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Wagner, Claudia: Wien lernt tanzen. Eine Untersuchung zu - mediacult

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WIEN LERNT TANZEN<br />

<strong>Claudia</strong> <strong>Wagner</strong><br />

<strong>Eine</strong> <strong>Untersuchung</strong> <strong>zu</strong> den <strong>Wien</strong>er Tanzstudios<br />

Gefördert von der Wissenschaftsabteilung<br />

der Stadt <strong>Wien</strong>, 2007.


Teil 1: Einführung<br />

1. <strong>Wien</strong> <strong>lernt</strong> <strong>tanzen</strong><br />

Die <strong>Wien</strong>er Tanzlandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten einem starken Wandel unterzogen. Als<br />

traditionell der Hochkultur verbundene Stadt, war und ist <strong>Wien</strong> in tänzerischer Hinsicht mit dem klassischen<br />

Ballett verbunden. <strong>Wien</strong> war bereits im 18. und 19. Jahrhundert für die Entwicklung der damals jungen<br />

Bühnenkunst bedeutsam1 . Als sich Anfang des 20. Jahrhunderts der freie Tanz entwickelte, war <strong>Wien</strong> das<br />

Zentrum eines Ausdruckstanzes <strong>Wien</strong>er Prägung2 . In diese Zeit fallen auch die ersten Gründungen von freien<br />

Tanzstudios3 . Nach dem Krieg war davon – abgesehen von Rosalia Chladeks4 choreographischem und<br />

pädagogischen Wirken - nicht mehr viel übrig, die Tanzszene besann sich wieder stärker auf die etablierten<br />

Institutionen wie der Staatsoper.<br />

Erst Anfang der 1980er Jahre entstand eine neue freie Tanzszene, die die amerikanischen Strömungen des<br />

Modern- und Jazzdance aufgriff. Heimische KünstlerInnen produzierten choreographische Arbeit, und<br />

langsam entstand auch ein neues Tanzpublikum. Wir stehen heute knapp 30 Jahre danach vor einer<br />

vielfältigen und lebendigen Szene, die sich sowohl stilistisch als auch sozial <strong>zu</strong>nehmend ausdifferenziert.<br />

Das in den letzten Jahren stark angestiegene Angebot an Tanzstudios und –unterricht spiegelt das Interesse<br />

und die breite Akzeptanz einer tänzerischen Bewegungskultur wider.<br />

2. Das Feld<br />

Der Fokus der vorliegenden <strong>Untersuchung</strong> richtet sich auf die aktuelle Entwicklung der Tanzstudios und der<br />

angrenzenden künstlerisch-pädagogischen Einrichtungen. Forschungsgegenstand ist das Lehrangebot für<br />

künstlerischen Tanz, das derzeit in <strong>Wien</strong> existiert. Der Begriff Tanzstudio bezeichnet eine unabhängige, am<br />

freien Markt agierende Institution, die sich vornehmlich der Vermittlung von Tanz widmet und sich mittels<br />

eines öffentlichen Kursangebots präsentiert. Die Bezeichnung „künstlerischer Tanz“ lässt sich insofern von<br />

Gesellschaftstanz und Volkstanz, sowie Formen der Tanz- und Bewegungstherapie abgrenzen, als sie Tanz in<br />

erster Linie als künstlerisch-ästhetisches Ausdrucksmittel begreift, und erst in zweiter Linie in ihren<br />

gesellschaftlichen Funktionen oder therapeutischen Potentialen. Diese Unterscheidung stößt natürlich rasch<br />

an ihre Grenzen, eine eingehendere <strong>Untersuchung</strong> der tänzerischen Felder würde aber den Rahmen dieser<br />

1 Dahms, Sibylle: Die Bedeutung <strong>Wien</strong>s für die Ballettreform des 18. Jahrhunderts<br />

Oberzaucher-Schüller, Gunhild: Insituttionalisierter Tanz im <strong>Wien</strong> des 19. Jahrhunderts; in: Wunderer-Gosch, Mimi/<br />

Amort, Andrea: Österreich tanzt, <strong>Wien</strong> 2001<br />

2 Oberzaucher-Schüller, Gunhild: Der Freie Tanz in <strong>Wien</strong> bis 1938; in: Wunderer-Gosch, Mimi/ Amort, Andrea: Österreich<br />

tanzt, <strong>Wien</strong> 2001<br />

3 <strong>Eine</strong> detaillierte Rekontruktion der Geschichte des freien Tanzes in <strong>Wien</strong> ist nach<strong>zu</strong>lesen bei Amort, Andrea: Aus der<br />

Gegenwart kann man sich nicht davonstehlen. Aspekte einer Standortbestimmung des freien künstlerischen Tanzes in<br />

<strong>Wien</strong> mit bescheidenen Anmerkungen <strong>zu</strong> Österreich; in: Gift. Zeitschrift für freies Theater, Ausgabe Juli, August,<br />

September 2007<br />

4 Rosalia Chladek (1905-1995) gilt als eine der großen österreichischen ChoreographInnen und MitbegründerInnen eines<br />

modernen Tanzstils<br />

1


Arbeit bei weitem sprengen. Folgende Bereiche tänzerischer Praxis wurden für die vorliegende Studie nicht<br />

berücksichtig: alle Institutionen, die Gesellschaftstanz (konventionellen Paartanz) unterrichten (Tanzschulen),<br />

Volks- und Folkloretanzeinrichtungen und Organisationen, die sich mit Tanztherapie befassen.<br />

Künstlerischer Tanz wird aber bei weitem nicht ausschließlich in Tanzstudios unterrichtet, sondern in erster<br />

Linie in öffentlichen Einrichtungen wie den Ausbildungen an <strong>Wien</strong>er Staatsoper, dem Konservatorium<br />

(Privatuniversität) der Stadt <strong>Wien</strong> und der Universität für Musik und darstellende Kunst. Aber auch<br />

Tanzschulen haben ihr Zielpublikum erweitert und bieten in jüngster Zeit Kurse für ein junges Publikum an,<br />

das inhaltlich auch in Tanzstudios <strong>zu</strong> finden ist. Darüber hinaus gibt es Tan<strong>zu</strong>nterricht an Kindergärten,<br />

Schulen, Volkhochschulen, Bildungshäusern, Musikschulen, privaten Konservatorien, Schauspielschulen,<br />

Therapiezentren, Ärzte- oder Psychotherapeutenpraxen, Fitness- und Bewegungsstudios, Studios für<br />

fernöstliche Bewegungstechniken (Yoga- bzw. Tai Chi-Institute o.ä.) und in den Proberäumen diverser<br />

Tanzkompanien.<br />

3. Der Datensatz<br />

Es wurden 70 Institutionen ausgewählt5 , deren Kernaktivität im Unterrichten verschiedener künstlerischer<br />

Tanzstile liegt. Die exakte Eingren<strong>zu</strong>ng des Feldes fällt insofern schwer, als der Begriff des Tanzstudios – im<br />

Gegensatz <strong>zu</strong> dem der Tanzschule – kein geschützter ist. Vor allem im Bereich der Wellness-, Yoga-,<br />

Gesundheits- und Fitnessstudios sind die Übergänge fließend.<br />

Der Begriff des Tanzstudios ist auch insofern irreführend, als nicht jede Unterrichtsorganisationseinheit oder<br />

jedes Kurssystem über eigene Räumlichkeiten verfügt, sondern an wechselnden Orten unterrichtet wird.<br />

Umgekehrt gibt es Studios, die kein eigenes Kursprogramm anbieten, ihre Räume aber für Tan<strong>zu</strong>nterricht<br />

und –proben <strong>zu</strong>r Verfügung stellen.<br />

Die Auswahlkriterien für diese <strong>Untersuchung</strong> waren: Personenkreise oder Einzelpersonen, die sowohl ein<br />

laufendes Kursprogramm anbieten, als auch über eigene Räume verfügen bzw. ihren Unterricht größtenteils<br />

an einem gleich bleibenden Ort abhalten. Nicht aufgenommen wurden Einzelpersonen, die sich zwar als<br />

eigenständige Pädagogen vermarkten, sich aber hauptsächlich an wechselnden Orten einmieten oder ihre<br />

Kurse über andere Organisationseinheiten anbieten6 .<br />

4. Forschungsfrage und Methodik<br />

Die grundlegenden Fragen sind, wo, was und in welchem Umfang unterrichtet wird:<br />

• Wie viele Studios gibt es?<br />

• Wie verteilen sich die Studios in den Bezirken?<br />

• Seit wann bestehen die Studios?<br />

• Welche Tanzstile werden unterrichtet?<br />

• In welchem Umfang findet der Unterricht statt und wer ist das vornehmliche Zielpublikum?<br />

5 Auflistung siehe Kapitel 11. Die Studios<br />

6 Als Informationsbasis dienten diverse Internetseiten und Homepages; siehe Kapitel 12. Quellen<br />

2


• Wie ist die Geschlechterverteilung sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Lernenden?<br />

Zur Erhebung dieser Punkte wurde ein Fragebogen entwickelt (siehe Anhang), der den Studiobetreibern<br />

<strong>zu</strong>geschickt wurde. Da die Rücklaufquote mit etwa 12% relativ gering war, wurden die restlichen Daten<br />

entweder telefonisch erfragt, oder, soweit möglich, im Internet recherchiert.<br />

Im Zentrum des Interesses stand eine möglichst flächendeckende Erfassung aller Tanzstudios<br />

(Gesamterhebung), unter Berücksichtigung der Definitions-schwierigkeiten (wie oben beschrieben) und der<br />

begrenzten Forschungskapazität.<br />

Zur besseren Einschät<strong>zu</strong>ng der Entwicklung der Szene wurden 3 Interviews mit FeldexpertInnen7 geführt. Die<br />

Internetrecherche und Analyse von Datenbanken und Homepages war von Beginn bis Abschluss der<br />

Forschungsarbeit ein wichtiger Bestandteil.<br />

Die Methoden im Überblick<br />

Erhebung:<br />

Auswertung:<br />

Internetrecherche: Identifikation der Studios, Sichten der Datenbanken<br />

ExpertInneninterviews<br />

Schriftliche und mündliche Befragung (Fragebogen)<br />

Qualitative Auswertung der Interviews (grobe Inhaltsanalyse)<br />

Typisierung der Stilcluster<br />

Quantitative Analyse mittels einfacher statistischer Verfahren<br />

7 siehe Kapitel 11. Quellen<br />

3


Teil 2: Ergebnisse<br />

5. Allgemeine Entwicklung der freien Studios<br />

Sowohl die Anzahl als auch die stilistische Varietät der Tanzkursanbieter hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />

vervielfältigt und ist immer noch im Steigen8 . Ende der 1970er Jahre gab es 22 freie Tanzstudios in <strong>Wien</strong>, die<br />

meisten davon waren (Kinder)Ballettschulen, die damals schon länger existierten9 . In den 1970er Jahren<br />

wurden noch weitere Ballettschulen gegründet (z.B. Ballettschule Nera Nicol, Ballettzentrum Monika Nader).<br />

Mit der Jazztanzwelle, die Anfang der 1980er Jahre auch <strong>Wien</strong> erfasste, gingen Studioneugründungen einher,<br />

die auf den aktuellen Trend reagierten und die Nachfrage nach alternativen Kursangeboten abseits vom<br />

klassischen Ballett befriedigten. Die ersten Studios in dieser Richtung, die heute <strong>zu</strong> den etablierten<br />

Institutionen zählen und sich großen Zulaufs erfreuen, sind das „Tanzforum“ (heute „Performing Center<br />

Austria“, gegründet 1979) und das „Studio Margit Manhardt“ (gegründet 1980). Wenige Jahre später folgten<br />

„Move On“ (1987) und „Das Studio“ (heute „Tanz.Raum.Homunculus“).<br />

Die Gründung der <strong>Wien</strong>er Internationalen Tanzwochen 1984 stellte den Beginn einer äußert erfolgreichen<br />

Workshopschiene im tanzpädagogischen Bereich dar. International renommierte Lehrer und Choreographen<br />

unterrichteten während der Sommerwochen (und einer Winterwoche) in <strong>Wien</strong>. Für viele angehende Tänzer<br />

und Tanzpädagogen war es damals der erste Kontakt mit zeitgenössischen und ethnischen Tanzstilen. Die<br />

Tanzwochen (heute ImpulsTanz) lieferten und liefern wichtige Impulse für die heimische Szene.<br />

In den 1990ern – in Zusammenhang mit der Etablierung einer freien <strong>Wien</strong>er Choreographieszene - verstärkte<br />

sich die Tendenz <strong>zu</strong>r Vielfalt noch. Seit Anfang der 90er Jahre wird zeitgenössischer Tanz in <strong>Wien</strong><br />

unterrichtet. Das Trainingszentrum T-junction bediente über einige Jahre hinweg eine junge Generation von<br />

Profis. Seit 2001 nimmt das Tanzquartier <strong>Wien</strong> den Platz für professionelles Training ein.<br />

Mit dem Erstarken der Latinoszene gehen Studiogründungen einher, die sich der Vermittlung von Salsa,<br />

Merengue oder ähnlichem widmen10 . Aber auch Afrotanz ist in den 1990er Jahren im Aufstieg.<br />

Seit dem Jahr 2000 scheint eine neue Gründungswelle ausgebrochen <strong>zu</strong> sein. Von 40 diesbezüglich<br />

erhobenen Studios sind allein 20 ab dem Jahr 2000 entstanden, und zwar im Schnitt 3 pro Jahr! Die<br />

stilistische Palette der im neuen Jahrtausend gegründeten Studios reicht von Ballett über orientalischen<br />

Tanz, Flamenco, Hip Hop, Yoga, Kindertanz bis <strong>zu</strong> Musical.<br />

8 Die ersten freien Tanzstudios wurden in <strong>Wien</strong> im Laufe der 1910er und 1920er Jahre gegründet, in der Blütezeit des<br />

Ausdruckstanzes. Die meisten davon wurden im Laufe der politischen Ereignisse der 1930er und 1940er Jahre wieder<br />

geschlossen, weil deren BetreiberInnen emigrierten bzw. ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten. <strong>Eine</strong> historische<br />

Recherche über die Anfänge der Tanzstudios kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden.<br />

9 Laut einer von Margit Manhardt Ende der 1970er Jahre durchgeführten Recherche; mündliche Auskunft, Interview mit<br />

C.W. April 2007<br />

10 Anm.: Die Tango Argentino Szene ist unabhängig von Tanzstudios <strong>zu</strong> betrachten, da sie im Bereich Gesellschaftstanz<br />

an<strong>zu</strong>siedeln ist, und sich die Kurse – ähnlich wie in der Salsaszene - eher in Lokalen abspielen als in eigenen Studios.<br />

4


<strong>Eine</strong> exakte historische Analyse der Entwicklung der einzelnen unterrichteten Stile kann an dieser Stelle<br />

allerdings nicht geleistet werden. Was ebenfalls nicht berücksichtigt werden konnte, ist die Zahl der Studios,<br />

die heute nicht mehr existieren, da die aktuelle Bestandsaufnahme im Vordergrund stand und keine<br />

historische Aufarbeitung. Derzeit gibt es um die 70 Tanzstudios in <strong>Wien</strong>, und darüber hinaus einige Studios<br />

für Fitness, Gesundheit und Bewegung, die sich ebenfalls mit Tanz beschäftigen.<br />

6. Die Verteilung in den Bezirken<br />

Weit mehr als die Hälfte aller Studios sind in den Bezirken innerhalb des Gürtels situiert, wobei die Häufung<br />

im 7. Bezirk auffallend ist. Im Verhältnis sowohl <strong>zu</strong>r Fläche als auch <strong>zu</strong>r Einwohnerzahl ist hier eine sehr große<br />

Dichte vorhanden, während die Außenbezirke dünn besetzt sind. In den Bezirken außerhalb des Gürtels ist es<br />

allein der 15. Bezirk, der eine höhere Dichte aufweist, und das womöglich nicht ohne Zusammenhang mit der<br />

räumlichen Nähe <strong>zu</strong>m 7. Bezirk.<br />

Anzahl der Studios<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

6<br />

4<br />

7<br />

3<br />

4<br />

7<br />

Verteilung in den Bezirken<br />

12<br />

2<br />

3 3<br />

2 2<br />

1<br />

6<br />

1. Bez.<br />

2. Bez<br />

3. Bez.<br />

4. Bez.<br />

5. Bez.<br />

6. Bez.<br />

7. Bez.<br />

8. Bez.<br />

9. Bez.<br />

10.Bez.<br />

12. Bez.<br />

13. Bez.<br />

14. Bez.<br />

15. Bez.<br />

16. Bez.<br />

17. Bez.<br />

18. Bez.<br />

20. Bez.<br />

22. Bez.<br />

23. Bez.<br />

Stilistisch dominiert im 1. Bezirk das klassische Ballett, im 2. und 3. Bezirk ist eine bunte Mischung aller<br />

Richtungen vertreten, im 4., 5. und 6. Bezirk gibt es verhältnismäßig mehr Latin, Flamenco und<br />

Bauchtanzschulen. Der 7. Bezirk beherbergt 2 der ältesten Studios im Bereich Jazztanz (Studio Margit<br />

Manhardt und Performing Center) und ist mit Move On und Tanzquartier ein traditionell günstiges Pflaster<br />

für den künstlerischen Tanz. In den 12 Studios des 7. Bezirks finden sich alle Stile, von orientalischem Tanz<br />

über Modern, Hiphop, Trancetanz und zeitgenössischem Tanz. Im 8. und 9. Bezirk gibt es ähnlich wie in den<br />

Bezirken 4 - 6 eine Mischung aus Latin, Flamenco und Bauchtanz, vereinzelt Ballett. Im 10., 12. bis 15. Bezirk<br />

fällt eine starke Häufung von orientalischem Tanz auf. Von 12 Studios sind allein 7(!) im Bereich Bauchtanz<br />

Bezirk<br />

1<br />

2<br />

4<br />

1<br />

3<br />

2<br />

5


und verschiedener orientalischer Stile tätig. In den Bezirken 17, 18, 20, 22 und 23 ist wieder der<br />

Ballettunterricht stärker vertreten.<br />

7. Zielgruppenbereiche und Geschlechterverteilung<br />

7%<br />

31%<br />

8%<br />

Ausbildung<br />

Senioren (ab<br />

55)<br />

Erwachsene<br />

(Laien)<br />

7%<br />

Profis<br />

Kinder<br />

(1,5 bis 12)<br />

Jugendliche<br />

(12 bis 18)<br />

Die einzelnen Zielgruppen definieren sich hauptsächlich über das Alter, allein der Bereich Ausbildung und<br />

Profitraining wurde getrennt behandelt und bezieht sich in erster Linie auf junge Erwachsene. Die<br />

Kategorisierungen entsprechen der gängigen Praxis der Tanzstudios, ihre Kurse <strong>zu</strong> bewerben. Den größten<br />

Teil nimmt der Erwachsenenunterricht ein, klarerweise ist die Gruppe auch zahlenmäßig die größte (alle<br />

Menschen von 18 bis 55 oder älter). Nicht alle Studios bieten eigene Seniorenkurse an, was aber nicht heißt,<br />

dass nicht auch ältere Menschen an den Klassen teilnehmen.<br />

Fast alle Studios bieten Kurse für Erwachsene Laien an, die meisten kombiniert mit Kinder- und<br />

Jugendlichenkursen. Den zweitgrößten Anteil haben Studios, die sich auf den Unterricht ausschließlich für<br />

Kinder spezialisiert haben. Titel wie Eltern-Kind-Tanz, Mummy & me, musische Bewegung, Kreativer<br />

Kindertanz, Märchentanz, etc. Ballettvorbereitung, Kinderballett, Kiddyjazz, u.v.m. sind typische Angebote für<br />

Kinder und Kleinkinder. Der Bereich der Jugendlichen ist mit 22 Prozent der verhältnismäßig größte, grenzt<br />

er doch einen Alterszeitraum von nur 6 Jahren ein. Der Seniorenbereich ist eher in den älteren Studios<br />

vertreten, mit denen die Zielgruppe quasi mitgealtert ist. Das Angebot für SeniorInnen besteht in den<br />

meisten Fällen aus Gymnastik oder Haltungsturnen.<br />

Immerhin 8 Prozent macht der Sektor von privaten Tanzausbildungen aus, die einerseits als Reaktion auf die<br />

große Nachfrage nach intensiver und professioneller Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit Tanz, andererseits als<br />

Konsequenz der nur beschränkt vorhandenen öffentlichen Ausbildungsplätze interpretiert werden kann. Es<br />

gibt derzeit, neben der Ballettschule der <strong>Wien</strong>er Staatsoper, dem Konservatorium der Stadt <strong>Wien</strong><br />

(Bakkalaureat für Ballett bzw. Moderner Tanz) und der Universität für Musik und darstellenden Kunst<br />

(Lehrgang für Musical) keine öffentliche Bühnentanzausbildung. Dieses Manko macht sich vor allem im<br />

25%<br />

22%<br />

6


Bereich des zeitgenössischen Tanzes bemerkbar. Wer heute in Österreich eine professionelle Tanzausbildung<br />

abseits der traditionellen Ballettschulen absolvieren möchte, muss in Linz oder Salzburg studieren. 11<br />

Die Geschlechterverteilung weist eine deutliche Disbalance auf: Die Erhebung mittels Fragebogen hat<br />

ergeben, dass zwischen 75 und 100 Prozent der KursteilnehmerInnen weiblich sind. Der Anteil an<br />

männlichen Teilnehmern konzentriert sich auf wenige Bereiche wie z.B. Breakdance, das <strong>zu</strong>m Großteil von<br />

Buben besucht wird, der Rest ist dürftig verstreut auf diverse Stilrichtungen, am ehesten sind Männer noch<br />

im Latin- oder Yogabereich <strong>zu</strong> finden. Auch im Ausbildungs- und Profibereich finden sich ca. 10 – 20 Prozent<br />

Männer. Bauchtanz und orientalische Tänze werden hingegen ausschließlich von Frauen besucht (und<br />

teilweise auch nur für sie angeboten).<br />

Das Lehrpersonal hat 70 Prozent Frauen und 30 Prozent Männer <strong>zu</strong> bieten, eine leichte Verschiebung<br />

<strong>zu</strong>gunsten der männlichen Seite im Vergleich <strong>zu</strong> den KursteilnehmerInnen.<br />

Tanz ist also, wie es scheint, eine sehr stark weiblich dominierte Bewegungspraxis, auch wenn Sigrid Gareis12 in einem Interview mit dem Falter anlässlich der Fünfjahresfeier des Tanzquartiers konstatiert: „Tanz ist nicht<br />

weiblich“ 13 . Der entscheidende Unterschied dürfte sein, dass sich ihre Aussage auf den professionellen<br />

Bühnentanzbereich bezieht, in dem - so wie in allen Spitzenbereichen – Männer aktiv sind. Die breite Masse<br />

jedoch der tänzerischen Laienbewegung und des (semi-)professionellen Bereichs ist weiblich. Drei Viertel des<br />

Kurssystems der <strong>Wien</strong>er Tanzstudios wird von Frauen und Mädchen getragen.<br />

8. Die Tanzstile<br />

Die Tanzwilligen stehen heute einem vielfältigen und für NeueinsteigerInnen möglicherweise verwirrenden<br />

Kursangebot gegenüber. Das Spektrum der unterschiedlichen Tanzstile hat sich kontinuierlich erweitert und<br />

reicht vom klassischen Ballett über Hiphop bis Bauchtanz und Salsa.<br />

In der vorliegenden Bestandsaufnahme geht es nicht um trennscharfe Stildefinitionen, sondern um<br />

Sammelbegriffe für Tanzrichtungen mit spezifischen ästhetischen Merkmalen. Die Begriffe für die Stile<br />

werden hier so benutzt, wie die Kurse von den StudiobetreiberInnen selbst betitelt werden. Freilich<br />

beinhaltet jeder Stil eine gewisse Bandbreite an Ausprägungsformen. So wird <strong>zu</strong>m Beispiel „Jazztanz“ von<br />

Studio <strong>zu</strong> Studio oder selbst von LehrerIn <strong>zu</strong> LehrerIn etwas anders aufgefasst und unterrichtet. Wird da auf<br />

eine klassische Technik aufgebaut, so werden dort mehr Elemente aus Modern oder Hiphop verknüpft.<br />

Gerade der Begriff Jazztanz wird – weil er sich als Name etabliert hat – gerne verwendet und verschieden<br />

interpretiert. Wichtig ist, dass die Eltern, die ihre Kinder für den Kurs anmelden wollen, sich etwas darunter<br />

vorstellen können.<br />

11 Versuche, private Tanzausbilungen am freien Markt <strong>zu</strong> etablieren waren u.a. die in den letzten Jahren geschlossenen<br />

Schulen „Spirale“ (Modern/ New Dance) und die „Vienna Musical School“.<br />

12 Künstlerische Intendanz des Tanzquartier <strong>Wien</strong>s<br />

13 Moschen, Ulli: „Der Tanz ist nicht weiblich“; in: Der Falter 39/06 (S. 71)<br />

7


Zum Teil verschwimmen Stilgrenzen <strong>zu</strong>nehmend durch Cross-over-Effekte und dem Trend <strong>zu</strong> individuellen<br />

Neuschöpfungen und Methodenentwicklung aus mehreren Elementen. Der Fusionsaspekt ist ein Teilprozess,<br />

der <strong>zu</strong>m Entstehen neuer Stilbezeichnungen führt.<br />

Das folgende Diagramm zeigt die Häufigkeit der angebotenen Stilrichtungen, die Höhe der Säule entspricht<br />

der Anzahl der Studios, die den jeweiligen Stil in ihrem Kursprogramm haben. Der Verlauf der Farben zeigt<br />

die stilistische Verwandtschaft bzw. häufige Kombinationen der einzelnen Stile untereinander an.<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

6<br />

17<br />

3<br />

37<br />

3<br />

25<br />

20<br />

15<br />

8<br />

6 5<br />

18<br />

4<br />

6<br />

3<br />

9 10<br />

2 2 2<br />

11<br />

4<br />

Stilspektrum<br />

8<br />

1<br />

8<br />

1<br />

9<br />

3 3<br />

10<br />

2 3<br />

9<br />

4<br />

15<br />

5<br />

7<br />

3 4<br />

6<br />

8<br />

5 4<br />

1 1 1 2 1<br />

1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47<br />

Legende:<br />

1 Eltern-Kind Tanz<br />

2 Kreativer Kindertanz<br />

3 Ausdruckstanz<br />

4 Ballett<br />

5 Ballett-Modern/Jazz-Fusion<br />

6 Jazztanz<br />

7 Modern<br />

8 Step<br />

9 Musical<br />

10 Akrobatik<br />

11 Choreographie<br />

12 Hiphop<br />

18 indische Folklore<br />

19 arab. Folklore<br />

20 Oriental./modern<br />

21 Klass.orientalisch<br />

22 Bollywood<br />

23 Flamenco<br />

24 Hula<br />

25 Latin<br />

26 Tango<br />

27 Salsa<br />

28 Brasil/ Samba/ Capoeira<br />

29 schamanist./ Trance<br />

35 Yoga<br />

36 Streching<br />

37 Pilates<br />

38 Wellness<br />

39 Aerobic<br />

40 Gymnastik<br />

41 Haltungstraining<br />

42 Entspannung<br />

43 Feldenkrais<br />

44 Alexandertechnik<br />

45 Franklinmethode<br />

46 Tai Chi/ Qi Gong<br />

8


13 Breakdance<br />

14 Videoclip dancing<br />

15 Funk<br />

16 Afro<br />

17 Bauchtanz<br />

30 Zeitgenössischer Tanz<br />

31 New Dance<br />

32 Release<br />

33 Improvisation<br />

34 Kontaktimprovisation<br />

47 histor. Tanz<br />

48 Eurythmie<br />

Der klassische Ballettunterricht dominiert, wie in der Grafik ersichtlich, nach wie vor das <strong>Wien</strong>er<br />

tanzpädagogische Geschehen. Mehr als die Hälfte aller Studios (37) bieten Ballettunterricht an, manche sogar<br />

ausschließlich. Die lange Tradition der klassischen Ausbildung hält ungebrochen an. Für kleine Kinder wird<br />

Ballettunterricht oft als Ballettvorbereitung, musische Bewegung, Märchentanz oder in anderen spielerischen<br />

Formen angeboten. Außerdem tritt Ballettunterricht auch in Kombination mit Jazztanz- oder modernen<br />

Elementen auf (Ballettjazz, Modern Ballett).<br />

Seit den 80er Jahren hat sich in Abgren<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>m klassischen Ballett der Jazztanz in <strong>Wien</strong> etabliert, der<br />

mittlerweile selbst schon „ein Klassiker“ ist. Der Begriff wird heute, ursprünglich US-amerikanischer<br />

Provenienz, für eine Vielfalt moderner Tanzformen verwendet, wobei das typische Bewegungsvokabular (z.B.<br />

„isolations“ - isolierte Bewegungen einzelner Körperteile) immer noch stilbildend ist. Jazztanz stellt das<br />

zweithäufigste Angebot dar, gefolgt von Modern dance, der ebenfalls eine stilistische Breite aufweist. Die<br />

Wurzeln des Modern dance gehen auf den amerikanischen Ausdruckstanz <strong>zu</strong>rück. Die Stilrichtungen wurden<br />

von zahlreichen Einzelpersonen (wie z.B. Limon, Horton, Graham, Hawkins,…) geprägt und sind auch mit<br />

deren Namen verknüpft14 .<br />

Bemerkenswert ist auch die Häufung von Hiphop-Klassen, in <strong>Wien</strong> ein Trend der letzten Jahre. Hip Hop und<br />

verwandte Bewegungsstile wie Breakdance, Funk oder Videoclip dancing sind stark im Kommen, nicht<br />

<strong>zu</strong>letzt durch die mediale und vor allem musikalische Vermarktung des globalen Phänomens der Hiphop-<br />

Kultur.<br />

Unter dem Titel „Kreativer Kindertanz“ wurden alle Angebote für Kinder <strong>zu</strong>sammengefasst, die keinen<br />

spezifischen Tanzstil vertreten, sondern ein speziell auf Kinder <strong>zu</strong>geschnittenes Unterrichtsformat darstellen,<br />

in dem es sehr um das spielerische und improvisatorische Erleben von Bewegung und Tanz geht. Der<br />

Kindertanz ist die fünftthäufigste Nennung.<br />

Die fünf <strong>Wien</strong>er Bestseller sind also: Ballett, Jazz, Modern, Hiphop und Kindertanz. Steptanz bzw. Yoga teilen sich<br />

den sechsten Platz.<br />

Als Gegengewicht <strong>zu</strong> den US-amerikanisch geprägten Stilen, ist eine bewegungstechnisch starke<br />

Hinwendung <strong>zu</strong> fernöstlichen Lehren <strong>zu</strong> beobachten. Yoga ist populärer denn je, und wird in einigen<br />

Ausprägungsformen praktiziert (Hatha, Ashtanga, Luna, …). Die Pflege der indischen Bewegungskunst hat in<br />

<strong>Wien</strong> eine lange Tradition, die auf den Anfang des 20. Jahrhunderts <strong>zu</strong>rückgeht. Die Gründungen der ersten<br />

14 vgl. Huschka, Sabine: Moderner Tanz. Konzepte, Stile, Utopien. Rowolt 2002<br />

9


Yoga-Inistitute fallen in die Zeit der 1920er und 1930er Jahre. Aber auch Tai Chi und Qi Gong boomen und<br />

passen sich nahtlos in den allgemeinen Wellness-, Gesundheits- und Fitnesssektor ein.<br />

Der im Diagramm blau markierte Bereich kann streng genommen nicht <strong>zu</strong>m Tan<strong>zu</strong>nterricht gezählt werden,<br />

sondern ist als Sammlung von Bewegungstechniken <strong>zu</strong> bezeichnen. Sie wurden in diese <strong>Untersuchung</strong> aus<br />

mehreren Gründen aufgenommen: Erstens sind sie fixer Bestandteil vieler Studios und nehmen insgesamt<br />

einen relativ großen Teil des Kursangebots ein. Zweitens haben Bewegungsschulen wie Yoga einen<br />

jahrzehntelangen Einfluss auf die westliche Tanzkunst ausgeübt und liefern insofern wesentliche<br />

körpertechnische Impulse und ästhetische Anregungen. Drittens ist der gesamte Bereich des Körpertrainings<br />

und der Bewegungsschulung nicht nur Basis jeden tänzerischen Ausdrucks, sondern verdrängt auch<br />

teilweise die Bauch Bein Po- bzw. Musikgymnastikschiene15 .<br />

Daneben ist der orientalische Tan<strong>zu</strong>nterricht sehr gut vertreten. Wenn man die Bezeichnungen Bauchtanz<br />

und Orientalischen Tanz vereint, die <strong>zu</strong>m Teil synonym verwendet werden, übertreffen sie sogar das<br />

Angebot in Modern Dance.<br />

Die Latinszene hat in den letzten 15 Jahren ebenfalls stark <strong>zu</strong>gelegt und bietet heute eine Vielfalt an Studios<br />

und Stilrichtungen.<br />

Vergleichsweise gering ist der Anteil des Zeitgenössischen Tanzes. Am häufigsten wird er als Profitraining<br />

angeboten. Die Stilproblematik ist in diesem Fall besonders virulent. Zeitgenössischer Tanz bezeichnet<br />

weder eine spezifische Tanztechnik, noch eine einheitlich Ästhetik, sondern ist in sich eine Mischform aus<br />

aktuellen Bestrebungen, den Körper tänzerisch <strong>zu</strong> erfahren. So diffus der Begriff ist, so wenig lässt er sich<br />

auch abseits eines spezialisierten Publikums vermarkten. Unter Jazzdance oder Ballett können sich<br />

potentielle KursteilnehmerInnen eben eher etwas Konkretes vorstellen als unter Zeitgenössischem Tanz. Das<br />

spezifisch <strong>Wien</strong>erische an der Unterrepräsentiertheit dieser als „avantgardistisch“ <strong>zu</strong> bezeichnenden<br />

Tanzform liegt auch in der relativen Dominanz traditioneller Stile, die wenig Raum für Neues lassen.<br />

Stile und Angebotscluster<br />

Das untenstehende Diagramm bildet einen Überblick über die in <strong>Wien</strong>er Tanzstudios vertretenen Stile. Es<br />

handelt sich um eine multidimensionale Skalierung auf Basis der Angebotsmatrix. Die Größe bzw.<br />

Anordnung der Kreise zeigen die Häufigkeiten der Stilangebote bzw. der Kombination mit anderen Stilen an.<br />

Je häufiger Stile gemeinsam in einem Studio angeboten werden, desto näher liegen sie beisammen. Nähe<br />

und Distanz zweier Kreise verweisen auf stilistische Berührungspunkte bzw. Diskrepanzen. Cross-over-Stile,<br />

die mehrere Elemente <strong>zu</strong> einem neuem verschmelzen, können hier angedeutet werden. Allgemein kann man<br />

sagen, je näher sich zwei Cluster stehen, desto intensiver ist auch das Fusionspotential.<br />

15 Diese Entwicklung lässt sich beispielsweise am Kursangebot der Volkshochschulen ablesen.<br />

10


Angebotscluster<br />

Die Angebotscluster können anhand von räumlichen Nähebeziehungen abgelesen werden.<br />

Stilbezeichnungen, die einen gemeinsamen ästhetischen Kern haben (meist geprägt durch die<br />

Zugehörigkeit <strong>zu</strong> einem spezifischen Musikstil oder durch die Herkunft oder Verankerung in einer<br />

bestimmten Bewegungstradition) lassen sich anhand der Grafik räumlich verorten. So lässt sich der linke<br />

Bereich der Grafik von Tai Chi (oben) bis Alexandertechnik (unten) als <strong>zu</strong>sammengehörig bezeichnen, ebenso<br />

die rechte obere Ecke von Bollywood bis orientalischer Tanz. Das Zentrum wird von Ballett, Jazz und Modern<br />

gebildet, drei Stile, die untereinander häufig kombiniert werden und auch ein ähnliches Zielpublikum<br />

ansprechen.<br />

Man könnte auch von „Tanzszenen“ sprechen, die nebeneinander existieren, wie z.B. die Latin-, Bauchtanzoder<br />

Ballettszene. Zum Teil sind die einzelnen Studios relativ eindeutig einer oder mehreren bestimmten<br />

Szenen <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen.<br />

Inwiefern sich diese unterschiedlichen Cluster auch mit spezifischen sozialen Gruppierungen decken, die sich<br />

signifikant voneinander unterscheiden, kann anhand des vorhandenen Datensatzes nicht beurteilt werden.<br />

11


9. Medien und Tanzkultur<br />

Wie groß die Bedeutung der visuellen Vorbildwirkung für den Tanz ist, kann man daraus ersehen, dass das<br />

aktuelle Kursangebot auf Medien wie Fernsehen, DVD und Kino reagiert. Kursbezeichnungen wie Videoclip<br />

Dancing oder MTV-Dancing hätte man noch vor wenigen Jahren vergeblich in einem Studio gesucht. Die<br />

Lehrenden bedienen damit die Nachfrage einer populären Bewegungs- und Spaßkultur, die vorwiegend<br />

durch ein jugendliches Publikum entsteht. Die Kurse werden <strong>zu</strong>m Teil auch mit Slogans wie „endlich <strong>tanzen</strong><br />

wie die Stars“ oder ähnlich beworben. Inwieweit es sich dabei um stilistische Neuschöpfungen handelt, oder<br />

nur um eine neue Verpackung bekannten Jazz- oder Hiphop-Repertoires, kann an dieser Stelle nicht beurteilt<br />

werden. Tatsache ist jedoch, dass die Videoclipästhetik einen prägenden Einfluss auf jugendliche<br />

Bewegungskultur hat.<br />

Auch Bollywood-Kinofilme und Bühnenshows erfahren hier<strong>zu</strong>lande in jüngster Zeit eine <strong>zu</strong>nehmende<br />

Popularisierung. Was dabei vermarktet wird, ist ein Klischeebild Indiens. Dennoch – bewegungsmäßig liefern<br />

die Filme genug Anregungen und veranlassen <strong>zu</strong>r Imitation. Bollywood Dancing ist der neue Hit in einigen,<br />

vornehmlich mit orientalischem Tanz beschäftigten Studios. Mit klassischem indischen Tanz haben diese<br />

Bewegungen freilich kaum etwas gemeinsam. Vielmehr sind amerikanische Einflüsse aus Hiphop oder Jazz<br />

spürbar.<br />

Auch im Bereich Gesellschaftstanz – um einen kurzen Exkurs <strong>zu</strong> geben - gibt es Wechselwirkungen mit<br />

Massenmedien wie dem Fernsehen. Seit einiger Zeit strahlt der ORF die wöchentliche Serie „dancing stars“<br />

aus, die sich überaus großer Beliebtheit erfreut. Die Sendung bezieht ihre Popularität daraus, dass<br />

prominente Personen in einer Art Turniertanz mit jeweils einem professionellen Tanzpartner gegeneinander<br />

antreten. Die <strong>Wien</strong>er Tanzschulen profitieren davon durch einen vermehrten Zulauf. 16 Gesellschaftstanz ist<br />

wieder hip und gerade der pädagogische Aspekt der Sendung, für die tänzerische Laien trainiert werden,<br />

motiviert <strong>zu</strong>m Nachmachen. Ausschnitte aus dem Training und der gezeigte Probenfortschritt betonen<br />

<strong>zu</strong>sätzlich den Lehr-Lern-Aspekt. Ganz anders als die sportlichen Tanzturniere, die ja auch im Fernsehen<br />

ausgestrahlt werden, sind die „dancing stars“ eine echte Animation <strong>zu</strong>m Tanzen.<br />

16 „Alleine durch die TV-Serie „dancing stars“ ist unsere Tanzschule <strong>zu</strong>m Bersten voll“; Rudolf Lidmila, Webmaster des<br />

„Austrian Dance Server“, e-mail-Korrespondenz mit C.W. vom 3.9.2006<br />

12


Teil 3: Zusammenfassung<br />

10. Fazit und Ausblick<br />

Der <strong>Wien</strong>er Bevölkerung steht eine Vielzahl von tänzerischem Lehrangebot <strong>zu</strong>r Auswahl. Die Anzahl der<br />

freien Tanzstudios und die Stilpalette ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Dieses Angebot wird von<br />

mehr als drei Viertel von Frauen und Mädchen in Anspruch genommen.<br />

Es wurden 70 Studios erfasst, von denen allein 20 seit dem Jahr 2000 entstanden sind. Die vermehrte<br />

Nut<strong>zu</strong>ng von tanzpädagogischen Einrichtungen dürfte dem allgemeinen Trend <strong>zu</strong> kreativer<br />

Freizeitgestaltung und einem erhöhten Körperbewusstsein <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schreiben <strong>zu</strong> sein.<br />

Darüber hinaus nimmt ImPuls Tanz eine Sonderstellung im <strong>Wien</strong>er Tanzgeschehen ein. Mit geschätzten<br />

3000 TeilnehmerInnen jährlich stellt das internationale Tanzfestival innerhalb von nur vier Wochen das<br />

größte und gleichzeitig breiteste Angebot an Tanzworkshops dar. Mit den Schwerpunkten auf<br />

zeitgenössischem Tanz, Improvisation und Body Work wird hier auch ein Defizit ausgeglichen, das sich bei<br />

den Tanzstudios in diesen Bereichen feststellen lässt. Es werden auch Stile unterrichtet, die sich während des<br />

Jahres nur schwer in den Studios finden, wie z.B. Butoh oder Tanz für Behinderte.<br />

Dass <strong>Wien</strong> heute ein reiches Angebot an tänzerischer Bildung <strong>zu</strong> bieten hat, ist das Ergebnis der positiven<br />

Entwicklung der freien Tanzszene seit Beginn der 1980er Jahre. Es ist <strong>zu</strong> hoffen, dass auch in Zukunft dieses<br />

Spektrum erhalten bleibt bzw. sich zeitgemäß erweitert, und sich <strong>Wien</strong> damit auf international<br />

vergleichbarem Niveau bewegt.<br />

Weitere Forschungsperspektiven:<br />

Die vorliegende Studie kann nur einen kleinen Teil des Problemfeldes beleuchten. Wichtige Anschlussstellen<br />

für weitere <strong>Untersuchung</strong>en wären:<br />

• die Erhebung der Sozialstruktur der Zielgruppen, deren Motivationen und Körperkonzepte<br />

• Datenerhebung <strong>zu</strong> den Unterrichtenden (Alter, Ausbildung, Einkommen) und <strong>zu</strong>m Berufsbild<br />

• die stilistische Analyse der Unterrichtsinhalte bzw. Evaluation der Lehrpraxis<br />

• die historische Rekonstruktion der freien Tanzstudios in <strong>Wien</strong> (Gründungen und Schließungen,<br />

Inhalte, Tendenzen)<br />

• Erstellung eines Leitfades für Tanzinteressierte, in dem Studios und Stile umfassend beschrieben<br />

werden<br />

Folgende Fragestellungen wären relevant:<br />

Ist der derzeitige Bedarf an Tan<strong>zu</strong>nterricht gedeckt?<br />

Welche Defizite bestehen am Markt?<br />

Wie kann eine zeitgemäße und qualitativ hochwertige tänzerische Ausbildung für alle Altersgruppen<br />

gewährleistet werden?<br />

Welche gesundheitlichen Maßstäbe und Körperkonzepte beeinflussen die aktuelle tänzerische Bildung?<br />

13


11. Die Studios<br />

Die erfassten Tanzstudios in alphabetischer Reihenfolge:<br />

Academy of living movement<br />

Akademia Flamenca<br />

Al Ahram<br />

Amun Tanzatelier<br />

Apollo<br />

arriOla Tanzstudio<br />

Asiram Shimmy & more<br />

Ballettschule der <strong>Wien</strong>er Staatsoper<br />

Ballettschule Hely Scholtze<br />

Ballettschule Hietzing<br />

Ballettschule Lehrbauer<br />

Ballettschule Nera Nicol<br />

Ballettschule Patricia Fritthum<br />

Ballettstudio Olczykowski<br />

Ballettzentrum Monika Nader<br />

Ballsttstudio Rautner<br />

Beer´s<br />

Bilge Jeschim<br />

Birkmeyer Studio für Ballett<br />

Body Art and E1pression<br />

Broadway Connection<br />

Chiftetelli Tanzstudio<br />

Chladek Tanzraum<br />

Dance & Fun<br />

Dance Arts<br />

Die Ballettratten<br />

Focus<br />

Franklin Methode Österreich<br />

Funroom<br />

Funtastic<br />

Halfstreet<br />

IGRA Ausbildungszentrum und Studio für Tanz<br />

ImPuls Tanz<br />

Institut Dr. Schmida<br />

Jians Institut<br />

Kid Fit Fun<br />

Kinder Atelier <strong>Wien</strong><br />

Kreadance<br />

Kreativinsel<br />

La Danza<br />

Mamborama<br />

Mänada, Zentrum für Bewegung und Tanz<br />

Margit Manhardt Studios für künstlerischen Tanz<br />

Move on<br />

Musisches Zentrum<br />

Oran-dance<br />

Palmyra<br />

Passion Latina<br />

Perform<br />

Performing Center Austria<br />

Studio 70<br />

Studio Alegria/ Flamencoschule<br />

14


Studio an der <strong>Wien</strong><br />

Studio Barada<br />

Studio Fantasia<br />

Studio Julion<br />

Sylphide<br />

Tanz.Raum.Homunculus<br />

Tanzhotel<br />

Tanzpool<br />

Tanzquartier <strong>Wien</strong><br />

Tanzstudio Iaspis<br />

12. Quellen<br />

Tanzstudio Monika Zörrer<br />

Tanzstudio Pfundmayr-Tagunoff<br />

Tanztheater Konnex<br />

Tanzwerkstatt <strong>Wien</strong><br />

Tumbao<br />

United Kids Dance Space<br />

Vereinigte Ballettschulen<br />

Vienna Dance Center<br />

Werkstatt Tanzpädagogik Österreich<br />

<strong>Wien</strong>er Tanz im www:<br />

Die im Rahmen dieser <strong>Untersuchung</strong> angesurften Internetseiten belaufen sich auf weit über 100. Es kann hier<br />

nur eine Auswahl angeführt werden. Die nachstehenden Adressen beziehen sich auf die Erfassung der<br />

Studios. Es gibt keine Datenbank, die alle Institutionen lückenlos dokumentiert bzw. sind die Informationen<br />

nicht immer am aktuellen Stand. Durch das Screening verschiedener Homepages und durch die persönliche<br />

Kontaktaufnahme mit StudiobetreiberInnen, konnte dennoch ein annähernd vollständiges und aktuelles<br />

Verzeichnis der Studios erstellt werden.<br />

Austrian Dance Server: http://tanz.or.at/<br />

Corpus. Internetmagazin für Tanz Choreographie Performance: http://www.corpusweb.net/<br />

Dancecenter. Die Plattform für Tanz, Musik und Unterhaltung: http://www.dancecenter.at/<br />

Die <strong>Wien</strong>er Tanzschulen: http://www.tanzschulen.co.at/<br />

Herold – Gelbe Seiten: http://www.herold.at/<br />

Interessensgemeinschaft Freie Theaterarbeit: http://www.freietheater.at/<br />

Kinderinfo <strong>Wien</strong>Xtra: http://www.wienxtra.at/kinderinfo/pdf/Liste_Tanz.pdf<br />

Musikschulen der Stadt <strong>Wien</strong>: http://www.wien.gv.at/musik/angebot/index.htm<br />

Tanz.at. Die Tanzzeitschrift im Internet: http://www.tanz.at/<br />

Universitätssportinstitut <strong>Wien</strong>: http://www.univie.ac.at/USI-<strong>Wien</strong>/index2.htm<br />

(letzte Aktualisierung: April 07)<br />

15


Weiters besitzen fast alle der oben genannten Tanzstudios eine Homepage, die unter dem<br />

Studionamen gefunden werden kann.<br />

Vielen Dank für das Gespräch an:<br />

Silvia Both<br />

Bert Gstettner<br />

Margit Manhardt


Literatur<br />

Amort, Andrea: Aus der Gegenwart kann man sich nicht davonstehlen. Aspekte einer Standortbestimmung<br />

des freien künstlerischen Tanzes in <strong>Wien</strong> mit bescheidenen Anmerkungen <strong>zu</strong> Österreich; in: Gift.<br />

Zeitschrift für freies Theater, Ausgabe Juli, August, September 2007<br />

Huschka, Sabine: Moderner Tanz. Konzepte, Stile, Utopien. Rowolt 2002<br />

Dahms, Sibylle: Die Bedeutung <strong>Wien</strong>s für die Ballettreform des 18. Jahrhunderts; in: Amort, Andrea (Hrsg.);<br />

Wunderer-Gosch, Mimi (Hrsg.) österreich tanzt. Geschichte und Gegenwart, <strong>Wien</strong> 2001<br />

Oberzaucher-Schüller, Gunhild: Insitutionalisierter Tanz im <strong>Wien</strong> des 19. Jahrhunderts; in: Wunderer-Gosch,<br />

Mimi/ Amort, Andrea: österreich tanzt, <strong>Wien</strong> 2001<br />

Oberzaucher-Schüller, Gunhild: Der Freie Tanz in <strong>Wien</strong> bis 1938; in: Wunderer-Gosch, Mimi/ Amort, Andrea:<br />

Österreich tanzt, <strong>Wien</strong> 2001<br />

Moschen, Ulli: „Der Tanz ist nicht weiblich“; in: Der Falter 39/06


TANZSTUDIO FRAGEBOGEN<br />

Name der Institution: ___________________________________________________<br />

____________________________________________________________________<br />

Adresse: ____________________________________________________________<br />

Seit wann besteht das Studio? _________<br />

Welche Tanzstilrichtungen werden angeboten?<br />

(etwaige Schwerpunkte können graphisch hervorgehoben werden)<br />

______________________________ ____________________________<br />

______________________________ ____________________________<br />

______________________________ ____________________________<br />

______________________________ ____________________________<br />

______________________________ ____________________________<br />

Welche Bereiche sind vertreten? O Kinder (bis 12 Jahre)<br />

O Jugendliche (13 bis 18 Jahre)<br />

O Erwachsene Laien<br />

O Senioren (ab 55 Jahren)<br />

O Ausbildung<br />

O Profitraining<br />

O sonstige: __________________________<br />

Wie viele Kurse/ Workshops werden pro Jahr angeboten? 17_______ (das sind ca. _________ Wochenstunden)<br />

Geschätzte TeilnehmerInnenzahl pro Jahr: ______________<br />

mit Tendenz18 O steigend<br />

O gleich bleibend<br />

O sinkend<br />

Geschätzter Anteil weiblicher Teilnehmerinnen ______%<br />

Durchschnittliches Alter der TeilnehmerInnen: ______ ; d.h.: von ____ bis ____<br />

Wie viele Unterrichtende sind beschäftigt? _________<br />

davon weiblich: _________<br />

17 Falls Sie ein breiteres Spektrum abdecken, bitte NUR KURSE IM BEREICH TANZ berücksichtigen<br />

18 Tendenz der letzten 1-2 Jahre

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