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LUPE<br />
Der Wellenbrecher<br />
DER GEBÜRTIGE SALURNER ANDREA PIZZINI HAT IM ZUGE DER CORONAPANDEMIE VIEL AUFSEHEN MIT SEINER<br />
DOKUMENTATION ÜBER DIE SCHICKSALE IN SÜDTIROLER KRANKENHÄUSERN ERREGT.<br />
Was als ehrliche, realistische, selbstredende<br />
Aufklärung gedacht war, wurde für<br />
Andrea Pizzini zu einem Spießrutenlauf,<br />
bei dem ein Teil der Südtiroler Gesellschaft<br />
seine ganze Rückständigkeit zur<br />
Schau gestellt hat. Wir haben mit dem<br />
Fotografen und Filmemacher darüber<br />
gesprochen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Weinstraße</strong>: Wie kommt Andrea<br />
Pizzini zum Film bzw. zur Fotografie?<br />
Andrea Pizzini: Ich war immer schon<br />
extrem neugierig auf die Welt. Ich wollte<br />
reisen und Geschichten aufsaugen. Mit 12<br />
Jahren habe ich begonnen kleine Videos<br />
zu machen. Dann habe ich die Filmschule<br />
Zelig in Bozen besucht und die Welt<br />
erkundet. Von den Videos bin ich dann<br />
langsam auf Fotografie umgestiegen, weil<br />
sie für kleine Projekte praktischer ist. Für<br />
eine qualitativ ansprechende Videodokumentation<br />
braucht es mehr Leute und<br />
mehr Organisation. Fotografie erlaubt<br />
instinktiveres, schnelleres und ungeplanteres<br />
Arbeiten.<br />
Sie hatten von Anfang an die Intuition,<br />
dass sich die Pandemie bei uns zu einem<br />
Problem ausweiten wird. Was hat Sie zu<br />
dieser Überlegung geführt?<br />
Mir sind die Fake News sauer aufgestiegen.<br />
Als im November 2020 die Lüge<br />
viral ging, unsere Pfleger und auch die<br />
Hospitalisierten seien Schauspieler, habe<br />
ich rebelliert und gedacht, ich sollte deren<br />
Geschichten erzählen. Ich hatte keine klare<br />
Idee im Kopf, ich habe einfach nur auf<br />
Vollgas gefilmt und fotografiert, ohne zu<br />
wissen, ob daraus etwas werden könnte.<br />
Mit dem Projekt Wellenbrecher haben Sie<br />
beabsichtigt, die Menschen darauf hinzuweisen,<br />
dass das Virus kein Scherz ist.<br />
Genau, ich wollte den Zahlen ein Gesicht<br />
geben und verhindern, dass die Menschen<br />
apathisch werden. Es ist halt anders,<br />
wenn du Erzählungen von realen Patienten<br />
hörst und nicht nur das tägliche Bulletin<br />
über die Belegung der Intensivbetten der<br />
Sanitätsbehörde. Ich denke das ist mir<br />
gelungen.<br />
Wie sind Ihnen die Ärzte und Pfleger<br />
in der Intensivstation begegnet? Haben<br />
sie den Wellenbrecher sofort akzeptiert,<br />
oder waren sie skeptisch eingestellt?<br />
Ich kam mitten in der Winterwelle<br />
auf die Intensivstation. Ärzte und Pfleger<br />
waren da voll beschäftigt und haben<br />
mich ignoriert. Aber irgendwann waren<br />
sie überrascht, mich immer wieder da zu<br />
sehen. Ich habe mich dann oft auch beim<br />
Frühstück und Mittagessen zu ihnen gesellt,<br />
so konnten wir uns kennenlernen und<br />
gegenseitiges Vertrauen aufbauen.<br />
Quelle: Andrea Pizzini<br />
Was ist Ihnen in den Monaten, in denen<br />
Sie die ganze Tragik der Pandemie, die<br />
menschlichen Schicksale hautnah miterlebt<br />
haben, durch den Kopf gegangen?<br />
Filmen, filmen und nochmals filmen.<br />
Alles! Mein Instinkt sagte mir, dass alles<br />
was ich drehen und fotografieren kann, am<br />
Ende wichtig ist. Auch wenn ich anfänglich<br />
gar nicht wusste, wie ich das Material<br />
verarbeiten werde. Nach dem ersten Monat<br />
habe ich mich dann entschlossen, einen<br />
Youtube-Kanal zu öffnen um direkt, fast<br />
in Echtzeit, mit den Südtirolern zu kommunizieren.<br />
<strong>Die</strong> Erfahrungen im Krankenhaus haben<br />
Sie in den sozialen Medien und auch<br />
22 // OKTOBER <strong>2021</strong>