />
Dr. Uwe Günther<br />
Geschäftsführender Gesellschafter<br />
Sanovis GmbH<br />
Richard-Strauss-Straße 69<br />
81679 München<br />
www.sanovis.com<br />
Stefan Lachmann<br />
Vertrieb | Account Manager<br />
KMS Vertrieb und Services AG<br />
Inselkammerstr. 1<br />
82008 Unterhaching (München)<br />
www.kms.ag<br />
147
Chancen und Risiken der IT-Mobilität<br />
Evaluation von mobilen Endgeräten für den Einsatz mobiler Visiten,<br />
bei Pflege und in anderen Szenarien<br />
Für die Autoren:<br />
Detlef Lübben<br />
PRO-KLINIK Krankenhausberater<br />
Richard-Zanders-Straße 45<br />
51469 Bergisch Gladbach<br />
www.pro-klinik.de<br />
Ellen Simon<br />
Geschäftsbereichsleiterin Informationstechnologie<br />
Johanniter Competence Center GmbH<br />
Finckensteinallee 123<br />
12205 Berlin<br />
Integration mobiler Werkzeuge in die EFA<br />
Mobility Solutions für das FallAkten-Portal FallAkte Plus auf Basis von<br />
Soarian Integrated Care unter Erfüllung der aktuellen Datenschutz- und<br />
Datensicherheitsanforderungen<br />
Für die Autoren:<br />
Dr. Andreas Beß<br />
Geschäftsführer<br />
mgm – Management-Beratung im Gesundheitswesen GmbH<br />
Kirchheimer Straße 49d<br />
67269 Grünstadt<br />
bess@mgm-gmbh.de<br />
Volker Lowitsch<br />
Leiter Geschäftsbereich IT-Direktion<br />
Geschäftsbereich IT-Direktion / Universitätsklinikum Aachen<br />
Pauwelsstraße 30<br />
52074 Aachen<br />
Email: VLowitsch@ukaachen.de<br />
148
Patientenaufklärung 2.0<br />
Eine moderne und innovative Form der elektronischen/digitalen Patientenaufklärung<br />
Für die Autoren:<br />
Dr. Carl Dujat<br />
Vorstandsvorsitzender promedtheus AG<br />
Scheidt 1<br />
D-41812 Erkelenz<br />
www.promedtheus.de<br />
Thomas Pettinger<br />
Projektleiter E-ConsentPro<br />
Thieme Compliance GmbH<br />
Am Weichselgarten 30<br />
91058 Erlangen<br />
www.thierme-compliance.de<br />
GOLDEN HELIX AWARD 2011<br />
Mehr Lebensqualität für krebskranke Kinder und ihre Familien<br />
Verbund PädOnko Weser-Ems – Regionale ambulante Versorgung<br />
pädiatrisch-onkologischer Patienten aus der Weser-Ems-Region<br />
im Rahmen einer Integrierten Versorgung<br />
Kontakt zur Projektgruppe:<br />
Prof. Dr. med. Hermann Müller<br />
Klinikdirektor im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin<br />
Klinikum Oldenburg GmbH<br />
Koordinator im Verbund PädOnko Weser-Ems<br />
Klinikum Oldenburg gGmbH<br />
Rahel-Straus-Straße 10<br />
26133 Oldenburg<br />
149
Informierte Patienten erkennen Schwachpunkte<br />
Einführung eines Patientensicherheitsfilms am Klinikum Altenburger Land<br />
Kontakt zur Projektgruppe:<br />
Dr. Lutz Blase<br />
Geschäftsführer<br />
Klinikum Altenburger Land GmbH<br />
Sabrina Malitz<br />
Leiterin Stabsstelle Qualitätsmanagement<br />
Klinikum Altenburger Land GmbH<br />
Am Waldessaum 10<br />
04600 Altenburg<br />
Mehr Transparenz, bessere Vergleichbarkeit, stetige Verbesserung<br />
Projekt: Qualitätssicherung in der stationären Therapie durch die Einführung<br />
eines klinikinternen und klinikübergreifenden Benchmarkprojektes am Beispiel<br />
der Behandlung von PatientInnen mit einer Anorexia nervosa oder einer<br />
Major Depression.<br />
Kontakt zur Projektgruppe:<br />
Prof. Dr. Ulrich Voderholzer<br />
Ärztlicher Direktor<br />
Dr. Jörg Heuser<br />
Qualitätsbeauftragter der Schön Klinik Roseneck<br />
Schön Klinik Roseneck<br />
Am Roseneck 6<br />
83209 Prien am Chiemsee<br />
150