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organisierte kriminalität - Die Kriminalpolizei

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Das bislang letzte Kronzeugenverfahren<br />

betraf Tarek Mousli, der 1999 mit seinen<br />

Aussagen mehrere Personen aus dem<br />

Bereich der Berliner Revolutionären<br />

Zellen (RZ) belastete und deshalb wegen<br />

der von ihm begangenen Taten zu einer<br />

Freiheitsstrafe von 2 Jahren mit Bewährung<br />

verurteilt wurde.<br />

Soweit die vorgenannten Kronzeugen zu<br />

Haftstrafen verurteilt worden waren,<br />

wurden sie grundsätzlich gemäß § 57<br />

Abs. 2 StGB nach Verbüßung der Hälfte<br />

der gegen sie verhängten Strafen auf<br />

Bewährung aus der Haft entlassen. Mehrere<br />

der RAF-Kronzeugen haben in ihren<br />

Prozessen oder in öffentlichen Erklärungen<br />

zum Ausdruck gebracht, dass<br />

die Aktionen der RAF falsch waren. Sie<br />

haben die noch aktiven RAF-Mitglieder<br />

dazu aufgefordert, ihren „bewaffneten<br />

Kampf“ zu beenden. So hat beispielsweise<br />

Silke Maier-Witt folgendes erklärt:<br />

„Ich bin zu der Überzeugung gelangt,<br />

dass die Politik der RAF sinnlos war und<br />

ist, dass gesellschaftliche Veränderungen<br />

durch perfektioniertes Töten Einzelner nie<br />

zu erreichen sind, dass im Gegenteil nur<br />

eine Eskalation der Gewalt erreicht wird.<br />

Gewalt kann nicht dazu beitragen, Probleme<br />

zu lösen. Durch Unmenschlichkeit<br />

ist Menschlichkeit nicht zu erreichen. Aus<br />

meiner heutigen Sicht ist und war es nicht<br />

zu rechtfertigen, dass sich die Gruppe<br />

anmaßte, über Leben und Tod zu entscheiden.“<br />

III. Das Ende der Regelung<br />

<strong>Die</strong> Kronzeugenregelung des Jahres<br />

1989, die ursprünglich bis Ende 1992<br />

befristet war und dann zwei Mal verlängert<br />

wurde 30 , lief zum 31. Dezember<br />

1999 aus. <strong>Die</strong> Gründe für ihr Ende waren<br />

mannigfaltig:<br />

Einzelne Professoren, Rechtsanwälte,<br />

Politiker sowie Medienvertreter hatten<br />

die Regelung als „Sündenfall des Rechtsstaates“<br />

31 bezeichnet, u.a. weil sie „eine<br />

gesetzliche Anstiftung zur Falschaussage“<br />

bzw. ein unberechtigtes „Denunziantenprivileg“<br />

darstelle 32 . <strong>Die</strong>se Behauptung<br />

trifft nicht zu. Richtig ist vielmehr, dass<br />

nach unserer Rechtsordnung generell ein<br />

positives Verhalten des Täters nach der<br />

Tat gemäß § 46 Abs. 2 StGB strafmildernd<br />

berücksichtigt wird. Zu diesem<br />

positiven Nachtatverhalten gehören<br />

Schadenswiedergutmachungen, Geständnisse<br />

oder das Zeigen von Reue bzw.<br />

Schuldeinsicht; dazu zählt grundsätzlich<br />

auch, wenn der Täter über seinen eigenen<br />

Tatbeitrag hinaus zur Aufklärung<br />

INTERNATIONALER TERRORISMUS<br />

von Straftaten beiträgt oder künftige<br />

Taten verhindert 33 . <strong>Die</strong>ser Gedanke findet<br />

sich auch in § 129 Abs. 6, § 129 a Abs.<br />

7 und § 261 Abs. 10 StGB sowie in § 31<br />

BtMG. Deshalb kann in der Kronzeugenregelung<br />

allenfalls eine – von der allgemeinen<br />

Strafzumessungsregelung des<br />

§ 46 StGB bezweckte – „Aufforderung<br />

zum Verrat“ 34 gesehen werden.<br />

<strong>Die</strong> Kronzeugenregelung wurde außerdem<br />

als überflüssig bezeichnet, weil deren<br />

Ziele weitestgehend mit anderen<br />

Rechtsinstituten (etwa mit der generellen<br />

Regelung des § 46 StGB oder über<br />

die Ermessungsvorschriften der §§ 153<br />

ff. StPO) verwirklicht werden könne 35 .<br />

<strong>Die</strong>se Ansicht verkennt, dass das eigentliche<br />

Ziel der Kronzeugenregelung, nämlich<br />

mordverdächtigen Terroristen einen<br />

Weg zu eröffnen, durch ein bestimmtes<br />

Aussageverhalten die sonst unvermeidliche<br />

lebenslange Freiheitsstrafe zu verhindern,<br />

auf anderem Weg nicht zu erreichen<br />

ist, solange – zu Recht – an dem<br />

„Lebenslänglich“ für Mord festgehalten<br />

wird 36 .<br />

Auch die von manchen geäußerte Sorge,<br />

die Kronzeugenregelung führe zu<br />

Falschaussagen, welche die Gerichte<br />

überfordern würden, ist unbegründet,<br />

weil es das tagtägliche Geschäft unserer<br />

Richter ist, die Glaubwürdigkeit von<br />

Angaben zu bewerten. Gerade der Umgang<br />

der Gerichte mit Parallelregelungen<br />

– insbesondere mit der häufig zu diskutierenden<br />

Vorschrift des § 31 BtMG 37 –<br />

zeigt, dass solche Kronzeugenregelungen<br />

praktikabel sind.<br />

Geltend gemacht wurde vor allem, die<br />

„Kronzeugenregelung verstoße gegen<br />

den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG),<br />

das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 I GG)<br />

und das Legalitätsprinzip“ 38 . Behauptet<br />

wurde auch, die Regelung habe „keine<br />

praktische Bedeutung erlangt“ 39 . All dies<br />

ist genauso unzutreffend wie die Kritik,<br />

gegen die Kronzeugen werde keine<br />

schuldangemessene Strafe 40 verhängt.<br />

Außer Frage steht sicher, dass es (etwa<br />

im Fall Lotze) schwer fällt, bei einem<br />

vollendeten Mord – nämlich an einem<br />

Polizeibeamten – eine 11-jährige Freiheitsstrafe<br />

noch als schuldangemessen zu<br />

akzeptieren, insbesondere wenn der Täter<br />

bereits nach der Hälfte der gegen ihn<br />

verhängten Strafe auf Bewährung aus der<br />

Haft entlassen wird. Dabei muss aber<br />

bedacht werden, dass mit der Kronzeugenregelung<br />

über die Bestrafung des Einzelfalles<br />

hinaus der RAF-Terrorismus in<br />

Deutschland bekämpft werden sollte.<br />

Der Abschreckungseffekt einer Strafmilderung<br />

für Kronzeugen besteht nämlich<br />

darin, dass Tätergruppen befürchten<br />

müssen, dass ihre Strukturen durch Insideraussagen<br />

aufgeklärt werden 41 .<br />

Betrachtet man allein das Ergebnis, so<br />

hat die RAF zum Beginn der Kronzeugenregelung<br />

noch existiert, zum Zeitpunkt<br />

des Auslaufens der Kronzeugenregelung<br />

aber nicht mehr. <strong>Die</strong> RAF hat<br />

nämlich am 20. April 1998 mit einem<br />

mehrseitigen Schreiben ihre Auflösung<br />

erklärt 42 . Insider haben keine Zweifel,<br />

dass die Kronzeugenregelung zu diesem<br />

Ende der RAF beigetragen hat 43 . Es sprechen<br />

nämlich manche Argumente dafür,<br />

dass die RAF nicht allein durch äußere<br />

Umstände (etwa den Fall der Mauer oder<br />

den Niedergang des Kommunismus),<br />

sondern vor allem durch einen Gesinnungswandel<br />

innerhalb der Terrorgruppe<br />

zu der Überzeugung gelangt ist, dass<br />

ihr „bewaffneter Kampf“ sinnlos ist 44 .<br />

<strong>Die</strong>s bestätigt etwa folgender Satz in der<br />

Auflösungserklärung: „Das Ende dieses<br />

Projekts zeigt, dass wir auf diesem Weg<br />

nicht durchkommen konnten.“ Bei diesem<br />

Gesinnungswandel spielte nach Ansicht<br />

von Experten 45 nicht nur das Aussageverhalten<br />

von RAF-Kronzeugen eine<br />

Rolle, sondern auch der Umstand, dass<br />

es den Staatsschutzbehörden Anfang der<br />

90-er Jahre gelungen war, den V-Mann<br />

Steinmetz in das RAF-Umfeld einzuschleusen.<br />

Beides hat die RAF verunsichert<br />

und in ihrem Kern getroffen.<br />

Wer sich den knapp drei Jahrzehnte dauernden<br />

Terrorismus der RAF mit 37<br />

Mordopfern 46 , mit Sachschäden in Milliardenhöhe<br />

sowie mit einem „Deutschen<br />

Herbst 1977“, der an die Substanz<br />

der Bundesrepublik ging, vergegenwärtigt,<br />

der kann nur dankbar sein, dass die<br />

„Hydra RAF“, der immer wieder neue<br />

Generationen nachgewachsen waren,<br />

heute nicht mehr existiert. Deshalb hat<br />

sich die frühere Kronzeugenregelung gelohnt,<br />

selbst wenn sie nur ein Mosaikstein<br />

dafür war, dass der RAF-Spuk ein<br />

Ende gefunden hat 47 .<br />

IV. Neue Kronzeugenregelung?<br />

<strong>Die</strong> Gründe, die 1989 zur Einführung<br />

einer „Kronzeugenregelung bei terroristischen<br />

Straftaten“ geführt haben, gelten<br />

heute mehr denn je. Zwar ist vom Linksterrorismus<br />

nach dem Ende der RAF<br />

weniger als früher zu spüren. Dafür sind<br />

rechtsextremistische und rechtsterroristische<br />

Gruppierungen 48 und vor allem<br />

ausländische terroristische Vereinigungen<br />

– etwa die islamistische Al Kaida –<br />

auf einem beängstigenden Vormarsch 49 .<br />

Vor allem die Mordanschläge der Terrorgruppe<br />

Al Kaida, die z.B. bei den<br />

Flugzeugattentaten vom 11. September<br />

DIE<br />

KRIMINALPOLIZEI<br />

Heft 3/06<br />

95

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