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Der Umgang mit<br />
unserem gebauten Erbe<br />
WER IMMER NACH SÜDTIROL KOMMT, IST BEEINDRUCKT VON DER ABWECHSLUNGSREICHEN UND EINMALIGEN<br />
KULTURLANDSCHAFT. DAS RAUMORDNUNGSGESETZ REGELT DEN SCHUTZ UNSERER LANDSCHAFT UND DES GEBAUTEN<br />
RAUMES – NATURSCHUTZ, DENKMALSCHUTZ, ENSEMBLESCHUTZ – DOCH ES BEDARF EINER BESONDEREN SENSIBILITÄT<br />
UND SORGFALT ALLER BETEILIGTEN. EINE GRUNDLEGENDE VORAUSSETZUNG IST DAS WISSEN UM DIE VERGANGENHEIT.<br />
Gastbeitrag von Wally Kössler<br />
Kein Landstrich ist so reich an Burgen,<br />
Schlössern, Ansitzen und Weinhöfen, wie<br />
das Überetsch, insbesondere die Großgemeinde<br />
Eppan: Architektonische Zeugen<br />
einer reichen Kulturlandschaft, eines begnadeten<br />
Lebensraumes, der nicht zuletzt<br />
durch das milde Klima und den Weinanbau<br />
bedingt ist.<br />
TAUSEND JAHRE BAUGESCHICHTE<br />
Eine außergewöhnliche Bautätigkeit<br />
fand zwischen 1550 und 1700 statt. Der<br />
Begriff „Überetscher Stil“, um 1920 vom<br />
Kunsthistoriker Weingartner geprägt, ist<br />
als besondere Bautypologie in die Kunstund<br />
Architekturgeschichte eingegangen.<br />
<strong>Die</strong> Merkmale des Einflusses aus der<br />
Renaissance sind zwar an vielen Bauten<br />
im Lande, im Unterland oder Oberland<br />
bis hin nach Bruneck feststellbar, aber aufgrund<br />
der ausgeprägten Formen und der<br />
Häufigkeit, gerade im Überetsch, scheint<br />
die Bezeichnung mehr als treffend.<br />
Für Leo Andergassen handelt es sich<br />
um einen „adeligen suburbanen Mischstil,<br />
der mit der ländlichen Villa entwickelt<br />
wurde“, wobei mittelalterliche, nordische<br />
Stilelemente und südliche, renaissancehafte<br />
Formen eine gelungene Symbiose bilden.<br />
<strong>Die</strong> Besiedlung unseres Bezirks über<br />
das Überetsch hinaus reicht weit in die Urgeschichte<br />
zurück – zahlreiche wertvolle<br />
Fundstücke belegen dies – und die jüngsten<br />
archäologischen Grabungsergebnisse einer<br />
römischen Prachtvilla aus der Spätantike in<br />
St. Pauls (4.Jh.) sind nur ein weiterer Beweis<br />
der Attraktivität dieses Siedlungsraums.<br />
ERSTE SCHRIFTLICHE ZEUGNISSE<br />
Eine frühe Auflistung der Burgen und<br />
heutigen Denkmäler findet sich in der Landesbeschreibung<br />
des Chronisten Marx Sittich<br />
von Wolkenstein um 1600. Im 19. Jh.<br />
belegen zahlreiche Reisebeschreibungen<br />
von historischen Bauten in Wort und<br />
Bild – Aquarelle, Skizzen, Zeichnungen<br />
oder Lithographien – das Interesse aus<br />
proto-wissenschaftlicher aber auch früher<br />
touristischer Sicht. Der Ansitz Thalegg in<br />
St. Michael/Maderneid wurde sogar auf der<br />
Weltausstellung 1900 in Paris als „Chateau<br />
Tyrolienne“ im Maßstab 1:100 nachgebaut.<br />
Wer heute durch die Dörfer und Weiler<br />
in Eppan streift, kann 1000 Jahre Architekturgeschichte<br />
nachverfolgen. <strong>Die</strong> ersten<br />
Wohntürme und Burgen entstanden im<br />
12./13. Jh., als Wohnsitze von Ministerialen<br />
im <strong>Die</strong>nste bedeutender Adelsfamilien.<br />
Aus einigen Wohntürmen entwickelten sich<br />
durch An- und Zubauten die Ansitze des<br />
16./17. Jh., einige wurden auch neu oder auf<br />
bestehenden Strukturen errichtet. Neben<br />
den alteingesessenen Adelsfamilien waren<br />
die Bauherren vorwiegend Kaufleute, hohe<br />
Beamte, Steuereinnehmer, Richter, eingewandert<br />
aus dem Norden oder Süden, die<br />
16 // OKTOBER <strong>2021</strong>