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Die Weinstraße - Oktober 2021

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LUPE<br />

Der Wellenbrecher<br />

DER GEBÜRTIGE SALURNER ANDREA PIZZINI HAT IM ZUGE DER CORONAPANDEMIE VIEL AUFSEHEN MIT SEINER<br />

DOKUMENTATION ÜBER DIE SCHICKSALE IN SÜDTIROLER KRANKENHÄUSERN ERREGT.<br />

Was als ehrliche, realistische, selbstredende<br />

Aufklärung gedacht war, wurde für<br />

Andrea Pizzini zu einem Spießrutenlauf,<br />

bei dem ein Teil der Südtiroler Gesellschaft<br />

seine ganze Rückständigkeit zur<br />

Schau gestellt hat. Wir haben mit dem<br />

Fotografen und Filmemacher darüber<br />

gesprochen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Weinstraße</strong>: Wie kommt Andrea<br />

Pizzini zum Film bzw. zur Fotografie?<br />

Andrea Pizzini: Ich war immer schon<br />

extrem neugierig auf die Welt. Ich wollte<br />

reisen und Geschichten aufsaugen. Mit 12<br />

Jahren habe ich begonnen kleine Videos<br />

zu machen. Dann habe ich die Filmschule<br />

Zelig in Bozen besucht und die Welt<br />

erkundet. Von den Videos bin ich dann<br />

langsam auf Fotografie umgestiegen, weil<br />

sie für kleine Projekte praktischer ist. Für<br />

eine qualitativ ansprechende Videodokumentation<br />

braucht es mehr Leute und<br />

mehr Organisation. Fotografie erlaubt<br />

instinktiveres, schnelleres und ungeplanteres<br />

Arbeiten.<br />

Sie hatten von Anfang an die Intuition,<br />

dass sich die Pandemie bei uns zu einem<br />

Problem ausweiten wird. Was hat Sie zu<br />

dieser Überlegung geführt?<br />

Mir sind die Fake News sauer aufgestiegen.<br />

Als im November 2020 die Lüge<br />

viral ging, unsere Pfleger und auch die<br />

Hospitalisierten seien Schauspieler, habe<br />

ich rebelliert und gedacht, ich sollte deren<br />

Geschichten erzählen. Ich hatte keine klare<br />

Idee im Kopf, ich habe einfach nur auf<br />

Vollgas gefilmt und fotografiert, ohne zu<br />

wissen, ob daraus etwas werden könnte.<br />

Mit dem Projekt Wellenbrecher haben Sie<br />

beabsichtigt, die Menschen darauf hinzuweisen,<br />

dass das Virus kein Scherz ist.<br />

Genau, ich wollte den Zahlen ein Gesicht<br />

geben und verhindern, dass die Menschen<br />

apathisch werden. Es ist halt anders,<br />

wenn du Erzählungen von realen Patienten<br />

hörst und nicht nur das tägliche Bulletin<br />

über die Belegung der Intensivbetten der<br />

Sanitätsbehörde. Ich denke das ist mir<br />

gelungen.<br />

Wie sind Ihnen die Ärzte und Pfleger<br />

in der Intensivstation begegnet? Haben<br />

sie den Wellenbrecher sofort akzeptiert,<br />

oder waren sie skeptisch eingestellt?<br />

Ich kam mitten in der Winterwelle<br />

auf die Intensivstation. Ärzte und Pfleger<br />

waren da voll beschäftigt und haben<br />

mich ignoriert. Aber irgendwann waren<br />

sie überrascht, mich immer wieder da zu<br />

sehen. Ich habe mich dann oft auch beim<br />

Frühstück und Mittagessen zu ihnen gesellt,<br />

so konnten wir uns kennenlernen und<br />

gegenseitiges Vertrauen aufbauen.<br />

Quelle: Andrea Pizzini<br />

Was ist Ihnen in den Monaten, in denen<br />

Sie die ganze Tragik der Pandemie, die<br />

menschlichen Schicksale hautnah miterlebt<br />

haben, durch den Kopf gegangen?<br />

Filmen, filmen und nochmals filmen.<br />

Alles! Mein Instinkt sagte mir, dass alles<br />

was ich drehen und fotografieren kann, am<br />

Ende wichtig ist. Auch wenn ich anfänglich<br />

gar nicht wusste, wie ich das Material<br />

verarbeiten werde. Nach dem ersten Monat<br />

habe ich mich dann entschlossen, einen<br />

Youtube-Kanal zu öffnen um direkt, fast<br />

in Echtzeit, mit den Südtirolern zu kommunizieren.<br />

<strong>Die</strong> Erfahrungen im Krankenhaus haben<br />

Sie in den sozialen Medien und auch<br />

22 // OKTOBER <strong>2021</strong>

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