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"Acht Tage im Mai", The History

Die letzten acht Tage in Deutschland. Was geschah alles während es chaotischen Tagen? In diesem Magazin wird diese Frage geklärt.

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KOLLEKTION

No. 1

„ACHT TAGE IM MAI“


2


Lieber Leserin, lieber Leser

D

ie „Stunde Null“ oder auch „Niemandszeit“ prägen die letzten Tage des andauernden

Krieges. „Die Lücke zwischen dem Nichtmehr und dem Nochnicht“, wie Volker

Ulrich die Zeitspanne nennt, wird Inhalt des folgenden Magazins sein. Das NS-

Regime existierte nicht mehr und eine neue Ordnung gab es noch nicht. Dies „Lücke“ war

geprägt von Chaos. Ein Sturm von Ereignissen und Verzweiflung. Beginnend mit dem Tod

Hitlers, über die Regierung-Dönitz, Teilkapitulationen und Gewalttaten, zur

bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Dabei können die erzählten Ereignisse in die

Vergangenheit sowie in die Zukunft reichen.

Ziel ist es, dass Sie als Leser nachempfinden können, wie die verschiedenen Persönlichkeiten

die „Niemandzeit“ selber empfunden haben und ihre eigenen Schlüsse aus dem

Dargestellten zu ziehen.

Als Quelle diente das unglaubliche und umfassende Buch „Acht Tage im Mai“ von dem

Historiker Volker Ulrich. Das Magazin kann als eine lebhafte Zusammenfassung des

Buches aufgefasst und verwendet werden.

Ich hoffe, durch das Lesen, bringe ich Ihnen näher wie wichtig es sein kann, sich zu

erinnern.

Herzlich Ihre,

Lea Anna Gelhaar

3


INHALT

No. 1 - „Acht Tage im Mai“

10

74

17

30. April 1945 Eva Brauns, die Rote Armee

hat fast Berlin eingenommen, die Amerikaner

besetzen München, Dachau wird bereit

und Großadmiral Dönitz wird der Nachfolger

Hitlers…………………………………..………..6

01. Mai 1945 Scheitern der Krebs-

Mission, ersten Maßnahmen der Dönitz-

Regierung, Selbstmord der Familie Goebbels,

Ausbruch aus der Reichskanzlei, Selbstmordepidemie:

Demmin……………………………….12

4

02. Mai 1945 Reaktion auf Hitlers

Tod, Kapitulation Berlins, Plünderungen,

Suche nach Hitlers Leichnam, Teilkapitulation

der Heeresgruppe C in Italien, Militärische

Lage Deutschlands, Verlegung des

Hauptquartier Dönitz nach Flensburg, Festnahme

des Raketenforschers Wernher von

Braun………………………………………………..…...20

03. Mai 1945 Generalaussprache in

Flensburg, Kampflose Übergabe Hamburgs,

Tragödie in der Lübecker Bucht, Massenvergewaltigungen

in Berlin, Verhandlungen mit

Montgomery über Teilkapitulation von Nordwestdeutschland……………………………………..28

04. Mai 1945 Unterzeichnung der

Teilkapitulation von Nordwestdeutschland,


50

24

42

36

71

weitere Teilkapitulationen von Heeresgruppen

und Armeen, Besetzung des Obersalzberges,

Wiederernennung von Konrad Adenauer,

Alltag in Trümmern, Rheinwiesenlagern…………………………………………...38

05. Mai 1945 Die Bildung der

„Geschäftsführenden Reichsregierung“, Aufstand

in Prag, Ausruf Eisenhowers an die

„Displaced Persons“(DP´s), Schicksal der

DP´s………………………………………………………..46

06. Mai 1945 Die Verhandlungen von

Friedeburgs und Jodls in Reims, Entlassung

Heinrich Himmlers, Todesmärsche am Ende

des „Dritten Reiches“, Kapitulation der Festung

Breslau, Wiedergründung der SPD…54

07. Mai 1945 Unterzeichnung der bedingungslosen

Kapitulation in Reims…….62

08. Mai 1945 Wiederholung der bedingungslosen

Kapitulation in Berlin, Rücktritt

der Regierung Dönitz?, Siegesfeiern:

Der „Victory Day“ in Europa, Zusammen

oder Befreiung?, Ein Ende und ein Anfang…………………………………………….…………..68

5


30. April 1945

Suizid Hitlers und Eva Brauns, die Rote Armee hat

fast Berlin eingenommen, die Amerikaner besetzen

München, Dachau wird bereit und Großadmiral Dönitz

wird der Nachfolger Hitlers

6


7

Mit dem Tod

Hitlers, bricht

das NS-Regime

in sich zusammen,

die so genannte

„Stunde

Null“ hatte begonnen

und

sollte erst enden

am 08. Mai


F

rüh morgens am 30. April 1945 traf

die Nachricht, des gestoppten Vormarsches

der 12. Armee unter dem General

Walter Wendel, im Tiefbunker der Reichskanzlei

ein. Damit war die letzte Hoffnung

auf Überleben gestorben. „Erst jetzt entschloss

sich Adolf Hitler“ 1 endgültig seine

Leben zu beenden.

Währenddessen hatte der Sturm auf den

Reichstag und die Reichskanzlei der russischen

Alliierten begonnen. Doch dies erwies

sich schwieriger als gedacht, denn die Verteidiger

wehrten sich mit allen ihnen zur Verfügung

stehenden Mitteln.

Nach der letzten Lagerbesprechung im Führerbunker,

in welcher Hitler eine bedingungslose

Kapitulation ablehnte, teilte der

„Sekretär des Führers“ Martin Bormann dem

persönlichen Adjutanten Hitlers, Otto Günsche,

Hitlers Entscheidung des Freitodes mit

dessen frisch angetrauten Frau mit. Dieser

sollte die dementsprechenden Maßnahmen

treffen.

„Gegen 15:15 Uhr versammelten sich die

engsten Mitarbeiter im Korridor des Bunkers“

2 unter ihnen Propagandaminister Joseph

Goebbels, Martin Bormann, Generalstabschef

des Heeres Hans Krebs, die Sekretärin

Junge und noch weitere Personen.

Traude Junge erinnerte sich: „Er kommt

ganz langsam aus seinem Zimmer, gebeugter

denn je, tritt in die offene Tür und reichte

jedem seine Hand. […] Ich fühlte seine Rechte

warm in der meinen, er schaute mich an,

aber er sieht mich nicht.“ 3 Danach verschwand

er gemeinsam mit Eva Braun in seinem

kleinen Arbeitszimmer.

8

Erst kurz nach 15:30 Uhr wurden die Türen

wieder geöffnet und nach einem kurzen

Blick, meldete Bormann: „Herr Reichsleiter,

es ist passiert!“ 4 Folgendes Bild bot sich:

Hitler und Eva Braun, beide sitzend auf einem

Sofa, er links sie rechts, mit hochgezogenen

Beinen. Ihn zierte eine Einschusswunde

an der rechten Schläfe, von der aus Blut die

Wange hinunterlief und eine Blutlache am

Boden bildete. Der bittermandelähnliche Geruch

wies darauf hin, „dass sie sich mit einer

Zyankalikaspel vergiftet hatte“ 5 . Günsche

verkündete den Übrigen: „Der Führer ist tot!“

6

Danach wurden die beiden Leichen in den

Garten der Reichskanzlei getragen und mit

Hilfe von Benzin verbrannt. Die Überreste

wurden schließlich „in einer Mulde im Garten

[..] verscharrt.“ 7

Mit dieser Walter-Pistole hat

sich Hitler höchstwahrscheinlich

sein Leben genommen,

man fand Blutspuren daran.

F

ast zeitgleich besetzten die Amerikaner

fast kampflos München. Der Stellvertreter

des Münchner Oberbürgermeisters,

da alle anderen hochrangigen Persönlichkeiten

sich abgesetzt hatten, übergab gegen

16 Uhr „das Rathaus an einen Major der

7. US-Armee.“ 8 Der deutsche Journalist

Ernst Langendorf, der in der US-

Propagandakompanie diente, erinnerte sich:

„Interessiert betrachteten sie unsere Fahrzeuge,

andere betasteten den Stoff unserer Uniformen

[…], Mädchen fielen uns um den

Hals […]. Es herrschte eine recht fröhliche

Stimmung, überall hörte ich: Jetzt ist es vorbei.

Jetzt können wir wieder schlafen. Jetzt

kommen keine Flieger mehr.“ 9 Die Besetzung

Münchens hatte eine große Symbolik,

denn dort hatte Hitler seine politische Laufbahn

begonnen und ihr deswegen 1935 sogar

den Ehrentitel „Hauptstadt der Bewegung“

verliehen.


Besetzung Münchens,

US-Soldaten nehmen

Ortsschild als Souvenir

mit.

Wehrmacht kapituliert mit

der Besetzung Münchens

9


Das gestellte Foto vom Fotograf

Jewengi Chaldej,

russischer Soldat hisst rote

Flagge in Berlin

G

egen 18 Uhr erreichten die ersten

Truppen der sowjetischen Armee die

Treppenstufen des Reichstags, doch

folgte darauf nur ein „blutiger Nahkampf“ 10

zwischen den Verteidigern und den Angreifern.

Um 22:40 Uhr erreichte eine Gruppe

sowjetischer Soldaten „das Dach des Reichstages“

11 und hissten eine improvisierte rote

Flagge. Der Kampf hielt aber noch weiter

bis zum Nachmittag des 02. Mai an. Die bekannte

Szene vom Fotografen Jewgeni

Chaldej wurde am 02. Mai noch mal nachgestellt.

Sie symbolisiert den Sieg der Sowjetarmee

über Hitler-Deutschland.

E

benfalls

gegen 18 Uhr wurde der

Großadmiral Karl Dönitz durch ein

Telegramm von Bormann darüber informiert,

dass er der Nachfolger Hitlers sein

würde, jedoch ohne darüber informiert zu

werden, dass Hitler zu diesem Zeitpunkt bereits

tot sei. Dönitz würde Reichspräsident

und an seiner Seite wurde Goebbels zum

Reichskanzler ernannt. Die eigentlichen

Kandidaten für die Nachfolge, Hermann

Göring und Heinrich Himmler, kamen für

Hitler nicht mehr in Frage, da sie durch Illoyalität

bei ihm in Ungnade gefallen waren.

Kurz danach fand eine lange Konferenz im

Bunker statt. Teilnehmer waren neben Goebbels,

Bormann, Krebs, Burgdorf und Weidling

noch Vizeadmiral Hans-Erich Vass, der

Gesandte Hewel und Reichsjugendführer

Axmann. Sie berieten die derzeitig herrschende

Lage und endschieden sich schließlich

mit der sowjetischen Armee in Kontakt

zu treten.

Es dauerte lange bis eine telefonische Verbindung

mit dem Befehlsstand von Generaloberst

Wassili Tschuikow hergestellt werden

konnte, um Treffpunkt und Uhrzeit auszumachen.

Während der Wartezeit war die

Stimmung angespannt, Goebbels lief die ganze

Zeit auf und ab und rauchte, beobachte

Axmann. Die übrige Gesellschaft redete entweder

über einen Ausbruch oder aber über

möglichen Selbstmord. Als endlich eine Verbindung

herrschte wurde das Quartier des

Generalobersts Tschuikow in Tempelhof als

Treffpunt vorgeschlagen und die Abgesandten

sollten in den frühen Morgenstunden des

01. Mais dort eintreffen. Dies sollte unter

dem Namen „Krebs-Mission“ ablaufen.

10


D

arüber hinaus wurde das

KZ Dachau durch

„Angehörige des 157. Infanterieregiments

der 45. Thunderbird-Infanterie,

unter Lieutenant

Colonel Felix Sparks“ 12 , befreit.

Dies symbolisierte das Ende des

nationalsozialistischen Terrorsystems.

Edgar Kupfer-Koberwitz

hielt diesen Augenblick in seinem

Tagebuch fest: „Plötzlich draußen Geschrei,

Gelaufe, Gerenne: <Die Amerikaner sind da

[…]> – Alles gerät in Bewegung. – Kranke

verlassen die Betten, die fast Gesunden und

das Personal rennen auf die Blockstraße,

springen aus den Fenstern, klettern über die

Bretterwände. […] – Man hört von weitem bis

hierher das Schreien und Hurrarufen. – Es

sind Freudenschreie. – Immer noch läuft

und rennt alles. – Die Kranken haben erregte,

verklärte Gesichter: <Sie sind da, wir sind

frei, frei!>.“ 13

In den letzten Monaten vor Kriegsende wurden

immer mehr Menschen noch nach Dachau

deportiert, doch auch die Lebensbedingungen

verschlechterten sich drastisch. Die

Ehemaliger Wachmann steht

neben einem Lastwagen mit

aufgehäuften Leichen

Lager waren überfüllt, Lebensmittel wurden

noch mehr rationiert, so dass viele verhungerten.

Zudem brach eine Fleckenthyphusepidemie

aus, der viele zum Opfer fielen.

Als die Befreier ankamen, fanden sie Transporter

mit 2000 Leichen vor und weitern die

übers Gelände verteilt herumlagen. Lieutenant

Colonel Spark beschrieb den Anblick

mit den Worten: „Dantes Inferno schien blass

gegen die reale Hölle von Dachau:“ 14 Im Lager

selbst befanden sich noch rund 3 200

Menschen, weiter 10 000 befanden sich bereits

seit dem 26. April auf den Todesmarsch

in Richtung Süden nach Bad Tölz.

Tausende von Leichen werden in

Massengräbern einfach aufeinander

gestapelt, oder einfach irgendwo

liegengelassen

11


01. Mai 1945

Scheitern der Krebs-Mission, ersten Maßnahmen

der Dönitz-Regierung, Selbstmord der

Familie Goebbels, Ausbruch aus der Reichskanzlei,

Selbstmordepidemie: Demmin

12


13

Ganz Berlin liegt

in Schutt und

Asche, die Rote

Armee und die

deutschen Truppen

kämpfen immer

noch unerbittlich.

Für die

Deutschen gibt es

gibt es nur zwei

Möglichkeiten:

Flucht oder Gefangennahme


G

egen 3:50 Uhr morgens trafen die

deutschen Abgesandten, General

Hans Krebs, er wurde ausgewählt,

weil er als einziger über die richtigen

Sprachkenntnisse verfügte, in Begleitung von

Oberst Theodor von Dufving und einem Dolmetscher,

in Tempelhof im Quartier von

„Generaloberst Wassili Tschuikow, der Befehlshaber

der 8. Sowjetischen Gardearmee“

1 , ein. Damit hatte die Krebs-Mission begonnen.

Sie war Goebbels Idee gewesen, um Zeit

zu gewinnen und einen Keil zwischen die

Westalliierten und die Sowjetunion zu treiben,

um nochmal davon zu kommen. Krebs

berichtete von Hitlers Tod und übergab eine

Abschrift des Testaments, in welchem Hitler

seine Nachfolger bestimmt hatte und die

neue Regierung des „Dritten Reiches“. Jedoch

ging Tschuikow nicht auf die Vorschläge, eines

Waffenstillstandes und eventuellen Kapitulationen

an der Ostfront, ein und bestand

auf eine bedingungslose Kapitulation

Deutschlands, gleichzeitig mit den Westalliierten,

da dieser Goebbels Vorhaben erahnte.

Soldaten der Roten

Armee kurz vor ihrem

Angriff auf den

Reichstag

14

Währenddessen liefen die blutigen und grausamen

Kämpfe in und um Berlin weiter.

In Moskau ging gegen 5 Uhr ein Telegramm

von Tschuikow an Stalin ein. In dem er von

Hitlers Tod und den Vorschlägen der Abgesandten

der Deutschen, sowie seiner Vermutung

diesbezüglich berichtete. Stalin soll die

Nachricht mit den Worten „der Schuft hat

also ausgespielt! Schade, dass wir ihn nicht

lebend in die Hände bekommen haben“ 2 ,

kommentiert haben. Zusätzlich macht er danach

Tschuikow noch mal deutlich, dass nur

eine bedingungslose Kapitulation

in Frage kommen würde. Die Abgesandten

waren aber dazu nicht

autorisiert und die Verhandlungen

traten auf der Stelle. Deswegen

kehrten von Dufving und der

Dolmetscher zum Bunker wieder

zurück, um Goebbels Bericht zu

erstatten.

Zwischen 13 und 14 Uhr kehrt

Krebs ohne Neuigkeiten in den

Bunker zurück. Damit war die

Krebs-Mission und ein mögliches

Davonkommen gescheitert. Nun

war die Zeit gekommen entweder

aus dem Bunker auszubrechen

oder Selbstmord zu begehen, um

den Truppen der Roten Armee zu

entkommen.


Familie Goebbels

E

rst gegen 15 Uhr wurde Dönitz durch

Bormann über den Tod der „Führers“

informiert, der bis dahin noch im Ungewissen

war. Zudem wollte Bormann selber

versuchen sich nach Plön, zu Dönitz durchzuschlagen

und dort alle Einzelheiten besprechen.

Daraufhin befahl Dönitz den

Funkspruch unter Verschluss zu halten und

Goebbels oder Bormann verhaften zu lassen,

falls diese wirklich in Plön eintreffen würden.

Zudem begann er sein Kabinett zusammenzustellen,

so besetzte er den Posten des

Außenministers neu, mit Lutz Graf Schwerin

von Kosigk, da dieser in Dönitz Augen

ein belastbarer Fachmann sei. Dieser bat um

Bedenkzeit, stimmte aber am 02. Mai zu.

Ebenfalls wie Goebbels, kam eine bedingungslose

Kapitulation für ihn nicht in Frage,

der Krieg an der Ostfront musste, seiner

Meinung nach, so lang wie möglich fortgesetzt

werden und im Westen so schnell wie

möglich beendet werden, wenn nötig durch

Teilkapitulationen.

Z

ur

selben Zeit traf Goebbels noch letzte

Anordnungen vor seinem bevorstehenden

Tod mit seiner Familie. Er

wollte dem Führer mit seiner Frau Magda

und seinen sechs Kindern in den Tod folgen.

Sie ließen sich auch nicht durch viele Überredungsversuche,

die Kinder wenigstens zu

verschonen, davon abbringen. Der Telefonist

Rochus Misch sah Magda Goebbels dabei zu,

wie sie ihren Kindern alle weiße Nachtkleider

überzog und beruhigend auf sie einredete.

Danach rief sie Helmut Kunz, Adjutant des

Chefarztes in der Sanitätsverwaltung der SS

zu sich, der ihr bei der Tötung der Kinder

behilflich sein sollte. Er spritze jedem Kind,

welches in seinem Bett lag, Morphium, verließ

dann gegen 20:40 Uhr das Zimmer und

wartete gemeinsam mit Magda vor dem Zimmer,

bis alle Kinder eingeschlafen waren.

Zehn Minuten später kam noch Ludwig

Stumpfegger, Begleitarzt Hitlers und verabreichte

schließlich den Kindern jeweils eine

Zyankali-Ampulle.

Danach gingen Magda und Kurz zu Goebbels.

Dieser hatte währenddessen begonnen

sich bei den übrigen Mitarbeitern und Vertrauten

zu verabschieden und von ihren Tätigkeiten

zu entlassen. Rochus Misch fühlte

sich danach als wäre er „erlöst“ worden. Kurz

darauf brachten sich Joseph und Magda Goebbels

durch das Zerbeißen von Zyankali-

Ampullen ebenfalls im Garten der Reichskanzlei

um. Um nochmal sicher zugehen

wurde ihnen von zwei SS-Männern in den

Kopf geschossen und sie wurden anschließend

auch verbrannt.

Die gestorbenen

sechs Kinder der

Goebbels

15


D

ie übrig gebliebene Gesellschaft hatte

sich währenddessen für ihren Ausbruch

aus dem Bunker gerüstet, Ausweißpapiere

wurden verbrannt, Rangabzeichen

abgerissen und Pistolen und Stahlhelme

gesammelt. Der folgende Plan stammte

vom Kampfkomandanten Wilhelm Mohnke:

„Mehrere Gruppen sollten in Abständen von

jeweils wenigen Minuten aus dem […]

[Bunker] ausbrechen, über den Wilhelmplatz

sich zur U-Bahnstation <<Kaiserhof>>

(heute <<Mohrenstraße>>) schleichen und von

dort aus entlang der (Bahngleise), unter den

russischen Linien durch, zur Station

<<Friedrichstraße>> […]. Hier sollten sie sich

mit den Resten von Mohnkes Kampftruppe

vereinigen und versuchen, […] [sich] zum

Stettinger Bahnhof durchzuschlagen, und

von dort Berlin in nordwestlicher Richtung

verlassen, um Anschluss an die noch kämpfenden

deutschen Verbände zu finden.“ 3

Zerstörte „Friedrichstraße“

im Jahr 1945

Doch leider erweis sich der Fluchtplan als

undurchführbar, da die U-Bahnschächte

überflutet von Menschen, Verwundeten, Soldaten

und Zivilsten, war. Deswegen lösten

sich die Gruppen untereinander rasch auf

und am Bahnhof „Friedrichstraße“ herrschten

zu selben Zeit noch heftige Kämpfe. Mit

den Worten: „Stundenlang kriechen wir

durch Kellerlöcher, brennende Häuser, fremde

dunkle Straßen. […] Irgendwo in einem

verlassenen Keller rasten wir, schlafen ein

paar Stunden. Dann geht es weiter, bis russische

Panzer den Weg versperren (…) So vergeht

die Nacht, und am Morgen wird es still.

Das Schießen hat aufgehört (…) Schließlich

landen wir in einem alten Bierkeller einer

Brauerei (…). Hier ist die letzte Station“ 4 ,

beschrieb Traude Junge ihre Flucht. Sie war

einer der wenigen der die Flucht gelang, die

meisten wurden von der russischen Armee

gefangen genommen oder brachten sich um,

um sich der Gefangennahme zu entziehen.

E

rst am späten Abend, gegen 22:25 Uhr,

nach dreimaliger Ankündigung einer

wichtigen Nachricht, wurde die Meldung

über Hitlers Tod mit den Worten: „Aus

dem Führerhauptquartier wird gemeldet,

dass unser Führer Adolf Hitler heute Nachmittag

in seinem Befehlsstand in der Reiskanzlei

bis zum letzten Atemzug gegen

den Bolschewismus kämpfend

für Deutschland gefallen ist. Am 30.

April hat der Führer den Großadmiral

Dönitz zu seinem Nachfolger ernannt.“

5 Im Reichssender Hamburg

und dessen Nebensender ausgestrahlt.

Im Anschluss spricht Dönitz selber

zum Volk, in dem er sein Mitgefühl

und Trauer zum Ausdruck bringt

und greift dabei ebenfalls die „Vision

von Hitlers <<Heldentod>> auf“ 6 . Zudem

fordert er bedingungslosen Einsatz

vom deutschen Volk und die

gleiche Treue wie die gegenüber Hitler, da er

dessen Nachfolger sei. Danach folgten eine

dreiminütige Funkstille und das Horst-

Wesel-Lied. Der Radiobeitrag endet in der

Nacht zum 02. Mai mit den Worten: „Wir

grüßen unsere Hörer in Deutschland und im

Ausland, unsere Soldaten zur See, im Felde

und in der Luft mit dem Deutschen Gruß:

Heil Hitler.“ 7

16


Verkündung Hitlers Tod in einer

amerikanischen Zeitung

17


18

Totenbuch der Friedhofsgärtnerei


D

arüber hinaus gab es an diesem Tag

eine Selbstmordwelle in Demmin, es

gab zwar an vielen anderen Orten

viele Selbstmorde, aber Demmin war beispielslos.

Wegen der Unzahl an Selbstmorden

in den letzten Tagen des Krieges kann man

von einer Selbstmordepidemie sprechen:

Demmin war ein Zufluchtsort für Flüchtlinge,

die auf der Weiterreise nach Westen waren.

Die Amtsträger der Partei und des Staates,

sowie die Wehrmacht hatten sich schon

längst aus dem Staub gemacht, als die rote

Armee näher rückte. Dabei hatten sie allerding

alle Brücken gesprengt und somit alle

Fluchtwege in Richtung Westen zerstört. Damit

saßen die Menschen in Demmin in der

Falle. Zudem wuchs die Angst vor der Roten

Armee immer mehr, durch die Erzählungen

über die Verbrechen der SS und Wehrmacht

gegenüber der Sowjetunion. Die Angst steigerte

sich noch mehr, nachdem Goebbels die

Bilder des Massakers von Nemmersdorf für

die Wochenschau und Zeitungen freigegeben

hat, damit das deutsche Volk Bescheid wusste,

was passieren würde „wenn der Bolschewismus

tatsächlich vom Reich Besitz ergreift.“

8 Außerdem verbreiteten sich vermehrt

Berichte über die Plünderungen und

Vergewaltigungen, die bei der Roten Armee

auf der Tagesordnung standen.

Am Tag zuvor stauten sich bereits die Panzer

und andere Fahrzeuge der russischen Armee

in der Stadt, wegen den zerstörten Brücken.

In der Nacht vom 30. April auf den 01. Mai

begann der „Albtraum“: „Hunderte von Soldaten,

in ihrem Siegeszug gebremst,

schwärmten aus auf der Suche nach Uhren,

nach Schmuck, nach Schnaps, nach Frauen,

nach Spaß, Lust und Gewalt (…) Zum Triumphgefühl

des Sieges über die Nazis, der so

kurz bevorstand, kam die Feierlaune“ 9 , stellt

der Historiker Florian Huber dar. „Hunderte

Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt,

zahlreiche Bewohner getötet“ 10 , die Folge:

ein Massenselbstmord. Schätzungsweise kamen

500 bis 1000 Menschen durch Selbstmord

um, durch Gift, Kopfschüsse, aufschneiden

der Pulsadern, erhängen, aber die

meisten ertränkten sich. „Noch Wochen später

trieben in der Peene und den Nebenflüssen

zahlreiche Leichen“ 11 .

„Viele erlebten das bevorstehende Kriegsende

in einer Weltuntergangsstimmung, als Zusammenbruch

einer Ordnung, die ihrem bisherigem

Leben Struktur und Halt gegeben

hatte.“ 12 Für viele war der Selbstmord der

letzte Ausweg.

19


02. Mai 1945

Reaktion auf Hitlers Tod, Kapitulation Berlins, Plünderungen,

Suche nach Hitlers Leichnam, Teilkapitulation

der Heeresgruppe C in Italien, Militärische

Lage Deutschlands, Verlegung des Hauptquartier

Dönitz nach Flensburg, Festnahme des Raketenforschers

Wernher von Braun

20


21

Um die militärische

Lage

Deutschland steht

es schlecht. Die

Kapitulation Berlins

und der Heeresgruppe

C in

Italien ist nur der

Anfang.


H

itler war tot. Damit war der Zauber

gebrochen. Die Reaktionen des deutschen

Volkes spiegelten sich in

Gleichgültigkeit, Erleichterung, oder aber

Überforderung und Ratlosigkeit, so schrieb

die Widerstandskämpferin Ruth Andreas-

Fridrich folgendes: „Hitler ist tot! Und wir –

wir tun, als ginge uns das nichts an, als handele

es sich um den gleichgültigsten Menschen

von der Welt. Was hat sich denn geändert?

Nichts! Nur, dass wir über dem Inferno

der letzten Tage Herrn Hitler vergessen haben.

Wie ein Spuk ist das Dritte Reich zerstoben!“

1 Die Journalistin Ursula von Kardorf

notierte sich: „Den Menschen hier ist es völlig

gleichgültig, ob der einst so vergötterte Führer

tot ist. Er hat seine Rolle ausgespielt.“ 2

Der deutsche Diplomat Erwin Wickler erinnerte

sich: „Nun war niemand mehr da oben,

der den Krieg fortsetzen und gegen dessen Befehl

keine Berufung möglich war. Ich will es

nicht Fröhlichkeit nennen, aber es war eine

seltsame, ganz ungewöhnliche Leichtigkeit.“ 3

Die Germanistikstudentin Lore Walb

notierte sich. „Er hat nun seine Ruhe,

für ihn ist es so gewiss am besten.

Aber wir? Wir sind verlassen und allem

ausgeliefert und können in unserem

Leben nicht wiederaufbauen, was

dieser Krieg vernichtet hat.“ 4

Bei viele schlug die Trauer aber auch

in Wut und Enttäuschung um. So reagierte

Erika Assmus, ehemalig begeisterte

Jungmädel-Gruppenführerin,

nach der Trauer um den „Führer“ mit

den kalten Worten: „Die Firma ist

bankrott. Ihr Gründer hat sich davongemacht

und sie im Dreck zurückgelassen.

So hat sie nicht gespielt! Das

war nicht die Geschäftsgrundlage!

Unvermittelt wandelt sich Trauer in

Zynismus, die Ausdrucksform von Betrogenen

und Hoffnungslosen.“ 5 Der Zauber

des „„Hitlermythoses“ war endgültig gebrochen,

jetzt ging es ums nackte Überleben des

Einzelnen. Es begann Chaos auszubrechen,

niemand wusste wie es weiter gehen und was

aus ihnen werden sollten.

In

der Nacht zum 2. Mai“ 6 ging

ein Funkspruch auf Russisch in

der „Funkstelle der 79. Sowjetischen

Gardedivision in Berlin“ 7 ein. Die

Nachricht lautete: „Achtung! Achtung! Hier

ist das LVI. Deutsche Panzerkorps. Wir bitten,

das Feuer einzustellen. Um 0 Uhr 50 Minuten

Berliner Zeit entsenden wir Parlamentäre

auf die Potsdamer Brücke. Erkennungszeichen:

weiße Fahne. Warten auf Antwort.“

8

Daraufhin stellte Tschuikow an der Passierstelle

die Kampfhandlungen ein und

schickte einen Offizier, sowie einen Dolmetscher

hin.

Die Deutschen hatten eigesehen das „eine

Fortsetzung des Kampfes […] sinnlos

22


geworden waren und es zur Kapitulation keine

Alternative gab.“ 9 Am Abend des 01. Mais

berief General Helmuth Weidling, letzter

Kampfkommandant Berlins, gegen 23 Uhr

„alle erreichbaren Truppenführer in seinen

Gefechtsstand.“ 10 Er teilte den Anwesenden

Hitlers Tod mit und stellt „die Notwendigkeit

der Kapitulation“ 11 von Berlin dar. „Auch

wer längst gewusst oder geahnt habe, dass das

Ende unmittelbar bevorstand, sei durch die

Konfrontation mit der Wirklichkeit überwältigt

worden: << Für sie alle brach eine

Welt zusammen.>>“ 12 Es stimmten am Ende

jedoch alle für eine Kapitulation. Der Auftrag

wurde Theodor von Dufving gegeben, er

sollte das „Kapitulationsangebot“ 13 überbringen.

Die Verhandlungen dauerten diesmal

nicht sehr lange. „Den Deutschen wurden

<<ehrenvolle Bedingungen>> zugesichert“ 14

Der „Beginn der Waffenruhe [wurde] auf

6.00 Uhr festgelegt.“ 15

Nachdem von Dufving zurückgekehrt war,

überbrachte er das „Ergebnis der Verhandlung“

16 , brach Weidling gegen 6:00 Uhr auf,

begab sich in Gefangenschaft und wurde in

Hauptquartier von Tschuikow gebracht. Dort

brachte er auf dessen Wunsch „um 7.50 Uhr

eine förmlichen Kapitulationsbefehl zu Befehl:

<<Am 30. 4. 45 hat sich der Führer selbst

entleibt und damit uns, die wir ihm unsere

Treue geschworen hatten, im Stich gelassen.

Auf Befehl des Führers glaubt ihr noch immer

um Berlin kämpfen zu müssen, obwohl

der Mangel an schweren Waffen, an Munition

und Gesamtlage den Kampf sinnlos erscheinen

lassen. Jede Stunde, die ihr weiterkämpft,

verlängert die entsetzlichen Leiden

der Zivilbevölkerung Berlins und unserer

Verwundeten. Jeder, der jetzt noch im

Kampf um Berlin fällt, bringt sein Opfer

umsonst. Im Einvernehmen mit dem Oberkommando

der sowjetischen Truppen fordere

ich Euch daher auf, sofort den Kampf einzustellen.“

17

Danach wurde ein Exemplar dieses Befehls

zu einem Studio gebracht, vertont

„und anschließend über Lautsprecherwagen

in Berlin verkündet.“ 18 Die allgemeine

Waffenruhe trat jedoch erst gegen

17:00 Uhr ein. Die „Reste der geschlagenen

Wehrmacht […] traten ihren langen

Weg in die Kriegsgefangenschaft an.“ 19

Nach dem Waffenstillstand trauten sich

die Menschen langsam wieder aus ihren

Kellern, auf die Straßen, sie hatten sich

dort nur mit dem nötigsten versteckt. Jedoch

bot sich ihnen ein grauenhaftes

Bild:

Weiße Fahnen in den Fenstern

sind ein Zeichen für die Kapitulation

der Bevölkerung, nach

Einmarsch der Roten Armee

23


Schwarze Rauchwolken hingen

am Himmel, hier und dort loderten

immer noch Brände und

stürzten Fassaden ein. Die Trümmer der zerstörten

Häuser türmten sich zu Bergen, dazwischen

lagen die Leichen von Soldaten […].

Zerschossene Panzer, umgestürzte Geschütze,

ausgebrannte Straßenwagen zeugten von der

Heftigkeit der vorangegangenen Kämpfe.“ 20

Kurzdarauf begannen die Plünderungen, es

wurden „Geschäfte und Lebensmittellager“ 21

leergeräumt. Chaos war ausgebrochen, jeder

versuchte sich so viel zu ergattern, um sich

und die Familie ernähren zu können. Die

„Volksgemeinschaft“ gab es nicht mehr. Es

ging um Leben oder Tod, ohne Rücksicht auf

andere. „Die Plünderungen ging so weit, dass

russische Soldaten in die Luft schossen.“ 22

Für die Russen war dieser Tag im Gegensatz

ein freudiger Tag. „Alle tanzen, singen und

lachen. Bunte Leuchtkugeln steigen auf. Aus

Maschinenpistolen, Gewehren und Pistolen

ertönten Freudenschüsse“ 23 , hielt der

Schriftsteller Wassili Grossman an diesem

Tag fest.

Auch bei der Reichskanzlei, im Regierungsviertel,

hatten die Kämpfe aufgehört. Es

herrschte eine gespenstische

Stille,

nach Tagen des

Dauerbeschusses.

D

araufhin

begann die

Besetzung

der Reichskanzlei

durch die „Truppen

der 3. Stoßarmee

der 1. Belorussischen

Front […].

Ihnen folgte eine

Einheit der Mili-

tärspionage-

24

Abwehrabteilung SMERSCH. Ihr Auftrag

lautete, die Leiche Hitlers zu finden und sie

zu identifizieren.“ 24 Die Russen blieben

misstrauisch, war Hitler wirklich tot oder

war es doch eine Finte seines Regimes?

„Die SCHMERSCH-Abteilung, angeführt

von Oberstleutnant Ivan Klimenko“ 25 , begann

am Nachmittag die Suche. Gegen 17:00

Uhr wurden die halbverbrannten Leichen

von dem Ehepaar Goebbels im Garten der

Reichskanzlei gefunden. Die Leichen ihrer

Kinder fand man erst einen Tag später. Die

Familie Goebbels wurde schließlich von Gefangenen

der Reichskanzlei, die nicht geflohen

waren, identifiziert. Aber die Frage: „Wo

aber war Hitler?“ 26 blieb offen.

Man fand zwar eine Leiche die ein „gewisse

Ähnlichkeit mit Hitler aufwies“ 27 , wie sich

jedoch herausstellte war es ein gefallener

Soldat. Jelener Rshewskaja schilderte die

mühselige Suche mit den Worten: „Wir

durchsuchten Zellen und Zimmer, die langen

Korridore. Wir tasteten uns an den beschädigten

Betonwänden entlang und tappten

durch Pfützen, die sich in den Gängen sammeln.

Die Luft ist feucht und drückend, die

Ventilatoren arbeiten nicht mehr. Das Atmen

fällt schwer.“ 28 Erst am 04. Mai entdeckte

man „zwei bis zur Unkenntlichkeit

Schlachtfeld nach nach

Kampfhandlungen


verbrannten Körper

eines Mannes und einer

Frau. Da aber

nicht darauf hinzudeuten

schien, dass es sich

um die Leichen von

Adolf Hitler und Eva

Braun handelte, vergrub

man die Überreste

wieder“ 29 Klimenko

bekam jedoch am

nächsten Tag Bedenken,

ließ die Leichen

wieder ausgraben und

ein Feldlazarett bringen,

zur Obduktion.

Währenddessen wurden die gefangengenommenen

Vizeadmiral Voß, General Weidling

und Chefpilot Baur zum Tod Hitlers verhört

und ein umfassender Bericht deren Aussagen

nach Moskau zu Stalin geschickt. Bei der

Obduktion der Leichen kamen jedoch Zweifel

bei der Todesart auf, deshalb versucht

man Hitler und seine Frau über ihre Gebisse

zu identifizieren. Die Assistentin des damaligen

Zahnarztes Hitlers wurde ausfindig gemacht,

sie erkannte „die charakteristischen

Grube, in der Hitler vergraben

wurde, wird britischen Soldaten

präsentiert

Besonderheiten von Hitlers Zahnprothesen.“

30

„Der Zahntechniker Fritz Echtmann wiederum

identifizierte die vorgelegten Kunstharzbrücke

als eindeutig von Eva Braun

stammend.“ 31 Außerdem wurde ein Zeuge am

13. Mai für die Verbrennung gefunden. Damit

gab es keine Zweifel mehr an Hitlers

Tod, jedoch blieb Stalin immer noch misstrauisch.

In seine Augen war Hitler noch am

Leben und hielt er daran beharrlich fest..

25


G

egen Abend des Tages berichtete der

BBC über eine „sensationelle Nachricht:“

32 Am 29. April hatte bereits

die Heeresgruppe C der Deutschen in Italien

kapituliert. Dabei hatten ca. 600 000 Männer

ihre Waffen niedergelegt. Dies war die aller

erste Teilkapitulation gegen Ende des zweiten

Weltkrieges und einzige zu Hitlers Lebzeiten,

ohne dessen Wissen. Winston

Churchill „nannte das Ereignis eine historische

Sternstunde.“ 33 Kriegsminister Henry

Lewis Stimson hoffte, dass „dem […] bald die

Gesamtkapitulation folgen werde. 34 Die geheimen

Verhandlungen zur Kapitulation

„war überhaupt das erste Mal im Krieg, dass

sich alliierte und deutsche Militärs am Verhandlungstisch

gegenübersaßen.“ 35 Damit

begannen sich die Fronten des „Dritten Reiches“

langsam aufzulösen.

26

Gegen Vormittag, 10:30 Uhr, an diesem Tag

berief Dönitz eine Lagebesprechung zusammen.

Um Deutschland stand es schlecht.

„Zusammenhängende Fronten existierten

nicht mehr. Die noch von der Wehrmacht

verteidigten Räume schrumpften ständig zusammen.“

36 Die stationierten Heeresgruppen

befanden sich teilweise auf Rückzügen und

die Heeresgruppe C in Italien hatte kapituliert.

Dönitz persönlicher

Adjutant

Walter

Lüdde-Neurath

beschrieb „die

militärische Lage

[als] hoffnungslos“

37 Dennoch

lehnte Dönitz

eine

„bedingungslose

Gesamtkapitulation“

38 ab. Er

verfolgte weiterhin

seinen Plan von Teilkapitulationen im

Westen, deswegen war er nicht über die Kapitulation

der Heergruppe C nicht sonderlich

erzürnt und die unbedingte Fortsetzung des

Krieges im Osten.

Gegen 16:00 Uhr fand eine zweite Lagebesprechung

statt, da alliierte Truppen in der

Nähe von Plön, in Lübeck, gesichtet worden

waren. Deswegen wurden über zwei Vorhaben

besprochen: Die Verlegung des Hauptquartiers

nach Flensburg und der Plan Verhandlungen

mit Montgomery, britischer

Feldmarschall, „über eine Teilkapitulation

im nordwestlichen Raum“ 39 aufzunehmen.

Als Abgesandter wurde Generaladmiral

Hans-Georg von Friedeburg ausgewählt. Auf

seinem Weg zum neuen Hauptquartier traf

Dönitz Friedeburg und gab ihm Instruktionen

für die Verhandlungen. Unteranderem

„möglichst viele deutsche Soldaten und europäische

Menschen vor der Bolschewisierung

und der Versklavung zu retten.“ 40 Dönitz traf

in der Nacht zum 03. Mai in Flensburg-

Mürwik am Gebäude der Marineschule ein,

in dem neuen Hauptquartier sollte er bleiben,

bis er schließlich am 23. Mai dort verhaftet

wurde.

Unterzeichnung der Teilkapitulation

der Heeresgruppe

C in Italien


A

m selben Tag ließ sich der Raketenforscher

Wernher von Braun festnehmen,

„zu seinen wichtigsten Aufgaben

gehörte die Entwicklung einer ballistischen

Fernrakete.“ 41 Hitler selber bezeichnete die

von von Braun entwickelte V2 oder auch

„Vergeltungswaffe“ als „Wunderwaffe“ 42 .

Durch die Rakete starben rund 3000 Briten

und nochmal so viele Belgier. Von Braun

und Dornberg stellte sich den Amerikanern,

„in der sicheren Annahme, dass [sein] Knowhow

für die US-Armee von Interesse sein

würde.“ 43 Diese Annahme sollte sich bewahrheiten,

denn „bereits im Juli 1944 […] hatte

da US-Oberkommando sogenannte Target-

Forces aufgestellt, […] die den Auftrag erhielten,

wichtige Objekte ausfindig zu machen,

die daran beteiligten Wissenschaftler

und Techniker in Gewahrsam zu nehmen

und in die Vereinigten Staaten zu bringen.

[…] Das Unternehmen lief unter dem Decknamen

<<Overcast>>. […] [Dabei] wurden zahlreiche

Experten abtransportiert, damit sich

die Russen nicht deren Fähigkeiten und

Kenntnisse aneignen konnte. […] [So wurden

schließlich] bis 1952 642 deutsche und österreichische

Spezialisten in die USA

<<importiert>>.“ 44 Von Brauns war schließlich

in den 60er Jahren einer der führenden

Verhaftung von Wernher

von Braun, posiert für

die Kamera

Raumfahrexperten und arbeite für die

NASA. „Unter seiner Verantwortung wurde

die riesige Saturn V-Rakete für das Apollo-

Mondprogramm entwickelt.“ 45 Mit der die

27

Von Braun mit Präsident

John F. Kennedy


03. Mai 1945

Generalaussprache in Flensburg, Kampflose Übergabe

Hamburgs, Tragödie in der Lübecker Bucht, Massenvergewaltigungen

in Berlin, Verhandlungen mit Montgomery

über Teilkapitulation von Nordwestdeutschland

28


29

Deutschland

versinkt immer

mehr in Chaos,

und auf die eine

Kapitulation

folgt die Andere.

Auch die

Tragödien häufen

sich, mit

dem Ende des

Krieges.


I

n der Nacht zum 03. Mai war eine Meldung

eingegangen, „die englischen Truppen

[hatten] ihren Vormarsch in Norddeutschland

beschleunigt fortgesetzt“ 1 und

waren vermutlich bald in Flensburg. Die

Stimmung war im Hauptquartier Dönitz

dementsprechend angespannt. Deswegen gab

Dönitz die Anweisung: „den Kaiser-Wilhelm

-Kanal als letzte Widerstandslinie <<mit allen

Mitteln so lange wie möglich zu verteidigen,

um der Regierung Bewegungs- und

Handlungsfreiheit zu sichern>>. Im Laufe

des Tages wurde aber Entwarnung gegeben.“ 2

Die Alliierten würden so lange nicht angreifen,

wenn Dönitz bereit wäre „über die Kapitulation

der Wehrmacht zu verhandeln.“ 3

Währenddessen hatte er am Morgen die Befehlshaber

aller deutschbesetzter Gebiete zu

sich bestellt. Anwesende waren die Befehlshaber

von Böhmen und Mähren, Norwegen,

Dänemark und der Niederlande, sowie neben

Dönitz selbst, Schwerin von Kosigk, Wegner

und die Chefs des Oberkommandos der

Wehrmacht (OKW) Jodl und Keitel. Die

verschiedenen Besprechungen fanden je nach

Gebiet statt.

Die erste Beratung war um 9:30 Uhr zu

„böhmischen Frage“. Dabei wurde über eine

mögliche Kapitulation der Heeresgruppe

Mitte gegenüber General Eisenhower und die

Möglichkeit Prag zur „offenen Stadt“ zu erklären

gesprochen, da das Protektorat Böhmen

und Mähren „weder militärisch noch

politisch zu halten“ 4 war.

30

Die zweite Besprechung begann gegen 11:00

Uhr zu den „Verhältnisse[n] in den skandinavischen

Ländern.“ 5 Dabei wurde lediglich

berichtet, dass dort mit keinen Aufständen

zu rechnen waren. Dönitz wies ihnen nur

folgendes an: „Ruhe und Ordnung aufrechthalten,

da uns durch innere Unruhen nur

Nachteile entstehen können. Stark und energisch

auftreten, aber im Einzelfall zu Konzession

bereit sein.“ 6

Die letzte Beratung war gegen 15:30 Uhr zur

„niederländischen Frage“. Dabei wurde besprochen

die bereits aufgenommenen Verhandlungen

mit General Walter Bedell

Smith, Generalstabchef Eisenhowers, fortzusetzen,

da sie bis dahin in zufriedenstellender

Weise verlaufen waren. Auch wenn die Alliierten

weiter auf eine Gesamtkapitulation

bestanden.

Gegen Vormittag trafen die Abgesandten des

OKW, unter ihnen „Großadmiral Hans-

Georg von Friedeburg, Konteradmiral Gerard

Wagner und Jochen Friedel im Hauptquartier

von General Miles C. Dempsey in

Häcklingen bei Lüneburg ein. Von dort wurden

[sie] weitergeleitet zum Timeloberg“ 7 zu

Feldmarschall Montgomery. Nachdem sie

tags zuvor nach Dönitz Anweisung zum Anbieten

einer Kapitulation des norddeutschen

Raums aufgebrochen waren. Sie boten dies

Montgomery direkt zu Beginn der Verhandlung

an, doch dieser lehnte ab. Da die deutschen

Truppen im norddeutschen Raum

nicht gegen die Westalliierten kämpften,

sondern gegen die Sowjetunion, deshalb sollten

sie mit ihnen über die Kapitulation verhandeln.

Als Friedeburg daraufhin einwarf,

dass kein deutscher Soldat „sich freiwillig in

russische Kriegsgefangenschaft

Generalfeldmarschall Montgomery


Übergabe Hamburgs

begeben [werde], weil er befürchten müsse, zu

Zwangsarbeit nach Sibirien verschickt zu

werden, entgegnete Montgomery kühl, <<all

das hätten die Deutschen bedenken sollen,

ehe sie den Krieg anfingen, und besonders,

ehe sie im Juni 1941 die Russen überfielen.“ 8

Jedoch beschloss er ihnen einen Gegenvorschlag

zu machen: „Sind sie bereit […] mir

alle deutschen Truppen auf meiner Westund

Nordflanke zu übergeben einschließlich

aller Truppen in Holland, Friesland mit den

friesischen Inseln und Helgoland, sowie in

Schleswig-Holstein und Dänemark? Um seiner

Forderung Nachdruck zu verleihen, erläuterte

er anhand einer Karte die Lage der

Westfront“ 9 . Die Lage für die Deutschen war

aussichtslos, trotzdem baten sie um Bedenkzeit.

Nachdem sie alle gegessen hatten, stellte

Montgomery den Abgesandten aber ein Ultimatum:

„Alle deutschen Truppen in den bezeichneten

Gebieten müssen die Waffen niederlegen

und sich bedingungslos ergeben. […]

Sollten die Deutschen sich weigern, seiner

Forderung nachzukommen, würden die

Kämpfe fortgesetzt.“ 10 Von Friedeburg hatte

jedoch nicht die Vollmacht über Derartiges

zu entscheiden und müsse erst mit Dönitz

Rücksprache halten. So kehrte er mit Major

Friedel nach Flensburg zurück, mit einer

„Frist bis zum Nachmittag des folgenden Tages“

11 .

A

m selben Tag endete für Hamburg der

Krieg. „Während des ganzen Tages

brachte der Rundfunk die Nachricht

vom bevorstehenden friedlichen Einmarsch

der englischen Truppen. […] am Nachmittag

herrschte in der Hansestadt eine gespenstische

Ruhe. Der gesamte Verkehr war eingestellt,

Läden und Geschäfte blieben geschlossen.

An den Kreuzungen und Brücken waren

Hamburger Schutzpolizisten postiert, ansonsten

waren die Straßen menschenleer.“ 12

Jedoch hatte zuvor „nichts auf eine kampflose

Übergabe der Stadt hingedeutet“ 13 , vielmehr

war das Gegenteil der Fall. Im Herbst

1944 hatte der Aufbau eines Verteidigungsrings

in und um Hamburg begonnen, da Hitler

Hamburg zuvor zur „Festung“ erklärt hatte

und dem entsprechend aufgerüstet werden

musste.

31


32


33

Zerstörtes Hamburg nach den Bombenangriffen

der Alliierten


Hamburg stand jedoch unter Dauerbeschuss

von Luftangriffen der Briten und Amerikaner.

„[So hatte] bis zum Frühjahr 1945 [.] die

Elbmetropole über 200 Luftangriffe erlebt,

die verheerendsten vom 25. Juli bis 3. August

1943, als britische und amerikanische Bomber

weite Teile Hamburgs in Schutt und

Asche legten. 34 000 Menschen waren nach

vorsichtiger Schätzung in dem

<<Feuersturm>> ums Leben gekommen; Zehntausende

hatten die Stadt fluchtartig verlassen.

Anfang 1945 lebten noch rund 1 Millionen

Menschen in Hamburg viele in Kellern

und Notunterkünften. Die Stimmung hatte

ihren Tiefpunkt erreicht.“ 14 Nachdem Gauleiter

Karl Kaufmann, der einflussreichste

Mann ganz Hamburgs, sich die Unterstützung

Generalmajor Alwin Wolz, Kampfkommandant

Hamburgs, zugesichert hatte,

besuchte er Hitler ein letztes Mal in Berlin

am 03. April. Dieser Besuch hatte ihm die

Augen geöffnet, Hitler hatte „offensichtlich

de Bezug zur Realität verloren“ 15 und bestärkte

Kaufmann in seiner Entscheidung,

„Hamburg kampflos den Briten zu übergeben.“

16

Am 20. April war eine von Montgomerys

Truppen, unter Generalmajor Lewis O. Lyne,

bereits vor dem „südlichen Stadtrand

Hamburgs vorgerückt.“ 17 Mathilde Wolff-

Mönckeberg schrieb ihre Empfindungen in

einem Brief nieder: „Von diesen letzten Tagen

könnt ihr Euch kaum eine Vorstellung

machen! Immer das näherkommende Unheil

vor sich, eine dauernde Spannung und Erregung,

zum Radio laufen, um jede neue Nachricht

aufzufangen unter tausenden herumschwirrenden

Gerüchten, Voralarme, Alarme

in steter Abwechslung von morgens bis in

die Nacht hinein.“ 18

Nachdem Wolz am 30. April „einen Brief des

Divisionskommandeurs, Generalmajor Lyne,

[überreicht worden war], […] in dem [Lyne]

<<im Namen der Menschlichkeit>> zur Übergabe

Hamburgs aufgefordert und gebeten

worden“ 19 , beriet er sich mit Kaufmann.

Dieser schrieb ein Fernschreiben nach

Flensburg, mit Andeutungen seiner Absichten,

der Übergabe Hamburgs, bekam aber

nur eine Abfuhr von Dönitz. Gab jedoch seine

Zustimmung nachdem, Montgomerys

Truppen bis Lübeck vorgestoßen waren und

dabei die Elbe-Stellung durchbrochen hatten.

„In den Abendstunden wandte sich Karl

Kaufmann über den Rundfunk an die Bevölkerung

und teilte mit, Hamburg sei zur

<<offenen Stadt>> erklärt: <<Wenn morgen der

Feind Hamburg besetzt, ist dies die schwerste

Stunde meines Lebens. Für diese Stunde

fordere ich von Euch Würde und Disziplin.“

20

Gegen 21:00 Uhr des 02. Mais begaben sich

Wolz und Major Andrea und weitere in

Richtung der Front, von dort aus wurden sie

von Brigadegeneral John M. K. Spurling

zum Gefechtsstand von Generalmajor Lyne

gebracht. Dort wurde ein Ausgehverbot für

die Bevölkerung erlassen, um Minen und

Sprengladungen von der Elbbrücke zu entfernen.

Unterschrieben wurde die Kapitulationsurkunde

aber erst gegen Mittag des 03.

Mais.

U

m 16:00 Uhr begann dann der Einmarsch

der britischen Truppen. Gegen

18:25 Uhr empfing Wolz Spurling

und dessen Stab „vor dem Rathausportal

und übergab ihnen die Stadt“ 21 „Erst am Tag

danach bemerkten die meisten Hamburger

die Anwesenheit der neuen Herren.

<<Englische Soldaten wimmeln plötzlich hervor

und krabbeln wie Ameisen durch die

Straßen>>, beobachtete Mathilde Wolff-

Mönckeberg“ 22 . Kaufmann wurde kurz danach

festgenommen, musste

34


sich aber nie für seine Verbrechen verantwortlich

machen.

Zur selben Zeit, als Generalmajor

Wolz in Häcklingen in Lüneburg

mit seiner Unterschrift die Kapitulation

Hamburgs besiegelte, kam es in der

Lübecker Bucht zu einer der größten

Schiffskatastrophen des Zweiten Weltkrieges,

bei der Tausende von KZ-Häftlingen

buchstäblich in letzter Minute noch ihr Leben

verloren. Die Tragödie hat den Namen:

<<Cap Arcona>>.“ 23 Das Schiff „Cap Arcona“

lag seitdem sie sich bei ihrer letzten Fahrt

einen Maschinenschaden holte, manövrierunfähig

in der Lübecker Bucht. Daneben lagen

noch die beiden Frachtschiffe „Athen“

und „Thielbek“.

Da die „heranrückenden britischen Truppen

nicht Zeugen der Verbrechen [werden sollten],

die sich unmittelbar vor den Toren

Hamburgs [, im KZ Hamburg-

Neuengamme,] abgespielt hatten. […] schlug

Kaufmann vor, [die Häftlinge] auf Schiffe

[n] unterzubringen.“ 24 Auf die Schiffe wurden

über 9 000 Häftlinge verladen. „<<Es gab

kaum etwas zu essen und zu trinken>>, erinnerte

sich einer der Überlebenden, Rudi

Goguel. <<Überall lagen die entkräfteten Gefangenen

herum. Auf dem Deck begannen

sich die Toten zu stapeln, denn täglich wurden

fünfzig bis dreißig Tote gezählt. Gegen

Ende stieg die Todeskurve steil an. […] Niemand

leert die schweren Kotzkübel, so dass

sich ein fürchterlicher Gestank über dem

Schiff ausbreitete.>> “ 25

Den alliierten Aufklärungsfliegen fielen diese

Gruppierung von Schiffen natürlich auf

und befürchteten das Schlimmste. Sie entschieden

sich dazu die Flotte zu zerstören.

Die Warnung des Roten Kreuzes, über die

KZ-Insassen in den Schiffen kam zu spät.

Gegen 14:30 griffen britische Bomber die

Schiffe an. „An Bord spielten sich entsetzliche

Szenen ab.“ 26

Die „Cap Arcona“

35


Erwin Geschonneck, ein Überlebender, erinnerte

sich: „Ein Krachen und gleich darauf

ein Splittern. Mittschiffs sind mehrere Bomben

gefallen. Ich stürzte auf den Gang hinaus,

die Schiffsgänge sind voller Rauch, Verwundete

schreien, die verstörten Gefangenen

renne zu den Treppen, Panik. An den Aufgängen

drängen sich, aus allen Richtungen

kommend, vor Angst halb wahnsinnig Menschen

zusammen, wollen zum Oberdeck. Einige

werden zu Boden gerissen und von

Nachkommenden zertreten.“ 27 Es starben

rund 6 600 Häftlingen, durch Verbrennung,

Ertrinken oder wurden erschossen. „Noch

Wochen später wurden an den Stränden der

Lübecker Bucht Leichen angeschwemmt.“ 28

A

ber dies war nicht die einzige Tragödie,

die sich unteranderem an diesem

Tag abspielte.

„<<Überhaupt fangen wir langsam an, den

Schädigungsbetrieb humoristisch zu nehmen,

galgenhumoristisch.>> Als eine Berlinerin,

Junge Frau muss von Helfern

gestützt werden, sie wurde kurz

zuvor vergewaltigt.

36

Anfang dreißig am 3. Mai diese Beobachtung

ihrem Tagebuch anvertraute, hatte der

<<Schädigungsbetrieb>> - die massenhafte

Vergewaltigung von Frauen nach dem Einmarsch

der Roten Armee – ihren Höhepunkt

überschritten. Und die Verfasserin, die selbst

mehrfach vergewaltigt worden war, war das

Unaussprechliche sagbar geworden: << Was

ist Schädigung? Als ich das Wort zum ersten

Mal aussprach (…), lief es mir eisig den Rücken

herunter. Jetzt kann ich schon denken,

schon hinschreiben mit kalter Hand, ich

spreche es vor mich hin, um mich an den

Laut zu gewöhnen. Es klingt wie das Letzte

und Äußerste, ist es aber nicht?“ 29

Schätzungen gehen von rund 2 Millionen

Vergewaltigungen von Frauen und jungen

Mädchen. Dabei wurden „in zahlreichen Fällen

[die Frauen] mehrfach hintereinander,

häufig vor den Augen von Ehemännern,

Kindern und Nachbarn“ 30 vergewaltigt.

Von den Männern war keine Hilfe zu erwarten.

Sie versteckte sich vor Feigheit hinter

den Frauen. Die Frauen versuchten ihr

Möglichstes zur Vermeidung der Vergewaltigungen:

sie versteckten sich auf Dachböden,

zogen schmuddelige Kleidung an,

täuschten ansteckende Krankheiten vor oder

aber suchten sich einen russischen Beschützer.

Das Motiv der russischen Soldaten war

meistens Hass, Wut, Rache oder zur Demütigung

der Deutschen. Meist unter Alkoholeifluss.

Aber auch die alliierte Armee

war diesbezüglich nicht unschuldig, zwar

nicht in diesem grauenhaften Ausmaß, in

Stuttgart fielen zahlreiche Frauen den alliierten

Soldaten zum Opfer. Am Ende wurde

alles totgeschwiegen, vor allem in der DDR.

Erst ab der Jahrtausendwenden war man

bereit sich das Leid der Frauen anzuhören

und zu beurteilen.


37


04. Mai 1945

Unterzeichnung der Teilkapitulation von Nordwestdeutschland,

weitere Teilkapitulationen

von Heeresgruppen und Armeen, Besetzung

des Obersalzberges, Wiederernennung von

Konrad Adenauer, Alltag in Trümmern, Rheinwiesenlagern

38


39

Der Alltag in

den Trümmern

Deutschlands

war ein totales

Chaos, die

Menschen

kämpfen jeden

Tag ums Überleben


09:00 Uhr, die entscheidende Besprechung

in Flensburg begann. Generaladmiral

von Friedeburg war in der

Nacht des vorigen Tages zurückgekehrt und

hatte über die Verhandlungen mit Montgomery

berichtet. Anwesende der Besprechung

waren Dönitz selber, Schwerin von

Krosigk, Keitel und Jodl. Den Bedingungen

Montgomerys wurden zugestimmt und zusätzlich

über eine „Einbeziehung der Niederlande

und Dänemarks in die Kapitulation“ 1

gesprochen, da sich die dortigen Truppen

nicht mehr lange halten ließen. Danach

folgte eine lange Diskussion über die

„Forderung nach unversehrter Auslieferung

allen Kriegsgerätes.“ 2 Keitel und Jodl waren

gegen diese Forderung, jedoch wies von Friedeburg

darauf hin, dass sie damit „gegen den

Geist der Kapitulationsvereinbarung verstoßen

und Montgomery das Recht geben, die

ganze Vereinbarung zu annullieren und Repressalien

[(Vergeltungsmaßnahmen)] zu ergreifen.“

3 Dönitz stimmte dem ebenfalls zu

und befahl darauf, alle Waffen dem Feind

unbeschadet zu übergeben.

Das Ergebnis der Besprechung lautete: „<<Der

Großadmiral genehmigt

die Unterzeichnung

der Bedingungen

in der

Annahme ehrenhafter

Behandlung

der Kriegsgefangenen

und eines würdigen

Modus der

Übergabe.>>Gleichzeitig

erhielt

von Friedeburg

den Auftrag,

sich nach Abschluss

des Abkommens mit

Montgomery in das

Hauptquartier von General Eisenhower nach

Reims zu begeben <<mit dem Ziel einer weiteren

Teilkapitulation nach Westen.“ 4

Währenddessen hatte Montgomery bereits

alles zur Unterzeichnung vorbereiten lassen,

da er sich sicher war, „dass die Deutschen seine

Forderungen annehmen würden“ 5 . Deswegen

gab er gegen 17:00 Uhr eine Pressekonferenz

und lud die anwesenden Journalisten

zur Unterzeichnung ein. Gegen 18:00 Uhr

trafen auch die deutschen Abgesandten ein,

diesmal war von Friedeburg auch berechtigt

zur Unterzeichnung. Um 18:30 Uhr war der

feierliche Akt bereits zu Ende. Ein folgender

Bericht der Wehrmacht meldete: „Die Waffenruhe

wurde nach fast sechsjährigen, ehrenvollen

Kämpfen auf Befehl des Großadmirals

Dönitz vereinbart, da der Krieg gegen

die Westmächte seinen Sinn verloren hat und

nur zum Verlust kostbaren deutschen Blutes

(…) führt. Der Widerstand gegen die Sowjets

aber wird fortgesetzt, um möglichst viele

deutsche Menschen vor dem bolschewistischen

Terror bewahren.“ 6 Dieser Bericht

spiegelt das Ziel der „Regierung Dönitz“ wider,

dass der Kampf gegen den Osten unbedingt

weiter fortgesetzt werden musste. Deswegen

hat der Krieg noch nach Hitlers Tod

angedauert und die deutschen Menschen weitergekämpft.

Unterzeichnung der

Teilkapitulation

40


D

ie Folgen der Teilkapitulation von

Nordwestdeutschland waren neben

Freudenbekundungen in den Niederlanden

und Dänemark auch weitere versuchte

Teilkapitulationen von Heeresgruppen,

wie in Italien. Aber „nicht nur ganze Heeresgruppen,

sondern auch einzelne Armeen oder

Divisionen versuchten, sich hinter die amerikanischen

und britischen Linien zu retten,

um nicht in russische Kriegsgefangenschaft

zu geraten.“ 7 „<<Die durcheinander gewürfelten

Haufen warteten in gemeinsamer und

fast abergläubischer Furcht vor den näherkommenden

Sowjets>>, berichtet der Chronist

der 102. amerikanischen Infanteriedivision.

<<Sie drängten zum Fluss, bettelten um die

Erlaubnis zum Übersetzen und stürzten sich

oft auf jeden Gegenstand, der schwamm, ins

Wasser […]. Ein AP-Korrespondent, der sich

bei der 102. Infanteriedivision aufhielt, beobachtete:

<< SS-Panzerleute – einst Deutschlands

Elite – paddeln auf behelfsmäßigen

Flößen. […] Der Schwarm der Soldaten, der

sich an den Ostufern zu Zehntausenden zusammenklumpt,

ist schlimmer als eine geschlagene

Armee.“ 8

I

n

den „Rheinwiesenlagern“, den provisorischen

Kriegsgefangenenlagern der

Amerikaner, auf 300 Kilometer Strecke,

Rheinwiesenlager

41

am Rhein, wurden insgesamt 20 Lager errichtet,

waren 3,4 Millionen deutsche Häftlinge

untergebracht. Die Lager selbst meist

nur offenen Ackerflächen umzäunt mit Stacheldraht.

In einem einzelnen Lager hauste

jeweils rund fünf- bis zehntausend Gefangene.

Die „Unterernährung, [die] mangelnde

Hygiene und [die] unzulängliche medizinische

Betreuung [der Gefangenen] führten zu

einer rapiden Ausbreitung von Krankheiten

[in den Lagern].“ 19 Die Lager wurden jedoch

bereits Ende Juli 1945 aufgelöst und die Gefangenen

Frankreich als Arbeiter zum Wiederaufbau

übergeben. Schätzungsweise starben

8 000 bis 40 000 Deutsche in den Lagern.

Jedoch sind die „Rheinwiesenlager“ nicht zu

vergleichen mit der Anzahl der deutschen

Toten in den sowjetischen Kriegsgefangenenlagern.

„Und schon gar nicht lässt sich das

Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in

den Rheinwiesenlagern mit dem der sowjetischen

Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam

vergleichen. Bis Kriegsende starben

von den 5,2 Millionen Rotarmisten, die in

die Hände der Wehrmacht gefallen waren,

über 3 Millionen; die meisten hatte man absichtlich

verhungern

lassen.

Zu Recht

spricht der

Historiker

Ulbrich Herbert

von dem

<<neben dem

Judenmord

größten und

schrecklichsten

Verbrechen

der

Deutschen

während des

Zweiten Weltkrieges.“

20


E

benfalls am Morgen dieses Tags,

wurde den Amerikanern Berchtesgaden

kampflos übergeben. Das eigentliche

Ziel der Amerikaner war aber, nicht

die Stadt, sondern der Obersalzberg, auf

dem Hitlers privates Domizil lag. Der

Berghof. Am Nachmittag erreichten sie

endlich, gleichzeitig mit einer französischen

Panzerdivision, den Berghof.

In den Anfängen des „Dritten Reiches“ hatte

Martin Bormann den Berghof, das Gebiet

komplett, auf die Bedürfnisse und Empfindungen

des „Führers“, umbauen lassen.

Das Gebiet wurde schwer abgeriegelt und

zum „Führerspeergebiet“ erklärt, wegen den

vielen Hitler-Anhänger, die dort hin pilgerten.

Der ausgebaute Berghof diente Hitler

selber einmal als privates Refugium für sein

Privatleben, wurde aber immer mehr während

des Krieges zur zweiten Regierungszentrale

und ließ den Obersalzberg aufrüsten, sowie

Luftschutzvorrichtungen, ein 130 Meter

langer Stollen, bauen. Um ihn herum hatte

er „eine verschworene Gemeinschaft

[gesammelt], die ihm als eine Art Ersatzfamilie

diente.“ 9

Am 25. April bombardierte die Royal Air

Force den Obersalzberg, damit Hitler keinen

Rückzugsort mehr hatte. Die amerikanische

Reporterin Lee Miller, welche die Alliierten

seit „der Invasion in der Normandie im Juli

1944 bis zum Ende des <<Dritten Reiches>>“ 10

begleitete, berichtete ihre Eindrücke nach

dem Bombenangriff für die Zeitschrift

„Vogue“: „Obwohl das Gebiet schwer bombardiert

worden war, Häuser wie die Schalen

hartgekochter Eier zerdrückt wurden und

der Talhang von Kratern übersät war, stand

Hitlers Haus immer noch, das Dach leicht

schief, während das Feuer, das die SS als

letzten Salut gelegt hatte, aus den Fenstern

schlug. Ich kroch über die von Bomben aufgeworfenen

Hügelmast, an dem das letzte Nazibanner

über der Redoute gehangen hatte.

42

Adolf Hitler und

Eva Braun auf

dem Berghof

Die abziehenden SS hatte das Hakenkreuz

aus der Mitte gerissen, das rote Tuch aber zurückgelassen.“

11 Die dort ansässigen Menschen

und die GIs begannen kurz danach mit

den Raubzügen, um Nahrung, Kleidung oder

aber auch Souvenirs mit gehen zu lassen.

Klaus Mann berichtet davon: „Zwei Tage

lang war der <Berghof> von unseren Soldaten

– GIs und Poilus – systematisch geplündert

worden, es muss eine Raub- und Siegesorgie

großartig-wüsten Stils gewesen sein […] Nach

den Bomben, die hier schon früher grässlich

aufgeräumt, hatten die Plünderer gewissenhaft

gewütet.

Geborstene

Mauern

und

verkohlte

Balken,

tiefe

Trichter

voller

Schutt und

Asche, zerbrochenes

Mobiliar,

Scherben

und

Dreck, ein

Trümmerhaufen.

Sonst ist

nichts

mehr da.“

12


Z

udem wurde an diesem Tag Konrad

Adenauer, der auf „den <<weißen Listen>>,

auf denen die Amerikaner diejenigen

Deutschen verzeichnet hatten, die

sich zwischen 1933 und 1945 nicht kompromittiert

hatten und für leitende Verwaltungsfunktionen

in Frage kamen“ 13 , wieder

in sein damaliges Amt vom Oberbürgermeister

von Köln erhoben. Später sollte er am 15.

September 1949 „zum ersten Bundeskanzler

der Bundesrepublik Deutschland gewählt

werden.“ 14

D

as

Leben zu diesem Zeitpunkt, in den

Trümmern Deutschlands, war hart.

Jeder war sich selbst der Nächste,

mussten jeden Tag aufs Neue darum kämpfen,

irgendwie zu überleben. Am schlimmsten

war es in den Großstädten. Dort gab es

kaum Lebensmittel, kein Wasser, kein Strom

und kein Gas. Auch die Anzahl an zuverlässigen

Informationen war rah, es gab nur Gerüchte

und die meisten Menschen waren im

Unklaren was sich in den letzten Tagen des

Krieges

alles abspielte.

Konrad Adenauer

„<<Die

Straßen

sind mit

Wracks

von abgebrannten

Autos, Panzern, Motorrädern,

Geschützen und dergleichen übersäht (…)>>,

bemerkte der dänische Journalist Jacob Kronika

am 04.Mai 1945. << Bis jetzt hat man

selbstverständlich noch keine Zeit gefunden,

alle Leichen und Kadaver zu beerdigen. Man

ist aber damit in vollem Gange. Um die russischen

Gefallenen kümmern sich die Russen

selber. Die Deutschen müssen ihre eigenen

Toten begraben.>>“ 15 Die Ausräumungsarbeiten

fingen ebenfalls an diesem Tag an.

„<<Wir arbeiten wie Kulis. Feuer machen,

Holz sammeln, Holz hacken, Schutt fegen.

Und aufräumen, unentwegt aufräumen>>, beschrieb

Ruth Andreas-Friedrich“ 16 ihre Arbeit.

Außerdem waren alle öffentlichen Verkehrsmittel

außer Betrieb, so mussten die

Menschen alle Strecken zu Fuß zurücklegen.

„Wie oft und in wie vielen Bildern hat man

sich das Ende des Nationalsozialismus ausgemalt,

und nun sitzt man da, abgeschnitten

von jeder Möglichkeit, aus der Welt zu erfahren,

kein Radio, keine Zeitung – nichts“

17 , schrieb der Schriftsteller Erik Reger bereits

am 02. Mai nieder. „<<Die Eigentumsbegriffe

sind völlig zerrüttet>>, stellte Marta

Hillers fest. <<Jeder bestielt jeden, weil jeder

bestohlen wurde und jeder alles brauchen

kann.>>“ 18

Amerikanischer Soldat vor

bombardiertem Berghof

43


44

Alltag in den Trüm


mern Deutschlands

45


05. Mai 1945

Die Bildung der „Geschäftsführenden Reichsregierung“,

Aufstand in Prag, Ausruf Eisenhowers

an die „Displaced Persons“(DP´s),

Schicksal der DP´s

46


47

Das Leben am Ende

des Krieges

ist chaotisch, vor

allem für die Menschen

die von den

Wehrmachtsoldaten

ins „Dritte

Reich“ verschleppt

worden

waren, aus anderen

Ländern


D

er wichtigste Tagesordnungspunkt für

Dönitz und seiner engsten Mitarbeiter

war, an diesem Tag die

„Besprechung über die Regierungsbildung

und Kabinett.“ 1 Das Flüchtlingsleiden müsste

gelindert, die Lebendmittelversorgung der

deutschen Bevölkerung sichergestellt und die

Wirtschaft wieder aufgebaut werden. Alle

eingesetzten Minister der bestimmten Gebiete,

wurden nur durch ihre fachliche Qualifikation

ausgesucht und nicht durch Empathie

gegenüber Dönitz, um die beste Wahl für das

„Dritte Reich“ und dessen Zukunft zu sein.

So wurde die „Geschäftsführende Reichsregierung“

geschaffen, unter der Leitung

Schwerin von Krosigk als „Leitender Minister“,

gleichzustellen mit dem Reichskanzler.

Jedoch wurde er dies nur inoffiziell, offiziell

wurde er „lediglich mit der <<Führung der

Geschäfte>> beauftragt.“ 2 Daneben übernahm

er auch wieder das Amt des Reichsfinanzminister.

Ihm zur Seite wurden zwei Staatssekretäre

gestellt.

Wilhelm Struckart wurde Reichsinnen- und

Reichskulturminister. Er war „maßgeblich

an der Formulierung der Nürnberger Gesetze

1935 und den sich daran anschließende Verordnung

beteiligt gewesen.“ 3 Zudem war er

anwesend bei der Konferenz zur „Endlösung

der Judenfrage“ und hat mit über das Schicksal

der Juden entschieden.

Herbert Backe wurde „mit der Führung der

Geschäfte des Reichsministers für Ernährung,

Landwirtschaft und Forst betraut.“ 4 Er

war einer der Hauptverantwortlichen des

„Hungerplans“ und war somit für fast 30 Millionen

sowjetischer Bürger verantwortlich.

48

Julius Heinrich Dorpmüller wurde Reichsverkehrs-

und Reichspostminister. Er war

Mitverantwortlicher „für die Transporte der

Juden aus ganz Europa in die Vernichtungslager“

5 .

Franz Seldte wurde Reichsarbeiterminister

und Sozialminister. Er war ein Strippenzieher

im Intrigenspiel, welches zur

„Ernennung Hitlers zum Reichkanzler“ 6

1933 führte. Zudem war er unteranderem verantwortlich

für die Rekrutierung von

Zwangsarbeitern und deren Einsetzung in der

Wirtschaft des NS-Regimes.

Albert Speer, Hitlers früherer Favorit, wurde

Reichswirtschaft- und Produktionsminister.

Jedoch war Otto Ohlendorf der eigentliche

Leiter der Reichswirtschaft. Er war 1941

Einsatzleiter des „Unternehmen Barbarossa“

und war somit für die Ermordung an über 90

000 sowjetischen Bürger verantwortlich.

Nach seiner Amtserhebung ließ er das

„Nachrichtenbüro“ einrichten. Dort wurden

alle Nachrichten, die im Inland und Ausland,

von Deutschland zensiert.

Damit war die „Regierung Dönitz“ geschaffen

und durch diese war es möglich, dass der

Krieg noch weitere Tage andauern konnte.

I

n den Morgenstunden dieses Tages weigerte

sich der Sprecher des tschechischen

Rundfunks sein Programm zweisprachig,

deutsch und tschechisch, auszustrahlen. Dies

war der Beginn des Prager Aufstandes und

die Menschen strömten elektrisiert auf die

Straßen. Damit wurde das Ende des Protektorates

Böhmen und Mähren eingeleitet.

Der Widerstand in Prag wuchs bereits seit

dem Sommer 1944, „als sich die militärische

Niederlage Hitler-Deutschland abzuzeichnen

begann“ 7 , an. Staatsminister Karl Hermann

Frank „reagierte darauf mit verschärften Repressionen“

8 zur Abschreckung. Am 30. April

wandte er sich an die tschechischen Bürger

durch den Rundfunk: „Durch Fernsender

und Flugblätter werde das tschechische Volk

<<mit allen Mitteln der Verführungskunst>>

dazu angestachelt, <<dem kämpfenden Reich

in den Rücken fallen>>. Eine Befolgung


Wilhelm Stuckart

Herbert Backe

Dönitz

Otto Ohlendorf

Julius Dorpmüller

Albert Speer

49

Franz Seldte

Schwerin von Kosigk


dieser Parolen würde zu Chaos und Bürgerkrieg

führen.“ 9 Dennoch wusste Frank, „dass

das Protektorat <<am Vorabend der Revolution>>

stünde und <<weder militärisch noch politisch

zu halten>> sei.“ 10

Es begannen zur Mittagszeit heftige Kämpfe

in den Straßen Prags. Gegen 18:00 Uhr hatten

sie aber bereits den Rundfunk eingenommen

und der „Tschechische Nationalrat“, eine

Zusammenschließung mehrerer Widerstandsgruppen,

wandte sich an die Bevölkerung:

„Mit dem heutigen Tag übernehme der

Nationalrat als <<Repräsentant der Revolutionsbewegung

des tschechischen Volkes>> die

Regierung der Tschechoslowakischen Republik;

das Protektorat habe aufgehört zu existieren.

Um 23:00 Uhr wurden die Prager aufgerufen

überall in der Stadt Barrikaden zu

bauen, um den erwarteten Gegenangriff deutscher

Truppen abzuwehren. Der Aufruf fand

eine überwältigende Resonanz. Als der Morgen

des 06. Mai dämmerte, waren in den von

Aufständischen kontrollierten Stadtteilen

rund 1600 Barrikaden errichtet worden.“ 11

Am nächsten Tag begannen die Kampftrupps

der SS gegen die Aufständischen erbarmungslos

vorzugehen. Die Kämpfe wurden

heftiger und die Lage der Aufständischen

wurde immer kritischer. Ihre Hoffnung

richtete sich an die amerikanischen Trupps,

die nur etwa 100 Kilometer entfernt waren.

Jedoch wussten sie nicht, dass General Eisenhower

eine Demarkationslinie mit der sowjetischen

Führung vereinbart hatte und diese

verlief „etwa 70 Kilometer vor der tschechischen

Hauptstadt" 12 Wurden dann aber

überraschender Weise durch die so genannte

Wlassow-Armee, eine Truppe aus insgesamt

20 000 sowjetischer Freiwilligen die auf der

Seite der Deutschen kämpften, unterstützt.

Dies war dem Nationalrat aber suspekt und

sie sahen die Wlassow-Armee als Verräter

der Sowjetunion an. Nach dieser Äußerung

zog sich die Armee wieder zurück.

Noch bis zum 08. Mai dauerten die Kämpfe

an, bis schließlich am Nachmittag über einen

Waffenstilstad verhandelt worden war

und kurz darauf in Kraft trat. Ein Tag später

erreichte die Rote Armee Prag und wurde

mit offenen Armen empfangen.

A

n diesem Tag wandte sie General Eisenhower

ebenfalls an die „Displaced

Persons“ (DP), „alle <<Zivilpersonen>>

zusammengefasste, <<die sich aus Kriegsfolgegründen

außerhalb ihres Staates befinden,

die zwar zurückkehren oder die neue Heimat

finden wollen, dies aber ohne Hilfestellung

Aufständische in Prag

50


sich unmittelbar nach ihrer Befreiung zu beträchtlichen

Plünderungen hinreisen“ 15 .

„Mitte April 1945 hatten die die Alliierten

das Ziel gesetzt, die DPs nach ihrer Befreiung

zu versorgen und danach so schnell wie

möglich in ihre Herkunftsländer zu

<<repatriieren>>.“ 16 Zudem hatten sich bereits

Zwangsarbeiter dazu entschlossen auf eigene

Faust wieder zurück in ihre Heimat zu reisen.

Deswegen hatte sich Eisenhower eigentlich

an die DPs gewandt, um die chaotischen

Gruppe von DP´s

nicht zu leisten vermögen>>“ 13 mit den Worten:

„Verlassen Sie nicht den Bezirk, in dem

Sie sich befinden. Warten Sie auf Anordnungen.

Bilden Sie kleine Gruppen Ihrer eigenen

Nationalität und wählen Sie Sprecher,

die für Sie mit den alliierten Dienststellen

verhandeln.“ 14 Betroffen waren davon 11

Millionen Menschen in Deutschland. Davon

waren wiederum 7,6 Millionen Arbeitskräfte,

sie waren alle durch die deutsche Bevölkerung

schweren Diskriminierungen ausgesetzt,

am meisten waren davon die Zwangsarbeiter

aus dem Osten betroffen. Sie wurden

häufig misshandelt und zum Ende des Kriegs

stieg deren Anzahl weiter rasant an.

Durch den Einmarsch der Alliierten, wurden

die DPs befreit. Danach kam es zu zahlreichen

Vergeltungsaktionen und Plünderungen

der Zwangsarbeiter gegenüber gezielt ausgewählten

Personen, die leitende Rollen gespielt

hatten. Die amerikanische Journalistin

Marguerite Higgins berichtete davon:

„Die (ausländischen) Arbeiter, die in den

letzten Jahren von den Deutschen ausgehungert

und geschlagen worden waren, ließen

und eigenmächtigen Wanderungen einzudämmen.

D

eswegen wurden die „Assembly Centers“

geschaffen, dort wurden die DPs

untergebracht. Es waren meist

„ehemalige Kasernen, Kriegsgefangenen- und

Zwangsarbeiterlager“ 17 oder Wohnhäuser.

Dort wurden den DPs genügend Verpflegung

zur Verfügung gestellt und deren gesundheitliche

Situation verbessert. Die Repatriierungen

verliefen auch recht erfolgreich, so wurden

täglich zwischen Mai und September 33

000 Menschen in ihre Heimat zurückgebracht.

Im Herbst waren nur

51


noch 1,2 Millionen DPs in Deutschland.

52

Jedoch weigerten sich auch viele aus Angst

vor den Folgen ihrer Rückkehr in die Heimat

gegen die Repatriierungen. Die meisten

waren Menschen aus dem Osten, sie waren in

den Augen der Sowjetunion Verräter, da sie

sich teilweise freiwillig den Deutschen angeschlossen

haben, wie die Wlasso-Armee oder

aber hatten als Zwangsarbeiter im Rüstungsbetrieb

der NS gearbeitet. Sie kamen nach

ihrer Rückkehr zunächst in „Filtrierlager“,

dort wurden sie intensiv überprüft. Waren

sie schuldig, kamen sie in Arbeitsbataillionen

oder Straflager. Oder wurden von der Gesellschaft

aus geschlossen, auch wenn sie unschuldig

waren. Um dies zum Verhindern,

flehten sie die Alliierten an nicht zurückgeschickt

zu werden oder brachten sich als letzten

Ausweg aus Verzweiflung um. „Es waren

nicht mehr Menschen in den Baracken, als

wir hineinkamen, es waren Tiere. Die GIs

schnitten die meisten rasch los, die sich an

den Deckenbalken erhängt hatten. Die, die

noch bei Bewusstsein waren, schrien uns auf

Russisch an, deuteten dabei erst auf die

Schusswaffen der Soldaten dann auf sich

selbst, und baten uns flehentlich, sie zu erschießen“

18 , berichtet ein amerikanischer

Soldat.

U

nter den DPs befanden sich auch jüdische

Überlebende der Konzentrationslager.

Dabei fehlte zunächst der

alliierten Militärverwaltung das Verständnis

gegenüber den traumatisierten Häftlingen.

Für sie schien sich nicht etwas verändert zu

haben, sie waren ebenfalls in den überfüllten

Lagern eingepfercht. Erst nachdem der Earl

G. Harrison die Lager inspizierte, veränderte

sich die Lage für die jüdischen Überlebenden.

„In seinem Abschlussbericht an Präsident

Harry S. Truman […] [schrieb er]: „Wir

scheinen die Juden wie die Nazis zu behandeln,

mit der Ausnahme, dass wir sie nicht

vernichten. Sie sind in

großer Zahl in Konzentrationslagern

untergebracht

und werden anstelle

der SS-Trupps von

unseren Militärs bewacht.

Man muss sich die

Frage stellen, ob die

Deutschen, wenn sie dies

beobachten, nicht vermuten,

dass wir die NS-

Politik fortsetzen oder

sie jedenfalls gutheißen.“

19

Daraufhin wurden umgehend

„rein[e] jüdische

Lager eingerichtet, die

unter jüdischer Selbstverwaltung

gestellt wurden“

20 Jedoch führte

diese „Aufmerksamkeit“ zu einem Anstieg des

Antisemitismus innerhalb der deutschen Bevölkerung.

Während des Jahres 1946 suchten immer

mehr jüdische DPs Zuflucht in den alliierten

Besatzungsgebieten. „<<Damit war es>> - so die

Historikerinnen Angelika Königseder und

Juliane Wetzel - <<zu der paradoxen Situation

gekommen, dass der Verursacher der jüdischen

Tragödie, nämlich das nationalsozialistische

Deutschland, nur kurze Zeit nach

Kriegsende zum größten und sichersten Zufluchtsort

für jüdische Flüchtlinge wurde,

die hier in den DP-Lagern auf ihre Ausreise

warteten.>>“ 21 Viel Überlebende träumten von

Auswanderungen, viele wanderten in die

Vereinigten Staaten aus oder in das seit 1946

neu unabhängige Israel. So wurde schließlich

1957 das letzte jüdische DP-Lager geschlossen.


Krankenlager

Gruppe polnischer DP´s

53

Ausreise nach Israel


06. Mai 1945

Die Verhandlungen von Friedeburgs und Jodls in

Reims, Entlassung Heinrich Himmlers, Todesmärsche

am Ende des „Dritten Reiches“, Kapitulation

der Festung Breslau, Wiedergründung der SPD

54


55

Je näher wir dem Ende

des „Dritten Reiches“

kommen desto

chaotischer werden

die Handlungen der

Soldaten, da sie selber

keine wirklichen

Befehle mehr bekommen

und verunsichert.

Deswegen kommt es

zu willkürlichen Exekutionen

zum Beispiel


G

egen 9:00 Uhr morgens traf General

Eberhard Kinzel, Mitglied von Generaladmiral

von Friedeburgs Delegation,

in Flensburg ein von den Verhandlungen

mit Eisenhower. Er sollte sich „nach Abschluss

der Verhandlungen mit Montgomery

in das alliierte Hauptquartier nach Reims

[..] begeben, um hier Teilkapitulationen gegenüber

den amerikanischen Streitkräften zu

vereinbaren.“

Jedoch war Eisenhower bereits über den geplanten

Besucht der deutschen Abgesandten

in Kenntnis. Ihm war von vorne rein klar,

dass er keine weiteren Teilkapitulationen zulassen

konnte, damit es nicht wieder zu einer

Vertrauens-Krise mit der sowjetischen Führung,

wie bei der Kapitulation der Heeresgruppe

C in Italien, kam. Deswegen nahm er

umgehend, nach seiner Kenntnisnahme,

Kontakt mit der Sowjetunion auf, um von

dem geplanten Besuch zu berichten und versprach

gleichzeitig nur einer Gesamtkapitulation

zuzustimmen. Er bat um einen Vertreter

der Sowjetunion, um bei den Verhandlungen

beizuwohnen. Daraufhin wurde General

Iwan Alexejewitsch Susloparow geschickt.

Da Eisenhower an den Verhandlungen persönlich

nicht teilnahm, wegen seiner unüberwindbaren

und wachsenden Antipathie gegenüber

den Deutschen im Allgemeinen, vertraten

ihn General Walter Bedell Smith und

der britische General Kenneth W. D. Strong.

General von Friedeburg mit seiner Delegation,

traf bereits am 05. Mai in Reims ein. Die

Amerikaner waren auf sein Eintreffen vorbereitet.

Bedell Smith hatte eine Karte ausgebreitet

mit den Positionen der deutschen

und amerikanischen Truppen, um die Hoffnungslosigkeit

der deutschen Lage von Friedeburg

zu veranschaulichen. Bedell Smith

forderte sofort, von Anfang an eine „sofortige

bedingungslose Kapitulation“ 2 . Von

Alfred Jodl

General von Friedeburg

56

General Bedell Smith


Friedeburg erklärte darauf, „dass er für eine

Annahme der Gesamtkapitulation an allen

Fronten keine Vollmacht besitze. Er müsse

sich daher mit Dönitz in Verbindung setzen

und neue Direktiven [(Befehle)] erbitten.“ 3

Als Kinzel von den Geschehnissen beichtete,

löste dies Empörung in Flensburg aus. Deswegen

wollte man versuchen „Eisenhower

rückhaltlos offen klarzumachen, weshalb eine

Gesamtkapitulation unmöglich ist, eine

Kapitulation nur nach Westen aber sofort

angenommen werden würde.“ 4 Deswegen

wurde Jodl ebenfalls nach Reims geschickt,

er war einer der größten Gegner von der Idee

einer Gesamtkapitulation, mit der folgenden

Anweisung:

„Versuchen Sie nochmals die Gründe zu erklären,

warum wir eine Teilkapitulation den

amerikanischen Streitkräften gegenüber anstreben.

Scheitern Sie hierbei bei Eisenhower,

wie es Friedeburg erging, so erbitten Sie

für eine Gesamtkapitulation folgendes Verfahren:

In ihr werden zwei Termine festgelegt.

Zu dem ersten Zeitpunkt hören die

Kampfhandlungen auf, aber die deutschen

Truppen dürfen sich noch bewegen. Im zweiten

ist auch dieses Bewegungsrecht beendet.

Versuchen Sie zu erreichen, dass die Zeitspanne

zwischen beiden Terminen möglichst

groß ist.“ 5

Dönitz erhoffte sich mehr Zeit für die deutschen

Truppen zu gewinnen, hinter die alliierten

Linien zu fliehen. Jodl erhielt zudem

die Vollmacht „die Gesamtkapitulation an

allen Fronte zu unterschreiben“ 6 , jedoch nur

mit voriger Absprache und Zustimmung Dönitz

auf telegraphischem Wege.

Jodl traf um 17:30 Uhr in Reims ein. Die

Amerikaner ließen sich jedoch nicht umstimmen,

so stellte Bedell Smith klar: „Eine

einseitige Einstellung der Kampfhandlungen

im Westen sei <<ganz unmöglich>>, es komme

nur <<eine Kapitulation gegenüber allen Verbündeten>>

in Betracht.“ 7 Zudem lies Eisenhower

die Deutschen unter Druck setzen, indem

er ihnen versprach „die amerikanischen

Linien für alle aus dem Osten kommenden

Deutschen dicht“ 8 zumachen.

„Um 21:45 Uhr am Abend des 6. Mai, sandte

Jodl einen Funkspruch an Keitel: <<General

Eisenhower besteht darauf, dass wir noch

heute unterschreiben; andernfalls werden die

alliierten Fronten auch gegenüber denjenigen

geschlossen werden, die sich einzeln ergeben

versuchen, und alle Verhandlungen werden

abgebrochen. Ich sehe keinen anderen

Ausweg als Chaos oder Unterzeichnung. Erbitte

sofortige drahtlose Bestätigung, ob ich

die Vollmacht habe, die Kapitulation, zu unterzeichnen.

Die Kapitulation kann dann

wirksam werden. Feindseligkeiten werden

dann am 9. Mai 1945, 00.00 Uhr deutscher

Sommerzeit aufhören.“ 9 Die Nachricht sollte

Flensburg jedoch erst am nächsten Tag erreichen.

A

m selben Tag wurde Heinrich Himmler

entlassen. Dönitz hatte sich am

Nachmittag dazu entschlossen, da er

Heinrich Himmler

57


Himmler nicht in seiner

„Geschäftsführenden Regierung“ sah und er

damals noch zu Hitlers Lebzeiten in Ungnade

gefallen war, war das Vertrauen gegenüber

ihm erloschen. Himmler verlies darauf erst

am 11. Mai Flensburg unter dem Namen

„Heinrich Hitzinger“ mit seinem Gefolge,

wurde aber bereits am 21. Mai in der Nähe

von Bremervörde festgenommen. Um sich seiner

Verantwortung zu entziehen, begann er

am 23. Mai Suizid.

E

ins der Ereignisse im „blutigen Finale

der nationalsozialistischen Herrschaft“

10 waren die Todesmärsche. Zu

den Opfern derer zählten neben jüdischen

Häftlingen auch Zwangsarbeiter, politische

Gefangene, sowie Kriegsgefangene. Das alltägliche

Bild am Ende des Krieges war:

„Tausende von KZ-Häftlinge schleppten sich,

häufig wandelnden Skeletten gleichend, über

Landstraßen und durch Dörfer. Von den

über 714 000 Insassen der

Konzentrationslager Anfang

1945 kamen, so wird geschätzt,

auf den Todesmärschen

mindestens 250 000, also

mehr als ein Drittel ums

Leben.“ 11 Grund dafür waren

unter anderem die

„chaotischen Bedingungen,

die im untergehenden NS-

Regimes herrschten.“ 12

Begonnen hatten die Märsche,

Januar 1945, durch das

zügige vorrücken der Roten

Armee, um so viel wie möglich

ihre Gräueltaten zu vertuschen.

Die Insassen traten

die Märsche meist ohne Verpflegung,

unpassender Kleidung

und eisigen Temperaturen

an. „Viel starben bereist

in den ersten Tagen.“ 13 Sie

58

wurden teilweise erschossen, dies häufte sich

mit der wachsenden Angst der Wachmannschaften

zum Ende des Krieges hin.

„Die Todesmärsche spielten sich vor den Augen

der Bevölkerung ab. Viele Bewohner

auch ländlicher Gebiete wurden Zeugen des

Massenmords vor der Haustür, mussten mit

ansehen, wie die ausgemergelten Gestalten

von den Wachmannschaften geprügelt und

erschossen wurden.“ 14 Nur wenige steckten

ihnen Wasser oder Essbares heimlich zu oder

halfen ihnen bei Fluchtversuchen, jedoch

unternahm der Großteil der Bevölkerung

nichts, aus Gleichgültigkeit oder Angst vor

den SS-Leuten. Hervorgehoben muss dabei,

dass die meisten Massaker und Tode bei den

Todesmärschen nicht Befehle von „oben“ waren,

sondern eigenmächtige Entscheidungen

der SS-Leute. Dies spiegelt das Chaos des untergehenden

NS-Regimes und die Angst, sowie

Verzweiflung der einzelnen Soldaten in

den letzten Kriegsmonaten wider.


<<6.Mai, vormittags. Es herrschte

eine erholsame Stille>>, notierte

der vierzehnjährige […] Horst

Gleiss, in sein Tagebuch. <<Bleiche Menschen

kriechen aus den dunklen Kellerlöchern hervor

und füllen ihre Lungen mit Maienluft.

Die einhellige Meinung ist: Jetzt muss

Schluss gemacht werden mit dem mörderischen

Krieg. Wenn wir in Breslau weitermachen,

überlebt niemand von uns.>>“ 15

Zwei deutsche Offiziere, darunter General

Hermann Niehoff, und ein Dolmetscher und

der Befehlshaber der 6. Armee General Wladimir

A. Gluzdowskij, unterschrieben die

Kapitulationsurkunde gegen 18:00 Uhr dieses

Tages.

59

Heimlich aufgenommenes Foto

Hitler hatte Breslau im Herbst 1944 zur

„Festung“ erklärt, so durfte die Stadt eigentlich

nicht kapitulieren, sondern die Stadt

musste um jeden Preis gehalten werden. Jedoch

versuchten, wegen der überraschend

schnell anrückenden Roten Armee, die Menschen

aus der Stadt, bei minusgraden, zu fliehen.

Zudem war Breslau selbst auch noch ein

Zufluchtsort für Flüchtlinge. Dementsprechend

brach Chaos aus.

„Die Bahnhöfe sind tagelang so überfüllt,

dass ein Durchkommen durch die Massen

kaum möglich ist. Alles drängt sich auf die

Züge“ 16 , hielt der Pfarrer Paul Peikert fest.

„Wie eine Karawane zogen die Flüchtlinge

zu Fuß, auf kleinen Wägelchen und Kinderwagen

ihre letzte Habe, […] im leuchtendweißen

Schnee. Hunderttausende waren unterwegs,

darunter auch Trecks aus Dörfern

links der Oder, die schon tagelang unterwegs

waren. Sie hatten infolge der großen Kälte

und des unaufhaltsamen Marsches viele Tote

in den Wagen, die sie an den Wegrändern

niederlegen mussten, weil die steinharte gefrorene

Erde die Toten nicht

aufnehmen konnte“ 17 , beschrieb

Elisabeth Erbrich,

die eine von diesen Massen an

Menschen waren bei den

Märschen.

Später entfachte sich ein heftiger

Häuserkampf zwischen

deutschen und russischen

Trupps, nach dem sich die

Rote Armee fast bis an den

Stadtkern im Februar durchgekämpft

hatte. Die Stadt

versank in Schutt und Asche.

„Ende März drohte der sowjetische

Befehlshaber erstmals

damit, Breslau massiv zu

bombardieren, sollte die

<<Festung>> nicht endlich aufgeben.“

18 jedoch lehnt dies

General Niehoff empört ab.

Darauf fielen tausende von

Bomben auf Breslau, die Altstadt

brannte am 01. auf


den 02. April. Die Kämpfe wurden fortgesetzt.

Am Mittag des 04. Mais flehten schließlich

Vertreter der Bevölkerung Niehoff an um

die Kapitulation Breslaus, wegen den vielen

erlittenen Verlusten. Nachmittags, des 05.

Mais erklärte Niehoff schließlich: „Hitler

ist tot, Berlin ist gefallen, die verbündeten

haben sich im Herzen Deutschlands die

Hand gereicht. Damit sind die Voraussetzungen

für eine Fortsetzung des Kampfes um

Breslau nicht mehr gegeben. Jedes Opfer ist

ein Verbrechen. Ich habe mich entschlossen,

den Kampf einzustellen und dem Gegner die

Übergabe der Stadt und der Besatzung unter

ehrenvollen Bedingungen anzubieten. Die

letzte Patrone ist verschossen – wir haben

unsere Pflicht getan: wie das Gesetzt es befahl.“

19 In der Stadt starben, bei den anhaltenden

Kämpfen, nach Schätzungen allein

10 000 bis 80 000 Zivilisten.

A

n diesem Tag wurde zudem, die SPD

wieder gegründet. Dazu trafen sich

130 Sozialdemokraten in Hannover.

Ausgegangen war dies von Kurt Schuhmacher,

welcher schließlich auch zum Vorsitzenden,

fast einstimmig, gewählt worden ist.

Die Partei war die Erste demokratische Partei

in Deutschland, seit Beginn des NS-

Regimes und auch die Erste und Einzige,

während der Krieg noch lief.

Kurt Schuhmacher

60


Kampf um Breslau

61


07. Mai 1945

Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation

in Reims

62


63

Mit der Kapitulation

an

diesem Tag,

sollte das

Leiden eigentlich

zu

Ende sein.


K

urz nach Mitternacht, 00:15 Uhr,

ging der Funkspruch Jodls in Flensburg

ein. Sofort rief Dönitz seine

engsten Mitarbeiter zusammen. Dönitz kommentierte

die Forderungen Eisenhowers als

„eine absolute Erpressung“ 1 . Aber da Jodl

selber ein absoluter Gegner der Gesamtkapitulation

war, dieser jedoch jetzt zustimmte,

musste es „schwerwiegende Gründe“ 2 sein

und „nun keinen anderen Ausweg mehr sah.“

3

Immerhin hatte Jodl eine 48-stündige Frist

erwirken können, bis zum 09. Mai um 00:01

Uhr, so dass sich der Großteil der deutschen

Truppen sich hinter die alliierten Linien retten

konnte. Gegen 01:00 Uhr schickte Dönitz

seine Zustimmung und Jodl „ermächtigte, die

bedingungslose Kapitulation zu erklären.“ 4

„Um 2.41 Uhr setzte Jodl im Beisein von Generaladmiral

von Friedeburg und Major

Wilhelm Oxenius seine Unterschrift unter

die Kapitulationsurkunde. Für die alliierten

Expeditionsstreitkräfte unterschrieb General

Walter Bedell Smith, für das sowjetische

Oberkommando General Iwan Susloparwo

und als Zeuge der Generalmajor der französischen

Armee Francois Sevez.“ 5 General Bedell

Smith erinnerte sich, dass keine Freudenausbrüche

als Reaktion auf das Ende des

Kriegs zu bemerken waren, sondern „eher

<<ein Augenblick feierlicher Dankbarkeit>>“ 6

zu beobachten. Jodl erklärte darauf, dass er

hoffte das man mit dem deutschen Volk gnädig

umgehen werde, welches „in diesem Krieg

mehr geleistet und mehr erduldet [hat] als

vielleicht je ein Volk auf Erden.“ 7

Die bedingungslose Kapitulation beinhaltete

zwei Artikel:

Der Erste besagte, dass die „bedingungslose

Kapitulation aller Streitkräfte zu Lande, zu

Wasser und in der Luft“ 8 gegenüber den Alliierten

und der Sowjetunion gleichermaßen.

Der Zweite besagte, dass das deutsche Oberkommando

sich dazu verpflichtet, alle

Kampfhandlungen um 23:01 Uhr am 08. Mai

einstellen zulassen und die Truppen Stellung

halten sollen.

Gegen 10:55 Uhr erhielt die Dönitz-

Regierung erst den genauen Wortlaut der

Kapitulationsbedingungen und schickte sofort

Leute aus, um diese zu erfüllen. Zusätzlich

gab von Krosigk die bedingungslose Kapitulation

auch über den Rundfunk, gegen

64


12:45 Uhr bekannt: „Nach einem fast sechsjährigen

heldenmütigen Kampf von unvergleichbarer

Härte ist die Kraft Deutschlands

der überwältigenden Macht unserer Gegner

erlegen. Die Fortsetzung des Kriegs hätte nur

sinnloses Blutvergießen und unnütze Zerstörung

bedeutet. Eine Regierung, die Verantwortungsgefühl

vor der Zukunft unseres

Volks besitzt, musste aus dem Zusammenbruch

aller physischen und materiellen

Kräfte der Folgerung ziehen und den Gegner

um Einstellung der Feindseligkeit ersuchen.

Niemand dürfte sich darüber täuschen, dass

die kommenden Zeiten hart werden würden

und allen Deutschen große Opfer abverlangt.

Doch dürfen man nicht verzweifeln und in

Resignation verfallen.“ 9

In Flensburg kam man schließlich „zu dem

Ergebnis, dass es keine Alternative zur bedingungslosen

Gesamtkapitulation gegeben

habe: <<Es ging nicht anders.>>“ 10

65

Jodl unterzeichnet die bedingungslose Kapitulation


66


67


08. Mai 1945

Wiederholung der bedingungslosen Kapitulation

in Berlin, Rücktritt der Regierung Dönitz?, Siegesfeiern:

Der „Victory Day“ in Europa, Zusammen

oder Befreiung?, Ein Ende und ein Anfang

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69

Der Krieg ist

jetzt offiziell zu

Ende. Aber was

bedeutet das für

wen? Wie

ergeht es den

Siegern, wie den

Verlierern?


70

K

aum war die Kapitulationsurkunde

unterschrieben, schickte der sowjetischen

Generalstabchefs Alexei Antonow

ein Protesttelegramm an Eisenhower,

dieser „weigerte sich, die Unterzeichnung anzuerkennen,

da der von Stabschef Bedell

Smith übermittelte Kapitulationstext nicht

mit dem übereinstimmte, der zuvor von der

Europäischen Beratungskommission (EAC)

im Auftrag der Regierungen Washington,

London und Moskau vorbereitet worden

war.“ 1 Eisenhower versicherte ihnen aber,

dass sie sich „peinlich genau an die Verpflichtungen

gehalten“ 2 haben. Zudem habe

bereits General Susloparow, als Vertreter der

sowjetischen Führung unterschrieben. Stalin

jedoch, bestand auf eine Wiederholung der

Unterzeichnung, in Berlin, dies legitimierte

er damit, dass die Sowjetunion die Kriegshauptlast

getragen habe. Churchill und Eisenhower

entschieden sich jedoch dagegen

persönlich anzureisen, da die Kapitulation

eigentlich bereits unterschrieben worden war

und dies nun die persönliche Angelegenheit

der Sowjets war, wollten sie sich heraushalten.

Die Westalliierte endsandten „den britischen

Luftmarschall Arthur Tedder, den US-

General Carl Spaatz sowie als Repräsentanten

der französischen Streitkräfte General

Jean de Lattre de Tassigny. Von deutscher

Seite reisten an: Generalfeldmarschall Wilhelm

Keitel, der Chef des Oberkommandos

der Wehrmacht, Generaladmiral Hans-

Georg von Friedeburg (für die Marine) und

Generaloberst Hans-Jürgen Stumpff in Vertretung

des verwundeten Oberbefehlshabers

der Luftwaffe, Robert Ritter von Greim“ 3 .

Die Zeremonie sollte in der Pionierschule in

Karlshorst stattfinden. „Die deutsche Delegation

wurde in einer kleinen Villa neben der

Pionierkaserne untergebracht. Der ursprüngliche

auf 14.00 Uhr festgesetzte Unterzeichnungsakt

verzögerte sich. Denn die Vertreter

der Siegermächte stritten sich“ 4 . „Erstmals

erhielten die westlichen Alliierten einen

Vorgeschmack von den schwierigen Verhandlungen,

die ihnen noch mit ihren sowjetischen

Partnern bevorstanden.“ 5

Währenddessen warteten die deutschen Abgesandten

ungeduldig. „Als Keitel einem russischen

Offizier gegenüber äußerte, er sei bei

der Fahrt durch Berlin erschüttert gewesen

über das Ausmaß der Zerstörungen, erhielt

er als Antwort: <<waren Sie, Herr Feldmarschall,

nicht erschüttert, als auf Ihren Befehl

Tausende von sowjetischen Städten und

Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden,

Orte, unter deren Ruinen Millionen unserer

Landsleute, darunter Zehntausende von Kindern,

den Tod fanden?>>“ 6

Gegen 24:00 begann dann endlich die Zeremonie.

Zuerst betraten die Vertreter der Siegermächte

den Kinosaal der Schule und

„nahmen an einem langen Tisch Platz, hinter

dem die Fahnen der Sowjetunion, der

USA, Englands und Frankreichs hingen. [..]

Über hundert Journalisten und Fotoreporter

hatten sich eingefunden. Schukow eröffnete

die Sitzung mit wenigen Worten und befahl

die Deutschen hereinzuführen. Es wurde

ganz still. Nur das Surren der Kameras war

zu vernehmen, als sich die Seitentüren öffneten

und Keitel, gefolgt von Friedeburg und

Stumpf, den Raum betraten.“ 7 Die Deutschen

sollten aber im Gegensatz zu den anderen

Vertretern, neben der Tür an einem kleinen

Tisch Platz nehmen. Und wurden danach

aufgefordert zu den Alliierten zu kommen.

„<<Mit einem unguten Blick auf das

Präsidium erhob sich Keitel rasch von seinem

Platz>>, erinnerte sich der sowjetische

Marschall, <<dann senkte er die Augen, nahm

langsam seinen Marschallstab vom Tisch und

kam mit unsicheren Schritten auf unsern

Tisch zu. Sein Monokel fiel herunter und

baumelte an der Kordel, das Gesicht bedeckte

sich mit roten Flecken.>>“ 8


71


Daraufhin unterschrieb Keitel die Kapitulationsurkunde

gegen 0:16 Uhr, die Zeremonie

war gegen 00:43 zu Ende und die deutschen

Abgesandten wurden wieder abgeführt.

„<<Und plötzlich weicht die gestaute Spannung

aus dem Saal>>, beobachtete Konstantin

Simonow. <<Sie verfliegt, als hätten alle lange

den Atem angehalten, der nun der Brust entströmt.

Ein allgemeiner Seufzer der Erleichterung

und Erschöpfung bricht sich Bahn.>>“

9

An diesem Abend feierten die Siegermächte

ausgelassen das Ende des Kriegs. Die Nachricht

der Kapitulation sollte in Moskau erst

am nächsten Tag eingehen.

I

m Laufe des Tages rief zudem Dönitz seine

Berater zusammen, es ging um die

Frage, ob die Weiterführung der Regierung

noch Sinn ergebe, oder aber es die Zeit

gekommen war, zurückzutreten. Albert Speer

war für die Auflösung der Regierung für einen

würdigen Abgang, Schwerin von Krosigk

jedoch war dagegen, da die Regierung sich

nicht einfach ihrer Verantwortung gegenüber

dem deutschen Volk entziehen können. Dönitz

stimmte ihm in diese Punkt zu. Das

schlussendliche Ergebnis der Besprechung

war: „Der Rücktritt ist eine unwiderrufliche

Entscheidung, sie darf daher keinesfalls vorzeitig

ausgesprochen werden.“ 10

Gegen 12:30 Uhr verkündete Dönitz im

Flensburger Sender seine endgültige Entscheidung:

„Mit der Besetzung Deutschlands

liegt die Macht bei den Besatzungsmächten.

Es liegt in ihrer Hand, ob ich und die von

mir bestellte Reichsregierung tätig sein kann

oder nicht. Kann ich durch meine Amtstätigkeit

unserem Vaterland nützen und helfen,

dann bleibe ich im Amt, bis der Wille des

deutschen Volkes in der Bestellung eines

Staatsoberhauptes Ausdruck finden kann

oder die Besatzungsmächte mir die Fortführung

meines Amtes unmöglich machen.“ 11

72

Tatsächlich gaben die Alliierten Dönitz Regierung

noch eine fünfzehntägige Gnadenfrist.

Die Nachricht der bedingungslosen Gesamtkapitulation

hat den Großteil der Bevölkerung

völlig überrascht. Man verstand nicht,

warum gegen den Osten nicht weitergekämpft

wurde, vor allem die geflüchteten Menschen

empfanden so, denn ihr letzte Hoffnung, an

die sie sich verzweifelt geklammert haben,

hatte sich aufgelöst. Erst einen Tag später

wurden die letzten Kämpfe endgültig eingestellt.

Schlussendlich war Dönitz Hauptziel gewesen,

durch die ganzen Kapitulationen, Zeit

zu gewinnen. Damit so viele deutsche Zivilisten

und Soldaten hinter die westalliierten

Linien fliehen konnten. Dabei hatte er nur

zum Teil Erfolg: „In der ersten Maiwoche

war es gelungen, 1 850 000 Soldaten der Ostfront

dem Zugriff der Rote Armee zu entziehen.

Nach dem 8. Mai mussten 1 490 000 Soldaten

den Weg in die sowjetische beziehungsweise

jugoslawische Kriegsgefangenschaft

antreten.“ 12

Verhaftung Dönitz und der

Regierungsmitglieder am 23.

Mai 1945


Deutsche Soldaten

auf dem Weg

in ein sowjetisches

Gefangenenlager

Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands war <<das Signal für den größten

Freudenausbruch in der Geschichte der Menschheit (…)>>, schrieb Winston

Churchill in seinen Memoiren. <<Abgekämpft und erschöpft, verarmt und doch

ungebrochen und am Ende siegreich, durchlebten wir Augenblicke höchsten Gefühlsaufschwungs.>>“

13 Der 08. Mai / 09. Mai ging als „Victory Day“, das Ende des Zweiten Krieges,

in die Geschichte ein. Überall auf der Welt wurde auf den Straßen getanzt, gesungen und

gefeiert. Churchill verkündet in einer Radioansprache: „Wir dürfen uns eine kurze Weile

Freude gönnen; wir wollen aber nicht vergessen, welche harte Arbeit und welche Anstrengungen

vor uns liegen. Japan, das verräterische, gierige Japan, ist noch nicht besiegt.“ 14

Nachdem Churchill im Unterhaus eintraf geschah folgendes: „Das Parlament springt auf,

und es gibt einen langen, donnernden Applaus“

15 , berichtet der Diplomat Harold Nicloson.

Auch der US-Präsident Harry S. Truman, gab

eine Rundfunkansprache, in welcher er an den,

am 12. April 1945 gestorbenen ehemaligen Präsidenten

Franklin D. Roosevelt, „der die Vereinigten

Staaten in und durch den Krieg geführt hatte“

16 , gedachte. Sprach er über die Freude über

das Kriegsende, die hohen Verluste und seinen

empfundenen Schmerz darüber. Aber auch er

brachte das noch kämpfende Japan zu Sprache

und das diese noch besiegt werden müssen. Japan

sollte aber erst am 15. August 1945 kapitulieren

und der Krieg auf der ganzen Welt endgültig

vorbei sein. „Lauter Jubel brach los. Ich hörte

ihn kaum. Mit zitternden Knien setzte ich mich

in das nächste Café. Die Spannung machte Gewissheit

Platz, dass von heute ab ein neuer Lebensabschnitt

für die Welt und wahrscheinlich

73


auch für uns begonnen hatte, der jahrelang

herbeigesehnt und nun möglich geworden

war (…) Am Abend, nach der Arbeit, trugen

wir unsere Unruhe hinaus auf den Broadway

in das laute Menschengetümmel, in Jubel

und Rausch“ 17 , berichtet sie in die USA emigrierte

Elsbeth Weichenmann.

„In Moskau verkündete der Rundfunk die bedingungslose

Kapitulation Deutschlands erst

am 9. Mai. Auch hier strömten die Menschen

zusammen und feierten ausgelassen das Ende

des Kriegs, in dem die Sowjetunion am

stärksten gelitten und die weitaus größten

Opfer gebracht hatte.“ 18

Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch keiner was

die Zukunft bringen würde und dass eine erbitterte

Feindschaft unter den Siegermächten

aufblühen würde, die die Nachkriegszeit in

Deutschland massiv beeinflussen sollte.

Jedoch war es eine Befreiung oder doch eher

ein Zusammenbruch?

Für die Millionen Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen

und Häftlinge der Konzentrationslager,

die von den Nazis verschleppt worden

waren, war das Ende des Kriegs auf jeden

Fall eine Befreiung. Schließlich waren sie

Winston Churchill

winkt den Massen

aus dem Whitehall

nicht freiwillig im Dritten Reich, aber wie

erging es der deutschen Bevölkerung?

„<<So eine Niederlage>>, notierte die Journalistin

[Ursula von Kardorff] am 7. Mai, als

die bedingungslose Kapitulation in Reims

bekanntgemacht wurde. <<Hätten sie uns unbedachterweise

anders vorgestellt, das heißt,

eigentlich gar nicht vorgestellt. Alles musste

besser sein als Hitler. Aber Befreiung? Seltsames

Wort.>>“ 19 Theodor Heuss sprach im

Rückblick „auf den 8. Mai 1945 von der

<<tragischsten und fragwürdigsten Paradoxie

der Geschichte

für jeden von

uns>> und prägte

die Formel

<<erlöst und vernichtet

in einem>>.“

20 Für

den Großteil

der Bevölkerung

war das

Ende des

Kriegs eher

vergleichbar

mit einer Katastrophe.

Sie

hatten so fest

an das „Dritte

Reich“ geglaubt,

VE-Day in Amerika

74


gehofft den Krieg dieses Mal gewinnen zu

können. Geendet hatte es mit Zerstörung,

Tod, Verzweiflung, Angst und Hoffnungslosigkeit.

Als der Bevölkerung alle Gräueltaten, von

dem sie einst ein Teil gewesen waren, vor Augen

geführt worden waren, reagierten „die

meisten mit einer erschreckenden Gefühlsstarre

und dem eingeübten, reflexhaften

Wegsehen“ 21 oder aber mit Unwissenheit.

„<<Wir haben nichts gewusst!>> Diese Worte

bekam die Korrespondentin der amerikanischen

Illustrierten <<Life>>, Margaret Bourke

-White, im Frühjahr 1945 so oft zu hören,

dass sie ihr <<wie eine deutsche Nationalmelodie>>

in den Ohren klang. Dabei hatten fast

alle etwas gewusst“ 22 . Genauso hörte man,

dass niemand ein

Nazi gewesen sei,

und verleugneten

alles. „Obwohl der

Krieg erst seit einigen

Monaten beendet

ist, wird vom

Nationalsozialismus

fast nichts

mehr, und wenn

schon, dann im

nachteiligen Sinne

gesprochen. Bei

75

Leuten, die in ihren Heimen Zeichen des nationalsozialistischen

Staats in jeglicher

Form zeigten, ist keine Spur davon zu sehn“

23 , bemerkt der neue Landrat von Gunzenhausen.

„Der Kuss“ nach der Kapitulation

Japans

Die meisten verdrängten zudem das Vergangene

und stürzten sich in den Wiederaufbau

Deutschlands. Oder taten dies von dem

Wunsch der Veränderung und Verbesserung,

der dort herrschenden Ordnung, angerieben.

„Neben all der Zerstörung, der Selbstgerechtigkeit

und der Unfähigkeit zu trauern zeigten

sich so schon erste zarte Knospen des

Neubeginns.“ 24

Am Ende waren sie alle Opfer ihrer Selbst.

Und bezahlten ihre Schuld, jeder auf andere

Weise, ab.

Deutsche Bevölkerung wird

mit ihren Taten konfrontiert


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