Der kategorischer Imperativ
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Der kategorischer Imperativ
Der kategorischer Imperativ besteht darin, dass die mit ihm verbundene absolute
Verbindlichkeit nicht aus einer externen Instanz resultiert, sondern aus der praktischen
Vernunft des Menschen selbst, zumal mithilfe der vernuftgeleiteten Abstraktion vom
eigenen Begehrungsvermögen dazu befähigt ist, allgemein gesetzgebend zu sein. Dazu ist
der Mensch zum Sittengesetz fähig, weswegen sich die Autonomie die Freiheit und die
Würde des Menschen offenbaren. Kant beschreibt mit dem kategorischen Imperativ die
Selbstbindung des Menschen an das Sittengesetz als Ausdruck seiner Autonomie als
vernunftbegabtes Wesen.
Alle Unterformeln
Der kategorischer Imperativ wird in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und auch in
der Kritik der praktischen Vernunft an verschiedenen Stellen und in verschiedenen
Formulierungen verwendet.
> Naturgesetzformel: »Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen
Willen zu den allgemeinen Naturgesetzen werden sollte.« (AA IV, S. 421) Der Fokus
der Naturgesetzformel liegt somit auf einer Analogie des guten Willens zum
allgemeinen Gesetz, wie es sich in der Natur finden lässt.
> Selbstzweckformel: »Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als
in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel
brauchest.« (AA IV, S. 429) Der Selbstzweckformel liegt die Überzeugung vom
absoluten Wert einer jeden Person als Zweck an sich selbst zugrunde.
> Formel des Reiches der Zwecke: »Handle nach Maximen eines allgemein
gesetzgebenden Gliedes zu einem bloß möglichen Reichen der Zwecke, in seiner
vollen Kraft, weil es kategorisch gebietend ist.« (AA IV, S.439) Mit dieser Formel
rekurriert Kant wieder auf den Begriff der Autonomie und der Unterwerfung des
Menschen unter das Sittengesetz (Reich der Zwecke), ähnlich der Unterwerfung der
Natur unter das Naturgesetz (analog dazu: Reicher Natur).
Die Grundformel des kategorischen Imperativs macht mehreres deutlich. Bei ihnen besteht
ein rein formales Überprüfungsverfahren, ein Gedankenexperiment, welches inhaltlich nicht
spezifiziert ist. Schließlich enthält diese somit keine Werttheorie, außer der Annahme, dass
der Mensch selbst Wert an sich ist und keinen Preis hat.
Kant legte kein Wert auf die Bewertung von Handlungen, vielmehr um die Bewertung von
Maximen, um Regeln, die vom Menschen selbst festgelegt werden.
Das Sittengesetz
Bei der Prüfung der Geeignetheit einer Maxime für das Sittengesetz geht es Kant viel
weniger um die Folgewirkungen des Prinzips, sind vielmehr nur um die Beschaffenheit des
Prinzips, nach diesem gehandelt wird und nicht um die Antizipationen der Folgen, die
Resultat aus unzähligen Handlungen oder Regeln. Das ist der ausschlaggebende Punkt, dem
seinen Ansatz grundlegend vom Utilitarismus unterscheidet.
Für eine solche Maxime ist die zentrale Bedingung die Forderung, dass die Maxime die Form
der widerspruchsfreien Allgemeinheit des Gesetzes haben muss. Dieses bedeutet sie muss
gedacht werden können und sie darf nicht gewollt werden dürfen. Damit taugt nur jene
Maxime für das Sittengesetz, die für alle, d.h. Für den Handelnden wie für den Betroffenen
gleichermaßen, vernünftigerweise gedacht/ gewollt werden kann. Sollte eine Maxime in
ihrer Verallgemeinerung nicht gedacht werden kann, führt sie sich ad absurdum. Sollte eine
Maxime in ihrer Verallgemeinerung nicht gewollt werden kann, dann bedeutet das, dass die
Maxime in ihrer Verallgemeinerung unweigerlich Implikationen mit sich brächte, die der
Akteur nicht wollen kann. Dafür entwarf er vier Beispiele
Beispiele
Die Verurteilung des Suizids, die Ablehnung eines lügenhaften Versprechens beim
Geldausleihen, die Ablehnung der Vernachlässigung der Förderung natürlicher Anlagen und
die Ablehnung des Unwillens, Notleiden zu helfen
2. Beispiel
Das zweite Beispiel des lügenhaften Versprechens eignet sich gut, um Kants Grundidee zu
verdeutlichen: Würde man das lügenhafte Versprechen verallgemeinern und sich im
Gedankenexperiment vorstellen, es gäbe ein Gesetz, wonach sich jeder eines lügenhaften
Versprechens bedienen dürfte, so würde man damit letztlich den Sinn des lügenhaften
Versprechens kontaktieren. Machte man nämlich das Lügen zur Regel, wäre das
Grundvertrauen in die Wahrhaftigkeit generell zerstört. Damit würde ein Zustand erreicht, in
dem man den Zweck des lügenhaften Versprechens gar nicht mehr erreichen könnte. Kant
deckt das so aus: „Denn die Allgemeinheit eines Gesetzes, daß jeder, nachdem er in Noth zu
sein glaubt, versprechen könne, was ihm einfällt, mit dem Vorsatz, es nicht zu halten, würde
das Versprechen und den Zweck, den man damit haben mag, selbst unmöglich machen,
indem niemand glauben würde, daß ihm was versprochen sei, sondern über alle solche
Äußerungen, als eitles Vorgehen, lachen würde“.
Die hier wichtige und relevante Frage für Kant bleibt immer noch, ob man eine solche
verallgemeinerte Maxime widerspruchsfrei wollen kann. Das Versprechen ist eine
Selbstbindung, das lügenhafte Versprechen hingegen die Verneinung dieser Bindung. Spricht
man nun von einem Naturgesetz, welches das lügenhafte Versprechen zur Regel macht, so
wäre jede Bindung gleichzeitig eine Nicht-Bindung, welches also einen eindeutig logischen
Widerspruch bedeutet.
Medizinethik
Eine große Relevanz, für dieses aber auch für zahlreiche andere Beispiele, namentlich aus
der Medizinethik, ist die zweite Unterformel, die Selbstzweckformel. Das Verbot könnte
auch draus gezogen werden. Da ab dem Moment jemand bewusst belogen wird, dieser
Mensch bloß als Mittel gebraucht und nicht als Zweck an sich betrachtet wird, denn er
würde selbst keinesfalls im bewussten Zustand Belogenwerden zustimmen. Mit Kant gesagt,
würde der den ich durch ein solches Versprechen zu meinen Absichten brauchen will,
unmöglich in meine Art, gegen ihn zu verfahren, einstimmen.
Übersetzt bedeutet das, dass einen Menschen, welches das Handeln eines Mitmenschen
nicht als Zweck an sich betrachtet, schließlich von Maximen geführt ist, von den ein
partikulares und gerade nicht verallgemeinerbares Begehrungsvermögen zugrunde liegt. Zu
diesem Zeitpunkt werden Menschen als Zweck für fremde persönliche Interessen
beispielsweise Vorteile aus der Lüge betrachtet werden, kann der Bestimmungsgrund für
dieses Handeln kein sittlicher mehr sein.
Bei der Selbstzweckformel führt Kant der Grundformel ein materielles Element ein, welches
dem Menschen einen unbedingten inneren Wert zuspricht. Es kann also nur nach jeder
Maxime gehandelt werden, die von jedem vernünftigen Menschen geteilt werden.
Unterlassungspflicht bedeutet gleich die Unterlassung der Instrumentalisierung eines
anderen Menschen. Zeitgleich ist das auch eine positive Pflicht zur Anerkennung des inneren
Wertes jeden Menschen als Teil der Menschheit. Der Mensch ist Zweck an sich und steht
hiermit in elementarer Gleichheit mit allen Menschen. Bedeutet: kein Mensch hat das recht,
diese elementare Gleichheit der grundsätzlichen Selbstzweck -und damit Subjekthaftigkeit
eines jeden Menschen anzutasten.
Pflichten nach dem kategorischen Imperativ
Kant leitet aus dem kategorischen Imperativ verschiedene Pflichten ab. Kant unterscheidet
bei diesen Pflichten aber noch zwischen vollkommenden und unvollkommene und unterteilt
diese. Kant bringt in die Pflichten eine klare Struktur. Es sind die Pflichten gegen sich selbst
und die Pflichten gegen andere. Dabei stehen die Pflichten für sich selbst im Vordergrund.
Die unvollkommene Pflicht bezeichnet Kant auch als „Weite“ Pflichten, weil es schwer ist,
diese zu bestimmen. Außerdem ist es zum Vorteil, da die unvollkommenen Pflichten nicht
eindeutig befolgt werden müssen. Es ist jedem selbst überlassen, wie er diese Pflichten
erfüllt.
Ein Beispiel: aus den Pflichten gegen sich selbst: es ist die Pflicht, seine Talente nicht
verkümmern zu lassen. -> für Kant ist es kein plausibler Wiederspruch. Doch der gesunde
Menschenverstand kann diese Verallgemeinerung nicht wollen, da der Mensch seine
Fähigkeiten so gut wie möglich aufblühen will, um alle Hürden zu bewältigen. Der Mensch
kann aber auch anderen Zielen erstmals den Vorrang geben.
Die vollkommenen Pflichten bezeichnet Kant auch als „enge“ Pflichten und sind zugleich
auch die negativen Pflichten. Damit sind deutliche Verbote gemeint, die gewiss bestimmt
werden können. Die vollkommenen Pflichten sind unter allen Umständen zu
berücksichtigen. Kant zählt als Verbot zu den vollkommenen Pflichten einmal die
Selbsttötung als Pflicht gegen sich selbst und das Verbot des lügenhaften Versprechens als
Pflicht gegen andere. Zur Einhaltung der vollkommenen Pflichten ist es erlaubt, Zwang
anzuwenden -> denn diese gelten als obligatorische Pflichten.
Vollkommene Pflichten Unvollkommene Pflichten
Pflichten gegen sich selbst Verbot der Selbsttötung Förderung der eigenen
Talente
Pflichten gegen andere Verbot des lügenhaften
Versprechens
Hilfeleistung in Not
Beispiel zum kategorischen Imperativ
Beispiel: Eine Frau geht nachts allein durch die Stadt, weil sie gerade von einem Geburtstag
heimkehrt. Sie sieht, dass zwei Männer eine andere Frau belästigen und ihr möglich etwas
antuen, wollen. Wie soll sie handeln? 1. Sie handelt gar nicht und geht einfach nach Hause,
weil sie Angst hat, selbst verletzt zu werden: Sich selbst schützen → sollten alle dieses
Handeln nachgehen, würde es zu viel mehr Übergriffen und Gewalt kommen und die Zahl
der Täter, sowie der Opfer, steigt, da die Täter merken, dass keiner bei solchen Übergriffen
einschreitet und sie ihr Handeln ungestört durchführen können. Was zur 2. Möglichkeit des
Handelns führt: Die Frau schreitet ein, versucht die Männer durch Hilferufe zu verscheuchen,
die andere Frau da weg zu holen oder ruft Hilfe, wie die Polizei, wenn sie Angst hat sich den
Männern zu nähern, da sie dementsprechend auch verletzt und belästigt werden kann.
→ Man soll also nicht dastehen und nichts tun, sondern Handeln, irgendetwas machen, denn
so wird nach dem kategorischen Imperativ gehandelt.
Begriffe Erklärungen
> Sittengesetz = Kant verwendet die Ausdrücke moralisches Gesetz
und Sittengesetz synonym. Er bezeichnet damit das von ihm angenommene
Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft, dass ein Handeln nach
universalisierbaren Maximen gebietet.
> Autonomie = griechisch für Selbstgesetzlichkeit
> Antizipationen = Antizipationen der Wahrnehmung sind bei Kant dasjenige, was
sich an der Empfindung ohne Erfahrung vorwegnehmen lässt (nämlich ihre
Eigenschaft, Intensität oder einen Grad zu haben).
> Widerspruchsvollen Allgemeinheit ^
> Ab absurdum = Sinnlosigkeit einer Sache nachweise
> Werttheorie = Werttheorie beinhaltet verschiedene Ansätze, die untersuchen, wie,
warum und in welchem Maße Mensch Wert Dinge und ob das Objekt oder
Gegenstand der Bewertung ist eine Person, eine Idee, ein Objekt oder irgendetwas
anderes
> externen Instanz = Einwand und Mittel zur Entkräftigung eines Beweises
> vernuftgeleiteten Abstraktion = ein vernunftgeleitendes, gedankliches Verfahren
oder ein Prozess, wodurch an einem Gegenstand bestimmte gegebene, allerdings als
unwesentlich erachtete Merkmale unbeachtet bleiben und auf diese Weise sich das
Markante und Wesentliche konzentriert zeigt, d.h. eine ganz bestimmte begriffliche
Bedeutung der so erfassten speziellen Merkmale entsteht.
> Noth = eine veraltete Schreibweise von Not, die seit der Reform 1901 nicht mehr
korrekt ist