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forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019: Time to eat the dog

Aus Sicht von Umwelt und Klima schneiden Katze, Hund und Pferd nicht besonders gut ab. In Teil 3 der Serie „Tierische Geschäfte" beleuchtet forum Nachhaltig Wirtschaften nicht nur das Big Business rund um unsere geliebten Begleiter, sondern auch die Folgen falsch verstandener Tierliebe. Es zeigt, warum Exoten nichts in unseren Wohnungen zu suchen haben und warum die Katze das erfolgreichste „Raubtier" der jüngsten Geschichte ist. Sie hat sich weltweit in dramatischer Zahl verbreitet, wird von Menschen gehegt und gefüttert und ist ganz nebenbei noch eine große Gefahr für die Artenvielfalt. Doch die Redaktion beleuchtet auch die positiven Seiten der Haustiere und zeigt zum Beispiel, was Manager vom Hund lernen können. Die Schüler proben den Aufstand – Fridays for the Future Angeregt von Greta Thunbergs Beispiel fordern immer mehr junge Menschen an den Fridays for future einen aktiveren Klimaschutz. Das Heft beleuchtet deshalb in mehreren Beiträgen, welche Zukunft die Jugend erwartet und dass auch Sie für deren Gestaltung kämpfen sollten. Kein Müll! Verpackungen müssen endlich in den Kreislauf. Hilft die neue Verpackungsordnung, was kann ECO-Design bewirken und ist Wellpappe der geeignete Ersatz für Plastik? Weitere inspirierende Beiträge im neuen Heft Gib Gummi! - Über den Anbau von Naturkautschuk Corporate Political Responsibility - Nachhaltiges Wirtschaften muss politisch sein Human Ressources im Jahr 2028 – Menschen im Wettbewerb mit Cyborgs? Innovation - Empowerment von KleinbäuerInnen im globalen Süden Botschafter für gesunden Boden - Mehr als nur guter Ertrag Vom Blaumann bis zum Etuikleid - Erfolgsgeschichte der Berufsbekleidung Nachhaltigkeit kleidet! - Welches Siegel darf es sein? Best Practice in der Supply Chain – Die GoodTextiles Stiftung. Mitwirken erwünscht! Wer einkauft , hat Einfluss auf den Markt - Wer viel einkauft , hat auch viel Einfluss Die Alchemisten des Designs - Die Ausstellung „Pure Gold – Upcycled! Upgraded!" Die Insel der Träume - You come with a footprint – please leave a handprint Über das Wirtschaftsmagazin forum Nachhaltig Wirtschaften forum Nachhaltig Wirtschaften erscheint im ALTOP-Verlag und berichtet vierteljährlich über neue Entwicklungen, Trends und Erfolgsbeispiele zu gesellschaftlicher und unternehmerischer Verantwortung. Unter www.forum-csr.net finden sich ergänzende Inhalte sowie aktuelle Nachrichten und Termine.

Aus Sicht von Umwelt und Klima schneiden Katze, Hund und Pferd nicht besonders gut ab. In Teil 3 der Serie „Tierische Geschäfte" beleuchtet forum Nachhaltig Wirtschaften nicht nur das Big Business rund um unsere geliebten Begleiter, sondern auch die Folgen falsch verstandener Tierliebe.


Es zeigt, warum Exoten nichts in unseren Wohnungen zu suchen haben und warum die Katze das erfolgreichste „Raubtier" der jüngsten Geschichte ist. Sie hat sich weltweit in dramatischer Zahl verbreitet, wird von Menschen gehegt und gefüttert und ist ganz nebenbei noch eine große Gefahr für die Artenvielfalt.
Doch die Redaktion beleuchtet auch die positiven Seiten der Haustiere und zeigt zum Beispiel, was Manager vom Hund lernen können.

Die Schüler proben den Aufstand – Fridays for the Future
Angeregt von Greta Thunbergs Beispiel fordern immer mehr junge Menschen an den Fridays for future einen aktiveren Klimaschutz. Das Heft beleuchtet deshalb in mehreren Beiträgen, welche Zukunft die Jugend erwartet und dass auch Sie für deren Gestaltung kämpfen sollten.

Kein Müll!
Verpackungen müssen endlich in den Kreislauf. Hilft die neue Verpackungsordnung, was kann ECO-Design bewirken und ist Wellpappe der geeignete Ersatz für Plastik?

Weitere inspirierende Beiträge im neuen Heft
Gib Gummi! - Über den Anbau von Naturkautschuk
Corporate Political Responsibility - Nachhaltiges Wirtschaften muss politisch sein
Human Ressources im Jahr 2028 – Menschen im Wettbewerb mit Cyborgs?
Innovation - Empowerment von KleinbäuerInnen im globalen Süden
Botschafter für gesunden Boden - Mehr als nur guter Ertrag
Vom Blaumann bis zum Etuikleid - Erfolgsgeschichte der Berufsbekleidung
Nachhaltigkeit kleidet! - Welches Siegel darf es sein?
Best Practice in der Supply Chain – Die GoodTextiles Stiftung. Mitwirken erwünscht!
Wer einkauft , hat Einfluss auf den Markt - Wer viel einkauft , hat auch viel Einfluss
Die Alchemisten des Designs - Die Ausstellung „Pure Gold – Upcycled! Upgraded!"
Die Insel der Träume - You come with a footprint – please leave a handprint

Über das Wirtschaftsmagazin forum Nachhaltig Wirtschaften
forum Nachhaltig Wirtschaften erscheint im ALTOP-Verlag und berichtet vierteljährlich über neue Entwicklungen, Trends und Erfolgsbeispiele zu gesellschaftlicher und unternehmerischer Verantwortung. Unter www.forum-csr.net finden sich ergänzende Inhalte sowie aktuelle Nachrichten und Termine.

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EUR 7,50 (D) | EUR 7,50 (A) | CHF 12,50 | 1. Quartal 2<strong>01</strong>9<br />

<strong>01</strong>/2<strong>01</strong>9<br />

ForumISSN 1865-4266<br />

<strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

Das Entscheider-Magazin<br />

Tierische Geschäfte<br />

Haustier – Freund und Wirtschaftsfak<strong>to</strong>r<br />

Meditation und Moneten<br />

Finanzwirtschaft – auf zu neuen Ufern<br />

Start-up – Grillen kann man grillen<br />

Basis neuer Lebensmittel<br />

Vom Blaumann bis zum Etuikleid<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Arbeitskleidung liegt im Trend<br />

Schluss mit dem Verpackungsmüll<br />

Bürger, Politik und Unternehmen greifen durch<br />

Erde 5.0 – Chancen für die Zukunft<br />

Digitalisierung, KI und Roboter<br />

4 197564 507505<br />

<strong>01</strong>


30 Jahre nachhaltig <strong>Wirtschaften</strong> – Rückblick und Ausblick<br />

Neu erschienen<br />

B.A.U.M. e.V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>9<br />

New Work<br />

Aufbruch in eine neue Arbeitswelt<br />

New Work: der Aufbruch in<br />

eine neue Arbeitswelt?<br />

Selbstbestimmtes Arbeiten hoch motivierter Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter? Flexibilisierung der Arbeit zum Vorteil von Arbeitnehmern<br />

und Arbeitgebern? Kr<strong>eat</strong>ivität und Innovationen für Unternehmen?<br />

Oder aber Beliebigkeit, Abstimmungsschwierigkeiten,<br />

hoher Ressourcenaufwand? Und für erwerbstätige Menschen<br />

ständige Verfügbarkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse?<br />

Sie können das Jahrbuch 2<strong>01</strong>9 von B.A.U.M. e.V. zum Preis<br />

von 19,90 EUR direkt im ALTOP Verlag bestellen:<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net/BAUMJahrbuch<br />

oder telefonisch unter +49 (0)89 / 74 66 11 - 0<br />

Ebenso erhältlich im Buchhandel : ISBN 978-3-925646-71-3<br />

Die Beiträge des B.A.U.M.-Jahrbuchs erkunden, was sich hinter dem<br />

Schlagwort „New Work“ verbirgt und beleuchten Chancen und<br />

Herausforderungen für Unternehmen, für deren Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter sowie die Gesellschaft insgesamt.<br />

Im Fokus steht dabei die Frage, wie sich der Trend<br />

nachhaltig gestalten lässt: ökonomisch zukunftsfähig,<br />

sozial gerecht und mit Entlastungen für die<br />

Umwelt.<br />

Blättern Sie kostenlos in den E-Papers der bisherigen B.A.U.M.-Jahrbücher unter www.<strong>forum</strong>-csr.net/BAUMJahrbuch<br />

Dort finden Sie die komplette Ausgabe des Jahrbuchs 2<strong>01</strong>8 sowie alle redaktionellen Beiträge der Ausgaben 2<strong>01</strong>1 bis 2<strong>01</strong>7.<br />

B.A.U.M. e.V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>1<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>2<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>3<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>4<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>5<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>6<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>7<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>8<br />

Ressourcenmanagement<br />

Resource Management<br />

Die Gesellschaft auf dem Weg<br />

zur <strong>Nachhaltig</strong>keit.<br />

Wirtschaft und Transformation<br />

Energiewende<br />

1984 – 2<strong>01</strong>4 – 2044<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

in der Lieferkette<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit glaubwürdig<br />

und wirksam kommunizieren<br />

Digitalisierung und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

<strong>Nachhaltig</strong>es Investieren


Edi<strong>to</strong>rial<br />

DIALOG STATT FRONTEN!<br />

Unsere Welt verhärtet sich immer mehr. „America first“ und der Kampf um eine sinnlose<br />

Mauer, endloser Streit um einen grotesken Brexit, Klimaleugner versus Klimaschützer<br />

und jetzt auch noch Bienenfreunde gegen Landwirte…<br />

Liebe Leser,<br />

bitte gehen Sie in den Dialog! Zeigen Sie im täglichen Gespräch in Ihrem Umfeld Haltung.<br />

Eine klare Meinung ist heute mehr denn je gefragt. Es sind Fakten, dass sich die<br />

Erdtemperatur erhöht, dass Gletscher und Pole in rasender Geschwindigkeit schmelzen<br />

und dass sich das Klima verschiebt. Es ist evident, dass wir die Natur mit einer Flut von<br />

Plastikmüll belasten. Es ist nachgewiesen, dass unser Trinkwasser immer starker mit<br />

Rückständen belastet ist.<br />

Aber bitte: Suchen Sie KEINE SÜNDENBÖCKE. Wir kommen nicht mit Vorwürfen weiter,<br />

sondern mit Engagement, Pioniergeist und der Bereitschaft zu wirklichen Veränderungen.<br />

Zusammenhänge hinterfragen<br />

Das bayerische Volksbegehren zeigt die steigende Bereitschaft der Bevölkerung, klare<br />

Signale zu setzen. Aber auch die Probleme im Dialog. Bauern fühlen sich an den Pranger<br />

gestellt, werden von ihren Interessenverbänden mobilisiert und mit unsachlichen Argumenten<br />

aufgehetzt. Anstatt gemeinsam nach Lösungen im Kampf gegen Bienensterben<br />

und Artenschwund zu suchen, schimpft man auf „Güllekutscher“ und kontert mit Mährobotern<br />

in einheitsgrünen Vorstadtgärten. Frontenbildung statt Dialog. Bei diesem<br />

Gezänk verliert man die komplexen Zusammenhänge und die wahren „Schuldigen“ aus<br />

den Augen. Unsere Art des <strong>Wirtschaften</strong>s, unsere Gier, unser blinder Wachstumsglaube.<br />

Privat wie im Unternehmen.<br />

Ursachen bekämpfen<br />

Nicht die Landwirtschaft ist schuld, sondern ihre immer stärkere Industrialisierung, die<br />

unter einem großen Preisdruck erfolgt. Nicht die Einwanderer aus Mexiko sind schuld,<br />

sondern diejenigen, die die Flucht verursachen. Da hilft bei der Suche nach den Ursachen<br />

keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern ein gemeinsames Handeln, um die Ursachen bei<br />

der Wurzel zu packen. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass das bayerische Volksbegehren<br />

das Signal für einen Aufbruch ist. Aufbruch zum Dialog und zu entschiedenen<br />

Handlungen hin zu einer enkeltauglichen Zukunft.<br />

Zeit, aktiv zu werden!<br />

Die schwedische Schülerin Greta Thunberg<br />

hat ein neues, wichtiges Signal gesetzt.<br />

Auf den Fridays for Future Demonstrationen<br />

fordert nun die junge Generation<br />

mehr Klimaschutz. „Es ist Zeit auf die<br />

Straße zu gehen", fordert auch Klimaforscher<br />

Professor Schellnhuber.<br />

Eine der wirkungsvollsten Maßnahmen<br />

ist es, mit Ihrem „Wahlschein“ bewusst<br />

umzugehen. Und das ist der Geldschein,<br />

den Sie täglich für das Beschaffungswesen<br />

in der Firma oder bei Ihrem privaten Einkauf<br />

nutzen. Mehr dazu im Heft auf Seite<br />

110: „Wer einkauft hat Einfluss auf den<br />

Markt.“<br />

Und nun wünsche ich Ihnen wertvolle Anregungen mit der vorliegenden Ausgabe von<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>.<br />

Ihr<br />

Coverfo<strong>to</strong>: © Pexels, pixabay.com<br />

Fritz Lietsch<br />

Herausgeber <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

f.lietsch@<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Prof. Dr. Maximilian Gege<br />

Vorstandsvorsitzender B.A.U.M. e.V.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

3


INHALT<br />

10<br />

Tiere sind unsere Gefährten Müssen<br />

wir Tiere vor Menschen schützen 68<br />

Die Schüler proben den Aufstand Fridays<br />

for future fordern aktiven Klimaschutz<br />

THEMEN<br />

3 Edi<strong>to</strong>rial<br />

6 Brennpunkt Sodom… oder die Kehrseite von<br />

Wohlstand und Digitalisierung<br />

8 Gute Nachrichten<br />

Enrgieeffizienz und Ressourcenmanagment<br />

28 Mieterstrom macht Quartiere smart Dezentrale<br />

und digitale Energie-Infrastruktur<br />

33 Grillen kann man grillen Insekten auf dem Speiseplan<br />

Finanzwirtschaft mit Weitblick<br />

36 Meditation und Moneten Bullen, Bären und<br />

Finanz-Haie beim „Mindful Finance Walk“<br />

Schwerpunkt<br />

TIERISCHE<br />

GESCHÄFTE –<br />

HAUSTIERE<br />

10 Haustiere Die Schattenseiten unserer Tierliebe<br />

16 Rollen, Rang, Ressourcen Was wir von Hunden<br />

lernen können<br />

20 <strong>Time</strong> <strong>to</strong> <strong>eat</strong> <strong>the</strong> <strong>dog</strong>? Und nun steht auch noch das<br />

Pferd am Pranger<br />

22 Stubentiger unter Verdacht Katzen als Bedrohung<br />

für Salamander, Libelle und Rotkehlchen<br />

24 Das Leid exotischer Tiere in deutschen Wohnzimmern<br />

Ein artgerechtes Leben in Gefangenschaft?<br />

26 Wenn die Zucht zur Qual wird Tierische Trends<br />

40 Krieg und Kohle im Knax-Land Unethische<br />

Geld anlagen<br />

43 Weitblick in den Medien? Journalismus und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

46 Die Finanzbranche im Aufbruch Die Vorteile einer<br />

integrierten Berichterstattung<br />

Verpackungen und Kreislaufwirtschaft<br />

50 Das neue Verpackungsgesetz Problemlöser oder<br />

Ursache wachsender Müllberge?<br />

54 Ecodesign bei Verpackungen Die Branche bewegt<br />

sich langsam... und zwar schnell!<br />

56 Ökologisch verpacken S<strong>to</strong>ffkreisläufe als Schlüssel<br />

für eine nachhaltige Zukunft<br />

60 Kreislaufwirtschaft Der Mehrwert für unsere<br />

Wirtschaft<br />

Zukunft gestalten<br />

62 Erde 5.0 Die Zukunft provozieren<br />

4 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


INHALT<br />

Ein Blick ins Jahr 2028 Human<br />

86 Ressources im digitalen Zeitalter 129<br />

Tagen und Tourismus Unsere Serviceseiten<br />

geben hilfreiche Auskunft<br />

66 Die Zukunft deiner Kinder Eine ambitionierte<br />

Langzeitstudie<br />

68 Lasst uns mehr verlangen Ein Weckruf<br />

Unternehmensführung<br />

70 Gib Gummi! Über den Anbau von Naturkautschuk<br />

74 Corporate Political Responsibility (CPR) Warum<br />

nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong> politisch sein muss<br />

78 Der Rufer vom goldenen Berg Andreas Reinisch ist<br />

„Sustainable Entrepreneur“ der ersten Stunde<br />

81 Klimawandel Jetzt ist er spürbar da!<br />

84 „Working out loud“ Fit für den digitalen Wandel<br />

86 Ein Blick ins Jahr 2028 Human Ressources im<br />

digitalen Zeitalter<br />

Visionen, Aktionen, Innovationen<br />

90 Innovation trifft nachhaltige Landwirtschaft<br />

Empowerment von KleinbäuerInnen im globalen<br />

Süden<br />

94 Botschafter für gesunden Boden Mehr als guter<br />

Ertrag<br />

96 Die Liebe zum Boden geht durch den Magen Das<br />

Augsburger Start-up „Feierabendglück“<br />

Textilien – Berufsbekleidung<br />

98 Vom Blaumann bis zum Etuikleid Erfolgsgeschichte<br />

der Berufsbekleidung<br />

1<strong>01</strong> <strong>Nachhaltig</strong>keit kleidet! Welches Siegel darf es<br />

sein?<br />

104 Spurensuche Markierte Baumwolle revolutioniert<br />

Branchenstandard<br />

107 Best Practice in der Supply Chain GoodTextiles<br />

Stiftung – Mitwirken erwünscht<br />

108 Die Alternative zum Kauf von Berufskleidung<br />

Textile Vollversorgung durch Dienstleister<br />

110 Wer einkauft, hat Einfluss auf den Markt Wer viel<br />

einkauft, hat auch viel Einfluss<br />

Konsum und Gesellschaft<br />

113 Alexa, geh für mich zur Arbeit Digitalisierung ist<br />

kein Monster<br />

114 Die Alchemisten des Designs Die Ausstellung „Pure<br />

Gold – Upcycled! Upgraded!“<br />

118 Die Insel der Träume You come with a footprint –<br />

please leave a handprint<br />

SERVICE<br />

123 B.A.U.M. informiert Nachrichten aus dem<br />

Unternehmernetzwerk<br />

124 Bücher und Filme für den Wandel<br />

Die <strong>forum</strong> Medientipps<br />

126 Events in der Vorschau Veranstaltungen<br />

im Kurz-Portrait<br />

128 Marktplatz Anbieter stellen sich vor<br />

129 Tagen & Tourismus Anbieter im Kurz-Portrait<br />

130 Impressum, Nachwort und Ausblick<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

5


BRENNPUNKT<br />

SODOM…<br />

… oder die Kehrseite von Wohlstand und Digitalisierung<br />

Steigendes Abfallaufkommen in Europa, Berge von Plastikmüll in Asien und ausgediente<br />

Elektronik in Afrika - die Folgen unsachgemäßer Entsorgung sind verheerend. Deutlich<br />

wird dies in Ghana, wo eine der traurigen Endstationen für Drucker, Computer und andere<br />

Elektrogeräte liegt: Agbogbloshie, Accra, genannt Sodom und Gomorra, ist eine der größten<br />

Elektro-Müllhalden der Welt. Durch das Schmelzen alter Kabel über offenem Feuer wird<br />

zwar wertvolles Kupfer gewonnen – aber es ist ein giftiger Alltag für die Menschen, die<br />

dort arbeiten und eine Katastrophe für die Umwelt. Der Film „Welcome <strong>to</strong> Sodom – Dein<br />

Smartphone ist schon hier“ zeigt diese Problematik in schonungslosen Bildern und gibt den<br />

betroffenen Menschen Stimme und Gesicht.<br />

www.welcome-<strong>to</strong>-sodom.de<br />

6<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


BRENNPUNKT<br />

Fo<strong>to</strong>: © Camino Filmverleih, Blackbox Film<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

7


GUTE NACHRICHTEN<br />

E-Cargo-Bike<br />

© Bosch eBike Systems<br />

Elektrifizierte Cargo-Bikes erobern die Innenstädte und machen Transporte von<br />

Lebensmitteln und Kleinstsendungen flexibel und schnell. Der eBike-Antrieb der<br />

Performance Line von Bosch treibt die Lastenräder mit 63 Nm Drehmoment an.<br />

Das sorgt für mehr Power beim Anfahren, auch wenn es in der Stadt bergauf geht.<br />

Mit einem zweiten Batteriepack sind unter günstigen Bedingungen Reichweiten bis<br />

zu 180 km möglich – auch mit Zuladung. Den schnellsten Weg bei Auslieferungen<br />

findet der Bordcomputer Nyon. Mit ihm hat der Fahrer die aktuelle Uhrzeit, Geschwindigkeit,<br />

Schaltempfehlung, Reichweite, Distanz und den Akku-Ladestand<br />

immer im Blick.<br />

www.bosch-ebike.com<br />

Upcycling-Rucksäcke gewinnen Design-Preis als „Produkt des Jahres 2<strong>01</strong>9“<br />

© Airpaq UG<br />

Das Kölner Rucksack-Start-up wurde vom Verband der PBS-Markenindustrie auf der<br />

Paperworld als „Trendsetter und Überflieger“ 2<strong>01</strong>9 mit der höchsten Punktzahl des<br />

Wettbewerbs prämiert. Die Roll<strong>to</strong>p-Rucksäcke überzeugen die Jury dabei durch die<br />

„meisterliche Verarbeitung von Recyclingmaterial“ wie Airbags, Gurtschlösser und<br />

Sitzgurte. Seit kurzem sind auch weitere Accessoires wie der BAQ-Turnbeutel und<br />

Caps erhältlich. Airpaq ist seit Herbst im deutschsprachigen Fachhandel vertreten<br />

und baut stetig seine Verkaufspunkte aus.<br />

www.airpaq.de<br />

Hopery: Vegane, natürliche Pflege ohne Palmöl<br />

© HOPERY Benjamin Böhme<br />

Hopery ist eine neue Naturkosmetik-Marke Made in Germany, deren vegane Produkte ohne Tierversuche<br />

hergestellt wurden. Im Unterschied zu vielen industriellen Kosmetika wird außerdem kein Palmöl verwendet.<br />

Stattdessen werden pro verkauftem Hopery-Produkt 20 Cent gespendet, um verwaiste<br />

Orang-Utans zu adoptieren, die durch die Abholzung des Regenwaldes ihre Mütter verloren<br />

haben. Zusätzlich spendet Hopery 10 Prozent des Gewinns an dieses Projekt. Zu der Produktpalette<br />

des Start-ups zählen Handcreme, Seifen und Bodylotion in drei attraktiven<br />

Duftlinien. Ein besonderer Hingucker ist die Badeschokolade. Die kostbaren Pflanzenöle<br />

verteilen sich im warmen Badewasser und sorgen für samtig zartgepflegte Haut.<br />

www.hopery.de<br />

Green Coin – der nachhaltige Einkaufswagenchip!<br />

© e+m Holzprodukte<br />

Green Coin, der erste Einkaufswagenchip aus FSC®-zertifiziertem<br />

Holz ist ein ideales Werbemittel für jeden bewussten<br />

Verbraucher und für nahezu jede Branche passend!<br />

Das echte Stück Holz für den täglichen Einkauf ist auf der<br />

Vorderseite mit dem Kundenlogo personalisierbar und<br />

erreicht damit eine hohe Aufmerksamkeit. Die Funktion<br />

des Chips ist TÜV-geprüft. Verschiedene Verpackungsmöglichkeiten<br />

runden das Angebot ab: Von der bedruckbaren<br />

Einzel-Verpackung über ein individuell gestaltbares<br />

Klappkärtchen bis hin zur losen Lieferung macht e+m<br />

Holzprodukte, der traditionsreiche Hersteller aus Bayern,<br />

alle Kundenwünsche möglich.<br />

www.em-holzprodukte.de<br />

8 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


GUTE NACHRICHTEN<br />

bleed startet neues Sneaker Crowdfunding<br />

© bleed<br />

„Walking without footprints“ lautet 2<strong>01</strong>9 die Devise bei bleed. Denn die Schuhindustrie<br />

gilt als einer der dreckigsten und unfairsten Industriezweige überhaupt.<br />

bleed hat der Branche erneut bewiesen, dass es bessere Alternativen<br />

bei Materialien, Produktion und Emissionsreduzierung gibt. Im Februar 2<strong>01</strong>9<br />

startete das faire Label ein Crowdfunding für seine ersten ECO 4 Sneaker. Sie sind<br />

100 Prozent vegan, handgefertigt, Made in EU und klimaneutral. Der schicke<br />

und zeitlose Style ist das i-Tüpfelchen der nachhaltigen Schuhe.<br />

„Im ECO 4 Sneaker vereinen wir sportliches Lifestyle-Design und höchsten Laufkomfort<br />

mit einer einzigartigen Ökobilanz. Und das zu einem Preis von unter<br />

100€!“, be<strong>to</strong>nt bleed CEO Michael Spitzbarth. Um unabhängig zu bleiben, sollen<br />

die Schuhe per Crowdfunding finanziert werden. Das Projekt ist noch bis zum<br />

17.3.2<strong>01</strong>9 unter der Adresse www.startnext.com/eco4sneaker online.<br />

www.bleed-clothing.com<br />

© myAbility/Stefan Ebersberger<br />

DisAbility Talent Programm feiert Premiere in Deutschland<br />

Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung mit Unternehmen<br />

zu vernetzen und Berührungsängste abzubauen – das ist die Mission des Dis-<br />

Ability Talent Programms der Wiener Unternehmensberatung myAbility. Jetzt<br />

startet das innovative Karriereprogramm in Kooperation mit den Sozialhelden<br />

in Deutschland. Zu den ersten Kunden gehören SAP, BASF, Axel Springer, PwC,<br />

Robert Koch Institut und Sanofi.<br />

Das Programm führt im Laufe eines Semesters über Coachings, den Matching<br />

Day und Job Shadowings talentierte Studierende mit Behinderung und chronischer<br />

Erkrankung mit Unternehmen zusammen, die an Spitzenkräften und<br />

an Vielfalt in ihrer Workforce interessiert sind.<br />

myAbility kooperiert mit dem renommierten Sozialunternehmen Sozialhelden<br />

aus Berlin.<br />

www.disability-talent.com<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Auf die Farbe kommt es an<br />

Schimmel mit<br />

Kalk vorbeugen!<br />

■ frei von Konservierern<br />

■ schimmelvorbeugend<br />

■ atmungsaktiv<br />

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Reincke Naturfarben GmbH<br />

Industriestraße 3 / 21640 Horneburg<br />

Tel.: +49 (0) 41 63 - 86 74 7-0<br />

9


HAUST<br />

SCHWERPUNKT | TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE<br />

Serie: Tierische Geschäfte III<br />

Früher waren Katzen für die Mäuse- und Rattenjagd zuständig, Hunde wurden als<br />

Wach-, Jagd- und Hütehunde eingesetzt. Heute sehen wir hauptsächlich Spürund<br />

Blindenhunde, doch die meisten sind einfach Haustiere ohne besonderen<br />

Auftrag. Woher kommt es also, dass wir immer mehr Haustiere halten, besonders<br />

in innerstädtischen Bereichen? Warum halten wir immer mehr sogenannte „Exoten“<br />

als Haustiere? Warum gilt es auch die CO 2<br />

-Bilanz von Pferden zu hinterfragen,<br />

und wie sehr schaden Katzen der Biodiversität… Teil 3 der Serie „Tierische<br />

Geschäfte“ gibt Antworten, die für Überraschungen sorgen.<br />

10 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE | SCHWERPUNKT<br />

IERE<br />

Fo<strong>to</strong>: © Kirgiz03, pixabay.com<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

11


SCHWERPUNKT | TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE<br />

Die Schattenseiten unserer Tierliebe: Besonders im innerstädtischen Bereich nimmt die Zahl an Haustieren stetig zu. Fehlender Auslauf für<br />

den Hund und Freigang für die Katze erschweren es, ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.<br />

Im Jahr 2<strong>01</strong>8 lebten 34 Millionen Haustiere in 45 Prozent<br />

aller deutschen Haushalte – Tendenz steigend. Unsere<br />

Tierliebe, vor allem für Katzen und Hunde, scheint keine<br />

Grenzen zu kennen. <strong>forum</strong> Au<strong>to</strong>rin Inken Rehburg fragt<br />

nach, ob dies für Mensch, Tier und Umwelt eine gesunde<br />

Entwicklung ist.<br />

Haustiere sind gut für uns!<br />

Sind wir gut für unsere Haustiere?<br />

Umfragen zufolge fühlt sich jeder zehnte Deutsche einsam,<br />

und so wird ein Haustier schnell zum Ersatz für die fehlenden<br />

sozialen Kontakte: als bester Freund, Kindersatz, Therapeut<br />

und Mittel gegen die Einsamkeit. Haustiere tun uns gut,<br />

behaupten nicht nur die Besitzer, auch zahlreiche wissenschaftliche<br />

Studien, Mediziner und Therapeuten bestätigen<br />

die Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung. Wer mit Tieren lebt,<br />

lebt länger, geht weniger zum Arzt und verursacht weniger<br />

Gesundheitskosten – und das nicht nur bei Menschen, die<br />

unter dem Alleinsein leiden. Kein Wunder: Haustiere schenken<br />

Aufmerksamkeit und Zuneigung, geben einem das Gefühl<br />

gebraucht zu werden, schaffen Struktur im Tagesablauf und<br />

sorgen für Bewegung (zumindest Hunde).<br />

Die positiven Wirkungen sind auch am Arbeitsplatz zu verzeichnen.<br />

Bürohunde verringern Stress und erhöhen die<br />

Motivation der Mitarbeiter. Das Oxy<strong>to</strong>cinlevel steigt sogar<br />

nachweislich durch die Anwesenheit des pelzigen Kollegen.<br />

Dadurch sinkt der Blutdruck und die Herzfrequenz, was den<br />

Abbau des Stresshormons Cortisol begünstigt.<br />

Was für die Besitzer gesteigerte Lebensqualität bedeutet,<br />

ist für die Wirtschaft bares Geld. Denn die Deutschen lassen<br />

sich ihre Tierliebe einiges kosten: Circa neun<br />

Milliarden Euro im Jahr geben sie für ihre 13,4<br />

Millionen Katzen, 8,6 Millionen Hunde und<br />

rund 13 Millionen sonstigen Kleintiere aus.<br />

Alleine 4,5 Milliarden Euro entfallen auf die<br />

Hundehaltung. Laut Angaben der Universität<br />

Göttingen sind etwa 185.000 bis 200.000<br />

Arbeitsplätze dem Wirtschaftsfak<strong>to</strong>r Heimtierhaltung<br />

zu verdanken.<br />

Für das Wohl des Tieres ist nichts zu teuer!<br />

Angefangen bei den Anschaffungskosten,<br />

über Futter- und Tierarztkosten, bis hin zum<br />

Hochzeitskleid für Hunde und Friedhöfe für<br />

Kleintiere: Den Deutschen sind ihre Lieblinge<br />

einiges wert. So kann man für einen<br />

reinrassigen Welpen mit Papieren schon mal<br />

schnell 1.600 Euro zahlen. Und dann hat das<br />

Tier ja noch nichts zu essen oder gar anzuziehen.<br />

Die Probleme reichen von Fragen<br />

über die richtige, artgerechte Ernährung<br />

bis hin zu den nötigen Accessoires für Tier<br />

Fo<strong>to</strong>: © Free-Pho<strong>to</strong>s, pixabay.com | Grafik: © Bundesverband Bürohund e.V.<br />

12 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Frische Luft, Bewegung und sozialer Bezug, das zeichnet die Mensch-Hund-Beziehung aus. Aus Hundesicht ist der<br />

Rucksack für rund 100 Euro fragwürdig, aber dafür freut sich der Handel über das tierisch profitable Geschäft.<br />

und Halter. Solange wir Nacktkatzen züchten, müssen wir<br />

damit rechnen, dass sie im Winter schnell frieren. Und<br />

auch Hunde haben es gar nicht leicht, wenn sie aus der<br />

Zimmertemperatur in die Winterkälte kommen. Da kann<br />

ein wärmender Pullover schon von Vorteil sein. Hoffentlich<br />

weiß der Hund es auch zu schätzen, dass Herrchen<br />

den Pulli im Partnerlook, für bis zu 900 Euro, nach Maß<br />

anfertigen ließ...<br />

Lang lebe das Haustier…<br />

Für das Wohlbefinden der Tiere gibt es etwa Aqua-Jogging<br />

gegen Rückenprobleme und Akupunktur gegen Inkontinenz,<br />

präventive Yogakurse für Hunde (genannt Doga) oder Antidepressiva<br />

für gestresste Katzen. Im Bereich des Gesundheitsmanagements<br />

für Vierbeiner hat sich in den letzten<br />

Jahrzehnten wirklich viel getan. So gibt es nicht nur die klassischen<br />

Tierärzte und –kliniken, sondern auch jeden anderen<br />

„Wissenschaftliche Studien, Mediziner und Therapeuten<br />

bestätigen die positive Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung.“<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Sarah Ullmann<br />

Beim Durchstöbern von Zoo Zajacs Online-Shop, laut eigener<br />

Aussage das größte Zoofachgeschäft der Welt, entdeckt<br />

man neben Funktionskleidung für Hunde auch Halstücher,<br />

Jeansjacken, Kunstlederhosen oder Jogginganzüge. Diese<br />

leuchten fast ein: Laufen ist dem Hund schließlich ein natürliches<br />

Bedürfnis…<br />

Auch das Wellnessangebot für Tiere sollte nicht zu kurz<br />

kommen, denn auch Hunde können eine Massage durchaus<br />

genießen. Und wenn Herrchen und Frauchen mal alleine<br />

Urlaub machen wollen, warten Pensionen mit einem<br />

verlockenden Angebot auf. Im Animal Resort Wesel beispielsweise<br />

werden urlaubende Hunde in kleinen Chalets<br />

untergebracht, welche laut Webseite nicht nur über eigene<br />

Gärten verfügen, mit Fußbodenheizungen und Fenstern<br />

bis zum Boden ausgestattet sind, sondern sogar eigene<br />

Küchenzeilen bieten. Der Anbieter empfiehlt, dass man<br />

heimische Geräusche aufnimmt, damit diese das Chalet<br />

beschallen und das Tier beruhigen. Für die Beruhigung<br />

der Besitzer sorgt wiederum die Videoüberwachung mit<br />

eigener Webcam.<br />

ganzheitlichen oder schulmedizinischen Zweig, den es sonst<br />

für Zweibeiner gibt: Neben spezifischer Fachbehandlung<br />

ergänzen Physio<strong>the</strong>rapie, Akupunktur, Homöopathie, Osteopathie<br />

und Ernährungsberatung das Behandlungsspektrum.<br />

Viele Haustiere in Deutschland werden mittlerweile besser<br />

behandelt als so mancher menschliche Kassenpatient. Lediglich<br />

die Organspende für Tiere ist derzeit in Deutschland<br />

noch nicht möglich, da gesunden Tieren keine (Spender-)<br />

Organe entnommen werden dürfen. In den USA existiert<br />

dieses Verbot nicht. Der Organspender ist häufig aus dem<br />

Tierheim und bekommt dafür ein Zuhause in dem Haushalt<br />

des Empfängertiers. So ist der Deal.<br />

…und es ruhe in Frieden!<br />

Damit nicht genug. Wenn das Tierleben auf dieser Erde schließlich<br />

beendet ist, wurde der Kadaver früher meist beim Tierarzt<br />

gelassen, beziehungsweise im eigenen Garten vergraben.<br />

Heute gibt es nicht nur Tierkrema<strong>to</strong>rien, welche die Überreste<br />

in einer passenden Urne übergeben, sondern auch eigene Tierfriedhöfe.<br />

Der Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, einer der größten<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

13


Hilfe direkt vor Ort: Tausende Hunde, Katzen und andere Tiere ausländischer Tierheime wurden bereits vom SUST Team kastriert.<br />

Nur so kann die Überpopulation von Straßentieren langfristig eingedämmt werden. Solche Aktionen haben Zukunft!<br />

Parkfriedhöfe Europas, überlegt derzeit, ob er es Menschen<br />

ermöglicht, ihre tierischen Lieblinge neben sich in einer Urne<br />

beerdigen zu lassen. Und wenn man sein vers<strong>to</strong>rbenes Tier<br />

stets bei sich tragen möchte, lassen sich aus der Asche oder<br />

den Haaren des tierischen Mitbewohners Edelsteine pressen.<br />

Was aber bedeutet all das für die Tiere?<br />

Wie es in der freien Marktwirtschaft nun einmal ist, führt<br />

eine steigende Nachfrage, wenn möglich, zu einer erhöhten<br />

Produktion, und dies ist beim Handel mit Lebewesen in der<br />

Regel zu deren Leid. Britta Lantz, schleswig-holsteinische<br />

Hundezüchterin seit 1991, züchtet Labrador-Retriever. Sie<br />

weiß sehr genau, wie viel Aufwand es bedeutet, verantwortungsvoll<br />

Hunde zu züchten. Die Verantwortung hört<br />

nämlich bei der Abgabe der Welpen an die neuen Besitzer<br />

nicht auf. Laut Vertrag hat Britta Lantz ein Besuchsrecht wie<br />

ein Vorkaufsrecht. Außerdem muss jeder Besitzer seinen<br />

Junghund im Alter von einem Jahr einem Gesundheitscheck<br />

unterziehen, um erbbedingte Erkrankungen auszuschließen.<br />

Die Ergebnisse dieser Untersuchung übergibt der Tierarzt<br />

direkt an den Zuchtverband. So geht verantwortungsvolles<br />

Züchten, das eine Herzensangelegenheit sein muss, denn<br />

sonderlich lukrativ ist es nicht.<br />

Leider gibt es auch in Deutschland immer mehr Züchter,<br />

die eher als Vermehrer zu bezeichnen sind. Mit tunlichst<br />

geringem Aufwand und möglichst hoher Stückzahl verscherbeln<br />

sie die Tiere schnellstmöglich über Online-Portale wie<br />

ebay-Kleinanzeigen. Besonders in Osteuropa werden Tiere<br />

unter schlimmsten Bedingungen massenweise gezüchtet,<br />

im Netz für kleines Geld angeboten und dann als klassische<br />

„Kofferraumdeals“ auf Au<strong>to</strong>bahnparkplätzen verkauft, mit<br />

gefälschten Papieren und leider auch ohne Gesundheitsvorsorge<br />

– die im schlimmsten Fall zwar auf dem Papier<br />

bestätigt, aber nicht durchgeführt wurde. Meist krank, ob<br />

durch Überzüchtung oder aufgrund mangelhafter Haltung<br />

und Versorgung, überleben viele nicht einmal den Transport<br />

oder versterben kurz darauf. Zudem steigt die Gefahr, dass<br />

durch den Schwarzhandel Krankheiten ins Land geschleppt<br />

werden.<br />

Und was ist mit Tieren aus dem Tierschutzheim?<br />

Selbst die Abnahme aus dem gut organisierten Tierschutz<br />

birgt Gefahren. Susy Utzinger setzte sich sehr kritisch mit<br />

diesem Thema auseinander und gründete schließlich die<br />

SUST, eine Schweizer Tierschutzstiftung mit dem Zweck, das<br />

Tierleid wirksam zu bekämpfen und darüber aufzuklären.<br />

Utzinger glaubt, dass Mensch und Tier sich persönlich kennen<br />

lernen sollten, bevor sie miteinander leben.<br />

„Es reicht einfach nicht aus, ein Fo<strong>to</strong> von einem niedlichen<br />

Hund zu sehen, um zu wissen, ob man die nächsten Jahre mit<br />

ihm verbringen möchte. Daher macht es auch keinerlei Sinn,<br />

die Tiere auf Bestellung aus dem Ausland in die Schweiz beziehungsweise<br />

nach Österreich oder Deutschland zu bringen,<br />

damit sie hier nach kurzer Zeit den Besitzer wechseln müssen<br />

oder aber doch wieder im Tierheim landen. Deswegen setzen<br />

wir uns in erster Linie für Hilfe im Herkunftsland der Tiere<br />

ein – aus unserer Sicht die nachhaltigste Art des Tierschutzes.<br />

Wühltisch-Welpen – nein danke!<br />

Die Arbeitsgemeinschaft „Welpenhandel“ ist eine gemeinsame Initiative<br />

von VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz, TASSO e.V., dem<br />

Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), dem Bund gegen<br />

Missbrauch der Tiere (bmt), der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin<br />

und -<strong>the</strong>rapie, der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz<br />

sowie dem Deutschen Tierschutzbund und hat sich zum Ziel gesetzt,<br />

den problematischen Welpenhandel zu bekämpfen, indem<br />

sie unter anderem versucht<br />

• den Onlinehandel mit Welpen transparenter zu machen,<br />

• Polizei- und Zollbeamte regelmäßig zu schulen, damit diese bessere<br />

Kontrollen von Tiertransporten auf der Straße durchführen<br />

können,<br />

• sich für eine bessere Vernetzung der Veterinärbehörden mit anderen<br />

Behörden einzusetzen, um die Verfolgung von Straftätern<br />

effektiver zu gestalten.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Susy Utzinger Stiftung für TIerschutz | Grafik: © Bundesverband Bürohund e.V.<br />

14 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE | SCHWERPUNKT<br />

Podenco oder Pudel?<br />

Und dann ist da auch noch die generelle Frage, nach welchen<br />

Kriterien wir uns für ein Haustier entscheiden. Selbst<br />

wenn wir wissen, dass es ein Hund sein soll, steht man als<br />

künftiger Hundebesitzer vor dem nächsten Rätsel: Was<br />

für ein Hund soll es sein, was erwarten wir von dem Tier?<br />

Häufig genug wird nach Optik gewählt, oder nach Trend.<br />

Ob nun Richard Gere in einem Film von einem Hund der<br />

Rasse Akita bedingungslos geliebt wird, ob Walt Disney mit<br />

einem Zeichentrickfilm die Dalmatiner berühmt macht oder<br />

ob die Obamas sich für einen portugiesischen Wasserhund<br />

entscheiden, all dies hat Einfluss auf den Absatz bestimmter<br />

Hunderassen. Nicht selten wird eine Rasse über Nacht so<br />

berühmt, dass das Angebot der rasch wachsenden Nachfrage<br />

nicht nachkommt.<br />

Ein Beispiel: Es<strong>the</strong>r Gün<strong>the</strong>r, heute Geschäftsführerin eines<br />

großen Schweizer Fachgeschäftes für Hundebedarf, kommt<br />

aus einer Züchterfamilie und hat bis vor einigen Jahren Rhodesien<br />

Ridgebacks gezüchtet. Als der Ridgeback auf einmal<br />

zu einem elitären Modehund verkam, stellte sie die Zucht<br />

ein. „Mein letzter Wurf hatte zwölf Welpen und ich hatte<br />

mehr als 60 ernsthafte Interessenten. Dennoch musste ich<br />

zwei Welpen erheblich länger als gewünscht behalten. Die<br />

Interessenten genügten meinen Anforderungen einfach<br />

nicht. Der Ridgeback ist kein Hund, den man in Familien mit<br />

kleinen Kindern führt. Denn er ist ein ungestümes Tier und<br />

braucht Auslastung. Das Tier wächst zwar körperlich rasend<br />

schnell, ist aber geistig erst mit circa drei Jahren erwachsen.<br />

Man muss also sehr ausdauernd und konsequent sein. Als<br />

der Ridgeback in Europa auf einmal bekannt wurde, wollten<br />

sehr viele Menschen so ein Tier haben. Das ist erstens nicht<br />

gut für den Genpool, da viel zu schnell zu viele Hunde gezüchtet<br />

werden, und zweitens nicht gut für die Tiere, denn es<br />

gibt vergleichsweise wenige Menschen, die all den Ansprüchen<br />

gerecht werden können, die so ein Hund stellt. Somit<br />

habe ich die Zucht dann schweren Herzens eingestellt.“<br />

„Die Anschaffung eines Haustieres sollte mehr Vorbereitung erfahren<br />

als der Kauf einer Waschmaschine.“<br />

Cover: © Mosaik Verlag<br />

Ein weiteres Problem ist die Vielzahl der Tierschutzorganisationen.<br />

Woran erkennt man, welche Organisation verantwortungsvoll<br />

handelt und welche nicht? Und mit nicht<br />

verantwortungsvoll meine ich nicht nur die Organisationen,<br />

die tatsächlich kriminell handeln, sondern auch jene Organisationen,<br />

bei denen der Tierschutz unprofessionell ausgeführt<br />

wird und daher das Tier nicht ausreichend schützt.“<br />

Der Verband „Arbeitswelt Tierschutz Schweiz“ hat daher<br />

folgendes Ziel: eine Professionalisierung des Berufsbildes<br />

der „Tierschutzfachperson“. Man möchte hierbei den Tierschützer<br />

zum Ausbildungsberuf machen, um damit den Anforderungen<br />

des Tierschutzes gerecht zu werden.<br />

Sollten wir also keine Haustiere haben?<br />

Im Gegenteil, denn wenn wir uns richtig informieren und<br />

verantwortungsvolle Entscheidungen treffen, auch im Sinne<br />

der Tiere, können sowohl Hund wie auch Herrchen auf<br />

vielen Ebenen von dieser Beziehung profitieren. Dafür ist<br />

es elementar wichtig, sich mit den Bedürfnissen und Anforderungen<br />

des jeweiligen Tieres auseinanderzusetzen und<br />

kritisch abzuwägen, wie diese in den Alltag integriert werden<br />

können. „Bevor wir uns eine neue Waschmaschine kaufen,<br />

machen wir uns häufig schlauer als vor der Anschaffung<br />

eines Haustieres. Dabei gibt es heute so viele Möglichkeiten,<br />

sich einfach zu informieren“, sagt Susy Utzinger. Viele<br />

Organisationen und Verbände, Tierärzte und Trainer stehen<br />

dem zukünftigen Besitzer gerne zur Seite.<br />

INKEN REHBURG<br />

arbeitete lange in der IT Branche. Der Neuanfang als Tierhomöopathin<br />

und -ernährungsberaterin gab ihrer beruflichen Tätigkeit einen<br />

für sie sinnstiftenden Inhalt. Mit Begeisterung beschäftigt sie sich<br />

seitdem mit weiteren Formen der ganzheitlichen Medizin. Nebenher<br />

arbeitet sie als freie Journalistin.<br />

Buchtipp<br />

Maike Maja Nowak<br />

Abenteuer Vertrauen. Vollkommen,<br />

aber nicht perfekt.<br />

Wie können wir uns wertvoll und<br />

richtig fühlen und aufhören, nach<br />

Optimierung zu suchen? Oft haben<br />

wir das Gefühl, den Anforderungen<br />

unseres Lebens nicht entsprechen<br />

zu können, obwohl wir vollkommene<br />

Wesen sind, solange wir im Einklang<br />

mit unserer Natur stehen.<br />

Maja Nowaks Erlebnisse mit dem<br />

Leithund Raida und die 18-jährige<br />

Erforschung der sozialen Gemeinschaft<br />

von wilden Hunden und<br />

Haushunden stehen im Zentrum<br />

dieses Buches und machen deutlich,<br />

wie Hunde uns lehren können, unsere Wahrnehmung zu schulen und<br />

zu dem zurückzukehren, was in jedem von uns vollkommen ist.<br />

2<strong>01</strong>8, 368 Seiten, deutsch, ISBN 978-3-442-17749-3, 10,- EUR<br />

www.mosaik-verlag.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

15


SCHWERPUNKT | TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE<br />

Maja Nowak vermittelt eine ganz neue Sicht auf das Verhalten und die Bedürfnisse von Hunden und ermöglicht uns somit, ihre natürlichen<br />

Talente zu fördern. Durch eine au<strong>the</strong>ntische Beziehung zu Hunden lernen wir auch viel über unser menschliches Miteinander.<br />

ROLLEN, RANG,<br />

RESSOURCEN<br />

Was wir von Hunden lernen können<br />

Die intensive Beobachtung der sozialen Gemeinschaft von wilden Hunden, aber auch von Haushunden,<br />

fördert ein archetypisches Verhalten zutage, von dem wir wertvolle Anregungen erhalten können: von der<br />

Kindererziehung bis zur Mitarbeiterführung und vor allem zur eigenen Selbstentfaltung.<br />

Von Maja Nowak<br />

Gerade befindet sich Bernhardt in einem Einstellungsgespräch<br />

und wägt seine potentielle neue Chefin ab. Sie wirkt<br />

souverän und ihre Präsenz beeindruckt ihn. Bernhardt<br />

überprüft diesen Eindruck mit einem kleinen Manöver, das<br />

er gern durchführt, um heraus zu finden, ob und wie ein<br />

anderer sich gegen ihn durchsetzen kann. Er beginnt dann,<br />

sich ausschweifend zu äußern und es ist fast unmöglich, ihn<br />

darin zu unterbrechen. Beim Versuch einer Gegenaktion,<br />

legt Bernhardt nur einen drauf und macht noch intensiver<br />

weiter. Schweigt sein Gegenüber dagegen und tritt zurück,<br />

kommt Bernhardt einfach näher heran und wird raumgreifender<br />

als zuvor.<br />

Bei dieser Begegnung hier honoriert die Chefin Bernhardts<br />

Aktionismus mit einem langen, festen Blick, der von keinem<br />

Wimpernschlag mehr unterbrochen wird. Bernhardt spürt<br />

die Kraft darin und etwas in ihm jubelt. Denn neben seinem<br />

Bestehen auf Selbständigkeit hat er Sehnsucht nach jemandem,<br />

dem er Entscheidungen und Handlungen zutraut, die<br />

er selbst nicht bewältigen kann.<br />

Talente, die sich ergänzen<br />

Die soeben geschilderte Situation war ein „Einstellungsgespräch“<br />

unter Hunden, welches ich gerade im Hundeauslaufgebiet<br />

in Berlin Frohnau erlebte: Terrier Bernhardt rannte<br />

von Hund zu Hund, versuchte jeden in seinen Aktionismus<br />

zu verstricken, hatte einen Heidenspaß, Extrovertier<strong>the</strong>it zu<br />

leben und seine Grenzen zu suchen. Er wurde dabei immer<br />

ausgelassener und verrückter, bis er eine Vollbremsung vor<br />

einer Leithündin im Rassemantel eines Retrievers machte.<br />

Jene empfing den Terrier hoch aufgebaut und vollkommen<br />

ungerührt. Bernhardt senkte die Rute ab, legte die Ohren<br />

nach hinten und wirkte für einen Moment beeindruckt. Dann<br />

sprang er auf, um nun in kleinen Kreisen um die Leithündin<br />

herum zu rennen. Mitunter setzte er direkt auf sie zu, bellte<br />

und beobachtete im Davonlaufen, ob sie in seinen Aktionismus<br />

einstieg oder nicht. Die Leithündin blieb bewegungslos<br />

stehen und schien Bernhardt mit ihrem Blick „Du kommst zur<br />

Ruhe!“ ins Bewusstsein zu stanzen. Der Terrier entspannte<br />

sich und leckte ihr schließlich anerkennend die Lefzen, was<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Maika Maja Nowak<br />

16 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Eifrig versucht der extrovertierte Terrier alle in seinen Aktionismus zu verstricken. Erst die entschlossene Ruhe des anderen Hundes<br />

ermöglicht ihm den Zugang zu seinen eigentlichen Ressourcen, die er nun selbstbewusst ins Hunde-Team einbringen kann.<br />

sie mit einem weichen Wedeln ihrer Rute quittierte. Wären<br />

sie Straßenhunde, würden sie nun vielleicht zusammen<br />

losziehen und hätten beim Überleben beide einen Gewinn<br />

vom Zusammenschluss ihrer Ressourcen. Ein flinker Handler<br />

und eine gelassene Entscheiderin – was könnte sich besser<br />

ergänzen…<br />

Wer sollte Chef sein?<br />

Gehen wir einmal in die folgende Chef-Mitarbeitersituation<br />

in der Menschenwelt:<br />

An<strong>to</strong>n, der Chef einer Firma ärgert sich gerade über die Sturheit<br />

seines Mitarbeiters, Herrmann. Dieser drückt seit Minuten<br />

beharrlich seine Verweigerung durch Schweigen und<br />

Reservier<strong>the</strong>it aus. An<strong>to</strong>n kennt diese Situation bereits, die<br />

immer dann auftritt, wenn der Abteilungsleiter, Herrmann,<br />

eine Entscheidung von ihm anzweifelt. An<strong>to</strong>n verschärft den<br />

Tonfall – weiß jedoch aus Erfahrung, dass Herrmann sein<br />

Schweigen so nur verstärkt. Dennoch versucht er, durch<br />

Druck und Kontrolle seine Macht zu erhöhen.<br />

Diese Situation betrifft einen Klienten von mir, den ich eigentlich<br />

kennen lernte, weil er mit der Führung seines Hundes<br />

vollkommen überfordert war. Im Laufe unserer Arbeit zeigte<br />

sich jedoch, dass auch seine Führungsrolle in der Firma nicht<br />

in Übereinstimmung mit seinen natürlichen Kompetenzen<br />

schien. Nach einem Besuch in seiner Firma und dem Kennenlernen<br />

der engsten Mitarbeiter, fand ich im Einzeltermin<br />

mit An<strong>to</strong>n heraus, dass ein Rangtausch zwischen ihm und<br />

Herrmann bereits reichen würde, um die Überforderung zu<br />

beenden. An<strong>to</strong>n ist ein extrovertierter, direkter und phantasievoller<br />

Typ aus dem viele Fähigkeiten impulsiv heraus<br />

drängen, wenn er sie nicht künstlich zurückhält, um einen<br />

ruhigen Chefeindruck zu erwecken. Durch sein Temperament<br />

verzettelt er sich gern, setzt seine Hartnäckigkeit zu oft zum<br />

Rechthaben ein und verliert mitunter Ziele aus dem Blick,<br />

weil er bereits über sie hinaus geschossen ist. Könnte er<br />

sich einer guten Führung anvertrauen, würde er mit seinen<br />

Ressourcen konstruktive Auseinandersetzungen und kr<strong>eat</strong>ive<br />

Prozesse in Gang bringen. Er wäre dann in der Lage, seine<br />

Ideen klar und hartnäckig zu verfolgen und durch ihre selbständige<br />

Umsetzung loyal die Entwicklung der Firma z.B. als<br />

Entwicklungsleiter stärken.<br />

Herrmann, der jetzige Abteilungsleiter trägt dagegen genau<br />

die Kompetenz der Führerschaft in sich – hatte bisher jedoch<br />

Angst, sie zu leben. Sein Unmut verschaffte sich bald Ausdruck<br />

in der Herablassung über An<strong>to</strong>ns Chefqualitäten und<br />

kreierte dadurch ein destruktives Feld für beide.<br />

Ressourcen optimal nutzen<br />

Auch An<strong>to</strong>ns Hund hatte sich nicht in die Irre führen lassen<br />

vom vorgetäuschten Rang seines Menschen, der nicht mit<br />

dessen natürlichen Ressourcen übereinstimmte. Hunde in<br />

einer Gruppe spüren instinktiv wo der richtige Platz für sie in<br />

der Gruppe ist. Sie leben ihre Rollen dabei ihren Ressourcen<br />

entsprechend und richten sie auf eine stärkende Ergänzung<br />

untereinander aus – wenn sich der Mensch nicht einmischt.<br />

Die allgemeine Beobachtung, dass Hunde einen Leithund<br />

mit unterwürfigen Sozialgesten grüßen und ihn so ihrer<br />

Zusammenarbeit versichern, brachte uns Menschen zu der<br />

Annahme, Leithunde wären in der Rangordnung höher und<br />

die anderen Hunde niedriger gestellt. Tatsächlich jedoch<br />

ist dies eine Projektion unserer eigenen Machtstruktur auf<br />

andere, denn sie lässt die Wahrnehmung aus, dass Leithunde<br />

wiederum auch einem Mitarbeiterhund wertschätzende<br />

Sozialgesten schenken. Diese haben nur eine andere Form<br />

– nicht jedoch einen geringeren Wert. Das „Ranghöher“ in<br />

der menschlichen Struktur macht uns blind für die Werte<br />

sogenannter Rangniedriger.<br />

In einem Experiment 2<strong>01</strong>5 stellte ich mehrere Hunde, die<br />

sich zuvor nicht kannten, für eine Woche in Gruppen zusammen.<br />

In jeder Gruppe waren Hunde mit Führungsqualitäten<br />

und Hunde mit ausführenden Qualitäten. Dabei griff ich<br />

ausschließlich auf Eigenschaften zurück, die ganz natürlich<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

17


Maja Nowak nutzt das einzigartige Einfühlungsvermögen von Hunden als Seelenkompass für den Menschen. Durch ihren Heilansatz<br />

„Du selbst sein“ werden schlummernde Fähigkeiten von Hunden und Menschen entdeckt und gestärkt.<br />

vorhanden und nicht durch Dressur erreicht worden waren.<br />

Das beinhaltete z.B. nicht nur extrovertierte, flinke Handler<br />

– sondern auch introvertierte Überprüfer in einer Gruppe<br />

zusammen zu bringen. Auch waren wagemutige „Außendienstmitarbeiter“<br />

genauso nötig, wie treue „Innendienstmitarbeiter“.<br />

Weiterhin war zu beachten, dass z.B. ein sanfter,<br />

weicher Mitarbeiterhund seine innere Kraft mit einem rassebedingt<br />

eher strengen Leithund oft nicht entfalten und somit<br />

die Gruppe auch nicht stärken kann – wie umgekehrt. Alle<br />

Hunde gingen sofort in Beziehungsverhandlungen und sagten<br />

deutlich aus, welche Partner nötig waren um Zusammenhalt,<br />

Ausgeglichenheit, Lebensfreude und Stärke zu kreieren. Das<br />

Experiment beinhaltete, zu beobachten, ob und wie man<br />

einem Hund helfen könne, der durch Trauma oder Dressur<br />

keinen Zugriff mehr auf seine natürlichen Ressourcen und<br />

damit auf seine innere Kraft hat. Vor täglich 50 Zuschauern<br />

dolmetschte ich die Prozesse, die unter den Hunden stattfanden<br />

und erlebte dabei fassungsloses Staunen bei den<br />

Teilnehmern. Die Anregungen, die die Hunde uns Allen für<br />

den Weg der Heilung und zur Rückkehr in die Ech<strong>the</strong>it gaben,<br />

waren so beeindruckend, dass sich ein Jahr später bei einem<br />

Vortrag vor einhundert Ärzte und Therapeuten in Bielefeld,<br />

diese mit der Videoauswertung der Veranstaltung befassten,<br />

um Inspirationen für ihre Arbeit zu gewinnen. Das Projekt<br />

hieß: “Leinen los – und leben!“<br />

Leinen los und leben<br />

Übertragen auf uns Menschen würde das bedeuten, symbolisch<br />

die Fäden zu durchtrennen, die uns wie Marionetten<br />

auf dem gesellschaftlichen Parkett halten. Sich diese innere<br />

Freiheit zu erobern, erfordert Mut und das Bewusstsein für<br />

seinen eigenen Wert. An<strong>to</strong>n wagte sich zuerst nicht, den<br />

falschen Führerrang aufzugeben, weil er Angst hatte, als<br />

gesellschaftlicher Versager dazustehen sowie Eltern, Frau<br />

und Freunde zu enttäuschen. Später schrieb er mir einen<br />

Brief, in dem stand: “Ich bin ein so guter Hofberater und will<br />

kein schlechter König mehr sein, um zu gefallen.“ Tatsächlich<br />

hatte er sich selbstständig gemacht mit einem Projekt,<br />

in dem ein Freund führte und Bernhardt vorwiegend selbständig<br />

ausführte.<br />

Unsere Welt ist voll mit unfähigen Königen, die Angst haben,<br />

ihre Überforderung zuzugeben, wenn sie ihnen überhaupt<br />

bewusst ist. Solange wir nicht anerkennen, dass wir dringend<br />

wieder ein Bewusstsein für vorhandene Ressourcen<br />

entwickeln müssen, werden wir weiter die einzige Gattung<br />

auf der Welt sein, die sich selbst umbringt, weil sie ihre und<br />

andere Ressourcen zerstört.<br />

Mit jedem Kind, dem wir die Ressource der Introvertier<strong>the</strong>it<br />

durch Beschleunigung nehmen, rauben wir uns eine überprüfende,<br />

bewahrende Kraft. Mit jedem Kind, das wir für<br />

seine Extrovertier<strong>the</strong>it tadeln und es dauerhaft auszubremsen<br />

suchen – verlieren wir schnell zur Verfügung stehende<br />

Ressourcen für die Gemeinschaft. Jedes, zur Selbstständigkeit<br />

fähige, Kind, das von unselbständigen Erwachsenen immer<br />

wieder bevormundet wird, kann später keine natürlich gewachsene<br />

Führerschaft mehr beitragen. Jedes Kind, das<br />

Führung möchte und ständig zur Selbständigkeit ermahnt<br />

wird – wird später nicht mehr freudig und kompetent Entscheidungen<br />

von Führungskräften ausführen.<br />

Wir können weiterhin versuchen, Kinder und Hunde zu<br />

Rollen zu dressieren, die wir glauben besetzen zu müssen,<br />

auch wenn wir selbst uns darin bereits unglücklich und ausgebrannt<br />

fühlen.<br />

Oder wir entdecken und stärken vorhandene Ressourcen und<br />

schaffen damit eine Basis, um auch zu unserer eigenen Ech<strong>the</strong>it<br />

zurück zu finden. Es ist nicht anstrengend, man selbst<br />

zu sein – das ist eine sehr frühe Erfahrung – vor der Dressur.<br />

In diesem Sinne wünsche ich allen viel Sehnsucht nach sich<br />

selbst.<br />

Maja Nowak<br />

wurde durch ihre 17-jährige Beobachtung der sozialen Gemeinschaft<br />

von wilden Hunden und von Haushunden zu ihrem Beratungs- und<br />

Heilungsansatz DU SELBST SEIN – Wegbereiter Mensch wie Hund<br />

inspiriert. Sie ist erfolgreiche Schriftstellerin und internationale<br />

Seminarleiterin. Mit Bestsellern wie „Wanja und die wilden Hunde“<br />

und „Abenteuer Vertrauen“ begründete sie eine neue Sicht auf Tiere<br />

und die einzigartige Verbindung von Hunden als Seelenkompass<br />

des Menschen. Ihre Arbeit ist bekannt für eine große, inspirierende<br />

Heilkraft. Das ZDF strahlte 2<strong>01</strong>3 eine Dokumentation über Nowak<br />

unter dem Titel Die Hundeflüsterin aus.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Maika Maja Nowak<br />

18 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE | SCHWERPUNKT<br />

Vom Feld in den Napf<br />

Sie sind auf der Suche nach einem hochwertigen und artgerechten Futter für Ihr<br />

Tier? Gesund, aus besten Bio-Rohs<strong>to</strong>ffen verarbeitet und fein abgestimmt auf die<br />

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grünen Pfotenabdruck<br />

Hunde haben noch nie so viel Fleisch bekommen wie heute, und das hat<br />

Folgen für die Umwelt: Denn ein großer Teil der Treibhausgasemission geht<br />

auf die Fleischproduktion zurück. Hundehalter, die daher auf der Suche<br />

nach einer gesunden Alternative sind, steht nun mit VEGDOG das erste bedarfsdeckende<br />

und zu 100 Prozent pflanzliche, glutenfreie Alleinfuttermittel<br />

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Hundehalter so gemeinsam ca. 180.000 Tonnen fleischhaltiges Hundefutter<br />

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Fo<strong>to</strong>s: © © Demeter-Felderzeugnisse GmbH | © VEGDOG, younikat GmbH | © Hunter International GmbH | © Mosaik Verlag<br />

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werden kompensiert durch Walderhaltung in Tansania.<br />

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19


Damals: Pferde waren unabdingbar. Äcker wurden urbar gemacht, schwere Lasten gezogen, weite Strecken zurückgelegt, sogar ganze<br />

Kontinente wurden hoch zu Ross erobert. Heute ist hierzulande das Pferd als Nutztier ein Bild aus längst vergangener Zeit.<br />

TIME TO EAT THE DOG?<br />

Und nun steht auch noch das Pferd am Pranger…<br />

Mit dem provokanten Buchtitel „<strong>Time</strong> <strong>to</strong> Eat <strong>the</strong> Dog?“ sorgten zwei neuseeländische Au<strong>to</strong>ren für Furore.<br />

Seitdem gelten Hund und Katze immer wieder als Klimakiller. Nun deckt ein Schweizer Unternehmen die<br />

Ökobilanz weiterer Tierarten auf.<br />

Von Sarah Ullmann<br />

2009 wurden sie erstmals bilanziert: die Umweltauswirkungen<br />

der Heimtierhaltung. In ihrem Buch „<strong>Time</strong> <strong>to</strong> Eat <strong>the</strong><br />

Dog“ haben Brenda und Robert Vale berechnet, dass Hund<br />

und Katze einen schlimmeren ökologischen Effekt haben als<br />

ein Au<strong>to</strong>. Für umweltbewusste Hunde- und Katzenbesitzer<br />

war das eine bittere Erkenntnis. Den eigenen Fleischkonsum<br />

kritisch zu hinterfragen, mag ja noch angehen. Doch<br />

nun auch noch die Umweltauswirkungen der vorwiegend<br />

fleischfressenden Lieblinge und damit ihre Haltung ebenfalls<br />

hinterfragen zu müssen, ist nicht angenehm. Nun legte<br />

das auf Ökobilanzierungen spezialisierte Schweizer Unternehmen<br />

ESU-Services noch eins drauf und untersuchte die<br />

Auswirkungen von Tierarten, die bislang noch nicht erfasst<br />

worden waren.<br />

Zahltag für Pferd und Co.<br />

Die Studie der ESU-Services umfasst nicht nur Futter und Hinterlassenschaften<br />

der Haustiere. Auch Behausung, Fahrten<br />

zum Tierarzt oder Ähnliches sowie Anschaffungen wurden<br />

für die Erhebung miteinbezogen. Um die verschiedenen<br />

Fak<strong>to</strong>ren zu messen und zu bewerten, erfasste das Unternehmen<br />

die Auswirkungen auf die Umwelt in so genannten<br />

Umweltbelastungspunkten. Bekannt als „Methode der<br />

ökologischen Knappheit“ ermöglicht dieses Verfahren den<br />

Vergleich mit beispielsweise dem Au<strong>to</strong> beziehungsweise<br />

dessen Kilometerleistung auf ein Jahr gerechnet.<br />

Wie sieht die Bilanz also aus? Unter den Nutztieren ist das<br />

Rind der Anführer der Klimasünder. Die bei der Verdauung<br />

produzierten Gase Methan und Kohlendioxid sind Treibhausgase,<br />

welche sich in der Erdatmosphäre aufstauen und somit<br />

zur Erwärmung des Klimas führen.<br />

Auf Platz Eins der Haustiere landet das Pferd, das in der Studie<br />

die mit Abstand schlechteste Umweltbilanz aufweist. Gemäß<br />

der errechneten Umweltbelastungspunkte ist die Haltung<br />

eines Pferdes vergleichbar mit einer Au<strong>to</strong>fahrt von 21.500<br />

Kilometern und liegt damit um 40 Prozent höher als die<br />

durchschnittliche Nutzung eines Pkws in Deutschland (circa<br />

13.000 Kilometer pro Jahr). Die Hunde-Ökobilanz hingegen<br />

entspricht einer Au<strong>to</strong>fahrt von lediglich 3.700 Kilometern;<br />

die der Katze einer von etwa 1.400 Kilometern.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Christian Birkholz, pixabay.com | © Lori Knisely, pixabay.com<br />

20 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE | SCHWERPUNKT<br />

Zum Turnier, zum Tierarzt und zur Zuchtschau - jetzt wird das Pferd gezogen, nicht andersrum. Und endlich kann der SUV mal zeigen,<br />

wozu seine PS gut sind. Für die meisten Halter ein luxuriöses Hobby, mit erschreckend schlechter Ökobilanz.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Thomas Males<br />

Um ein umfassenderes Bild zu liefern, stellte ESU-Services<br />

ebenfalls die Umweltbelastung der kleineren Haustiervertreter<br />

dar – denn auch Kleinvieh macht bekanntlich Mist.<br />

Zwei Kaninchen, elf Vögel oder 100 Zierfische entsprechen<br />

demnach etwa der Ökobilanz einer Katze.<br />

Fazit: Je größer das Tier, des<strong>to</strong> größer die negative Auswirkung<br />

auf die Umwelt. Allerdings gibt es weitaus mehr Hunde<br />

und Katzen als Pferde, womit sie in der Gesamtbilanz weiterhin<br />

ganz vorne liegen. Als einen ausschlaggebenden Fak<strong>to</strong>r<br />

unterstreicht die Studie die Art der Haltung und Fütterung<br />

der Tiere.<br />

B.A.R.F. verdreifacht die Hundeumweltbelastung<br />

Früher bezog man Hundefutter direkt vom Schlachter oder<br />

Metzger. Nebenprodukte und Abfälle, die selbst in der<br />

Wurst keine Verwendungen mehr fanden, wie so manche<br />

Innereien oder Knochen, waren ein gefundenes Fressen für<br />

den heimischen Vierbeiner. Kurz gekocht, ging die Portion<br />

ab in den Napf.<br />

Auch heute ist das nicht viel anders, denn ein Großteil der<br />

Bestandteile die in Dosen- und Trockenfutter zu finden sind,<br />

stammen aus den Resten unserer Lebensmittelproduktion.<br />

Angereichert mit Gemüse, Getreide, Mineralien und Proteinen,<br />

gekocht oder kaltgepresst, in Dosen verpackt oder<br />

als Pellet-Trockenfutter im Sack, hat der Hundebesitzer ein<br />

Vollfuttermittel, mit dem sein Hund rundum versorgt ist – im<br />

Idealfall, denn natürlich gibt es bei den handelsüblichen Futtermitteln<br />

auch große Qualitätsunterschiede. Fest steht aber,<br />

dass die verwendeten Schlachtabfälle und Nebenprodukte<br />

der Lebensmittelindustrie nur marginal zu Umweltbelastung<br />

beitragen.<br />

Seit einiger Zeit gibt es einen Trend: Beim so genannten BARF<br />

(Biologically Appropriate Raw Food, zu deutsch: biologisch<br />

artgerechte Rohfütterung) wird ausschließlich Rohfleisch<br />

verfüttert, das es frisch oder vorgefrostet zu kaufen gibt.<br />

Da es extra für die Hundeernährung produziert werden<br />

muss, ist der negative Umwelteffekt entsprechend höher.<br />

Das BARF-Ernährungskonzept sieht drei Viertel Rohfleisch<br />

(Fleisch, Innereien, Knochen und Fisch) vor, das übrige Viertel<br />

besteht aus Gemüse. Besitzern wird angeraten, sich mit<br />

dem jeweiligen Bedarf des eigenen Hundes genauestens<br />

auseinanderzusetzen, damit dieser die benötigten Nährs<strong>to</strong>ffe<br />

erhält. Ganz schön kompliziert und außerdem nicht<br />

ganz ungefährlich, denn in den rohen tierischen Produkten<br />

können sich Krankheitserreger befinden, die ein Infektionsrisiko<br />

mit sich bringen.<br />

Es gibt diverse Gründe, die Hundebesitzer anführen, um<br />

eine Rohfütterung zu legitimieren: Es sei ursprünglicher,<br />

hochwertiger und werde angeblich besser verwertet.<br />

Selbst überzeugte Vegetarier vertreten teils diese Meinung,<br />

denn der Hund stamme ja schließlich direkt vom Wolf ab.<br />

Ein Vergleich, der, nach der Meinung von vielen Experten,<br />

hinkt. Der Hund ist ihrer Meinung nach seit Jahrtausenden<br />

ein domestiziertes Tier. Analog dazu habe sich auch seine<br />

Futterverwertung angepasst.<br />

Die gute Nachricht<br />

Trotz des erschreckenden Ergebnisses machen Haustiere<br />

gerade mal ein Prozent der gesamten, durch Konsum bedingten<br />

Umweltbelastungen aus. In erster Linie schlagen<br />

Ernährung, Wohnen und Mobilität zu Buche. Und was wir<br />

alle hören wollen: ESU-Services be<strong>to</strong>nt, dass es auch viele<br />

positive Auswirkungen der Haustiere gibt, die in die Bilanz<br />

nicht einfliessen<br />

Studien zu den positiven Effekten von Haustieren auf die<br />

emotionale und körperliche Verfassung des Menschen sind<br />

bekannt. Außerdem könnte die Anschaffung von Pferd und<br />

Hund zu einem insgesamt umweltfreundlicheren Lebensstil<br />

beitragen. Wer einen Großteil seiner Freizeit draußen verbringt,<br />

hat weniger Zeit für umweltbelastenden Konsum und<br />

schärft im besten Falle auch sein Bewusstsein für die Umwelt.<br />

Wer da nicht erleichtert aufatmet!<br />

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21


SCHWERPUNKT | TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE<br />

STUBENTIGER<br />

UNTER VERDACHT<br />

Katzen als Bedrohung für Salamander, Libelle und Rotkehlchen<br />

Schnurrend sitzt sie auf dem Sofa, fast wie ein drapiertes Kuscheltier. Doch kaum geht die Terrassentür<br />

auf, wird sie zum schleichenden Killer... <strong>forum</strong> sprach mit Dr. Klaus Hackländer, wie gefährlich Katzen<br />

wirklich für die heimische Fauna und Artenvielfalt sind.<br />

Dr. Klaus Hackländer ist<br />

Universitätsprofessor<br />

für Wildtierbiologie und<br />

Jagdwirtschaft an der<br />

Universität für Bodenkultur<br />

Wien. Er leitet<br />

dort das Department für<br />

Integrative Biologie und<br />

Biodiversitätsforschung.<br />

Sein Fachgebiet umfasst<br />

die Ökologie und das<br />

Management von Säugetieren.<br />

Herr Hackländer, wann und wie entwickelte<br />

sich die Katze vom Wild- zum Haustier?<br />

Die in unseren Breiten vertretene Hauskatze<br />

stammt nicht von der europäischen Wildkatze<br />

ab, sondern wahrscheinlich von der libyschen<br />

Falbkatze aus Nordafrika. Sie hat, wie viele andere<br />

fleischfressende Arten auch, irgendwann<br />

Kontakt zu Menschen gesucht, sozusagen um<br />

als Mitesser Abfälle zu nutzen, die der Mensch<br />

nach Fleischverzehr übrig gelassen hat. Man<br />

hat sie auch freudig in den Dörfern aufgenommen,<br />

weil sie in Wohnräumlichkeiten<br />

und vor allem Lagerstätten für Lebensmittel<br />

Schädlinge wie Mäuse und Ratten kurz halten.<br />

Wann genau das war, weiß man nicht, aber<br />

man vermutet circa ein paar tausend Jahre<br />

vor Christus.<br />

Erst viel später wurde sie vom reinen Nutztier<br />

zum Haustier. Doch bereits aus dem späten<br />

Mittelalter und der Renaissance gibt es schöne<br />

Darstellungen von der neuen Beziehung<br />

zwischen Mensch und Tier. Diese gewann im<br />

Bürgertum des 19. Jahrhunderts weiter an<br />

Popularität. Heute ist die Katze weniger als<br />

Nutztier denn als Schmusetiger und Wohnungsgefährte<br />

gefragt.<br />

Trotzdem soll die Hauskatze Auswirkungen<br />

auf unsere heimische Fauna haben?<br />

Das wird in den letzten Jahren ziemlich stark<br />

diskutiert, weil viele der Katzen Freigänger<br />

sind. Sie sind also nicht den ganzen Tag im<br />

Haus oder in der Wohnung, sondern auch<br />

draußen unterwegs. Das bedeutet natürlich<br />

für so eine Art, die sich von Fleisch ernährt<br />

und einen Jagdtrieb hat, dass sie die Beute<br />

auch außerhalb des Futternapfes sucht.<br />

Selbst wenn sie satt ist, hat sie immer noch<br />

den Jagdtrieb und tötet Tiere, die in unmittelbarer<br />

Nähe dieser Wohnung oder des Hauses<br />

sind. Das sind sowohl Libellen, die sie aus der<br />

Luft fangen möchte, aber auch Vögel oder<br />

eben Kleinsäuger. Es gibt sehr viele Studien<br />

weltweit, die belegen, welchen Einfluss das<br />

haben kann. Das ist nicht nur ein Artenschutzproblem,<br />

sondern auch Tierschutzproblem,<br />

weil der Tötungsakt meist ein langer Prozess<br />

ist, der als Qual bezeichnet werden könnte.<br />

Wie viele Tiere durch die Hauskatze getötet<br />

werden, ist schwer zu beziffern. Nicht jede<br />

Beute landet auf der Fußmatte vor der Haustür.<br />

Kleinere Beute wird gleich verschluckt,<br />

zum Beispiel Insekten, andere vielleicht liegen<br />

gelassen, gerade wenn es ein Vogel ist.<br />

Untersuchungen, für die Katzen ein Halsband<br />

mit installierter Kamera tragen, zeigen, wo sie<br />

tatsächlich unterwegs waren und was sie bei<br />

ihren Streifgängen gemacht haben. Diese belegen<br />

aber nur Einzelfälle und es ist schwierig,<br />

diese Zahlen hochzurechnen auf die gesamte<br />

Katzenanzahl im Land. Hinzu kommt, dass wir<br />

gar nicht wissen, wie viele Katzen wirklich<br />

draußen unterwegs sind. Denn neben den<br />

Freigänger, gibt es auch wirklich verwilderte<br />

Hauskatzen. Wir tappen hier zwar im Dunkeln,<br />

haben aber starken Grund zur Annahme, dass<br />

Katzen gerade in besiedelten Bereichen einen<br />

sehr großen Einfluss auf die ohnehin schon<br />

unter Druck stehende Tierwelt haben.<br />

In den Medien wird die Katze als eine der<br />

hundert invasivsten Arten weltweit beschrieben,<br />

stimmt das?<br />

Invasiv ist eine Art immer dann, wenn sie gebietsfremd<br />

ist und negativ auf ein Ökosystem<br />

wirkt. Durch den Menschen gelangte die<br />

Katze überallhin. Denken Sie an Inseln, auf<br />

denen flugunfähige Vögel leben. Neuseeland<br />

Fo<strong>to</strong>: © Klaus Hackländer<br />

22 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE | SCHWERPUNKT<br />

beispielsweise gibt Unmengen an Geld aus, um die Katze zu<br />

bekämpfen und damit die Biodiversität zu schützen.<br />

Gibt es seitens des Gesetzgebers Bemühungen, um den<br />

Effekt zu regulieren?<br />

Es gibt eine gesetzliche Einschränkung, und die ist in einigen<br />

Jagdgesetzen verankert. Wenn die Katze außerhalb einer<br />

Ortschaft angetroffen wird, dann muss der Jagdaufseher<br />

das Tier töten. Das wird aber aus verständlichen Gründen<br />

nicht rigoros durchgeführt. Eine andere Möglichkeit wäre,<br />

die Katze lebend zu fangen, dem Besitzer zurückzubringen<br />

und diesen aufzuklären. Aber durch die oft fehlende individuelle<br />

Markierung, wie zum Beispiel das Chippen, sind solche<br />

Katzen nicht zuzuordnen.<br />

In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wurde das Töten durch<br />

Novellierung des Jagdgesetzes verboten. Das heißt, die Jagdausübungsberechtigten<br />

fangen die Katzen mit Lebendfallen<br />

und bringen sie ins Fundamt. Diese quellen über, und es wird<br />

deutlich, wie relevant das Problem eigentlich ist.<br />

Was in jedem Fall schwierig ist, ist die Freigänger nicht mehr<br />

rauszulassen. Ist die Katze einmal an den Freigang gewöhnt,<br />

wird sie jede Gelegenheit nutzen, rauszukommen und ihrem<br />

Trieb nachzugehen.<br />

Eine andere Möglichkeit ist die Reduktion der Individuen insgesamt.<br />

Was man diskutiert, neben der Markierungspflicht,<br />

ist die Kastration der normalen Hauskatze, um eine weitere<br />

Vermehrung zu vermeiden. In Österreich gibt es diese Pflicht<br />

bereits, aber die Implementierung ist schwierig. Denn wo<br />

kein Kläger, da kein Richter.<br />

Was ist Ihre Empfehlung für mögliche Maßnahmen, um die<br />

negativen Effekte der Katzenhaltung abzupuffern?<br />

Es gibt zum Beispiel die Idee, dass man Katzen eine kleine<br />

Glocke umhängt, damit sie offensichtlicher für ihre<br />

Beute sind. Das ist die günstigste Lösung. Die Beutezahl<br />

wird auch reduziert und aber dafür löst sie bei den Beutetieren<br />

erhöhten Stress aus. Das wirkt sich direkt auf<br />

deren Wohlbefinden aus, somit aber auch indirekt auf<br />

die Krankheitsresistenz oder etwa die Reproduktionsrate<br />

dieser Tierarten.<br />

Um das Jagdverhalten einzudämmen, hilft auch die Kastration.<br />

Die Tiere werden ein bisschen gemütlicher. Ansonsten<br />

kann man nicht viel machen.<br />

Das Einzige was wirklich hilft, ist die Anzahl der Katzen zu<br />

reduzieren, das ist auch die Forderung von Tierschutzverbänden.<br />

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23


SCHWERPUNKT | TIERISCHE GESCHÄFTE – HAUSTIERE<br />

Heimisch in Wüsten und Regenwäldern und auch in deutschen Wohnzimmern häufig anzutreffen. Doch selbst große und aufwendig<br />

gestaltete Terrarien können den natürlichen Bedürfnissen von Reptilien und andere Exoten nicht gerecht werden.<br />

DAS LEID EXOTISCHER<br />

TIERE IN DEUTSCHEN<br />

WOHNZIMMERN<br />

Schlangen, Spinnen, Skorpione oder Bartagamen – Exotische Tiere sind faszinierend und müssen weder<br />

spazieren geführt noch beschäftigt werden. Doch was den Besitzern eine Freude ist, ist nicht an ein Leben<br />

mit dem Menschen angepasst. Für alle diese Tiere gilt: Ein artgerechtes Leben ist in Gefangenschaft<br />

nicht möglich.<br />

Von Jana Hoger<br />

Bis zu 850.000 exotische Tiere werden dem statistischen<br />

Bundesamt zufolge jährlich nach Deutschland importiert.<br />

Dabei umfasst diese Zahl lediglich Fälle, die dem Zoll gemeldet<br />

wurden – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Ein<br />

Großteil der „Exoten“, die schließlich in Privathand landen,<br />

erkrankt früher oder später aufgrund haltungsbedingter<br />

Fehler. Ein Grund dafür ist, dass ihre Lebensbedingungen in<br />

Gefangenschaft schlicht unzureichend sind. Manche Tiere<br />

möchten beispielsweise graben, klettern oder schwimmen.<br />

Selbst die größten Bemühungen, ihren natürlichen Bedürfnissen<br />

mit einem aufwendig gestalteten Terrarium gerecht zu<br />

werden, reichen in der Regel nicht aus – in der Natur gibt es<br />

nun einmal keine Glaswände. Hinzu kommt, dass sich die Tiere<br />

schnell bedroht fühlen. Bereits der Blick eines Menschen<br />

kann ihnen Unbehagen bereiten. Heben wir sie hoch – etwa<br />

bei einem Tierarztbesuch – erhöht sich der Stress immens,<br />

da natürliche Feinde sie auf diese Weise überwältigen.<br />

Tiere sind kein Deko-Element<br />

Wir müssen erkennen, dass exotische Tiere keine Deko-Elemente<br />

sind, sondern empfindsame Lebewesen. Schlangen<br />

beispielsweise sind taub, nehmen jedoch selbst geringe<br />

Vibrationen wahr. Sie in einem von Menschen bewohnten<br />

Raum einzuquartieren, führt unweigerlich zu erheblichem<br />

Stress. Auch Schildkröten sind sehr sensibel und sollten<br />

nicht in kleine Glaskästen gepfercht werden. Die griechische<br />

Landschildkröte etwa legt in der freien Natur täglich<br />

zwischen 80 und 400 Metern zurück. Kein Terrarium<br />

ist vergleichbar mit natürlichen Revieren von 1,8 Hektar<br />

oder mehr. Darüber hinaus reagieren Tiere, die für den<br />

deutschen Heimtiermarkt bestimmt sind, mitunter sehr<br />

stark auf klimatische Veränderungen. Die meisten Chamäleon-Arten<br />

etwa fühlen sich bei Temperaturen zwischen 20<br />

und 30 Grad Celsius wohl, allerdings muss die Temperatur<br />

nachts bei vielen Arten stark gesenkt werden. Auch andere<br />

Fo<strong>to</strong>: © Javier Salguero, pixabay.com | © Robert Balog, pixabay.com<br />

24 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Erst in Massenzuchtanlagen im Ausland „produziert“ und anschließend in Plastikbehälter für den Export verpackt, meist ohne Trinkwasser.<br />

Destination: Reptilien- und Terraristikbörsen. Viele überleben nicht einmal den qualvollen Transportweg.<br />

Fo<strong>to</strong>: © PETA Deutschland e.V. | ©<br />

„Exoten“ haben hohe Anforderungen an ihren Lebensraum.<br />

Viele von ihnen zeigen in Gefangenschaft Verhaltensauffälligkeiten<br />

und versuchen beispielsweise, die Glaswände<br />

hinaufzulaufen. Oftmals sind jedoch Schmerzen, Angst oder<br />

Krankheiten nur schwer erkennbar oder das Verhalten wird<br />

fehlinterpretiert.<br />

Auch für Menschen gefährlich<br />

Exotische Tiere, etwa giftige Spinnen oder Würgeschlangen,<br />

können dem Menschen direkt gefährlich werden. Aber es gibt<br />

noch andere Gefahren: Zum Beispiel tragen schätzungsweise<br />

90 Prozent der in Gefangenschaft gehaltenen Reptilien Salmonellose-Erreger<br />

in sich. Für die Tiere selbst ungefährlich,<br />

sind die exotischen Salmonellen für Menschen mögliche<br />

Ursache für schwere Erkrankungen und können etwa zu einer<br />

Gehirnhautentzündung führen. Die Erreger werden nicht nur<br />

über den direkten Kontakt übertragen; eine Infektion ist auch<br />

indirekt über Gegenstände möglich.<br />

Missstände im „Exotenhandel“<br />

Viele „Exoten“ werden in Massenzuchtanlagen im Ausland<br />

„produziert“, bei einigen Tierarten handelt es sich<br />

sogar um Wildfänge. Auf dem Weg über die Großhändler<br />

in die Geschäfte müssen sie oftmals tagelang ohne Trinkwasser<br />

ausharren, erkranken, verletzen sich und werden<br />

nicht tierärztlich versorgt. Zahlreiche Tiere sterben bereits<br />

während des Transports. Sterberaten von bis zu 70 Prozent<br />

sind einkalkuliert. Die überlebenden Tiere sperren<br />

Händler häufig – und manchmal sogar über Jahre hinweg<br />

– in kleine Plastikboxen. Reptilien und andere Wildtiere<br />

stehen in Zoohandlungen, im Internet und selbst in einigen<br />

Baumärkten zum Verkauf. Reptilien- und Terraristikbörsen,<br />

auf denen regelmäßig Verstöße entdeckt werden, finden in<br />

vielen Städten statt. Dort werden die anspruchsvollen Tiere<br />

teilweise wie billiger Trödel verramscht. Da der Profit im<br />

Vordergrund steht, verkaufen Händler – die zumeist selbst<br />

unzureichend über die Bedürfnisse und das Verhalten der<br />

angebotenen Tiere informiert sind – die sensiblen Wildtiere<br />

auch an Laien. Entsprechend sind die Tierhalter schon kurz<br />

nach dem Kauf mit den Tieren überfordert oder unterschätzen<br />

den auch technischen und somit finanziellen Aufwand.<br />

Da diese Halter nicht fachkundig sind, Symp<strong>to</strong>me nicht<br />

oder zu spät erkennen und mitunter keinen spezialisierten<br />

Tierarzt in der Nähe haben, sterben viele Tiere frühzeitig.<br />

Nicht selten werden exotische Tiere in Privathand jedoch<br />

auch ausgesetzt oder in ohnehin bereits überfüllte Tierheime<br />

gebracht.<br />

Privathaltung muss auslaufen<br />

Einige der hierzulande angebotenen Tiere sind bedroht<br />

und in ihren Herkunftsländern streng geschützt. Doch<br />

Deutschland ist dahingehend ein nahezu rechtsfreier Raum.<br />

Organisationen wie PETA fordern deswegen ein Haltungsverbot<br />

von exotischen Tieren in Privathand. Ein Verbot von<br />

Exotenbörsen ist aufgrund der mehrfach dokumentierten,<br />

massiven Missstände ebenfalls unerlässlich. Hier liegt die<br />

Verantwortung vor allem bei den Städten und Kommunen:<br />

Passau geht mit gutem Beispiel voran und hat 2<strong>01</strong>6 als erste<br />

deutsche Stadt beschlossen, keine Veranstaltungen mehr<br />

zuzulassen, auf denen exotische Tiere zur Schau gestellt und<br />

verkauft werden.<br />

www.peta.de<br />

JANA HOGER<br />

ist gelernte tiermedizinische Fachangestellte und seit 2<strong>01</strong>7 bei PETA<br />

Deutschland e.V. als Fachreferentin für alle Themen rund um tierische<br />

Mitbewohner zuständig.<br />

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25


Sie leiden an Immunschwäche, Gebissfehlstellung, frieren schnell und bekommen Sonnenbrand – für Nackthunde und -katzen ein rassetypisches<br />

Krankheitsbild und Merkmal zugleich. Die Ursache: Sie sind Modetiere und werden gezielt für diesen Trend gezüchtet.<br />

WENN DIE ZUCHT<br />

ZUR QUAL WIRD<br />

Sie sind im Trend: kurzköpfige Hunde wie der Mops, die Französische Bull<strong>dog</strong>ge oder der Bos<strong>to</strong>n Terrier.<br />

Einige von ihnen schnarchen und röcheln, und genau das finden viele Menschen niedlich. Dass dahinter<br />

meist ein ernsthaftes gesundheitliches Problem steckt, erkennen sie erst später. Denn zum Extrem getrieben<br />

kann dieser „Trend“ zur Tierquälerei werden: der „Qualzucht“.<br />

Von Nadia Wattad<br />

Seit längerer Zeit zeichnet sich zum Leid vieler Hunde der<br />

Trend ab, ihnen gezielt einen kurzen, runden Kopf anzuzüchten.<br />

Dadurch schieben sich Ober-und Unterkiefer mitsamt<br />

allen umliegenden Strukturen zusammen und werden<br />

ineinander gepresst. Bei der von Menschen gemachten<br />

Kurz- oder Rundköpfigkeit (Brachyzephalie) ist die Haut über<br />

der Nase und im Gesicht in Falten gelegt. Die Augen treten<br />

hervor und der Schädel ist kugelrund geformt. Dadurch entsteht<br />

ein Kindchenschema, das offensichtlich viele Menschen<br />

anspricht. Bestimmte Hunde wurden daher nach und nach<br />

auf immer rundere Köpfe mit kurzen Schnauzen und großen,<br />

hervorstehenden Kulleraugen gezüchtet. Solche Hunderassen,<br />

zu denen unter anderem der Mops, die Französische<br />

Bull<strong>dog</strong>ge oder der Bos<strong>to</strong>n Terrier gehören, sind Modehunde,<br />

die als besonders niedlich gelten und in der Öffentlichkeit<br />

allgegenwärtig sind. Doch durch die angezüchtete Kurz- beziehungsweise<br />

Rundköpfigkeit leiden die Tiere an Atemnot.<br />

In besonders schweren Fällen kann diese sogar phasenweise<br />

zur Bewusstlosigkeit führen, da das Gehirn nur ungenügend<br />

mit Sauers<strong>to</strong>ff versorgt wird. Bei längerer Dauer führt das zu<br />

Gehirnschäden oder schlimmstenfalls zum Tod. Anstrengung,<br />

stressige Situationen oder hohe Umgebungstemperaturen<br />

verstärken die Atemnot. Da diese Rassen ihre Körpertemperatur<br />

nur schwer regulieren können, besteht außerdem<br />

die Gefahr, einen Hitzschlag zu erleiden<br />

Seltsame Schönheitsideale<br />

Doch die Kurzköpfigkeit ist kein Einzelfall. Nackthunde und<br />

Nacktkatzen zählen ebenfalls zu den Qualzuchten: Die haarlos<br />

gezüchteten Tiere haben eine Immunschwäche, Gebissfehlstellungen,<br />

frieren schnell, bekommen rasch einen Sonnenbrand<br />

und ihre Nachkommen sind oft nicht lebensfähig.<br />

Bei rein weißen Katzen gibt es problematische Züchtungen,<br />

die aufgrund einer genetischen Kopplung mit der Fellfärbung<br />

taub sein können. Und auch vor den kleinen Heimtieren<br />

macht die Qualzucht nicht halt: So gibt es auch unter den<br />

Meerschweinchen nackte Rassen. Manche Widderkaninchen<br />

leider unter ihrer überproportionalen Ohrlänge, die sie in<br />

ihren Bewegungen behindert. Zudem wird über die großen<br />

Ohren zu viel Körperwärme abgeführt.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Rony Michaud, pixabay.com<br />

26 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Links: Die Röntgenaufnahme des Kopfes einer Französischen Bull<strong>dog</strong>ge veranschaulicht die Extremform der krankmachenden Zucht.<br />

Rechts: Schädel eines Mischlings. Nase und Schädelform entsprechen der eines gesunden Hundes. Ein erschreckender Vergleich.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Deutscher Tierschutzbund e.V. | © Lisa Hoth<br />

Augen auf beim Tiereinkauf<br />

<strong>forum</strong> sprach mit Lisa Hoth, der Fachreferentin für Heimtiere<br />

beim Deutschen Tierschutzbund.<br />

Was raten Sie Menschen, die sich<br />

für Hunderassen wie den Mops interessieren?<br />

Ich kann von der Anschaffung eines<br />

kurzköpfigen Hundes nur abraten.<br />

Liegt eine Qualzucht vor, muss ein<br />

Tier meist immer wieder medizinisch<br />

behandelt werden. Zukünftige<br />

Hundebesitzer können die Entwicklung<br />

dieser Rassen maßgebend<br />

beeinflussen. Wird der kurzköpfige<br />

Hund nicht mehr gekauft, wird sich<br />

auch das Zuchtziel ändern.<br />

Welche Hilfe gibt es für kurzköpfige Hunde?<br />

Manchen Hunden kann operativ geholfen werden. Oft sind allerdings<br />

mehrere Eingriffe über einen längeren Zeitraum notwendig.<br />

Die Kosten für eine solche Behandlung liegen bei 700 bis 4.000<br />

Euro. Nachkontrollen und Folgebehandlungen bei Komplikationen<br />

sind hier noch nicht eingerechnet. Es ist absurd, dass der Mensch<br />

einen Hund nach einem falschen Idealbild ana<strong>to</strong>misch so krank<br />

züchtet und ihn anschließend operieren lässt.<br />

Warum lässt sich diese Art der Zucht nicht verbieten?<br />

Das Qualzuchtgutachten gibt nur einen kleinen Ausschnitt der<br />

betroffenen Tierarten wieder, und es umfasst auch nicht die aktuellen<br />

Entwicklungen der letzten Jahre. Diese Tatsache bereitet dem<br />

Vollzug Schwierigkeiten. Im Moment können Ämter und Gerichte<br />

immer nur Einzelfallentscheidungen treffen, nicht aber bestimmte<br />

Zuchtlinien generell ausschließen.<br />

Was fordern Sie?<br />

Es braucht dringend eine Erweiterung des Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes<br />

oder ein zusätzliches Gesetz, das klar definiert, was<br />

als Qualzucht gilt. Nicht nur die Zucht, sondern auch die Haltung<br />

und der Verkauf von Tieren aus Qualzucht sollten verboten werden.<br />

Kaum rechtlicher Schutz<br />

Das Tierschutzgesetz legt in Paragraf 1 fest, dass einem Wirbeltier<br />

ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden<br />

oder Schäden zugefügt werden dürfen. Paragraf 11b, der<br />

sogenannte Qualzuchtparagraf, besagt, dass es verboten ist,<br />

Wirbeltiere zu züchten, wenn als Folge bei der Nachzucht<br />

Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch<br />

fehlen, untauglich sind oder derart umgestaltet sind, dass<br />

hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.<br />

Auch ist die Zucht untersagt, wenn die Nachkommen in der<br />

Haltung unter Schmerzen leiden, die vermeidbar gewesen<br />

wären. Übersetzt heißt das, dass extreme Züchtungen nach<br />

dem deutschen Tierschutzgesetz eigentlich verboten sind.<br />

Die Formulierung im Tierschutzgesetz ist jedoch schwammig<br />

und die Behörden haben Schwierigkeiten, Verstöße<br />

rechtlich zu verfolgen. Allerdings gibt es zusätzlich ein<br />

Qualzucht-Gutachten des damaligen Bundesministeriums<br />

für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von 1999, an<br />

dem der Deutsche Tierschutzbund von Anfang an mitgearbeitet<br />

hat. Es soll den Behörden helfen, diese Züchtungen<br />

zu erkennen und konkret dagegen vorzugehen. Doch die<br />

Veterinärämter und Juristen brauchen noch mehr konkrete<br />

Vorgaben, die einen besseren Vollzug ermöglichen. Leider<br />

sind viele Rassestandards immer noch so konzipiert, dass<br />

die Zuchtziele mit manchen Aspekten einer Qualzüchtung<br />

verbunden sind.<br />

NADIA WATTAD<br />

arbeitet seit 2<strong>01</strong>4 als Redakteurin beim Deutschen Tierschutzbund.<br />

Für das Mitgliedermagazin DU UND DAS TIER schreibt sie über die<br />

Tierschutz<strong>the</strong>men, die den Verband bewegen – von Heimtieren, über<br />

Tiere in der Landwirtschaft und in der Natur bis hin zu Tierversuchen<br />

und Alternativmethoden.<br />

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27


MIETERSTROM MACHT<br />

QUARTIERE SMART<br />

Das Rückgrat zukunftsfähiger Städte ist eine zunehmend dezentrale und digitale Energie-Infrastruktur. Sie<br />

bietet Schnittstellen für diverse Dienstleistungen und Anlagentechnik und steigert damit die Effizienz des<br />

Gesamtsystems. Ein ideales Testfeld sind die Microgrids städtischer Quartiere. Hier werden dezentrale<br />

Stromproduktion und Strombedarf aufeinander abgestimmt, über Bewohner, Heizungsanlagen, Speicher,<br />

Elektroau<strong>to</strong>s und Co. hinweg. Das ermöglicht eine optimierte Ressourcennutzung und Prozessgestaltung,<br />

die für die urbane Entwicklung immer wichtiger wird.<br />

Von Florian Henle<br />

Die Lebensqualität in immer komplexeren und größeren<br />

Ballungsgebieten aufrecht zu erhalten, erfordert einen<br />

zunehmend effizienten, klima- und umweltfreundlichen<br />

Umgang mit den natürlichen Ressourcen sowie Angebote<br />

zum sozialen Miteinander, wie zum Beispiel das Car- oder<br />

Room-Sharing. Technik und Digitalisierung sind dabei kein<br />

Selbstzweck, sondern – richtig genutzt – wirkungsvolle Mittel,<br />

um unser Leben zu erleichtern.<br />

Intelligente Vernetzung in einer Smart City<br />

Durch die Verknüpfung und somit das Teilen der benötigten<br />

Ressourcen zwischen Sek<strong>to</strong>ren, Anlagen und Akteuren und<br />

die Abstimmung von Energieerzeugung und -bedarf können<br />

schon heute in einzelnen Quartieren große Effizienzgewinne<br />

realisiert werden. Gleichzeitig wird die Netzinfrastruktur<br />

entlastet. Die Integration von smarten Elektrogeräten in die<br />

Energienetze eröffnet neue Geschäftsmodelle und mehr<br />

Komfort. Angesichts der komplexen Verflechtungen in einer<br />

Stadt sind hierzu intelligente Prozesse und ein umfassendes<br />

Datenmanagement gefragt. Die Steuerung erfolgt zunehmend<br />

durch komplett au<strong>to</strong>matische, mittels künstlicher<br />

Intelligenz koordinierte Systeme.<br />

Smart Grids im Mieterstrom<br />

Laut Experten des Fraunhofer Instituts ist die Stadt der<br />

Zukunft polyzentrisch strukturiert. Die Entwicklung von dezentralen<br />

Stadtvierteln hat den Vorteil, dass die infrastrukturelle<br />

Komplexität abnimmt und neue Konzepte leichter und<br />

schneller erprobt werden können.<br />

Ein ideales Beispiel hierfür ist die Mieterstromversorgung.<br />

Mieterstrom bezeichnet die Versorgung der Bewohner eines<br />

Gebäudes oder auch ganzer Quartiere mit lokal erzeugter<br />

Energie. Das Ganze erfolgt in der Regel über smarte Netze,<br />

in denen alle Energieerzeuger und -abnehmer mittels intelligenter<br />

Messgeräte, sogenannter Smart Meter, vernetzt sind.<br />

Für den Erfolg smarter Netze ist die technologieoffene Gestaltung<br />

wichtig. Hier besteht noch Nachholbedarf, weil die<br />

Schnittstellen zwischen den Anlagen keine gemeinsame<br />

Sprache haben. Hersteller haben sich daher in Allianzen<br />

zusammengeschlossen, mit dem Ziel, Standardisierungen<br />

Fo<strong>to</strong>: © RVI GmbH<br />

28 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ENRGIEEFFIZIENZ UND RESSOURCENMANAGMENT | THEMEN<br />

in der Gerätekommunikation zu erarbeiten. Gelingt hier der<br />

Durchbruch, sind energieeffiziente Lösungen durch eine flexible,<br />

herstellerunabhängige und aufeinander abgestimmte<br />

Verbrauchssteuerung der Geräte im Smart Home auf breiter<br />

Ebene möglich.<br />

Sek<strong>to</strong>renkopplung<br />

Mit der Zunahme neuer großer Stromverbraucher, wie zum<br />

Beispiel Wärmepumpen, wächst das Interesse, lokal erzeugten<br />

Strom in verschiedenen Sek<strong>to</strong>ren vor Ort zu nutzen. Das<br />

senkt etwa den zum Betrieb der Wärmepumpe angesetzten<br />

Primärenergiefak<strong>to</strong>r und hilft, Gebäudeeffizienz-Kriterien zu<br />

erfüllen. Wärmepumpen beziehen aber nicht nur Strom aus<br />

dem Netz, sie können umgekehrt auch netzstabilisierende<br />

Energiedienstleistungen erbringen. Denn durch ihren Pufferspeicher<br />

sind sie in der Lage, zeitversetzt Strom aufzunehmen,<br />

etwa wenn Überschussstrom im Netz vorhanden ist.<br />

Genauso werden Blockheizkraftwerke durch Mieterstrom<br />

effizienter genutzt, weil der hier vor allem im Winter erzeugte<br />

Strom direkt in die lokale Stromversorgung einfließt.<br />

Integrierte Elektromobilität<br />

Die Verbreitung von E-Ladestellen in den Städten nimmt in<br />

den nächsten Jahren, politisch und wirtschaftlich gefördert,<br />

stark zu. Sie sinnvoll in die lokalen Energienetze zu integrieren<br />

erfordert ein intelligentes Lademanagement und die Kombination<br />

mit weiteren Anlagen, etwa Stromspeichern. Das<br />

erhöht den Anteil erneuerbarer Energien, der zum Laden der<br />

Fahrzeuge zur Verfügung steht und senkt die Stromkosten.<br />

Die Integration von E-Ladestellen in die Energienetze fördert<br />

ferner die Entwicklung neuer Elektromobilitätskonzepte wie<br />

E-Carsharing, E-Roller und E-Bikes. Schließlich bieten diese<br />

Angebote den Bewohnern ein Mehr an Komfort ohne hohe<br />

Mehrkosten.<br />

In Zukunft können Elektrofahrzeuge mit ihren Batterien – genauso<br />

wie Wärmepumpen – netzstabilisierende Funktionen<br />

übernehmen. Wird weniger Strom produziert als benötigt,<br />

speisen die parkenden Elektroau<strong>to</strong>s Strom aus ihren Batteriespeichern<br />

ins lokale Netz. Besteht hingegen ein Überschuss<br />

an Strom, werden sie durch intelligentes Lademanagement<br />

direkt geladen. Solche Vehicle2Grid-Konzepte werden bereits<br />

in mehreren Forschungsprojekten erprobt.<br />

Sharing Economy<br />

Das Teilen von Gegenständen und Dienstleistungen ist im<br />

städtischen Leben seit einigen Jahren präsent. AirBnB und<br />

Uber haben die Entwicklung vorangetrieben. Kann in Zukunft<br />

zwischen einzelnen Haushalten Strom geteilt werden,<br />

sind neue Ansätze geschaffen, die das Gemeinschaftsgefühl<br />

und zugleich eine effiziente Ressourcennutzung stärken. In<br />

Mieterstromprojekten wird das heute schon umgesetzt und<br />

Strom innerhalb großer Mehrfamiliengebäude und Quartiere<br />

geteilt. Es ist eine wichtige Entwicklung, um die dezentrale<br />

Stromversorgung fair zu gestalten und alle Haushalte einzubeziehen.<br />

Aktuell sind dem Teilen von Strom über Gebäude<br />

und Siedlungen hinaus aus regula<strong>to</strong>rischen Gründen noch<br />

Grenzen gesetzt.<br />

Beispiel smartes Mieterstromkonzept<br />

In Esslingen entsteht derzeit das Quartier Lok.West. Es beherbergt<br />

auf etwa 5.600 Quadratmetern 9 Gewerbeeinheiten<br />

und 132 Wohneinheiten mit 21 bis 150 Quadratmetern. Bis<br />

2022 werden insgesamt rund 500 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen<br />

und private sowie öffentliche Grünflächen und Höfe<br />

gebaut. Geplant, realisiert und später auch verwaltet wird<br />

das gesamte Quartier Lok.West vom Saarbrücker Immobilienentwickler<br />

RVI.<br />

Zur klimaneutralen Energieversorgung – eine Forderung der<br />

Stadt Esslingen – wurde auf dem ersten Gebäude Béla eine<br />

Pho<strong>to</strong>voltaik-Dachanlage errichtet. Zusammen mit einem<br />

BHKW werden damit bis zu 70 Prozent des Strombedarfs<br />

gedeckt – und das ohne Speicher. Möglich macht es das Mieterstromangebot<br />

und ein intelligentes Versorgungskonzept<br />

mittels Smart Grid, Smart Metern, smarten Apps und smarten<br />

Haushaltsgeräten. So werden beispielsweise die Mieter in<br />

Lok.West per App über die aktuelle Energieerzeugung und<br />

den Verbrauch in ihrem Gebäude informiert werden. Ziel ist<br />

es, dass sie bevorzugt dann Strom verbrauchen, wenn ein<br />

Stromüberfluss besteht. Denn die Zukunft liegt nicht allein<br />

im Energie sparen durch effiziente Geräte und eine gute<br />

Gebäudedämmung, sondern genauso im Wissenstransfer,<br />

um bewusst Energie verbrauchen zu können.<br />

Digitale Transaktionsmodelle<br />

Mit ihren smarten Microgrids sind Mieterstromprojekte ideal<br />

geeignet, energiewirtschaftliche Prozesse zu simulieren.<br />

Dazu werden in Feldtests kleine Strommengen in Peer-<strong>to</strong>-<br />

Peer-Prozessen gehandelt und abgerechnet. Ermöglicht wird<br />

das durch den Einsatz von Smart Metern, mit denen Lokalstrommengen<br />

in Echtzeit und vollau<strong>to</strong>matisch gemessen,<br />

abgerechnet und übertragen werden. Es ist die Basis für<br />

neue energiewirtschaftliche Prozesse, wie zum Beispiel das<br />

Bilanzkreismanagement.<br />

Künftig können so auch flexible Tarife angeboten werden.<br />

Das heißt, ein Haushalt, der gezielt dann Strom nutzt, wenn<br />

viel produziert wird, kann seine Stromkosten senken. Das<br />

fördert ein energiebewusstes Verhalten und ist der Einstieg<br />

in eine integrierte und variable Abrechnung.<br />

Die Beispiele zeigen, welche einflussreiche und gestaltende<br />

Rolle der Energieversorgung in der städtischen Entwicklung<br />

zukommt. Ihr Einfluss reicht weit über die Strom- und die<br />

Wärmeversorgung hinaus, bis in die Finanz- und Mobilitätsstrukturen<br />

hinein. Die derzeit entstehenden ökologischen<br />

Musterquartiere wie das Esslinger Quartier Lok.West sind<br />

mit ihrem intelligenten Energiekonzept eine tragende Säule<br />

künftigen Wohnens.<br />

FLORIAN HENLE<br />

ist Mitgründer und Geschäftsführer des Ökoenergieversorgers und<br />

Mieterstrom-Dienstleisters Polarstern.<br />

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29


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In dem vom Architekturbüro Richter Musikowski designten „Futurium“ in Berlin ist die Waschtischarmatur GROHE Eurosmart CT in den Sanitär bereichen<br />

verbaut. Die GROHE EcoJoy Technologie verringert den Wasserverbrauch um bis zu 50 Prozent – ohne jeglichen Komfortverlust. Der Energiebedarf für das<br />

Erhitzen von Wasser reduziert sich dadurch erheblich.<br />

WASSERVERBRAUCH SENKEN –<br />

ENERGIE SPAREN<br />

Cleveres Wassermanagement leistet einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren<br />

Energiebilanz von Gebäuden<br />

Sanitär-Technologien, die den Wasser- und<br />

Energieverbrauch senken, werden auch in<br />

Deutschland immer gefragter. Einer der<br />

Vorreiter unter den Anbietern ist GROHE,<br />

eine führende globale Marke für ganzheitliche<br />

Badlösungen und Küchenarmaturen.<br />

Energie, die man nicht verbraucht, muss<br />

man nicht bezahlen. Was die Wenigsten<br />

wissen – wer in smarte Sanitärprodukte investiert,<br />

spart nicht nur eine, sondern zwei<br />

kostbare Ressourcen: Wasser und Energie.<br />

Moderne Sanitärtechnologien von GROHE<br />

unterstützen Verbraucher, Sanitärexperten,<br />

Bauplaner und Architekten bei einem cleveren<br />

Wassermanagement und leisten somit<br />

einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren<br />

Energiebilanz von Gebäuden.<br />

Schon beim Duschen am Morgen lässt sich<br />

sparen. Handbrausen von GROHE beispielsweise<br />

bieten entweder einen integrierten<br />

oder per Knopfdruck auslösbaren Durchflussbegrenzer.<br />

Dank der GROHE EcoJoy<br />

Technologie lässt sich der Wasserverbrauch<br />

einer vierköpfigen Familie im Jahr um<br />

bis zu 40 Prozent reduzieren. Auch ein<br />

Brause<strong>the</strong>rmostat trägt zum Wasser- und<br />

Energiesparen bei. Es hält die gewählte<br />

Wassertemperatur für die Dauer der Dusche<br />

konstant, sodass keine Zeit damit verbracht<br />

wird, die Temperatur neu einzustellen. Das<br />

kann passieren, wenn sich die Wasserzufuhr<br />

ändert, etwa weil zur selben Zeit die<br />

Toilettenspülung betätigt wird. Im Ergebnis<br />

kann ein Haushalt mit vier Personen,<br />

der eine Gasheizung nutzt und über eine<br />

energieeffiziente Brause und ein entsprechendes<br />

Thermostat verfügt, jährlich rund<br />

800 Duschvorgänge – und entsprechend<br />

Wasser- und Energiekosten senken.<br />

Auch Waschtischarmaturen mit GROHE Silk-<br />

Move ES (ES=Energy Saving) reduzieren den<br />

Wasser- und Energieverbrauch. Bei dieser<br />

Technologie erlaubt die Mittelstellung des<br />

Bedienhebels ausschließlich den Zufluss von<br />

Kaltwasser. Bei herkömmlichen Armaturen<br />

Fo<strong>to</strong>: © Richter Musikowski<br />

30 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


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Die GROHE EcoJoy Technologie reduziert beim Duschen den<br />

Wasserverbrauch um bis zu 40 Prozent.<br />

Mithilfe von GROHE Blue kann eine vierköpfige Familie rund 600 Plastikflaschen<br />

im Jahr sparen.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Grohe<br />

fließt hier bereits warmes Wasser. GROHE<br />

SilkMove ES-Armaturen vermeiden diesen<br />

unnötigen Verbrauch von Heizenergie.<br />

Zudem ermöglicht die hochwertige Kartuschentechnologie,<br />

dass sich der Hebel<br />

zur Mengen- und Temperaturregelung besonders<br />

leicht und präzise bewegen lässt,<br />

sodass der Benutzer schnell zu dem von<br />

ihm gewünschten Ergebnis kommt. Mit dem<br />

Einsatz der GROHE SilkMove ES Technologie<br />

kann eine vierköpfige Familie die jährlichen<br />

Kosten für Gas um circa 263 Euro, für Heizöl<br />

um circa 277 Euro oder für Strom um circa<br />

550 Euro einsparen.<br />

Intelligentes Sicherheitssystem verhindert<br />

Wasserverlust durch Leckagen und Wasserrohrbrüche<br />

Mit Blick auf das Smart Home der Zukunft<br />

lässt sich zudem noch anderweitig – über ein<br />

intelligentes Wassermanagement – in den<br />

eigenen vier Wänden sparen: Neben Wasser<br />

auch viel Stress, Ärger, und Kosten. Die Rede<br />

ist von unentdeckten Leckagen in Rohren,<br />

die zu stetigem Wasserverlust und Schäden<br />

führen, sowie von Wasserrohrbrüchen.<br />

Jeder zweite Haushalt war Studien zufolge<br />

schon von einem Wasserschaden betroffen.<br />

Stehen Haus oder Wohnung unter Wasser,<br />

drohen Besitzern immense Sanierungskosten<br />

oder ein Wertverlust der Immobilie.<br />

Das Risiko lässt sich mithilfe des intelligenten<br />

Wassersicherheitssystems von GROHE<br />

vermeiden. Der Wassersensor GROHE<br />

Sense misst die Raumtemperatur und die<br />

Luftfeuchtigkeit, erkennt Wasseransammlungen<br />

und alarmiert, wenn Messwerte<br />

ungewöhnlich hoch oder niedrig sind. Die<br />

Wassersteuerung GROHE Sense Guard trägt<br />

zudem dafür Sorge, dass Leckagen – die 10<br />

Prozent des privaten Wasserverbrauches<br />

verursachen – aufgedeckt werden. Im Falle<br />

eines Rohrbruchs wird die Wasserversorgung<br />

sofort abgeschaltet.<br />

Architekten, Bauplaner und Sanitärexperten<br />

schätzen nachhaltig wirkende<br />

Sanitär-Technologien<br />

Neben Verbrauchern schätzen auch Architekten,<br />

Bauplaner und Sanitärexperten<br />

nachhaltig wirkende Sanitärtechnologien,<br />

denn: Ein cleveres Wassermanagement<br />

trägt zu einer nachhaltigeren Energiebilanz<br />

von Gebäuden bei. Die neue Firmenzentrale<br />

der 50Hertz Transmission GmbH in Berlin<br />

beispielsweise, dem Übertragungsnetzbetreiber<br />

für Nord- und Ostdeutschland,<br />

designt vom Architekturbüro LOVE architecture<br />

and urbanism ZT, erfüllt zahlreiche<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitskriterien. Die Anforderungen<br />

der Energieeinsparverordnung wurden<br />

beim Strombedarf um 21 Prozent und beim<br />

Primärenergiebedarf um 49 Prozent unterschritten.<br />

Pho<strong>to</strong>voltaik- und Windanlagen<br />

auf dem Dach dienen zum Teil zum Aufladen<br />

von Elektrofahrzeugen und zur Unterstützung<br />

des Hausstroms. Ein wichtiger Baustein<br />

des <strong>Nachhaltig</strong>keitskonzepts sind auch<br />

ressourcensparende Systeme wie die in den<br />

Sanitärräumen eingesetzten energieeffizienten<br />

Infrarot-Armaturen GROHE Essence E, die<br />

mittels einer Turbine kinetische Energie in<br />

elektrische Energie umwandeln. 60 Sekunden<br />

Wasserfluss genügen, um die Armatur<br />

24 Stunden lang mit Strom zu versorgen.<br />

Da der Wasserfluss dank Infrarotsteuerung<br />

ohne Berührung per Hand je nach Bedarf<br />

ausgelöst wird, senkt diese Technologie<br />

den Verbrauch um 70 Prozent. Weil weniger<br />

Wasser unnötig erhitzt wird, lässt sich somit<br />

weiterhin Energie sparen.<br />

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31


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Das GROHE Sense-System überwacht Feuchtigkeit,<br />

erkennt Wasserlecks, warnt per App und<br />

unterbricht au<strong>to</strong>matisch die Wasserzufuhr.<br />

Mit der richtigen Technologie lassen sich jährlich<br />

hunderte von Duschvorgängen einsparen.<br />

Wesentlich älter ist das Büro- und Geschäftshaus<br />

„Krausenhöfe“ in Berlin-Mitte. 1911<br />

erbaut, wurde es als Fabrik für Textilwaren<br />

genutzt, vor allem für die Herstellung von<br />

Halskrausen. Im Jahr 2<strong>01</strong>3 wurde das Gebäude<br />

nach Plänen des Berliner Architekturbüros<br />

Kleihues + Kleihues nach höchsten<br />

ökologischen Standards saniert. Dazu zählen<br />

etwa neue Holzfenster mit Isolierverglasung<br />

und hervorragenden Dämmeigenschaften.<br />

Eines der Unternehmen, das in den<br />

Krausenhöfen ansässig ist, setzt zudem auf<br />

GROHE Blue. Mit diesem System lässt sich<br />

direkt aus der Küchenarmatur gefiltertes<br />

und gekühltes Wasser in den Varianten still,<br />

medium und sprudelnd zapfen. Ausgehend<br />

vom EU-Durchschnitt kann eine vierköpfige<br />

Familie dadurch 600 Plastikflaschen im<br />

Jahr sparen. Darüber hinaus spart GROHE<br />

Blue mehr als 60 Prozent der Kohlens<strong>to</strong>ffemissionen<br />

im Vergleich zu Flaschenwasser.<br />

Das ist wesentlich umweltfreundlicher als<br />

Mineralwasser in Flaschen zu verkaufen. Für<br />

die Abfüllung und Bereitstellung einer 1-Liter-Flasche<br />

Mineralwasser werden sieben<br />

Liter Wasser benötigt, für einen Liter aus<br />

der Armatur genau ein Liter. Zudem müssen<br />

keine Flaschen ins Büro oder zum Recycling<br />

transportiert werden. Entsprechend des<br />

geringeren Energieaufwandes fällt auch<br />

der ökologische Fußabdruck günstiger aus:<br />

Die Kohlens<strong>to</strong>ffdioxid-Emissionen bei einem<br />

Liter Wasser aus GROHE Blue liegt bei knapp<br />

18 Gramm – gegenüber 600 Gramm bei abgefülltem<br />

Mineralwasser.<br />

GROHE EcoJoy Technologie senkt Wasserverbrauch<br />

von Armaturen dank integriertem<br />

Durchflussbegrenzer um bis zu<br />

50 Prozent<br />

Und noch ein herausragendes Gebäude<br />

in Berlin setzt auf <strong>Nachhaltig</strong>keit. Dieses<br />

Jahr geht das vom Architekturbüro Richter<br />

Musikowski designte „Futurium“ in Betrieb.<br />

Das „Haus der Zukunft“ bietet auf drei<br />

Etagen und rund 3.200 Quadratmetern<br />

Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche<br />

Einblicke in die Welt von morgen. Das Dach<br />

des Gebäudes dient zum einen als solare<br />

Ertragsfläche und Regenauffangbecken,<br />

zum anderen bietet es Besuchern mit einer<br />

Art „Skywalk“ einen fantastischen Ausblick.<br />

Der Gebäudespeicher für interne, solare<br />

Energie-Gewinne kann bis zu achtmal mehr<br />

Energie als ein üblicher Wasserspeicher<br />

aufnehmen und diese je nach Kühl- oder<br />

Heizbedarf über einen Wasserkreislauf<br />

wieder abgeben. Das auf dem Dach anfallende<br />

Regenwasser wird in einer Zisterne<br />

gesammelt und anschließend für die<br />

Gebäudekühlung und Bewässerung der<br />

Grünanlagen eingesetzt. In den Sanitärbereichen<br />

verringert die Waschtischarmatur<br />

GROHE Eurosmart CT mit der GROHE<br />

EcoJoy Technologie den Wasserverbrauch<br />

um bis zu 50 Prozent – ohne jeglichen<br />

Komfortverlust. Der Energiebedarf für das<br />

Erhitzen von Wasser reduziert sich dadurch<br />

erheblich.<br />

Das Bürogebäude „The Edge“ in Amsterdam<br />

gilt sogar als eines der nachhaltigsten<br />

Bauten der Welt. Das von PLP Architecture<br />

designte Haus nutzt Geo<strong>the</strong>rmie für Heizung<br />

und Kühlung. Auf dem Dach ist zudem eine<br />

65.000 Quadratmeter große Pho<strong>to</strong>voltaikanlage<br />

installiert. Der Neubau verbraucht<br />

insgesamt knapp ein Drittel weniger Strom<br />

als ein herkömmliches Bürogebäude. Baukörper<br />

und Glasfassaden sind so ausgerichtet,<br />

dass sie Sonnen- und Tageslicht optimal<br />

nutzen. Mitarbeiter können sich per App<br />

nicht nur ihren Arbeitsplatz suchen, sondern<br />

auch die LED-Beleuchtung dimmen und die<br />

Heizung steuern. In einer der Büroküchen<br />

ist die Armatur GROHE Red eingebaut, die<br />

jederzeit in Sekundenschnelle kochend<br />

heißes Wasser zur Verfügung stellt, um<br />

beispielsweise Tee aufzugießen. Der Boiler<br />

der Aufbereitungsanlage sorgt dank seiner<br />

Isolation dafür, dass nur ein Minimum an<br />

Energie erforderlich ist, um permanent<br />

eine Temperatur von 100 Grad Celsius zu<br />

halten. Mit dem Einsatz von GROHE Red<br />

lässt sich nicht nur Energie, sondern auch<br />

Geld sparen: Ein Liter kochendes Wasser<br />

aus der Armatur kostet 3,85 Cent. Im Vergleich:<br />

Wer einen Induktionsherd oder einen<br />

elektrischen Wasserkocher verwendet, zahlt<br />

4,36 Cent. Noch teurer wird es bei einem<br />

Herd mit Glaskeramikplatten. Hier liegen<br />

die Kosten bei 5,82 Cent pro kochendem<br />

Liter Wasser.<br />

Mehr Effizienz beim Management von<br />

Wasser mithilfe digitaler Technologien<br />

Mit Blick in die Zukunft ist das Effizienzpotenzial<br />

im Sanitärbereich aus Sicht von<br />

GROHE bei weitem noch nicht ausgeschöpft.<br />

Digitale Technologien können dazu beitragen,<br />

das Management von Wasser in<br />

Gebäuden weiter zu optimieren. Die Digitalisierung<br />

von Wasser ist daher eines der<br />

wichtigsten Themen, mit denen sich GROHE<br />

auf der ISH in Frankfurt am Main präsentiert,<br />

der Weltleitmesse für den verantwortungsvollen<br />

Umgang mit Wasser und Energie in<br />

Gebäuden (11. - 15. März 2<strong>01</strong>9).<br />

32 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ENRGIEEFFIZIENZ UND RESSOURCENMANAGMENT | THEMEN<br />

Insektensnack an einem Straßenstand im ländlichen Thailand<br />

GRILLEN KANN MAN GRILLEN<br />

Insekten gehören in vielen Ländern zum täglichen Speiseplan. Nun rücken sie auch hierzulande in den<br />

Blickwinkel von Nahrungsmittelherstellern. Ein Start-up geht hier mit viel Mut voran.<br />

Von Fritz Lietsch<br />

Fo<strong>to</strong>: © SWARM<br />

Man muss es ja nicht gleich wie die australischen Aborigines<br />

machen, die sich die Witchetty-Motte roh oder in heißem<br />

Sand gegart einverleiben. Oder wie in Japan, wo Wespenlarven<br />

gekocht und Zikaden frittiert werden. Oder wie bei den<br />

Kolumbianern, die gerne die Hormigas Culonas braten und<br />

verspeisen – übersetzt wird diese Delikatesse übrigens als<br />

„dick-arschige Ameisen“. Fakt aber ist: Während 80 Prozent<br />

der Weltbevölkerung schon seit Jahr-tausenden regelmäßig<br />

Insekten auf dem täglichen Speiseplan haben, kostet es die<br />

Europäer noch eine Menge Überwindung, sich auch nur<br />

eine der über 2.000 essbaren Insektenarten zwischen die<br />

Zähne zu schieben.<br />

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33


SWARM Protein – Ein Insektenriegel mit hohem Proteingehalt<br />

Wir sollten uns aber bald an den Gedanken gewöhnen. Denn<br />

laut Welternährungsorganisation FAO kann die wachsende<br />

Menschheit in Zukunft ohne den Verzehr von Insekten nicht<br />

mehr satt werden. Laut FAO-Bericht „Edible Insects“ landen in<br />

140 Staaten am häufigsten Käfer auf den Tellern, gefolgt von<br />

Raupen, Bienen, Wespen und Ameisen sowie Grashüpfern.<br />

In Europa werden derzeit erst seit kurzem vier Arten für<br />

den menschlichen Verzehr angeboten: Mehlwürmer, Heuschrecken,<br />

Buffalowürmer und Grillen.<br />

In den Niederlanden etwa gibt es bereits Kroketten aus Insektenmehl,<br />

in Belgien liegen die ersten Buffalowurm-Schnitzel<br />

im Supermarkt-Regal. Und auch die Eidgenossen sind vorne<br />

mit dabei. Am 1. Mai 2<strong>01</strong>7 hat die Schweiz drei Insektenarten<br />

als Lebensmittel zugelassen: Grillen, die Europäische<br />

Wanderheuschrecke und Mehlwürmer im Larvenstadium.<br />

Deutsch-land zog auf Grundlage der Novel-Food-Verordnung<br />

der EU Anfang 2<strong>01</strong>8 nach, so dass es nun bereits Nudeln mit<br />

Mehlwurm-Mehl gibt, Burger-Patties aus Buffalowürmern –<br />

und Proteinriegel von SWARM.<br />

Insekten essen?!<br />

Alles begann in Bangkok, 2<strong>01</strong>5, mitten in der Nacht. Chris<strong>to</strong>pher<br />

Zeppenfeld und Timo Bäcker drängten sich mit tausenden<br />

Touristen durch die legendäre Khao San Road. Monate<br />

zuvor hatten sie sich in den Kopf gesetzt, etwas gegen die<br />

globale Nahrungskrise zu unternehmen. Laut Studien sollen<br />

Insekten helfen – gute Nährwerte, kleiner Fußabdruck. Warum<br />

also nicht mit der Arbeit dort beginnen, wo die Sechsbeiner<br />

an jeder Straßenecke angeboten werden?!<br />

Die Verköstigung der ersten Tüte frittierter Raupen ließ geschmacklich<br />

noch zu wünschen übrig, auch andere Proben<br />

waren weit entfernt von „Hey, echt lecker“. Also kauften<br />

sich die beiden Pioniere zwei Mo<strong>to</strong>rräder und machten<br />

sich auf eine 4.500 Kilometer lange Reise durch Vietnam,<br />

Laos und Thailand. Es wurde eine kulinarische Tour der besonderen<br />

Art. „Wir aßen glitzernde Käfer und Hornissen,<br />

riesige Wasserwanzen, Grillen und Seidenraupen“, erinnert<br />

Die Swarm-Gründer Dr. Chris<strong>to</strong>pher Zeppenfeld und Timo Bäcker<br />

besuchen eine Grillenzucht in Thailand<br />

sich Timo Bäcker heute. „Aber wir realisierten sehr schnell:<br />

Der heimische Tellerrand ist für diese Art von Speisen noch<br />

zu hoch – trotz aller Vorteile wie exzellente Nährs<strong>to</strong>ffe und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit.“<br />

„Obwohl sich schon über zwei Milliarden Menschen weltweit<br />

von Insekten ernähren, ist das für uns noch fremd“,<br />

sagt Zeppenfeld. „Wir müssen aber neue Wege in der<br />

Ernährung finden, um auch künftige Generationen vollwertig<br />

versorgen zu können.“ Deshalb dürfen auch wir langsam<br />

auf den Geschmack kommen. Der Vorteil von Insekten<br />

liegt auf der Hand. Zum einen sind die kleinen Krabbler<br />

hochwertige und vollständige Proteinquellen, die alle essentiellen<br />

Aminosäuren beinhalten sowie massenweise<br />

Die lange Reise zum Erfolg<br />

Ein umfassender Bericht der Agrarabteilung<br />

der UN (FAO) behandelt die<br />

Rolle von Insekten für die weltweite<br />

Nahrungssicherung und hat die beiden<br />

Gründer von SWARM zu ihrer<br />

Reise inspiriert:<br />

www.fao.org/3/a-i3253e.pdf<br />

Der lange Weg von Testen, Verwerfen,<br />

neu Denken, Probieren, Verhandeln<br />

mit den Behörden in Thailand,<br />

Brüssel und Berlin hat sich gelohnt<br />

– SWARM wurde mittlerweile mit<br />

vielen Preisen geehrt: Nach dem Ehrung als Food Startup 2<strong>01</strong>7 und<br />

dem Gewinn des FIBO Innovation & Trend Awards folgte der Food<br />

Award 2<strong>01</strong>8 für das beste Produkt und der Future Protein Award<br />

2<strong>01</strong>8. Neben dem Online-Shop gibt es den Insektenriegel nun auch<br />

in zahlreichen Filialen von REWE und EDEKA in Deutschland. Die<br />

Reise der beiden Pioniere geht weiter.<br />

www.swarmprotein.com<br />

34 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ENRGIEEFFIZIENZ UND RESSOURCENMANAGMENT | THEMEN<br />

Mikronährs<strong>to</strong>ffe wie Vitamin B12, Zink oder Eisen. „Das<br />

macht es gerade für Sportler interessant, die eine vollwertige<br />

Alternative zu Fleisch und Molke suchen“, so Zeppenfeld.<br />

„Denn Protein ist wichtig für den Aufbau und Erhalt der<br />

Muskulatur, Vitamin B12 fürs Nervensystem.“<br />

Zum anderen leistet Ernährung mit Insekten einen nicht<br />

zu unterschätzenden Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.<br />

„Weniger Fläche für die Haltung, viel weniger<br />

Wasser und Futter für die Aufzucht und somit viel weniger<br />

Treibhausgase“, fasst Bäcker die Vorteile zusammen. Die<br />

Weltgesundheitsorganisation FAO hatte bereits in ihrer<br />

Studie „Edible Insects“ bilanziert, dass eine auf Insekten<br />

basierende Ernährung positive Auswirkungen auf den Klimawandel<br />

hätte.<br />

Die Erkenntnisse nach drei Monaten Reise: Insekten<br />

werden hierzulande erst einmal nicht im Original und pur<br />

erfolgreich sein. Aber zu Mehl verarbeitet und gemeinsam<br />

mit anderen, bekannten Aromen und Zutaten könnten<br />

gerade Sportler für diese Art der Ernährung gewonnen<br />

werden.<br />

Das junge Unternehmen bezieht die Grillen von Farmern im<br />

ländlichen Thailand, wo es rund 20.000 Kleinbauern gibt,<br />

die mit der Aufzucht von Insekten ihren Lebensunterhalt<br />

bestreiten. Hier in Deutschland wird das Grillenpulver zu<br />

den Riegeln in den Geschmacksrichtungen Frucht, Nuss<br />

und Schokolade weiterverarbeitet. Dass sich potenzielle<br />

Käuferinnen und Käufer vor dem ersten Biss überwinden<br />

müssen, ist den Gründern bewusst. Laut einer Umfrage<br />

des Bundesamts für Risikobewertung gab nur jeder siebte<br />

Deutsche an, schon einmal Insekten gekostet zu haben.<br />

„Aber Ernährungsgewohnheiten lassen sich ändern“, sagt<br />

Bäcker. „Vor ein paar Jahrzehnten war es noch undenkbar,<br />

dass wir rohen Fisch essen. Heute kriegt man Sushi<br />

an jeder Ecke.“<br />

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NACHHALTIG GESUND<br />

BKK ProVita fördert pflanzliche Ernährung und schützt die Umwelt<br />

Bei der BKK ProVita weiß man: die Ernährung<br />

hat einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit.<br />

Die gesetzliche Krankenkasse fördert<br />

pflanzenbasierte Ernährung, weil sie gesund<br />

ist. Sie handelt nachhaltig und umweltschonend,<br />

da Gesundheit nur in einer intakten<br />

Umwelt gedeihen kann. Dass die pflanzenbasierte<br />

Ernährung neben der Gesundheit<br />

auch dem Klimaschutz dient, wurde nun von<br />

den Vereinten Nationen be<strong>to</strong>nt.<br />

UN-Klimaaktionspreis „Momentum for<br />

Change“ für die „Aktion Pflanzen-Power“<br />

von ProVeg und BKK ProVita<br />

Das Gesundheitsförderungsprojekt „Aktion<br />

Pflanzen-Power“ von ProVeg und BKK<br />

ProVita wurde mit dem Klimaaktionspreis<br />

der Vereinten Nationen „Momentum for<br />

Change“ in der Kategorie „Planetary Health“<br />

ausgezeichnet. Auf der Weltklimakonferenz<br />

COP24 im vergangenen Dezember wurde<br />

der Preis verliehen, der zum ersten Mal nach<br />

Deutschland ging.<br />

BKK ProVita fördert die Gesundheit und<br />

handelt klimaneutral<br />

Jeder kann viel für seine Gesundheit tun.<br />

Die BKK ProVita fördert und belohnt gesundheitsbewusstes<br />

Verhalten z. B. mit ihren Bonusprogrammen<br />

und Gesundheitsreisen. Sie<br />

ist die erste und einzige Krankenkasse, die<br />

klimaneutral handelt und Gemeinwohlbilanzen<br />

erstellt. Der Wissenschaftliche Beirat<br />

der BKK ProVita berät die Kasse zu aktuellen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen u. a. aus<br />

den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Ethik<br />

und <strong>Nachhaltig</strong>keit.<br />

www.bkk-provita.de<br />

Unser nachhaltiges Tun und Handeln haben wir auch beim Bau unserer Hauptverwaltung umgesetzt.<br />

Unser dachbegrüntes Gebäude wird mittels Fernwärme geheizt und mit Wasser gekühlt. Die Toilettenspülung<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

läuft über das Regenwasser aus unserer Zisterne.<br />

35


36 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

Fo<strong>to</strong>: © shutters<strong>to</strong>ck


FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK | THEMEN<br />

MEDITATION UND MONETEN<br />

Bullen, Bären und Finanz-Haie beim „Mindful Finance Walk“<br />

Geld und Achtsamkeit – zwei Dinge, die nicht zusammenzupassen scheinen. Das „Mindful Finance Institute“<br />

sieht das anders und hält zur Erläuterung – man höre und staune – einen Workshop im Kölner Zoo ab.<br />

Von Fritz Lietsch<br />

Die Beschreibung der allgemeinen Lage in der Finanzwirtschaft<br />

startet am Bärengehege: „Vieles ist schiefgelaufen im<br />

Banking. <strong>Nachhaltig</strong>keit und Verantwortlichkeit gehörten<br />

lange Zeit nicht gerade zum Führungscredo der Bankmanager.“<br />

Friedhelm Boschert beginnt mit diesen Worten seinen<br />

ungewöhnlichen „Mindful Finance Walk“ nicht ohne Zufall<br />

hier. Bulle und Bär, die weltweit benutzten Symbole der<br />

Börsen, lassen grüßen. Sie sind Symbole einer Branche, die<br />

mit ihrem Gebaren die Welt an den Rand des Abgrundes zu<br />

manövrieren droht. Doch Friedhelm Boschert, Gründer des<br />

„Mindful Finance Institute“, hält ein Zauberwort dagegen:<br />

Achtsamkeit. Diese ist aus seiner Sicht einer der wirksamste<br />

Transformationsansätze – im Finanzbereich und generell in<br />

der Wirtschaft.<br />

Die Bären und Bullen in den Griff bekommen<br />

Die Beschreibung eines Workshops, der im Rahmen der<br />

„8th Conference on Sustainability and Responsibility“ der<br />

Cologne Business School in Köln stattfand, klang bereits<br />

vielversprechend. Die Ankündigung, dass er auch noch im<br />

Zoo durchgeführt wird, machte mich besonders neugierig.<br />

Also Jacke angezogen und hinaus in den benachbarten Zoo.<br />

Ein kleiner Schwarzbär im Hintergrund klettert langsam in<br />

das Baumgeäst hinauf, während Boschert erklärt, dass sich<br />

die EU-Kommission schon vor dem Ausbruch der Finanzkrise<br />

die Frage gestellt habe, wie man das Verhalten von Finanzmanagern<br />

im Hinblick auf Corporate Social Responsibility<br />

verändern könne. Eine großangelegte Untersuchung, die man<br />

daraufhin in Auftrag gab, brachte ein erstaunliches Ergebnis:<br />

Vermittlungsformen, die auf Einsicht, und Introspektion beruhen,<br />

haben einen weit stärkeren Impact auf Denken und<br />

Verhalten der Manager, als wenn man ihnen Ethik und Werte<br />

auf abstrakt-kognitive Art vermittelt. Der Schlüssel zu mehr<br />

Verantwortung und zur Einsicht der Veränderungsnotwendigkeit<br />

sei die Achtsamkeit, so Boschert, der früher Bankier<br />

war und heute als Meditationstrainer arbeitet.<br />

Bulle und Bär sind die starken Symbole für das Auf und<br />

Ab an der Börse.<br />

„Mit Achtsamkeit lernen Sie, Ihre Aufmerksamkeit zu lenken,<br />

schaffen es damit aus alten Denkmustern und gewohnten<br />

Emotionen herauszutreten. Erst so sind Sie in der Lage, tief<br />

zu reflektieren, Werte zu erkennen und Veränderungen anzugehen.“<br />

Genau darauf baue sein Mindful-Finance-Ansatz.<br />

Ob denn der Finanzbereich für solche Veränderungen überhaupt<br />

offen und bereit sei, fragt eine Teilnehmerin kritisch.<br />

Boschert sagt, er sehe bei den Banken einen hohen Leidensdruck,<br />

hervorgerufen durch schlechtes Image, Ängste, hohe<br />

Mitarbeiterunzufriedenheit und Perspektivlosigkeit. Dieser<br />

Leidensdruck sei groß genug, dass sich auch die Banken an<br />

neue Lösungsansätze heranwagen.<br />

Mitgefühl als Schlüssel<br />

Nächste Station: das Affengehege. Dutzende von Pavianen<br />

sitzen ruhig auf sonnigen Felsen. Plötzlich jedoch gerät die<br />

ganze Affenbande in Aufregung, schreit wild durcheinander<br />

und rennt im Rudel um die Felsen herum. Futterzeit. Eine<br />

Steilvorlage für Boschert, der nun auf den „monkey-mind“<br />

eingeht und die Teilnehmer zu einer Achtsamkeitsübung einlädt.<br />

„Wenn in Ihrem Kopf die Gedanken wie die Affenbande<br />

hinter uns durch den Dschungel <strong>to</strong>ben“, erläutert er lachend,<br />

„dann kriegen Sie die einfach nicht ges<strong>to</strong>ppt.“ Die Lösung? „Es<br />

bleibt Ihnen nichts anderes übrig – und das wussten schon<br />

die Taoisten vor 2.400 Jahren –, als zu beobachten und zuzusehen.“<br />

Man nehme also die „Dritte-Person-Perspektive“<br />

ein und lasse die Gedanken erst einmal weiterlaufen, bis<br />

man seine Aufmerksamkeit wieder woanders hinwendet.<br />

Und genau das üben wir sogleich. Angeleitet durch Boscherts<br />

ruhige Stimme wenden wir uns erst einmal dem Atem zu,<br />

spüren dessen regelmäßigen Fluss und bringen unsere Aufmerksamkeit<br />

immer wieder dorthin zurück. Und in der Tat:<br />

Trotz der aufgeregten Affenhorde hinter uns und den noch<br />

viel wilderen Gedanken in uns schaffen wir es irgendwann,<br />

eine kleine Oase der Stille in uns zu erzeugen.<br />

Von der Achtsamkeit zur Verantwortung<br />

Auf dem weiteren Weg durch den Zoo lassen wir Heuschrecken,<br />

Geier und Haie hinter uns und machen Halt bei den<br />

Elefanten, Symbol für Weisheit und Stärke. „Was machen wir<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

37


THEMEN | FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK<br />

Aufruhr im Affengehege. Beim Workshop im Zoo lernen die Teilnehmer,<br />

was Meditation und Bewusstseinstraining in Business und Finanzwirtschaft<br />

bringen.<br />

Der „monkey-mind“. Wenn in Ihrem Kopf die Gedanken wie die<br />

Affen bande durch den Dschungel <strong>to</strong>ben, bleibt die Achtsamkeit<br />

meist auf der Strecke.<br />

denn nun mit all dem? Wo liegen die konkreten Ansatzpunkte,<br />

damit angewandte Achtsamkeit zu einer transformativen<br />

Kraft im Finanzbereich, aber auch in unserem Umgang mit<br />

Geld werden kann?“ Boschert bringt die wesentliche Fragestellung<br />

damit selbst auf den Punkt. Seine Antwort darauf:<br />

Auf mehreren Ebenen müsse man ansetzen. Das beginne zuerst<br />

einmal mit der persönlichen Ebene. Für viele Menschen<br />

seien Geld- und Finanzsachen im Grunde hoch-emotionale,<br />

oft stress- oder gierbehaftete Angelegenheiten. Statt diese<br />

jedoch nur negativ wertend wahrzunehmen und zu verdrängen,<br />

sei es besser, sie als wertvolle Informationsquelle dafür<br />

zu nutzen, was wir denn wirklich vom Geld halten und mit<br />

unserem Geld wollen. Dadurch komme man meist zu ganz<br />

neuen Erkenntnissen über sich selbst – und könne dann<br />

mit Geld bewusster, stressfreier und vor allem verantwortlicher<br />

umgehen. Als Beispiel für die finanz-professionelle<br />

Ebene nennt Boschert die internationale Vereinigung der<br />

Finanz-Analysten CFA. Diese hat in den USA bereits heute in<br />

ihrem Ausbildungsprogramm das Thema Achtsamkeit integriert<br />

und dafür den „Meditation Guide for Investment Professionals“<br />

geschaffen. „Und glauben Sie nicht, die machen<br />

das als Wellness-Angebot“, so Boschert, „nein, die wollen<br />

damit die Qualität der Finanzentscheidungen verbessern.“<br />

Nach seiner Ansicht empfiehlt sich der Meditation Guide<br />

Achtsamkeit in Wirtschaft und Finanzen<br />

Die Wirkungen von Achtsamkeit wurden bislang in mehr als 4.000<br />

wissenschaftlichen Studien untersucht. Hier findet sich unter anderem<br />

der wissenschaftliche Nachweis, dass sich Achtsamkeitspraktiken<br />

auf Hirnregionen auswirken, die mit Wahrnehmung, Körperbewusstsein,<br />

Schmerz<strong>to</strong>leranz, Emotionsregulation, Introspektion,<br />

komplexen Denkprozessen und Selbstgefühl zusammenhängen. Dies<br />

bestätigt auch eine Auswertung von über 20 Studien, die von einem<br />

Team von Wissenschaftlern der University of British Columbia und<br />

der Technischen Universität Chemnitz im Februar 2<strong>01</strong>5 im Harvard<br />

Business Manager veröffentlicht wurde.<br />

Große Unternehmen wie BOSCH, AUDI, SAP, Thyssen u.a. haben inzwischen<br />

das Training von Achtsamkeit nicht nur in die Gesundheitsprogramme,<br />

sondern auch in die Personal- und Führungsentwicklung<br />

integriert. Nach einer Schulung von über 5.000 Mitarbeitern berichtete<br />

ein Unternehmen im Januar 2<strong>01</strong>8: „Für SAP bringen achtsame<br />

Mitarbeiter konkrete Vorteile: Teamfähigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit<br />

steigen, die Fehlzeiten sind zurückgegangen.“<br />

Die meisten Achtsamkeitsprogramme in Unternehmen basieren auf<br />

dem MBSR-Ansatz des Harvard-Molekular-Biologen Jon Kabat-Zinn.<br />

International führend in der arbeitsplatzbezogenen Achtsamkeitsforschung<br />

ist unter anderem das Oxford Mindfulness Center mit Prof.<br />

Mark Williams. In Deutschland forschen u.a. die Neurowissenschaft-<br />

ler Tanja Singer, Niko Kohls und Ulrich Ott an Meditation und deren<br />

Wirkungen auf Gehirn und Verhalten.<br />

Einer der führenden europäischen Anbieter in unternehmensbezogenen<br />

Achtsamkeitsprogrammen ist die Kalapa Leadership Academy Köln/London,<br />

die die Wirkungen ihrer Programme in Unternehmen auch wissenschaftlich<br />

untersucht (u.a. in „Frontiers in Psychology“, Februar 2<strong>01</strong>8).<br />

Beachtung findet inzwischen die Verbindung von Achtsamkeit und<br />

Entscheidungsfindung von Managern, vor allem in Hinblick auf CSR<br />

und verantwortliches Verhalten. Eine von der Europäischen Union in<br />

Auftrag gegebene Studie fand schon vor zehn Jahren, dass Meditation<br />

einen wesentlichen Einfluss auf ethisches Verhalten hat (siehe<br />

hierzu die sog. RESPONSE-Studie unter Führung der renommierten<br />

INSEAD Business School: „Auf Introspektion beruhende Lernmethoden<br />

veränderten das verantwortliche Verhalten gravierender als herkömmliche<br />

Lernmethoden, vor allem die Reflektion von Werten“).<br />

Die Neurowissenschaften beschäftigen sich auch mit der Verbindung<br />

von Geld und Gehirn. Siehe hierzu Studien, unter anderen des Zukunftsinstituts<br />

Frankfurt und Wien.<br />

www.mindful-finance.org | www.harvardbusinessmanager.de<br />

http://oxfordmindfulness.org | www.kalapaacademy.de<br />

www.insead.edu<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Zoo Köln | © Boschert<br />

38 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK | THEMEN<br />

auch für Privatpersonen, die mit ihren Geldanlagen und<br />

Finanzentscheidungen verantwortlicher umgehen wollen.<br />

Druck, Stress, Unsicherheit und die große Transformation<br />

Trainingsprogramme in Achtsamkeit bringen laut Boschert<br />

in den meisten Fällen eine höhere Konzentrationsfähigkeit<br />

und einen deutlich verbesserten Umgang mit Stress und<br />

Teamarbeit. In den so genannten Hochzuverlässigkeitsorganisationen<br />

(High Reliability Organisations) – dazu gehören<br />

neben Luftfahrt- und Bahngesellschaften auch Kraftwerke<br />

und Chemieunternehmen, Branchen also, in denen nichts<br />

schiefgehen darf – ist Achtsamkeit schon länger ein Thema.<br />

„Schon vor mehr als zwanzig Jahren zeigte die Wissenschaft,<br />

dass Unternehmen, die eine achtsame Risikokultur pflegen,<br />

Risiken besser in den Griff bekommen. Besser als mit überbordenden<br />

Handbüchern, Regularien und Verordnungen. Das<br />

gilt heute aufgrund der Komplexität zunehmend für jedes<br />

Unternehmen, aber insbesondere für Banken“, fasst Boschert<br />

die Ergebnisse der Achtsamkeitsforschung zusammen.<br />

„Sie sehen also, Mindful Finance könnte zu einem echten<br />

Paradigmenwechsel in der Finanzindustrie beitragen.“ Und<br />

mit einem Blick auf die Elefanten, die gemächlich zwischen<br />

den Felsen dahinziehen, sagt Boschert zum Abschluss dieses<br />

ungewöhnlichen Workshops: „Mehr Weisheit und Gewahrsein<br />

bei Finanzentscheidungen wird uns alle sehr viel gelassener<br />

machen.“<br />

Nachdenklich schlendere ich zurück zur CSR-Konferenz<br />

und beschließe, dies in meine Podiumsdiskussion mit John<br />

Elking<strong>to</strong>n einfließen zu lassen. Meine Fragen lauten: Reicht<br />

Achtsamkeit, um die systemimmanenten Probleme zum Beispiel<br />

der leistungslosen Geldvermehrung oder der Giralgeldschöpfung<br />

der Banken im Speziellen oder des Kapitalismus<br />

im Allgemeinen zu lösen? Ein bisschen mehr Achtsamkeit<br />

einiger Akteure wird dieses System als solches wohl nicht<br />

gleich verändern. Aber es ist mit Sicherheit ein wichtiger<br />

Anfang für eine Transformation.<br />

FRIEDHELM BOSCHERT<br />

hat für genossenschaftliche Banken gearbeitet, zuletzt als Vorstandsvorsitzender<br />

eines Banken-Netzwerks in Osteuropa. Als ausgebildeter<br />

Lehrer in Achtsamkeit und Meditation gründete er gemeinsam mit<br />

Kollegen aus Deutschland und Amerika in Oxford das „Mindful Finance<br />

Institute“. Heute versucht er, diese beiden unterschiedlichen<br />

Welten zu verbinden.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

39


THEMEN | FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK<br />

Key Visual für die aktuelle Protestaktion von urgewald: „Deka Investment: Raus aus Kohle und Rüstung!“<br />

KRIEG UND KOHLE<br />

IM KNAX-LAND<br />

Die Sparkassen wollen die Bank in der Mitte der Gesellschaft sein. Trotzdem ignoriert ihre Fondsgesellschaft<br />

Deka die gesellschaftlichen Debatten um Klimawandel und Rüstungsexporte. Mit öffentlichem<br />

Druck können wir alle dafür sorgen, dass unethische Geldanlagen aus den Fonds verschwinden.<br />

Von Moritz Schröder-Therre<br />

Mats droht der Klima<strong>to</strong>d. Die Nachwuchssparer sollen ihn<br />

retten. Als sie zusammen mit Eltern und Großeltern im<br />

Ok<strong>to</strong>ber 2<strong>01</strong>8 in die Sparkasse KölnBonn kommen, dürfen<br />

sie Einsatz zeigen: „Rettet Eisbär Mats!“, so der Aufruf. Es<br />

ist Weltspartag und die Sparkassen präsentieren sich mithilfe<br />

von Mats bundesweit als Banken der „<strong>Nachhaltig</strong>keit“.<br />

Nun ist er nur ein Plüscheisbär und die Rettungsaktion<br />

ein Malwettbewerb für Kinder. Doch die Geschichte von<br />

Klimaerwärmung und Eisbärsterben, die zieht. Was die<br />

Sparkassen nicht erzählen: Sie tragen selbst mit den von<br />

ihnen verkauften Fonds dazu bei, dass den Eisbären der<br />

Lebensraum wegschmilzt.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Collage: S.Z., rcfo<strong>to</strong>s<strong>to</strong>ck, Aaron Amat – fo<strong>to</strong>lia<br />

40 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK | THEMEN<br />

Ein „Sparpanzer“, gebastelt für eine urgewald-Protestaktion am 28.10.2<strong>01</strong>6 vor der Stadtsparkasse Düsseldorf<br />

wegen der Beteiligung an einem Kredit für den Rüstungskonzern Rheinmetall.<br />

Fo<strong>to</strong>: © urgewald<br />

The Big Four<br />

In der Welt der offenen Publikumsfonds, die besonders für<br />

Kleinanleger interessant sind, gehören die Sparkassen mit<br />

ihrer Fondsgesellschaft Deka Investment zu den vier großen<br />

Anbietern. Laut aktueller Investment-Statistik des deutschen<br />

Fondsverbands BVI hat Deka Investment mit einem verwalteten<br />

Net<strong>to</strong>-Fondsvermögen von mehr als 125 Milliarden<br />

Euro einen Marktanteil von über 16 Prozent. Damit spielt<br />

Deka in einer Liga mit den führenden deutschen Anbietern<br />

DWS, Allianz und Union Investment. Mit ihnen teilt sich die<br />

Sparkasse jedoch auch ein Problem: Die mangelnde Ethik bei<br />

ihren Investitionen. Eine Stichprobe der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation<br />

urgewald von Juni 2<strong>01</strong>8 ergab: Die<br />

von Sparkassen angebotenen Deka-Fonds enthalten immer<br />

wieder Kohle- und Rüstungskonzerne. Hinter Fondsnamen<br />

wie „Deka-DividendenStrategie“ oder „Deka-BasisStrategie<br />

Renten“ verbargen sich unter anderem Kohlefirmen wie RWE,<br />

NTPC, Uniper oder Tauron, die mit ihren bestehenden und<br />

geplanten Kohlekraftwerken die Klimaziele der Weltgemeinschaft<br />

massiv gefährden. Die Fondsmanager hatten das Kundengeld<br />

auch in Rüstungskonzerne wie BAE Systems, Airbus<br />

und Rheinmetall investiert, die ihre tödlichen Produkte unter<br />

anderem an Kriegsparteien im Jemen liefern.<br />

Das bedeutet: Das Bild der netten, nachhaltigen Sparkasse,<br />

es hängt schief. Die Bank, die mit dem „Knax-Klub“,<br />

Heile-Welt-Comics und Plüscheisbären Nachwuchssparer<br />

einfangen will, lässt ihre Kunden gleichzeitig in Krieg und<br />

Klimakrise investieren.<br />

Ausschlusskriterien überprüfen<br />

Interessanterweise schließt die Sparkassen-Fondsgesellschaft<br />

Deka andere umstrittene Sek<strong>to</strong>ren bereits von<br />

Anlagen aus, zum Beispiel Hersteller von Landminen und<br />

Streumunition oder Spekulationen auf Grundnahrungsmittel.<br />

Ähnliche Ausschlüsse gibt es beim Konkurrenten<br />

der Genossenschaftsbanken, Union Investment. Bei DWS<br />

und der Allianz gibt es diese Ausschlüsse nur zum Teil. In<br />

allen Bereichen gab es in den vergangenen Jahren starke<br />

öffentliche Debatten, nachdem Recherchen von NGOs und<br />

Medienberichte die Rolle der Finanzindustrie transparent<br />

gemacht hatten.<br />

Doch Konzerne, die die Klimakrise vorantreiben oder Rüstungsgüter<br />

in aktuelle Kriege liefern, werden bis heute nicht<br />

konsequent von Investitionen ausgeschlossen.<br />

Dabei lehnen Verbraucher besonders Geschäfte mit Rüstungsgütern<br />

klar ab. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

41


THEMEN | FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK<br />

der Verbraucherzentrale Bremen, in der es um staatlich geförderte<br />

Rentenprodukte ging, ergab, dass 76 Prozent der<br />

Befragten für ein Verbot von Investitionen in die Waffen- und<br />

Rüstungsindustrie votieren. Laut jüngsten Umfragen ist zudem<br />

eine Mehrheit der Deutschen für einen raschen Ausstieg<br />

aus Kohle als Energieträger. Beides sind gesellschaftliche<br />

Wünsche, die die Fondsmanager von Deka und Co. offensichtlich<br />

noch nicht hören wollen.<br />

Sparer haben es in der Hand<br />

Die Beispiele Streumunition und Nahrungsmittelspekulationen<br />

zeigen aber, wie Verbraucher und NGOs das ändern können.<br />

Die Banken müssen spüren, dass es den Kunden ernst<br />

ist. Je häufiger ihre Bankberater die Frage nach Ethikregeln<br />

für die Fondsanlage hören, des<strong>to</strong> schneller bewegen sie sich.<br />

Schon jetzt bieten alle Fondsgesellschaften deshalb auch<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsfonds an, aber selbst diese enthalten mitunter<br />

hochumstrittene Firmen. Die <strong>Nachhaltig</strong>keitsfonds<br />

„Deka <strong>Nachhaltig</strong>keit Renten“ und „Deka <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

Balance“ investieren laut Halbjahresbericht vom April 2<strong>01</strong>8<br />

in Kohlekonzerne wie Sumi<strong>to</strong>mo und Vedanta – letzterer<br />

wurde vom Norwegischen Pensionsfonds schon vor Jahren<br />

wegen „schwerer Umweltzerstörung“ ausgeschlossen. Die<br />

Fonds „<strong>Nachhaltig</strong>keit Renten“ und „<strong>Nachhaltig</strong>keit Aktien“<br />

halten Anteile von Thyssen Krupp, obwohl der Konzern neben<br />

anderen Geschäften auch einer der weltweit führenden Hersteller<br />

von Kriegs-U-Booten ist und auf Platz 53 der größten<br />

Rüstungshersteller weltweit liegt.<br />

Die meisten Sparer wissen nicht, was die Banken und Fondsanbieter<br />

mit ihrem Geld machen: „Ihnen ist nicht bewusst,<br />

dass ihr Geld auch in Unternehmen angelegt sein kann, die<br />

Kriegsländer mit Waffen beliefern oder die ungehemmt auf<br />

den Ausbau der Kohleindustrie setzen“, sagt Kathrin Petz,<br />

Campaignerin bei urgewald. Ähnliche Erfahrungen haben<br />

Verbraucherschützer gemacht: „Viele Anleger kritisieren,<br />

dass ihr Kreditinstitut sie nicht aktiv auf nachhaltige Anlageprodukte<br />

hinweist“, schreibt die Verbraucherzentrale NRW<br />

in einer Untersuchung aus dem Jahr 2<strong>01</strong>6.<br />

Das bedeutet, um genaues Nachfragen und Nachschauen<br />

kommen die Fonds-Kunden momentan nicht herum. Wenn<br />

sie ganz sicher gehen wollen, sollten sie nach Fonds der<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsbanken fragen, die in diesen Feldern strenge<br />

Ausschlusskriterien haben, ebenso zum Teil die Kirchenbanken<br />

und auf Ethik und Umweltschutz ausgerichtete Fondsanbieter.<br />

Zahlenmäßig spielen solche Aspekte bisher aber nur<br />

für einen kleinen Teil aller angebotenen Fonds eine Rolle,<br />

obwohl die Umfrage der Verbraucherzentrale Bremen zeigt,<br />

dass die Hälfte der befragten Geldanlagekunden ethische und<br />

ökologische Kriterien befürwortet.<br />

Ohne mehr Angebote und Informationen durch die Banken<br />

wird die Nachfrage also auch nicht kommen. Sparkassen,<br />

Volksbanken und erst recht die Privatbanken müssen Investmentbereiche,<br />

die eine Mehrheit in der Gesellschaft<br />

klar ablehnt, schon von sich aus ausschließen, wollen sie<br />

ihre Glaubwürdigkeit bei Ethik und <strong>Nachhaltig</strong>keit nicht<br />

völlig verlieren. Auf diesen Hebel setzt urgewald in einer<br />

aktuellen Kampagne zum Sparkassen-Fondsanbieter Deka.<br />

Auf der urgewald-Website können Interessierte gegen unethische<br />

Fonds-Investitionen unterschreiben und und auf<br />

www.dekaprotest.de mit mit wenig Aufwand Protest-Mails<br />

an ihre Sparkasse vor Ort schicken. So will urgewald den<br />

öffentlichen Druck erhöhen und die Sparkassen endlich<br />

wachrütteln. Auf dass im Knax-Land bald wirklich Frieden<br />

herrscht!<br />

www.dekaprotest.de<br />

www.urgewald.org<br />

MORITZ SCHRÖDER-THERRE<br />

ist Diplom-Journalist und hat mit Fokus auf Wirtschafts- und <strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>the</strong>men<br />

für Medien wie das WDR-Fernsehen, enorm,<br />

natur, Tagesspiegel und Handelsblatt gearbeitet. Seit 2<strong>01</strong>5 ist er<br />

Pressesprecher bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation<br />

urgewald. Sein Credo: „Aus meiner Arbeit weiß ich, welchen entscheidenden<br />

Hebel Banken mit dem Geld ihrer Kunden in der Hand<br />

halten. Ohne Kredite, Versicherungen und Investitionen kann kein<br />

unethisches Konzernprojekt realisiert werden. Diesen Hebel möchte<br />

ich mit meiner Arbeit in Richtung Ethik bewegen, damit wir als Gesellschaft<br />

in die richtige Richtung gehen.<br />

Mit gutem Gewissen sparen und investieren<br />

urgewald ist eine Umwelt- und Menschenrechtsorganisation<br />

mit Schwerpunkt auf Finanzwirtschaft. Sie geht direkt mit<br />

Verantwortlichen in Konzernen ins Gespräch und organisiert<br />

Protest von außen. In Broschüren und Studien zeigen die urgewald-<br />

Experten, wo das Geld von Banken, Versicherern und Inves<strong>to</strong>ren<br />

Umwelt zerstört und Menschenrechte gefährdet. Neben der<br />

aktuellen Kampagne zur Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka<br />

Investment veröffentlicht urgewald regelmäßig Analysen zu den<br />

Geldgebern von Waffen- und Kohlekonzernen wie RWE und<br />

Rheinmetall und informiert Verbraucher über die Alternativen.<br />

Mehr Informationen dazu auf www.urgewald.org. Außer mit<br />

Spenden und Förderbeiträgen können Interessierte die Arbeit<br />

seit Kurzem auch als Stifter langfristig unterstützen. Die urgewald-<br />

Stiftung ist am 28. Januar 2<strong>01</strong>9 gegründet worden.<br />

Weitere hilfreiche Informationen zur ethischen Geldanlage<br />

• ECOreporter: Das Magazin informiert aktuell über nachhaltige<br />

Geldanlagen und gibt viele hilfreiche Tipps zum Thema. Mit<br />

dem „ECOreporter-Siegel“ zeichnet die Redaktion nachhaltige<br />

Geldanlagen aus.<br />

• Finanztest/Stiftung Warentest: Sie veröffentlichen regelmäßig<br />

Tests zu Ethik- und Umweltschutzkriterien bei Finanzprodukten.<br />

• Verbraucherzentralen: Sie schaffen immer wieder durch Verbraucherbroschüren<br />

und -umfragen Transparenz in verschiedenen<br />

Bereichen der Geldanlage, auch zu Fragen von Ethik und<br />

Umweltkriterien.<br />

• Facing Finance: Der Verein setzt sich für einen verant wortungsbewussten<br />

Umgang mit Geld ein. Facing Finance gibt unter<br />

anderem den „Fair Finance Guide Deutschland“ heraus, der in<br />

einer Übersicht zeigt, wie deutsche Banken bei sozialen und<br />

ökologischen Themen abschneiden.<br />

42 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK | THEMEN<br />

WEITBLICK IN DEN MEDIEN?<br />

Woran liegt es, dass wir in Sachen <strong>Nachhaltig</strong>keit und Klimaschutz nicht so recht in Fahrt kommen?<br />

Bekommen wir zu wenige Informationen aus den Medien, weil der Qualitätsjournalismus immer mehr an<br />

Boden verliert, oder sind die Menschen bei diesem Thema bereits abgestumpft und verunsichert? Das<br />

Netzwerk „Weitblick“, der gemeinnützige Verband für Journalismus und <strong>Nachhaltig</strong>keit, will hier mit aller<br />

Kraft gegensteuern. <strong>forum</strong> fragt Susanne Bergius, die geschäftsführende Vorstandsvorsitzende, nach<br />

Zielen und Hintergründen.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Bergius<br />

Susanne Bergius ist selb stständige<br />

Journalistin und<br />

Modera<strong>to</strong>rin für nachhaltiges<br />

<strong>Wirtschaften</strong> und<br />

Investieren in Berlin.<br />

Im 10. Jahr schreibt<br />

sie das „Handelsblatt<br />

Business Briefing <strong>Nachhaltig</strong>e<br />

Investments“. Die<br />

Diplom-Geographin war<br />

14 Jahre Auslandskorrespondentin<br />

des Handelsblatts<br />

und befasst sich<br />

seit mehr als 30 Jahren<br />

mit <strong>Nachhaltig</strong>keit. Für<br />

ihre Arbeiten erhielt sie<br />

mehrere Auszeichnungen.<br />

Seit 2<strong>01</strong>5 ist sie ehrenamtlich<br />

geschäftsführende<br />

Vorstandsvorsitzende des<br />

gemeinnützigen journalistischen<br />

Netzwerks<br />

Weitblick.<br />

Frau Bergius, fehlt der Weitblick in Sachen<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit bei den Medienmachern?<br />

Medien lassen sich oft vom derzeit aktuellsten<br />

oder brisantesten Ereignis treiben, statt die<br />

Geschehnisse einzuordnen und zu relativieren.<br />

Die Gewichtungen von Journalisten sind<br />

dabei häufig paradox. Ja, es fehlt an vorausschauender<br />

Berichterstattung. Lassen Sie<br />

mich ein Beispiel nennen:<br />

Biologische Vielfalt ist die Grundlage menschlicher<br />

Existenz. Die verschiedenartigen Ökosysteme<br />

bieten Nahrung, Wasser, saubere<br />

Luft, Lebensraum und Schutz vor Hitze. Starke<br />

Eingriffe in diesen Reichtum gefährden die<br />

Menschheit. Darum hätte der Weltnaturschutzgipfel<br />

im November genauso prominent<br />

im Fokus medialer Aufmerksamkeit<br />

stehen müssen wie der Weltklimagipfel im<br />

Dezember. Zumal Klimaschutz ohne Artenschutz<br />

nicht möglich ist.<br />

Aber nein: Zeitgleich zu den zweiwöchigen<br />

Verhandlungen von 169 Staaten zum<br />

UN-Übereinkommen über Biologische Vielfalt<br />

(CBD) im ägyptischen Scharm El-Sheich gab es<br />

im November ja den G20-Gipfel der wichtigsten<br />

Industriestaaten in Buenos Aires. In jenen<br />

Tagen drehte sich deshalb in den Medien alles<br />

um Wirtschaft und Handelsbeziehungen. Nur<br />

wenige <strong>the</strong>matisierten das CBD und die Erkenntnis,<br />

dass auf einer Erde ohne Pflanzen<br />

und Tiere keine Wirtschaft und kein Handel<br />

stattfinden können.<br />

Hängt das an mangelndem Einblick oder<br />

Durchblick?<br />

Es ist Aufgabe von Journalisten, Zusammenhänge<br />

aufzuzeigen und Verdecktes sichtbar<br />

zu machen. Gut dazu informieren können sie<br />

jedoch nur, wenn sie selbst gut informiert<br />

sind. Dafür sind Grundkenntnisse über<br />

komplexe Themen erforderlich und über<br />

mögliche gegenseitige Wechselwirkungen<br />

und Verflechtungen von vermeintlich kaum<br />

aufeinander einwirkenden Bereichen. Wer<br />

beispielsweise nicht weiß oder zumindest<br />

ahnt, dass für die Zukunftsfähigkeit von<br />

Unternehmen nicht nur Umsatz, Gewinn und<br />

Cashflow entscheidend sind, wird kaum von<br />

selbst darauf kommen, bei der Bilanzpressekonferenz<br />

zu fragen nach Instandhaltungsinvestitionen,<br />

dem Umsatzanteil umwelt- und<br />

sozialverträglicher Produkte, oder nach ökosozialen<br />

Haftungs- und Regulierungsrisiken<br />

in der Lieferkette.<br />

Der mangelnde Überblick liegt unter anderem<br />

daran, dass Journalistinnen und Journalisten<br />

während ihrer Ausbildung selten das passende<br />

Rüstzeug erhalten: Rüstzeug für kritisches<br />

Denken, Zuhören, Nachbohren, Einordnen,<br />

Reflektieren – mit Blick auf das ressortübergreifende<br />

Querschnitts<strong>the</strong>ma <strong>Nachhaltig</strong>keit.<br />

Darum plädiert das Netzwerk Weitblick dafür,<br />

Module zu <strong>Nachhaltig</strong>keit systematisch in die<br />

Aus- und Fortbildung einzubauen, die für die<br />

spezifischen Herausforderungen und Lösungen<br />

sensibilisieren.<br />

Kann Ihre Publikationsreihe „Journalismus<br />

& <strong>Nachhaltig</strong>keit“ dabei helfen?<br />

Ja. Das Netzwerk Weitblick hat während eines<br />

ersten Qualifizierungsprojekts von 2<strong>01</strong>6 bis<br />

2<strong>01</strong>8 insgesamt zwölf Lehrmodule zu verschiedenen<br />

Themen entwickelt und erfolgreich<br />

getestet. Weitblick-Mitglieder haben in<br />

Kooperation mit Bildungseinrichtungen mehr<br />

als 130 zumeist angehende Journalistinnen<br />

und Journalisten geschult. Die Module stehen<br />

modellhaft dafür, wie Ausbilder und Weiterbilder<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsfragen in ihr Angebot<br />

integrieren können.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

43


THEMEN | FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK<br />

Die daraus entstandene 12-bändige Publikationsreihe bietet<br />

hierfür Handreichungen, sowohl Sachwissen als auch<br />

journalistisches Fachwissen. Für Journalisten und andere<br />

Medienmacherinnen sind die Bände als Einstieg in neue<br />

Themen und neue Sichtweisen gedacht. Wir setzen unsere<br />

Qualifizierungsinitiative fort und wollen die Reihe ausbauen<br />

– unter anderem mit Modulen zu Biodiversität, Konsum,<br />

Ozeanen oder Stadtentwicklung – und hoffen, dafür Finanzierungen<br />

zu erhalten.<br />

Sie sagen: „Wer andere Fragen stellt, erhält andere Antworten<br />

und schreibt andere Geschichten.“ Stellen wir alle<br />

die falschen Fragen?<br />

So absolut kann man das nicht behaupten. Doch <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

fällt trotz ihrer Bedeutung und Tragweite vielfach unter<br />

den Tisch. Das erklärt, dass selbst umfangreiche Firmenportraits<br />

oder ausführliche Interviews meist keine für das<br />

Geschäft oder die Gesellschaft wesentlichen Umwelt- und<br />

Sozialaspekte anschneiden. Leser, Hörer und Zuschauer<br />

erhalten folglich nur konventionelle ökonomische Informationen,<br />

nicht aber ein Gesamtbild, um die jeweiligen Akteure<br />

besser einschätzen zu können. Ähnliches gilt auch für die<br />

anderen Ressorts, von der Politik über das Feuille<strong>to</strong>n, Gesellschaftsseiten<br />

und die Mode bis hin zum Sport.<br />

Da in den Ressorts Silodenken und Profilierungsgehabe dominieren,<br />

werden <strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>the</strong>men von einer Redaktion<br />

oft zur anderen geschoben, weil sich niemand zuständig fühlt.<br />

Aber immer mehr Ereignisse bedingen ressortübergreifende<br />

Kooperationen, um sie im Diskurs zur Zukunftsfähigkeit<br />

umfassend darzustellen. Auf diese Zusammenarbeit über<br />

Ressortgrenzen hinweg sind angehende Medienschaffende<br />

handwerklich vorzubereiten. Damit sie neue Fragen stellen<br />

und neue Perspektiven darstellen.<br />

Sie selbst haben im Band 1 über Geldanlagen und Inves<strong>to</strong>ren<br />

geschrieben. Regiert Geld die Welt?<br />

Ja und nein. Politik ist durchaus entscheidend für das Weltgeschehen.<br />

Doch hinter politischen Kräften stecken teils<br />

unermessliche Geldsummen und Wirtschaftsinteressen, die<br />

das Geschehen de fac<strong>to</strong> lenken. Bizarr ist, dass die Finanzmärkte<br />

ein Vielfaches dessen an Kapital handeln, was für<br />

die Realwirtschaft verfügbar ist, und dass ein Großteil des<br />

Kapitals in fragwürdigen Geschäftsaktivitäten steckt. Zwar geraten<br />

Unternehmen aufgrund ökosozialer Missstände immer<br />

wieder in die Kritik zivilgesellschaftlicher Organisationen und<br />

mancher Medien. Doch was nutzt es, allein Unternehmen zu<br />

kritisieren, nicht aber ihre Geldgeber?<br />

Banken, Versicherer, Vermögensverwaltungen, Pensionsfonds,<br />

Stiftungen, Kirchen – sie alle wollen möglichst hohe<br />

Renditen. Gerade börsennotierte Unternehmen können<br />

vielfach kaum anders, als sich dem Druck zu beugen und auf<br />

einem Auge blind zu sein. Folglich ist klar: Abgesehen von<br />

Gesetzgebern, Privathaushalten und der Zivilgesellschaft<br />

spielen Finanzmarktakteure eine beträchtliche Rolle dabei,<br />

ob Unternehmen künftig ökosozial verantwortlicher wirtschaften.<br />

Insofern regieren Finanziers die Welt mit. Dieser<br />

Herausforderung widmen sich nachhaltige und verantwortliche<br />

Investments.<br />

Was sind nachhaltige Geldanlagen, was sind verantwortliche<br />

Kapitalanlagen?<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Geldanlagen sondieren und investieren in<br />

Akteure, die bereits glaubwürdig auf dem Weg zu mehr<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit sind, und meiden die anderen. Sie analysieren<br />

Unternehmen und Staaten mithilfe zahlloser Indika<strong>to</strong>ren<br />

und investieren in die ökosozial leistungsfähigsten. Noch<br />

strengere Konzepte stützen nur durchweg nachhaltige Geschäftsmodelle.<br />

Verantwortliche Inves<strong>to</strong>ren hingegen wollen<br />

die schlimmsten Vergehen gegen internationale Umweltund<br />

Sozialstandards meiden, sowie ihre diesbezüglichen<br />

Risiken senken. Sie wollen Unternehmen dazu bringen, sich<br />

zumindest in manchen Bereichen auf den Weg zu machen.<br />

Sie beachten einige zentrale Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte,<br />

und manche dieser Inves<strong>to</strong>ren sprechen direkt<br />

mit den Emittenten.<br />

Welche Bedeutung haben beide für Gesellschaften und<br />

Ökonomien?<br />

Entscheidender Ansatz bei nachhaltigem und bei verantwortlichem<br />

Investieren ist, dass alle Kapitaleigner und Vermögensverwalter,<br />

auch die konventionellen, beeinflussen<br />

können, wie sie ihr Eigentum beziehungsweise die ihnen<br />

anvertrauten Gelder einsetzen. Als Finanziers der Wirtschaft<br />

haben institutionelle Inves<strong>to</strong>ren wie etwa Kreditgeber,<br />

Asset Manager oder Altersversorger als auch Dienstleister<br />

wie Ratingagenturen kräftige Hebel in der Hand, um auf<br />

die Art des <strong>Wirtschaften</strong>s einzuwirken – zugunsten nachhaltigerer<br />

Gesellschaften oder eben nicht. Die Geldgeber<br />

von Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen<br />

entscheiden mit, ob unsere Ökonomien und Lebensweisen<br />

zukunftsfähiger werden.<br />

Können Finanzen als Hebel für eine zukunftsfähige Ökonomie<br />

und Gesellschaft instrumentalisiert werden?<br />

Es geht nicht darum, Geldanlagen und Finanzierungen zu<br />

instrumentalisieren, sondern primär sollten Investitionen<br />

und Kredite aufhören, Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen<br />

zu finanzieren. Was nutzen die 17 <strong>Nachhaltig</strong>keitsziele<br />

der Weltstaatengemeinschaft und manche<br />

Investments zugunsten einzelner dieser Sustainable Development<br />

Goals, wenn die Masse der Finanzierungen ökologisch<br />

und sozial verheerende Geschäfte ermöglicht?<br />

Fakt ist, dass Politik und Gesellschaft den großen Einfluss<br />

der Finanziers auf unsere Art zu wirtschaften und zu leben,<br />

zumeist übersehen. Auch die Vereinten Nationen ignorierten<br />

deren Rolle für die Zukunft: Bei den UN-Zielen fehlt deshalb<br />

ein für alle anderen SDGs wichtiges Ziel: ein nachhaltiger<br />

Finanzmarkt.<br />

Finanzakteure haben eine treuhänderische Verantwortung.<br />

Diese sollte auch die Beachtung von Umwelt- und Sozial-<br />

44 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK | THEMEN<br />

risiken umfassen – im Interesse der Anspruchsgruppen und<br />

der Gesellschaft. Immerhin klärt die EU-Kommission derzeit<br />

diese Treuhandverantwortung regula<strong>to</strong>risch. Aus all dem<br />

folgt: Für Journalisten ist es nicht nur ratsam, sondern auch<br />

ihre Aufgabe, sich mit dem Handeln von Finanzakteuren<br />

unter dem Blickwinkel der Zukunftsfähigkeit zu befassen.<br />

Ihre Aktivitäten und Ergebnisse sind zu hinterfragen. Und<br />

auch, ob an nachhaltigen Kriterien ausgerichtete Geld- und<br />

Kapitalanlagekonzepte tatsächlich Hebel für zukunftsfähiges<br />

<strong>Wirtschaften</strong> sind.<br />

Frau Bergius, wir danken für das Gespräch.<br />

www.netzwerk-weitblick.org | www.susanne-bergius.de<br />

Themen der Publikationsreihe „Journalismus & <strong>Nachhaltig</strong>keit“<br />

Die Publikationsreihe Journalismus<br />

& <strong>Nachhaltig</strong>keit des gemeinnützigen<br />

Netzwerks Weitblick<br />

richtet sich an journalistische<br />

Bildungseinrichtungen, Journalisten<br />

und auch an PR-Verantwortliche.<br />

Die zwölf Bände eignen sich<br />

für den Unterricht ebenso wie für<br />

die persönliche Fortbildung und<br />

bieten Wissen, Einordnung und<br />

Handwerkszeug für die Recherche<br />

sowie Tipps, weiterführende<br />

Hinweise, Literaturempfehlungen und Übungen zum Einstieg in neue<br />

Themen. Die Modulhandbücher und Skripte sind das Ergebnis eines<br />

Qualifizierungsprojekts des Netzwerks Weitblick, eines Vereins von<br />

Journalisten für Journalisten, der das Ziel hat, die Information, Diskussion<br />

und Meinungsbildung zu <strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>the</strong>men voranzubringen.<br />

Die digitale Publikationsreihe bündelt das Wissen, bietet reichlich<br />

Leses<strong>to</strong>ff und Materialien für Unterricht, Seminare und auch betriebliche<br />

Workshops.<br />

Das goldene Dutzend – auch für Unternehmen<br />

Mithilfe der zwölf Lehrmodule können die Nutzer den Faden von Lieferketten<br />

aufnehmen (Band 2), Finanzströme hinterfragen (1), berichten,<br />

wie man aus Dreck Gold macht (4), und mit dem Ganzen im Blick<br />

(8) Wege aus der Sackgasse veralteter Mobilitätskonzepte aufzeigen<br />

(9). Sie lernen Greenwashing von seriöser Kommunikation zu unterscheiden<br />

(3), Wirtschaftswachstum zu reflektieren (5) und erfahren,<br />

was die Wissenschaft für sie bereithält (10). S<strong>to</strong>rytelling (6) macht<br />

selbst die Energiewende (7) gut verdaubar, und an der Berichterstattung<br />

über zu wenig Trinkwasser (12) und zu viel Fleischkonsum (11)<br />

müssen sich Journalistinnen und Journalisten dank einführender Hinweise<br />

nicht mehr die Zähne ausbeißen.<br />

Die Au<strong>to</strong>ren und Au<strong>to</strong>rinnen befassen sich seit Jahren mit den journalistischen<br />

Herausforderungen zu <strong>Nachhaltig</strong>keitsfragen in Beiträgen<br />

für renommierte Medien und/oder für eigene Bücher. Deshalb sind<br />

die zwölf Module fundiert und gleichzeitig praxisnah. Das Mitdenken<br />

von <strong>Nachhaltig</strong>keit im betrieblichen Fragenkatalog führt zu tieferen,<br />

neuen Einsichten für das Unternehmen – und im journalistischen<br />

Kontext zu guten Geschichten. Denn <strong>Nachhaltig</strong>keit ist ein Querschnitts<strong>the</strong>ma<br />

und gehört in jede Abteilung und in jedes Ressort: in<br />

die Verbraucherstrecke, den Modeteil und den Sport genauso wie in<br />

den Wirtschaftsteil, ins Feuille<strong>to</strong>n und in die Politik. Ob als Haupt<strong>the</strong>ma<br />

oder als Aspekt systematisch berücksichtigt – immer geht es bei<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit um unser aller Zukunftsfähigkeit. Die zwölf Bände zu<br />

den Themen Geldanlage, Lieferketten, Kommunikation, Kreislaufwirtschaft,<br />

Wachstum, S<strong>to</strong>rytelling, Energiewende, Das große Ganze, Mobilität,<br />

Wissenschaft, Ernährung, Wasser umfassen 40 bis 150 Seiten<br />

und kosten als E-Book zwischen 9 € und 19 €. Die Erlöse aus dem Verkauf<br />

dieser Publikationen fließen den Zwecken des gemeinnützigen<br />

Vereins Netzwerks Weitblick e.V. zu.<br />

Die Bände sind bestellbar unter www.riffreporter.de/netzwerk-weitblick/<br />

oder direkt bei susanne.bergius@netzwerk-weitblick.org<br />

Hinweis:<br />

Im monatlichen Turnus greift <strong>forum</strong> eine Publikation<br />

und damit ein Thema in Sachen Weitblick auf<br />

und präsentiert es auf www.<strong>forum</strong>-csr.net. Mehr<br />

dazu unter nebenstehendem QR Code<br />

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THEMEN | FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK<br />

DIE FINANZBRANCHE<br />

IM AUFBRUCH<br />

Unternehmenserfolge ausschließlich an finanziellen Kennzahlen festzumachen, gehört zunehmend der<br />

Vergangenheit an. Humankapital, gesellschaftliche Verantwortung und Umweltbelange spielen eine immer<br />

größere Rolle bei der Beurteilung durch Stakeholder und Finanzanalysten. Doch wie sehr lassen sich die<br />

Finanzmarktakteure selbst in die Karten schauen?<br />

Von Fritz Lietsch<br />

Bei der Beurteilung von Unternehmen spielen neben der<br />

Bilanz auch der <strong>Nachhaltig</strong>keitsbericht bzw. die nichtfinanzielle<br />

Berichterstattung eine zunehmend große Rolle. Kein<br />

Wunder, denn Kreditgeber und Anteilseigner scheuen verdeckte<br />

Risiken wie der Teufel das Weihwasser. Und diese<br />

Risiken liegen immer häufiger in den Bereichen Compliance,<br />

Supply Chain und Umweltauswirkungen des Geschäftsbetriebes<br />

versteckt.<br />

Berichterstattung über nichtfinanzielle Aspekte<br />

Das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung<br />

der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten<br />

reguliert seit Mitte 2<strong>01</strong>7 in Deutschland die Berichterstattung<br />

über bestimmte <strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>the</strong>men und stärkt<br />

die Pflichtpublizität im Hinblick auf <strong>Nachhaltig</strong>keitsaspekte.<br />

Regelungen wie die NFI, also die Non Financial Information<br />

Richtlinie der EU, flankierende EU-Leitlinien und Standards<br />

der Global Reporting Initiative (GRI) sowie das NaDiVeG<br />

(<strong>Nachhaltig</strong>keits- und Diversitätsverbesserungsgesetz) bilden<br />

den gesetzlichen Rahmen in Österreich.<br />

Bestimmte große kapitalmark<strong>to</strong>rientierte Unternehmen<br />

sowie große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen<br />

sind demnach verpflichtet, über wesentliche nichtfinanzielle<br />

Aspekte zu berichten. Die Berichterstattung umfasst dabei<br />

mindestens Angaben zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen,<br />

zur Achtung der Menschenrechte und zur<br />

Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Dabei ist auf<br />

die verfolgten Konzepte, erzielten Ergebnisse und Risiken<br />

einzugehen. Das Unternehmen hat vier Optionen der Berichterstattung<br />

über nichtfinanzielle Aspekte:<br />

• Nichtfinanzielle Erklärung als besonderer Abschnitt im<br />

Lagebericht<br />

• Vollintegrierte nichtfinanzielle Erklärung im Lagebericht<br />

• Gesonderter nichtfinanzieller Bericht außerhalb des Lageberichts,<br />

der zusammen mit dem Lagebericht nach § 325<br />

HGB im Bundesanzeiger offengelegt wird<br />

• Gesonderter nichtfinanzieller Bericht außerhalb des<br />

Lageberichts, der spätestens vier Monate nach dem Abschlussstichtag<br />

auf der Internetseite des Unternehmens für<br />

mindestens zehn Jahre veröffentlicht wird. Der Lagebericht<br />

nimmt Bezug darauf.<br />

Wer prüft die <strong>Nachhaltig</strong>keitsperformance?<br />

Der bestellte Abschlussprüfer hat nicht nur zu prüfen, ob die<br />

Erklärung bzw. der gesonderte Bericht vorliegen, sondern er<br />

hat die gesetzliche Pflicht zur eigen- und selbstständigen inhaltlichen<br />

Prüfung dieser nichtfinanziellen Berichterstattung<br />

(„CSR Bericht“). Da bisher keine praxisnahe Prüfungserfahrung<br />

und Vorgehensweise für den Aufsichtsrat bestehen,<br />

die seine eigene Prüfungsaufgabe spezifizieren, ist dem<br />

Aufsichtsrat empfohlen, sich rechtzeitig mit dieser Prüfung<br />

zu beschäftigen. Auch wenn grundsätzlich gemäß gesetzlicher<br />

Vorgaben der Aufsichtsrat den zu veröffentlichenden<br />

Jahresabschluss mit allen finanziellen und nichtfinanziellen<br />

Informationen selbstständig zu prüfen hat (= Lesen, Verstehen,<br />

Analysieren, Bewerten und Genehmigen), zeigt die<br />

Praxis doch, dass dies bisher schon in alter Form nur sehr<br />

selten von jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied persönlich<br />

wahrgenommen wurde. <strong>Nachhaltig</strong>keitsberichte sind<br />

bisher oftmals gar kein Bestandteil der Tagesordnung einer<br />

Aufsichtsratssitzung gewesen.<br />

Ein verantwortungsbewusster Aufsichtsrat jedoch sollte<br />

genau auf diese Werte und Leitlinien einer langfristig und<br />

nachhaltig orientierten Unternehmensführung Wert legen<br />

und diese von der Geschäftsführung einfordern. Dazu benötigt<br />

er ein profundes Kennen der Anforderungen aller<br />

Anspruchsgruppen und Stakeholder. Dadurch wird er nicht<br />

nur zum Bestandteil, sondern zum Garant eines nachhaltigen<br />

Erfolgsmanagements und zum „Hüter der CSR und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit“.<br />

Rechts: Die Wesentlichkeitsmatrix der Stakeholderumfrage von<br />

fair-finance zeigt, welche Werte und welches Engagement von<br />

Unternehmen in der heutigen Zeit gefragt sind. Gut, wer dies<br />

bereits im Geschäftsbetrieb verankert hat.<br />

46 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK | THEMEN<br />

Transparenz im Finanzbereich besonders gefragt<br />

Die Finanzindustrie legt immer mehr Wert auf das sogenannte<br />

Non financial Reporting ihrer Kunden, um Anlage- und<br />

Kreditrisiken rechtzeitig erkennen zu können. Doch was für<br />

deren Kunden recht ist, sollte für sie selbst mehr als billig sein.<br />

Die Finanzwirtschaft muss mit gutem Beispiel in Sachen Berichterstattung<br />

und Aufsichtsratskontrolle vorangehen, denn<br />

schließlich hat ja gerade ihre Branche in Sachen Reputation<br />

und Transparenz einiges gutzumachen. Was liegt näher, als<br />

nicht nur einen <strong>Nachhaltig</strong>keitsbericht vorzulegen, sondern<br />

mit einem aussagekräftigen, integrierten Report maximale<br />

Transparenz herzustellen. Im deutschsprachigen Raum haben<br />

bereits diverse Finanzdienstleister den Trend zum integrierten<br />

Bericht erkannt. Darunter die Commerzbank AG, die<br />

Liechtensteinische Landesbank, die St.Galler Kan<strong>to</strong>nalbank,<br />

die Tridos Bank oder die UniCredit Group.<br />

In Österreich sind es das Bankhaus Schelhammer & Schattera,<br />

die BONUS und die VBV Vorsorgekasse, die Österreichische<br />

Kontrollbank (OeKB), die Österreichische Nationalbank oder<br />

die Österreichischen Volksbanken. Die österreichische Vorsorgekasse<br />

fair-finance geht diesen Weg erstmals in diesem<br />

Jahr. Grund genug, Markus Zeilinger, den Vorstandsvorsitzenden<br />

der Vorsorgekasse und CEO der fair-finance Gruppe, die<br />

auch eine Immobilien- und Assetgesellschaft umfasst, nach<br />

seinen Beweggründen für den Umstieg auf das integrierte<br />

Reporting zu befragen.<br />

Grafik: © TRIACON Consulting & Management GmbH<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

47


THEMEN | FINANZWIRTSCHAFT MIT WEITBLICK<br />

Herr Zeilinger, warum haben Sie sich zu diesem Schritt<br />

entschlossen?<br />

Vorausschicken möchte ich, dass sich fair-finance als Pionier<br />

im Bereich nachhaltige Investments versteht. Wir haben uns<br />

zu einer 100 Prozent nachhaltigen Kapitalanlage verpflichtet,<br />

die mit dem Kundenbeirat abgestimmte Ausschlusskriterien<br />

mit einem Best-In-Class-Ansatz verbindet und zusätzlich auf<br />

impactstarke Themen wie Mikrofinanz, alternative Energie<br />

und ganz aktuell auf Aufforstung und Social Business Finanzierung<br />

setzt. Einzigartig ist auch das von uns erarbeitete<br />

Ratingsystem für nachhaltige Immobilien.<br />

Nun ist uns aber vollkommen bewusst, dass nachhaltiges<br />

<strong>Wirtschaften</strong> über die bloße Vermögensveranlagung hinausgeht<br />

und vor allem auch sogenannte „non-financials“, also<br />

nichtfinanzielle Leistungsindika<strong>to</strong>ren wie Mitarbeiterzufriedenheit,<br />

Innovationskraft oder den Umgang mit Ressourcen<br />

miteinbezieht. Dazu kommt, dass sich immaterielle Fak<strong>to</strong>ren<br />

wie Reputation, Vertrauen und die langfristige Lebensfähigkeit<br />

des Geschäftsmodells laut einer 2<strong>01</strong>5 von Ocean Tomo<br />

durchgeführten Studie zu zentralen Wirtschaftsfak<strong>to</strong>ren<br />

entwickelt haben. So zeigt sich, dass das Net<strong>to</strong>vermögen der<br />

S&P-500 Unternehmen nur mehr 16 Prozent ihrer Marktkapitalisierung<br />

beträgt. Das bedeutet, dass das bislang in<br />

Bilanzen ausgewiesene Finanzkapital im Vergleich zu anderen<br />

Kapitalarten (z.B. Humankapital) nur mehr einen kleinen Teil<br />

eines Unternehmenswertes darstellt. Da wollten wir natürlich<br />

wissen, wie wir hier selber abschneiden.<br />

Was war daraufhin die erste Maßnahme?<br />

Bereits 2<strong>01</strong>8 haben wir beschlossen, den bisherigen Fairnessbericht<br />

(Geschäftsbericht) zu einem integrierten Geschäftsund<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsbericht zu erweitern.<br />

Integrierte Berichterstattung bildet neben den finanziellen<br />

Kennzahlen eine Vielfalt an Informationen ab. Zum Beispiel<br />

werden Strategie, Unternehmensführung, gesellschaftlicher<br />

und ökologischer Kontext zu zentralen Werten, die von vielen<br />

Anspruchsgruppen eingefordert werden. fair-finance hat<br />

dazu 2<strong>01</strong>8 eine sehr umfangreiche und breite Stakeholderumfrage<br />

in Auftrag geben.<br />

Insgesamt wurden über 5.000 Personen eingeladen, uns ihr<br />

Feedback zum Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit im Allgemeinen und zu<br />

fair-finance im Speziellen zu geben. Die Anzahl von über 600<br />

ausgefüllten Fragebögen hat uns einerseits sehr positiv überrascht,<br />

zeigt aber andererseits, wie wichtig den Menschen<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>the</strong>men geworden sind – in der Veranlagung<br />

ebenso wie in allgemeineren gesellschaftlichen Aktivitäten<br />

des Partners, mit dem sie zusammenarbeiten. Die Ergebnisse<br />

wurden in einer Wesentlichkeitsmatrix zusammengefasst,<br />

die sowohl unternehmens- wie auch stakeholderrelevante<br />

Themen abbildet. Die wesentlichsten Themen sind demnach:<br />

• Abfallreduktion und Recycling<br />

• Zugang zu Bildung und deren Qualität<br />

• Klima & Energie (CO 2<br />

, e.E., E.Effizienz)<br />

• Naturschutz (Wasser, Boden, Wald, Biodiv.)<br />

• Bildung für Umweltschutz<br />

• Transparente Unternehmensführung<br />

• Gesunde Lebensmittel & Fair Trade<br />

• Arbeitsbedingungen (Familie & Beruf, fair, Sicherheit,<br />

Gesundheit)<br />

• <strong>Nachhaltig</strong>es Bauen / <strong>Nachhaltig</strong>e Immobilen<br />

• <strong>Nachhaltig</strong>e Mobilität<br />

Den globalen Zielen einer nachhaltigen Entwicklung (sustainable<br />

development goals – SDG) zugeordnet, ergibt das Handlungspotenziale<br />

insbesondere bei den nachfolgenden SDG:<br />

Was mich persönlich besonders freut, ist die Tatsache, dass<br />

die wichtigsten Aspekte, die sich aus der Wesentlichkeitsmatrix<br />

ergeben, in unserem nachhaltigen Handeln bereist<br />

umgesetzt sind. In der Vermögensveranlagung ebenso wie<br />

in der Unternehmensführung. Mit dem integrierten Bericht<br />

wird nun die Zielerreichung der SDG ins Kerngeschäft und<br />

in den gesamten Geschäftsbetrieb von fair-finance integriert<br />

und kann durch die Kennzahlen laufend kontrolliert werden.<br />

Sind die Ergebnisse der Befragung auch für andere Unternehmen<br />

einsehbar?<br />

Ja, das ist geplant. Aber dazu müssen die Interessenten sich<br />

noch etwas gedulden, denn eine ausführlichere Darstellung<br />

der Ergebnisse finden sie in unserem integrierten Geschäftsund<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsbericht, den sie ab April 2<strong>01</strong>9 auf unserer<br />

website www.fair-finance.at dowloaden können.<br />

Herr Zeilinger wir bedanken uns für das Gespräch.<br />

Die Vorteile einer integrierten<br />

Berichterstattung<br />

• ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen<br />

• ein einzelner, klarerer Bericht statt vieler unterschiedlicher<br />

Dokumente<br />

• verbessertes Verständnis der Wertschöpfung<br />

• klarere Identifikation von Risiken und Chancen<br />

• verbessertes Risikomanagement<br />

• verbesserte interne Prozesse<br />

• effektives Management immaterieller Vermögenswerte<br />

• höhere Reputation<br />

• höheres Vertrauen<br />

• stärkung der Marke<br />

• leichterer Gewinn von Inves<strong>to</strong>ren<br />

„Die Fähigkeit, die unternehmerische Wertschöpfung in all ihren<br />

Facetten aussagekräftig abbilden zu können, wird in Zukunft ein<br />

maßgeblicher Wettbewerbsvorteil sein.“<br />

Paul Druckman, CEO, IIRC<br />

Weitere Informationen zu den verschiedenen Formen und Pflichten<br />

der Berichterstattung finden Sie unter www.<strong>forum</strong>-csr.net.<br />

48 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


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für Einweggeschirr oder Natural Branding:<br />

Die REWE Group unternimmt viel, um<br />

Ressourcen zu schonen und Verpackungen<br />

zu reduzieren. Jüngstes Beispiel ist die von<br />

der Schutzfolie befreite Bio-Gurke in allen<br />

REWE-Supermärkten.<br />

Gurken sind das ganze Jahr über zu kaufen.<br />

Meist stammen sie von Erzeugern aus<br />

Deutschland oder den Niederlanden. In den<br />

Wintermonaten sind Gurken in Bio-Qualität<br />

allerdings nur dank Lieferungen vor allem<br />

aus Spanien verfügbar. Auf dem Weg in<br />

die Supermarktregale schützt häufig eine<br />

Schutzfolie das empfindliche Gemüse<br />

vor Austrocknung und Beschädigungen.<br />

REWE hatte den Ehrgeiz zu zeigen, dass es<br />

auch ohne Plastik geht. Gemeinsam mit<br />

beteiligten Partnern änderte der Lebensmitteleinzelhändler<br />

die komplexen Transportprozesse<br />

so, dass Bio-Gurken nicht<br />

mehr eingeschweißt werden müssen, aber<br />

trotzdem ihre Frische und Qualität behalten.<br />

Seit Januar bieten alle REWE-Supermärkte<br />

das grüne Gemüse ganzjährig nur noch mit<br />

einem Klebeetikett an. Konventionell und<br />

biologisch erzeugte Gurken von Anbietern<br />

aus Deutschland und den Niederlanden<br />

hatte REWE bereits zuvor auf plastikfrei umgestellt.<br />

Dadurch werden ab 2<strong>01</strong>9 jährlich 80<br />

Tonnen Kunsts<strong>to</strong>ff eingespart.<br />

Die Bio-Gurke ist eines von insgesamt 1122<br />

Produkten, auf deren Verpackung die REWE<br />

Group inzwischen entweder komplett verzichtet<br />

oder deren Verpackung sie umweltfreundlicher<br />

gestaltet hat.<br />

„Mit diesen Maßnahmen bei REWE und<br />

PENNY haben wir bereits einen großen<br />

Schritt in die richtige Richtung gemacht.<br />

Wir sind auf einem guten Weg, unsere<br />

Verpackungen nach und nach umweltfreundlicher<br />

zu gestalten“, be<strong>to</strong>nt Lionel<br />

Souque, Vorstandsvorsitzender der REWE<br />

Group. Spektakulärster Schritt war die<br />

Auslistung der Plastiktragetaschen in den<br />

5.500 REWE- und PENNY-Märkten im Jahr<br />

2<strong>01</strong>6. Insgesamt verringern die bereits umgesetzten<br />

Verpackungseinsparungen den<br />

jährlichen Kunsts<strong>to</strong>ffverbrauch allein bei<br />

REWE und PENNY um 7.000 Tonnen. Das<br />

sind gut 15 Prozent des bisherigen Bedarfs<br />

und würde ausreichen, um 35.000 Fußballfelder<br />

mit einer Folie zu überspannen.<br />

Dabei soll es nicht bleiben. „Bis Ende 2030<br />

werden wir alle Eigenmarkenverpackungen<br />

umweltfreundlicher gestalten“, kündigte<br />

Souque an. Dieses Ziel hat das Unternehmen<br />

in einer eigenen Verpackungsleitlinie<br />

definiert.<br />

Im Bereich Ressourcenschonung sieht sich<br />

die REWE Group als Vorreiter der Branche.<br />

Die Initiativen sind vielfältig. Beispiel Mehrwegfrischenetz:<br />

Seit Ok<strong>to</strong>ber 2<strong>01</strong>8 bietet<br />

REWE diese Alternative zu Knotenbeuteln<br />

bundesweit an und appelliert an Kunden,<br />

vermehrt zu losem Obst und Gemüse zu<br />

greifen. Beispiel Plastik-Trinkhalme: Ein<br />

Wegwerfprodukt, das meist nach kurzem<br />

Gebrauch im Müll landet. Im Sommer 2<strong>01</strong>8<br />

haben REWE, PENNY und <strong>to</strong>om Baumarkt<br />

angefangen, ihre Bestände abzuverkaufen.<br />

Bis Ende 2020 will die REWE Group auch<br />

Einweggeschirr aus Kunsts<strong>to</strong>ff auslisten.<br />

Und im Februar 2<strong>01</strong>9 beginnen REWE und<br />

PENNY, Wattestäbchen mit Plastikschaft<br />

gegen einen qualitativ gleichwertigen Artikel<br />

mit Papierschaft auszutauschen. Das<br />

kann im Jahr knapp 200 Tonnen Kunsts<strong>to</strong>ff<br />

sparen.<br />

Es gibt noch mehr Ideen, weitere Verpackungen<br />

zu optimieren oder einzusparen.<br />

Zum Beispiel durch „Natural Branding“,<br />

eine innovative und umweltfreundliche<br />

Kennzeichnung, bei der ein gebündelter<br />

Lichtstrahl Pigmente der äußeren Schale<br />

etwa von Süßkar<strong>to</strong>ffeln entfernt. Manchmal<br />

funktioniert Müllvermeidung aber auch<br />

unauffällig: indem die Materialstärken von<br />

Plastik, Kar<strong>to</strong>n und Glas reduziert werden<br />

oder Papierverpackungen auf Altpapier<br />

umgestellt werden.<br />

www.rewe-group.com<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

49


THEMEN | VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT<br />

DAS NEUE<br />

VERPACKUNGSGESETZ<br />

Problemlöser oder Ursache wachsender Müllberge?<br />

Lange erwartet und zum Anfang des Jahres gestartet, hat das Verpackungsgesetz nach Ansicht der<br />

Kritiker vieles nicht gehalten, was es versprochen hatte… Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet es<br />

gar als ambitionsloses und wirtschaftsnahes Regelwerk.<br />

Von Thomas Fischer<br />

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VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT | THEMEN<br />

Fein säuberlich gesammelt und zu Ballen gepresst: Während das Sammeln der Verpackungen und des Mülls hierzulande schon gut<br />

funktioniert sind das Thema Trennung der Fraktionen und vor allem die Wiederverwertung noch immer eine große Herausforderung.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © DHU<br />

Das ab dem 1. Januar 2<strong>01</strong>9 in Kraft getretene Verpackungsgesetz<br />

wird das Problem wachsender Abfallmengen nicht<br />

lösen. Was als ambitioniertes Versprechen für mehr Umweltschutz<br />

begann, wurde am Ende zu einem ambitionslosen<br />

und wirtschaftsnahen Regelwerk. Im Gesetz fehlen eine<br />

Ausdehnung der Abfallsammlung von Verpackungen auf<br />

Produkte aus Metall und Kunsts<strong>to</strong>ff sowie wirksame ökonomische<br />

Anreize zur Abfallvermeidung. Darüber hinaus<br />

findet, neben der nun eingeführten Selbstkontrolle des<br />

Handels, eine Entmachtung der Behörden statt und zeigt<br />

den niedrigen Stellenwert, den die Bundesregierung dem<br />

Ressourcenschutz zuweist. Auch die Anreize zum Einsatz von<br />

Recyclingmaterialien zur Herstellung neuer Verpackungen<br />

sind sehr schwach ausgeprägt.<br />

Abfallvermeidungsziel und Förderung der<br />

Wiederverwendung<br />

Es gibt Ziele zum Klimaschutz, zur Luftreinhaltung und zur<br />

Wasserqualität. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es noch<br />

immer kein Vermeidungsziel gibt, welches die Umweltschäden<br />

durch die Herstellung und unsachgemäße Entsorgung<br />

von Verpackungen verringert. Ohne die Festlegung einer<br />

verbindlichen Zielmarke werden die Abfallberge nicht viel<br />

kleiner werden. Mit gutem Beispiel geht Österreich voran:<br />

Die Verabschiedung eines Minderungsziels für Plastikverpackungen<br />

von 20 Prozent bis 2025 zeigt eindrücklich, wie<br />

man wirksam gegen unnötigen Einweg-Plastikmüll vorgehen<br />

kann. Deutschland sollte ein Ziel von maximal 120 Kilogramm<br />

Verpackungsabfall ab 2025 und 90 Kilogramm ab 2030 pro<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

51


Kopf und Jahr verbindlich festlegen. Hierzu müsste der<br />

Verpackungsmüllberg in den nächsten 12 Jahren mehr als<br />

halbiert werden.<br />

Entscheidend ist auch, die wenigen Ziele und konkreten Vorschriften<br />

des neuen Verpackungsgesetzes, die wirklich das<br />

Potenzial zur Entlastung der Umwelt haben, konsequent umzusetzen.<br />

Hierzu zählt vor allem das Erreichen der im letzten<br />

Moment ins Gesetz aufgenommenen Mehrwegquote von 70<br />

Prozent. Allein in Deutschland werden jährlich rund 16 Milliarden<br />

Einweg-Plastikflaschen mit einem Gewicht von mehr<br />

als 450.000 Tonnen hergestellt – mit negativen Folgen für die<br />

Umwelt und das Klima. Wenn bereits jetzt erkennbar ist, dass<br />

Mehrwegflaschen den im Gesetz festgelegten Marktanteil<br />

von 70 Prozent nicht erreichen, muss die Bundesregierung<br />

weitergehende rechtliche Maßnahmen entwickeln. Eine solche<br />

Maßnahme könnte die Einführung einer Lenkungsabgabe<br />

auf Einweggetränkeverpackungen in Höhe von 20 Cent sein,<br />

wie sie bei Alkopops seit Jahren besteht. Durch eine solche<br />

Abgabe werden die negativen Umweltauswirkungen von<br />

Einwegflaschen im Preis widergespiegelt. Mehrweg wird so<br />

auch für Discounter mehr als eine Alternative.<br />

Verpackungen müssen deutlich teurer werden<br />

Mit mehr als 220 Kilogramm pro Kopf und Jahr ist Deutschland<br />

europäischer Spitzenreiter beim Anfall von Verpackungsabfall.<br />

Ein wesentlicher Grund hierfür sind viel zu niedrige<br />

Lizenzentgelte, die Inverkehrbringer für die Entsorgung ihrer<br />

Verpackungen an duale Systeme zahlen müssen. In einem<br />

ruinösen Wettbewerb dualer Systeme um Großkunden sind<br />

die Lizenzentgelte sogar gesunken und nicht gestiegen. Für<br />

Hersteller und Händler ergeben sich somit keine ernsthaften<br />

Gründe, sparsam mit Ressourcen umzugehen und auf unnötige<br />

Verpackungen zu verzichten. Die Politik muss endlich<br />

verbindliche Spielregeln vorgeben, damit Lizenzentgelte nicht<br />

nur die reinen Entsorgungskosten widerspiegeln, sondern<br />

darüber hinaus eine ökonomische Lenkungswirkung entfalten.<br />

Dies kann beispielsweise durch eine Ressourcenabgabe<br />

oder die Sicherstellung einer Mindesthöhe der Lizenzentgelte<br />

erreicht werden.<br />

Standards zur Recyclingfähigkeit verbindlich festlegen<br />

Verpackungen erhalten einen immer komplizierteren Aufbau<br />

aus unterschiedlichen Materialien und behindern dadurch Sortier-<br />

und Recyclingprozesse. Käseverpackungen mit mehr als<br />

zehn übereinandergelegten Schichten aus unterschiedlichen<br />

Materialien verdeutlichen dieses Problem besonders gut.<br />

Damit auch in Zukunft ein qualitativ hochwertiges Recycling<br />

garantiert werden kann, müssen bereits beim Verpackungsdesign<br />

ökologische Standards festgelegt und verbindlich umgesetzt<br />

werden. Das Verpackungsgesetz gewährleistet dies nicht!<br />

Hier muss Bundesumweltministerin Schulze nachbessern.<br />

Ohne eine vernünftige Kreislaufwirtschaft werden wir im Müll<br />

ersticken. Die Herausforderung heisst Reuse, Reduce, Recycle!<br />

52 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT | THEMEN<br />

Stärkere Förderung von Recyclingmaterialien<br />

Zwar werden die an den Stand der Technik angepassten<br />

Recyclingquoten dazu führen, dass mehr Verpackungen als<br />

bisher recycelt werden. Allerdings werden aus alten Plastikverpackungen<br />

nicht ohne weiteres Zutun der Bundesregierung<br />

neue. Vielmehr werden hochwertige Verpackungsmaterialien<br />

zu minderwertigeren Produkten downgecycelt. Das hat damit<br />

zu tun, dass die Anforderungen an die Herstellung von Lebensmittelverpackungen<br />

besonders hoch sind. Technisch ist die<br />

Herstellung von Recyclingmaterial für den Kontakt mit Nahrungsmitteln<br />

möglich, aber sehr teuer. Deshalb greifen Verpackungshersteller<br />

und Handelskonzerne lieber auf Neumaterial<br />

zurück, deren Ausgangss<strong>to</strong>ff Rohöl vergleichsweise günstig ist.<br />

Es reicht somit nicht aus, hohe Recyclingquoten festzulegen,<br />

wenn anschließend die Abnehmer für das Rezyklat fehlen.<br />

Für einen ehrlichen Recyclingkreislauf ist die Festlegung einer<br />

Mindesteinsatzquote von Rezyklaten zur Herstellung von Verpackungen<br />

und Produkten notwendig. Durch ein Fondsmodell<br />

könnten zusätzlich finanzielle Anreize geschaffen werden, eine<br />

vorgegebene Mindestquote zum Einsatz von Recyclingmaterial<br />

noch deutlich zu übertreffen. Die Hersteller hochwertiger Rezyklate<br />

brauchen Planungssicherheit und Abnehmer für mehrere<br />

Jahre, um millionenteure Anlagen bauen zu können. Nur so<br />

kann mittelfristig eine Skalierung der Kapazitäten stattfinden.<br />

Die bisherigen Regelungen im Verpackungsgesetz beruhen<br />

allerdings auf Freiwilligkeit und fördern damit den Einsatz von<br />

Recyclingmaterialien nicht stark genug.<br />

Staatliche Kontrolle statt Eigenüberwachung<br />

Die mit der Errichtung einer „Zentralen Stelle“ beabsichtigte<br />

Bündelung von Informationen, die Steigerung der Effizienz<br />

und die Förderung eines funktionierenden Vollzugs des Verpackungsgesetzes<br />

ist sinnvoll. Die Ausformung dieser Stelle<br />

als herstellergetriebene, beliehene Stiftung bürgerlichen<br />

Rechts birgt jedoch das Potenzial für Probleme. Eine solche<br />

Stiftung erhält hoheitliche Befugnisse wie eine Behörde.<br />

Deren Repräsentanten sind aber die zu kontrollierenden<br />

Hersteller und Händler selbst. Es droht ein unkontrollierbares<br />

Interessengeflecht von Verpackungsherstellern, Händlern<br />

und Entsorgern. Es ist eine neutrale und unabhängige, zentrale<br />

Stelle nötig, z.B. als Anstalt des öffentlichen Rechts oder<br />

als Teil einer schon vorhandenen staatlichen Behörde, wie<br />

beispielsweise dem Umweltbundesamt. Allein dadurch kann<br />

gewährleistet werden, dass die hoheitlichen Aufgaben frei<br />

von Einflüssen wirtschaftlicher Interessen gegenüber allen<br />

Marktbeteiligten wahrgenommen werden.<br />

Fazit: Die Werts<strong>to</strong>ffsammlung braucht einen neuen Anlauf<br />

Damit das Problem zu vieler Verpackungsabfälle in Deutschland<br />

wirklich gelöst wird, ist die Festlegung eines Abfallvermeidungsziels,<br />

die konsequente Umsetzung der Mehrwegquote<br />

für Getränkeverpackungen und eine deutliche<br />

Verteuerung von Verpackungsmaterialien notwendig. Um<br />

Recyclingkreisläufe zu schließen, muss der Einsatz von Recyclingmaterial,<br />

im Vergleich zur Verwendung von Neumaterial,<br />

viel stärker als bisher bevorteilt werden. Und: Angesichts<br />

immer knapper werdender Ressourcen reicht die Beschränkung<br />

des Recyclings auf Verpackungen nicht mehr aus. Die<br />

Werts<strong>to</strong>ffsammlung muss unbedingt ausgeweitet werden.<br />

Denn noch immer landen viel zu viele recyclingfähige S<strong>to</strong>ffe<br />

im Restmüll. Allerdings legt das Verpackungsgesetz nicht, wie<br />

ursprünglich angedacht, die Einführung einer bundeseinheitlichen<br />

Werts<strong>to</strong>ff<strong>to</strong>nne fest, sondern stellt es den Städten<br />

und Landkreisen frei, diese selbstständig einzuführen. Umweltministerin<br />

Schulze muss auch hier einen neuen Anlauf<br />

für eine bundesweite Werts<strong>to</strong>ff<strong>to</strong>nne nehmen. Ansonsten<br />

landen weiterhin mehr als 400.000 Tonnen Werts<strong>to</strong>ffe pro<br />

Jahr im Restabfall und der Verbrennung…<br />

www.duh.de<br />

THOMAS FISCHER<br />

ist Diplom Umweltwissenschaftler und war Mitarbeiter eines Industrieverbandes,<br />

bevor er 2008 zur Deutschen Umwelthilfe (DUH)<br />

wechselte. Dort leitet er seit 2<strong>01</strong>3 die Abteilung Kreislaufwirtschaft.<br />

Fischer ist Experte für Abfallvermeidung, Recycling, Umweltmanagement<br />

und <strong>Nachhaltig</strong>keitskommunikation.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

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53


ECODESIGN<br />

BEI VERPACKUNGEN<br />

Die Branche bewegt sich langsam... und zwar schnell!<br />

Im Bereich Verpackungslösungen herrschte lange das Dreieck des Wartens. Hersteller, Verpackungslieferanten,<br />

Handel – jeder hat auf den anderen gewartet. Man erwartete, dass der andere sich bewegt und<br />

etwas tut, fordert oder liefert… Damit ist nun Schluss, das Verpackungsgesetz einerseits und der Handel<br />

andererseits und nicht zuletzt die Verbraucher haben Bewegung in den Stillstand gebracht.<br />

Von Peter Désilets<br />

Wer die Branchennachrichten der letzten 18 Monate beachtet,<br />

liest von 100 Prozent recyclingfähigen Verpackungen‚<br />

<strong>to</strong>talem oder großteiligem Verzicht auf Plastik, Einsatz von<br />

Recyclaten oder Reduzierung von Einwegprodukten. Auch<br />

Circular Economy ist ein neues Schlagwort, als hätte der<br />

Ansatz nie vorher existiert. Verpackungsbeschaffer suchen<br />

plötzlich umweltfreundliche Lösungen und Hilfestellung bei<br />

der Strategieentwicklung. Gefragt sind innovative Konzepte<br />

vom Design bis hin zur Total Cost Optimierung unter nationalen<br />

oder weltweiten Aspekten. Es geht also nicht mehr darum,<br />

dass man sich lediglich beiläufig dafür interessiert, um<br />

vorbereitet zu sein „just in case off…“, es sind nun vielmehr<br />

die Chefetagen, die <strong>Nachhaltig</strong>keit und umweltfreundliche<br />

Verpackungen auf die Prioritätenliste setzen und einfordern.<br />

Auch Start-ups haben <strong>Nachhaltig</strong>keit ganz oben auf ihrer<br />

Agenda, denn die meist jüngere oder betuchtere Zielgruppe<br />

fragt nach besseren Lösungen für die Umwelt.<br />

Wie nähere ich mich Ecodesign?<br />

Viele Unternehmen befassen sich erst seit kurzer Zeit mit<br />

dem Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit und sehen sich einem sehr<br />

komplexen Aufgabenfeld gegenüber, das selbst für erfahrene<br />

Branchenkenner nicht leicht zu durchschauen ist. Um<br />

die richtige Verpackung kursierten Halbwahrheiten, die nie<br />

wirklich hinterfragt wurden und mit denen es sich bis heute<br />

gut „aushalten“ ließ. Die neuen Rahmenbedingungen erfordern<br />

nun beherztes Handeln. Aber Achtung: Aktionismus,<br />

also schnelle Lösungen ohne eine klare Strategie, kann teuer<br />

werden. Nachfolgende Empfehlungen helfen Unternehmen,<br />

Klarheit in ihre Verpackungsstrategie zu bringen:<br />

1. Machen Sie eine Basisanalyse Ihrer Umweltauswirkungen.<br />

Sie erkennen damit Ihre größten Hebel für<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit – und in diesem Zuge auch häufig Kosteneinsparpotenziale.<br />

Allein die Prüfung der Klimaauswirkungen<br />

Ihres Unternehmens kann wertvolle Einsichten<br />

bringen. Und nach ersten Maßnahmen können Sie sogar<br />

kommunizieren, dass und wie Sie Ihren CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

reduzieren und kompensieren. Auch <strong>Nachhaltig</strong>keitswettbewerbe,<br />

Siegel oder Zertifizierungen decken Handlungsoptionen<br />

auf.<br />

2. Definieren Sie Ihre Ziele und fassen Sie diese nicht zu<br />

eng. Richten Sie Ihre Strategie als erstes auf Ihre <strong>Nachhaltig</strong>keitsziele<br />

und Absatzmärkte aus. Für den Export<br />

gelten häufig unterschiedliche Anforderungen. Seien Sie<br />

offen für neue Entwicklungen und vermeiden Sie Insellösungen,<br />

die meist teuer und zeitintensiv sind.<br />

3. Analysieren Sie auch Ihre Supply Chain. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass die günstigsten Beschaffungskosten für jeden<br />

einzelnen Verpackungsschritt nicht unbedingt auch die<br />

niedrigsten Kosten und besten CO 2<br />

-Werte für den kompletten<br />

Prozess bedeuten. Die Gesamtbetrachtung zeigt<br />

in der Regel Ersparnispotenziale und neue Wege auf.<br />

Das nachhaltigste Material aus entfernten Regionen zu<br />

beschaffen, kann den Umweltaspekt konterkarieren.<br />

4. Fordern Sie Ecodesign. Das bedeutet nicht nur, das<br />

umweltfreundlichste Material auszuwählen, sondern<br />

Fo<strong>to</strong>: © pacoon<br />

54 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT | THEMEN<br />

den für Ihre Produkte optimalen Mix zusammenzustellen. Recyclingfähige<br />

Verpackungen erfordern jeweils eine Anpassung an die regional unterschiedlichen<br />

Sammel- und Wiederverwertungsprozesse. Verpackungen für<br />

Regionen, in denen es keine Recyclingindustrie gibt, erfordern eine ganz<br />

andere Herangehensweise. Ecodesign heißt aber nicht nur, Material zu tauschen,<br />

sondern auch das Verpackungskonzept als Ganzes zu hinterfragen.<br />

Welche Anforderungen stellt das Produkt an die Verpackung, was ist wirklich<br />

wichtig in Logistik und Absatzkanal? Welche Funktionen der Verpackung<br />

sind nur „nice <strong>to</strong> have“ und was sind wirklich signifikante Kaufanreize und<br />

Notwendigkeiten im Handel? So kann es etwa sein, dass ein sehr langes<br />

Haltbarkeitsdatum bei Frischeprodukten zwar eine hohe Sicherheit in der<br />

Logistik bietet, aber bei Schnelldrehern selten ausgereizt wird. Braucht es<br />

die eine oder andere besonders hohe Barriereanforderung überhaupt? Hier<br />

ist der intensive Dialog mit dem Handel gefragt. Hinterfragen Sie deshalb<br />

auch, ob die besonders hohen Anforderungen für einzelne Produkte Ihres<br />

Sortiments unbedingt das Mindestmaß für alle Produkte sein müssen – auch<br />

für die mit geringeren Anforderungen. Definieren Sie deshalb die wichtigsten<br />

Produkte und konzentrieren Sie sich darauf, für diese jeweils den optimalen<br />

Verpackungsmix zu finden. Lassen Sie bewusst auch Sonderlösungen zu.<br />

Futter für das Gehirn<br />

Wenn Unternehmen anfangen, ihre Prozesse zu hinterfragen, sollten sie auch<br />

die Anwendung und Form ihrer Verpackung auf den Prüfstand stellen. Viele<br />

Produkte und Verpackungen existieren seit Jahren so, wie sie auf dem Markt<br />

sind. Dabei werden Nachteile häufig ausgeblendet, weil man es „schon immer<br />

so kennt und macht“. Erlauben Sie in der Kr<strong>eat</strong>ivphase für die Verbesserungen<br />

Ihrer Verpackungen auch andere oder kompaktere Formen. Sie können nicht<br />

nur mit besserer Akzeptanz beim Konsumenten rechnen, sondern erreichen,<br />

dass Ihr Kunde den Wandel beziehungsweise die nachhaltigere Verpackung und<br />

damit Ihre Bemühungen auch wahrnimmt.<br />

Unser Gehirn ist durch die Evolution darauf getrimmt, nur dann Energie aufzuwenden,<br />

wenn es eine neue Information gibt. Bekannte Informationen werden<br />

nicht weiterverarbeitet, um den Energieaufwand zu reduzieren. Wenn also Ihre<br />

Verpackung nach einem Materialwechsel oder <strong>Nachhaltig</strong>keitsrelaunch genauso<br />

aussieht wie vorher, dann registriert das Gehirn diese Neuerung nicht.<br />

Business as usual ist vorbei<br />

Sie müssen also ein Stück weit anders sein, um die Aufmerksamkeit des Gehirns<br />

zu erzielen. Nur das „eingeschaltete“ Gehirn ist in der Lage, Ihre neuen Botschaften<br />

aufzunehmen. Wahrnehmbare Veränderungen sind ein gut sichtbarer<br />

Störer, eine andere Verpackungsform, eine andere Haptik des Materials oder ein<br />

verändertes Design. Aber Vorsicht, wenn Sie zu weit gehen, entsteht im Gehirn<br />

Irritation. Der Konsument erkennt sein altes Produkt nicht mehr, findet es nicht<br />

mehr und Sie riskieren, ihren Kunden zu verlieren. Das ist wohl die Furcht, warum<br />

viele lieber nichts oder wenig ändern, statt die Chance zu sehen, durch optimierte<br />

Verpackungen neue Verwender zu finden und treue Stammkunden noch mehr<br />

zu begeistern. Doch der Druck, der von mehreren Seiten auf die Industrie, den<br />

Handel und auf die Verpackungsbranche einwirkt, wird immer höher und lässt<br />

nun sehr schnell ein wahres Füllhorn an neuen Lösungen erwarten.<br />

PETER DÉSILETS<br />

ist Geschäftsführer der pacoon GmbH, einer Designagentur für nachhaltige Verpackungslösungen.<br />

Mit der SOLPACK 2.0, einer internationalen Konferenz für nachhaltige Verpackungen,<br />

will er Unternehmen bei ihren <strong>Nachhaltig</strong>keitsbestrebungen unterstützen und<br />

eine Netzwerkplattform für mehr Austausch bieten.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

55


THEMEN | VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT<br />

ÖKOLOGISCH VERPACKEN<br />

S<strong>to</strong>ffkreisläufe als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft<br />

In den Weltmeeren wird es nach Angaben der Ellen MacArthur Foundation bis Mitte des Jahrhunderts mehr<br />

Plastik als Fische geben. Hauptverursacher: Asien und Afrika. Die deutschsprachigen Länder gehören in<br />

Sachen Müll zur europäischen Spitze und die Bequemlichkeit beim Einkaufen verschärft die Probleme…<br />

Von Oliver Wolfrum<br />

Fo<strong>to</strong>: © FÖV<br />

56 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Technische Ansätze zur Lösung des Marine Littering-Problems,<br />

wie das Ocean Cleanup-Projekt des jungen niederländischen<br />

Tüftlers Boyan Slat, haben gerade herbe Rückschläge<br />

zu verkraften. Andere Konzepte sind also gefragter denn je.<br />

Dabei lenkt die Vermüllung der Meere den Blick auf einen<br />

wesentlichen Aspekt der Abfallfrage: den Verbleib von Verpackungen<br />

nach der Nutzung. Was geschieht eigentlich mit<br />

Faltschachteln für Müsli, Folien für Käseaufschnitt, PET-Flaschen<br />

für Mineralwasser und Kar<strong>to</strong>ns von Online-Bestellungen,<br />

nachdem die Ware ausgepackt wurde? Egal welche<br />

Verpackungen: Diese dürfen nicht in Flüssen und Meeren<br />

enden, sondern müssen in Recyclinganlagen münden, und als<br />

Rohs<strong>to</strong>ffe für die Herstellung neuer Verpackungen bereitstehen.<br />

Circular Economy, wie sie auch der Rat für <strong>Nachhaltig</strong>e<br />

Entwicklung empfiehlt, gilt deshalb als das Wirtschaftsmodell<br />

der Zukunft – auch im Bereich Verpackungen. Möglichst<br />

geschlossene S<strong>to</strong>ffkreisläufe sind Dreh- und Angelpunkt für<br />

nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong>.<br />

Vom Müll zum Werts<strong>to</strong>ff<br />

In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es etablierte<br />

Sammel- und Recyclingsysteme, die gebrauchte<br />

Verpackungen weitgehend vollständig erfassen und einer<br />

erneuten Verwendung (bei Mehrwegsystemen), der s<strong>to</strong>fflichen<br />

Wiederverwertung (wie beim Papierrecycling) oder<br />

der <strong>the</strong>rmischen Verwertung (also Verbrennung) zuführen.<br />

Zum 1. Januar 2<strong>01</strong>9 ist in Deutschland ein neues Verpackungsgesetz<br />

in Kraft getreten, das das Umweltbundesamt (UBA) als<br />

wichtigen Fortschritt für die Umwelt preist. „Das Gesetz wird<br />

helfen, mehr wertvolle Ressourcen im Kreislauf zu führen“,<br />

sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des UBA. „Zusätzlich gibt<br />

es finanzielle Anreize für Hersteller, Verpackungen recyclinggerechter<br />

und ressourcenschonender zu gestalten und bei der<br />

Produktion verstärkt Rezyklate einzusetzen.“ Mehr Recycling,<br />

mehr S<strong>to</strong>ffkreisläufe – im Sinne eines möglichst ökologischen<br />

Verpackens ist das genau der richtige Ansatz.<br />

Vollständig recyclen<br />

Ein Beispiel für die nahezu vollständige s<strong>to</strong>ffliche Wiederverwertung<br />

von Verpackungsmaterial bietet Wellpappe. Da sie<br />

zu über 90 Prozent im Warenverkehr zwischen Unternehmen<br />

anfallen, werden Verpackungen aus Wellpappe in Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz fast vollständig erfasst<br />

und dem Recycling zugeführt. Transport- oder Versandverpackungen,<br />

die in diesen drei Ländern hergestellt werden,<br />

bestehen im Durchschnitt zu 80 Prozent aus Recyclingmaterial.<br />

Durch den anhaltenden Boom des Online-Shoppings<br />

fallen immer mehr Versandverpackungen aus Wellpappe in<br />

den Haushalten an. Doch auch hier ist die Zurückführung in<br />

den S<strong>to</strong>ffkreislauf für die Verbraucher relativ einfach: Pappen<br />

und Kar<strong>to</strong>nagen landen im Altpapier.<br />

Ohne Frischfaser geht es nicht<br />

Zugegeben: Der S<strong>to</strong>ffkreislauf des Papiers ist auf die Zuführung<br />

von Frischfasern angewiesen, um am Ende leistungsfähi-<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

57


verpacken bedeutet nicht zuletzt Verzicht auf den Einsatz<br />

fossiler Rohs<strong>to</strong>ffe, wo immer es geht. In vielen Bereichen<br />

können faserbasierte Verpackungen echte Alternativen zu<br />

herkömmlichen Kunsts<strong>to</strong>ffverpackungen bieten und damit<br />

die Umweltbilanz des Warentransports verbessern. Beispiel<br />

Versandhandel: Neben der an das Versandgut angepassten<br />

Größe des Wellpappenkar<strong>to</strong>ns, die natürlich einen wichtigen<br />

Fak<strong>to</strong>r darstellt, ist auch die Polsterung mit ökologischen<br />

Materialien entscheidend für die Umweltauswirkungen der<br />

Verpackung. An Stelle von Luftpolsterfolien oder Styropor<br />

können Online-Shops vielfältige Inneneinrichtungen aus<br />

Naturmaterialien oder Polsterelemente aus Stroh oder Wellpappe<br />

einsetzen.<br />

Wellpappenverpackungen, die in Haushalten anfallen, können<br />

problemlos dem Recycling zugeführt werden. WICHTIG: Mit flach<br />

gemachten Kar<strong>to</strong>ns gerät das Recycling effizienter, denn das spart<br />

wertvollen Raum in Altpapier<strong>to</strong>nne und Container.<br />

ge und anforderungsgerechte Verpackungen für Maschinenteile,<br />

Joghurttrays und Smartphones produzieren zu können.<br />

Aber dieser Rohs<strong>to</strong>ff wächst nach. Für die Herstellung von<br />

Wellpappenrohpapieren wird Bruch- und Durchforstungsholz<br />

eingesetzt, das bei der Pflege nachhaltig bewirtschafteter<br />

Wälder anfällt. Häufig verlangen die Abnehmer von Wellpappenverpackungen<br />

inzwischen eine entsprechende Zertifizierung<br />

des Papiers nach FSC- oder PEFC-Standard. Und<br />

auch andere Rohmaterialien – wie etwas Gras oder Hanf<br />

– finden Verwendung in der Papierherstellung. Ökologisch<br />

Initiative ergreifen<br />

Ein Drittel des produzierten Kunsts<strong>to</strong>ffs wird für Verpackungen<br />

eingesetzt, aber der durchschnittliche Rezyklat-Anteil<br />

beträgt nur etwa neun Prozent. Daher ist die Entwicklung<br />

und Stärkung von S<strong>to</strong>ffkreisläufen von Plastikverpackungen<br />

ein wichtiger <strong>Nachhaltig</strong>keitsansatz. Ein Beispiel ist die Rezyklat-Initiative<br />

von Werner & Mertz (mit der Marke FROSCH),<br />

REWE, Grüner Punkt, NABU und anderen Beteiligten. Ihr<br />

gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Materialkreisläufe<br />

zu entwickeln und dafür die Rohs<strong>to</strong>ffe aus der haushaltsnahen<br />

Werts<strong>to</strong>ffsammlung zu nutzen. Die begrüßenswerte<br />

Initiative hat inzwischen beachtliche Fortschritte erzielt. So<br />

gelang es Werner & Mertz zusammen mit dem Flaschenhersteller<br />

Alpla-Werke Alwin Lehner und dem Grünen Punkt,<br />

neuartige Flaschen für Reinigungsmittel zu entwickeln,<br />

die zu 100 Prozent aus PE-Recyclat aus der Quelle „Gelber<br />

Sack“ bestehen.<br />

Hier läuft es rund: Die Wellpappe im Material- und<br />

Ressourcenkreislauf<br />

Die Wellpappe: Mit Abstand führend im Bereich der Verpackungen.<br />

Fo<strong>to</strong>: © FÖV<br />

58 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT | THEMEN<br />

Verpackungen vermeiden<br />

Natürlich ist die Vermeidung unnötiger Verpackungen, die oft<br />

von Umweltschützern gefordert wird, sinnvoll. Jedoch muss<br />

gewährleistet sein, unsere Gesellschaft auch künftig mit qualitativ<br />

hochwertigen Produkten zu versorgen, wie Alexander<br />

Liedke, Manager Sustainable Business & Markets beim WWF<br />

meint. „Die ökologischste Verpackung ist die, die wir nicht<br />

brauchen“, sagte der Umweltexperte auf der weltgrößten<br />

Ernährungsmesse anuga, schränkte aber auch ein: „Dass das<br />

nicht immer funktioniert, ist vollkommen klar.“ Das Unverpackt-Konzept<br />

etwa mag in einigen großstädtischen Nischen<br />

für ein beschränktes Warensortiment funktionieren, ist allein<br />

aber kein tragfähiges Zukunftsmodell für die Versorgung der<br />

breiten Bevölkerung mit Lebensmitteln oder mit sonstigen<br />

Dingen des täglichen Bedarfs – wie beispielsweise den erwähnten<br />

Reinigungsmitteln. Dennoch gilt es hier offensiv<br />

weitere Lösungen zu entwickeln.<br />

Verpackungen als Rohs<strong>to</strong>ff nutzen<br />

Ob Kunsts<strong>to</strong>ff, Papier oder andere Materialien: Um unsere<br />

Wirtschaft in Richtung Kreislauf voranzutreiben, benötigen<br />

wir eine andere Sichtweise auf gebrauchte Verpackungen.<br />

In der angestrebten Circular Economy sind sie kein Müll,<br />

sondern wertvolle Rohs<strong>to</strong>ffe für die Herstellung neuer Verpackungen.<br />

Hier hat es der Rohs<strong>to</strong>ff Papier besonders einfach:<br />

Ob Obstschälchen im Supermarkt oder Transportverpackung<br />

für Au<strong>to</strong>türen – Kar<strong>to</strong>n und Wellpappe sind leicht zu verwerten<br />

und werden auf dem freien Markt ge- und verkauft<br />

wie andere Produkte. Damit trägt Verpackungsmaterial auf<br />

Papierbasis maßgeblich zum Funktionieren des S<strong>to</strong>ffkreislaufs<br />

des Altpapiers bei. Solange die Faser physikalisch und<br />

biologisch intakt ist, kann sie wiederholt für die Papierherstellung<br />

verwendet werden. Ist sie dafür nicht mehr geeignet,<br />

wird sie direkt in der Papierfabrik für die Energiegewinnung<br />

genutzt.<br />

https://oekologisch-verpacken.com<br />

DR. OLIVER WOLFRUM<br />

studierte Wirtschaftswissenschaften, ist Generalbevollmächtigter<br />

des Forum Ökologisch Verpacken (FÖV), Geschäftsführer des Verbandes<br />

der Wellpappen-Industrie e. V. und Geschäftsführer der RESY<br />

Organisation für Werts<strong>to</strong>ffentsorgung GmbH.<br />

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Nach objektiven Kriterien bewertet<br />

die Jury Unternehmen an sich, Produkte,<br />

ihre Eigeninitiativen und Beteiligungen an<br />

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ehrgeizige Ziele. Die in Berlin gefertigten<br />

Produkte sind langlebig und sollen weder<br />

bei der Herstellung noch bei der Entsorgung<br />

unsere Umwelt beeinträchtigen.<br />

Dabei wird ganzheitlich und nachhaltig mit<br />

sozialer Umsicht gehandelt. Mit modernsten<br />

Produktionstechnologien und traditionellem<br />

Handwerk werden individuelle Produktverpackungen<br />

wie Faltschachteln und Werbematerialien<br />

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59


THEMEN | VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT<br />

KREISLAUFWIRTSCHAFT<br />

Ein Gewinn für Unternehmen, Umwelt und Gesellschaft<br />

Der Circular Economy-Experte Arthur ten Wolde erläutert im Interview, dass man nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong><br />

aus Sicht seiner Organisation nur im europäischen Verbund durchsetzen kann. Der Zusammenschluss<br />

von nationalen Wirtschaftsverbänden zu Ecopreneur.eu soll hier entscheidende Impulse beisteuern.<br />

Arthur ten Wolde ist<br />

Experte für Kreislaufwirtschaft<br />

bei Ecopreneur.eu<br />

und berät Unternehmen<br />

und Regierungsorganisationen<br />

zu diesem Thema.<br />

Er hat einen PHD in<br />

Experimentalphysik und<br />

einen Hintergrund als<br />

Polymertechniker, Lobbyist<br />

und <strong>Nachhaltig</strong>keitsberater.<br />

Herr ten Wolde, was sind die Ziele von Ecopreneur.eu?<br />

Ecopreneur.eu ist die politische Stimme für<br />

nachhaltige Unternehmen in ganz Europa und<br />

verstärkt die nationalen Aktivitäten unserer<br />

Mitgliedsorganisationen in Brüssel. Wir vereinen<br />

sieben grüne Wirtschaftsorganisationen,<br />

die insgesamt mehr als 3.000 Unternehmen<br />

(hauptsächlich kleine und mittelständische<br />

Unternehmen) vertreten. Damit ist Ecopreneur.eu<br />

das größte Unternehmensnetzwerk<br />

für nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong> in Europa.<br />

UnternehmensGrün ist eines der Gründungsmitglieder<br />

von Ecopreneur.eu.<br />

Unsere Mitgliedsverbände vertreten Unternehmen<br />

aus Österreich, Belgien, Frankreich,<br />

Deutschland, Ungarn, den Niederlanden und<br />

Spanien. Das Ziel von Ecopreneur.eu ist, die<br />

Transformation hin zu einer nachhaltigen<br />

Wirtschaft durch gemeinsame Interessenvertretung<br />

und Projekte aktiv mitzugestalten.<br />

Für unsere Arbeit sind die Grundsätze<br />

der Kreislaufwirtschaft und die Ziele der<br />

nachhaltigen Entwicklung die wichtigsten<br />

Leitlinien. Ein Systemwechsel hin zu einer<br />

nachhaltigen Wirtschaft ist nur über die<br />

europäischen Institutionen möglich, da diese<br />

30 bis 50 Prozent aller relevanten Richtlinien<br />

und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

für Europa – und damit auch für die Nationalstaaten<br />

– verabschieden.<br />

Welche Themen stehen gerade im Fokus?<br />

Ein aktueller Schwerpunkt ist die Kreislaufwirtschaft.<br />

Seit 2<strong>01</strong>4 trete ich für eine ambitionierte<br />

EU-Politik zur Kreislaufwirtschaft<br />

ein. Zunächst war ich für das grüne niederländische<br />

Geschäftsnetzwerk „De Groene<br />

Zaak“ tätig, das sich 2<strong>01</strong>8 mit dem jetzigen<br />

Ecopreneur.eu-Mitglied MVO Nederland<br />

zusammen geschlossen hat. Ecopreneur.<br />

eu gewinnt durch die Mitgliedschaft in den<br />

Koordinierungsgruppen „European Circular<br />

Economy Stakeholder Platform“ und „Ecodesign<br />

and Energy labelling Consultation<br />

Forum“ stark an Sichtbarkeit in Brüssel. Viele<br />

unserer politischen Empfehlungen wurden<br />

bereits umgesetzt. So wurden etwa Beschaffung,<br />

finanzielle Anreize und Regulierung als<br />

Eckpfeiler einer zirkulären Wirtschaftspolitik<br />

anerkannt. Um das Verursacherprinzip weiter<br />

auszuarbeiten, wird die Europäische<br />

Kommission im Rahmen der überarbeiteten<br />

Abfallrahmenrichtlinie Leitlinien für eine<br />

erweiterte Produzentenverantwortung verabschieden.<br />

Und auch der Bau von Müllverbrennungsanlagen<br />

soll nicht mehr von der EU<br />

gefördert werden.<br />

Was hält Ecopreneur.eu von einer Differenzierung<br />

der Mehrwertsteuer?<br />

Die Europäische Kommission und das EU-<br />

Parla ment haben eine Überarbeitung der<br />

EU-Mehrwertsteuerrichtlinie vorgeschlagen,<br />

von der wir hoffen, dass sie eine Differenzierung<br />

der Mehrwertsteuer auf der Grundlage<br />

der Zirkularität ermöglicht. <strong>Nachhaltig</strong>e<br />

Unternehmen in ganz Europa fordern niedrigere<br />

Mehrwertsteuersätze für Produkte und<br />

Dienstleistungen der Circular Economy, um<br />

die aktuell noch geringe Nachfrage zu stärken.<br />

Angesichts der Möglichkeit zwischen zwei<br />

ansonsten gleichwertigen Produkten oder<br />

Dienstleistungen wählen zu können, könnte<br />

selbst ein moderater Mehrwertsteuerunterschied<br />

die VerbraucherInnen überzeugen,<br />

Fo<strong>to</strong>: © ecopreneur.eu<br />

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VERPACKUNGEN UND KREISLAUFWIRTSCHAFT | THEMEN<br />

sich für das nachhaltigere Produkt zu entscheiden. Hinsichtlich<br />

dieses enormen Potenzials zur Beschleunigung<br />

der Kreislaufwirtschaft wird sich Ecopreneur.eu gegenüber<br />

dem Europäischen Rat für die Annahme des aktuellen<br />

EU-Vorschlags einsetzen. In der Zwischenzeit prüfen wir<br />

weitere Möglichkeiten, zirkuläre Produkte mit Hilfe der<br />

Mehrwertsteuer tatsächlich von konventionellen Produkten<br />

abzuheben.<br />

Wie steht Ecopreneur.eu zur neuen EU-Kunsts<strong>to</strong>ffstrategie?<br />

Die Kunsts<strong>to</strong>ffstrategie enthält viele gute Elemente. Die<br />

kürzlich verabschiedete EU-Einwegplastik-Richtlinie steht<br />

im Einklang mit dem Bestreben von Ecopreneur.eu, die<br />

schlimmsten Plastikprodukte, wie beispielsweise schwer<br />

abbaubare Kunsts<strong>to</strong>ffe, vom Markt zu verbannen.<br />

Was sind Zukunftspläne und aktuelle Aktivitäten von Ecopreneur.eu?<br />

Es bedarf mehr Bewusstsein dafür, dass die Schaffung einer<br />

Kreislaufwirtschaft gut für unsere Wirtschaft ist! Ohne verstärkte<br />

Unterstützung aus allen Mitgliedstaaten wird der<br />

EU-Ministerrat weiterhin Vorschläge der EU-Kommission und<br />

des EU-Parlaments blockieren. So wird beispielsweise der<br />

bestehende Widerstand gegen verbindliche Regelungen zur<br />

erweiterten Produzentenverantwortung (Extended Producer<br />

Responsibility, EPR) erst aufhören, wenn mehr Menschen<br />

erkennen, dass diese Regelungen neben der Abfallvermeidung<br />

auch Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum schaffen<br />

können. Daher bedarf es noch größerer Unterstützung, um<br />

ehrgeizigere Rechtsvorschriften zu verabschieden, wie z.B.<br />

Differenzierung der Mehrwertsteuer, ein Verbot aller absichtlich<br />

zugesetzten Mikrokunsts<strong>to</strong>ffe oder anspruchsvolle<br />

Richtlinien zur zirkulären Beschaffung und zum Ökodesign.<br />

So würde die Förderung von „Green Deals“ für eine zirkuläre<br />

Beschaffung in allen EU-Mitgliedsstaaten die Kreislaufwirtschaft<br />

insgesamt voranbringen. Das belegen Beispiele aus<br />

den Niederlanden und Flandern. Produkte, die derzeit viel<br />

Abfall erzeugen, können durch eine zusätzliche Steuer oder<br />

einer EPR-Gebühr verteuert werden. Auf der anderen Seite<br />

können zirkuläre Produkte (wie Cradle-<strong>to</strong>-Cradle) und Dienstleistungen<br />

(Sharing, Wartung, Reparatur, Weiterverkauf und<br />

Recycling) durch niedrigere bis hin zu Null-Prozent- Mehrwertsteuersätzen<br />

preiswerter gemacht werden. Ebenso<br />

kann EPR zirkuläres Design stimulieren. Durch die verbindliche<br />

Einführung von Mindestanforderungen von zirkulärem<br />

Design können nach und nach die schädlichsten Produkte<br />

branchenübergreifend vom Markt genommen werden. Die<br />

zusätzliche Besteuerung der Ressourcennutzung könnte<br />

durch eine niedrigere Besteuerung der Arbeit kompensiert<br />

werden, was zu einer Steuerverlagerung führt. Erst kürzlich<br />

hat Ecopreneur.eu den Circularity-Check gestartet. Derzeit<br />

arbeiten wir an einem Projekt zur Stärkung der Arbeitnehmer-Interessenvertretung<br />

in der Modebranche, sowie einer<br />

Stellungnahme zur EU-Produktpolitik.<br />

Die Arbeit zur Kreislaufwirtschaft von Ecopreneur.eu wird<br />

von den Pionierunternehmen Werner & Mertz, Remondis<br />

(Deutschland), Tarkett (Frankreich), Rockwool (Dänemark)<br />

und Interface (Niederlande) unterstützt. Weitere Unternehmen<br />

sind eingeladen, sich dieser Interessensgruppe<br />

anzuschließen. Wir freuen uns, wenn weitere Mitglieder von<br />

UnternehmensGrün e.V. zum Thema Kreislaufwirtschaft auf<br />

Brüsseler Ebene arbeiten wollen.<br />

Mit der Europa-Wahl 2<strong>01</strong>9 wird es auch zu einem Wechsel<br />

der Europäischen Kommission kommen, welche im November<br />

vom Europäischen Parlament ernannt wird. Wie viele<br />

andere Interessensgruppen, wenn nicht sogar alle, setzt<br />

sich Ecopreneur.eu dafür ein, dass die Kreislaufwirtschaft für<br />

die nächste Europäische Kommission Priorität bleibt. Damit<br />

sollten in den kommenden Jahren wichtige Veränderungen<br />

im Geschäftsumfeld zugunsten zirkulärer und nachhaltiger<br />

Geschäftsmodelle möglich sein!<br />

Wir danken für das Interview und wünschen weiterhin viel<br />

Erfolg!<br />

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61


ERDE 5.0<br />

Die Zukunft provozieren<br />

Klimawandel, Ressourcenvergeudung, Überbevölkerung, Hunger, Armut, tiefe soziale Ungleichheit – der<br />

Zustand des Planeten und seiner Ökosysteme ist denkbar schlecht. Die Zukunftsaussichten der Menschheit<br />

insgesamt sind düster. Mit Hilfe der Digitalisierung lassen sich die gravierenden Probleme der Welt<br />

jetzt angehen.<br />

Von Karl-Heinz Land<br />

Binnen der nächsten 100 Jahre müsse die Menschheit<br />

in der Lage sein, den Planeten Erde zu verlassen. Diese<br />

Mahnung stammt von einem der klügsten Köpfe der<br />

Neuzeit, dem 2<strong>01</strong>8 vers<strong>to</strong>rbenen Astrophysiker Stephen<br />

Hawking. Er war sich sicher, dass nur so das Überleben<br />

der Spezies Mensch zu sichern sei. Ein neuer Planet, ein<br />

neues Zuhause für die Menschheit? Bei dieser Frage vermischen<br />

sich ernsthafte Wissenschaft und Science-Fiction.<br />

Die Menschen sind von weitreichenden Expeditionen ins<br />

All, geschweige denn von der Besiedlung anderer Welten,<br />

noch weit entfernt. In der kurzen Zeitspanne, die wahrscheinlich<br />

bleibt, bis die Biosphäre der Erde ins Chaos<br />

stürzt, erscheint intergalaktischer Kolonialismus nicht als<br />

ernsthafte Option.<br />

62 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ZUKUNFT GESTALTEN | THEMEN<br />

auf der Welt. Sie ermöglicht ein sozial und wirtschaftlich<br />

gerechteres Miteinander und reduziert den Verbrauch<br />

an Ressourcen deutlich. Wir erleben derzeit, wie der exponentielle<br />

Fak<strong>to</strong>r der Digitalisierung greift und sich ein<br />

neuer Chancenraum eröffnet. Eine Innovation folgt auf die<br />

nächste, nicht nur in der digitalen Welt, sondern auch in<br />

anderen wissenschaftlichen Disziplinen und in der Grundlagenforschung.<br />

Künstliche Intelligenz durchdringt mehr<br />

Die Digitalisierung mit ihrer exponentiellen Leistungszunahme ist der<br />

Schlüssel zu einer lebenswerten Zukunft für bald schon elf oder mehr<br />

Milliarden Menschen auf der Welt.<br />

Gleichwohl verbrauchen die Menschen – in Industriestaaten<br />

durch ihren Konsumrausch, in den Entwicklungsländern<br />

durch ihren Nachholbedarf – mehr Ressourcen, als die Natur<br />

erneuern kann. Der WWF warnt regelmäßig: Eigentlich<br />

bräuchten wir einen zweiten Planeten. Würde jeder Mensch<br />

auf der Erde soviel konsumieren wie wir Deutschen, wäre<br />

sogar ein dritter Planet vonnöten. Und die US-Amerikaner<br />

benehmen sich so, als hätten sie gleich fünf Erden zur Verfügung.<br />

Gleichzeitig verhungern nach wie vor hunderte<br />

Millionen Menschen jedes Jahr. Der Klimawandel bedroht<br />

die ohnehin begrenzten Möglichkeiten, im Afrika südlich<br />

der Sahara Lebensmittel zu produzieren. Die Wasserversorgung<br />

ist in vielen Gebieten schlecht, die Qualität des<br />

Wassers erbärmlich. Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise<br />

2008 nimmt die Ungleichheit auf der Welt nicht etwa ab,<br />

sondern in solchem Ausmaß zu, dass selbst der Internationale<br />

Währungsfond (IWF), einer der Gralshüter des Kapitalismus,<br />

vor den Auswirkungen warnt. Armut bleibt eines der Hauptprobleme<br />

der Welt. Die gefeierten Klimaziele von Paris sind<br />

bereits wieder obsolet. Der jüngste Klimagipfel in Kat<strong>to</strong>witz<br />

hat das – trotz des optimistischen Schlussdokuments – mehr<br />

als deutlich gemacht. Nicht einmal Deutschland, das sich<br />

lange für seine Energiewende feiern ließ, erreicht seine eigenen<br />

Vorgaben. Und solange ein bevölkerungsreiches Land<br />

wie Indien darauf setzt, hunderte Millionen Menschen mit<br />

Hilfe der Stromerzeugung durch Steinkohle aus der Armut<br />

zu führen, lässt sich der Auss<strong>to</strong>ß schädlicher Klimagase auch<br />

nicht reduzieren.<br />

und mehr alle Systeme, sorgt für Voraussicht und Effizienz.<br />

Die Blockchain bringt Sicherheit und Vertrauen in die Netze<br />

und in die Transaktionen. Mit dem Internet der Dinge<br />

(IoT), das in Wahrheit eher ein „Internet der Services“ ist,<br />

entsteht ein engmaschiges Geflecht, das potentiell allen<br />

Menschen Zugang zu Information, Bildung, Kapital, Medizin<br />

und Produktionsmitteln geben kann. Das IoT ist die neue<br />

Infrastruktur des Wohlstands.<br />

Beginn der 5.0-Zeit<br />

In vielen staatlichen Entwicklungsvorhaben und großen wie<br />

kleinen Nicht-Regierung-Organisationen (NGOs) kommen<br />

diese Technologien bereits zum Einsatz. In großartigen<br />

Projekten wird evaluiert und gezeigt, wie der Regenwald<br />

geschützt werden kann, wie sich die landwirtschaftliche Produktion<br />

in der Dritten Welt steigern und verbessern lässt, wie<br />

Gesundheitsdienstleistungen selbst in entlegenste Gegenden<br />

gelangen und wie der Bildungsstandard erhöht werden kann.<br />

Aber die wesentlichen Zusammenhänge in der digitalisierten<br />

Welt werden geflissentlich übersehen oder sogar negiert.<br />

„Erde 5.0“ ist ein Weckruf für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft,<br />

jetzt eine durch und durch digitale, aber von Menschlichkeit,<br />

Verantwortungsbewusstsein und Demut vor der Natur<br />

geprägte Zukunft zu provozieren.<br />

Der zweite Planet ist digital<br />

Die Menschheit braucht einen neuen Plan, ein Konzept,<br />

um wirklich durchschlagende Wendungen zum Guten zu<br />

erreichen. Sie muss sich selbst wieder in die „Grenzen des<br />

Wachstums“ verweisen, die der Club of Rome bereits Anfang<br />

der 1970er-Jahre aufzeigte. Und diesen Plan gibt es. Ich nenne<br />

ihn „Erde 5.0“. Der zweite Planet liegt nicht draußen im<br />

All, sondern zu unseren Füßen. Der zweite Planet ist digital.<br />

Die Digitalisierung ist der Schlüssel zu einer lebenswerten<br />

Zukunft für bald schon elf oder mehr Milliarden Menschen<br />

Dabei besteht kein Zweifel:<br />

• Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.<br />

• Was vernetzt werden kann, wird vernetzt.<br />

• Was au<strong>to</strong>matisiert werden kann, wird au<strong>to</strong>matisiert.<br />

Längst gleiten wir in die fünfte industrielle Revolution. Sie<br />

wird gekennzeichnet durch cyberphysische Systeme und das<br />

Internet der Dinge (IoT). Beide Technologien erlauben nicht<br />

nur datenbasierte, au<strong>to</strong>matisierte und KI-gesteuerte Prozesse,<br />

Routinen und Services, sondern heben letztlich auch<br />

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63


THEMEN | ZUKUNFT GESTALTEN<br />

Im Zuge der Digitalisierung werden nicht nur die Zugänge zu den<br />

Wohlstandsfak<strong>to</strong>ren demokratisiert, sondern es kommt auch zu einem<br />

Effekt, der in den gesellschaftlichen Debatten noch außen vor bleibt:<br />

Dematerialisierung.<br />

die Schnittstelle zwischen der künstlichen und biologischen<br />

Sphäre auf. Die barrierefreie, symbiotische Kollaboration<br />

zwischen Mensch und Maschine wird möglich. Aber dieses<br />

Miteinander wird letztlich nicht lange überdauern. Die<br />

Maschinen und die von ihnen gebildeten Netze streben zur<br />

Au<strong>to</strong>nomie. Der Mensch spielt in diesen Systemen künftig<br />

keine Rolle mehr; das ist der Qualitätssprung zu 5.0.<br />

Anders gesagt: Im Zuge der Digitalisierung werden nicht nur<br />

die Zugänge zu den Wohlstandsfak<strong>to</strong>ren demokratisiert, sondern<br />

es kommt auch zu einem Effekt, der in den gesellschaftlichen<br />

Debatten noch außen vor bleibt: Dematerialisierung.<br />

Megatrend Dematerialisierung<br />

Produkt für Produkt verwandelt sich in Software. Und mit<br />

jedem physischen Produkt, das in Bits und Bytes übergeht,<br />

verschwinden Fabriken, Maschinen, Arbeitsplätze. In<br />

Deutschland schließen tausende Bankfilialen, und in der<br />

Au<strong>to</strong>mobilindustrie stehen zigtausende Jobs auf der Kippe.<br />

Das ist „Dematerialisierung live“. Durch den Trend zur Share<br />

Economy werden solche Effekte noch weiter verstärkt.<br />

Wenn Teilen das neue Haben ist, werden weniger Konsumgüter<br />

produziert. Die Dematerialisierung sorgt dafür, dass<br />

der alte Traum der Umweltschutzbewegung, nämlich eine<br />

Reduzierung der S<strong>to</strong>ffströme um Fak<strong>to</strong>ren und nicht um ein<br />

paar Prozent, endlich Wirklichkeit wird. Zum Gesamtbild gehört<br />

aber auch: Wenn Roboter sich ihre eigenen Maschinen<br />

bauen, künstliche Intelligenzen Software schreiben und die<br />

Produktionssysteme der Zukunft vollau<strong>to</strong>matisiert laufen,<br />

dann verschwindet ein Großteil der heutigen Arbeitsplätze.<br />

Neue werden – zum Beispiel in den Entwicklungsländern –<br />

gar nicht erst entstehen.<br />

Ein Update für den Kapitalismus<br />

Leider sind alle Staaten und auch die internationalen Organisationen<br />

auf diesem Auge noch völlig blind. Das gilt auch<br />

für die Vereinten Nationen (UN), die mit den Sustainable<br />

Development Goals (SDG) ein ambitioniertes Entwicklungsprogramm<br />

aufgelegt haben. Bis 2030 wollen sie Hunger und<br />

Armut besiegen, den Gesundheits- und Bildungsstandard der<br />

Menschen deutlich steigern, für Arbeit und zunehmenden<br />

Wohlstand in den Entwicklungsländern sorgen, die Ungleichheit<br />

bekämpfen und die Gleichberechtigung von Mädchen<br />

und Frauen durchsetzen. Einmal abgesehen davon, dass<br />

diese Ziele in nur elf bis zwölf Jahren überhaupt nicht zu erreichen<br />

sein werden, negieren sie die oben beschriebenen<br />

Paradigmenwechsel der digitalen Revolution. Die Grundannahmen<br />

der SDGs – Wirtschaftswachstum und deutlich<br />

mehr Arbeit – werden nicht eintreten. Die auch „Agenda<br />

2030“ genannte Initiative ist zum Scheitern verurteilt. Statt<br />

ständig gut gemeinte, aber leere Versprechungen zu Jobs<br />

und Wohlstand abzugeben, müssen – im internationalen<br />

Verbund wie national – neue gesellschaftliche Konsense<br />

gefunden und Visionen für das Zusammenleben entwickelt<br />

werden. Der Kapitalismus, so er denn überleben soll und<br />

will, braucht ein Update.<br />

Die Wirtschaft muss ihre Zielsysteme verändern. An die<br />

Stelle des „Shareholder Value“ tritt der Total Societal Impact<br />

(TSI), der den positiven Wertbeitrag eines Unternehmens<br />

zur Gesellschaft misst. Und damit nicht genug: Dieser betriebswirtschaftliche<br />

Wert fordert eine Entsprechung auf<br />

volkswirtschaftlicher Ebene. Das „Brut<strong>to</strong>inlandsprodukt“<br />

als Maßeinheit ist immer weniger geeignet, um die wahre<br />

Leistung einer Ökonomie zu beschreiben. Das BIP misst<br />

einfach nicht die sozialen und ökologischen Effekte der<br />

Wirtschaftsleistung. Es ist deshalb zu begrüßen, wenn sich<br />

sogar das Weltwirtschafts<strong>forum</strong> (WEF) in Davos als Plattform<br />

anbietet, um neue Standards für eine ökosoziale Marktwirtschaft<br />

zu definieren. Glücklicherweise ist das bedingungslose<br />

Grundeinkommen sowohl in den Entwicklungsländern als<br />

auch in den wohlhabenden Industriestaaten zu einer ernstzunehmenden<br />

Alternative zu abhängiger Beschäftigung sowie<br />

Lohn und Gehalt gereift.<br />

Das Energie-Gambit<br />

Allerdings – das darf nicht verschwiegen werden – wirft diese<br />

Vision einer digital optimierten und dicht vernetzten Welt ein<br />

Problem auf: Durch ihren immensen Energiehunger forcieren<br />

die Systeme und Netze den Auss<strong>to</strong>ß klimaschädlicher Gase,<br />

bevor sie dazu beitragen, den Energieverbrauch drastisch zu<br />

senken. Anders gesagt: Die Digitalisierung verschärft zunächst<br />

die ökologische Krise, die sich in Erderwärmung und Klimawandel<br />

manifestiert. Dennoch stellt sie den entscheidenden Hebel<br />

dar, um die Energie- und Klimakatastrophe zu vermeiden.<br />

Der Digitalphilosoph Luciano Floridi spricht in diesem Kontext<br />

von einem „Gambit“, einer Strategie im Schachspiel, bei der<br />

ein Spieler einen Bauern opfert, um später einen Vorteil<br />

zu erreichen. Das Potenzial der Digitalisierung, um dieses<br />

Dilemma aufzulösen, ist enorm. Die Global e-Sustainability<br />

Initiative (GeSI) geht in ihrer Studie „Smarter2030“ davon<br />

aus, dass die CO 2<br />

-Emissionen durch den strategischen Einsatz<br />

der Informations- und Kommunikationstechnologien bis<br />

zum Ende des kommenden Jahrzehnts um 20 Prozent und<br />

damit auf das Niveau von 2<strong>01</strong>5 gesenkt werden könnten. Ist<br />

der Optimismus berechtigt? Durchaus. Neue Technologien<br />

wie die Blockchain und Künstliche Intelligenz verbessern die<br />

Energieeffizienz deutlich.<br />

64 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ZUKUNFT GESTALTEN | THEMEN<br />

Google hat schon vor zwei Jahren begonnen, die Energieeffizienz<br />

seiner Datencenter mit Hilfe der KI seiner Schwesterfirma<br />

DeepMind zu verbessern. Die KI sorgte dafür, dass die<br />

Server nicht rund um die Uhr voll gekühlt werden, sondern<br />

nur gemäß ihrer zu erwartenden Auslastung. Dahinter steckt<br />

eine Analyse- und Prognoseleistung, die nur KI sichern kann.<br />

Allerdings setzte die KI lediglich von den Google-Experten vorgegebene<br />

Steuerungsroutinen in Gang. Diesen „menschlichen<br />

Fak<strong>to</strong>r“ hat Google mittlerweile ausgeschaltet. Seit diesem<br />

Jahr optimiert die KI den Stromverbrauch der Datencenter vollau<strong>to</strong>matisch,<br />

macht sich ihren eigenen Reim auf Auslastung,<br />

zu erwartendem Datenverkehr, Stromeinsatz, Kühlung und<br />

Wetter. Im Schnitt sei der Stromverbrauch der Datencenter<br />

nach wenigen Monaten um 30 Prozent gesunken.<br />

Mit Hilfe der Blockchain lassen sich zudem dezentrale Energienetzwerke<br />

organisieren, in denen kleine, auch private<br />

Die Zukunft provozieren<br />

Wir müssen diese digitale Zukunft mutig gestalten, wenn wir<br />

sie möchten. Aber bleibt uns überhaupt eine Wahl, wenn wir<br />

die Ökosysteme retten und den Menschen auf einem überbevölkerten<br />

Planeten ein gutes Leben ermöglichen möchten?<br />

Haben wir nicht die Pflicht, nach 200 Jahren Kapitalismus,<br />

Raubbau und menschlichen wie sozialen Katastrophen das<br />

Ruder umzulegen? Einfach wird es nicht, angesichts der globalen<br />

Kriege und Bürgerkriege, der Lautstärke von Populisten<br />

und Despoten, die gesellschaftlichen Fortschritt s<strong>to</strong>ppen und<br />

sogar zurückdrehen. Aber es ist möglich. Erde 5.0 ist deshalb<br />

nicht nur ein Buch, sondern Ausgangspunkt einer Initiative,<br />

um die Digitalisierung und den technologischen Fortschritt<br />

gezielt für eine gerechtere, lebenswerte, zukunftsfähige<br />

Welt zu nutzen. Im Superwahljahr 2<strong>01</strong>9 sei hinzugefügt: Der<br />

Ansatz, die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische<br />

Teilhabe durch Technologie zu fördern, soll ausdrücklich<br />

auch als Strategie gegen Populismus, Protektionismus und<br />

die grassierende Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und<br />

Natur verstanden werden.<br />

Wenn Roboter sich ihre eigenen Maschinen bauen, künstliche<br />

Intelligenzen Software schreiben und die Produktionssysteme<br />

der Zukunft vollau<strong>to</strong>matisiert laufen, dann verschwindet ein Großteil der<br />

heutigen Arbeitsplätze. Neue werden – zum Beispiel in den<br />

Entwicklungsländern – gar nicht erst entstehen.<br />

Betreiber von Wind- und Sonnenenergieanlagen effizient<br />

zusammenarbeiten können. Apropos Sonnenenergie: Es<br />

erscheint vielversprechend, die alte Idee der zunächst<br />

spektakulär gescheiterten Initiative „Desertec“ in Nordafrika<br />

wieder aufleben zu lassen. Das Potenzial ist enorm:<br />

Die Sonne schickt im Jahr 1,6 Milliarden Terrawattstunden<br />

(TWh) Energie zur Erde. Wenn wir davon ein Zehntausendstel<br />

in Strom umwandeln könnten, wäre der Strombedarf der<br />

Erde in Höhe von knapp 22 000 TWh im Jahr 2<strong>01</strong>7 (Quelle:<br />

Enerdata) erst einmal gedeckt. Wie die Vision doch noch<br />

Realität werden kann, zeigen bereits diverse Projekte. In<br />

Marokko entsteht „Noor“, eines der größten Sonnenkraftwerke<br />

der Welt und damit gleichzeitig ein Testlabor für die<br />

innovative Nutzung von Sonnenenergie. Ägypten möchte<br />

den Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtbedarf<br />

von jetzt zehn Prozent auf 20 Prozent in drei Jahren steigern.<br />

Die Solarkraftwerke der nahen Zukunft produzieren<br />

genauso viel Strom wie manches A<strong>to</strong>mkraftwerk. Sie liefern<br />

die Energie für die wachsende Bevölkerung, für den wirtschaftlichen<br />

Aufschwung Afrikas, für die Entsalzung von<br />

Meerwasser – und für den Export.<br />

Diese Beispiele zeigen: Technologie wird das Energiedilemma<br />

einer digitalisierten und vernetzten Welt lösen helfen.<br />

„Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren:<br />

Es ist die Zeit der Monster“, sagte schon in den 1930er-Jahren<br />

der italienische Philosoph An<strong>to</strong>nio Gramsci. Wie damals, als<br />

der Faschismus in Europa die Oberhand gewann, befinden wir<br />

uns wieder in einer gefährlichen, ambivalenten Übergangsphase,<br />

in der egozentrische, machtgierige und unberechenbare<br />

Au<strong>to</strong>kraten den Ton angeben. Menschen, die nicht mehr<br />

zwischen „Fake-News“ und Fakten unterscheiden, werden<br />

anfällig für die Trumps, Le Pens und AfDs dieser Welt. „Erde<br />

5.0“ ist deshalb auch ein Weckruf für Politik, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft, jetzt eine durch und durch digitale, aber von<br />

Menschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Demut vor<br />

der Natur geprägte Zukunft zu provozieren.<br />

www.erde50.de<br />

KARL-HEINZ LAND<br />

ist Au<strong>to</strong>r, Redner und Inves<strong>to</strong>r. Sein Herzens<strong>the</strong>ma – die Digitalisierung<br />

– erlebt und gestaltet er seit über 35 Jahren, unter anderem in<br />

Führungspositionen bei international operierenden Unternehmen<br />

wie Oracle, BusinessObjects (SAP) und Microstrategy. Mit Neuland<br />

hat er 2<strong>01</strong>4 eine Digital- und Strategieberatung ins Leben gerufen,<br />

die laut Ranking der Zeitschrift „Brandeins“ wiederholt zu den besten<br />

Deutschlands zählte. Er setzt auf innovative Technologien wie die<br />

Blockchain und das Internet der Dinge. Das World Economic Forum<br />

(WEF) und das „<strong>Time</strong> Magazine“ zeichneten Land bereits 2006 mit<br />

dem „Technology Pioneer Award“ aus. Mit „Erde 5.0 – Die Zukunft<br />

provozieren“ zeigt Land auf, wie Digitalisierung und technologischer<br />

Fortschritt helfen können, Menschheitsprobleme wie Hunger, Armut,<br />

Ressourcenverschwendung und Klimawandel zu lösen.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

65


THEMEN | ZUKUNFT GESTALTEN<br />

Langzeitstudie<br />

„DIE ZUKUNFT<br />

DEINER KINDER“<br />

Kinder, die heute geboren werden, starten mit einer statistischen Lebenserwartung von 100 Jahren in<br />

diese Welt. Wie wird sich die Welt im Zeitraum dieser Lebensspanne verändern? Eine ambitionierte Langzeitstudie<br />

der Zukunftsforschung versucht, Antworten zu finden – und fördert dabei Unterhaltsames wie<br />

Schockierendes zutage.<br />

Von Florina Speth<br />

Müssen wir in 100 Jahren noch arbeiten? Ergänzen oder ersetzen<br />

künstlich intelligente Systeme bald Kollegen, Politiker<br />

und Geschäftsführer? Wie können wir uns alle auf den Weg<br />

in die Zukunft vorbereiten? Wie werden wir leben? Und vor<br />

allem: Wie wollen wir leben?<br />

Diesen und vielen weiteren Fragen geht die Langzeitstudie<br />

„Die Zukunft deiner Kinder“ auf den Grund. Der 2b AHEAD<br />

Thinktank, ein unabhängiges Zukunftsforschungsinstitut, hat<br />

diese Studie im Jahr 2<strong>01</strong>7 begonnen und erforscht darin die<br />

möglichen Zukunftsszenarien von zehn Studienteilnehmern,<br />

die im Jahr 2<strong>01</strong>5 mit einer Lebenserwartung von hundert<br />

Jahren in Deutschland geboren wurden.<br />

Dazu werden jährlich aufs Neue hundert Experten befragt,<br />

die in zukunftsformenden Bereichen der Politik, der Technologie,<br />

der Wirtschaft und des Sozialen sowie im nahen Umfeld<br />

der zehn Teilnehmer tätig sind. Auf diesem Wege entstehen<br />

jährlich etwa 5.000 Thesen, die zeitlich eingeordnet und nach<br />

ihrer Aussagekraft gewichtet werden. Auf Basis dieser Thesen<br />

werden zehn verschiedene Visionspfade angelegt und daraus<br />

Szenarien abgeleitet.<br />

Zukunftsszenarien als Handlungsgrundlage<br />

Diese Szenarien beschreiben, wie der Alltag der Studienteilnehmer<br />

im Lebensalter von 10, 20, 50, 70 oder 100 Jahren<br />

aussehen könnte und welche technologischen, wirtschaftlichen,<br />

sozialen, ökologischen sowie politischen Veränderungen<br />

sich darin spiegeln könnten. Jedes der zehn Kinder<br />

erlebt in diesen Szenarien exemplarisch eine andere Zukunft,<br />

wodurch Unterschiede in den einzelnen Fak<strong>to</strong>ren sichtbar<br />

gemacht werden. Diese Vielfalt macht deutlich: Die Szenarien<br />

haben keinen Wahrheitsanspruch. Dies liegt in der Natur<br />

der Sache, denn über eine Zukunft in 100 Jahren kann man<br />

keine Aussagen treffen, die sicher eintreten werden. Man<br />

kann jedoch Möglichkeitsräume erforschen und diese in<br />

Beispielen beschreiben. Somit werden Zukunftsszenarien<br />

diskutabel, was den aktiven Umgang mit ihnen ermöglicht.<br />

Leo wird Vater, die künstliche Gebärmutter hilft …<br />

Hier zwei Beispiele aus den Szenarien. Das erste Szenario<br />

beschreibt Leos Lebenswelt im Jahr 2065. Leos Situation:<br />

Der 50-jährige Leo sieht seinem Kind beim Wachsen zu. Genauer:<br />

Er betrachtet gemeinsam mit der Mutter des Kindes<br />

den heranreifenden Embryo hinter einer Glasscheibe, denn<br />

das Kind wächst in einer künstlichen Gebärmutter heran. Die<br />

Mutter des Kindes und Leo begegnen sich in dieser Szene erst<br />

zum zweiten Mal in ihrem Leben. Die vorherige Begegnung<br />

erfolgte in einem Labor, welches sie über eine Genpool-Matchingbank<br />

zusammenführte. Die beiden sind kein Liebespaar,<br />

doch betrachten sie das reifende Wesen voller Liebe.<br />

Dieses Szenario wirft eine Reihe von Fragen auf: Wie wird<br />

das Leben eines Kindes sein, welches in eine Familienstruktur<br />

geboren wird, die ohne jegliche persönliche Verbindung beginnt?<br />

Wie verändert sich die Rolle einer Mutter, die ihr Kind<br />

nicht selbst ausgetragen hat? Verschiebt dies auch die Rolle<br />

Fo<strong>to</strong>: © Barbara Helgason<br />

66 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ZUKUNFT GESTALTEN | THEMEN<br />

Präsentation der Langzeitstudie „Die Zukunft deiner Kinder“ an der<br />

Ernst-Reu<strong>the</strong>r-Schule in Karlsruhe.<br />

des Vaters? Wie werden wir als immer älter werdende Gesellschaft<br />

damit umgehen, wenn wir die Möglichkeit haben, auch<br />

im Alter von 50, 60 oder 70 Jahren Kinder zu bekommen?<br />

Künstliche Gebärmütter werden in der Gegenwart bereits<br />

erfolgreich in der Tierzucht eingesetzt. Der Wunsch, in der<br />

Lebensphase nach der biologischen Fruchtbarkeit Kinder zu<br />

bekommen, ist heute allgegenwärtig. Werden technologischer<br />

Fortschritt und Wunschbilder der heranwachsenden<br />

Generation zu Triebfedern solcher Entwicklungen?<br />

Happy Birthday Smilla<br />

Das Szenario, welches am weitesten in die Zukunft reicht,<br />

beschreibt Smilla im Jahr 2115. Es ist der Tag ihres 100. Geburtstags.<br />

Smilla ist durch hormonelle und technologische<br />

Eingriffe jung geblieben wie eine 35-jährige Frau. Unter<br />

100-Jährigen hat sich das Ritual eingebürgert, ein Transformationszentrum<br />

aufzusuchen. Man kann sich dort dafür<br />

entscheiden, wie das Leben weitergeht. Auch Smilla steht<br />

vor der Entscheidung, zu Software zu werden, einen neuen<br />

Körper zu beziehen, einen Roboterkörper anzunehmen oder<br />

auch zu verschwinden.<br />

Dieses Szenario greift das Thema des Strebens nach Lebensverlängerung,<br />

nach Unsterblichkeit sowie nach einem<br />

schmerzfreien Tod auf. Es drängen sich große Fragen auf: Wer<br />

möchte eigentlich wirklich unsterblich werden? Wozu? Was<br />

tut man denn so lange auf dieser Welt? Ist dies mit neuen<br />

Aufgaben verbunden, die der Gesellschaft Mehrwert stiften?<br />

Wenn alle älter als 100 werden, wie viele Menschen wird es<br />

denn dann geben? Wird es dann nicht zu eng auf der Erde?<br />

Dies war ein Ausflug in zwei sehr konkrete Beispiele zu möglichen<br />

Zukünften. Die Szenarien machen sicherlich deutlich,<br />

dass die dargestellten Zukunftsbilder unterschiedlich sind,<br />

eine Reihe von Fragen aufwerfen und zum Nachdenken<br />

anregen.<br />

Das Team der Langzeitstudie lädt dazu ein, Teil dieses<br />

außergewöhnlichen Projekts zu werden, gemeinsam in die<br />

Zukunft zu blicken und diese im Austausch zu gestalten.<br />

Wer Lust hat, sich mit Zukunftsfragen zu beschäftigen und<br />

die Zukunft aktiv mitzugestalten kann sich an der Langzeitstudie<br />

beteiligen.<br />

www.2bahead.com<br />

DR. FLORINA SPETH<br />

ist Projektleiterin der Langzeitstudie „Die Zukunft deiner Kinder“.<br />

Sie promovierte im Bereich der Rehabilitationsrobotik und Neuromusikologie<br />

an der HU Berlin und am Institute of Robotics, Sensory<br />

Mo<strong>to</strong>r Systems Lab der ETH Zürich. Im Alter von 10 Jahren begann<br />

sie Cello und Klavier am Mozarteum Salzburg zu studieren. Heute<br />

komponiert sie mit Musikrobotern, Syn<strong>the</strong>sizern und Elektronika.<br />

Fo<strong>to</strong>: © 2b AHEAD<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

67


THEMEN | ZUKUNFT GESTALTEN<br />

Ob Occupy Wallstreet, Attac, Anonymous oder die jüngsten Schülerproteste „Fridays for Future“ – in den vergangenen Jahren sind viele Protestformen<br />

entstanden, mit denen vor allem junge Menschen gegen die Zerstörung der Umwelt, globale Ungerechtigkeiten oder auch eine<br />

Übermacht der Finanzindustrie demonstrieren. Der Bürger verlangt von der Politik ein entschiedeneres Handeln. Dies zeigt auch der Erfolg<br />

des Volksbegehrens Artenvielfalt in Bayern.<br />

LASST UNS<br />

MEHR VERLANGEN<br />

Viele junge Menschen haben das Gefühl, einen riesigen Berg Probleme hinterlassen zu bekommen und<br />

bei Zukunftsfragen nicht mitreden zu dürfen. Unser Au<strong>to</strong>r (29) hat ein paar Ideen, wie sich das ändern<br />

ließe. Ein Weckruf.<br />

Von Justus Kammüller<br />

Neulich hatte ich wieder dieses Gefühl, dass viele Angehörige<br />

meiner Generation nicht nur so manche Vorlesung<br />

an der Uni verschlafen, sondern auch die aktive politische<br />

Beteiligung. Auch bei dieser Bundestagswahl haben von den<br />

unter 30-Jährigen wesentlich weniger gewählt als von den<br />

über 60-Jährigen. Die Themen Rente und innere Sicherheit<br />

drängten den Klimawandel und die Digitalisierung an den<br />

Rand der Debatten.<br />

Vielleicht geht es ja manchen von uns einfach zu gut? Noch<br />

immer gibt es in Deutschland trotz Wohlstand große soziale<br />

Ungerechtigkeiten, etwa wenn Kinder aus armen Familien<br />

kaum die Möglichkeit haben, später ein besseres Leben als<br />

ihre Eltern zu führen. Umso wichtiger wäre es, dass sich die,<br />

die alle Vorzüge einer guten Bildung genießen, nicht dem<br />

Konsum hingeben und nur die Fragen der Übersättigten<br />

stellen: Was soll ich studieren? Welcher Strand ist denn<br />

jetzt wirklich nur für mich alleine da? Oh Gott, mein Kleiderschrank<br />

ist so voll. Weltreise oder Praktikum?<br />

Auch aufgrund der Vorzüge, die die wohlhabenden Kinder der<br />

westlichen Industrienationen genießen, steckt die Menschheit<br />

in einer ernsten Krise. Diese Krise hat eine entscheidende<br />

ökologische Komponente. Die fortwährende Überschreitung<br />

der planetaren Grenzen stellt im Sinne der Generationengerechtigkeit<br />

wahrscheinlich das offensichtlichste und dramatischste<br />

Verbrechen dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir<br />

bis zum Ende des Jahrhunderts in einer bis zu sechs Grad<br />

wärmeren Welt leben müssen, beträgt Forschern der Earth<br />

League zufolge schon eins zu zehn, wenn jetzt keine Klimaschutzmaßnahmen<br />

ergriffen werden. Diese Welt wäre die<br />

Hölle im Vergleich zu den Zuständen, die wir (noch) genießen.<br />

Ex-Bundesentwicklungsminister Gerd Müller beschreibt für<br />

diesen Fall ein Szenario von 100 Millionen afrikanischen<br />

Klimaflüchtlingen. Wer dann kein Elon-Musk-Shuttle zum<br />

Mars geboardet hat, wird die Chance haben, eine Mischung<br />

aus Weltuntergangsfilmen wie „The Road“, „Blade Runner“<br />

und „3 %“ live mitzuerleben. Es gibt also keinen Grund für<br />

Gleichgültigkeit, keine Zeit für Sinnkrisen, weil es genug<br />

Fo<strong>to</strong>: © Fritz Lietsch<br />

68 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ZUKUNFT GESTALTEN | THEMEN<br />

echte Probleme zu lösen gilt. Nur: Woran mangelt es uns,<br />

sie anzugehen? Sind wir zu schwach und zu faul? Fehlen uns<br />

die Werte? Sind wir durch grelle Marketingbotschaften zum<br />

grenzenlosen Konsum verdammt, der uns dazu zwingt, langsam<br />

erst die Lebensgrundlage unserer schwächeren Nachbarn<br />

und dann uns selbst zu verzehren? Ein Teil des Problems<br />

ist, dass wir in einer Kultur zunehmender Unehrlichkeit und<br />

Nachgiebigkeit von politischen Positionen leben. Oft gilt<br />

bei den Parteien: Keine Fehler zugeben, dem Wähler nicht<br />

zu viel zutrauen. Alles, was in mehr als zwei Sätzen erklärt<br />

werden muss, wird ausgeblendet. Jeder hat auf alles die einzig<br />

richtige Antwort, eine wirkliche Diskussion gibt es nicht.<br />

In Anbetracht der Komplexität unserer Probleme führt das<br />

nicht weit. Politiker müssen den Diskurs bekräftigen, überparteilich<br />

gestalten, unabhängig argumentieren. Und es ist<br />

Zeit für Visionen – die wir uns aufgrund der vorhandenen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisse erlauben müssen. Ich glaube,<br />

man sollte – bei allem Respekt vor Graswurzel-Initiativen<br />

und Petitionen-Schreibern – die Stimme der Zukunft, repräsentiert<br />

durch die junge Generation, im Kern der politischen<br />

Entscheidungslandschaft verankern: dem Parlament. Wie<br />

würden zum Beispiel Koalitionsverhandlungen verlaufen,<br />

wenn zehn Sitze an Vertreter der jungen Generation, eine Art<br />

„Jugendrat“, vergeben wären? Diese wären von allen unter<br />

30-Jährigen gewählt und würden Themen vertreten, die in<br />

einem wissenschaftlichen, basis-demokratischen Prozess<br />

erarbeitet wurden. Das wäre revolutionär, mal gar nicht<br />

deutsch und würde die politische Landschaft ein wenig neu<br />

ordnen. Na ja, zumindest weitaus interessanter machen. Im<br />

besten Fall würde es dazu führen, dass Politik nicht mehr an<br />

den wichtigsten Themen der Zukunft vorbei gemacht werden<br />

könnte. Vielleicht würde die Generation meines Sohnes in<br />

einem Land aufwachsen, das mutig und unerschrocken auf<br />

jedes Mitglied seiner Gesellschaft zugeht.<br />

Lasst uns meinetwegen ein soziales Jahr<br />

in Afrika machen, aber dann auch auf<br />

das neueste Smartphone verzichten.<br />

Ich glaube, wir brauchen einen solch revolutionären Schub,<br />

um uns für die Aufgaben, die vor uns liegen, bereit zu machen.<br />

Denn, und das ist eine von diesen Wahrheiten, die ungern<br />

ausgesprochen werden: Wir sind die erste Generation,<br />

die innerhalb kürzester Zeit die vielleicht schlimmste humani<br />

täre Katastrophe, den weltweiten Hunger, beenden könnte.<br />

Wir sind die letzte Generation, die den ökologischen Kollaps<br />

unserer Erde verhindern kann. Dafür müssen wir jedoch wirklich<br />

etwas ändern und wirklich auf etwas verzichten. Likes<br />

und Hashtags reichen dafür nicht. Lasst uns meinetwegen<br />

weiterhin unseren Lebenslauf mit einem sozialen Jahr in<br />

Afrika schmücken, aber dann auch auf das mit Konfiktmaterialien<br />

vollges<strong>to</strong>pfte neueste Smartphone verzichten. Lasst<br />

uns etwas Besseres verlangen, auch von uns selbst. Es ist ja<br />

lässig, zu Hinterhof-Brew über den Wasser-Fußabdruck von<br />

Rindfeisch zu schwadronieren, aber dann lasst uns auch<br />

konsequent biologische Lebensmittel einkaufen. Wir sind<br />

die Betroffenen, aber wie tief geht unser Protest? Wie groß<br />

kann die Leidensfähigkeit einer Generation sein, die nie wirklich<br />

leiden musste? Unsere Großeltern überlebten die Kriege<br />

und begannen den Wiederaufbau. Unsere Eltern kämpften<br />

für Gleichberechtigung und die Wiedervereinigung.<br />

Was werden wir hinterlassen?<br />

JUSTUS KAMMÜLLER<br />

arbeitet beim WWF und hat das Generationenmanifest mitinitiiert,<br />

in dem politische Forderungen für mehr Generationengerechtigkeit<br />

und Zukunftsfähigkeit gestellt werden. Zukünftig erhält Justus eine<br />

Kolumne in <strong>forum</strong>, um seiner Generation eine Stimme zu verleihen.<br />

www.generationenmanifest.de<br />

GEMEINSAM FÜR EIN BESSERES LEBEN<br />

DER Touristik Foundation e.V. · 60424 Frankfurt AN-2902/19<br />

Bildung ist der Schlüssel für eine bessere Zukunft – überall<br />

auf der Welt. Die DER Touristik Foundation unterstützt deshalb<br />

Menschen in weniger entwickelten <strong>to</strong>uristischen Regionen.<br />

Vielfältige Bildungsmaßnahmen schaffen Zukunftsperspektiven,<br />

indem sie den Menschen helfen, Armut und Ungleichheit zu<br />

verringern und sich für den Erhalt der Natur einzusetzen.<br />

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Mehr Informationen auf<br />

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69


THEMEN | UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />

GIB GUMMI!<br />

Was haben Latexhandschuhe, Flugzeugreifen und<br />

Kondome gemeinsam? Sie bestehen alle vorwiegend<br />

aus Naturkautschuk. Trotz syn<strong>the</strong>tischer<br />

Nachahmungen ist dieser bis heute für die Industrie<br />

unverzichtbar. Doch der Anbau geht mit massiven<br />

Problemen einher. Einige Hersteller wollen dies<br />

ändern.<br />

Von Irene Knoke<br />

Handschuhe, Matratzen, Kondome, auch Schuhsohlen, Dichtungen,<br />

Förderbänder, Dämm- und Baumaterial: Für alles<br />

das und vieles mehr braucht man Kautschuk. Der wertvolle<br />

Rohs<strong>to</strong>ff wird als Gummi zu mehr als 50.000 verschiedenen<br />

Produkten weiterverarbeitet. Der weltweite Verbrauch<br />

an Naturkautschuk betrug 2<strong>01</strong>7 insgesamt 13,2 Millionen<br />

Tonnen. Wichtigster Abnehmer ist die Au<strong>to</strong>mobilindustrie.<br />

Etwa 70 Prozent des in Deutschland verwendeten Naturkautschuks<br />

landet allein in Fahrzeugreifen. Hinzu kommen<br />

weitere Bestandteile für Au<strong>to</strong>s wie Schläuche und Dichtungen.<br />

Kautschuk lässt sich zwar auch syn<strong>the</strong>tisch herstellen,<br />

doch aufgrund seiner besonderen Eigenschaften vor allem<br />

in punc<strong>to</strong> Elastizität und Belastbarkeit ist Naturkautschuk<br />

bis heute unverzichtbar. Vereinfacht lässt sich sogar sagen:<br />

je höher die Belastung, der ein Material standhalten muss,<br />

des<strong>to</strong> höher der Anteil an Naturkautschuk. Flugzeugreifen<br />

bestehen beispielsweise fast ausschließlich aus Naturkautschuk,<br />

PKW-Reifen zu weniger als der Hälfte.<br />

Brandrodung und Landraub<br />

Rund 90 Prozent des weltweit gehandelten Naturkautschuks<br />

stammen aus Asien. Die bedeutendsten Anbauländer sind<br />

heute Thailand und Indonesien. Der intensive Anbau von Naturkautschuk<br />

ist dort eine der Ursachen für Umweltbelastungen<br />

und die großflächige Rodung von Tropenwäldern. So sind<br />

beispielsweise zwischen 2000 und 2<strong>01</strong>2 in Indonesien, dem<br />

Land mit einer der höchsten Entwaldungsraten weltweit,<br />

insgesamt über sechs Millionen Hektar Primärwald abgeholzt<br />

worden. In dieser Zeit stiegen die Kautschukpreise langsam<br />

an und im Jahr 2<strong>01</strong>1 erlebten sie eine regelrechte Hausse.<br />

Eine der schlimmsten Triebfedern für die Entwaldung ist<br />

zwar die Gewinnung von Palmöl, aber auch Kautschuk hat in<br />

dieser Zeit einen bedeutenden Anteil gehabt. In Kambodscha,<br />

einem der neuen Anbaugebiete von Naturkautschuk, hat es<br />

ähnliche Entwicklungen gegeben. Neben der Abholzung sind<br />

Zapferin in Sumatra, Indonesien: Die meisten Kautschukplantagen<br />

sind reine Monokulturen<br />

Fo<strong>to</strong>: © Dollaris Suhadi<br />

70<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

71


Der Latex fließt nach dem Anritzen des Baumes in einen Auffangbehälter<br />

An einer Sammelstelle in Jambi, Indonesien, liefern die Produzent*innen<br />

ihren Kautschuk ab<br />

dort, wie auch in anderen Ländern, schwerwiegende Fälle<br />

von Landvertreibungen bekannt geworden. Das grundlegende<br />

Problem: Der Anbau von Naturkautschuk spielt sich in<br />

vielen Weltregionen ab, in denen schwache staatliche Institutionen<br />

und mangelnde Rechtsstaatlichkeit ein hohes Risiko<br />

für gravierende Menschenrechtsverletzungen darstellen. So<br />

sind etliche Fälle von Landraub, aber auch Schuldknechtschaft<br />

und Kinderarbeit bekannt geworden. Dies sind zwar<br />

keine flächendeckenden Probleme, aber für Unternehmen<br />

ist es zunehmend wichtig, die Herkunft ihres Gummis genau<br />

zu kennen, um solche Missstände ausschließen zu können.<br />

Kleinbauern in Bedrängnis<br />

Zu den drängendsten Problemen für die meisten Produzenten<br />

zählt derzeit jedoch der niedrige Preis, denn seit 2<strong>01</strong>1<br />

sind die Preise, nicht zuletzt durch den Anstieg der Anbauflächen,<br />

erheblich gesunken. Darunter leiden vor allem die<br />

vielen kleinbäuerlichen Betriebe, die meist weniger als drei<br />

Hektar bewirtschaften. Im Grunde eignet sich Kautschuk<br />

tatsächlich gut für den kleinbäuerlichen Anbau, denn die<br />

Ernte erfolgt fast das ganze Jahr hindurch, das Produkt ist<br />

gut lagerfähig und mit relativ einfachen Mitteln können erste<br />

Verarbeitungsschritte direkt von den Produzenten vorgenommen<br />

werden. Dies geschieht insbesondere in Thailand. Hier<br />

verarbeiten die Bauern den Latex durch mehrfaches Walzen<br />

direkt weiter zu sogenannten Sheets, also Fellen oder Matten.<br />

Dadurch können sie einen höheren Ertrag erzielen. Bei<br />

den gegenwärtig sehr niedrigen Preisen geraten aber auch<br />

die thailändischen Produzenten unter Druck. Da es sich bei<br />

Kautschukbäumen um eine Dauerkultur handelt, haben sie<br />

kaum Möglichkeiten, auf ungünstige Preisentwicklungen zu<br />

reagieren. Sie sind auf Gedeih und Verderb abhängig von<br />

der einmal getroffenen Investitionsentscheidung, und das<br />

auch dann, wenn die Produktionskosten über dem Verkaufspreis<br />

liegen, wie in den vergangenen Jahren teilweise der<br />

Fall. Dann kann es passieren, dass kleinbäuerliche Betriebe<br />

bestimmte Maßnahmen zur Erhöhung der Produktion (zum<br />

Beispiel regelmäßiges Düngen) nicht mehr vornehmen<br />

können, oder sie „überzapfen“ den Baum, wodurch der langfristige<br />

Ertrag gemindert wird. Gleichzeitig haben sie in der<br />

Wertschöpfungskette so gut wie keine Verhandlungsmacht<br />

und durch die langen Wege zu den Fabriken gehen für die<br />

einzelnen Bauern auch Anreize verloren, durch Qualitätssteigerungen<br />

bessere Preise erzielen zu können. Denn beim<br />

Zwischenhändler werden verschiedene Qualitäten oft wieder<br />

gemischt und die Fabriken zahlen nur niedrige Preise.<br />

Transparenz in der Lieferkette herstellen<br />

Das alles zeigt, wie wichtig es für die hiesigen Unternehmen<br />

ist, mehr Transparenz in die eigene Lieferkette zu bekommen.<br />

Bisher haben nur Wenige einen tieferen Einblick und können<br />

beurteilen, unter welchen Bedingungen der Kautschuk,<br />

den sie weiterverarbeiten, angebaut wurde. Aufgrund der<br />

starken Zersplitterung in der Lieferkette durch die kleinbäuerliche<br />

Struktur ist das auch gar nicht so einfach, aber<br />

nicht unmöglich. Zertifizierungen wie das FSC-Siegel für<br />

nachhaltige Forstwirtschaft können ein erster Schritt sein,<br />

um mehr Transparenz in die Lieferkette zu bringen. Einige<br />

kleinere Unternehmen haben auch bereits begonnen, direkte<br />

Lieferbeziehungen zu ihren Produzenten aufzubauen<br />

Die Tränen des Baumes!<br />

Die Quelle für den Rohs<strong>to</strong>ff, aus dem Gummi gewonnen wird, ist<br />

der Kautschukbaum (Hevea brasiliensis). Von ihm kann der weiße<br />

Milchsaft gezapft werden, den die Indigenen in Südamerika, der ursprünglichen<br />

Heimat des Baumes, „Caucho“ nannten – die „Träne<br />

des Baumes“. Wir bezeichnen ihn als Latex, in dem zu etwa einem<br />

Drittel der begehrte Kautschuk enthalten ist. Um an den Latex zu<br />

kommen, muss der Kautschukbaum „gezapft“ werden, indem er<br />

mit einem speziellen Messer angeritzt wird. Der so gesammelte<br />

Latex wird dann entweder durch Zusetzen von Säure zum Gerinnen<br />

gebracht, so dass Klumpen entstehen, oder er wird durch Zugabe<br />

von Ammoniak stabilisiert, da bestimmte Produkte aus dem flüssigen<br />

Latex hergestellt werden.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Irene Knoke, SÜDWIND<br />

72 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

Fo<strong>to</strong>: © Dollaris Suhadi<br />

In dieser Weiterverarbeitungsanlage wird flüssiger Latex angeliefert,<br />

der zu „Fellen“ oder Blöcken weiterverarbeitet wird<br />

und hier die Lebensbedingungen zu verbessern. Diesen Weg<br />

geht zum Beispiel der Berliner Kondomhersteller einhorn.<br />

Das Start-up kennt die Plantage in Malaysia sehr genau, von<br />

der es den Latex für seine Kondome bezieht, besucht sie<br />

regelmäßig und unterstützt sie bei der Einhaltung der eigenen<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsanforderungen („Fairstainability-Ziele“).<br />

Aufgrund der geringen Abnahmemenge bleibt es aber noch<br />

eine Herausforderung, den Kautschuk aus der unterstützten<br />

Plantage auch in der Aufbereitungsanlage von anderen strikt<br />

zu trennen. Am weitesten geht hier wohl der Fair Rubber<br />

Verein, der neben dem FSC-Siegel auch eine zusätzliche<br />

Prämie für die kleinbäuerlichen Betriebe garantiert. Sie wird<br />

für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen<br />

der Erzeuger von Kautschuk verwendet und beläuft sich auf<br />

50 Cent je Kilogramm Gummi-Trockenmasse, die auf den jeweiligen<br />

Weltmarktpreis aufgeschlagen werden. Fair Rubber<br />

gesiegelte Produkte sind jedoch ein absoluter Nischenmarkt<br />

einiger weniger Hersteller von Kondomen, Handschuhen<br />

oder Gummistiefeln. Au<strong>to</strong>teile oder gar Reifen sucht man<br />

hier vergeblich.<br />

Die Reifenhersteller sind gefragt<br />

Doch auch für größere Unternehmen bietet die zunehmende<br />

Digitalisierung gute Möglichkeiten, mehr Rückverfolgbarkeit in<br />

der Lieferkette herzustellen. Im Zuge einer zunehmenden Diskussion<br />

über Sorgfaltspflichten von Unternehmen haben sich<br />

die größten Reifenhersteller nun zusammengetan, um über<br />

eine gemeinsame Plattform Standardansätze zu harmonisieren<br />

und so den Schutz von Menschenrechten zu verbessern,<br />

Entwaldung zu verhindern und biologische Vielfalt und Wasserqualität<br />

zu erhalten. Auch die Steigerung von Produktivität<br />

und eine bessere Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette sind<br />

Bestandteile der Zielsetzungen. Damit diese Global Platform<br />

for Sustainable Natural Rubber nicht zum Greenwashing<br />

Instrument wird, müssen ambitionierte Standards gesetzt,<br />

weiterentwickelt und auch konsequent überprüft werden.<br />

Um zumindest den wichtigsten ökologischen Risiken zu begegnen,<br />

kann sich ein Unternehmen auch zu Selbstverpflichtungen<br />

zu entwaldungsfreien Lieferketten bekennen. Einige Unternehmen<br />

der Reifen- und Gummiindustrie (zum Beisiel Michelin,<br />

Bridges<strong>to</strong>ne, Pirelli) haben das bereits getan. Bis 2020 sollen<br />

mit der Herstellung ihrer Produkte keine Waldverluste mehr<br />

verbunden sein. Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie<br />

ihre Lieferketten möglichst bis zur einzelnen Plantage zurückverfolgen<br />

können müssen. Ein Ansatz, der auch in Teilen schon<br />

verfolgt wird, ist dabei der Aufbau von ganzen Regionen, in<br />

denen Waldschutz, Waldnutzung und landwirtschaftliche<br />

Produktion so miteinander kombiniert werden, dass wichtige<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsstandards eingehalten werden und entwaldungsfreie<br />

Lieferketten aus diesen Regionen gewährleistet<br />

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73


THEMEN | UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />

CORPORATE<br />

POLITICAL<br />

RESPONSIBILITY (CPR)<br />

Warum nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong> politisch sein muss<br />

Von Johannes Bohnen<br />

Corporate Social Responsibility (CSR) ist zu eng gefasst. Die<br />

erforderliche Weiterentwicklung lautet Corporate Political<br />

Responsibility – kurz: CPR. Denn politische <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

stärkt den Staat und ist ein Business Case für Unternehmen.<br />

Dieser Ansatz scheint allmählich von Wirtschaftsführern<br />

aufgegriffen zu werden. So positionierte sich Siemens-Chef<br />

Joe Kaeser im Mai 2<strong>01</strong>8 erstaunlich politisch. An die Adresse<br />

der AfD-Politikerin Alice Weidel gerichtet, twitterte er: „Frau<br />

Weidel schadet mit ihrem Nationalismus dem Ansehen<br />

unseres Landes in der Welt. Da, wo die Haupt-Quelle des<br />

deutschen Wohlstands liegt.“ Im Juli legte Kaeser nach: „Wir<br />

dürfen das Feld der Öffentlichkeit nicht populistischen und<br />

nationalistischen Kreisen überlassen.“<br />

Im CSR-Konzept fehlt die von Kaeser angesprochene politische<br />

Dimension. Dort wird <strong>Nachhaltig</strong>keit in der Regel sozial<br />

und ökologisch verstanden. Es geht um die Sicherung der<br />

Lebensbedingungen von Gesellschaft und Natur. Interessanterweise<br />

hat die akademische Debatte in Deutschland, der<br />

Schweiz oder den Vereinigten Staaten begonnen, auch politische<br />

Elemente in der unternehmerischen Verantwortung zu<br />

erkennen. Begriffe wie Corporate Political Activity, Corporate<br />

Political Advocacy oder Political CSR weisen darauf hin. Diese<br />

Ansätze werden in der Praxis jedoch nur sehr zögerlich aufgenommen.<br />

Die grundlegende strategische Bedeutung der<br />

Politik für die Wirtschaft wird nach wie vor unterschätzt.<br />

Der wichtigste nicht-wirtschaftliche Geschäftsfak<strong>to</strong>r ist ein<br />

liberales politisches Umfeld. Unternehmen sollten in diese<br />

Grundlage ihres wirtschaftlichen Erfolgs investieren: stabile<br />

demokratische Institutionen, Rechtsstaatlichkeit, eine engagierte<br />

Zivilgesellschaft, öffentliche Debatten, gut ausgebildete<br />

Arbeitskräfte, moderne Infrastruktur und nicht zuletzt<br />

eine starke EU. Kurzum: CSR ist nicht ausreichend – was wir<br />

brauchen, ist CPR, Corporate Political Responsibility.<br />

Das CPR-Konzept lässt sich in zehn Thesen erläutern:<br />

1. Wirtschaft und Politik können nicht getrennt voneinander<br />

betrachtet werden<br />

Wirtschaftliche Aktivität findet nicht in einem politischen<br />

und institutionellen Vakuum statt. Der Raum, in dem<br />

Unternehmen operieren können, wird vom Staat gestaltet.<br />

Je nach politischem und rechtlichem System ist<br />

dieser Raum groß oder klein, sicher oder gefährdet, durch<br />

Regeln definiert oder durch willkürliche Entscheidungen<br />

geprägt. Da die Wirtschaft die Politik nicht loswird, hat sie<br />

zwei Möglichkeiten. Die erste ist, die Augen vor der Realität<br />

zu verschließen und sich ins vermeintlich Unpolitische<br />

zu verflüchtigen. Aber letztlich schlägt die Realität zurück<br />

– ungünstige politische Rahmenbedingungen schaden<br />

dem wirtschaftlichen Erfolg. Die zweite besteht darin,<br />

eine aktive politische Rolle zu übernehmen und an der<br />

Erhaltung eines vitalen öffentlichen Raumes mitzuwirken.<br />

Das bedeutet vor allem, den liberalen demokratischen<br />

Staat zu stützen, der Freiheiten garantiert und bewahrt.<br />

Es ist die Art von Staat, in der fast alle Bürger leben und<br />

Unternehmen arbeiten wollen. Aus der Anerkennung<br />

der Interdependenz von Wirtschaft und Politik entsteht<br />

für Unternehmen der Auftrag, nach Win-win-Lösungen<br />

zu streben.<br />

2. Unternehmen sind bereits politische Akteure<br />

Damit sich Unternehmen als politische Akteure verstehen<br />

können, hilft es, zu be<strong>to</strong>nen, dass sie bereits tief mit Politik<br />

und Öffentlichkeit verwoben sind: Als Arbeitnehmer,<br />

Steuerzahler und Innova<strong>to</strong>ren beeinflussen sie die Strukturen<br />

der Gemeinschaften, in denen sie tätig sind. Durch<br />

die wachsende Zahl von Wirtschaftsverbänden, eigenen<br />

Repräsentanzen und direkten politischen Kontakten üben<br />

sie politischen Einfluss aus. Zwar ist nachvollziehbar, dass<br />

es vielen Unternehmern und Managern schwerfällt, sich<br />

74 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

selbst als politische Akteure zu definieren. Die Politik<br />

wirkt oft chaotisch, langsam und ineffizient. Der Impuls,<br />

sich davon fernzuhalten, erscheint logisch. Er ist trotzdem<br />

falsch. Erstens, weil diese Attribute für demokratische<br />

Politik konstitutiv sind. Demokratien legen formale<br />

Verfahren fest, um einen Kompromiss zwischen einer<br />

Vielzahl von Standpunkten zu erreichen. Verzögerungen<br />

und Streit gehören daher zum Betriebsablauf. Zweitens<br />

bewegen sich Unternehmen angesichts der Wechselwirkungen<br />

von Wirtschaft und Politik unweigerlich in der<br />

politischen Arena. Es ist besser, offen mitzuspielen statt<br />

Spielball zu sein.<br />

3. Unternehmen können politischen Bedrohungen und<br />

regula<strong>to</strong>rischen Schwächen mit ihren Ressourcen<br />

aktiv entgegentreten<br />

Die Stärkung der politischen Grundlagen des wirtschaftlichen<br />

Wohlstands ist dringend. Ob Trump, Brexit oder<br />

AfD: Der liberal-demokratische Boden, auf dem Unternehmen<br />

gedeihen, wird wackeliger. Diese Bedrohungen<br />

entfalten sich vor dem Hintergrund der Megatrends<br />

Globalisierung und Digitalisierung, die die Handlungsfähigkeit<br />

der Nationalstaaten in Frage stellen. Wie können<br />

politische Systeme, die von Grenzen geprägt sind, Kräften<br />

standhalten, die Grenzen auflösen? Aufgrund dieses<br />

Missverhältnisses hat sich eine Governance-Lücke geöffnet.<br />

Zwar können regula<strong>to</strong>rische Mängel Unternehmen<br />

auf kurze Sicht in ihrem Profitstreben begünstigen;<br />

langfristig aber sind strukturschwache Staaten kaum<br />

in ihrem Interesse. Daher sollten Unternehmen Beiträge<br />

leisten, diese Lücke zu schließen, indem sie ihre<br />

finanziellen, technologischen und kommunikativen<br />

Ressourcen einbringen.<br />

4. Die Erwartungen der Menschen an Unternehmen<br />

steigen<br />

Unternehmenspolitische Verantwortung wird von kritischen<br />

Verbrauchern und einer zunehmend politisch<br />

orientierten Öffentlichkeit gefordert – zumindest in den<br />

westlichen Demokratien. Das Internet hat den Menschen<br />

Zugang zu einer Vielzahl von Informationen verschafft.<br />

Dies macht es einfacher denn je, das Verhalten einer<br />

Marke zu hinterfragen und zu kommentieren. In diesem<br />

Sinne hat das Internet eine emanzipa<strong>to</strong>rische Funktion<br />

für Kunden und Bürger. Ein umsichtiges Reputationsmanagement<br />

zielt daher auf eine offene, transparente<br />

und konsistente politische Kommunikation mit Interessengruppen<br />

und der breiten Öffentlichkeit ab. Wenn<br />

das gestrige Mot<strong>to</strong> in der politischen Kommunikation<br />

„Aufmerksamkeit schafft Werte“ war, lautet das heutige<br />

Mot<strong>to</strong> „Werte schaffen Aufmerksamkeit“. Aus wirtschaftlicher<br />

Sicht zahlt sich eine kohärente politische Haltung<br />

aus. Bei gleicher Produktqualität zwischen zwei Unternehmen<br />

könnte sie das entscheidende Verkaufsargument<br />

sein.<br />

5. Politik ist mehr als Parteipolitik<br />

Ein Teil der Abneigung von Unternehmen gegen die<br />

Politik ergibt sich aus deren Gleichsetzung mit Parteipolitik.<br />

Unternehmen wollen in der Regel nicht mit parteipolitischen<br />

Agenden in Verbindung gebracht werden.<br />

Sie ziehen es vor, neutral zu bleiben. Dabei wäre eine<br />

umfassendere Vorstellung des Politischen wünschenswert.<br />

In einer Demokratie sind alle Politiker und sollten<br />

daher am Gespräch über die Entwicklung öffentlicher Angelegenheiten<br />

teilnehmen. Auch Unternehmen mit ihren<br />

Ressourcen und Einflussmöglichkeiten sind hier gefragt,<br />

bis hin zur Bereitstellung von Kollektivgütern. Die heutigen<br />

Herausforderungen – ob Digitalisierung, Infrastrukturverbesserung<br />

oder Migration – sind zu umfassend, um von<br />

einzelnen Akteuren allein bewältigt zu werden.<br />

Die drängende Frage des Überlebens liberaler Demokratien<br />

erfordert von Unternehmen ein politisches<br />

Selbstverständnis. Mit anderen Worten: Unternehmen<br />

sollten unparteiisch im Besonderen, aber parteiisch im<br />

Grundsätzlichen sein – dann, wenn es um unsere freiheitliche<br />

Lebensform als solche geht.<br />

6. Investitionen in die politischen Voraussetzungen des<br />

Geschäftserfolges lohnen sich<br />

Investition ist ein zentraler Begriff in der Geschäftswelt.<br />

Typischerweise hat er eine enge wirtschaftliche Bedeutung.<br />

Unternehmen investieren in Personal, Technologie,<br />

Forschung und Entwicklung oder Gebäude. Diese Liste<br />

der Voraussetzungen für Geschäftserfolg offenbart einen<br />

blinden Fleck: der liberal-demokratische Staat mit fairem<br />

Justizsystem. Nur wenn Unternehmer nicht der Willkür<br />

au<strong>to</strong>kratischer Herrscher unterworfen sind, können sie<br />

stabile Erwartungen haben und vorausplanen. Unternehmen<br />

favorisieren einen zuverlässigen Handlungsrahmen.<br />

Aber zu wenige erkennen seinen Wert explizit an oder<br />

stärken ihn gar mit ihren Ressourcen. Erinnern wir uns<br />

an die langfristige Perspektive, die mit dem Begriff der<br />

Investition verbunden ist – und die er mit dem Begriff<br />

der <strong>Nachhaltig</strong>keit teilt. Ohne Investitionen gefährden<br />

Unternehmen ihre Langlebigkeit. Diese Einsicht gilt es zu<br />

erweitern – mit dem Konzept der politischen Investition.<br />

7. Unternehmen können durch einen Leitbildprozess zu<br />

politischen Marken werden<br />

Um CPR in die Praxis zu überführen, sollten Unternehmen<br />

eine politische Haltung entwickeln. Der entsprechende<br />

Prozess der Operationalisierung könnte „Political<br />

Branding“ genannt werden. Das bedeutet, zunächst die<br />

rudimentären politischen Elemente zu identifizieren,<br />

die einer Marke bereits innewohnen: Lobbying und<br />

Verbandsarbeit, politisch orientierte CSR-Maßnahmen,<br />

Kommunikation zu drängenden gesellschaftlichen<br />

Themen, öffentliche Äußerungen des CEO, Expertise in<br />

Public Affairs etc. In einem zweiten Schritt werden diese<br />

losen Elemente verdichtet und zu einem kohärenten<br />

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75


THEMEN | UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />

Ganzen geformt. So entsteht aus der (unstrukturierten)<br />

politischen Dimension der Marke eine politische Marke.<br />

In diesem Prozess des „Political Branding“ werden die<br />

relevanten Stärken eines Unternehmens in ein prägnantes<br />

Leitbild gegossen, das den gesellschaftspolitischen<br />

Mehrwert auf den Punkt bringt. Dieser Ansatz bietet<br />

innere und äußere Orientierung und ermöglicht es einer<br />

Marke, eine aktive Rolle im öffentlichen Raum zu spielen.<br />

8. Unternehmen können sich in mindestens vier<br />

CPR-Handlungsfeldern engagieren<br />

Für Unternehmen bieten sich vier CPR-Handlungsfelder<br />

an – hier sortiert nach zunehmendem Grad der Mitwirkung<br />

im öffentlichen Raum. CPR-Maßnahmen können in<br />

allen Stufen der Wertschöpfungskette ergriffen werden.<br />

1. Responsible Lobbying<br />

Fast jedes Unternehmen betreibt Lobbying. Es verantwortlich<br />

auszuüben, heißt, eigene Interessen und Expertisen<br />

transparent, klar und konsequent zu artikulieren.<br />

Damit können Unternehmen dem Lobbying seinen bisweilen<br />

zwielichtigen Charakter nehmen. Das gilt umso mehr,<br />

wenn sie ihre Partikularinteressen im Hinblick auf das<br />

Gemeinwohl prüfen und mögliche Zielkonflikte kritisch<br />

aushandeln. Dann fördert verantwortungsbewusstes<br />

Lobbying bessere regula<strong>to</strong>rische Entscheidungen, eine<br />

adäquate Versorgung mit öffentlichen Gütern und eine<br />

höhere Standortqualität.<br />

2. Positionierung über Themen und Dialoge<br />

Jedes große Unternehmen sollte über analytische Fähigkeiten<br />

zur Beurteilung politischer Chancen und Risiken<br />

verfügen. Einrichtungen wie Think Tanks oder CEO-Planungsstäbe<br />

könnten Unternehmen intern neue Ideen<br />

liefern und extern positionieren. Gerade in komplexen<br />

Dilemma-Situationen ist es von großer Bedeutung, dass<br />

Unternehmen ihre Entscheidungsprozesse gegenüber der<br />

Öffentlichkeit besser erklären. Dafür müssen sie eine enge<br />

technokratisch-wirtschaftliche Sichtweise überwinden und<br />

sich auf die Komplexität politischen Handelns einlassen.<br />

3. Projekte der politischen Partizipation<br />

Unternehmen sollten konkrete Projekte der politischen<br />

Partizipation initiieren oder unterstützen. Dies kann<br />

beispielsweise in Form von Community-Organizing geschehen,<br />

der Pflege der gesellschaftspolitischen Kultur<br />

an Unternehmens-Standorten. So könnten Unternehmen<br />

lokale Dialogplattformen fördern, auf denen gesellschaftliche<br />

Gruppen drängende politische Fragen mit Politikern<br />

diskutieren und Verbesserungsvorschläge erörtern.<br />

4. Bereitstellung öffentlicher Güter<br />

Unternehmen sollten dem Staat bei der Bereitstellung<br />

von Gemeingütern helfen. Im gesellschaftlichen wie im<br />

eigenen Interesse können sie ihre Ressourcen nutzen, um<br />

die Governance-Infrastruktur zu stärken. Denken wir an<br />

Betriebskindergärten. Diese fördern nicht nur die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie, sondern lindern auch ein<br />

sozialpolitisches Problem, mit dem viele Gemeinschaften<br />

konfrontiert sind. Weitere Beispiele sind Sportplätze oder<br />

Biblio<strong>the</strong>ken.<br />

Jenseits der vier Handlungsfelder kann sich jedes Unternehmen<br />

an übergeordneten Themen wie der Unterstützung<br />

der Demokratie oder der EU beteiligen. Ein exemplarischer<br />

Fall ist die vom ehemaligen Innogy-CEO Peter Terium<br />

gegründete Allianz „We4Europe“, in der sich Unternehmen<br />

wie die Deutsche Telekom, Lufthansa und die Deutsche<br />

Bank für ein offenes, vereintes und starkes Europa einsetzen.<br />

Dazu gehören Mitarbeitergespräche über die<br />

Bedeutung Europas für den Wohlstand – gewissermaßen<br />

eine Form der betrieblichen politischen Weiterbildung.<br />

9. Die UN-<strong>Nachhaltig</strong>keitsziele (SDG) ebnen den Weg<br />

für CPR<br />

Für die Praxis von CPR ist es hilfreich, zu sehen, wie das<br />

Konzept mit den UN-<strong>Nachhaltig</strong>keitszielen (SDG) zusammenhängt.<br />

Die SDG leiten die CSR-Aktivitäten vieler Unternehmen,<br />

was den Übergang zu CPR erleichtert. Wichtig ist<br />

dabei, den Blick nicht auf die sozialen und ökologischen<br />

Ziele zu beschränken, sondern auch die politischen zu sehen.<br />

So lautet Ziel Nummer 16: „Frieden, Gerechtigkeit und<br />

starke Institutionen“. Darunter fallen folgende Ansprüche:<br />

• Förderung der Rechtsstaatlichkeit<br />

• Reduzierung der Korruption<br />

• Entwicklung effektiver, rechenschaftspflichtiger und<br />

transparenter Institutionen<br />

• Gewährleistung einer partizipativen und<br />

repräsentativen Entscheidungsfindung<br />

• Schutz der Grundfreiheiten<br />

• Förderung diskriminierungsfreier Gesetze und<br />

Richtlinien.<br />

Diese politischen Güter sind nicht bloßer Dekor – sie<br />

sind die Bedingungen für geschäftlichen Erfolg. Dennoch<br />

bleibt „das Politische“ in der unternehmerischen Verantwortung<br />

unterbelichtet. Dass Unternehmen mehr politische<br />

Expertise aufbauen müssen, wird durch den neuen<br />

Fortschrittsbericht des UN Global Compact bestätigt. Die<br />

größte <strong>Nachhaltig</strong>keitsinitiative der Welt „identifiziert<br />

SDG 16 als eines der am wenigsten erfüllten Ziele mit nur<br />

22 Prozent an Unternehmen, die angeben, diesbezüglich<br />

Maßnahmen ergriffen zu haben“. Dementsprechend hat<br />

der Global Compact Ende September 2<strong>01</strong>8 eine neue<br />

Aktionsplattform ins Leben gerufen, um Ziel 16 zu fördern.<br />

10. Unternehmen sollen nicht den Primat des Politischen<br />

untergraben, sondern ihr Bürgerethos stärken<br />

Die letzte These adressiert eine berechtigte Sorge. Das<br />

CPR-Konzept wirft die Frage auf, inwiefern Unternehmen<br />

76 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

für politische Aktivitäten Legitimität beanspruchen können.<br />

Wirtschaftsvertreter werden nicht gewählt und sind<br />

der Bevölkerung daher weniger rechenschaftspflichtig als<br />

Politiker. Aufgrund der eingeschränkten demokratischen<br />

Legitimation von Unternehmen, die sich in verminderter<br />

Handhabe und Kontrolle durch die Bevölkerung äußert,<br />

muss der öffentlichen Gestaltungskompetenz von Unternehmen<br />

eine Grenze gezogen werden. Der Primat des<br />

Politischen muss unberührt bleiben. Ihn zu unterminieren,<br />

ist nicht die Absicht von CPR. Vielmehr appelliert<br />

es an Unternehmen, ihr Bürgerethos im Sinne eines<br />

Corporate Citizenship zu entwickeln und in öffentlichen<br />

Angelegenheiten ihre Stimme zu erheben. Dahinter steht<br />

auch das Bestreben, den implizit ohnehin ausgeübten öffentlichen<br />

Einfluss von Unternehmen explizit zu machen.<br />

Die Schlussfolgerung aus der Verflechtung von Wirtschaft<br />

und Politik kann realistischerweise nicht lauten: „Haltet<br />

die Wirtschaft aus der Politik heraus!“ Sondern: „Bindet<br />

die Wirtschaft sinnvoll in die Politik ein!“<br />

Fazit<br />

Der CSR-Ansatz ist kurzsichtig und zu wenig strategisch.<br />

„Das Soziale“ und „das Ökologische“ sind nur Facetten<br />

„des Politischen“. Denn auch der Einsatz für Mensch und<br />

Natur fällt letztlich in den Bereich von Governance und der<br />

Stärkung von Kollektivgütern. Perspektivisch ist CPR daher<br />

als Dachbegriff für Unternehmensverantwortung denkbar.<br />

Zunächst aber geht es bei CPR um das genuin Politische<br />

– die Pflege der öffentlichen Debatte und partizipative<br />

Projekte als Herzstück einer lebendigen Demokratie. Diese<br />

ist – wie auch Rechtsstaatlichkeit, die EU oder funktionierende<br />

Ordnungspolitik (wie beispielsweise in der sozialen<br />

Marktwirtschaft realisiert) – eine Triebfeder unseres wirtschaftlichen<br />

Erfolgs.<br />

Im aufgeklärten Eigeninteresse sollten Unternehmen solche<br />

politischen Leistungen entschlossener stärken und verteidigen.<br />

Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass sie<br />

nicht einfach gegeben sind – sie können umgekehrt werden.<br />

Auf den Punkt gebracht: CPR-Engagement für einen nachhaltigen<br />

öffentlichen Raum und eine umsichtige Politik ist<br />

ein Business Case.<br />

DR. JOHANNES BOHNEN<br />

ist geschäftsführender Gesellschafter von BOHNEN Public Affairs in<br />

Berlin. Davor war er u.a. Geschäftsführer von Scholz & Friends Berlin<br />

und Redenschreiber eines Bundesministers für Bildung, Forschung<br />

und Technologie. Außerdem gründete er vor 18 Jahren die gemeinnützige<br />

Atlantische Initiative (atlantic-community.org).<br />

Das Magazin für Zukunft und Politik<br />

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77


THEMEN | UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />

Fo<strong>to</strong>: © Moni Fellner<br />

78 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

DER RUFER VOM<br />

GOLDENEN BERG<br />

Andreas Reinisch ist „Sustainable Entrepreneur“ der ersten Stunde. Social Business, Eco-Business und<br />

privates Engagement sind für ihn eine Selbstverständlichkeit. Egal ob TRIGOS-Award oder Austrian Social<br />

Business Day – Reinisch war und ist mit von der Partie, seit neuestem ist er auch noch Hotelier. <strong>forum</strong><br />

fragte nach, woher dieses Engagement stammt.<br />

Von Fritz Lietsch<br />

Andreas Reinisch befasst<br />

sich seit dem Verkauf<br />

seines Unternehmens im<br />

Jahre 20<strong>01</strong> mit Corporate<br />

Social Responsibility<br />

(CSR) sowie ethisch-moralischen<br />

Fragestellungen<br />

in Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Spiritualität.<br />

Er ist Co-Initia<strong>to</strong>r diverser<br />

Projekte im Bereich<br />

nachhaltiges und soziales<br />

<strong>Wirtschaften</strong>. Seine neue<br />

Berufung hat er als Hotelier<br />

in der Südsteiermark<br />

gefunden.<br />

Herr Reinisch, wann und wie kamen Sie zu<br />

den Themen <strong>Nachhaltig</strong>keit und soziales<br />

Engagement?<br />

Vorerst freudigsten Dank für Ihre Einladung zu<br />

diesem Interview. Ja, als ich 20<strong>01</strong> im „zarten<br />

Alter von 37 Jahren“ aus meinem Unternehmen<br />

gfw-Gesellschaft für Werbemittelverteilung,<br />

nach erfolgreichem Verkauf an die<br />

niederländische Post, mit einem weinenden<br />

und einem lachenden Auge ausstieg, ging es<br />

richtig los. Im Unternehmen selbst hatten wir<br />

ein besonderes wertschätzendes Klima mit<br />

den Mitarbeitern (übrigens aus aller Herren<br />

Länder), beschäftigten einige Sozialbetriebe<br />

und unser größter Kunde war die Öko-Box.<br />

Zu meinem Unternehmensverkauf kamen<br />

zeitnah intensive Verlusterfahrungen. Es<br />

verstarben meine Großeltern, mein Vater,<br />

und ein Neffe hatte einen Verkehrsunfall.<br />

Ich verspürte enorme Kraft und Freiheit auf<br />

der einen Seite – war aber auf der anderen<br />

extrem hilflos.<br />

In dieser Zeit verstärkte sich mein Wunsch, zu<br />

helfen, für etwas da zu sein. Dabei bemerkte<br />

ich, dass Spenden zwar enorm wichtig sind,<br />

aber die „Hilfe zur Selbsthilfe“ die nachhaltigste<br />

Form der Unterstützung ist. In dieser<br />

Zeit entstanden ein Konzept zu einem „Social<br />

Award“, der Plan für ein Kinderhospiz und<br />

viele Ideen mehr und dabei verspürte ich<br />

einfach: Die Tür geht von innen auf…<br />

Bei einem MBA-Lehrgang lernte ich Christian<br />

Friesl, den gesellschaftspolitischen Leiter der<br />

Österreichischen Industriellenvereinigung<br />

kennen und mit ihm entstand 2004 der<br />

TRIGOS – Österreichs Auszeichnung für nachhaltiges<br />

<strong>Wirtschaften</strong>.<br />

Sie haben auch das OeNWE – Österreichisches<br />

Netzwerk Wirtschaftsethik mitbegründet.<br />

Wie entstand diese Lust auf Verantwortung<br />

und Ethik?<br />

Change – Bewusstseinsveränderung und<br />

Wertewandel finden unaufhaltsam statt.<br />

Rollen und Rollenverteilung beim <strong>Wirtschaften</strong><br />

werden neu definiert. Führungskräfte<br />

schärfen ihre „globale Linse“ für den Blick<br />

auf das große Ganze und werden zu Inspira<strong>to</strong>ren,<br />

Mitarbeiter zu Intrapreneuren,<br />

selbstbewussten Lebensunternehmern, die<br />

in Eigenverantwortung ihre Talente, Potenziale<br />

und Fähigkeiten ausleben. Mein Traum<br />

ist <strong>Wirtschaften</strong> in SELBSTverantwortung,<br />

denn dann entsteht eine SELBSTverständliche<br />

Unternehmenskultur für nachhaltigen<br />

sozialen, ökologischen sowie wirtschaftlichen<br />

Erfolg. Berater können solche Entwicklungsund<br />

Veränderungsprozesse auf diesem Weg<br />

zum neuen Unternehmertum, zur Lust an der<br />

Verantwortung, inspirieren und moderieren.<br />

Darum bin ich mit „reinisch-RESPONSibility“<br />

jetzt auch Unternehmensberater für CSR und<br />

nachhaltige Entwicklung.<br />

Was waren Ihre größten Hindernisse, was<br />

die schwersten Rückschläge?<br />

Danke für die Frage, hm... Ok, ich oute mich.<br />

Die Themen CSR, <strong>Nachhaltig</strong>keit und Wirtschaftsethik<br />

waren mir damals nicht genug.<br />

So habe ich 2004 zur Finanzierung des „WSF<br />

– World Spirit Forums“ in Arosa die „World<br />

Spirit Foundation“ mitbegründet. Das Forum<br />

war zeit- und ortsnah zum Davoser „World<br />

Economic Forum“ (WEF) und verstand sich<br />

als Tagungsplattform zum Austausch von<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

79


THEMEN | UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />

Nachdem der umtriebige Reinisch nun seinen Hauptsitz in die „Golden Hills“ der Südsteiermark verlegt hat, bleibt abzuwarten, welche neuen<br />

Ideen auch von hier aus entstehen werden.<br />

Wissen und Weisheit. Gleichzeitig entwickelte ich ebenfalls<br />

mit Partnern ein Finanzierungsprodukt für High Potentials,<br />

in der Humans.World AG und begründete eine eigene AG<br />

namens SpiritualFund Beteiligungs AG zur Finanzierung von<br />

Social Entrepreneuren. Diese Foundation und die beide AGs<br />

sollten das World Spirit Forum organisch finanzieren. Leider<br />

war dieses kostspielige Engagement eine Fehlinvestition und<br />

mit menschlichen Enttäuschungen verbunden. Eine große<br />

Lebensschule!<br />

Sie starteten trotzdem weitere Zukunftsinitiativen…<br />

Sie meinen vermutlich den Austrian Social Business Day. Dies<br />

war Österreichs Plattform für CSR-Kooperationen, Social Business<br />

und nachhaltige Innovation und fand drei Mal von 2009<br />

bis 2<strong>01</strong>1 in Wien statt. Ähnlich den CSR-Marktplätzen der<br />

Bertelsmann Stiftung organisierten wir im Künstlerhaus eine<br />

Messe und brachten Unternehmungen aus allen Wirtschaftsbereichen<br />

sowie Österreichs NPOs und die damals schon<br />

existierenden Social Entrepreneure auf einem Markplatz<br />

zusammen. Es entstanden großartige soziale, ökologische<br />

und vor allem auch wirtschaftliche Innovationen.<br />

Worauf sind Sie besonders s<strong>to</strong>lz?<br />

Das Mot<strong>to</strong> unseres Social Business Days war TUN DAS WIRKT!<br />

Ja und nach so vielen Jahren der vielen inspirierenden Begegnungen,<br />

der wert(e)vollen Gespräche, sehr prägender privater<br />

Erlebnisse, Loslass-Erfahrungen, Neuordnung im Herzen<br />

und auch der menschlichen Enttäuschungen zog es mich in<br />

die Südsteiermark… Hier bin ich besonders s<strong>to</strong>lz, mit meiner<br />

Frau Barbara ein kleines, feines Private Hideaway geschaffen<br />

zu haben. Eine heile Welt für ruhe- und natursuchende Gäste,<br />

die das Besondere lieben und Diskretion und Privatissimum<br />

suchen. Ein Rückzugsort für die Seele. Unsere Zielsetzung<br />

war es, Luxus neu und Exklusivität bewusst und nachhaltig<br />

zu interpretieren. Spiritualität ist für mich nicht das Leben in<br />

Askese, es ist das Leben in Fülle, aber nicht auf Kosten von<br />

Mensch und Umwelt, sondern im Einklang dessen.<br />

Wir haben uns auf Reisen die verschiedensten Hotelkonzepte<br />

angesehen und dabei herausgefiltert, was für uns selbst und<br />

damit auch für unsere Gäste Priorität hat. Darauf aufbauend<br />

haben wir einen Traum für ein neues, wie individuelles Erholungskonzept<br />

in die Realität umgesetzt, wo Luxus abseits klassischer<br />

Hotelstrukturen in nachhaltiger Erlebnisarchitektur<br />

mit wohligem Wie-Daheim-Gefühl zelebriert wird. Geboten<br />

wird als Resultat eine neue Symbiose aus 5-Sterne-Service<br />

und Herzens-Fak<strong>to</strong>ren mit Lebens- und Landlust, die den<br />

verstärkten Wunsch des Gastes nach Geborgenheit, privatem<br />

Rahmen und allen erdenklichen Annehmlichkeiten vereint.<br />

Wo findet da die <strong>Nachhaltig</strong>keit noch ihren Platz?<br />

Wir geben unser Bestes, <strong>Nachhaltig</strong>keit zu leben! Neben<br />

dem Erhalt alter Bausubstanz, sowie einer nachhaltigen<br />

Bauweise aus Holz, achten wir auch auf die Einbeziehung<br />

von sozialen und ökologischen Aspekten in allen Bereichen.<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit ist für uns nicht nur ein zentraler Bestandteil<br />

unserer Unternehmenskultur, sondern auch ein bewusster<br />

Lebensstil mit ganzheitlichem Wohlgefühl!<br />

Welches Engagement erwarten Sie von Menschen aus Ihrer<br />

Generation?<br />

Das Bewusstsein für eine neue Form des <strong>Wirtschaften</strong>s, die<br />

das Gesamtwohl von Mensch und Natur im Auge behält. Es<br />

geht mittlerweile um die Urenkelverantwortung…<br />

Was würden Sie im Rückblick auf Ihre Erlebnisse jungen<br />

Menschen heute empfehlen?<br />

Sei du selbst, weil andere gibt es schon genug! Jeder Mensch<br />

hat seine Lebensaufgabe auf diesem Planeten.<br />

Herr Reinisch, wir danken für das Gespräch und wünschen<br />

viel Erfolg.<br />

www.trigos.at | www.oenwe.com<br />

www.reinisch-RESPONSibility.com | www.golden-hill.at<br />

Fo<strong>to</strong>: © Arne Pas<strong>to</strong>or<br />

80 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

KLIMAWANDEL<br />

Jetzt ist er spürbar da!<br />

Der Klimawandel ist wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Im Interview erklären die<br />

B.A.U.M.-Vorstände Dieter Brübach und Martin Oldeland, warum das Thema aktueller denn je ist.<br />

Herr Oldeland, Herr Brübach, der Klimawandel ist mit<br />

#FridaysForFuture und Greta Thunberg in die öffentliche<br />

Diskussion zurückgekehrt. Ist das Thema wieder aktuell?<br />

Oldeland: Das Thema war immer aktuell – und in Fachkreisen<br />

hat die Debatte auch nie nachgelassen. So beeindruckend<br />

und notwendig ich den Protest der Schülerinnen und Schüler<br />

finde: Ich glaube, dass noch weitere Aspekte das neu<br />

erwachte öffentliche Interesse befördert haben. Da ist zum<br />

einen der heiße und besonders trockene Sommer, der den<br />

lange beschworenen Klimawandel für die Menschen fühlbar<br />

gemacht hat – auch wenn es zwischen Wetter und Klima<br />

einen wichtigen Unterschied gibt, wie Wissenschaftler ja<br />

immer wieder be<strong>to</strong>nen. Zum anderen nehmen die Menschen<br />

die Veränderungen in der Politik – z. B. in den USA<br />

und Brasilien – wahr, die zunehmende Abkehr vom Multilateralismus,<br />

wodurch die in Paris vereinbarten Ziele und<br />

weitere Abkommen in Gefahr geraten. Die Politik verspielt<br />

zunehmend das Vertrauen der Menschen in Bezug auf die<br />

Lösung der Klimaherausforderungen.<br />

Brübach: Das in Paris von der Weltgemeinschaft beschlossene<br />

und gefeierte Klimaschutzziel – den Temperaturanstieg weltweit<br />

auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen – wird zunehmend<br />

schwieriger zu erreichen sein. Auch Deutschland wird die noch<br />

2<strong>01</strong>7 seitens der Bundesregierung bekräftigten Klimaschutzziele<br />

für das Jahr 2020 krachend verfehlen – Ergebnis einer<br />

wenig ambitionierten und wenig wirksamen Klimapolitik.<br />

Was müsste die Politik tun?<br />

Brübach: Energiewende und Klimaschutz brauchen neuen<br />

Schwung. Bei der Energiewende hakt es. Weder beim<br />

Netzausbau noch beim erweiterten Einsatz erneuerbarer<br />

Energien geht es voran wie eigentlich nötig. Die steuerliche<br />

Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist immer<br />

noch nicht auf den Weg gebracht. Im Bereich Verkehr sind<br />

die CO 2<br />

-Emissionen seit 1990 sogar angestiegen. Elektroau<strong>to</strong>s<br />

sind weit von nennenswerten Zulassungszahlen entfernt<br />

und eine umfassende Verkehrswende nicht in Sicht. Ein<br />

Tempolimit auf Au<strong>to</strong>bahnen widerspricht angeblich dem<br />

gesunden Menschenverstand. So kann Klimaschutz nicht<br />

vorankommen!<br />

Zumindest der Kohleausstieg wird ja nun Realität…<br />

Oldeland: … aber schon mit Hintertür. Es war sicherlich eine<br />

gute Maßnahme, dass die Bundesregierung in der sog. Kohle-Kommission,<br />

die ja eigentlich „Wachstum, Strukturwandel<br />

und Beschäftigung“ im Titel trägt, alle Akteure an einen Tisch<br />

geholt hat. Nun muss sich zeigen, wie der ausgehandelte<br />

Kompromiss in politisches Handeln umgesetzt wird. Einzelne<br />

führende Politiker der Koalition sprechen aber schon<br />

von der Unverbindlichkeit der Fristen und dem Recht, diese<br />

ggf. anzupassen. Aus unserer Sicht sollte der Ausstieg eher<br />

früher als später erfolgen. Das Klimaschutzgesetz, das die<br />

Bundesregierung für 2<strong>01</strong>9 plant, muss nun schnell kommen<br />

und verbindliche Vorgaben machen.<br />

B.A.U.M. ist ein Unternehmensnetzwerk. Was bedeutet eine<br />

zu zaghafte Klimapolitik für die Wirtschaft?<br />

Oldeland: Die Chancen auf Innovation und wirtschaftliche<br />

Entwicklung könnten im Exportland Deutschland viel stärker<br />

genutzt werden. Andere Länder wie z. B. China übernehmen<br />

derzeit die technologische Führerschaft in wichtigen Segmenten<br />

der Umwelt- und Klimatechnologie. Der Bundesverband<br />

der Deutschen Industrie (BDI) verwies in seinem Positionspapier<br />

„Klimapfade für Deutschland“ auf Studien, wonach<br />

das Weltmarktvolumen der wichtigsten Klimatechnologien<br />

bis 2030 auf 1-2 Billionen Euro pro Jahr wachsen wird. Wir<br />

wissen nicht, ob Deutschland daran noch einen nennenswerten<br />

Anteil haben wird.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

81


GELDANLAGE<br />

MIT WEITSICHT<br />

DURCH IHRE INVESTITIONSENTSCHEIDUNGEN HABEN ANLEGER ES IN DER HAND, UNSER<br />

WIRTSCHAFTSSYSTEM ZUKUNFSFÄHIG ZU GESTALTEN. DER B.A.U.M. FAIR FUTURE FONDS<br />

Prof. Dr. Maximilian Gege, Gründungsmitglied und Vorsitzender von B.A.U.M. e.V, sowie Gründer der Green<br />

Growth Futura (GGF) und Initia<strong>to</strong>r des B.A.U.M. Fair Future Fonds.<br />

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass sich nachhaltige Aktienwerte besser oder<br />

mindestens gleich gut entwickeln wie Werte, die keine <strong>Nachhaltig</strong>keitsgesichtspunkte<br />

beachten. Bei nachhaltig orientierten Geldanlagen bedarf es langer Erfahrung<br />

und fachlicher Kompetenz, besonders aber klarer Konsequenz nicht nur<br />

in Bezug auf die Finanzwirtschaft, sondern auch beim <strong>Nachhaltig</strong>keitsmanagement.<br />

Unser Konzept will dazu beitragen, dass wesentlich mehr finanzielle Mittel<br />

als bisher in mittelständische Unternehmen mit klarer Zukunftsorientierung und<br />

nachhaltigen Geschäftsmodellen sowie ökonomischer Tragfähigkeit fließen. Erfahren<br />

Sie mehr unter www.greengrowthfutura.de<br />

82 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

präsentiert: Dienstleister für ein erfolgreiches CSR Engagement<br />

Was fordern die Unternehmen konkret?<br />

Brübach: Unternehmen erkennen zunehmend die Bedeutung<br />

des Klimaschutzes Green Office für & Produktion die Zukunft: nicht nur für die Gesellschaft,<br />

sondern auch für ihr eigenes Wohlergehen. Eine<br />

Ende 2<strong>01</strong>7 von B.A.U.M. e+m gemeinsam Holzprodukte mit GmbH der & Stiftung Co. KG 2° und<br />

Germanwatch initiierte<br />

Regensburger<br />

Unternehmenserklärung<br />

Straße 95<br />

zum Klimaschutz<br />

forderte mehr Energieeffizienz, Tel.: +49 (0)9181 / eine 29 75 wirksame 75 CO 2<br />

D - 92318 Neumarkt<br />

-Bepreisung,<br />

einen Ausstiegspfad info@em-holzprodukte.de<br />

bei der Kohleverstromung und<br />

den Einstieg in die Verkehrswende. www.em-holzprodukte.de Mehr als 50 namhafte<br />

große wie mittelständische Unternehmen – darunter viele<br />

e+m Holzprodukte produziert feine Schreibgeräte und ökologische<br />

B.A.U.M.-Mitglieder Werbe- und – Kundengeschenke haben diese Erklärung aus heimischen unterzeichnet. und<br />

FSC®-zertifizierten Das Echo in Politik Hölzern, und Medien Personalisierung auf diese durch Erklärung Druck oder war<br />

Lasergravur<br />

erfreulicherweise<br />

nach Kundenwunsch<br />

groß – sogar<br />

möglich.<br />

die Tagesschau berichtete.<br />

Oldeland: B.A.U.M. versteht sich auch als starke Stimme<br />

klima <strong>Nachhaltig</strong>e engagierter Unternehmen. Produktion & Daher Geschäftskooperation<br />

haben wir im Herbst<br />

2<strong>01</strong>8 die Plattform „Wirtschaft pro Klima“ neu aufgelegt.<br />

Partner ist das Deutsche Pure Klima Textile Konsortium Concept GmbH (DKK). Es finden<br />

hier Unternehmen zusammen, Heigenmooserstraße die sich für 4 Klimaschutz aussprechen<br />

und auch im Tel.: eigenen +49 (0)89 Unternehmen / 92 56 92 77 in Richtung<br />

D - 80686 München<br />

Klimaneutralität vorankommen contact@pure-textile-concept.com<br />

möchten. Von den gesammelten<br />

Bekenntnissen www.pure-textile-concept.com<br />

pro Klimaschutz soll ein starkes Signal<br />

aus der Wirtschaft an die Politik ausgehen. Gleichzeitig sollen<br />

Textile Produktentwicklung nachhaltig gedacht.<br />

Pure die klimaengagierten Textile Concept entwickelt Unternehmen und produziert vernetzt individuelle und durch textile Veranstaltungen,<br />

und Kollektionen Kommunikation zugeschnitten und Informations<strong>to</strong>ols auf Ihre Markenidentität dabei<br />

Maßgabe höchster ökologischer und sozialer Standards.<br />

Produkte<br />

unterstützt werden, Klimaneu tralität zu erreichen. Weitere<br />

Corporate Fashion – Lifestyleprodukte – Interior – Accessoires –<br />

individuelle interessierte Entwicklungen Unternehmen sind willkommen.<br />

Klimaneutralität: <strong>Nachhaltig</strong>keitsagenturen was heißt das für und die Beratung Unternehmen? / CSR<br />

Brübach: EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete hat im<br />

Rahmen der Weltklimakonferenz Ende 2<strong>01</strong>8 in Kat<strong>to</strong>witz eine<br />

Scholz & Friends Reputation<br />

Strategie vorgeschlagen, Litfaß-Platz wie Europa 1 als erste Volkswirtschaft<br />

der Welt bis 2050 klimaneutral D - 1<strong>01</strong>78 Berlin wird. Dieser Anspruch wird<br />

Tel.: +49 (0)30 / 70 <strong>01</strong> 86 - 840<br />

auch an die Privatwirtschaft gestellt und lässt sich durchaus<br />

reputation@s-f.com<br />

auch erreichen: durch www.s-f.com/reputation<br />

eine ständige Reduktion von Emissio-<br />

www.csr-berichte.de<br />

Wir unterstützen Unternehmen dabei, <strong>Nachhaltig</strong>keit und Verantwortung<br />

in die Geschäftstätigkeit zu integrieren und diese<br />

Leistungen glaubwürdig zu kommunizieren. Dies umfasst Strategieentwicklung,<br />

Reporting, <strong>Nachhaltig</strong>keitsmarketing, Stakeholder-<br />

und Lieferkettenmanagement.<br />

nen und durch Kompensationsleistungen für Emissionen, die<br />

zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vermeidbar sind. Dafür<br />

werden die nicht vermiedenen Emissionen erfasst und durch<br />

Unterstützung entsprechender Klimaschutzprojekte an andere<br />

Stelle eingespart. Das ist kein „Ablasshandel“, wie oft<br />

geschimpft wird, sondern durchaus zulässig. Klimawandel<br />

ist ein globales Problem und muss somit auch global gelöst<br />

werden: wo <strong>Nachhaltig</strong> die Emissionen gespart tagen werden, im Bergdorf<br />

ist letztendlich<br />

nicht relevant.<br />

Oldeland: Entscheidend ist aber, dass in die richtigen Klimaschutzprojekte<br />

investiert wird, denn die Projekte unterscheiden<br />

sich sehr in ihrem Anspruch und in ihrer Qualität. Es gibt<br />

Qualitätssiegel und Zertifizierungssysteme, die entsprechende<br />

Anforderungen sicherstellen. Aufgabe von B.A.U.M. ist es<br />

auch, die Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität<br />

und bei der Auswahl triple geeigneter innova GmbH Klimaschutzprojekte zu<br />

Hofaue 21<br />

unterstützen.<br />

D - 42103 Wuppertal<br />

Tel.: +49 (0)202 / 42 99 52 0<br />

Herr Oldeland, Herr Brübach, info@triple-innova.de haben Sie vielen Dank für<br />

das Gespräch.<br />

www.triple-innova.de<br />

www.congressalpbach.com<br />

Green Meeting<br />

Wir machen Sie fit und lotsen Sie sicher durch: Wesentlichkeit<br />

(„Materiality“), d. h. Fokus auf Ihre wichtigsten Themen / CSR-<br />

Berichtspflicht / Deutscher <strong>Nachhaltig</strong>keitskodex (DNK) / Global<br />

Reporting Initiative (GRI), z. B. persönliches GRI-Zertifikat zum aktuellen<br />

GRI-Standard. Unser Plus: Expertise und echte Praxis in<br />

unterschiedlichen Branchen.<br />

DIETER Zertifizierungen<br />

BRÜBACH und MARTIN OLDELAND<br />

sind Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands des Bundesdeutschen<br />

Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.)<br />

e.V. Diese erste überparteiliche eco-INSTITUT Umweltinitiative Germany GmbH der Wirtschaft<br />

wurde 1984 gegründet und Schanzenstraße ist heute mit 6-20 über 500 Mitgliedsunternehmen<br />

europaweit das<br />

Carlswerk<br />

größte Netzwerk<br />

1.19<br />

für nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong>.<br />

B.A.U.M. unterstützt<br />

D - 51063<br />

seine<br />

Köln<br />

Mitglieder in Fragen des unternehmerischen<br />

Umweltschutzes und nachhaltigen <strong>Wirtschaften</strong>s. Der<br />

Tel.: +49 (0)221 / 931 245 22<br />

info@eco-institut.de<br />

Schwerpunkt liegt auf praxisorientiertem<br />

www.eco-institut.de<br />

Erfahrungsaustausch und<br />

Service. www.baumev.de<br />

www.eco-institut-label.de<br />

| www.wirtschaft-pro-klima.de<br />

Seit 30 Jahren führender Anbieter für Emissions- und Schads<strong>to</strong>ffmessungen<br />

von Produkten nach nationalen und internationalen<br />

Vorgaben. Akkreditierte Prüfstelle nach DIN EN ISO/IEC 17025.<br />

Besonders wohngesunde Produkte können mit dem international<br />

anerkannten eco-INSTITUT-Label ausgezeichnet werden.<br />

Produkte für den Innenraum ausgezeichnet.<br />

Ostafrika<br />

erleuchtet.<br />

Die Zukunft beginnt<br />

heute. Wie sie aussehen<br />

wird, liegt an uns.<br />

myclimate.org / zukunft<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

83


So sieht Zukunft aus: Die eigene Arbeit mit WOL sichtbar machen, sich zielgerichtet vernetzen und mit- und voneinander lernen. Internationale<br />

Beteiligung und Diversität sind zentrale Bausteine bei WOL Circles. Die Treffen finden sowohl persönlich als auch virtuell statt.<br />

„WORKING OUT LOUD“<br />

Fit für den digitalen Wandel<br />

Von Katharina Krentz und Bernhard Schwager<br />

Rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit verbringen Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer in Deutschland mit Austausch<br />

und Zusammenarbeit, zunehmend in virtuellen Netzwerken.<br />

Doch für eine effiziente Zusammenarbeit müssen technische,<br />

organisa<strong>to</strong>rische und kulturelle Rahmenbedingungen<br />

stimmen. Andernfalls sind Mitarbeitende frustriert, steigen<br />

Burnout-Risiken und die Produktivität kann leiden.<br />

Virtuelle Expertennetzwerke<br />

Das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen Bosch<br />

entwickelt Produkte und Dienstleistungen für die vernetzte<br />

Welt, beispielsweise die Smart City. Dazu ist die Zusammenarbeit<br />

über Bereichs- und Unternehmensgrenzen, der Austausch<br />

von Wissen sowie der Zugang zu Institutionen und<br />

Personen, zu denen man bisher keinen Kontakt hatte, erforderlich.<br />

Kurzum: In einer vernetzten Welt ist ein Schlüssel<br />

zum Erfolg eine agile Arbeitsorganisation mit aktiven Expertennetzwerken,<br />

in denen sich Kollegen gegenseitig beraten,<br />

unterstützen und voneinander lernen. Um das Potenzial<br />

der vernetzten Zusammenarbeit zu erschließen, benötigen<br />

die Mitarbeitenden nicht nur die entsprechenden Fähigkeiten,<br />

sondern auch eine moderne technische Ausstattung.<br />

Daher hat Bosch 800 Millionen Euro in IT-Lösungen für den<br />

Arbeitsplatz der Zukunft investiert. Um die abteilungs- und<br />

geschäftsbereichsübergreifende Kommunikation zwischen<br />

Mitarbeitenden zu fördern und zu erleichtern, haben alle<br />

Mitarbeitenden weltweit Zugriff auf „Bosch Connect“,<br />

eine unternehmensinterne Social Business Plattform. Hier<br />

kann jeder <strong>the</strong>menbasierte Communities erstellen, um mit<br />

Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt zu diskutieren,<br />

gemeinsam Inhalte zu erstellen, Events zu organisieren,<br />

Informationen zu verteilen – kurzum: um effektiv<br />

zusammen zuarbeiten. Außerdem nutzt Bosch als eines der<br />

ersten Großunternehmen weltweit das Working Out Loud<br />

(WOL) Circle-Programm, um Mitarbeitende zu vernetzen<br />

und ihre Fähigkeiten zur digitalen Zusammenarbeit weiterzuentwickeln.<br />

Grundprinzipien von WOL<br />

„Working Out Loud“ bedeutet so viel wie „mache deine<br />

Arbeit sichtbar und teile dein Wissen und deine Erfahrungen“.<br />

WOL ist ein Peer Coaching Programm, bei dem die<br />

Teilnehmenden in sogenannten WOL Circles, die aus vier<br />

bis fünf Mitarbeitenden bestehen, über zwölf Wochen ein<br />

selbst gewähltes Ziel erreichen und dabei gemeinsam diverse<br />

Aufgaben lösen. WOL ist in den Arbeitsalltag integriert,<br />

denn vernetzt zu arbeiten, wird am besten erlernt, indem<br />

man es tut.<br />

Während des Programms bauen die Mitarbeitenden gezielt<br />

ein persönliches Expertennetzwerk auf und nutzen sowohl<br />

externe Social-Media-Kanäle als auch „Bosch Connect“.<br />

Sich zu vernetzen bedeutet aber nicht, wahllos Kontakte<br />

zu sammeln, sondern eine zielgerichtete Vernetzung mit<br />

Experten und stabile Beziehungen aufzubauen, die bei spezifischen<br />

Fragestellungen unterstützen. WOL unterstützt mit<br />

einer Reihe praktischer Techniken, um die Anforderungen<br />

Fo<strong>to</strong>s: © BOSCH<br />

84 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

im Alltag geeignet umzusetzen. Gleichzeitig verinnerlichen<br />

die Teilnehmer neue Verhaltensweisen wie beispielsweise<br />

Wissen zu teilen, Feedback zu geben, aber auch Feedback für<br />

die eigene Arbeit zu nutzen. So entwickeln und verbessern<br />

die Mitarbeitenden ihre Fähigkeiten zur Zusammenarbeit<br />

und zum selbstbestimmten Lernen. Working Out Loud wird<br />

damit zu einer Schlüsselqualifikation in einer vernetzten<br />

Arbeitswelt und fördert außerdem die Arbeitseffizienz, das<br />

Zusammengehörigkeitsgefühl und auch die Innovationsorientierung<br />

der Mitarbeitenden, wie die Deutsche Social<br />

Collaboration Studie 2<strong>01</strong>7 zeigt.<br />

Die fünf Kernelemente von Working Out Loud nach John<br />

Stepper sind:<br />

• Beziehungen (Relationships): nachhaltige Beziehungen<br />

aufbauen, die helfen und Mehrwert stiften. Allerdings<br />

nicht nach dem klassischen Networking-Prinzip („Eine<br />

Hand wäscht die andere“), sondern in dem Sinne, dass man<br />

selbst sinnvoll zu etwas beiträgt, damit auch im gesamten<br />

Netzwerk ein Mehrwert aus der Beziehung entsteht.<br />

• Sichtbare Arbeit (Visible Work): die eigene Arbeit sichtbar<br />

machen, aber in einer Art und Weise, dass sie als wertvoller<br />

Beitrag für das Netzwerk dient und nicht der reinen<br />

Selbstdarstellung.<br />

• Großzügigkeit (Generosity): Wissen teilen, aber nicht um eine<br />

Gegenleistung zu erwarten, sondern um etwas Konstruktives<br />

beizutragen und damit das Netzwerk nachhaltig zu stärken.<br />

• Wachstumsorientiertes Denken (Growth Mindset): Die<br />

Welt ist voller Möglichkeiten! Bei WOL geht es darum,<br />

immer offen und neugierig an die Dinge heranzugehen<br />

und so die vielfältigen Möglichkeiten zu entdecken, die<br />

uns dem Ziel näherbringen.<br />

• Zielgerichtetes Entdecken (Purposeful Discovery): Dadurch,<br />

dass ein individuelles Ziel gewählt wird, richtet man seine<br />

Aktivitäten gezielt darauf aus: Welche Ressourcen benötige<br />

ich? Wie und was kann ich beitragen, um dem Ziel näherzukommen<br />

und etwas dabei zu lernen?<br />

Erfahrungen bei Bosch mit WOL<br />

Bosch befindet sich – wie andere Unternehmen auch – in<br />

einem Transformationsprozess. Der digitale Wandel verändert<br />

nicht nur Märkte, sondern auch die Arbeitswelt. Es ist daher<br />

wichtig, dass sich die Mitarbeitenden mit ihren Ideen und ihrer<br />

Expertise einbringen – unabhängig von Hierarchie, Funktion<br />

oder Kultur. WOL unterstützt eine Lernkultur, die heute für<br />

den Wandel benötigt wird, und passt gut zu den neuen Führungs-<br />

und Zusammenarbeitsgrundsätzen „We LEAD Bosch“.<br />

Das Stuttgarter Unternehmen entwickelte WOL gemeinsam<br />

mit seinem Erfinder John Stepper weiter und startete bereits<br />

2<strong>01</strong>5 die ersten WOL Circles. Mittlerweile haben bereits<br />

mehr als 2.000 Bosch-Mitarbeitende aus über 52 Ländern<br />

teilgenommen; aktuell startet der 570ste Circle Stand<br />

Januar 2<strong>01</strong>9). Gemeinsam mit anderen Unternehmen hat<br />

Bosch zudem die WOL Community of Practice (WOL CoP)<br />

ins Leben gerufen, um die Methode weiterzuentwickeln und<br />

möglichst vielen Unternehmen zugänglich zu machen. Dafür<br />

erhielten das Unternehmen und die WOL CoP-Mitglieder<br />

den deutschen HR Excellence Award 2<strong>01</strong>7 in der Kategorie<br />

„Mitarbeiterengagement und Collaboration“.<br />

Hinweis: Weitere Anregungen aus Praxis und Wissenschaft<br />

finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2<strong>01</strong>9 – New Work.<br />

KATHARINA KRENTZ<br />

seit 2005 bei Bosch, konzentriert sich seit 2<strong>01</strong>2 auf das Thema New<br />

Work mit Fokus auf virtuelle Zusammenarbeit, Mitarbeitervernetzung,<br />

Digital Collaboration Plattform und kulturellen Wandel.<br />

Sie ist unter anderem als Chief Corporate Community Manager und<br />

Working Out Loud Initia<strong>to</strong>r unterwegs und unterstützt die Unternehmensgruppe<br />

weltweit in der Digitalen Transformation.<br />

BERNHARD SCHWAGER<br />

ist Leiter der Geschäftsstelle <strong>Nachhaltig</strong>keit. In dieser Funktion ist er<br />

Ansprechpartner für die diversen Stakeholder und treibt <strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>the</strong>men<br />

voran. Dazu vertritt er das Unternehmen in nationalen<br />

und internationalen Organisationen und ist Au<strong>to</strong>r beziehungsweise<br />

Mitau<strong>to</strong>r verschiedener Bücher und Artikel.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

85


86 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

EIN BLICK INS<br />

JAHR 2028<br />

Human Ressources<br />

im digitalen Zeitalter<br />

Von Dr. Reza Moussavian und<br />

Elisa Binzberger, Deutsche Telekom AG<br />

Es ist das Jahr 2028, das erste Jahr nach der großen und<br />

kontroversen Diskussion, ob und wie weit sich Menschen<br />

über Bio-Hacking und andere Technologien selbst „upgraden“<br />

dürfen. Entgegen einer breiten Offensive von Arbeitnehmerverbänden<br />

und Gewerkschaften dürfen Unternehmen bei<br />

signifikant höherer Qualifikation Menschen mit Sensor-Implantaten,<br />

Daten-Kontaktlinsen, neuronalen Mini-Robotern<br />

und KI-Agenten, die mit dem Bewusstsein gekoppelt sind,<br />

„einfachen“ Menschen vorziehen.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Stefano Capra, 123RF<br />

Wo ist die Grenze zwischen Mensch und Computer? Mit wie viel<br />

Technik darf sich ein Mensch mit Bio-Hacking und anderen Technologien<br />

selbst „upgraden“? Wir stehen unmittelbar vor diesen Fragen<br />

und erste Cyborgs demonstrieren bereits ihre digital optimierten<br />

Fähigkeiten – z.B. durch Implantate.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

87


THEMEN | UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />

Zweiklassengesellschaft?<br />

Während die USA, die BRICS-Länder1 und technologie-affine<br />

asiatische Nationen wie Korea oder Japan sowie Großbritannien<br />

und Australien das Bio-Hacking und damit die faktische<br />

Schaffung einer mit Technologie verschmolzenen Humanbevölkerung<br />

aktiv fördern, zeigt sich die deutsche Öffentlichkeit<br />

skeptisch. Ein EU-weites Referendum zur selbstbestimmten<br />

Nutzung des Bio-Hacking erhielt 2027 nach monatelangen<br />

Querelen eine hauchdünne Mehrheit. Bei den Gegnern<br />

überwog die Angst vor einer Zweiklassengesellschaft und Diskriminierung<br />

jener, die aus ethischen oder wirtschaftlichen<br />

Gründen kein Upgrade bekommen. Außerdem befürchteten<br />

die Gegner einen Rückfall im globalen Wettbewerb, wenn<br />

die Technologie ges<strong>to</strong>ppt würde.<br />

Zwar sind die EU-Staaten seit dem Referendum bemüht,<br />

analog zu staatlicher Bildung und Gesundheitsvorsorge flächendeckende<br />

Konzepte für das Bio-Hacking einzuführen,<br />

doch wer es sich leisten kann, sucht zum Upgrade private<br />

Anbieter auf, die mit ihren Sensor-, Daten- und Kommunikationstechnologien<br />

den staatlichen Förderprogrammen<br />

deutlich überlegen sind. In der Tat gab es seit dem Inkrafttreten<br />

des Gesetzes weniger Firmeninsolvenzen als in den<br />

Vorjahren und erstmals seit drei Jahren wurde wieder ein<br />

Außenhandelsplus der EU erzielt.<br />

HR wird zum „Human Connec<strong>to</strong>r“<br />

Der neue Arbeitsmarkt, in dem unter anderem upgegradete<br />

Menschen (Cyborgs) und Künstliche Intelligenz eine Rolle<br />

spielen, erfordert ganz neue Konzepte für eine Personalfunktion.<br />

Neben dem noch neu zu regelnden Arbeitsrecht ist<br />

Human Ressources (HR) in der Unternehmenskultur gefordert.<br />

Erfolgreich sind die Unternehmen, welche die Diversität<br />

von Menschen untereinander begleiten und mitgestalten, im<br />

Austausch mit modernster, de fac<strong>to</strong> souveräner Technologie.<br />

Die Organisationsform des digitalen Cyborg-Zeitalters ist das<br />

Netzwerk, und die Rolle der HR ist primär die des Human<br />

Connec<strong>to</strong>rs (HC).<br />

Der Arbeitsalltag in einer HC-Abteilung im Jahr 2028<br />

könnte so aussehen<br />

Fiona: Guten Morgen, äh… Philip? Wie kann ich Ihnen helfen?<br />

Bitte entschuldigen Sie meine altertümliche Frage, aber ich<br />

habe keine Daten und Prediction zu Ihrem Anruf vorliegen.<br />

Mein Name ist Fiona, meine ID ist einfach.vernetzen.sinn.<br />

Philip: Hi, Fiona, hier spricht Philip, meine ID lautet berge.<br />

kabel.vene. Ich bin noch neu im Netzwerk und habe noch<br />

keinen Bio-Sensor, daher keine Daten und Predictive Analytics<br />

zu meinem Anruf. Ich habe vorletzte Woche neu angefangen<br />

und hatte letzte Woche meine Einführungstage.<br />

Danke nochmals für dieses großartige Event.<br />

Fiona: Was hat dir denn besonders gefallen?<br />

Philip: Sehr spannend war der Mensch-Maschine-Konflikt-Workshop.<br />

Da ich vor dem Netzwerk in einem cy-free<br />

Unternehmen gearbeitet habe, kannte ich die enge Zusammenarbeit<br />

mit Maschinen noch nicht so gut. Ich habe das<br />

Gefühl, dass ich nun für die Interaktionen gut gewappnet<br />

bin, habe mit meinem Maschinen-Men<strong>to</strong>r auch schon viele<br />

gute Gespräche geführt.<br />

Fiona: Schön zu hören. Für viele, die noch aus älteren Strukturen<br />

kommen, ist das Thema Mensch-Maschine-Interaktion<br />

neu. Aber viele sagen bereits nach einigen Wochen, dass<br />

sie den Unterschied in der Kommunikation gar nicht mehr<br />

merken. Wir sind technisch sehr weit im Netzwerk und<br />

daher klappt das ganz gut.<br />

Philip: Ja, das stimmt. Warum ich aber eigentlich anrufe,<br />

Fiona: Ich habe da ein paar Punkte, zunächst mal eine<br />

Frage. Gibt es über das Netzwerk die Möglichkeit, ein<br />

Upgrade zu erhalten? Ich bin wegen meines Alters im<br />

staatlichen Programm dafür erst in drei Jahren vorgesehen,<br />

aber es gibt da auch Wege über die betriebliche<br />

Weiterbildung, oder?<br />

Fiona: Das ist im Prinzip richtig; wir wollen ja, dass alle vom<br />

Netzwerk profitieren und umgekehrt das Netzwerk auch<br />

von dir. Es gibt da aber klare Regelungen und einen Netzwerk-Verhaltens-Kodex.<br />

Das bedeutet, dass du erst einmal<br />

alle Vor- und Nachteile kennenlernen und bewerten sollst.<br />

Hierfür haben wir als HC-Abteilung einen Fahrplan entwickelt.<br />

Bei den Netzwerkern, die einen vergleichbaren<br />

Kontext wie du haben, dauert das in der Regel 38 Tage.<br />

Die Annahmequote liegt aktuell bei 94 Prozent.<br />

Philip: Vielen Dank. Dann hätte ich noch ein anderes Thema:<br />

Ich habe zwei Projekte von draußen mitgebracht und sie<br />

im Projekt-Marktplatz gepostet. Es haben sich viele Leute<br />

gemeldet und ich habe vom Tool best-fit Kandidaten empfohlen<br />

bekommen. Bis auf eine Stelle habe ich bereits alle<br />

Rollen im Projekt über das Tool vergeben können. Nun geht<br />

es um diese letzte Stelle: Ich kenne jemanden, der dafür<br />

sehr geeignet wäre, aber er ist noch nicht im Netzwerk.<br />

Und er hat sein öffentliches Profil lange nicht mehr gepflegt,<br />

so dass unser Tool dort kein Alternativ-Score bilden<br />

konnte. Kann ich ihn dennoch nominieren?<br />

Fiona: Natürlich, wir nehmen gerne neue Leute ins Netzwerk<br />

auf. Wir könnten dieses Projekt für den Kollegen<br />

als Eintrittsprojekt gestalten. Wir sind ja ein dateninformiertes<br />

Netzwerk, das heißt, wir wollen gerade kritische<br />

Personalentscheidungen auf Basis von Daten treffen.<br />

Aber wir vertreten auch den Grundsatz, dass mehr Daten<br />

zu mehr Unwissenheit führen. Was heißen soll, dass der<br />

Projektleiter letztlich die Verantwortung für seine Personalpolitik<br />

trägt.<br />

Philip: Fiona, gibt es eigentlich eine Obergrenze für die Anzahl<br />

der Teilnehmer im Netzwerk?<br />

Fiona: Diese Frage bekomme ich oft! Wie Du im Mensch-Maschine-Workshop<br />

vielleicht mitbekommen hast, zeichnet<br />

sich die Mensch-Mensch-, mehr aber noch die<br />

Mensch-Maschine-Beziehung dadurch aus, dass sie flexibel<br />

und in Bezug auf Zusammenarbeit skalierbar ist. Das<br />

heißt, wir können uns auf neue Geschäftsmodelle, neue<br />

KI-Formen oder Strategien anderer Wettbewerber flexibel<br />

einstellen, und so lange wir wachsen, können wir quasi<br />

88 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />

endlos das Netzwerk erweitern. Damit das funktioniert,<br />

wurde die Verantwortung für das Thema Zusammenarbeit<br />

gebündelt und an HC übergeben.<br />

Philip: Spannend, was ihr bei HC so alles macht! Was gehört<br />

denn alles zu den Aufgaben der Human-Connec<strong>to</strong>rs-Abteilung?<br />

Fiona: Gute Frage. Du findest einige Informationen dazu in<br />

deinem VR-Einführungspackage in der 4. Folge. Aber ganz<br />

kurz zusammengefasst: Die Menschen und Maschinen bei<br />

HC sind – wie der Name schon sagt – vor allem für Themen<br />

rund um Interaktion, Vernetzung und natürlich vor allem<br />

für die Menschen da. Darum beschäftigen wir uns an<br />

erster Stelle mit Coaching. Jeder im Netzwerk kann jederzeit<br />

Coaching-Angebote in Anspruch nehmen. Ein Coach<br />

ist auf das Thema Purpose spezialisiert; damit wollen wir<br />

sichergehen, dass jeder Netzwerker auch findet, was er<br />

für seinen Purpose hält.<br />

Die zweite große Aufgabe ist für uns das Leiten und Prägen<br />

unseres „Ökosystems“. Wir veranstalten viele Formate,<br />

die dem Netzwerk guttun, sei es, um die Kollegen besser<br />

zu vernetzen, mit ihnen neue Fertigkeiten zu entwickeln<br />

und Informationen und Best Practices aus dem Business<br />

zu teilen.<br />

Und schließlich Organisationsentwicklung: Wir hinterfragen<br />

kontinuierlich, ob die gegenwärtige Struktur immer<br />

noch die richtige ist, für das, was wir erreichen wollen.<br />

Wir führen aufwändige Analysen durch, um zu schauen,<br />

welche IT passt, welches Organisationsdesign für den<br />

Organisationszweck geeignet ist und wie zufrieden die<br />

Netzwerker damit sind. Die Wirksamkeit der IT und des<br />

Organisationsmodells hat für uns oberste Priorität – alles,<br />

was hier den Test nicht besteht, wird abgeschafft.<br />

Du wirst sehen, Philip, wir sind in einer kontinuierlichen<br />

Transformationsphase – nur anders als früher in Unter-<br />

nehmen ist das bei uns nichts Negatives. Eigentlich wird es<br />

immer besser, weil wir Barrieren, die euch bei der Arbeit<br />

behindern – sei es IT oder Organisa<strong>to</strong>risches – aus dem<br />

Weg räumen. Das vielleicht als erste Antwort. Aber schaue<br />

dir gern noch die HC-Folge auf deiner VR-Brille an.<br />

Philip: Super, vielen Dank, Fiona, das war ein wirklich informatives<br />

und angenehmes Gespräch.<br />

Fiona: Sehr gerne, Philip.<br />

Philip: Bist du eigentlich eine Maschine oder ein Mensch?<br />

Fiona: Ich bin eine Frau, also Mensch.<br />

Philip: Entschuldige bitte, das war jetzt vielleicht etwas zu<br />

intim… (lacht)!<br />

Fiona: Alles gut (lacht). Bei HC gibt es auch Maschinen im<br />

Interaction Service. Die identifizieren sich am Anfang<br />

aber auch als solche. Und unsere Netzwerkregeln sehen<br />

vor, dass die Maschinen keine menschlichen Emotionen<br />

nachahmen, wie Lachen beispielsweise, und sich eher auf<br />

Prozessfragen konzentrieren.<br />

Philip: Verstanden – echt spannend bei euch. Aber ich glaube,<br />

auch nächstes Mal werde ich nach Fiona mit der ID einfach.<br />

vernetzen.sinn fragen ...<br />

DR. REZA MOUSSAVIAN<br />

ist SVP HR Digital & Innovation bei der Deutschen Telekom. Sein Auftrag<br />

ist, die Digitalisierung von HR voranzutreiben sowie übergreifend<br />

die (digitale) Zusammenarbeit und Innovationsfähigkeit im Konzern<br />

zu verbessern. Davor hat er bei PWC, IBM und Detecon Zentral- und<br />

Ost-Europa, Mittlerer Osten, Asien und Afrika Internationalisierung<br />

und Aufbau neuer Geschäftsfelder begleitet.<br />

ELISA BINZBERGER<br />

arbeitet im Bereich HR Digital & Innovation bei der Deutschen<br />

Telekom. Sie entwickelt Weiterbildungsformate für Führungskräfte<br />

und Mitarbeiter zur Unterstützung der digitalen und agilen Transformation<br />

und leitet bereichsintern die interne Kommunikation und<br />

den Think Tank.<br />

CSR-Management<br />

digital gestalten.<br />

Quentic ist die Software-Lösung, die alle Akteure, Aufgaben<br />

und Informationen aus HSE und CSR ganzheitlich verbindet.<br />

Dies vereinfacht das Vorgehen für alle Beteiligten enorm.<br />

Profitieren Sie von einem flexiblen System, das für mehr<br />

Austausch, Transparenz und Compliance sorgt.<br />

Webinare, Videos und Demo:<br />

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www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

89


THEMEN | VISIONEN, AKTIONEN, INNOVATIONEN<br />

Agrarforstwirtschaft stärkt Kleinbauern: Der „Waldmacher“ Tony Rinaudo wurde vergangenes Jahr mit dem Alternativen Nobelpreis<br />

ausgezeichnet.<br />

INNOVATION TRIFFT NACH-<br />

HALTIGE LANDWIRTSCHAFT<br />

Wie durch Online-Plattformen, Produzentengenossenschaften und Agrarforstwirtschaft Nahrungssicherheit<br />

und Empowerment von KleinbäuerInnen im globalen Süden erreicht werden kann.<br />

Von Ingrid Heindorf<br />

90 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


Fo<strong>to</strong>: © Suzy Sainovski<br />

Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts werden voraussichtlich<br />

mehr als 9 Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben,<br />

die meisten von ihnen im globalen Süden. Um all diese<br />

Menschen zu ernähren, sagt die Welternährungsorganisation,<br />

müssen bis zu 60 Prozent zusätzliche Nahrungsmittel<br />

zur Verfügung stehen. Jedoch wenn wir nur die Erträge<br />

steigern, mit den bisherigen „konventionellen“ Methoden,<br />

bedeutet dies, dass sich die schon jetzt gravierenden Folgen<br />

für Mensch, Umwelt und Klima weiter verschlimmern. Ein<br />

„Mehr vom Alten“ wird also nicht helfen. Wir müssen die Art,<br />

wie wir Lebensmittel anbauen, radikal ändern. Nur so kann<br />

es uns – laut Weltagrarbericht – gelingen, eine wachsende<br />

Weltbevölkerung in Zeiten des Klimawandels zu ernähren<br />

und den sozialen und ökologischen Kollaps zu vermeiden.<br />

Fast 80 Prozent der Armen leben nach Angaben der FAO in<br />

ländlichen Gebieten, viele von ihnen sind Kleinbäuerinnen<br />

und Kleinbauern auf weltweit rund 500 Millionen Bauernhöfen.<br />

Ihnen müssen die richtigen Werkzeuge zur Verfügung<br />

stehen, ihr Land so zu bewirtschaften, dass Ertrag und Verdienst<br />

für die Familien stimmen und das Land nachhaltig<br />

fruchtbar bleibt. Genau dafür steht Agrarökologie.<br />

Nachdem der World Future Council vergangenen Herbst auf<br />

politischer Ebene die besten agrarökologischen Gesetze mit<br />

dem „Polit-Oscar“ Future Policy Award prämierte, ging dieser<br />

nun zusammen mit dem Start-up TAGS (Technology for<br />

Agroecology in <strong>the</strong> Global South) auf Schatzsuche: Mit der<br />

Auszeichnung „Outstanding Practices in Agroecology 2<strong>01</strong>9“<br />

wurden am 18. Januar die besten Praxisbeispiele geehrt, die<br />

Kleinbetriebe stärken sowie nachhaltige Ernährungssysteme<br />

und widerstandsfähige landwirtschaftliche Praktiken fördern.<br />

Die fünfzehn ausgezeichneten Praxisbeispiele aus Afrika, Asien<br />

und Südamerika tragen dazu bei, die Bodenqualität schrittweise<br />

zu verbessern und die Anpassungsfähigkeit an den<br />

Klimawandel zu erhöhen. Die ausgezeichneten Praxisbeispiele<br />

stammen alle aus dem globalen Süden und leisten vor allem<br />

eines: Sie schaffen Innovation in der Landwirtschaft dort, wo<br />

sie gebraucht wird und sind somit spezifisch an die Bedürfnisse<br />

von Mensch, Natur und Wirtschaft vor Ort angepasst.<br />

Valerie von Koerber und Samuel Wagner, Gründer des Startups<br />

TAGS, sehen in der Kombination aus Innovation und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit großes Potenzial: „Innovation entsteht dann,<br />

wenn Menschen, die ihre Herausforderungen angehen, über<br />

den Tellerrand schauen“, so die beiden bei der Verkündung<br />

Mitte Januar. „Die Praxisbeispiele zeigen auf beeindruckende<br />

Weise, wie ganzheitliche, innovative Ansätze Landwirtschaft<br />

zu einem Schlüsselelement für die Bekämpfung von Hunger,<br />

Armut, Klimawandel und Artenrückgang machen.”<br />

Ein spannender Ansatz, Bioprodukte direkt vom Erzeuger<br />

an Verbraucher zu vertreiben, stammt aus Benin. Hier hat<br />

sich das Greentech-Unternehmen „Premium Hortus“ auf<br />

E-Commerce von lokalen agrarökologisch und biologisch produzierten<br />

Lebensmitteln spezialisiert. Auf der Online-Plattform<br />

können Kunden per Abo günstige Biolebensmittel<br />

erwerben. Auf der Erzeuger-Seite bietet „Premium Hortus“<br />

Fortbildungen für seine Produzenten an, wodurch die Kleinbäuerinnen<br />

und Kleinbauern nicht nur Ernteverluste um die<br />

Hälfte reduzieren konnten, sondern im Vergleich zur konventionellen<br />

Landwirtschaft 47 Prozent weniger CO2-Emissionen<br />

produzieren. Das Start-up aus Benin expandiert gerade nach<br />

Marokko, Togo und Kamerun.<br />

Eine andere Herangehensweise verfolgt das älteste ausgezeichnete<br />

Praxisbeispiel, welches aus Ägypten stammt.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

91


High Tech und <strong>Nachhaltig</strong>keit gehören zusammen, wie das<br />

Green-Tech-Unternehmen „Premium Hortus“ aus Benin zeigt.<br />

Produzentengenossenschaften in Indien konnten den Kleinbauern<br />

ihre Unabhängigkeit von Saatgut-Produzenten wiedergeben.<br />

Die SEKEM-Initiative und ihr Gründer Ibrahim Abouleish<br />

(1937-2<strong>01</strong>7) wurden bereits 2003 mit dem Alternativen<br />

Nobelpreis ausgezeichnet für ein „Geschäftsmodell des 21.<br />

Jahrhunderts, das kommerziellen Erfolg mit sozialer und<br />

kultureller Entwicklung verbindet“, so die Begründung der<br />

Jury. 1977 wurde die SEKEM-Initiative mit der Vision von<br />

nachhaltiger Entwicklung durch einen ganzheitlichen Ansatz<br />

ins Leben gerufen: Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft und<br />

Kultur sollen dabei gleichrangig betrachtet und behandelt<br />

werden. Heute ist SEKEM eines der führenden sozialen<br />

Unternehmen, das rund 684 Hektar Land nach 100 Prozent<br />

biologisch-dynamischen Methoden bewirtschaftet und all<br />

seine Zweifler eines besseren belehrt hat: Die Wüste wurde<br />

mithilfe einer konsequenten Nutzung von Kompost begrünt<br />

und fruchtbar gemacht. Und es zeigt, dass es anders geht:<br />

Insbesondere beim Anbau von Baumwolle wird oft die aggressive<br />

Schädlingsbekämpfung mit dem Wunsch nach hohen<br />

oder steigenden Erträgen begründet. Heute überholt SEKEM<br />

die Konkurrenz bei der Baumwollproduktion um ein Drittel,<br />

während auf Pestizide vollständig verzichtet wird.<br />

Aus Kuba stammt eine Praxis der Schädlingsbekämpfung, die<br />

mit agrarökologischen Methoden sehr erfolgreich ist. Hier<br />

wird vor allem auf Selbstregulierung und den Erhalt eines<br />

natürlichen Gleichgewichts gesetzt. Das Programm bildet<br />

die Bauern in agrarökologischem Schädlingsmanagement<br />

aus, die es danach selbst verbreiten. Derzeit gibt es etwa<br />

380.000 „Urban Farms“, die 50.000 ha Brachland im städtischen<br />

Bereich bewirtschaften. Sie verzichten auf chemische<br />

Schädlingsbekämpfung und produzieren etwa anderthalb<br />

Millionen Tonnen Gemüse jedes Jahr.<br />

Wie vielerorts wurde im indischen Bundesstaat Andhra<br />

Pradesh vor vier Jahrzehnten, anstatt auf lokal angepasste<br />

und nachhaltige Sorten auf sogenannte „Cash Crops“ (Marktkulturen)<br />

gesetzt, die Abhängigkeiten zu Saatgutkonzernen<br />

schafften. Während die Ausgaben der Kleinbäuerinnen und<br />

Kleinbauern ständig stiegen, stagnierten oder fielen ihre<br />

Einnahmen. Traurige Folge dieser Entwicklung waren vermehrte<br />

Suizide im kleinbäuerlichen Milieu wegen der immer<br />

mehr steigenden Schulden. Oft wurde auch das eigene Land<br />

aufgegeben und zu einer wenig nachhaltigen Tätigkeit als<br />

Tagelöhner gewechselt, was neue Unsicherheiten brachte.<br />

Insgesamt wurden patriarchale Strukturen gestärkt, Frauen<br />

marginalisiert und die Jugend zunehmend entmutigt, da ihnen<br />

die Zukunftsperspektiven fehlten. Das Timbaktu Kollektiv<br />

wurde 1991 ins Leben gerufen mit dem Ziel, zunächst den<br />

Naturraum mit agrarökologischen Methoden wieder herzustellen.<br />

Die Graswurzelorganisation legte besonderen Wert<br />

darauf, Frauen und junge Menschen zu stärken. Durch ihre<br />

Arbeit konnte sie vielen Menschen, die in der Landwirtschaft<br />

tätig waren, agrarökologische Anbauweisen vermitteln und<br />

ihnen die Unabhängigkeit über ihr Saatgut wiedergeben. Sie<br />

begann mit nur 27 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in einem<br />

Dorf, während heute 2.080 Familien in 58 Dörfern von diesem<br />

Projekt profitieren - viele von ihnen halten Anteile an der eigenen<br />

Produzentengenossenschaft, welche ihnen faire Preise<br />

zahlt und ihre Produkte im Süden ganz Indiens vermarktet.<br />

Die Praxisbeispiele zeigen, dass die Abhängigkeit von Saatgut-Konzernen,<br />

syn<strong>the</strong>tischen Pestiziden und schwerer<br />

Maschinerie im globalen Süden kein Schicksal ist. Mutige<br />

Gründerinnen und Gründer haben in ihren zunächst oft<br />

lokalen Initiativen gezeigt, wie man erfolgreich das Landwirtschafts-<br />

und Ernährungssystem zum Wohl von Mensch und<br />

Umwelt umgestalten kann. Oft, wie beim Beispiel „Bauerngemanagte<br />

natürliche Regenerierung (FMNR)“, sind die<br />

Projekte innerhalb kurzer Zeit expandiert und tragen ihre<br />

erfolgreichen Methoden ins Ausland. Im Niger, wo FMNR<br />

ursprünglich mit Bauern entwickelt wurde, breitete sich die<br />

Methode auf 5 Millionen Hektar aus und erweckte 200 Millionen<br />

Bäume wieder zum Leben. Dank FMNR produzieren<br />

lokale Bauern nun jedes Jahr 500.000 Tonnen Getreide mehr<br />

und tragen damit zur Nahrungssicherheit von ca. 2,5 Millio-<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Alliadev, Igapura, 2<strong>01</strong>7 | © The Timbaktu Collective | SEKEM<br />

92 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


CEO der Schweisfurth Stiftung, die sich für umweltgerechte<br />

Landwirtschaft einsetzt: „Um Hunger, soziale Ungleichheit,<br />

Klimawandel und den Verlust von Biodiversität erfolgreich anzugehen,<br />

ist eine Agrarwende zu nachhaltigen Nahrungs- und<br />

Landwirtschaftssystemen dringend nötig. Diese Auszeichnung<br />

wirft ein Schlaglicht auf Lösungen, die für die Menschen<br />

vor Ort wirklich funktionieren und stärkt diejenigen, die für<br />

die Nahrungssicherheit des globalen Südens verantwortlich<br />

sind: Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.“<br />

Caption: Durch biologisch-dynamische Anbaumethoden überholte<br />

die ägyptische Intiative SEKEM sogar die konventionell anbauende<br />

Konkurrenz.<br />

nen Menschen bei. Derzeit wird FMNR in über 24 Ländern in<br />

Afrika, Asien und Lateinamerika praktiziert. Das Programm<br />

und ihr Gründer Tony Rinaudo wurden vergangenes Jahr mit<br />

dem Alternativen Nobelpreis geehrt.<br />

Jüngst bemerkte Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, Aufsichtsratsvorsitzender<br />

der Stiftung World Future Council und<br />

Kurzum, diese „Outstanding Practices in Agroecology 2<strong>01</strong>9“<br />

lohnt es sich wirklich näher zu studieren und ich wünsche<br />

mir sehr, dass sich die ausgezeichneten Praxisbeispiele nicht<br />

nur im globalen Süden verbreiten – sondern dass auch wir<br />

im globalen Norden über den Tellerrand schauen und von<br />

den guten Vorbildern in Ägypten, Benin, Indien und anderswo<br />

lernen.<br />

Mehr über die Praxisbeispiele finden Sie unter<br />

www.worldfuturecouncil.org<br />

INGRID HEINDORF<br />

ist seit 2<strong>01</strong>0 bei der Stiftung World Future Council (WFC) tätig. Sie ist<br />

Projektmanagerin Agrarökologie und die Koordina<strong>to</strong>rin des Genfer<br />

Verbindungsbüros.<br />

JETZT ANMELDEN FÜR DEN 12. DEUTSCHEN<br />

NACHHALTIGKEITSPREIS.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

93


THEMEN | VISIONEN, AKTIONEN, INNOVATIONEN<br />

Krank oder gesund: Dem Experten verrät ein prüfender Blick viel über die Bodengesundheit.<br />

BOTSCHAFTER FÜR<br />

GESUNDEN BODEN<br />

Wir behandeln ihn wie Dreck, doch er ist die Grundlage unseres Lebens: der Boden. Eine ostbayerische<br />

Initiative will Deutschlands Böden verbessern und den Bauern Wege aufzeigen, wie sich das Risiko<br />

schlechter Ernten mindern lässt.<br />

Von Alrun Vogt<br />

Der heiße, trockene Sommer hatte für die deutsche Landwirtschaft<br />

dramatische Auswirkungen: Ernteausfälle im Wert<br />

von circa einer Milliarde Euro waren die Folge. Doch es gibt<br />

Möglichkeiten, solche Ausfälle zu vermindern – durch guten<br />

Humus. Die „Interessengemeinschaft gesunder Boden“ mit<br />

Sitz im ostbayerischen Regensburg hat sich genau das zur Aufgabe<br />

gemacht. Sie versteht sich als Botschafter für gesunden<br />

Boden und will Deutschlands Böden wieder fruchtbarer, das<br />

heißt humusreicher machen.<br />

Ihr Vorsitzender Franz Rösl sagt: „Es wird immer wichtiger,<br />

gesunde und humusreiche Böden aufzubauen, weil diese viel<br />

mehr Wasser aufnehmen können und die Pflanzen dadurch<br />

viel besser gegen Trockenheit schützen.“ Dies ist jedoch<br />

nach seinen Worten nicht die einzige positive Folge, würden<br />

Deutschlands Äcker wieder humusreicher. Mehr Humus führt<br />

auch dazu, dass die Böden mehr Nährs<strong>to</strong>ffe speichern können<br />

und weniger gedüngt werden müssen.<br />

„In einer Handvoll Boden befinden sich mehr Organismen<br />

als Menschen auf der Erde“, sagt Franz Rösl, der als mittelständischer<br />

Unternehmer am Regensburger Stadtrand<br />

Kalksandstein, Ton, Lehm und Braunkohle abbaut. Durch<br />

seinen Beruf entwickelte er ein besonderes Interesse für das<br />

faszinierende Thema Boden. Humus, das sind im Wesentlichen<br />

zersetzte, im Fachbegriff „humifizierte“ pflanzliche<br />

und tierische Bestandteile. Und diese sind die Heimat des<br />

Lebens in der Erde. Die wichtigste Funktion dieser bis zu etwa<br />

30 Zentimeter dicken, ersten Schicht des Bodens lässt sich<br />

in einem Satz zusammenfassen: Je mehr Humus im Boden<br />

ist, des<strong>to</strong> fruchtbarer ist der er.<br />

Stetig sinkende Humusgehalte<br />

„Verbraucher erwarteten in den vergangenen Jahrzehnten<br />

von den Bauern vor allem günstige Lebensmittel in großer<br />

Menge. Die Böden standen nicht im Fokus“, sagt Rösl. Das<br />

Problem ist bekannt. Die ausgiebige, unausgewogene Düngung,<br />

aber auch die intensive Bewirtschaftung mit engen<br />

Fruchtfolgen ohne Zwischenkulturen schädigt die Bodenbiologie.<br />

Die Agrarindustrie nutzt die Böden, als wären sie<br />

unerschöpflich. Problematisch ist auch die Bodenbearbeitung<br />

selbst: Unangepasste, bodenwendende Maßnahmen etwa<br />

zerstören den natürlichen Aufbau des Bodenmilieus, in dem<br />

jede Tiefenschicht ihre eigenen Mikroben und Bakterien mit<br />

jeweils spezifischen Aufgaben hat. Wenn dann zusätzlich<br />

noch zu große, schwere Maschinen den Boden zu stark ver-<br />

Fo<strong>to</strong>s: © IG Gesunder Boden<br />

94 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Links: Faszinierendes Erdreich: Die IG gesunder Boden schaut es sich genau an. Rechts: Bodenproben zur Demonstration: Die Infoveranstaltungen<br />

der IG gesunder Boden s<strong>to</strong>ßen auf reges Interesse.<br />

dichten, können die Pflanzen nicht mehr tief wurzeln und<br />

das Wasser nicht mehr richtig aufnehmen.<br />

Die Daten, die man mit dem europäischen Bodenbeobachtungssystem<br />

LUCAS in den letzten Jahren mit viel Aufwand<br />

erhoben hat, bestätigen: Die Humusgehalte sind in den<br />

letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Oft liegt der Humusanteil<br />

in den oberen 30 Zentimetern des Erdreiches bereits<br />

unter zwei Prozent.<br />

Intensiver Wissensaustausch für die Bauern<br />

Dass es auch anders geht, möchte die „Interessengemeinschaft<br />

gesunder Boden“ aufzeigen. Gestartet ist die Initiative vor<br />

zwei Jahren mit dem Ziel, in Bayern aktiv zu sein. Mittlerweile<br />

erhalten sie Anfragen aus ganz Deutschland und sogar schon<br />

aus dem Ausland – und das ohne irgendeine Art von Werbung.<br />

„Es gibt bundesweit niemanden, der dieses Thema so besetzt<br />

wie wir, der Informationsbedarf wächst“, so der Vorsitzende.<br />

Die Interessengemeinschaft versteht sich als Plattform aus<br />

Wissenschaftlern und Praktikern, um altes und neues Wissen<br />

zum Thema gesunder Boden zu sammeln und es Verbrauchern,<br />

Privatgärtnern, Landwirten, Tierärzten und Wissenschaftlern<br />

zur Verfügung zu stellen – ohne erhobenen Zeigefinger. Dazu<br />

gehört zum Beispiel praktisches Wissen, wie sich unbewusster<br />

Humusabbau vermeiden lässt und ein dauerhafter Humusaufbau<br />

gelingt. Der Verein arbeitet dabei ohne Gewinnerzielungsabsicht,<br />

also gemeinnützig. Wer interessiert ist, kann sich auch<br />

ohne Mitgliedschaft an die Interessengemeinschaft wenden.<br />

Die Teilnahme an Veranstaltungen ist entweder kostenfrei<br />

oder erfolgt gegen einen Unkostenbeitrag.<br />

Vielfältige Wege zu gutem Humus<br />

Ein Weg, den die Interessengemeinschaft zum Beispiel aufzeigt,<br />

ist der Anbau von artenreichen Zwischenfrüchten, um<br />

dem Boden neue „Energie“ zu geben. Die dabei stattfindende<br />

Fruchtfolge führt zu einem vielfältigen Aufbau der im Boden<br />

enthaltenen Nährs<strong>to</strong>ffe, was den Humusgehalt des Bodens<br />

erhöht. Eine sinnvoll gestaltete Fruchtfolge vermindert<br />

auch den Befall von Pflanzenkrankheiten und von tierischen<br />

Schädlingen.<br />

Der erste Schritt zur Regeneration des Bodens ist dabei<br />

immer eine erweiterte Bodenanalyse, durch welche Nährs<strong>to</strong>ffmängel<br />

und -überschüsse aufgezeigt werden. Denn nur<br />

dann, wenn die Nährs<strong>to</strong>ffe im Boden ausbalanciert sind, kann<br />

die Bodenbiologie optimal arbeiten und nur dann wachsen<br />

gesunde, nährs<strong>to</strong>ffreiche Pflanzen.<br />

Mehr als guter Ertrag<br />

Den 250.000 Bauern in Deutschland will die Interessengemeinschaft<br />

jedoch nicht den schwarzen Peter für den<br />

schwindenden Humusgehalt zuschieben. Im Gegenteil, „Die<br />

Landwirte sind unsere natürlichen Verbündeten“, sagt Rösl.<br />

Der Verein wirbt auf Bodentagen, Feldtagen, Kompostierungstagen<br />

und bei Veranstaltungen auf Höfen regelmäßig<br />

gemeinsam mit Bauern für ein Umdenken. „Wir wollen<br />

deutlich machen, dass die Bauern selbst profitieren“, so der<br />

Vorsitzende.<br />

Doch es geht um viel mehr als um reinen Ertrag. Gesunde,<br />

humusreiche Böden führen langfristig zu gesünderen Pflanzen<br />

und gesünderen Tieren. Aber auch Hochwasser- sowie<br />

Klimaschutz und nicht zuletzt die Trinkwasserqualität sind<br />

mit einem intakten Bodenleben verbunden. Rösl: „Wir<br />

brauchen einen Konsens darüber, dass uns die Gesundheit<br />

unseres Bodens wichtig ist. Das Thema ist eine Aufgabe für<br />

die gesamte Gesellschaft. Nur gesunde Böden ermöglichen<br />

einen Fortbestand unserer modernen Zivilisation.“<br />

www.ig-gesunder-boden.de<br />

ALRUN VOGT<br />

ist Au<strong>to</strong>rin des Buches „Wirtschaft anders denken“. Sie studierte<br />

Politik wissenschaft, Geschichte und Linguistik mit den Schwerpunkten<br />

„Theorien der gerechten Verteilung" und Wirtschaftsgeschichte.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

95


THEMEN | VISIONEN, AKTIONEN, INNOVATIONEN<br />

Bodenpflege ist Trinkwasserschutz. Und Wasser ist Lebensmittel Nummer 1!<br />

DIE LIEBE ZUM BODEN<br />

GEHT DURCH DEN MAGEN<br />

Er ist unsere Lebensgrundlage und doch gehen wir vergleichsweise sorglos mit ihm um: der Boden.<br />

Schads<strong>to</strong>ffeinträge, Landgrabbing und Versiegelung setzen dem Boden zu. Die nach ökologischen Kriterien<br />

bewirtschaftete Fläche stagniert. Ein Augsburger Start-up will eine Lobby für den Boden bilden – und<br />

bedient sich dabei eines alten Rezeptes.<br />

Von Sebastian Henkes<br />

Gertrud Deckers, Brigitte Gün<strong>the</strong>r und Michael Lindlbauer<br />

bewegen sich als Überzeugungstäter in Beruf und Ehrenamt<br />

in nachhaltigen Unternehmen und NGOs. In diesem Kontext<br />

begegnen sie immer wieder einem alten Bekannten: dem<br />

Boden. Dieser fristet gegenüber den Ozeanen ein weniger<br />

beachtetes Dasein. Zu Unrecht, finden Deckers, Gün<strong>the</strong>r<br />

und Lindlbauer. Denn der Boden ist nach den Ozeanen der<br />

weltweit zweitgrößte CO2-Speicher und von negativen<br />

Eingriffen des Menschen ebenso gefährdet. Das Bewusstsein<br />

für die wichtige Rolle der Ressource Boden ist jedoch<br />

bisher nur wenig vorhanden. Während 95 Prozent unserer<br />

Lebensmittel im Boden angebaut werden, sind nur 7,5<br />

Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland<br />

nach Bio-Kriterien bewirtschaftet. Es fehlt eine „Lobby“<br />

für den Boden.<br />

Deckers, Gün<strong>the</strong>r und Lindlbauer überlegen gemeinsam, wie<br />

man möglichst viele Menschen für das Thema sensibilisieren<br />

kann – und landen schließlich bei der Ernährung. Denn diese<br />

weckt Emotionen und betrifft jeden von uns. Die drei wagen<br />

den Schritt in die Selbständigkeit und gründen gemeinsam<br />

das Start-up „Feierabendglück“. Für ihr erstes Produkt beleben<br />

sie einen Gegenstand, der eine Neuerfindung nötig<br />

hat: das Kochbuch. Ihre Version kommt als Blechdose daher,<br />

in der Rezeptkarten mit vegetarischen Gerichten enthalten<br />

sind. Die Rezepte machen saisonales, vegetarisches Kochen<br />

mit regionalen Bio-Produkten einfach. Um zu zeigen, dass<br />

Bio nicht gleich teuer ist, kosten die Gerichte pro Kopf<br />

maximal 3,50 Euro. Die 52 Rezeptkarten sind nach dem<br />

cradle2cradle-Prinzip hergestellt und können vollständig in<br />

den S<strong>to</strong>ffkreislauf zurückgeführt werden. Finanziert wurde<br />

das Kochbuch über eine Crowdfunding-Kampagne. Mehr als<br />

4.000 Exemplare wurden bereits verkauft.<br />

Feierabendtüte für Unternehmen<br />

Die Herausgeber des nach eigenen Angaben „wahrscheinlich<br />

nachhaltigsten Kochbuchs der Welt“ haben allerdings noch<br />

andere Pläne: „Das Kochbuch kaufen wohl eher Leute, die<br />

sich sowieso schon für <strong>Nachhaltig</strong>keit und Bio interessieren.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Pexels Pixabay<br />

96 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Biologischer Landbau ist die Grundvoraussetzung für gesunde<br />

Lebensmittel.<br />

Gertrud Deckers, Brigitte Gün<strong>the</strong>r und Michael Lindlbauer packen<br />

CSR und gutes Essen in eine Feierabendtüte.<br />

Fo<strong>to</strong>: © feierabendglück<br />

Wir möchten aber auch Menschen ansprechen, die mit dem<br />

Thema noch nicht in Berührung gekommen sind.“ Somit<br />

s<strong>to</strong>ßen sie schließlich auf Unternehmen, denn hier können<br />

erstens viele Menschen erreicht werden, zweitens besteht<br />

dringender Aufholbedarf in Sachen gesunde Ernährung.<br />

Neben dem Kochbuch bringen Deckers, Gün<strong>the</strong>r und Lindlbauer<br />

die „Feierabendtüte“ heraus, eine Gesundheitsförderung<br />

für Mitarbeiter und gleichzeitig eine CSR-Maßnahme.<br />

Die Mitarbeiter eines Unternehmens können zwischen zwei<br />

vegetarischen Gerichten wählen, die ein Mal monatlich geliefert<br />

werden. Die Bio-Zutaten werden samt Rezeptkarte<br />

und Kochvideo in einer Tüte zusammengestellt und von<br />

Die Ressource Boden retten –<br />

Hektar für Hektar<br />

Die BioBoden Genossenschaft will verhindern, dass sich der<br />

Mensch seiner eigenen Lebensgrundlage beraubt: dem Boden.<br />

Jährlich gehen in Deutschland etwa 328 Quadratkilometer Land<br />

verloren. Diese Fläche in der Größe der Stadt Dresden wird durch<br />

Besiedelung, Verkehr und Gewerbe zugepflastert. Sogar da, wo<br />

das Land scheinbar grün bleibt, gehen wichtige Nutzflächen verloren:<br />

Weltweit kaufen Agrarkonzerne, Inves<strong>to</strong>ren und ganze<br />

Staaten Äcker auf. Die Nachfrage nach gesunden und regionalen<br />

Bio- Lebensmitteln steigt dabei deutlich schneller als die bewirtschaftete<br />

Fläche. Hier setzt die BioBoden Genossenschaft an: Sie<br />

kauf Land für Betriebe der ökologischen Landwirtschaft auf und<br />

stellt es diesen zur Verfügung. Dabei reagiert sie ausschließlich auf<br />

Anfragen von Landwirten, agiert also nicht als Landinves<strong>to</strong>r. Das<br />

Ziel ist das Sichern und Ausbauen von ökologischer Anbaufläche<br />

und der Erhalt von Biobetrieben. Seit der Gründung von BioBoden<br />

im Jahr 2<strong>01</strong>5 konnten mehr als 2.400 Hektar Land für 33 Partnerbetriebe<br />

in der ökologischen Landwirtschaft gesichert werden. Die<br />

Genossen schaft zählt mittlerweile über 3.000 Mitglieder.<br />

www.bioboden.de<br />

einem der knapp 40 Lieferdienste für Ökokisten an den<br />

Unternehmensstandort geliefert. Nun kann der Mitarbeiter<br />

die Feierabendtüte mit nach Hause nehmen.<br />

Das hat gleich mehrere Effekte: „Beim Kochbuch sind wir<br />

davon abhängig, dass die Menschen auch wirklich Bio kaufen.<br />

Bei der Feierabendtüte haben wir es selbst in der Hand und<br />

so können Menschen mit dem Thema in Berührung kommen,<br />

um es ganz einfach kennenzulernen.“ Gleichzeitig wird mit<br />

der Feierabendtüte die Mitarbeitergesundheit gefördert.<br />

Und warum CSR Maßnahme? Pro Feierabendtüte werden<br />

1,50 Euro an die BioBoden-Genossenschaft gespendet, die<br />

damit umgerechnet einen Quadratmeter Bio-Anbaufläche<br />

erwerben kann. Die einfache Beispielrechnung: Ein Unternehmen<br />

mit 200 Mitarbeitern kann so dafür sorgen, dass<br />

monatlich 200 Quadratmeter Fläche für die ökologische<br />

Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden.<br />

Das Ziel: 100 Prozent Bio<br />

Das ambitionierte Ziel von Feierabendglück lautet: Mit<br />

dem Kochbuch und den Feierabendtüten langfristig dazu<br />

beizutragen, dass aus den 7,5 einhundert Prozent Bio-Anbaufläche<br />

werden. Kurzfristig sollen vor allem regionale Erzeuger<br />

und Lieferanten unterstützt werden. Um die Kosten<br />

für Unternehmen gering zu halten kann die Feierabendtüte<br />

als gesundheitsfördernde Maßnahme oder als Sachbezug<br />

lohnsteuerfrei finanziert werden.<br />

Seit Sommer 2<strong>01</strong>7 ist die Feierabendtüte außerdem auch für<br />

Privathaushalte erwerblich. Sie kann über regionale Bio-Lieferbetriebe<br />

bestellt und direkt nach Hause geliefert werden.<br />

Eine Übersicht der bereits beteiligten Lieferbetriebe und<br />

weitere Informationen zur Feierabendtüte für Unternehmen<br />

finden Sie auf der Website des Start-ups.<br />

www.feierabendglück.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

97


Und jeder kennt ihn, den Blaumann. Er ist allseits beliebt und der Inbegriff der Arbeitskleidung. Im Arbeitsalltag schützt er vor Öl, Schmutz<br />

und anderen Gefahrens<strong>to</strong>ffen. Aber warum ist der Arbeitsoverall eigentlich blau?<br />

VOM BLAUMANN BIS ZUM<br />

ETUIKLEID<br />

Arbeitskleidung hat eine lange Tradition und viele Zwecke. Sie gibt Aufschluss über sozialen Stand und<br />

Branchenzugehörigkeit, dient dem Schutz des Trägers und ist ein zunehmend wichtiger Bestandteil der<br />

Corporate Identity. Der Markt wächst und zwar ordentlich. Durch die zunehmend nachhaltigere Produktionsweise<br />

und die marktspezifischen Geschäftsmodelle kann dieser Wirtschaftszweig eine Leuchtturmfunktion<br />

für die gesamte Textilindustrie einnehmen.<br />

Von Sarah Ullmann<br />

Die Berufsbekleidungsbranche erlebt einen wahren Boom.<br />

2<strong>01</strong>7 erreichte das Marktvolumen des Berufsbekleidung-Sek<strong>to</strong>rs<br />

in Deutschland 1,05 Milliarden Euro. Mit einer Wachstumsrate<br />

von 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielte der<br />

Markt einer der höchsten Umsatzsteigerungen aller Handelsbranchen.<br />

Internet-Pure-Player – also reine Online-Händler<br />

– bauten ihren Anteil am stärksten aus, die dominierende<br />

Vertriebsform ist mit 29 Prozent Marktanteil nach wie vor der<br />

Mietservice, dicht gefolgt von Direktvertrieb. Die Nachfrage<br />

nach nachhaltig produzierten Kleidungsstücken steigt und<br />

viele Hersteller haben ihr Angebot entsprechend angepasst<br />

und umgestellt.<br />

Durch die Langlebigkeit von Arbeitsbekleidung setzt sich<br />

die Branche signifikant von der (Fast) Fashion-Industrie ab.<br />

Erstens, weil der Großteil der Kollektionen nicht saisonellen<br />

Trends unterliegt und zweitens, weil die S<strong>to</strong>ffe und die Verarbeitungen<br />

im Einsatz maximalen Belastungen standhalten<br />

müssen. Ähnlich wie Sport- und Funktionskleidung als Alltagsoutfit<br />

immer beliebter wird und zum Lifestyle-Produkt<br />

geworden ist, kaufen mittlerweile auch Privatpersonen<br />

Produkte von Workwear-Herstellern anstatt von teuren<br />

Outdoormarken. Entweder, weil sie auf deren funktionalen<br />

Look oder auf die verlässliche Strapazierfähigkeit und Funktionalität<br />

setzen.<br />

Aber wie und wann begann diese Erfolgsgeschichte?<br />

Von der ritterlichen Rüstung zum royal-blauen Blaumann<br />

Seinen Ursprung hat der Blaumann bereits im frühen Mittelalter.<br />

Schon seit Jahrhunderten tragen Menschen Arbeitskleidung.<br />

Die Farbe spielte zwar noch keine große Rolle, aber<br />

Hemd, Hose oder Hut waren ein individuelles Merkmal der<br />

jeweiligen Zunft und gaben Aufschluss über den sozialen<br />

Stand seines Trägers. So auch bei der mittelalterlichen Ritterrüstung.<br />

Mit Kettenhemd und Metallplatten behangen, ritt<br />

der Krieger nur dann auf das Schlachtfeld, wenn er einen<br />

gewissen sozialen Status hatte. Schwer und unbequem wie<br />

die Rüstung war, sollte sie vor allem gegen Verwundungen<br />

und Waffeneinwirkungen schützen.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Wilfried Pohnke, pixabay.com<br />

98 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG | THEMEN<br />

Arbeitskleidung die allein dem Schutz dient, ist bereits aus<br />

dem 17. Jahrhundert bekannt. Zum Beispiel Holz-Clogs, die<br />

die Alltagsschuhe der Bauern vor der schmutzigen Arbeitsumgebung<br />

schützten, oder auch die von Bergleuten verwendeten<br />

Schutzschürzen. Durch die industrielle Revolution<br />

wuchs die Wirtschaft rasant, und mit ihr die neuen Herausforderungen<br />

der einzelnen Arbeitsplätze. Entsprechend wurde<br />

besonders robuste Kleidung entwickelt, um der Verletzungsgefahr<br />

entgegenzuwirken, die der Alltag (zum Beispiel) der<br />

Minen-, Berg- und Bauarbeiter mit sich brachte. Sie musste<br />

besonders strapazierfähig und leicht zu reinigen sein. Daraus<br />

ging auch die Jeans hervor. Anfangs noch aus Hanf, später<br />

aus Baumwolle produziert, wurde sie im 19. Jahrhundert zu<br />

der am häufigsten eingesetzten Arbeitshose. Ein Allrounder,<br />

der bei Bauern, Handwerkern, Bergleuten und vielen mehr<br />

zum Einsatz kam.<br />

Feinschliff für die Corporate Identity<br />

Mittlerweile gibt es Gesetze zur Arbeitskleidung, Gesetze,<br />

die auf die Sicherheit und Hygiene des Trägers und seines<br />

Umfeldes abzielen. Somit muss die Kleidung hohen Qualitätskriterien<br />

bestimmter Normen entsprechen. Zu Anfang<br />

kauften die Arbeiter ihre Kleidung noch selbst. Ende des<br />

letzten Jahrhunderts fiel der Schutz der Arbeiter dann zunehmend<br />

in die Verantwortung des Arbeitgebers. Für viele<br />

Unternehmen ein ganz neuer Kostenpunkt, aber auch eine<br />

Chance, das Marken-Image neu zu denken.<br />

Heute vertritt die Kleidung nicht nur die Branche, sondern das<br />

Unternehmen selbst – als Teil der individuellen und einheitlichen<br />

Corporate Identity. Was in der Unternehmenskultur<br />

mancher Länder, wie zum Bespiel UK, schon längst als Selbstverständlichkeit<br />

galt und zum guten Ton gehörte, wird nun<br />

auch hierzulande immer prominenter. Der deutsche Markt<br />

„Die Langlebig- und Strapazierfähigkeit sind wichtige Merkmale<br />

der Berufsbekleidung. Das sorgt für <strong>Nachhaltig</strong>keit.“<br />

Im Laufe des 20. Jahrhunderts spezialisierten und differenzierten<br />

sich die einzelnen Industriezweige und Branchen<br />

zunehmend und somit kam Farbe ins Spiel. Die Farbe<br />

wurde zum Indika<strong>to</strong>r eines bestimmten Arbeitsbereichs.<br />

Grau assoziiert man mit der Konstruktionsbranche, Braun<br />

und Grün mit der Land- und Forstwirtschaft, Rot mit der<br />

Feuerwehr und das traditionelle Blaumann-Blau mit der<br />

Handwerksbranche der Kfz-Mechaniker, Heizungsbauer und<br />

Elektroinstallateure.<br />

Anzeige<br />

<strong>Nachhaltig</strong>es Handeln setzt sich durch<br />

Verbraucher fordern mehr <strong>Nachhaltig</strong>keit.<br />

Damit wachsen die Anforderungen<br />

an die Unternehmen. Verbraucher<br />

wünschen mehr Transparenz. Diese wird<br />

durch Zertifikate und Gütesiegel belegt.<br />

Mit gutem Beispiel geht hier die Textil- und Bekleidungsindustrie<br />

voran. Aber RESPECT-CODE.ORG geht noch einen Schritt weiter.<br />

Es bietet volle Transparenz über die gesamte Produktionskette für<br />

Kunden und Konsumenten unter Berücksichtigung sozialer und<br />

ökologischer Aspekte. Jede Produktionsphase, vom Rohs<strong>to</strong>ff über<br />

die Produktion, Distribution bis hin zum Recycling, kann durch einen<br />

Code abgefragt werden. Das schafft Vertrauen und stärkt die<br />

Wertschöpfungskette. Vergeben wird der Respect Code durch die<br />

PRODUCT DNA AG – das erste Unternehmen, das Kompetenz und<br />

Innovation bündelt, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.<br />

www.respect-code.org<br />

für Berufsbekleidung hat sich in den vergangenen Jahren<br />

rasant weiterentwickelt und floriert. Berufsbekleidung findet<br />

nicht nur in Handwerksbetrieben oder im öffentlichen Dienst<br />

ihren Einsatz, auch Versicherungen, Hotellerie, Gastronomie<br />

und Einzelhandel setzen zunehmend auf Corporate Fashion.<br />

Ob Arbeitskleidung, Teamwear oder Messeoutfits – alle haben<br />

eine Gemeinsamkeit: Menschen durch ihre Bekleidung<br />

mit einer Gruppe oder einem Unternehmen zu identifizieren<br />

und durch Funktionalität bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zu<br />

unterstützen.<br />

Leasing-Etuikleid erobert das Büro<br />

Ganz gleich ob Arztkittel, Blaumann oder der drei-teilige Anzug<br />

– heute wird nicht mehr nur der Firmenwagen geleast.<br />

Die Gründe dafür sind einleuchtend: Durch die professionelle<br />

Auslagerung von Waschen, Bügeln und Instandhaltung der<br />

Kleidung hat der Träger und somit das Unternehmen eine<br />

Sorge weniger. Der Träger bekommt seine Kleidung termingenau<br />

geliefert und muss sich lediglich noch ankleiden. Zwar<br />

hat dieser Service seinen Preis, ist aber aus Kundensicht<br />

wirtschaftlich sehr attraktiv, da im Gegensatz zum Kauf kein<br />

Kapital gebunden wird. Die Mietservice-Konzerne freuen sich<br />

über diese Entwicklung, durch die sie mittlerweile fast 3,5 Milliarden<br />

Euro umsetzen. Diese Zahlen setzen sich nicht nur aus<br />

dem Vermieten von Bekleidung zusammen, sondern umfassen<br />

auch andere gewerblich genutzte Textilien, wie zum Beispiel<br />

Bettwäsche, Tischdecken, Handtücher und Bademäntel.<br />

Der Erfolg dieses Geschäftsmodells basiert auf einem ausgeklügelten<br />

Logistiksystem und auf der Strapazierfähigkeit der<br />

Textilie selbst. Erst nach dem positiven Ergebnis zahlreicher<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

99


THEMEN | TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG<br />

Tests, die bestätigen, dass ein Kleidungsstück eine Mindestzahl<br />

von Waschzyklen überdauert, wird es in das Produktportfolio<br />

des Mietservice aufgenommen. Dabei spielt es keine<br />

Rolle, ob der Mietservice die Kleidung selbst herstellt oder<br />

Strapazierfähig und azyklisch – das textile Zukunftsmodell<br />

Der Berufsbekleidungs-Sek<strong>to</strong>r glänzt als <strong>Nachhaltig</strong>keits-<br />

Wunderkind der Textilbranche. Zum einem durch den hohen<br />

Anspruch an die Beständigkeit der Kleidung und zum anderen<br />

durch die verlangsamten Kollektionszyklen. Die Hersteller<br />

verpflichten sich häufig zur längerfristigen Verfügbarkeit der<br />

Modelle und vor allem der S<strong>to</strong>ffe der jeweiligen Kollektionen.<br />

Noch bevor ein Unternehmen seine Mitarbeiter mit Kleidung<br />

ausstattet, stellt es sicher, dass im Fall von Verschleiß, Neuzugang<br />

im Team oder auch bei Gewichtsschwankungen des<br />

Trägers die Kollektion stets lieferbar ist. Zumindest über einen<br />

bestimmten Zeitraum, schließlich soll das Erscheinungsbild<br />

einheitlich bleiben. Selbst wenn Modelle einer Kollektion<br />

überarbeitet oder ergänzt werden, bleibt der S<strong>to</strong>ff über längere<br />

Zeit der gleiche. Selbst wenn die Ausstattung der S<strong>to</strong>ffe<br />

weiterentwickelt wird, optisch darf sich nichts merklich ändern.<br />

Damit steht und fällt die Kaufentscheidung des Kunden.<br />

Auch in dieser Branche gibt es Hersteller, die sich dem starken<br />

Preisdruck potentieller Kunden anpassen, weil sie ein<br />

gutes Geschäft wittern. Gut ist das allerdings nur für den<br />

„Einheitliche Teamkleidung ist das fehlende Puzzlestück<br />

für eine ganzheitliche Corporate Identity.“<br />

von einem Hersteller einkauft – Kleidung à la Fast Fashion<br />

würde hier kläglich versagen. Die geforderte Langlebigkeit<br />

zwingt Hersteller zu der Fertigung von Produkten mit hohen<br />

Qualitätsstandards und fördert somit au<strong>to</strong>matisch die <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

der Branche.<br />

kurzfristigen Umsatz. Den tatsächlichen Preis zahlen dann<br />

die Umwelt und die Menschen in den Produktionsstätten<br />

der Bekleidungshersteller.<br />

Und ein weiteres Merkmal der Fast Fashion-Industrie zeichnet<br />

sich hier immer stärker ab: Hersteller wollen sich von<br />

ihren Mitbewerbern mit modischeren Kollektionen absetzen<br />

und verkürzen die Kollektionszyklen. Dadurch werden gleich<br />

ganze Kollektionen aus dem Sortiment genommen, weil nicht<br />

mehr in die Nachproduktion der „alten“ Linie investiert wird<br />

und Platz im Lager geschaffen werden muss, für die neuen<br />

Teile. Der zunehmend schnelle Kollektionswechsel wird<br />

zudem indirekt vorangetrieben, bedingt durch ständige Innovationen<br />

in der Gewebeentwicklung, wie beispielsweise<br />

die Optimierung von Schutzfunktionen.<br />

Abgesehen von der eventuellen Notwendigkeit der Optimierung<br />

der Schutzausrüstung ließe sich durch stärkeren<br />

Druck der Öffentlichkeit und straffere Gesetzgebung diesem<br />

Trend entgegenwirken, wenn es um die gewerbliche oder<br />

öffentliche Beschaffung von Kleidung geht. Hier gehen einige<br />

Akteure der Branche als gutes Beispiel voran und animieren<br />

zum Nachahmen. Ein paar davon stellen wir Ihnen auf den<br />

kommenden Seiten vor.<br />

Ask Ullmann bietet alle Arten nachhaltiger<br />

Corporate Fashion, Dienstkleidung und<br />

Businesskleidung sowie die Accessoires dazu an.<br />

Fo<strong>to</strong>: © GREIFF Mode<br />

by Neofashion Europa GmbH<br />

Wir machen ihr Image tragbar<br />

Kurfürstendamm 21 VII . 10719 Berlin . Deutschland . Fon (+49) 30 303622 74 . Fax (+49) 30 303622 72 . Hotline (+49) 173 2716169<br />

100 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

Email: info@askullmann.de / info@askullmann.com . Skype: askullmann / Homepage: www.askullmann.com


TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG | THEMEN<br />

NACHHALTIGKEIT KLEIDET!<br />

Welches Siegel darf es sein?<br />

Berichte um ökologische und soziale Missstände in der globalen Textilproduktion lassen das Interesse an<br />

möglichst nachhaltig produzierter Kleidung steigen. Hilfestellung bieten zahlreiche Siegel auf den Produkten.<br />

Doch welche Siegel sind relevant, anspruchsvoll und glaubwürdig? Das Portal Siegelklarheit.de liefert<br />

Antworten.<br />

Von Stephan Schaller<br />

Die Zahl der Umwelt- und Sozialsiegel ist vor allem in den<br />

letzten zehn Jahren rasant gewachsen. Nach Angabe des<br />

Eco-Label-Index gibt es über 450 Umweltzeichen in 25 verschiedenen<br />

Produktgruppen. Alleine für Textilien werden auf<br />

dem deutschen Markt circa 30 Siegel genutzt. Dies belegt,<br />

dass immer mehr Abnehmer einen Nachweis für umweltfreundliche<br />

und sozialgerechte Produktion verlangen. Die<br />

Siegelvielfalt birgt aber ein Risiko der Überforderung. Das<br />

gilt auch für den Textileinkauf – ob beim Sommerschlussverkauf<br />

oder bei der Beschaffung neuer Arbeitskleidung. Stehen<br />

hinter dem Zeichen auf der Jacke relevante ökologische und<br />

soziale Verbesserungen? Wie glaubwürdig wird dies umgesetzt?<br />

Wie wird dies kontrolliert? – lauten einige der Fragen.<br />

Portale bieten Lösungen<br />

Das Verbraucherportal Siegelklarheit basiert, wie das<br />

Schwesterportal Kompass <strong>Nachhaltig</strong>keit für professionelle<br />

und öffentliche Beschaffung, auf einer umfassenden Methodik,<br />

die mit rund 400 nationalen und internationalen<br />

Experten von staatlichen Stellen, Wissenschaft, Wirtschaft<br />

und Zivilgesellschaft entwickelt wurde.<br />

Die Umwelt- und Sozialsiegel werden dabei vor allem auf<br />

ihren inhaltlichen Anspruch und ihre glaubwürdige Umsetzung<br />

untersucht. Die Grundlage für die Messung der Glaubwürdigkeit<br />

ist in allen Produktgruppen gleich, wohingegen<br />

die Bewertungsgrundlage für den inhaltlichen Anspruch<br />

abhängig von der Produktgruppe ist. Insgesamt durchläuft<br />

jedes Siegel einen Bewertungsprozess mit 200 Kriterien.<br />

Anspruch<br />

Ausschlaggebend für die inhaltliche Analyse der Umwelt- und<br />

Sozialsiegel sind drei Aspekte:<br />

• Sind alle relevanten Themen durch den Anforderungskatalog<br />

des Standards abgedeckt?<br />

• Wie intensiv, beziehungsweise inhaltlich anspruchsvoll,<br />

sind die Anforderungen im Standard formuliert?<br />

• Müssen die Anforderungen sofort, in einem bestimmten<br />

Zeitraum oder nur als mögliche Option erfüllt sein?<br />

Grafik: © Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

Ein Siegel wird als „Gute Wahl“ eingestuft wenn es die Mindestanforderungen erfüllt, die für die jeweilige Produktgruppe als wichtig<br />

erachtet werden. Um als „Sehr gute Wahl“ bewertet zu werden müssen mindestens 70 Punkte erfüllt werden.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

1<strong>01</strong>


THEMEN | TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG<br />

• Entspricht der „Claim”, also die Botschaft des Siegels, dem<br />

tatsächlichen Inhalt des Standards?<br />

Empfehlenswerte Textil-Siegel<br />

Siegelklarheit listet und bewertet 30 gängige Textil-Siegel,<br />

von denen fünf als „gute Wahl“ und elf als „sehr gute Wahl“<br />

bewertet werden. Während die meisten Siegel ihren Schwerpunkt<br />

entweder im Umwelt- oder Sozialbereich haben, gibt<br />

es auch Siegel, die beide Anforderungen erfolgreich vereinen.<br />

So erfüllen „Naturtextil IVN zertifiziert BEST“ und „OEKO-TEX<br />

Made in Green“ besonders hohe Anforderungen sowohl im<br />

Umwelt-, als auch im Sozialbereich. Das zunehmend verbreitete<br />

GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) erfüllt<br />

neben besonders hohen Anforderungen im Umwelt- auch<br />

alle Mindestanforderungen im Sozialbereich. Alle Kriterien<br />

sind auf dem Portal transparent dargestellt. Nutzer können<br />

überprüfen, ob für sie relevante Punkte von den Experten<br />

berücksichtigt wurden und Siegel einfach vergleichen.<br />

Für jedes Siegel werden die einzelnen Bewertungsergebnisse der<br />

Bereiche Umwelt, Soziales und Glaubwürdigkeit zusammengefasst.<br />

Ein genaueres Bild liefert die Aufschlüsselung der Kriterien der<br />

jeweiligen Bereiche.<br />

Auf der Basis dieser Aspekte wird eine Punktzahl ermittelt.<br />

Diese wiederum wird in der Gesamtschau unterschiedlich<br />

gewichtet. Damit trägt der Expertenbeirat dem Umstand<br />

Rechnung, dass bestimmte Themen je Produktgruppe von<br />

größerer Bedeutung sind als andere.<br />

Glaubwürdigkeit<br />

Grundlage für die Anforderungen in diesem Bereich sind<br />

ISO-Normen (Internationale Organisation für Normung) und<br />

die Leitlinien der ISEAL Alliance. Die ISEAL Alliance mit Sitz<br />

in London ist ein Zusammenschluss der Organisationen, die<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsstandards formulieren. In einem Konsultationsprozess<br />

mit über 400 Organisationen aus fünf Kontinenten<br />

wurden Leitlinien erarbeitet, die einen glaubwürdigen<br />

Standard ausmachen.<br />

Untersucht wird dabei das „System hinter dem Siegel“. Es<br />

wird sichergestellt, dass der Standard nicht nur gut klingt,<br />

sondern dass dieser bei der Herstellung der Produkte auch<br />

tatsächlich eingehalten wurde. Voraussetzung hierfür ist ein<br />

solider Prüfprozess, idealerweise durch eine unabhängige<br />

Kontrollinstanz. Die Analyse der Glaubwürdigkeit umfasst<br />

aber auch andere Aspekte:<br />

• Wurden zum Beispiel bei der Formulierung des Standards<br />

alle betroffenen Gruppen einbezogen?<br />

• Sind die siegelgebende und siegelnehmende Organisation<br />

unabhängig voneinander?<br />

• Sind die Entscheidungsprozesse bei der Siegelvergabe<br />

transparent und nachvollziehbar?<br />

Ergänzende Angebote und Hilfestellungen<br />

Neben dem Portal und der Smartphone-App mit hilfreicher<br />

Siegel-Scan-Funktion entwickelte das Betreiberteam<br />

Bildungsmaterial zu <strong>Nachhaltig</strong>em Konsum. Hier stehen<br />

Unterrichtsreihen und Themen-Dossiers zur Verfügung.<br />

Größere Veranstaltungen und Messen können außerdem<br />

durch Stände, Vorträge und Workshops unterstützt werden.<br />

Denn: <strong>Nachhaltig</strong>er Konsum endet nicht mit der Entscheidung<br />

für das richtige Siegel, auch die Nutzungsdauer,<br />

Pflege und Entsorgung/Weitergabe von Textilien spielen<br />

eine wichtige Rolle.<br />

www.iso.org<br />

www.isealalliance.org<br />

STEPHAN SCHALLER<br />

ist Senior Consultant beim CSCP mit mehr als 15-jähriger Projekterfahrung<br />

im Bereich <strong>Nachhaltig</strong>keit. Ein Fokus seiner Arbeit liegt auf<br />

der Förderung nachhaltiger Lebensstile, durch Beteiligung, Produkte,<br />

Dienstleistungen und Geschäftsmodelle.<br />

www.scp-centre.org<br />

Mehr Durchblick im Siegel-Dschungel<br />

Siegelklarheit.de ist eine Initiative der deutschen Bundesregierung<br />

zur Aufklärung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das Projekt<br />

wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit<br />

(GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umgesetzt. Seit<br />

Anfang des Jahres 2<strong>01</strong>8 wird die Kommunikation und Weiterentwicklung<br />

des Portals vom CSCP (Collaborating Centre on Sustainable<br />

Consumption and Production), der VERBRAUCHER INITIATIVE<br />

und dem Wuppertal Institut begleitet.<br />

www.siegelklarheit.de<br />

Grafik: © Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

102 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


ANZEIGE<br />

WOHER STAMMT MEIN HEMD?<br />

Verantwortungsvoll produzierte Berufsbekleidung – für jeden nachvollziehbar<br />

Egal ob Sie einkaufen oder Ihren Müll<br />

entsorgen: <strong>Nachhaltig</strong>keit und verantwortungsvolles<br />

Handeln spielen eine immer<br />

größere Rolle in unserem Alltag. Da ist es<br />

beinahe schon selbstverständlich, dass<br />

fortschrittliche Unternehmen bei der Bekleidung<br />

ihrer Mitarbeiter nicht nur auf<br />

die Optik, sondern auch auf die Herkunft<br />

achten.<br />

Mit dem sogenannten myGREIFF-Code gewährt<br />

das Bamberger Unternehmen GREIFF<br />

Mode seinen Kunden Transparenz und unterstreicht<br />

gleichzeitig seine Glaubwürdigkeit.<br />

Der Kunde kann mit Hilfe eines Codes,<br />

den er am Etikett seines Kleidungsstücks<br />

findet, individuell nachvollziehen, woher die<br />

Rohs<strong>to</strong>ffe seines GREIFF Produktes stammen<br />

und wo die Produktion stattfand.<br />

Natürlich handelt es sich bei der Offenlegung<br />

von Produktionsvorgängen nur um<br />

einen letzten Schritt. Für eine verantwortungsvolle<br />

Herstellung von Berufsbekleidung<br />

sollten zunächst die Grundlagen geschaffen<br />

werden: <strong>Nachhaltig</strong>e Rohs<strong>to</strong>ffe müssen ausgewählt<br />

werden und angemessene Sozialstandards<br />

entlang der Lieferkette müssen<br />

gewährleistet sein.<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Rohs<strong>to</strong>ffe<br />

GREIFF Mode setzt bei der Herstellung seiner<br />

Berufsbekleidung zunehmend auf faire<br />

und nachhaltige Baumwolle. So wird bei<br />

zahlreichen Modellen der GASTRO MODA<br />

Kollektion 100 Prozent Fairtrade-zertifizierte<br />

Baumwolle eingesetzt. In der neuen CORPO-<br />

RATE WEAR Kollektion sind Shirts aus 100<br />

Prozent Biobaumwolle zu finden. Mit dem<br />

Start der neuen Kollektionen 2<strong>01</strong>9/20 führt<br />

der Hersteller außerdem einige Modelle<br />

aus recycelten Materialien ein. Während<br />

bei GASTRO MODA Fasern aus recycelten<br />

PET-Flaschen (post consumer waste) verarbeitet<br />

werden, wird bei CORPORATE<br />

WEAR auf recycelte Fasern (pre consumer<br />

waste) gesetzt.<br />

Angemessene Sozialstandards<br />

Eine zentrale Rolle spielen natürlich auch<br />

die Arbeitsbedingungen in den Produktionsbetrieben.<br />

Um die Einhaltung der weltweit<br />

anerkannten ILO-Kernarbeitsnormen gewährleisten<br />

zu können, führt GREIFF in<br />

Zusammenarbeit mit der Fair Wear Foundation<br />

regelmäßige Kontrollen durch. Um<br />

die Sozialbedingungen über die Standards<br />

hinaus kontinuierlich zu verbessern, finden<br />

Workshops in den Produktionsbetrieben<br />

statt. GREIFF ist seit März 2<strong>01</strong>5 Mitglied der<br />

Fair Wear Foundation.<br />

Durch den Beitritt zum Bündnis für nachhaltige<br />

Textilien im Juni 2<strong>01</strong>5 hat sich<br />

GREIFF außerdem dazu verpflichtet, sich<br />

regelmäßig neue Ziele zu sozialen, ökologischen<br />

und ökonomischen Verbesserungen<br />

in der Textillieferkette zu setzen und diese<br />

zu verfolgen.<br />

GREIFF bietet als einer der führenden Hersteller<br />

von Berufsbekleidung hochwertige<br />

und verantwortungsvoll produzierte Corporate<br />

Fashion für die Dienstleistungsbranche,<br />

Hotellerie und Gastronomie.<br />

www.greiff.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

103


THEMEN | TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG<br />

SPURENSUCHE<br />

Markierte Baumwolle revolutioniert Branchenstandard<br />

Die lückenlose Rückverfolgbarkeit innerhalb der Wertschöpfungskette ist ein elementares Thema für die<br />

gesamte Textilbranche. Erst dadurch lassen sich für Unternehmen relevante Aussagen zum „Sourcing“ der<br />

Rohs<strong>to</strong>ffe und den Arbeitsbedingungen in den einzelnen Verarbeitungsschritten treffen.<br />

Von Fritz Lietsch<br />

Verbrauchern und Produzenten sollte klar werden, dass der<br />

bisherige Weg in der Textilindustrie in einer Sackgasse endet.<br />

Perspektivisch muss es weg von der Fast Fashion und hin zu<br />

einem nachhaltigeren und bewussteren Textilsek<strong>to</strong>r gehen.<br />

Und das aus verschiedenen Gründen.<br />

Ethische Gründe: Es ist klar, dass ein T-Shirt für 2 Euro nicht<br />

unter akzeptablen sozialen und umweltverträglichen Bedingungen<br />

hergestellt werden kann. Bedenkt man zudem,<br />

dass Fast Fashion-Ketten daran noch Geld verdienen, wird<br />

nur zu deutlich, dass die Marge auf Kosten der Umwelt und<br />

der Arbeitskräfte in den Herkunftsländern geht. Dem muss<br />

schon aus ethischen Gründen Einhalt geboten werden.<br />

Umweltaspekte am Beispiel Baumwolle: Für die Produktion<br />

eines einzelnen T-Shirts werden – bei konventionellem<br />

Baumwollanbau – neben Unmengen an Pestiziden und Herbiziden<br />

rund 2.700 Liter Trinkwasser verbraucht. Zusätzlich<br />

verschwenden wir Baumwolle als Rohs<strong>to</strong>ff in großem Stil:<br />

Jedes Jahr wird Kleidung im Wert von 400 Milliarden Euro<br />

vernichtet – das ist ein Müll-LKW pro Sekunde. Insgesamt<br />

83 Millionen Tonnen Textilien werden jedes Jahr deponiert<br />

oder verbrannt. 2<strong>01</strong>4 wurde im Vergleich zum Jahr 2000 60<br />

Prozent mehr Kleidung gekauft, aber nur halb so lang getragen<br />

und behalten.<br />

Turnaround nach Rana Plaza noch nicht vollzogen<br />

104<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG | THEMEN<br />

In Folge der Katastrophe von Rana Plaza, bei der über 1.000<br />

Menschen ihr Leben verloren, haben sich viele Bündnisse<br />

gebildet und allseits war von Selbstverpflichtungen zu hören,<br />

die Textilherstellung nachhaltiger zu gestalten. Das Bedürfnis<br />

nach Klarheit hat der Siegelbranche Aufwind beschert. So<br />

sehr, dass inzwischen von einer regelrechten Siegelflut zu<br />

sprechen ist. Allerdings ist den Verbrauchern nicht immer<br />

klar, was die einzelnen Siegel bedeuten und wie sie zu bewerten<br />

sind. Zudem sind die Methoden der Prüfung teils bloß<br />

stichprobenartig und nur mäßig zuverlässig.<br />

Benötigt wird eine eindeutige und endgültige Lösung für eine<br />

bessere Transparenz in der Lieferkette. Denn der Endkunde<br />

hat, wie auch beispielsweise bei Hühnereiern, ein Recht darauf,<br />

zu erfahren, woher die Produkte stammen, die er kauft<br />

(oder nicht) und unter welchen Bedingungen sie produziert<br />

wurden. Problematisch ist dabei die Zersplitterung der textilen<br />

Wertschöpfungskette, da häufig mehrere Produzenten<br />

aus verschiedenen Ländern an ein und demselben Textil<br />

beteiligt sind.<br />

der Hand. Bei einem konsequenten Einsatz wird die nachhaltige<br />

textile Lieferkette für Produzenten und Verbraucher<br />

vollkommen transparent. Und bietet die Sicherheit: Nur wo<br />

„grün“ drauf steht ist auch „grün“ drin.<br />

Durch die gesteigerte Transparenz können Textilproduzenten<br />

nicht nur der Verpflichtung dem Verbraucher und der eigenen<br />

sozialen Verantwortung gegenüber gerecht werden. Der<br />

Rohs<strong>to</strong>fffluss wird über die Sensoren genau dokumentiert<br />

und prompt digital verarbeitet. Jeder Einschnitt in der Lieferkette<br />

(etwa eine stillstehende Maschine oder eine falsch<br />

eingesetzte Charge) wird in Echtzeit erkannt und es bietet<br />

sich somit die Möglichkeit, rechtzeitig zu reagieren. Durch<br />

den Einsatz eines Systems, das den (markierten) Rohs<strong>to</strong>ff<br />

verfolgt, wird eine sonst örtlich und zeitlich zersplitterte<br />

Lieferkette vollständig erfasst.<br />

Theorie und Praxis gehen Hand in Hand<br />

Dibella longlife textiles, Lieferant von Objekttextilien (Textilien<br />

für gewerbliche Unternehmen, wie zum Beispiel Bettwäsche,<br />

Spuren hinterlassen<br />

Die Antwort auf dieses Dilemma liegt in der zuverlässigen<br />

Markierung der eingesetzten Rohs<strong>to</strong>ffe. Die Firma Tailorlux<br />

aus Münster wartet mit einer Lösung für genau diese<br />

Problematik auf und hat sie bereits mit Dibella, einem<br />

Vorreiter aus der Textilbranche, erfolgreich umgesetzt.<br />

In der von Dibella bereitgestellten Bio-Baumwolle der indischen<br />

Kooperative Chetna Organic Farmer Association<br />

(COFA) werden in der Baumwollentkörnung, dem ersten<br />

Schritt, gleich nach der Ente der Baumwolle, über ein patentiertes<br />

Verfahren sogenannte Lumineszenz-Pigmente<br />

direkt in die Fasern eingebracht. Die dabei verwendeten<br />

S<strong>to</strong>ffe ändern die Qualität und Materialeigenschaften<br />

nicht, sind ungiftig und chemisch inert. Das bedeutet,<br />

sie reagieren nicht mit anderen chemischen S<strong>to</strong>ffen<br />

und sind dadurch selbst nach dem Bleichen, Färben und<br />

mehrfachen industriellen Waschprozessen in der Faser<br />

erkennbar.<br />

Spuren verfolgen<br />

Diese Pigmente können mit internet-fähigen Miniatur-Spektrometern<br />

jederzeit wiedererkannt werden, entlang<br />

der gesamten Produktionskette. Damit lässt sich<br />

eindeutig, in Sekundenschnelle und ohne aufwändige<br />

Laborprüfung verifizieren, woher der jeweilige Rohs<strong>to</strong>ff<br />

kommt. Millionen von spezifischen Leucht-Signaturen<br />

können erstellt werden, vergleichbar mit einem individuellen<br />

Fingerabdruck. Das ermöglicht, einzelne Baumwoll-Chargen<br />

zurückzuverfolgen. Die Vorteile liegen auf<br />

Fo<strong>to</strong>: © Tailorlux<br />

Links: Die Markierung der Baumwolle ist so individuell wie ein<br />

genetischer Fingerabdruck. Ist der Rohs<strong>to</strong>ff einmal mit dem<br />

Pulver versehen, kann durch Auslesen der Markierung jeder<br />

Produktionsschritt in Echtzeit mitverfolgt werden.<br />

Rechts: Die Daten der ausgelesenen Markierung werden in der<br />

Cloud gespeichert und sind sofort verfügbar. Das bietet eine nie<br />

dagewesene Flexibilität, in die einzelnen Produktionsschritte<br />

einzugreifen und schafft absolute Transparenz.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

105


Die Baumwolle wird noch vor dem ersten Verarbeitungsschritt, dem Fräsen, markiert und erst dann zum Garn gesponnen. Bis zum fertigen<br />

Kleidungsstück erfolgen noch zahlreiche Produktionsschritte. Jeder wird begleitet durch die kontinuierliche Sensormessung.<br />

Bademäntel, Tischdecken) für den Textilservice, ist das erste<br />

Unternehmen, das auf eine Baumwollmarkierung in seinen<br />

Produkten setzt. Die im Rahmen dieses Projekts produzierte<br />

Bio-Baumwolle kann mit einer ganzen Reihe von Vorteilen<br />

aufwarten, darunter der Verzicht auf künstliche Bewässerung.<br />

Die Bio-Fairtrade zertifizierten Kleinstbauernflächen werden<br />

allein durch den Monsunregen bewässert und verschwenden<br />

damit keine wertvollen Trinkwasser-Ressourcen.<br />

From Greenwashing <strong>to</strong> Green<br />

Worten können Unternehmen dann auch Taten folgen<br />

lassen, indem sie ihren Kunden und Partnern Unternehmerreisen<br />

anbieten und die positiven Wirkungen einer komplett<br />

transparent gestalteten Lieferkette live erlebbar machen:<br />

„Einmal das Leben der Bio-Baumwollfarmer in den Dorfgemeinschaften<br />

hautnah begleiten zu können, die sozialen und<br />

ökologischen Errungenschaften mit eigenen Augen zu sehen<br />

und mit den eigenen Händen Bio-Baumwolle auf einem Feld<br />

zu pflücken, lässt unsere Kunden einen anderen Blick für die<br />

Produkte bekommen“, berichtet Ralf Hellmann, Geschäftsführer<br />

von Dibella, begeistert von derartigen Reisen. „Sie<br />

begreifen im wahrsten Sinne des Wortes den Mehrwert der<br />

lückenlos zurückverfolgbaren textilen Produkte.“ Für das<br />

nachhaltige Engagement erhielt das als Textilpionier in der<br />

Branche bekannte Unternehmen mehrfache und internationale<br />

Auszeichnungen.<br />

Mehr Einsicht und Entscheidungskraft für den Verbraucher<br />

Verbraucher sollten ihrerseits durch Nachfragen Klarheit<br />

über das Sourcing verlangen. Leider kommt dies durch die<br />

Komplexität der textilen Lieferkette oft zu kurz und auch hier<br />

wäre es notwendig, ein eindeutiges System zu etablieren, das<br />

in der Anwendung simpel und dessen Informationsgehalt<br />

reichhaltig ist. Den Verbrauchern sollte vor Augen geführt<br />

werden, dass sie mit tatsächlich nachhaltig produzierter<br />

Baumwolle nicht nur soziale Projekte unterstützen, sondern<br />

dass die Baumwolle auch eine höhere Qualität besitzt und<br />

langlebiger ist. Wem die positiven ethischen, sozialen und<br />

Umweltschutz-Aspekte nicht genügen, der wird also mit<br />

qualitativ höherwertigen Produkten belohnt. Oder wie das<br />

Sprichwort sagt: Wer billig kauft, kauft zweimal.<br />

www.tailorlux.com<br />

www.dibella.de<br />

KI und Cot<strong>to</strong>n 4.0<br />

Cot<strong>to</strong>n 4.0 ist der Name des vom Münsteraner Unternehmen Tailorlux<br />

in Angriff genommenen Projekts zur Nachverfolgbarkeit des<br />

Rohs<strong>to</strong>ffs Baumwolle. Lumineszenz-Pigmente in einer Größe von<br />

wenigen µm werden in einen Viskose-Faden eingebracht. Dies<br />

wird dann in der Baumwollmühle in einer Konzentration von unter<br />

1 Promille mit der Baumwolle vermischt, ohne dass sich an den<br />

Materialeigenschaften etwas verändert. Mithilfe einer internetfähigen<br />

Sensorik wird dann das Vorkommen der Markierung an einer<br />

beliebigen Stelle der Wertschöpfungskette überprüfbar, da die<br />

Sensoren ohne großen Aufwand implementiert werden können.<br />

Die mobile Sensorik arbeitet dabei so, dass mehrere Messungen<br />

pro Sekunde vorgenommen und in Echtzeit an einen Cloudspeicher<br />

gesendet werden. Durch einen mit dem Cloudspeicher verbundenen<br />

„KI-Hub“ erlauben die gesammelten Daten nicht nur Rückschlüsse<br />

auf Informationen zu Ort, Zeit, Verarbeitungsdauer des<br />

Materialstroms, sondern auch darauf, ob Rohs<strong>to</strong>ffe vermischt und/<br />

oder verschnitten wurden. Die Markierung ist so robust, dass die<br />

physischen und chemischen Merkmale während der Verarbeitung<br />

keinen Einfluss auf die Detektierbarkeit haben. Die Markierung ist<br />

ebenfalls noch nach fünfmaligem Waschen problemlos nachweisbar<br />

(nach ISO 15797).<br />

„Textilunternehmen tragen Verantwortung für ihre Produktion und<br />

sollen nachweisen, dass konkrete Sorgfaltspflichten entlang ihrer<br />

Wertschöpfungskette eingehalten werden – von der Baumwolle<br />

bis zum Hosenknopf“, erklärt MbB Renate Künast. „Mit moderner<br />

Technik klappt das auch. Deshalb bin ich Schirmherrin bei Tailorlux,<br />

die ein System entwickelt haben, mit dem man Rohs<strong>to</strong>ffe zuverlässig<br />

markieren kann. So lässt sich einfach überprüfen, woher der<br />

Rohs<strong>to</strong>ff kommt und ob die deklarierte Bio-Baumwolle auch tatsächlich<br />

Bio ist. Die Kunden haben das Recht zu wissen, ob drin ist,<br />

was drauf steht.“<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Tailorlux<br />

106 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG | THEMEN<br />

BEST PRACTICE IN DER<br />

SUPPLY CHAIN<br />

Pioniere der Textilbranche haben sich in der „Chetna Coalition“ zusammengeschlossen. Gemeinsam<br />

beziehen sie in Indien biologisch angebaute Baumwolle direkt von den Mitgliedern der „Chetna Organic<br />

Farmers Association“ (COFA).<br />

Von Fritz Lietsch<br />

Mehr als 9.000 in der COFA organisierte Bio-Baumwollbauern<br />

bewirtschaften auf einer Gesamtfläche von rund 13.000<br />

Hektar Bio-Baumwolle und sind Fairtrade zertifiziert. Die Landwirtschaft<br />

soll sich für sie nachhaltig gestalten und zu hundert<br />

Prozent ihren Lebensunterhalt sichern. Die Erzeuger setzen<br />

traditionelle Anbaupraktiken ein, verwenden nur gentechnikfreies<br />

Saatgut, natürlichen Dünger und verzichten vollständig<br />

auf künstliche Bewässerung und Pestizide. Damit schützen sie<br />

die Biodiversität auf ihren Anbauflächen. In einem 2<strong>01</strong>7 erbauten<br />

Trainingszentrum werden jährlich rund 5.000 Farmer zu<br />

nachhaltigem Baumwollanbau geschult. Dank all dieser Maßnahmen<br />

konnte der Ernteertrag gesteigert werden: Wurden im<br />

Jahr 2007 auf einer Anbaufläche von 4.000 Quadratkilometern<br />

noch rund 170-220 Kilogramm Bio-Baumwolle erwirtschaftet,<br />

waren es 2<strong>01</strong>8 auf gleicher Fläche schon 270-340 Kilogramm.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © © Dibella/GoodTextiles Stiftung<br />

GoodTextiles Stiftung – Mitwirken erwünscht<br />

Zur weiteren Unterstützung der Bio-Baumwollfarmer sowie<br />

deren Familien gründete Dibella im Sommer 2<strong>01</strong>6 die Good-<br />

Textiles Stiftung (GTF). Über die unabhängige Einrichtung<br />

können sich Unternehmen aktiv für die nachhaltigere Gestaltung<br />

von textilen Wertschöpfungsketten engagieren und auf<br />

Wunsch eigene Projekte ins Leben rufen. Bei der Ausarbeitung,<br />

Empfehlung und Konzeption geeigneter Förderprojekte<br />

wird der Stiftungsvorstand von sechs namhaften Experten<br />

für nachhaltige Textilproduktion, Umweltentwicklung und<br />

Corporate Social Responsibility beraten.<br />

Alles im Sack<br />

So ist beispielsweise das Baumwoll-Sack Projekt in Indien<br />

eine einfache und zugleich geniale Lösung, um die Qualität<br />

der handgepflückten Bio-Baumwolle zu verbessern. Baumwollfarmer<br />

erhalten über die Stiftung robuste, wiederverwendbare<br />

Baumwoll-Säcke, in denen ihre Ernte „sauber<br />

bleibt“, da sie vor Staub und Verunreinigungen geschützt<br />

gelagert wird. Die durch die saubere Baumwolle gesteigerte<br />

Qualität bewirkt, dass erstens die Erzeuger damit ein höheres<br />

Einkommen erzielen und zweitens ein entsprechend<br />

hochwertiges, langlebiges textiles Endprodukt zum Einsatz<br />

kommt. Und sollte ein Sack mal sein Lebensende erreicht<br />

haben, kann dieser vor Ort kompostiert werden.<br />

Ein ganzheitlicher Ansatz, von dem Umwelt und Menschen gleichermaßen<br />

profitieren. Der Bio-Baumwollanbau sichert dauerhaft das<br />

ökologische Gleichgewicht in der Anbauregion. Neben der Einhaltung<br />

von Sozialstandards fördert die Stiftung auch Schulprojekte.<br />

Messbare soziale Verbesserungen<br />

Auch die sozialen Schulbildungs-Projekte für die Kinder der<br />

Bio-Farmer verzeichnen große Erfolge. An einer Mädchenschule<br />

im Bundesstaat Telangana brachen viele Schülerinnen<br />

ihre Ausbildung ab, da sie weite Wege zur Schule zurücklegen<br />

mussten und passende Transportmittel fehlten. Um<br />

Abhilfe zu schaffen, wurden über Spendenmittel rund 70<br />

Fahrräder bereitgestellt. Mit dieser einfachen Maßnahme<br />

wurde die Abbruchquote von etwa 50 Prozent auf unter 0<br />

Prozent gesenkt.<br />

www.goodtextiles.org<br />

www.chetnaorganic.org.in<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

107


Textil-Leasing: ein Heimatmarkt mit Potenzial. Da es wenig Sinn ergibt, schmutzige Wäsche über Hunderte von Kilometern zu transportieren,<br />

gibt es Konkurrenzdruck lediglich aus benachbarten Ländern wie Polen, Österreich oder Holland.<br />

DIE ALTERNATIVE ZUM KAUF<br />

VON BERUFSKLEIDUNG<br />

Berufsbekleidung und Textilien für Unternehmen im Leasing-System bieten Hygiene, Schutz bei der Arbeit,<br />

die Möglichkeit für eine verbesserte Kreislaufwirtschaft und damit Entlastung für Beschaffung und Umwelt.<br />

Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen auf die textile Vollversorgung durch Dienstleister – vorrangig<br />

auf Mietbasis – setzen.<br />

Von Patrick Kohlas<br />

„Textil Service – mehr als Waschen!“ - das ist der Slogan, mit<br />

dem der Wirtschaftsverband Textil Service e.V. (WIRTEX) für<br />

die Dienstleistung seiner Mitgliedsunternehmen wirbt. Das<br />

Portfolio umfasst Berufsbekleidung, persönliche Schutzausrüstung<br />

für Arbeiten in Gefahrenbereichen sowie Spezialkleidung<br />

für sensible Hightech- und Reinraumanwendungen<br />

bis hin zu Hotel-, Gastronomie-, Krankenhaus- und Pflegewäsche,<br />

sowie Putztücher, Fußmatten, Waschraumhygiene<br />

und andere Arbeitsschutzartikel.<br />

Die Vorteile des Textil Service beschreibt der Verband mit<br />

schlagkräftigen Argumenten: Zertifizierte Prozesse in den<br />

Wäschereien, ein nachhaltiger Service-Kreislauf und eine<br />

ausgeklügelte Logistik für eine hygienische und sichere textile<br />

Versorgung. Die Textilen werden nicht länger von den<br />

Unternehmen gekauft, sondern vom Dienstleister bereitgestellt<br />

- das macht finanzielle Ressourcen frei und entlastet<br />

die Mitarbeiter. Das Kreislaufmodell des textilen Mietservice<br />

umfasst die Beratung, Ausstattung, Pflege, Logistik sowie<br />

Qualitätskontrolle und Dokumentation bis hin zur persönlichen<br />

Rücklieferung zum Kunden aus einer Hand.<br />

Vom Kaufen zum Mieten<br />

In Zeiten von Corporate Social Responsibility (CSR), Sharing<br />

Economy und Kreislaufwirtschaft liegt dieser Versorgungsweg<br />

absolut im Trend. So ist es nicht verwunderlich, dass<br />

textiles Leasing seit Jahren kontinuierlich wächst: Summiert<br />

man alle Kundensegmente, ergibt sich für das Jahr 2<strong>01</strong>7 ein<br />

Gesamtumsatz 3,49 Milliarden Euro. Damit konnte sich die<br />

Branche wiederum gegenüber dem Vorjahr steigern und<br />

den kontinuierlichen Wachstumskurs nicht nur fortsetzen,<br />

sondern die Vorjahre bei Weitem übertreffen. Belief sich das<br />

Wachstum im Jahr 2<strong>01</strong>5 noch auf 2,6 Prozent (3,32 Milliarden<br />

Euro) und im Folgejahr auf 1,9 Prozent (3,38 Milliarden<br />

Euro), konnte für 2<strong>01</strong>7 eine Steigerung von 3,2 Prozent in der<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Berendsen Textilservice | © CWS-boco<br />

108 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Klarer Vorteil: Leasing-Dienstleister sind diejenigen in der Kette, die Angebot und Kundenansprüche am besten miteinander verbinden und<br />

optimale Lösungen für die Anforderungen des Arbeitsschutzes anbieten können.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © DBL Marwitz | © MEWA<br />

Branche erreicht werden. Und dank der stabilen deutschen<br />

Wirtschaftslage sind die Auftragsbücher der textilen Dienstleister<br />

auch weiterhin gut gefüllt.<br />

Ressourcen schonen, Abfälle vermeiden<br />

Hohe Qualität und Umweltbewusstsein zahlen sich aus: Die<br />

im WIRTEX Verband zusammengeschlossenen Unternehmen<br />

setzen auf qualitativ hochwertige Bekleidung und Textilien,<br />

deren lange Lebenszyklen für eine hohe Umweltfreundlichkeit<br />

und Rentabilität sorgen. Zudem sind die Mitgliedsunternehmen<br />

dazu angehalten, bei Wasch- und Aufbereitungsverfahren<br />

auf höchstmögliche Umweltverträglichkeit zu achten.<br />

Erreicht wird dies durch Ressourcenschonung, technische<br />

Prozessoptimierungen in der Aufbereitung, Abfallminimierung<br />

sowie eine moderne Logistik. Und muss tatsächlich mal<br />

ein Textil aussortiert werden, dann wird es recycelt und als<br />

Putztuch weiterverarbeitet. Des Weiteren setzt sich der Verband<br />

laut eigenen Aussagen für die soziale Verantwortung<br />

seiner Mitgliedsunternehmen sowohl gegenüber Mitarbeitern,<br />

als auch entlang der Lieferkette ein und engagiert sich<br />

in Kooperationen für <strong>Nachhaltig</strong>keit – wie dem Bündnis für<br />

nachhaltige Textilien oder dem UN Global Compact.<br />

Kunde, Kleidung und Künstliche Intelligenz<br />

„Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Robotik haben<br />

immer größeren Einfluss auf unser Leben und die Wirtschaft.<br />

Berufskleidung – Einsatzbereiche und<br />

Anbieter<br />

In folgenden Branchen findet Mietkleidung Anwendung:<br />

• Gastronomie und Hotellerie<br />

• Industrie und Produktion<br />

• Werkstatt und Kraftfahrzeugwesen<br />

• Garten- und Landschaftsbau<br />

• Handwerk<br />

• Business Wear<br />

Das betrifft sowohl die Textil Service-Branche, als auch deren<br />

Zulieferer. Der Textil Service-Markt bietet vielfältige Möglichkeiten<br />

für die Digitalisierung und den Einsatz künstlicher<br />

Intelligenz. Wo andere nur über Breitband reden, sind wir<br />

bereits am Start,, be<strong>to</strong>nt Dr. Andreas Marek vom WIRTEX.<br />

Ein Beispiel für innovative Technik seien systemübergreifende<br />

Technologien, die gesam<strong>the</strong>itlich in der Wäscherei eingesetzt<br />

werden können. Dazu zählen innovative Sortier- und Verteilsysteme,<br />

Energie-Management-Systeme und einheitliche Steuerungslösungen.<br />

So dienen digitalisierte Zeit-, Temperatur-,<br />

Chemikalien- und PH-Überwachungssysteme der Qualitätsüberwachung.<br />

Im Bereich Robotisierung von Schmutzwäsche<br />

ist die vollau<strong>to</strong>matische Sortierung ein weiterer Schritt. Sie<br />

verhindert Fehlsortierungen, kann Schmutzwäsche mit und<br />

ohne Chip unterscheiden und die Eingangszahl der Artikel<br />

au<strong>to</strong>matisch den Artikeln zuordnen. „Sehr einfache Tätigkeiten<br />

werden heute schon au<strong>to</strong>matisiert. Arbeitsplätze wandeln<br />

sich mit dem technischen Fortschritt. Dafür entstehen neue<br />

Arbeitsprozesse, die wiederum neue Arbeitsplätze schaffen,“<br />

erklärt Dr. Marek und ergänzt: „heute erledigen Roboter 29<br />

Prozent der Arbeitsstunden; 2025 werden es bereits 50 Prozent<br />

sein. Der Markt wächst und für den Wandel müssen wir<br />

Mensch und Technik vernetzen. Im Kontext der Nachwuchsförderung<br />

sehen sich daher die Mitgliedsunternehmen in<br />

einer personellen Verantwortung und engagieren sich in<br />

Kooperation mit Gewerkschaften und weiteren Fachverbänden<br />

um die Neuausrichtung des Berufs „Textilreiniger“. „Wir<br />

brauchen qualifizierten Nachwuchs, auch im Zeitalter der<br />

Digitalisierung. Uns ist es wichtig, zu vermitteln, dass unsere<br />

Mitgliederunternehmen zuverlässige und sichere Arbeitgeber<br />

sind“, be<strong>to</strong>nt Dr. Andreas Marek.<br />

DR. PATRICK KOHLAS<br />

ist seit Anfang 2<strong>01</strong>8 als Referent Arbeitsgremien beim Wirtschaftsverband<br />

Textil Service - WIRTEX e.V. beschäftigt. Der Politikwissenschaftler<br />

hat sich während seines Studiums verstärkt mit den<br />

Themenfeldern verbandliche Interessenvertretung und politische<br />

Lobbyarbeit beschäftigt.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

109


Gemeinsam mit den Städten Bonn, Köln und Stuttgart hat FEMNET praktische Modelle entwickelt, um Sozialstandards in die Beschaffung<br />

einzubeziehen. Ergo: Durch die Verbesserung globaler Lebens- und Arbeitsbedingungen werden Steuergelder nachhaltig eingesetzt.<br />

WER EINKAUFT, HAT<br />

EINFLUSS AUF DEN MARKT.<br />

Wer viel einkauft, hat auch viel Einfluss.<br />

Die Wirtschaftsmacht kommunaler Einrichtungen ist nicht zu unterschätzen, wenn es um die Durchsetzung<br />

nachhaltiger Kriterien in den Lieferketten geht: Deutsche Steuergelder dürfen andernorts nicht zu Umweltschäden<br />

und Verletzungen von Menschenrechtsstandards führen.<br />

Von Marijke Mulder<br />

Nach Schätzungen der Bundesregierung beschafft die öffentliche<br />

Hand jährlich immerhin Waren und Dienstleistungen<br />

im Wert von rund 350 Milliarden Euro. Ein erheblicher Anteil<br />

der Beschaffung bezieht sich auf den Bereich der Berufsbekleidung.<br />

Mitarbeiter von Bauhöfen, Feuerwehren, Kantinen,<br />

Krankenhäusern, Schwimmbädern, Friedhöfen und Zoos,<br />

in der Grünflächenpflege, der Stadtreinigung und anderen<br />

Einrichtungen müssen entsprechend ausgestattet werden.<br />

Viel zu selten wird bisher jedoch auf die Herstellungsbedingungen<br />

dieser Textilien geachtet. Dabei gelten sie in der<br />

öffentlichen Beschaffung als „sensible Produkte“.<br />

Einer muss mutig vorangehen<br />

Während der fair gehandelte Kaffee in vielen Kommunen<br />

heute zum Standard gehört, ist das Thema der fairen Berufskleidung<br />

kaum im Bewusstsein der Beschaffer. Und das<br />

hat Gründe: Auf regionale Produkte kann hier nur selten<br />

oder gar nicht ausgewichen werden und die Verteilung der<br />

Produktion über viele Einzelschritte und -unternehmen, die<br />

beispielsweise nur für die Garnherstellung oder das Nähen<br />

des Endprodukts zuständig sind, führt zu Intransparenz. In<br />

den letzten Jahren haben sich jedoch erste Kommunen auf<br />

den Weg gemacht, ihren Textileinkauf nachhaltiger zu gestal-<br />

Fo<strong>to</strong>: © Stadt Bonn, Barbara Frommann<br />

110 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.


FEMNET bildet Multiplika<strong>to</strong>ren für die Beratung zu Fragen fairer Berufskleidung aus. Die Steuerungsgruppen von Fairtrade-Towns können die<br />

Einführung einer fairen öffentlichen Beschaffung unterstützen.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © FEMNET<br />

Die ILO setzt Standards<br />

Als Sonderorganisation der Vereinten Nationen ist die International<br />

Labour Organisation (ILO) damit beauftragt soziale Gerechtigkeit<br />

sowie Menschen- und Arbeitsrechte zu fördern. Besondere Beachtung<br />

verdienen dabei folgende Kernarbeitsnormen:<br />

• Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen<br />

(Nr. 29, 105)<br />

• Beseitigung der Zwangsarbeit (Nr. 100, 111)<br />

• Abschaffung der Kinderarbeit (Nr. 138, 182)<br />

• Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf<br />

(Nr. 87, 98)<br />

Weitere Standards der ILO, die in der Bekleidungsindustrie<br />

essenziell sind:<br />

• Wöchentliche Arbeitszeitbegrenzung (48 Stunden) + max. 12<br />

freiwillige Überstunden (ILO-Übereinkommen 1)<br />

• Recht auf existenzsichernden Lohn (ILO-Übereinkommen<br />

26+131)<br />

• Stabiles + vertraglich geregeltes Beschäftigungsverhältnis<br />

(ILO-Empfehlung 1998)<br />

• Bestmöglicher Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />

(ILO-Übereinkommen 155)<br />

www.ilo.org<br />

ten, indem sie auf die Einhaltung sozialer und ökologischer<br />

Kriterien achten. Diese Leuchtturmprojekte haben eine große<br />

Vorbildwirkung: Sie können Handwerksunternehmen und<br />

Privatpersonen zum Nachdenken und Handeln motivieren,<br />

vor allem aber auch anderen Kommunen zeigen, dass eine<br />

faire öffentliche Beschaffung möglich ist.<br />

Ein Pilotprojekt zur fairen Beschaffung von Berufs- und<br />

Schutzkleidung für das Amt für Stadtgrün führte die Stadt<br />

Bonn zwischen 2<strong>01</strong>5 und 2<strong>01</strong>7 gemeinsam mit Femnet als Berater,<br />

durch. Die erfolgreiche Zusammenarbeit wurde für eine<br />

weitere Ausschreibung von Dienst- und Schutzkleidung inklusive<br />

Lederwaren ab 2<strong>01</strong>8 fortgesetzt, in der Schnittschutzhosen,<br />

Forstjacken und Winterwesten, aber auch Forststiefel<br />

und Arbeitshandschuhe nach fairen Kriterien beschafft wurden.<br />

Bieter, die für sozial gerechte Produktionsbedingungen<br />

in der Ausschreibung positiv berücksichtigt werden wollten,<br />

mussten ihren Angeboten konkrete Nachweise beilegen. Je<br />

mehr Maßnahmen die Bieter zur glaubwürdigen Kontrolle<br />

der ILO-Arbeitsnormen in einem Fragenkatalog nachweisen<br />

konnten, des<strong>to</strong> mehr Punkte konnten sie erzielen. Es trafen<br />

ausreichend Angebote für eine Vergabe ein.<br />

Verbliebene Zweifel sind unbegründet<br />

Dass trotzdem vielerorts Zurückhaltung bei der Berücksichtigung<br />

fairer Kriterien in Ausschreibungen herrscht, erklärt sich<br />

auch dadurch, dass viele Beschaffer fürchten, sich hiermit in<br />

einen rechtsunsicheren Raum zu begeben. Diese Ängste sind<br />

heute jedoch unbegründet. Während nachhaltige Kriterien<br />

früher oft als „vergabefremd“ galten, sind sie spätestens<br />

seit der EU-Vergaberechtsreform 2<strong>01</strong>4 als Grundsätze der<br />

Vergabe gesetzt und können in verschiedenen Stadien des<br />

Beschaffungsprozesses verankert werden. So können sie<br />

etwa als Bedingung zur Auftragsausführung, als verbindliches<br />

Leistungsmerkmal oder Wertungskriterium in die<br />

Ausschreibung aufgenommen werden. Die Praxisbeispiele<br />

zeigen rechtssichere Verfahren und auch die Rechnungshöfe<br />

des Bundes und der Länder haben sich im Ok<strong>to</strong>ber 2<strong>01</strong>8 explizit<br />

zur Agenda 2030 und damit zu den Zielen nachhaltiger<br />

Entwicklung bekannt.<br />

Die allmählich wachsende Nachfrage nach fair produzierter<br />

Berufsbekleidung hat auch ihre Wirkung auf deren Hersteller,<br />

die unterschiedlich viel tun, um die Arbeitsbedingungen und<br />

Umweltauswirkungen in ihren Lieferketten zu verbessern.<br />

Für Einkäufer haben sich zahlreiche Systeme entwickelt, mit<br />

denen Unternehmen ihr Engagement bei einzelnen Produkten<br />

oder in ihren Zuliefersystemen insgesamt glaubwürdig<br />

belegen können. Diese Hilfsmittel kann man sich in der<br />

öffentlichen Beschaffung ebenso wie im privaten Konsum zunutze<br />

machen. Dabei ist zwischen Produktsiegeln, wie GOTS<br />

oder dem Fairtrade Cot<strong>to</strong>n Standard, und Mitgliedsinitiativen<br />

für Unternehmensverantwortung, wie etwa der Fair Wear<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

111


THEMEN | TEXTILIEN – BERUFSBEKLEIDUNG<br />

Foundation, zu unterscheiden. Produktsiegel weisen nach,<br />

dass bei einem bestimmten Produkt vorgegebene Kriterien<br />

wie etwa die Zahlung fairer Preise und Prämien an Baumwollbauer<br />

oder das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit in<br />

den Nähfabriken eingehalten werden. Bei Mitgliedsinitiativen<br />

wird das Unternehmen Teil eines Verbands, der Maßnahmen<br />

zur Unternehmensverantwortung wie etwa zur Erreichung<br />

eines existenzsichernden Lohnes oder Trainings für Arbeiter<br />

in seinem Zuliefernetzwerk vorschreibt.<br />

Hilfestellung für die Beschaffung<br />

Eine Siegelübersicht sowie weitere Best Practice Beispiele finden<br />

Sie mit dem Kompass <strong>Nachhaltig</strong>keit unter www.kompass-nachhaltigkeit.de.<br />

Beratungsangebote zur fairen öffentlichen Beschaffung<br />

bieten nachfolgende Organisationen:<br />

• FEMNET e.V.<br />

www.femnet-ev.de/faire-beschaffung<br />

• Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamt<br />

des Bundesministeriums des Innern<br />

www.nachhaltige-beschaffung.info<br />

• Servicestelle Kommunen in der Einen Welt bei Engagement Global<br />

www.service-eine-welt.de<br />

Steuergelder nachhaltig eingesetzt<br />

Sich für eine faire öffentliche Beschaffung zu entscheiden bedeutet,<br />

Steuergelder bewusst in den Schutz von Umwelt und<br />

Menschenrechten zu investieren, um so die Förderung ausbeuterischer<br />

Produktionsbedingungen nicht länger fortzusetzen.<br />

Am Wissen um die Möglichkeiten einer Berücksichtigung<br />

nachhaltiger Kriterien in den Ausschreibeverfahren fehlt es<br />

jedoch noch zu oft. FEMNET bildet darum Multiplika<strong>to</strong>ren<br />

aus, die in ihrer Kommune zur fairen öffentlichen Textilbeschaffung<br />

aktiv werden wollen, und bietet in Kooperation<br />

mit Transfair e.V. auch Strategieworkshops zur Einführung<br />

einer fairen öffentlichen Beschaffung in Fairtade-Towns an.<br />

Im Februar erschien 2<strong>01</strong>9 der von FEMNET erstellte der<br />

Leitfaden „Möglichkeiten einer ökologisch und sozial nachhaltigen<br />

öffentlichen Beschaffung“.<br />

MARIJKE MULDER<br />

beschäftigt sich schon ihr ganzes Leben mit globaler Zusammenarbeit.<br />

Nach langer Tätigkeit im Bereich Städtepartnerschaften ist<br />

sie seit 2<strong>01</strong>8 bei FEMNET für die Bildung- und Beratung im Bereich<br />

der fairen öffentlichen Beschaffung tätig.<br />

60 JAHRE HINGABE ZU<br />

NACHHALTIGER<br />

ARBEITSBEKLEIDUNG<br />

LEBENSLANGE GARANTIE AUF ALLE NÄHTE<br />

Längere Haltbarkeit führt zu geringeren Auswirkungen auf das Klima, sowohl beim Transport als<br />

auch beim Verbrauch von Rohs<strong>to</strong>ffen und anderen Ressourcen. Workwear von Blåkläder hält länger<br />

112 und bietet eine lebenslange Garantie auf alle Nähte.*<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />

*Mehr Infos unter: www.blaklader.de<br />

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TEXT | THEMEN<br />

ALEXA, GEH FÜR MICH<br />

ZUR ARBEIT<br />

Digitalisierung ist kein Monster<br />

Ein Kommentar von Carl-Ernst Müller, B.A.U.M. e.V.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Simon Veith, nachhaltige Fo<strong>to</strong>grafie<br />

Falls Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zu dem Teil der erwerbstätigen<br />

Bevölkerung gehören, der heute noch kein<br />

vertrauensvolles Gespräch mit dem Feelgood-Manager im<br />

Büro geführt hat, oder falls es diese Funktion in Ihrem Unternehmen<br />

vielleicht (noch) gar nicht gibt – bitte verzweifeln<br />

Sie nicht. Greifen Sie einfach in den nächsten Obstkorb oder<br />

lassen Sie Ihrem Unmut am Fußball-Kicker kurz freien Lauf.<br />

Auch diese arbeitnehmerfreundlichen Maßnahmen sind in<br />

Ihrem Büro nicht vorhanden? Keine Panik! Es kann dennoch<br />

sein, dass sich Ihr Unternehmen auf dem richtigen Kurs in<br />

Richtung New Work befindet.<br />

Der Begriff ist aktuell in aller Munde, auch wenn das, was<br />

sich dahinter tatsächlich verbirgt, sehr unterschiedlich<br />

interpretiert wird. New Work ist ein an Überlegungen des<br />

österreichischen Philosophen Frithjof Bergmann zum Ende<br />

der 40-Stunden-Woche angelehnter Begriff, der heute<br />

synonym für einen fundamentalen Wertewandel unseres<br />

Arbeitsmodells steht. Begriffe wie Selbstständigkeit, Freiheit<br />

und Teilhabe ersetzen klassische hierarchische Strukturen.<br />

Warum? Im internationalen Wettbewerb werden die Märkte<br />

enger. Unternehmen müssen schneller auf die vielfältigen<br />

Veränderungen reagieren können.<br />

Das nötige Tempo können nur die Unternehmen halten, die<br />

ihren Mitarbeitenden mehr Entscheidungsfreiheiten zusichern.<br />

In hierarchischen Strukturen ist dies kaum möglich.<br />

Arbeit muss also neu organisiert werden. Statt von oben nach<br />

unten zu denken, bietet eine Organisation in Kreisstrukturen<br />

deutlich schnellere und innovative Lösungsansätze.<br />

Die Realität sieht heute jedoch häufig anders aus: Führungskräfte<br />

sind stark in operative Prozesse eingebunden. Ihnen<br />

fehlt die Zeit, sich um die tatsächliche Führung ihrer Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter und die strategische Ausrichtung<br />

des Unternehmens zu kümmern.<br />

Als Allheilmittel gilt häufig die Digitalisierung. Und so wird<br />

vieles, was digitalisiert oder au<strong>to</strong>matisiert werden kann,<br />

ohne eine nachhaltige Folgenabschätzung auf diesen Weg<br />

gebracht. Klar ist: Maschinen und Computer werden künftig<br />

einen großen Teil der bisher von Menschen verrichteten<br />

Arbeiten übernehmen. Dies bietet sowohl Gefahren als<br />

auch Chancen für <strong>Nachhaltig</strong>keit. Gleichzeitig müssen wir<br />

uns die Gretchen-Frage stellen: Wenn Maschinen künftig so<br />

manche Tätigkeit besser ausüben können als wir, braucht<br />

Arbeit uns streng genommen nicht mehr. Brauchen wir<br />

überhaupt Arbeit?<br />

In diesem Spannungsfeld ist New Work zum zentralen<br />

Leitwort für den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft<br />

geworden. Technik kann allerdings immer nur<br />

unterstützen. Maßgeblich ist eine neue, digitale Unternehmenskultur.<br />

Dafür brauchen wir eine neue Gestaltung nicht<br />

nur der IT-Infrastrukturen. Es geht konkret um Werte. Nur mit<br />

Vision, Vertrauen und Vorsicht kommt die Digitalisierung in<br />

die richtige Richtung. Das Konzept der Leistungsgesellschaft<br />

greift nicht mehr. Es heißt weder, leben um zu arbeiten, noch<br />

arbeiten um zu leben.<br />

CARL-ERNST MÜLLER<br />

ist Koordina<strong>to</strong>r von nachhaltig.digital, einem 2<strong>01</strong>8 ins Leben gerufenen<br />

gemeinsamen Projekt von B.A.U.M. e.V. und der Deutschen<br />

Bundesstiftung Umwelt (DBU). Unter dem Claim „alle antworten“<br />

werden auf der Kompetenzplattform für <strong>Nachhaltig</strong>keit und Digitalisierung<br />

im Mittelstand Lösungen für technische, ökonomische,<br />

ökologische, soziale, ethische und kulturelle Fragen vorgestellt, die<br />

das Potenzial haben, Digitalisierung zum besten Instrument für eine<br />

lebenswerte Zukunft zu machen. www.nachhaltig.digital<br />

Der Jahreskongress am 20. März 2<strong>01</strong>9 steht unter den Leit<strong>the</strong>men<br />

„Künstliche Intelligenz“, „Messbarkeit“ und „New Work“ und der<br />

Frage, wie diese in den drei unternehmerischen Dimensionen<br />

„Personen“, „Produkte“ und „Prozesse“ für eine nachhaltig.digitale<br />

Transformation genutzt werden können.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

113


Das Designobjekt „Beam armchair with cushions“ des Niederländers<br />

Piet Hein Eek. Bei diesem aus verwitterten und gut abgelagerten<br />

Holzplanken produzierten Sessel ist jede Verbindung und Schraube<br />

deutlich zu sehen. Das Polster ist mit Militärzelts<strong>to</strong>ff bezogen. Das<br />

Exponat wirkt wuchtig, massiv und brachial. Beachtlich ist auch der<br />

Preis 2.090 €.<br />

Fo<strong>to</strong>: © Piet Hein Eek<br />

114 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


KONSUM UND GESELLSCHAFT | THEMEN<br />

DIE ALCHEMISTEN<br />

DES DESIGNS<br />

Billigmaterialien, Sperrmüll, Unkraut und Müll – das alles kann durch Kr<strong>eat</strong>ivität zur Kunst werden. Die<br />

Ausstellung „Pure Gold – Upcycled! Upgraded!“ befasst sich mit dem alten Traum der Alchemisten: Der<br />

Verwandlung von Müll in etwas Wertvolles – und zeigt dabei erstaunliche Transformationen.<br />

Die <strong>forum</strong>-Serie „<strong>Nachhaltig</strong>Kunst“ stellt in dieser Ausgabe die Kunst- und Designausstellung Pure Gold – Upcycled!<br />

Upgraded! vor, die internationale Positionen und Vorgehensweisen zeigt, aus kostenlosen oder billigen Materialien wie<br />

Baustahl, Plastikbechern oder Plastiktüten wertvolle, äs<strong>the</strong>tische und nützliche Objekte zu schaffen.<br />

von Carsten Baumgarth<br />

Eine Idee geht auf Welt<strong>to</strong>urnee<br />

Pure Gold ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt. 2<strong>01</strong>4 von<br />

Volker Albus initiiert, wird die Ausstellung von acht Kura<strong>to</strong>ren<br />

betreut. Sie entstand in Zusammenarbeit mit regionalen<br />

Künstlern, Designern und Kr<strong>eat</strong>iven und wird finanziell und<br />

organisa<strong>to</strong>risch getragen vom Institut für Auslandsbeziehungen.<br />

Das Ausstellungskonzept basiert dabei auf zwei Säulen: der<br />

physischen Ausstellung und einer digitalen Plattform. Die<br />

physische Ausstellung, die insgesamt 70 Exponate zeigt,<br />

wurde erstmalig von September 2<strong>01</strong>7 bis Januar 2<strong>01</strong>8 im<br />

Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg gezeigt. Nun<br />

befindet sie sich für die nächsten zehn Jahre auf Welt<strong>to</strong>urnee.<br />

Die Stationen für 2<strong>01</strong>8 waren Bangkok und London.<br />

Die Ausstellung wird vor Ort nicht nur durch Workshops und<br />

Konferenzen ergänzt. Auch lokale Designer und Künstler sind<br />

eingeladen, sich mit Exponaten zu beteiligen.<br />

Upcycling – der neue Megatrend<br />

„Upcycling“ ist als Begriff noch relativ jung. Er wurde 1994<br />

vom Ingenieur und Unternehmer Reiner Pilz in der Zeitschrift<br />

Salvo verwendet und richtete sich damals gegen<br />

eine Abfallrichtlinie. Pilz äußerte sich dazu folgendermaßen:<br />

„Recycling‘ ... I call it down-cycling. They smash bricks, <strong>the</strong>y<br />

smash everything. What we need is up-cycling where old<br />

products are given more value, not less“. Im industriellen<br />

Umfeld hat insbesondere der Cradle-<strong>to</strong>-Cradle-Ansatz von<br />

Michael Braungart und William McDonough zur Verbreitung<br />

des Upcycling-Gedankens beigetragen. Allerdings ist die Idee,<br />

die hinter dem Begriff Upcycling steht, bereits viel älter. Ein<br />

klassisches Beispiel ist die Umnutzung von Kriegsmaterial,<br />

wie zum Beispiel von Helmen oder Granatenhülsen, in Kochgeschirr<br />

und Lampen nach dem zweiten Weltkrieg.<br />

Heute lässt sich Upcycling einerseits im privaten Hobby- und<br />

Do-it-yourself-Umfeld vorfinden. Allein bei Amazon liefert<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

115


THEMEN | KONSUM UND GESELLSCHAFT<br />

Rubber S<strong>to</strong>ol R1 ist Teil einer Serie, die verschiedene Möbel wie Sessel, Bänke und Tische aus alten Au<strong>to</strong>reifen umfasst. Die verschiedenen<br />

Profile der Au<strong>to</strong>reifen und das Anmalen in Silber, Gold und Kupfer bilden einen echten Hingucker in urban-modernen Wohn- und Büroumgebungen.<br />

etwa die Suche nach Büchern zum Upcycling mehr als 200<br />

Ratgeberbücher und auch die sogenannte „Maker-Szene“<br />

wird immer größer. Andererseits findet man Upcycling-Ansätze<br />

zunehmend auch im kommerziellen Umfeld. H&M<br />

etwa ruft im Rahmen seiner „Garement Collection“ zum<br />

Abgeben alter Kleidung auf, um daraus Neues herzustellen.<br />

Bei anderen großen Marken gibt es Ähnliches. Upcycling ist<br />

auf dem Weg, zum Megatrend zu werden.<br />

Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine einheitliche<br />

Strategie, denn das Konzept kann vielfältige Ausprägungen<br />

annehmen. Beispielsweise produzieren die Modemarke<br />

Ecoalf oder Patagonia, der Schulranzen-Hersteller Ergobag<br />

und das Bodenbelagsunternehmen Interface ihre Produkte<br />

aus Materialien, die vorher Fischernetze oder PET-Flaschen<br />

waren. In den neuen Endprodukten sind das Ausgangsmaterial<br />

sowie die frühere Nutzung nicht mehr erkennbar. Dieser<br />

Ansatz zielt darauf ab, konventionelle oder gar „ökologisch<br />

unkorrekte“ Rohmaterialien durch „upgecycletes Material“<br />

zu ersetzen und dabei trotzdem die Äs<strong>the</strong>tik und Qualität<br />

der konventionellen Produkte zu erreichen.<br />

Das Produkt bleibt, die Nutzung ändert sich<br />

Die Ausstellung Pure Gold präsentiert mit der sogenannten<br />

„as found-Strategie“ einen anderen Ansatz des Upcyclings.<br />

Bei diesem Ansatz werden ver- und gebrauchte Gegenstände<br />

oder relativ billige Alltagsgegenstände ebenfalls zu<br />

neuen Produkten verarbeitet; die Ursprungsobjekte bleiben<br />

hierbei jedoch für den Nutzer und Betrachter mehr oder<br />

weniger klar erkennbar. Die neuen Produkte negieren die<br />

Vorgängerverwendung also nicht, sondern sollen durch<br />

handwerkliche Qualitäten und Äs<strong>the</strong>tik ein neues Begehren<br />

erzeugen. Dieser „as found-Ansatz“ ist sehr breit einsetzbar,<br />

da er keine teuren Maschinen zur technischen Zerlegung<br />

des Ausgangsmaterials erfordert. Er funktioniert manuell<br />

und mit einfachsten Werkzeugen. Außerdem kommuniziert<br />

er den Gedanken des Upcyclings auch gegenüber dem<br />

Rezipienten viel stärker, denn das Erkennen der Ausgangsmaterialien<br />

macht das Upcycling für den Nutzer erleb- und<br />

nachvollziehbar.<br />

Die Highlights der Ausstellung<br />

Es ist hier nicht möglich, alle Exponate der Ausstellung vorzustellen,<br />

weshalb ich die persönlichen Highlights meines<br />

Streifzugs durch die Ausstellung vorstelle. Objekte, die<br />

ich als besonders überraschend, äs<strong>the</strong>tisch oder nützlich<br />

empfand.<br />

Der englische Designer Paul Cocksedge ist in der Ausstellung<br />

mit seiner 2002 erstellten Lampe „Styrene“ vertreten.<br />

Diese Arbeit verarbeitet hunderte erhitzte Plastikbecher<br />

aus Polystyrol zu einer kugelförmigen Lampe. Durch die<br />

unregelmäßigen Ränder entstand eine interessante, äs<strong>the</strong>tische<br />

und fast organisch wirkende Lampe, die erst auf den<br />

zweiten Blick das Geheimnis ihres Ursprungs verrät. Dieses<br />

Objekt ist ein starkes Beispiel dafür, wie aus dem Prinzip<br />

des Wegwerfens ein Prinzip des Begehrens wird. Volker<br />

Albus merkte dazu in einem Interview für die Zeitschrift<br />

Arch+ an, dass die Konsumgesellschaft nach dem Prinzip<br />

des Begehrens funktioniere und ein dauernder Appell mit<br />

erhobenem Zeigefinger zum Konsumverzicht nicht zu dem<br />

notwendigen Wandel der Konsummuster führen werde.<br />

Das zweite Objekt ist der „Beam armchair with cushions“ des<br />

Niederländers Piet Hein Eek. Dieser ist aus verwitterten und<br />

gut abgelagerten Holzplanken produziert und jede Verbindung<br />

und Schraube ist deutlich zu sehen. Das Polster ist mit<br />

Militärzelts<strong>to</strong>ff bezogen. Das Exponat wirkt wuchtig, massiv<br />

und brachial. Piet Hein Eek bietet seinen Sessel in seinem<br />

Onlineshop und seinem „Kaufhaus“ zum Kauf an – für 2.090<br />

€. Dieser s<strong>to</strong>lze Preis ist ein weiterer Indika<strong>to</strong>r für das Prinzip<br />

des Begehrens, für das Habenwollen von Upcycling-Design<br />

und für den Wert von Dingen ...<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Institut für Auslandsbeziehungen<br />

116 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


Den Korpus der Hocker Knit-Knacks bilden alte Waschmaschinentrommeln,<br />

die in Anlehnung an arabische Muster farbenprächtig<br />

verziert sind. Ein Second Life für Ihre Waschmaschine.<br />

Alte Magnetbänder und in Streifen geschnittene Plastiktüten werden<br />

kunstvoll verwoben. Daraus entstehen neue Einkaufsbeutel mit<br />

hohem künstlerischem Anspruch.<br />

Das Objekt „Knit-Knacks“ aus dem Jahre 2<strong>01</strong>2 stammt vom<br />

Kr<strong>eat</strong>ivduo Junk Munkez, hinter dem Xavier Baghdadi und Lea<br />

Kirdikian aus dem Libanon stehen. Sie kreieren aus lokalen<br />

Abfällen witzige und inspirierende Objekte. Den Korpus der<br />

Hocker Knit-Knacks bilden alte Waschmaschinentrommeln,<br />

die in Anlehnung an arabische Muster von Gebäuden und<br />

Artefakten farbenprächtig verziert sind. Auf seiner Facebook-Seite<br />

bietet das Designkollektiv aktuell auch zwei Knit-<br />

Knacks für 200 $ an, die mit Motiven von Picasso und Jean<br />

Cocteau verziert sind.<br />

Auch das Exponat „Rubber S<strong>to</strong>ol R1“ von Khmissa Morocco<br />

Design aus München lädt zum Sitzen ein. Hinter Khmissa<br />

Morocco Design stehen die deutsche Bettina Gousset und<br />

der Marokkaner Said Lamghari, die mit ihren Entwürfen<br />

marokkanische Traditionen mit modernem Design verbinden<br />

wollen. Rubber S<strong>to</strong>ol R1 aus dem Jahre 2005 ist Teil einer<br />

ganzen Serie, die verschiedene Möbel wie Sessel, Bänke und<br />

Tische aus alten Au<strong>to</strong>reifen umfasst. Die Au<strong>to</strong>reifen werden<br />

bei diesem Stuhl auf einen Holzkorpus genagelt. Die verschiedenen<br />

Profile der Au<strong>to</strong>reifen und das Anmalen der Reifen<br />

in Silber, Gold und Kupfer lassen die ausrangierten Reifen<br />

modern erscheinen und bilden einen echten Hingucker in<br />

urban-modernen Wohn- und Büroumgebungen.<br />

Das letzte Exponat meines Streifzugs bildet die Serie „Mein<br />

Name ist Hase“, „D<strong>eat</strong>h in Venice“ und „Forest Gump“ (alle<br />

2<strong>01</strong>5) der Künstlerin und Schneiderin Waltraud Münzhuber,<br />

ebenfalls aus München. Schon seit vielen Jahren produziert<br />

sie aus Plastiktüten Taschen. Dabei wird aus jeweils einer<br />

Plastiktasche durch Zerschneiden in dünne Bahnen und<br />

Weben eine neue Tasche ohne Nähte erschaffen. Bei den<br />

drei Objekten in der Ausstellung Pure Gold verarbeitet die<br />

Künstlerin alte Videobänder mithilfe einer Webtechnik zu<br />

beutelartigen Gebilden. Jedes Exponat besteht genau aus<br />

einem Film und weckt damit beim zweiten Blick Erinnerungen<br />

an Meisterwerke des Kinos. Neben diesem symbolischen<br />

Wert, der durch die Namensgebung und durch die „Vorgeschichte“<br />

auch vielen anderen Exponaten der Ausstellung<br />

innewohnt, erzeugt hier die besondere Beschaffenheit des<br />

Materials Magnetband interessante, metallische-glänzende<br />

Lichtreflexionen.<br />

Die vorgestellte Auswahl stellt nur einen kleinen Ausschnitt<br />

der gezeigten Exponate dar. Diese wie auch die übrigen<br />

Objekte inspirieren und machen Lust auf eigenes Upcycling<br />

oder den Kauf von Upcycling-Produkten. Aber wie bei vielen<br />

Ausstellungen erschließt sich der volle Wert der Objekte<br />

nur, wenn man sich genauer mit den Kr<strong>eat</strong>iven dahinter,<br />

den Philosophien und Ideen der Exponate sowie den angewandten<br />

(handwerklichen) Techniken auseinandersetzt. Der<br />

zur Ausstellung erschienene Katalog sowie die digitale Plattform<br />

bieten deshalb gute Möglichkeiten, sich mit kr<strong>eat</strong>ivem<br />

Upcycling-Design intensiver auseinanderzusetzen.<br />

www.puregold.ifa.de<br />

PROF. DR. CARSTEN BAUMGARTH<br />

ist Professor für Marketing, insbesondere Markenführung an der<br />

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Er beschäftigt sich seit<br />

Jahren mit der Verbindung von Marke und <strong>Nachhaltig</strong>keit sowie den<br />

Verknüpfungen zur Kunst. Speziell die Kooperation von Kunst und<br />

Unternehmen ist ihm ein Anliegen.<br />

www.arts-push-business.de<br />

Die Serie „<strong>Nachhaltig</strong>Kunst“ stellt in jeder Ausgabe einen Künstler,<br />

eine Künstlergruppe, ein Kunstwerk und/oder ein Kunstprojekt<br />

vor, welche die Sphären <strong>Nachhaltig</strong>keit und Kunst interessant<br />

verbinden. Das soll Sie als Leser berühren und für Kunst begeistern.<br />

Es darf aber auch als Inspiration für Unternehmen, Institutionen<br />

und NGOs dienen, sich mit den Potenzialen von Kunst für die<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitskommunikation auseinanderzusetzen. Gerne nehmen<br />

wir auch Ihre Vorschläge für Beiträge zu „<strong>Nachhaltig</strong>Kunst“ entgegen.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

117


THEMEN | KONSUM UND GESELLSCHAFT<br />

DIE INSEL DER TRÄUME<br />

You come with a footprint – please leave a handprint<br />

Die negativen Auswirkungen des Tourismus sind bekannt: Verkehrs- und Flugemissionen, überlaufene<br />

Städte und verschmutzte Strände. Doch es gibt auch die positiven Auswirkungen und Chancen, die der<br />

Tourismus mit sich bringen kann. Ein Pilotprojekt soll zeigen, wie Veranstalter, lokale Agenturen, Hotels,<br />

Verwaltung, Regierung und Touristen gemeinsam eine nachhaltige Destinationsentwicklung nutzen können.<br />

Kommen Sie dazu mit uns nach Mauritius.<br />

Von Fritz Lietsch & Andreas Koch<br />

Fo<strong>to</strong>: © LY Hoang Long<br />

118 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


KONSUM UND GESELLSCHAFT | THEMEN<br />

Bei Mauritius denkt man nicht nur an eine der wertvollsten<br />

Briefmarken der Welt, die Blaue Mauritius, sondern auch<br />

an eine tropische Insel mit langen Stränden, Lagunen und<br />

Riffen sowie an unberührte Natur, wie etwa den Black River<br />

Gorges Nationalpark mit Regenwäldern, Wasserfällen,<br />

Wanderwegen und exotischen Wildtieren. Kein Wunder,<br />

dass dieser Inselstaat im Indischen Ozean ein begehrtes Ziel<br />

für Touristen ist.<br />

Tourismus ist ein mächtiger Hebel für die SDG<br />

Hätten Sie gewusst, dass der Tourismus nicht nur für Mauritius,<br />

sondern weltweit eine überragende Bedeutung hat<br />

und fast jeder zehnte Job damit verbunden ist? Damit ist er<br />

weltweit die größte Branche und hat eine entscheidende<br />

Rolle in der Erreichung der internationalen Entwicklungsziele<br />

der Vereinten Nationen, den Sustainable Development Goals<br />

(SDG). Bisher hat die Branche in Sachen SDG keine großen<br />

Heldentaten vollbracht. Das kann und soll sich ändern und<br />

auf der Insel Mauritius konkret erprobt werden. Vor allem<br />

SDG 12 mit dem Thema <strong>Nachhaltig</strong>er Konsum und Produktion<br />

und SDG 17 Partnerschaften zur Erreichung der Ziele stehen<br />

im Fokus der nachfolgend beschriebenen Initiative.<br />

Praxisprojekt Mauritius<br />

Der Tourismus muss negative soziale und ökologische Auswirkungen<br />

reduzieren und gemeinsam mit lokalen Akteuren<br />

verträgliche Lösungen entwickeln und vermarkten. Das bedeutet,<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit nicht nur als Konzept und Methodik zu<br />

predigen, sondern sie als integralen Kern einer innovativen<br />

Produktentwicklung zu etablieren und konkret umzusetzen.<br />

Diesem Perspektivwechsel haben sich hochrangige Partner<br />

im Praxisprojekt Handprint auf Mauritius verschrieben. Mit<br />

dabei sind die lokale Tourismusbehörde MTA (Mauritius<br />

Tourism Authority), das Tourismusministerium und die Mauritius<br />

Promotionsagentur, das deutsche Forschungscenter<br />

CSCP (Collaborating Centre on Sustainable Consumption and<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

119


THEMEN | KONSUM UND GESELLSCHAFT<br />

Mauritius ist ein Urlaubsparadies, das keine Wünsche offen lässt.<br />

Traumhafte Strände, malerische Buchten, unberührte Natur,<br />

Nationalparks...<br />

... Grund genug, gemeinsam Hand anzulegen, damit es so bleibt.<br />

Das Pilotprojekt „Handabdruck“ sorgt hier für gute Aussichten.<br />

120<br />

<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


KONSUM UND GESELLSCHAFT | THEMEN<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Amit Mehra | © Florence Maingard<br />

Production), das Beratungsunternehmen blueContec, lokale<br />

Hotel- und Veranstalterverbände sowie die DER Touristik<br />

Group und ihre Zielgebietsagentur Mau<strong>to</strong>urco als Praxispartner.<br />

Gefördert wird das innovative Projekt über vier Jahre<br />

durch das EU Switch Afrika Green Programm.<br />

Warum gerade Mauritius, warum gerade eine Insel<br />

Fernreisen sind ein Wachstumsmarkt mit schwerwiegenden<br />

Herausforderungen. Nicht nur wegen der umstrittenen Flugemissionen,<br />

sondern auch wegen der gravierenden sozialen<br />

und ökologischen Herausforderungen durch die massiv<br />

steigenden Touristenzahlen vor Ort. Die zentrale Lage im<br />

Indischen Ozean macht gerade Mauritius zum Traumziel von<br />

Reisegruppen aus Europa, Afrika und Asien. Sie schätzen<br />

nicht nur Strand, Sonne und Natur, sondern auch den au<strong>the</strong>ntischen<br />

Mix diverser Kulturen, die auf dieser Insel leben.<br />

Verschiedene Hotelketten setzen bereits auf diese regionale<br />

Au<strong>the</strong>ntizität als Kundenerlebnis und auch lokale Agenturen<br />

nutzen gerne diesen Vorteil. Das macht Mauritius zu einem<br />

spannenden Pilotpartner. „Gemeinsam mit unseren Projektpartnern<br />

haben wir Mauritius ausgewählt, weil die Insel<br />

ideale Voraussetzungen für das Pilotprojekt Handabdruck<br />

bietet“, so Ulrike Braun, Leiterin Corporate Responsibility<br />

DER Touristik Group. „Wir sind Marktführer für Mauritius<br />

und an der Zielgebietsagentur beteiligt. Dadurch bestehen<br />

langjährige und intensive Beziehungen zu Partnern vor Ort<br />

und genau diese spielen eine entscheidende Rolle in der<br />

erfolgreichen Gestaltung des Projektes.“<br />

Hand anlegen gegen den ökologischen Fußabdruck<br />

Traditionell fokussieren <strong>Nachhaltig</strong>keitsaktivitäten auf die<br />

Minimierung der negativen Auswirkungen. Will man jedoch<br />

den Gast aktiv ansprechen und involvieren, ist eine negative<br />

Annäherung an das Thema wenig geeignet. Ergänzend zum<br />

negativen „Footprint“ wurde daher vom CSCP gemeinsam<br />

mit anderen Forschungseinrichtungen der positive „Handabdruck“<br />

entwickelt, um komplementär zu den negativen<br />

die möglichen positiven Auswirkungen des Tourismus zu erfassen.<br />

Im Kern dieses Projektes geht es darum, Hand in Hand<br />

mit der Bevölkerung und den zentralen Tourismusakteuren<br />

auf Mauritius innovative Ideen und bereits bestehende Ansätze<br />

zu stärken und neue Aktivitäten zu entwickeln. Dies<br />

soll den positiven Handabdruck steigern und zum Beispiel<br />

folgende Fragen beantworten:<br />

• Wie können bestehende Ausflüge einer Agentur vor Ort<br />

optimiert werden, z.B. durch den Einsatz zukunftsfähiger<br />

Mobilitätsformen oder die aktive Entwicklung und Einbindung<br />

von Produkten der einheimischen Bevölkerung?<br />

ANZEIGE<br />

NATÜRLICH<br />

IN BEWEGUNG BLEIBEN!<br />

Die Digitalisierung stimuliert einerseits zu geistigen Höchstleistungen,<br />

andererseits ist der körperliche Aktionsradius auf die Bedienung von Tastatur<br />

und Maus reduziert. Der Bewegungsmangel schädigt den Rücken und<br />

beeinträchtigt das gesamte S<strong>to</strong>ffwechsel- und Immunsystem. Umgekehrt<br />

gilt die Bewegungsförderung als einer der wichtigsten Hebel, um Rückenschmerzen<br />

vorzubeugen und die Stressresilienz zu verbessern.<br />

Deshalb hat der renommierte Büromöbelhersteller und DBU-Umweltpreisträger<br />

Wilkhahn in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule<br />

Köln das wegweisende, dreidimensional bewegliche Bürostuhlkonzept „Free<strong>to</strong>-move“<br />

entwickelt, das wissenschaftlich evaluiert und validiert wurde. Für<br />

die sozial-ökologischen Mehrwerte wurde der Free-<strong>to</strong>-move-Bürostuhl ON<br />

bereits 2<strong>01</strong>2 mit dem Bundespreis eco design ausgezeichnet!<br />

Beim neuen Bürostuhl AT verbinden sich Langlebigkeit, erstklassiges Design<br />

und 3D-Beweglichkeit mit besonders einfacher Handhabung: Geehrt als „Best<br />

of Best“ beim Iconic Award des Rat für Formgebung stellt sich der individuell<br />

gestaltbare AT ganz au<strong>to</strong>matisch auf das Nutzergewicht ein: Hinsetzen, Höhe<br />

einstellen, fertig – alles andere machen Körper und Stuhl dann ganz von selbst.<br />

Schöner, besser und gesünder sitzen – worauf warten Sie noch?<br />

www.wilkhahn.com<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Bürostuhl AT, Design: Wilkhahn<br />

121


THEMEN | KONSUM UND GESELLSCHAFT<br />

Die Zusammenarbeit lokaler und internationaler Akteure soll dafür sorgen, dass die natürliche und kulturelle Vielfalt des Inselstaates erhalten<br />

bleibt. In Workshops und durch konkrete Projekte werden Entrepreneurship, Innovation und Vermarktung umgesetzt. So kann Tourismus in<br />

Mauritius eine nachhaltige Entwicklung fördern.<br />

• Wie können Hotels mit den lokalen Gemeinden Initiativen<br />

entwickeln, die Arbeitsplätze schaffen und den gemeinsamen<br />

Aufbau von Unternehmen fördern? Denkbar und<br />

zum Teil bereits umgesetzt ist die Gewinnung, Filterung,<br />

Abfüllung und Logistik von Trinkwasser in Glasflaschen,<br />

die dann in den Hotels zum Einsatz kommen.<br />

• Wie können Bootsanbieter und Hotels gemeinsam mit<br />

lokalen Technologiefirmen Zero-Emission-Boote für den<br />

Einsatz innerhalb der Lagune entwickeln und etablieren?<br />

Doch es reicht nicht, Lösungen zu suchen und zu finden. In<br />

Phase zwei des Projektes geht es darum, neu entwickelte<br />

Produkte besser zu vermarkten und die entsprechenden Akteure<br />

im Vertrieb und dem Produktmanagement zu schulen.<br />

Dabei setzt man im Projekt vor allem auf Erlebnislernen statt<br />

Frontalschulung. Darüber hinaus wird mit den lokalen Politikund<br />

Finanzakteuren erörtert, wie die Rahmenbedingungen<br />

verbessert werden können, um diese Entwicklung laufend<br />

zu unterstützen.<br />

Best Practice mit Hebelwirkung<br />

Nach einem Multistakeholder Workshop aller lokalen Akteure<br />

im September 2<strong>01</strong>8 läuft jetzt bereits die erste heiße<br />

Pilotphase. Die lokalen Agenturen sollen als Bindeglied der<br />

internationalen und lokalen Akteure auftreten und die lokalen<br />

Produkte wie Transport, Hotels, Exkursionen und Green<br />

Start-ups bündeln und vermarkten. Mit der Initiative haben<br />

die Projektpartner und die EU großes vor:<br />

„Wir möchten die nachhaltige Entwicklung der Urlaubsländer<br />

gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung und unseren<br />

Partnern gestalten und vorantreiben“, sagt Sören Hartmann,<br />

CEO DER Touristik Group. „Als Reisekonzern, der jährlich<br />

viele Gäste in die Länder bringt, ist es unsere Verpflichtung,<br />

die Menschen vor Ort und auch die Natur mit langfristigen<br />

Perspektiven zu unterstützen. Nur so können wir unseren<br />

Kunden auch in Zukunft schöne und gleichzeitig nachhaltige<br />

Urlaubserlebnisse anbieten. Mit dem Projekt auf Mauritius<br />

ist es uns möglich, praktische Erfahrungen zu sammeln, die<br />

wir als internationaler Reisekonzern auf andere Regionen<br />

ausweiten können.“<br />

Unterstützen Sie Mauritius<br />

Die bisherigen Umsetzungsschritte haben gezeigt, dass das<br />

Projekt auf großes Interesse stößt und zum Teil schon sehr<br />

gute lokale Ansätze bestehen. So gibt es dank eines Regierungsprogrammes,<br />

welches Unternehmen zu CSR-Abgaben<br />

verpflichtet, ein gutes Netzwerk gemeinnütziger Initiativen.<br />

Die Partner wollen die guten Ansätze nun weiterentwickeln<br />

und standardisieren. Gemeinsame Workshops mit den lokalen<br />

Akteuren bringen innovative Ansätze und beweisen, dass<br />

der Tourismus helfen kann, Lösungen für lokale Herausforderungen<br />

zu ko-kreieren. Deshalb sind die Initia<strong>to</strong>ren auch offen<br />

für alle regionalen und auch internationalen Anregungen,<br />

insbesondere auch aus Branchen außerhalb des Tourismus,<br />

von der Mobilität über die Energiegewinnung bis hin zu Landwirtschaft,<br />

Kunst und Kultur. Melden Sie sich gerne, wenn<br />

Sie auf Mauritius sind und diese neuen Produkte zukünftig<br />

erleben wollen oder wenn Sie im Vorfeld Ideen haben, die<br />

wir mit aufnehmen sollten als Inspiration für die Workshops.<br />

Wir freuen uns auf Ihr Feedback im Sinne der Vision „Come<br />

with a footprint – leave a handprint“.<br />

ANDREAS KOCH<br />

hat Biologie sowie Umweltmanagement und Politik studiert und<br />

war 13 Jahre bei der TUI. Dort hat er u.a. die Bereiche Qualitätsund<br />

Umweltmanagement verantwortet. Seit 2<strong>01</strong>2 unterstützt er<br />

Hotels, Tourismusunternehmen und Regionen weltweit dabei, sich<br />

auf das Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit auszurichten. Sein Traum ist es, dass<br />

der Tourismus als weltweit größte Branche aktiver Multiplika<strong>to</strong>r<br />

einer besseren Welt ist. Zu seinen ehrenamtlichen Aktivitäten zählt<br />

u.a. die Mitgründung und Vorstandstätigkeit bei der <strong>Nachhaltig</strong>keitsinitiative<br />

Fu<strong>to</strong>uris.<br />

FRITZ LIETSCH und <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> unterstützen<br />

das Projekt als Medienpartner und durch Netzwerkverbindungen<br />

in relevante Branchen.<br />

Fo<strong>to</strong>s: © Yamashita | © Joseph Manglaviti<br />

122 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


B.A.U.M. INFORMIERT | SERVICE<br />

Fo<strong>to</strong>: © Protellus<br />

Nachrichten<br />

New Work – Schwerpunkt<strong>the</strong>ma 2<strong>01</strong>9<br />

B.A.U.M. e.V. Titel des neuen B.A.U.M.-Jahr buchs<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>9<br />

ist „New Work – Aufbruch in eine<br />

neue Arbeitswelt“. Dieses Thema<br />

bildet 2<strong>01</strong>9 bei B.A.U.M. einen<br />

Schwerpunkt: beim Sustainable<br />

Office Day auf der paperworld am<br />

New Work<br />

Aufbruch in eine neue Arbeitswelt<br />

29. Januar, beim Jahreskongress<br />

der Plattform nachhaltig.digital von<br />

B.A.U.M. und DBU am 20. März,<br />

bei der B.A.U.M.-Jahrestagung im<br />

Herbst sowie bei weiteren Anlässen<br />

im Laufe des Jahres. Wir fragen, was sich hinter dem Schlagwort<br />

„New Work“ verbirgt und beleuchten Chancen und Herausforderungen<br />

für Unternehmen, für deren Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter sowie die Gesellschaft insgesamt. Im Fokus steht<br />

dabei die Frage, wie sich der Trend nachhaltig gestalten lässt:<br />

ökonomisch zukunftsfähig, sozial gerecht und mit Entlastungen<br />

für die Umwelt.<br />

Das B.A.U.M.-Jahrbuch umfasst 204 Seiten und ist für 19,90 Euro<br />

im Buchhandel unter der ISBN 978-3-925646-71-3 (ISSN 0949-<br />

6661) sowie direkt beim ALTOP Verlag erhältlich.<br />

Deutschlands nachhaltigste Büros gesucht<br />

Beim Sustainable Office Day<br />

auf der paperworld wurden<br />

am 29. Januar die Gewinner<br />

des Wettbewerbs „Büro &<br />

Umwelt“ 2<strong>01</strong>8 ausgezeichnet<br />

und es fiel der Startschuss<br />

für den Wettbewerb 2<strong>01</strong>9.<br />

Erstmals sind in diesem Jahr<br />

neben Unternehmen und Institutionen aller Art auch Kommunen<br />

aufgerufen, die Herausforderung anzunehmen und sich auf<br />

www.buero-und-umwelt.de um den Titel des nachhaltigsten<br />

Büros zu bewerben. Bewerbungsschluss ist der 31. Mai.<br />

Veranstaltungsvorschau<br />

Jahreskongress nachhaltig.digital 2<strong>01</strong>9<br />

20.3.2<strong>01</strong>9, 10:00-16:30 Uhr<br />

DBU Zentrum für Umweltkommunikation,<br />

An der Bornau 2, 49090 Osnabrück<br />

Digitale Technologien transformieren un sere<br />

Wirtschaft – wie können Unter nehmen diese so einsetzen,<br />

dass sie sich fit für die Zukunft machen und gleichzeitig zu einer<br />

nachhaltigen Entwicklung beitragen? Antworten gibt es beim<br />

Jahreskongress der Kompetenzplattform für <strong>Nachhaltig</strong>keit und<br />

Digitalisierung im Mittelstand. #alleantworten #nachhaltigdigital<br />

#nd19 https://nachhaltig.digital/jahreskongress<br />

Einführungsworkshops „Design Thinking“<br />

Zur Unterstützung von Innovation, Digitalisierung und <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />

in Unternehmen bietet B.A.U.M. in Kooperation<br />

mit dem B.A.U.M.-Mitgliedsunternehmen Protellus offene<br />

Einführungsworkshops in die Methode des Design Thinking an.<br />

Teilnehmende erhalten ein Teilnahme-Zertifikat. Die Workshops<br />

bauen nicht aufeinander auf.<br />

3./4.4.2<strong>01</strong>9, Provadis Partner für Bildung und Beratung GmbH,<br />

Industriepark Höchst, Gebäude B 852, 65926 Frankfurt a.M.<br />

Workshop mit zusätzlichem Fokus auf <strong>Nachhaltig</strong>keitsmethoden<br />

im Sinne des Sustainable Design Thinking<br />

23.5.2<strong>01</strong>9, 9:00 - 18:00 Uhr, Sparda-Bank München eG, Arnulfstraße<br />

15, 80335 München<br />

Kompakt-Workshop<br />

Besuchen Sie uns auch im Internet! Unter www.baumev.de<br />

finden Sie aktuelle Nachrichten und Veranstaltungshinweise.<br />

Partner im Netzwerk<br />

Als neue Mitglieder des Förderkreises von B.A.U.M. e. V.*<br />

begrüßen wir:<br />

Adolf Münchinger Holz-Import-Export GmbH<br />

& CO. KG, Ötisheim | ForestFinest Consulting<br />

GmbH, Bonn | fritz-kulturgüter GmbH, Hamburg<br />

| Golf- und Country Club Seddiner See AG, Michendorf | HSBA<br />

Hamburg School of Business Administration gGmbH, Hamburg<br />

| Karl Dieckhoff GmbH & Co. KG, Wuppertal | Konzept-e für<br />

Bildung und Soziales GmbH, Stuttgart | Lacoste Germany GmbH,<br />

München | Naturedecal s.r.o., Prag/Tschechien | Provadis School<br />

of International Management and Technology AG, Frankfurt<br />

am Main | RED KILOWATT Energiemanagement GmbH, Vechta<br />

* Stand zum Redaktionsschluss am 6.2.2<strong>01</strong>9<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

123


SERVICE | MEDIENTIPPS<br />

Filmtipps<br />

Welcome <strong>to</strong> Sodom<br />

Am liebsten jedes Jahr ein neues<br />

IPhone oder ein neuer Lap<strong>to</strong>p?<br />

Doch wo landet eigentlich all die<br />

ausrangierte Technik? Der bewegende<br />

Dokumentarfilm „Welcome<br />

<strong>to</strong> Sodom“ zeigt Europas größte<br />

Müllhalde für Elektroschrott mitten<br />

in Ghana, Afrika. In einfühlsamen<br />

Bildern werden die Lebensumstände<br />

und Schicksale von Menschen gezeigt,<br />

die die Verlierer der digitalen<br />

Revolution sind und wie sie trotz der katastrophalen Umstände<br />

und den Mechanismen des illegalen Elektroschrotthandels nicht<br />

den Mut zum Leben verlieren. Jetzt im Kino!<br />

Zeit für U<strong>to</strong>pien<br />

Die Gesellschaft wandelt sich: Die<br />

„Geiz-ist-geil“-Mentalität ist langsam<br />

aber sicher out, immer mehr Menschen<br />

wollen weg von der Konsumgesellschaft,<br />

der Profitmaximierung<br />

und den Abfalllawinen, hin zu einer<br />

post-materialistischen Gesellschaft,<br />

in der <strong>Nachhaltig</strong>keit im Fokus steht.<br />

Es findet also ein Umdenken statt.<br />

„Zeit für U<strong>to</strong>pien“ zeigt lebensbejahende<br />

und positive Beispiele, wie<br />

man mit Ideen und Gemeinschaftssinn<br />

viel erreichen kann.<br />

Straws<br />

Wofür braucht man eigentlich Trinkhalme?<br />

„Straws“ ist eine bunte Dokumentation,<br />

die zeigt, wie unnütze<br />

Plastikröhrchen zu massiven Problemen<br />

führen. Oscar-Preisträger Tim<br />

Robbins erzählt eindrücklich, weckt<br />

Verständnis und lädt jeden Einzelnen<br />

ein, Teil der Lösung zu sein.<br />

Das Wunder von Mals<br />

Starke Menschen kämpfen kr<strong>eat</strong>iv<br />

um ihre Heimat im Vinschgau,<br />

Südtirol. Das kleine Dörfchen Mals<br />

macht mobil gegen die Macht der<br />

Apfellobby. Denn diese schert sich<br />

trotz Votum nicht um das Verbot<br />

von Pestiziden. Inspirierend zeigt<br />

der Film, wie das kleine Dorf im<br />

Vinschgau zusammenhält und sich<br />

nicht so schnell geschlagen gibt.<br />

Nachmachen erwünscht!<br />

Alle Filme können entweder kostenlos oder als Video on Demand auf der Homepage www.FILMEfürdieERDE.org angeschaut<br />

werden. Darüber hinaus sind weitere 200 Filme zum Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit auf der Website zum online Anschauen verfügbar.<br />

B.A.U.M. e. V.<br />

Jahrbuch<br />

2<strong>01</strong>8<br />

Rolf Kreibich, Fritz Lietsch (Hrsg.)<br />

Zukunft gewinnen!<br />

Die sanfte (R)evolution für das 21. Jahrhundert – inspiriert vom Visionär Robert Jungk<br />

<strong>Nachhaltig</strong>es Investieren<br />

Mit Beiträgen u.a. von Franz Alt; Maximilian Gege; Mathias Greffrath; Bärbel Höhn;<br />

Peter Stephan Jungk; Rolf Kreibich; Fritz Lietsch; Horst W. Opaschowski; Franz<br />

Josef Radermacher; Ortwin Renn; Angelica Schwall-Düren; Ernst-Ulrich von<br />

Weizsäcker; Sarah Wiener; Ulrike von Wiesenau<br />

124 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


MEDIENTIPPS | SERVICE<br />

Bücher<br />

Heimo Hammer (Hrsg.)<br />

FastForwardFiles<br />

Opening up<br />

Wie behandelt man die drängenden<br />

Themen unserer Zeit ohne die üblichen<br />

Patentrezepte? Wie stellt man sich der<br />

Zukunft in Zeiten rasanter Veränderung,<br />

Überforderung und Technologisierung<br />

von Wirtschaft und Gesellschaft?<br />

Die FastForwardFiles richten sich an<br />

Manager, Führungskräfte, Inves<strong>to</strong>ren,<br />

Forscher und mündige Menschen, die<br />

sich täglich diesen Herausforderungen stellen. Und an all jene, die die<br />

Zukunft nicht nur verstehen, sondern auch mitgestalten wollen. Mit<br />

dem Pilot „Opening Up“ eröffnen die FastForwardFiles ein neues Format,<br />

das Thinker, Au<strong>to</strong>ren und Leser gemeinsam gestalten. Dieser Band<br />

versammelt die wegweisenden Beiträge internationaler Top-Speaker der<br />

ersten Tagung (in englischer Sprache).<br />

2<strong>01</strong>8, 160 Seiten, ISBN 978-3-222-15032-6, 35,00 EUR<br />

www.styriabooks.at<br />

Grace Foundation (Hrsg.)<br />

Defend <strong>the</strong> Sacred<br />

Wenn das Leben siegt, wird es keine<br />

Verlierer geben.<br />

Es ist nur noch wenige Sekunden vor<br />

zwölf. Die Grundlagen unseres planetaren<br />

Lebenssystems sind in höchstem<br />

Maße gefährdet: die Reinheit von<br />

Wasser und Luft, das Leben in den<br />

Meeren, das Gleichgewicht des Klimas,<br />

die Existenz der Wälder, die Vielfalt<br />

von Ökosystemen, und – Grundlage<br />

von allem – die Solidarität und Liebe unter Menschen. In „Defend<br />

<strong>the</strong> Sacred“ kommen Frauen und Männer aus aller Welt zu Wort, die<br />

wissen: Nur mit vereinter Kraft können sie die Herausforderungen<br />

der Zeit meistern. Nur gemeinsam wird es gelingen, das Lebendige<br />

– das Heilige – weltweit zu verteidigen. Im Inneren, wie im Äußeren.<br />

Defend <strong>the</strong> Sacred!<br />

2<strong>01</strong>9, 148 Seiten, ISBN 978-3-927266-65-0, 22,00 EUR<br />

www.de.verlag-meiga.org<br />

Pentawards, Julius Wiedemann<br />

The Package Design Book 5<br />

Kino- und DVD-Tipps<br />

Jan Haft<br />

Die Wiese<br />

Ein Paradies nebenan<br />

Nach dem sagenhaften Erfolg seiner<br />

großen Naturfilmproduktionen „Das<br />

Grüne Wunder – Unser Wald“ und<br />

„Magie der Moore“ bringt der vielfach<br />

international prämierte Regisseur und<br />

Kameramann Jan Haft das nächste<br />

heimische Bio<strong>to</strong>p auf die große Leinwand.<br />

Sein neuer Film dokumentiert<br />

die Vielfalt und Faszination der Blumenwiese – einer prachtvollen<br />

Wunderwelt direkt vor unserer Haustür. Dank neuester Technik<br />

eröffnet der Film einen völlig neuen Blick auf das heimische Naturspektakel.<br />

Gleichzeitig ist der Film ein Aufruf zum achtsamen<br />

Umgang mit einem Lebensraum, dessen fortschreitender Rückgang<br />

schwerwiegende Auswirkungen haben könnte.<br />

2<strong>01</strong>9, 90 Minuten, ab 4. April im Kino<br />

www.diewiese-derfilm.de<br />

Jasmin Herold, Michael Beamish<br />

Dark Eden<br />

Ein existenzielles Drama über Fluch<br />

und Segen der Erdölgewinnung<br />

Im kanadischen Fort McMurray liegt<br />

eines der größten und letzten Ölvorkommen<br />

unseres Planeten. Wie<br />

magisch zieht das „schwarze Gold“<br />

Menschen aus aller Welt an. Denn<br />

mit dem Ölsand lässt sich so viel Geld<br />

verdienen wie nirgendwo anders.<br />

Doch der Preis ist hoch: Die aufwendige Gewinnung des Öls aus<br />

dem Teersand setzt lebensgefährliche S<strong>to</strong>ffe frei, die Natur, Tiere<br />

und Menschen vergiften. Alles andere also als ein Paradies! Die<br />

Regisseure erleben hautnah große Hoffnungen, zerplatzte Träume<br />

und eines der größten Umweltverbrechen unserer Zeit. Ihr sehr<br />

persönlicher Dokumentarfilm wurde mit dem Green Horizons<br />

Award als bester Film zum Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit ausgezeichnet.<br />

D 2<strong>01</strong>8, 80 Minuten, ab 11. April im Kino<br />

https://darkeden.wfilm.de/<br />

Taggart Siegel, Jon Betz<br />

Unser Saatgut – Wir ernten, was<br />

wir säen<br />

Prachtvolle Öko-Doku zur Rettung der<br />

Saatgutvielfalt<br />

Jahr für Jahr setzen die Pentawards<br />

weltweite Qualitätsmaßstäbe,<br />

indem sie die intelligentesten<br />

und innovativsten Entwürfe<br />

der Branche auszeichnen. Mit<br />

über 400 Arbeiten aus mehr als<br />

40 Ländern präsentiert diese<br />

fünfte Ausgabe von The Package<br />

Design Book sämtliche Gewinner<br />

der Jahre 2<strong>01</strong>7 und 2<strong>01</strong>8 und<br />

zeigt, welche Trends die Branche bewegen und wie sie auf neue ökologische<br />

und ökonomische Herausforderungen und das sich verändernde<br />

Kaufverhalten der Konsumenten reagiert. Mit einleitenden Essays,<br />

Produktbeschreibungen und jeder Menge Bildern stellt dieses Buch die<br />

Preisträger in fünf Hauptkategorien – Getränke, Speisen, Körper, Luxus<br />

und andere Märkte – und nicht weniger als 57 Unterkategorien vor.<br />

2<strong>01</strong>8, 400 Seiten, ISBN 978-3-8365-7340-5, 40,00 EUR<br />

www.taschen.com<br />

Viele unserer Samen sind heute<br />

ebenso gefährdet wie der Panda<br />

oder der Eisbär. Mehr als 90 Prozent<br />

aller Saatgutsorten sind bereits<br />

verschwunden. Der Dokumentarfilm<br />

„Unser Saatgut“ ist ein Appell an uns<br />

alle: Schützt die ursprüngliche Saatgutvielfalt, sonst ist das reiche<br />

Angebot unserer Nahrung bald nur noch schöne Erinnerung!<br />

Einfallsreich und mit kr<strong>eat</strong>iven Bildern machen die Regisseure ihre<br />

Zuschauer zu mündigen Essern, die sich nicht mit der immergleichen<br />

Supermarktware abspeisen lassen. Ein lebensverändernder<br />

Dokumentarfilm, so farbenfroh wie die natürliche Vielfalt unserer<br />

Saaten. Mit den weltweit bekannten Umweltaktivisten Vandana<br />

Shiva, Jane Goodall, Raj Patel und Percy Schmeiser. Ausgezeichnet<br />

mit 18 Festival-Awards und nominiert für den Emmy 2<strong>01</strong>8 als<br />

„Outstanding Nature Documentary“.<br />

USA 2<strong>01</strong>6, 94 Minuten, in ausgewählten Kinos, DVD 16,99 EUR<br />

https://saatgut.wfilm.de<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

125


SERVICE | EVENTS IN DER VORSCHAU<br />

20. bis 21. März 2<strong>01</strong>9, München<br />

Global Food Summit<br />

Foodtropolis – werden Städte unsere<br />

Wahrnehmung von Natur und Ernährung<br />

verändern?<br />

Milch ohne Kühe, Eiweiß ohne Hühner,<br />

Gemüse ohne Acker – die Landwirtschaft<br />

der Zukunft findet immer weniger im Stall<br />

statt, sondern in digital vernetzten Produktionsanlagen<br />

in unseren Städten. Jeder<br />

dritte Verbraucher würde Stammzellen-<br />

Fleisch kaufen. Urban Food wird das neue<br />

Regio. Diskutieren und der Zukunft der<br />

Ernährung eine Stimme geben.<br />

www.globalfoodsummit.com<br />

28. März 2<strong>01</strong>9, Berlin<br />

UPJ-Jahrestagung 2<strong>01</strong>9<br />

Engagiert, innovativ und wel<strong>to</strong>ffen<br />

Mit Corporate Social Responsibility und<br />

Kooperationen den Wandel nachhaltig<br />

gestalten: Die UPJ-Jahrestagung bietet die<br />

ideale Plattform für Vernetzung, Wissenstransfer<br />

und kollegialen Austausch. Rund<br />

350 Teilnehmende diskutieren zu aktuellen<br />

Themen und guter Praxis im Bereich der<br />

verantwortlichen Unternehmensführung<br />

und Kooperation von Wirtschaft, Zivilgesellschaft,<br />

Politik und Verwaltung.<br />

www.upj-jahrestagung.de<br />

15. bis 17. Mai 2<strong>01</strong>9, München<br />

ees Europe 2<strong>01</strong>9<br />

Innovating Energy S<strong>to</strong>rage!<br />

Die ees Europe in München ist die größte,<br />

besucherstärkste und internationalste<br />

Fachmesse für Batterien und Energiespeichersysteme<br />

in Europa. Mit der ees North<br />

America in San Francisco, der ees South<br />

America in Sao Paolo und der ees India in<br />

Bangalore und Mumbai ist die weltweite<br />

Messeserie auf insgesamt vier Kontinenten<br />

vertreten.<br />

www.ees-europe.com<br />

21. bis 24. März 2<strong>01</strong>9, Husum<br />

New Energy Days<br />

Fachmesse, Marktplatz und Ausstellung<br />

Die New Energy Days zeigen neueste Produkte,<br />

Trends und technologische Entwicklungen<br />

im Bereich Erneuerbare Energien<br />

und Energieeffizienz mit Schwerpunkt<br />

auf Elektromobilität, Bauen und Wohnen<br />

sowie Grünes Leben. Mehr unter<br />

www.new-energy.de<br />

2. und 3. April 2<strong>01</strong>9, Berlin<br />

XI. ZNU-Zukunftskonferenz<br />

Zero emission, zero waste & Co.<br />

Plattform zum Austausch von Herstellern<br />

und Handel zu <strong>Nachhaltig</strong>keitsstrategien –<br />

Gemeinsam neue Wege beschreiten! Lassen<br />

Sie sich inspirieren u.a. von Dr. Gerd Müller<br />

(BMZ), Prof. Dr. Ottmar Edenhofer (PIK),<br />

Frithjof Finkbeiner (PftP), Dr. Axel Schweitzer<br />

(ALBA), Felix Ahlers (FRoSTA), Dieter Overath<br />

(Fairtrade) sowie drei parallelen Workshops.<br />

www.uni-wh.de/zukunftskonferenz<br />

15. bis 17. Mai 2<strong>01</strong>9, München<br />

Intersolar Europe 2<strong>01</strong>9<br />

Connecting Solar Business!<br />

Unter diesem Mot<strong>to</strong> vernetzt die Intersolar<br />

Europe als wichtigste Branchenplattform<br />

Hersteller, Großhändler, Dienstleister und<br />

Partner der Solarwirtschaft weltweit. Sie<br />

findet mit der Intersolar Europe Conference<br />

und weiteren Energiefachmessen<br />

jährlich unter dem Dach „The smarter E<br />

Europe“ auf der Messe München statt.<br />

www.intersolar.de<br />

23. und 24. März 2<strong>01</strong>9, Berlin<br />

VeggieWorld Berlin<br />

Die Messe für den veganen Lebensstil<br />

Die VeggieWorld ist Europas größte Messe<br />

für den veganen Lebensstil. Informieren,<br />

probieren und kaufen – direkt bei den<br />

Produzenten! Daneben erwartet Sie ein<br />

Rahmenprogramm mit Fachvorträgen, veganem<br />

Humor und Live-Cooking. Gewinn<br />

statt Verzicht, eine Messe für alle. Weitere<br />

Infos, Programm & Ausstellerliste:<br />

www.veggieworld.de<br />

6. und 7. April 2<strong>01</strong>9, München<br />

Heldenmarkt München<br />

Die Messe für alle, die was besser<br />

machen wollen.<br />

Lerne die Hersteller nachhaltiger Produktalternativen<br />

kennen und lass dich bei<br />

Diskussionen & Vorträgen, Kochshows<br />

& Verkostungen, Ausstellungen & Workshops<br />

inspirieren. Überzeuge dich selbst,<br />

dass ein nachhaltiger Lifestyle ohne große<br />

Mühen möglich ist, denn: Egal war gestern.<br />

www.heldenmarkt.de<br />

11. bis 14. Juli 2<strong>01</strong>9, Ludwigsburg bei<br />

Stuttgart<br />

NaturVision Filmfestival<br />

NaturVision ist ein einzigartiges Filmfestival<br />

für Natur-, Umwelt- und <strong>Nachhaltig</strong>keitsfilme.<br />

Herzstück ist der internationale<br />

Filmwettbewerb, bei dem renommierte<br />

Filmpreise verliehen werden. In 2<strong>01</strong>9 widmet<br />

sich NaturVision insbesondere dem<br />

Thema „Bauen und Wohnen“. NaturVision<br />

ist ein Festival, das inspiriert und Impulse<br />

setzt – für einen nachhaltigen Lebensstil.<br />

www.natur-vision.de<br />

126 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


EVENTS IN DER VORSCHAU | SERVICE<br />

Events Österreich<br />

20. März 2<strong>01</strong>9, Wien<br />

PV-Kongress<br />

Pho<strong>to</strong>voltaik: Große Vorhaben – Grenzenlose<br />

Möglichkeiten<br />

100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030<br />

– einen der größten Beiträge dafür wird<br />

die Pho<strong>to</strong>voltaik liefern können. Durch<br />

eine Vielzahl an Maßnahmen ist dieses<br />

Ziel erreichbar. Lokale Energiegemeinschaften,<br />

ausgeklügelte PV-Dächerprogramme<br />

oder gänzlich neue Nutzungskonzepte<br />

– diese und andere Themen<br />

stehen im Fokus des PV-Kongresses 2<strong>01</strong>9.<br />

Denn nur wenn wir das unglaubliche<br />

Potential der Sonnentechnologie nutzen,<br />

können wir den großen Vorhaben mit<br />

grenzenlosen Möglichkeiten entgegenstehen.<br />

www.pvaustria.at<br />

30. März 2<strong>01</strong>9, Graz<br />

Gründermesse 2<strong>01</strong>9<br />

Die Kongressmesse für GründerInnen<br />

und JungunternehmerInnen<br />

Gerade am Beginn einer Laufbahn mit<br />

dem eigenen Unternehmen ist der richtige<br />

Wissensvorsprung entscheidend. Die<br />

Gründermesse 2<strong>01</strong>9 bietet Interessierten<br />

die optimale Gelegenheit, essenzielle<br />

Hilfestellungen und Informationen von<br />

Profis für einen erfolgreichen Start ins<br />

Unternehmertum – kompakt an nur<br />

einem Tag.<br />

www.gruendermessegraz.at<br />

6. bis 10. Mai 2<strong>01</strong>9, Stegersbach &<br />

Oberwart (Burgenland)<br />

Mission Innovation Austria Week<br />

Das Jahresevent der innovativen<br />

Energie systeme<br />

Das Event wird von BMVIT und Klima-und<br />

Energiefonds gemeinsam mit dem Stadt<br />

der Zukunft Innovationslabor act4.energy<br />

veranstaltet. Hier treffen sich österreichische<br />

und internationale Innovationsführer,<br />

Vordenker und die Gestalter der Energielösungen<br />

von morgen. Mission Innovation<br />

Austria ist der österreichische Beitrag zur<br />

globalen Initiative Mission-Innovation.<br />

www.missioninnovationaustriaweek.at<br />

Juni 2<strong>01</strong>9, Wien<br />

TRIGOS<br />

Die Auszeichnung für Unternehmen mit<br />

Verantwortung<br />

Der TRIGOS ist die renommierteste österreichische<br />

Auszeichnung für verantwortungsvolles<br />

<strong>Wirtschaften</strong> und wird dieses<br />

Jahr zum 16. Mal vergeben. In sechs Kategorien<br />

werden Unternehmen prämiert,<br />

die eine besondere Vorbildwirkung für<br />

verantwortungsvolles <strong>Wirtschaften</strong> und<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit einnehmen.<br />

www.trigos.at<br />

Events Schweiz<br />

21. März 2<strong>01</strong>9, Bern<br />

6. Mobilitätssalon 2<strong>01</strong>9<br />

Das Mobilitäts<strong>forum</strong> für Gemeinden<br />

und Unternehmen<br />

Unser Verkehrssystem stößt tagtäglich an<br />

Grenzen. Kostengünstige und ressourcenschonende<br />

Lösungen sind in hohem Maße<br />

gefragt, damit die für Wirtschaft und Gesellschaft<br />

notwendige Funktionalität und<br />

Attraktivität erhalten bleiben. Der Mobilitätssalon<br />

zeigt interessante und in der Praxis<br />

erprobte Lösungen auf und will die Teilnehmenden<br />

dazu befähigen und motivieren,<br />

diese wirtschaftlichen Lösungswege in ihren<br />

Gemeinden und Unternehmen zu fördern.<br />

www.mobilsalon.ch<br />

28. März 2<strong>01</strong>9, Bern<br />

Fachtagung <strong>Nachhaltig</strong>es Bauen<br />

<strong>Nachhaltig</strong>e Gebäude für zufriedene<br />

Nutzer<br />

Im Zentrum der Veranstaltung steht die<br />

Frage, wie Gebäude heute projektiert<br />

werden sollen, damit sie den Nutzenden<br />

optimale Wohn- und Arbeitsumgebungen<br />

bieten, aber auch wandlungsfähig für<br />

künfti ge Anforderungen bleiben. Und<br />

dabei sollen sie auch noch nachhaltig sein.<br />

www.ftnb.ch<br />

Weitere Events<br />

finden Sie hier:<br />

Angebot für Eventpartner<br />

Sie veranstalten ein Event zum Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit? Gerne unterstützen wir Sie dabei mit <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong> als<br />

starker und kompetenter Medienpartner. Wir bieten attraktive Pakete und Sonderkonditionen für eine erfolgreiche Bewerbung<br />

Ihres Events in unseren Print- und Online-Medien. Wir können sowohl mit unserem Print-Magazin (vierteljährlich; Auflage<br />

25.000) als auch mit unserem Online-Portal www.<strong>forum</strong>-csr.net (über 20.000 Interessenten pro Monat) sowie mit unserem<br />

wöchentlichen Newsletter (8.500 Abonnenten) für Sie aktiv werden.<br />

Vom „Save <strong>the</strong> Date“ bis zur „Last-Minute“-Erinnerung können wir jederzeit auf Ihre Wünsche reagieren. Unser Spektrum reicht<br />

vom Eintrag im Online-Terminkalender über Banner bis hin zu Beilagen und Anzeigen im Print-Magazin. Daneben bieten wir<br />

Dienstleistungen wie Sonderdrucke, Programmheft, Moderation Ihrer Veranstaltung oder Keynotes und Vorträge. Gerne stellen<br />

wir Ihnen im Rahmen einer Partnerschaft auch kostenlos Magazine für Ihre Teilnehmer zur Verfügung.<br />

Einen Eindruck von unserem Online-Terminkalender finden Sie unter folgendem Link: www.<strong>forum</strong>-csr.net/Events.<br />

Gerne berät Sie auch Doro<strong>the</strong>e Wimmer (d.wimmer@<strong>forum</strong>-csr.net) vom Eventservice <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>.<br />

Melden Sie sich mit Ihren Wünschen und Vorschlägen; wir finden sicher eine passende Lösung.<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

127


SERVICE | MARKTPLATZ<br />

präsentiert: Dienstleister für ein erfolgreiches CSR Engagement<br />

Green Office & Produktion<br />

Verpackungen<br />

e+m Holzprodukte GmbH & Co. KG<br />

Regensburger Straße 95<br />

D - 92318 Neumarkt<br />

Tel.: +49 (0)9181 / 29 75 75<br />

info@em-holzprodukte.de<br />

www.em-holzprodukte.de<br />

e+m Holzprodukte produziert feine Schreibgeräte und ökologische<br />

Werbe- und Kundengeschenke aus heimischen und<br />

FSC®-zertifizierten Hölzern, Personalisierung durch Druck oder<br />

Lasergravur nach Kundenwunsch möglich.<br />

Mitarbeiterqualifizierung<br />

Eco-Consult Fahrtraining e.K.<br />

Franz-Dusberger-Straße 3<br />

D - 68723 Schwetzingen<br />

Tel.: +49 (0)6202 / 57 44 14<br />

info@ecofahr.com<br />

www.ecofahr.com<br />

Die Verkehrswende schafft man nicht alleine mit alternativen Antrieben,<br />

auch das Fahrverhalten muss sich ändern.<br />

Mit unserem Eco-Fahrsicherheitstraining lernt man sicherer und<br />

umweltbewusster unterwegs zu sein.<br />

Viele Kunden belegen, dass mit der Schulung ein Beitrag zur<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keit geleistet wird und die Kosten im Fuhrpark sinken.<br />

<strong>Nachhaltig</strong>keitsagenturen und Beratung / CSR<br />

Scholz & Friends Reputation<br />

Litfaß-Platz 1<br />

D - 1<strong>01</strong>78 Berlin<br />

Tel.: +49 (0)30 / 70 <strong>01</strong> 86 - 840<br />

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www.s-f.com/reputation<br />

www.csr-berichte.de<br />

Wir unterstützen Unternehmen dabei, <strong>Nachhaltig</strong>keit und Verantwortung<br />

in die Geschäftstätigkeit zu integrieren und diese<br />

Leistungen glaubwürdig zu kommunizieren. Dies umfasst Strategieentwicklung,<br />

Reporting, <strong>Nachhaltig</strong>keitsmarketing, Stakeholder-<br />

und Lieferkettenmanagement.<br />

Zertifizierungen<br />

werbegrün®<br />

Inhaber: Oliver Hampe<br />

Plauener Straße 163-165 - Haus C<br />

D - 13053 Berlin<br />

Tel.: +49 (0)30 / 97 99 99 34<br />

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www.werbegruen.de<br />

Wir sind eine Manufaktur mit innovativem Geist und traditionsreichem<br />

Hintergrund und fertigen in Manufakturarbeit hochwertige<br />

Verpackungen und Werbeprodukte aus Papier, Kar<strong>to</strong>n und Pappe.<br />

Werbegrün® wurde bei den vierten PSI Sustainability Awards in<br />

der Kategorie „Sustainable Product - Product Line“ ausgezeichnet.<br />

pacoon GmbH | strategie + design<br />

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D - 81671 München<br />

Tel.: +49 (0)89 / 890 45 75 81<br />

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www.pacoon.de<br />

PACOON ist die führende Agentur Deutschlands für nachhaltige<br />

Verpackungen und berät Unternehmen von der Analyse,<br />

über die Definition der Nachhaltikgkeits-Ziele und -Strategie, die<br />

Recherche alternativer Materialen bis hin zu Packungskonzepten<br />

und Kundenkommunikation. Die Agentur führt Workshops und<br />

Inhouse-Schulungen durch und veranstaltet die SOLPACK – Internationale<br />

Konferenz für nachhaltige Verpackungen.<br />

eco-INSTITUT Germany GmbH<br />

Schanzenstraße 6-20<br />

Carlswerk 1.19<br />

D - 51063 Köln<br />

Tel.: +49 (0)221 / 931 245 0<br />

info@eco-institut.de<br />

www.eco-institut.de<br />

www.eco-institut-label.de<br />

Seit 30 Jahren führender Anbieter für Emissions- und Schads<strong>to</strong>ffmessungen<br />

von Produkten nach nationalen und internationalen<br />

Vorgaben. Akkreditierte Prüfstelle nach DIN EN ISO/IEC 17025.<br />

Besonders wohngesunde Produkte können mit dem international<br />

anerkannten eco-INSTITUT-Label ausgezeichnet werden.<br />

triple innova GmbH<br />

Hofaue 21<br />

D - 42103 Wuppertal<br />

Tel.: +49 (0)202 / 42 99 52 0<br />

info@triple-innova.de<br />

www.triple-innova.de<br />

Wir machen Sie fit und lotsen Sie sicher durch: Wesentlichkeit<br />

(„Materiality“), d. h. Fokus auf Ihre wichtigsten Themen / CSR-<br />

Berichtspflicht / Deutscher <strong>Nachhaltig</strong>keitskodex (DNK) / Global<br />

Reporting Initiative (GRI), z. B. persönliches GRI-Zertifikat zu den<br />

aktuellen GRI-Standards. Unser Plus: Expertise und echte Praxis in<br />

unterschiedlichen Branchen.<br />

www.congressalpbach.com<br />

Green Meeting<br />

<strong>Nachhaltig</strong> tagen im Bergdorf<br />

128 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>


TAGEN UND TOURISMUS | SERVICE<br />

Urlaub im Land der 1000 Seen<br />

Die Mecklenburgische Seenplatte bildet mit 1.117 natürlichen Gewässern das größte<br />

geschlossene Seengebiet Europas. Die Region liegt im Nordosten Deutschlands zwischen<br />

Ostsee und Berlin. Vor allem zu Wasser ist für Entdecker demnach einiges geboten – von<br />

Kanu<strong>to</strong>uren bis Urlaub auf dem Hausboot, das ohne Bootsführerschein gemietet werden<br />

kann. Getreu dem Mot<strong>to</strong> „Echte Natur“ steht für Wanderer, Pilger und Radfahrer ganzjährig<br />

ein umfassendes Wegenetz zur Verfügung, aktive Familien erkunden die sechs weitläufigen<br />

Naturparks. Seit 2<strong>01</strong>1 tragen die „Alten Buchenwälder“ des Müritz-Nationalparks gar den<br />

Status UNESCO-Weltnaturerbe. Bequem und umweltfreundlich gelangen Urlauber dank<br />

„MÜRITZ rundum“ per Bus zum Ziel. Die nachhaltige Mobilitätsinitiative wurde mit dem<br />

„Fahrtziel Natur Award 2<strong>01</strong>8“ ausgezeichnet und vernetzt Städte, Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten der Mecklenburgischen<br />

Seenplatte miteinander. Gäste in Waren, Klink, Röbel und Rechlin nutzen „MÜRITZ rundum“ mit ihrer Gästekarte kostenlos, so oft<br />

sie möchten. Ansonsten macht das preiswerte Nationalparkticket einen ganzen Tag lang mobil. Auch in kühleren Monaten lockt<br />

die kulturelle und kulinarische Vielfalt der zahlreichen Guts- und Herrenhäuser Genießer ins Land der 1000 Seen.<br />

www.mecklenburgische-seenplatte.de<br />

Pistenraupen Co-Pilot – Ein Abenteuer am Genussberg Venet<br />

Sie wollten schon immer in einem Pistengerät mitfahren und erleben, wie es sich anfühlt<br />

400 PS unter sich zu spüren? Für die Gäste der Venet Gipfelhütte ist es ab sofort möglich<br />

als Co-Pilot bei der Pistenpräparierung mit dabei zu sein. „An zwei Tagen der Woche und<br />

nach Voranmeldung zeigen unsere Mitarbeiter den Co-Piloten wie eine Piste zum weißen<br />

Teppich wird“, so Geschäftsführer Werner Millinger.<br />

Wer den Winterurlaub entspannt verbringen und dem Massentrubel der großen Skigebiete<br />

entfliehen möchte, der ist am Genussberg Venet bei Zams in Tirol absolut richtig.<br />

Das kleine, aber feine Skigebiet mit 22 bestens präparierten und äußerst abwechslungsreichen<br />

Pistenvarianten bietet sowohl Familien als auch erfahrenen Wintersportlern ein<br />

wahres Schnee-Eldorado. Ein absoluter Geheimtipp, noch! Und wenn man keine Zeit für einen Einkehrschwung hat, dann bringt<br />

der „Genussbutler“ sogar den Tee oder Glühwein direkt auf die Piste. Ungestört auftanken mit Blick in die Sterne. Das verspricht<br />

die direkt neben der Piste gelegene „Gipfelhütte“ am Venet. Wobei ihr dieser Name eigentlich nicht ganz gerecht wird, denn das<br />

modern gestaltete Hotel mit klarem, puristischem Design spricht nicht nur klassische Hüttenurlauber an. Auf Komfort muss man<br />

in den hellen, freundlichen Zimmern garantiert nicht verzichten, die zum Teil sogar mit eigener Wärmekabine ausgestattet sind.<br />

www.venet.at<br />

Be active – feel positive: Ihr Urlaub mit <strong>Nachhaltig</strong>keits-Anspruch<br />

Das Galo Resort bietet ein einzigartiges Urlaubserlebnis, das<br />

auf der Au<strong>the</strong>ntizität des Reiseziels Madeira und seiner großen<br />

Vorzüge in Sachen Natur und Kultur basiert. Die privilegierte Lage<br />

auf einer Klippe, das bunte Angebot an Erlebnissen und Dienstleistungen,<br />

präsentiert von lokalen Partnern, und das Engagement im<br />

Umweltbereich krönen dieses außergewöhnliche Resort.<br />

Mit der gelungenen Renovierung des Hotels Galomar unterstreichen<br />

die privaten Eigentümer ihren Anspruch, ein internationales<br />

Referenzprojekt zu sein. Das intelligente Gebäude ist A+-energiezertifiziert<br />

und zu 100 Prozent energieautark. Mit seinen innovativen,<br />

hochwertigen Materialien und der effizienten Ausstattung<br />

integriert es sich perfekt in die Umgebung. Das Engagement wird<br />

unterstützt durch die Erfahrung eines Teams, das bereits mehrere<br />

Preise und Umweltzertifizierungen erhalten hat.<br />

www.galoresort.com<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

129


SERVICE | VORSCHAU & IMPRESSUM<br />

Fo<strong>to</strong>: © Wonders of <strong>the</strong> sea, fechner media Fo<strong>to</strong>: © Lietsch<br />

Fo<strong>to</strong>: © Albgold<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Und nun wünschen wir Ihnen ein wunder schönes Frühjahr.<br />

Nicht auf die Größe kommt es an.<br />

So können Firmen nachhaltig erfolgreich sein!<br />

Sieben Kleinunternehmen gewähren dem Leser dieses kleinen Praxishandbuches<br />

Einblick in ihre Geschäftswelt. Ob Unternehmensberatung, Goldschmied<strong>eat</strong>elier,<br />

Anwaltskanzlei oder Mod<strong>eat</strong>elier: <strong>Nachhaltig</strong>keit kann immer und überall gelebt<br />

werden. Es gibt Anregungen zu erfahren, was Energiearchitekten bei ihren Planungen<br />

berücksichtigen müssen. Die informative und trotzdem leichte Lektüre inspiriert<br />

dazu, auch das eigene Arbeitsumfeld nachhaltig und erfolgreich zu gestalten.<br />

7 Tage CSR vom Kleinsten gibt Anregungen für ein besseres <strong>Wirtschaften</strong>.<br />

Im Kleinen die Welt verändern<br />

kaum ist dieses Heft in der Druckerei,<br />

freuen wir uns schon auf die Arbeit an der<br />

nächsten Ausgabe. Kommen Sie mit uns<br />

nach Afrika, denn auf dem schwarzen Kontinent<br />

wird sich in den nächsten Jahren das<br />

Schicksal unseres Planeten entscheiden.<br />

Ein frisches Bier auf dem Balkon?<br />

Natürlich mit Strom aus der Balkonsolaranlage<br />

gekühlt. Wir zeigen, wie man<br />

auch in einer Mietwohnung Solarstrom<br />

erzeugen kann.<br />

Plastik nein Danke!<br />

Plastik aus dem Meer zu holen ist schwer.<br />

<strong>forum</strong> zeigt Initiativen, die dafür sorgen,<br />

dass der Kunsts<strong>to</strong>ff erst gar nicht ins Meer<br />

gelangt. Denn das Meer ist zu schön, um<br />

zur Plastiksuppe zu verkommen.<br />

Biodiversität ist Nahrung.<br />

Die Vielfalt der Natur ist Grundlage für<br />

unser Leben und für unsere Nahrung. Wir<br />

zeigen Ansätze zum Schutz der Arten und<br />

präsentieren neue Food-Konzepte und<br />

Start-ups in der Lebensmittelbranche.<br />

<strong>Nachhaltig</strong> informiert.<br />

An dieser Stelle möchten wir Ihnen unsere<br />

Bücher sowie das <strong>forum</strong>-Abo ans Herz<br />

legen: Sie schenken sich damit Inspiration<br />

und unterstützen konkret unsere Arbeit.<br />

Einfach bestellen unter:<br />

www.<strong>forum</strong>-csr.net.<br />

Wenn Sie es bis zur nächsten Ausgabe nicht<br />

mehr erwarten können, dann abonnieren<br />

Sie unseren Newsletter.<br />

Ihre Ideen und Themenvorschläge für das<br />

kommende Heft senden Sie bitte an:<br />

Redaktion@<strong>forum</strong>-csr.net.<br />

7 Tage CSR vom Kleinsten<br />

1. Auflage, ALTOP Verlag 2<strong>01</strong>6, 80 Seiten<br />

Wie<br />

EUR 9,80.<br />

immer<br />

ISBN 978-3-925646-68-3<br />

geben wir hier eine kleine Anregung,<br />

Bestellen im Buchhandel oder direkt unter http://www.<strong>forum</strong>-csr.net/7_Tage_CSR.html<br />

wie oder telefonisch Sie unter auch 089 / 74 66 11 im 0 Kleinen etwas bewegen können.<br />

Impressum<br />

Herausgeber: ALTOP Verlag GmbH in Kooperation<br />

mit B.A.U.M. e.V.<br />

Redaktion: Bernward Geier, Hans Fritz, Doro<strong>the</strong>e<br />

Wimmer, Dagmar Walser, Alrun Vogt, Sarah<br />

Ullmann, Birgit Quirchmayr, Fritz Lietsch, Edda<br />

Langenmayr<br />

Telefon +49 (0)89 / 74 66 11 - 0<br />

redaktion@<strong>forum</strong>-csr.net; www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Korrek<strong>to</strong>rat: Uta Dobler, Vera Schilffarth<br />

Verlag: ALTOP Verlag GmbH, Gotzinger Str. 48<br />

81371 München, Telefon +49 (0)89 / 74 66 11 - 0<br />

Fax +49 (0)89 / 74 66 11 - 60, info@al<strong>to</strong>p.de<br />

www.al<strong>to</strong>p.de<br />

Geschäftsführer: Fritz Lietsch; Gerichtsort<br />

München; Handelsregister Nr. 749 25<br />

Anzeigenbetreuung: <strong>forum</strong> Büro Nord, Lasbeker<br />

Str. 9, 22967 Tremsbüttel, Dagmar Hermann<br />

Telefon +49 (0)4532 / 2 14 02<br />

d.hermann@<strong>forum</strong>-csr.net, mit Felicitas Bit<strong>to</strong>ng,<br />

Rolf Wunder, Daniela Günter, Dieter Möller<br />

Abonnentenbetreuung: <strong>forum</strong> Büro Süd<br />

abo@<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Telefon +49 (0)89 / 74 66 11 - 10<br />

Onlineredaktion und Beratung: Uta Dobler<br />

info@<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Telefon +49 (0)89 / 74 66 11 - 73<br />

Vertrieb: IPS Pressevertrieb GmbH Postfach 12 11<br />

53334 Meckenheim<br />

Telefon +49 (0)2225 / 88 <strong>01</strong> - 0<br />

info@ips-pressevertrieb.de<br />

Bezug auch direkt unter www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />

Layout und Satz: dtp/layout; www.dtp-layout.de<br />

Preis: 7,50 Euro<br />

Erscheinungsweise: vierteljährlich<br />

ISSN 1865-4266<br />

Printed in Germany 2<strong>01</strong>9<br />

Für die redaktionellen Beiträge von Unternehmen<br />

sowie die Best Practice-Beispiele sind die Unternehmen<br />

selbst verantwortlich. Namentliche oder<br />

anders gekennzeichnete Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die<br />

durch die Herstellung des Magazins verursachten<br />

Treibhausgase werden durch Klimaschutzmaßnahmen<br />

kompensiert. Nachdruck, auch auszugsweise,<br />

nur mit Genehmigung des Verlages unter Angabe<br />

der Bezugsanschrift gestattet. Aus Gründen der<br />

besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die männliche<br />

Schreibweise verwendet. Wir weisen an dieser<br />

Stelle ausdrücklich darauf hin, dass sowohl die<br />

männliche als auch die weibliche Schreibweise für<br />

die entsprechenden Beiträge gemeint ist.<br />

Kura<strong>to</strong>rium<br />

Energie Prof. Dr. Claudia Kemfert, DIW; Dr. Axel<br />

Berg, EUROSOLAR Ethischer Konsum Michael<br />

Kuhndt, CSCP Gesellschaft & Zukunft Prof. Dr.<br />

Rolf Kreibich, Institut für Zukunftsstudien und<br />

Technologiebewertung; Stefanie Wahl, Denkwerk<br />

Zukunft Globalisierung & Entwicklung Prof. Dr. Dr.<br />

Franz Josef Radermacher, Universität Ulm; Barbara<br />

Unmüßig, Heinrich-Böll-Stiftung Green Money<br />

Rolf D. Häßler, oekom research AG; Volker Weber,<br />

Forum <strong>Nachhaltig</strong>e Geldanlagen Landwirtschaft<br />

& Ernährung Bernward Geier, COLABORA Medien<br />

Prof. Dr. Torsten Schäfer, Hochschule Darmstadt<br />

Psychologie Prof. Dr. Lenelis Kruse, Universität Heidelberg<br />

Social Business Peter Spiegel, GENISIS Umwelt-<br />

& Ressourcenschutz Prof. Maximilian Gege,<br />

B.A.U.M. Klima & Ozeane Mojib Latif, Geomar<br />

CO 2<br />

neutral gedruckt mit dem Projekt www.grünesklima.de – ein Produkt der Miller Forest Investment AG. Dauerhafte und ökologisch wertvolle Bindung von Kohlendioxid<br />

durch Mischwaldaufforstung in Südamerika. Inhalt gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk, hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel.<br />

Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.<br />

130 Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> Ein Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Steinbeis <strong>Wirtschaften</strong><br />

Papier GmbH.

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