Schuhkurier 38/2021
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38/2021
23.09.2021 | G4478
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Handel
Maike Krischer will in vierter Generation das
Familienunternehmen übernehmen.
Foto: Studio Nawrath
Handel
In den Startlöchern
Was erwarten Nachwuchs-Unternehmer von der Zukunft? schuhkurier sprach mit
Maike Krischer über moderne Kundenkommunikation, die Grenzen von Nachhaltigkeit
und was sich die Jung-Unternehmerin von der kommenden Regierung wünscht.
Wie schaut eine Nachwuchshändlerin
in die Zukunft?
Maike Krischer: Ich merke, dass die zukünftige
Übernahme des Unternehmens
eine große Verantwortung ist. Insbesondere
den Mitarbeitern gegenüber. Wir
führen das Kaufhaus Schnückel aktuell
in dritter Generation mit rund 90 Mitarbeitenden.
Ich werde also nach meinem
Urgroßvater die vierte Generation
sein, die das Unternehmen führt. Da sind
schon ein wenig die Blicke darauf gerichtet,
was in Zukunft passieren wird. Wir
sind vor Ort ein großer Arbeitgeber in der
Region, da gibt es natürlich auch eine gesellschaftliche
Verantwortung. Vor Kurzem
habe ich mein Studium abgeschlossen
und sammle in München meine eigenen
Erfahrungen in einer anderen Branche,
da meine Mutter das Unternehmen
noch einige Zeit leiten wird. Aber die Verantwortung
spüre ich jetzt schon.
Sie sind Spezialistin für digitale Kundenkommunikation.
Welche Aspekte
guter Kundenkommunikation fehlen
dem stationären Einzelhandel und wie
kann er sie bekommen?
Viele Händler haben schon gute Ansätze
und probieren sich in vielen verschiedenen
Medien aus. Aber manchen Händlern
fehlt noch die Konsequenz in ihrer
digitalen Kommunikation. Da fehlt meiner
Meinung nach stellenweise einfach
noch das Vertrauen, dass solche Tools
einen wirklichen Mehrwert generieren.
Viele Händler setzen immer noch auf
eher traditionelle Kommunikationskanäle
wie Print oder geschaltete Außenwerbung,
was auch weiterhin effektive
Wege der Kommunikation bleiben werden.
Aber sie sollten für sich lernen, dass
sie genauso konsequent digital kommunizieren
müssen, wie sie analog kommunizieren.
Wie man an solch einen Punkt
kommen kann, ist an sich nicht schwierig.
Und meistens ist es eher eine Frage
des Zeitmanagements als des Budgets.
Die Händler müssten Zeit investieren,
um die digitale Kommunikation
voranzutreiben. Ein externer Dienstleister
kann ein möglicher Schritt sein, oder
ein neuer Mitarbeiter.
Wie gestaltet sich gute digitale Kommunikation
für den Einzelhandel?
Eine Website und die Erreichbarkeit über
Whatsapp, wie es während der Lockdowns
gerne genutzt wurde, sind zwei effektive
digitale Kanäle, die bespielt werden können.
Aber gerade im Fashionbereich spielt
auch Social Media eine große Rolle, da
dort die Styles gezeigt werden können.
Zudem ist die Nutzung der gängigen Social
Media Kanäle meist kostenfrei. Auch
hier ist es also eine Frage des Zeitmanagements.
Aber auch Newsletter-Werbung
kann effektiv sein, wenn ein ansprechendes
Produkt versendet wird. Das heißt aber
nicht, dass der Händler jeden Kanal bespielen
muss, sondern es ist wichtiger, sich
Kanäle zu suchen, bei dem man weiß, dass
dort die eigenen Kunden unterwegs sind.
Wie holt man Kunden digital ab, die
den neuen Technologien eher skeptisch
gegenüberstehen?
Im Zweifelsfall überhaupt nicht. Bei uns
im Kaufhaus haben wir beispielsweise
eine sehr große Altersspanne unter den
Kunden, vom Kleinkind bis zur älteren
Dame. Die sind natürlich nicht alle im
Internet unterwegs. Deshalb soll man
die Kunden da abholen, wo sie auch tatsächlich
unterwegs sind. Man muss einen
guten Mix aus verschiedenen Kommunikationskanälen
anbieten. Besonders
bei Unternehmen mit einem hohen
lokalen Stellenwert, die eine Verbundenheit
zu den lokalen Medien haben, ist
es sinnvoll, auch dort präsent zu sein.
Denn solche lokalen Printmedien werden
durchaus weiterhin gelesen, weil Menschen
sich darüber informieren wollen,
was bei ihnen in der Stadt so passiert.
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elementar. Wenn die Kunden nicht mehr
zu uns kommen können, bricht uns ein
großer Teil unserer Geschäftsgrundlage
und somit auch eine große Zahl an
Foto: Privat/Silke Krischer
Foto: Privat/Silke Krischer
Wie gestaltet sich ein Einstieg in digitale
Kommunikation für Unternehmen,
die das gerne machen würden, denen
aber der Aufhänger fehlt?
Was man gut machen kann, sind niederschwellige
Pläne zur Umsetzung. Man
kann sich beispielsweise vornehmen, mit
zwei Social Media-Posts in der Woche zu
starten. Das muss gar nicht aufwendig
produziert werden, dafür benötigt man
nur ein Handy mit einer halbwegs anständigen
Kamera. Was häufig gut ankommt,
ist, wenn Mitarbeiter vor der Kamera
zu sehen sind. Kunden springen
auf bekannte Gesichter an. Man könnte
beispielsweise mit den Mitarbeitenden
zweimal pro Woche einen „Look of the
Week“ gestalten und hochladen. Darüber
hinaus kann man sich dann überlegen,
was man noch vom Unternehmen
zeigen möchte. Es muss nicht immer die
Modische Kleidungsstücke
liegen im Fokus
des DOB-Sortiments.
Aktuell in dritter Generation geführt:
Das Kaufhaus Schnückel in Unna.
große digitale Strategie sein, sondern
etwas, was zu einem und dem eigenen
Unternehmen passt.
Auf der Cheftagung der Katag sprachen
Sie über das aktuelle Thema
Innenstädte und Verkehrswende. Was
benötigen Einzelhändler in mittleren
bis kleinen Städten, damit diese in der
Zukunft weiterhin ein lebendiger Ort
für die Kunden sind?
Das Thema Erreichbarkeit ist für uns
enorm wichtig, denn zu uns kommen die
Kunden aus dem Umfeld. Unna ist eine
Kreisstadt, das heißt, dass unser Radius
sehr groß ist. Und dann ist es nicht so,
dass der öffentliche Nahverkehr für unsere
Kunden eine reale Alternative ist,
um in die Innenstadt zu kommen. Sowohl
für den Kunden-, aber auch für den
Lieferverkehr ist eine gute Erreichbarkeit
Arbeitsstellen weg. Zudem muss weiter
daran gearbeitet werden, dass die Verweildauer
der Kunden gesteigert wird.
Dafür braucht es einen guten Mix aus
Events, Gastronomie und Einzelhandel
und eine gute Mischung aus großen und
kleinen Läden. Zudem gewinnt das Erlebnisshopping
immer weiter an Bedeutung.
Dafür braucht es Events, wie verkaufsoffene
Sonntage oder Late Night
Shopping. Das Instrument dafür, dass
so etwas erfolgreich stattfinden kann,
sind Händlerverbände wie der City Werbering
Unna, der solche Dinge organisiert.
Zudem muss es eine gesunde Mischung
aus Wohnen und Handeln in den
Städten geben. In vielen kleinen Städten
kann man zwar wohnen, aber der Erlebnischarakter
ist weggebrochen. In größeren
Städten hingegen gibt es viel zu erleben,
aber niemand kann sich mehr die
Mieten leisten, oder es gibt keine innerstädtischen
Wohngegenden mehr. Deshalb
finde ich Mittelzentren sehr attraktiv,
da dort häufig beides – Gewerbe und
Wohnen – gegeben ist.
Wie werden sich Menschen in Zukunft
im städtischen Raum bewegen?
Als Kleinstadt kann man schon ein wenig
auf die Großen schauen. Und viele
Trends schwappen da ja nach einiger
Zeit auch rüber. Ein Beispiel dafür
sind Car-Sharing-Angebote. Für uns als
Händler ist es aber erstmal wichtig, dass
die Menschen überhaupt gut in die Innenstädte
kommen. In dem Sinne ist es
erst einmal egal, auf welchem Weg sie
das tun. Es wäre schön, wenn das dann
auch nachhaltiger wäre und sich alternative
Mobilitätskonzepte durchsetzen,
aber da fehlt aktuell noch eine überzeugende
Vision.
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schuhkurier 38|2021
Handel
Maike Krischer diskutierte auf der Cheftagung der Katag mit Katrin Göring-Eckardt.
Foto: Katag
Thema Nachhaltigkeit: Inwiefern spielt Aber wenn der Kunde am Ende nicht das
das Thema für das Kaufhaus Schnückel Bewusstsein dafür hat, und eine Marke
nicht kauft, weil sie nachhaltig ist,
eine Rolle?
können wir das als Händler auch nicht
Wir überlegen als Unternehmen natürlich
schon seit Längerem, was man ein-
umsetzen.
fach und gut umsetzen kann. Das gilt Sie sprachen bei der Katag von einer
beispielsweise für den Verpackungsmüll,
der bei uns durch die Anbindung Produkte. Mit welchen weiteren Ideen
Subvention nachhaltig produzierter
an Marktplatz entsteht. Aber wenn man könnten Kunden zum Kauf von Sustainable
Fashion animiert werden?
sich unseren gesamtökologischen Fußabdruck
als Unternehmen anschaut, dann
ist die Ware der Hauptbestandteil, der Ich finde erstmal den Ansatz der Subventionen
ganz interessant. Aktuell ar-
nachhaltiger werden müsste. Da sehe ich
in erster Linie die Industrie im Fahrersitz,
etwas am Produkt zu ändern, damit trie und da ist es ganz normal, dass ein
beite ich viel für die Automobilindus-
es nachhaltiger wird. Denn wir können nachhaltiges Verhalten, das gesamtgesellschaftlich
gewünscht wird, subven-
im Endeffekt nur das Produkt anbieten,
was uns angeboten wird und was vom tioniert wird. Man sollte auch in andere
Kunden nachgefragt wird.
Branchen schauen. In der Lebensmittelbranche
setzen sich viele Start-ups wie
Inwiefern beeinflusst das die Order? Etepetete und Too-good-to-go gegen die
Lebensmittelvernichtung ein. Da kann
Wir haben inzwischen auch nachhaltige man auch in unserer Branche mal fragen,
was mit den Waren geschieht und
Marken im Sortiment, auf die wir aufmerksam
gemacht wurden. Aber immer ob man nicht ähnliche Projekte für retournierte
oder defekte Waren ins Le-
unter der Prämisse, dass die Marke auch
modisch ist, die der Kunde auch nachfragt.
Wir bemerken durchaus ein In-
in den Handel gehen können. Das Konben
rufen könnte, die nicht als A-Waren
teresse der Einkäufer, die bei der Order zept wird bei Lebensmitteln bislang gut
nachfragen, ob auch eingehalten wird, angenommen. Der Kunde weiß, dass es
was auf den Labels versprochen wird. keine fehlerfreie Ware ist, die er da abholt.
Aber er kann der Ware dennoch
einen Zweck verleihen, anstatt dass sie
vernichtet wird. So kann der Zyklus der
Ware ein Stück weit optimiert werden.
Während Corona gab es bei uns solche
Aktionen auch mit A-Ware, um das Lager
zu leeren, und es hat im Endeffekt
die Kundenbindung sehr gestärkt. Die
Verbraucher haben sich darüber gefreut.
Deshalb denke ich, dass so etwas auch
als Nachhaltigkeitsaktion gut ankäme.
Was wünschen Sie sich als Nachwuchshändlerin
von der zukünftigen
Regierung?
Ich habe mir lange Gedanken über diese
Frage gemacht. Am Ende sind mir
drei Punkte wichtig. Da ist einmal die
Fairness zwischen Online und Offline.
Sowohl bei den gezahlten Steuern als
auch bei den Öffnungszeiten herrscht
eine große Diskrepanz. Wettbewerbsgleichheit
und Fairness zu schaffen,
wäre für mich ein sehr großes Anliegen
und ein Schritt in die richtige Richtung.
Der zweite Punkt sind die lebendigen
Innenstädte. Es muss ein Raum
geschaffen werden, in dem Menschen
gerne verweilen und sich wohlfühlen.
Ein Punkt, der meiner Meinung nach
gerne unter den Tisch fällt, ist der soziale
Aspekt von Einzelhandel. Unsere
Geschäfte sind Orte des Zusammentreffens,
dort finden soziale Kontakte statt.
Zumal wir eine große soziale Verantwortung
haben: nicht nur aufgrund der Arbeitsplätze,
die wir der Region bieten.
Wir haben einen hohen gesellschaftlichen
Wert, der seitens der Politik stärker
anerkannt werden müsste. Enorm
wichtig für den Handel ist außerdem die
Schaffung von Rechtssicherheit bei den
verkaufsoffenen Sonntagen.
Bürokratische Hürden sollten endlich
abgebaut und Planungssicherheit für
Händler gewährleistet werden. ■
Laura Klesper
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