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Durch ihn hat Hohenlohe eine Stimme gefunden - Hadley

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© by Tauber-Zeitung, Bad Mergentheim 28. Oktober 1996<br />

<strong>Durch</strong> <strong>ihn</strong> <strong>hat</strong> <strong>Hohenlohe</strong> <strong>eine</strong> <strong>Stimme</strong> <strong>gefunden</strong><br />

Gottlob Haag wurde am Samstag das Ehrenbürgerrecht verliehen<br />

NIEDERSTETTEN (uda). Zweige von Laubbäumen, Rubengeister" und altes Bauerngerät schmückten<br />

am Samstag abend die Alte Turnhalle in Niederstetten. Am Weinausschank und am Empfang standen<br />

Frauen und Männer in alter Bauerntracht bereit. Auf der Bühne spielten vier Musiker auf historischen<br />

Instrumenten: aus fränkischer Sackpfeife, Krummhorn, Trommel und <strong>eine</strong>m Tenor-Pammer (<strong>eine</strong>r<br />

tiefen Schalmei) ertönten alte Volksweisen. Die Besucherwurden versetzt in <strong>eine</strong> Zeit, "in der die Welt<br />

noch in Ordnung war."<br />

Niederstetten hätte "s<strong>eine</strong>n" Lyriker und Mundartautor Gottlob Haag, der am Samstag zum<br />

Ehrenbürger des Städtchens im Vorbachtal ernannt wurde, nicht besser feiern können. Denn wie<br />

kaum ein anderer beschreibt er in s<strong>eine</strong>n Gedichten die alte, vorindustrielle Zeit s<strong>eine</strong>r hohenlohischen<br />

Heimat. Die Zeit, "bevor die Brennesseln die Bauerngärten eroberten", so ein Zitat aus<br />

s<strong>eine</strong>n Texten, die Freunde und Verehrer Haags am Samstag abend vorlasen. Sie erinnerten daran,<br />

daß Haag es nicht immer leicht <strong>hat</strong>te, als Dichter akzeptiert zu werden, ja daß er anfangs von vielen<br />

nicht nur hinter vorgehaltener Hand als Spinner bezeichnet wurde. Heute sind die Niederstettener<br />

stolz auf "ihren" Gottlob Haag - ihm zu Ehren sang der Liederkranz s<strong>eine</strong> Texte, vertont von Eugen<br />

Lachmund.<br />

Auf Haags Leistungen als Dramatiker ging Wolfgang Hampele ein. Neben Stücken wie "Götz vo<br />

Berlichinge" und "Blasius Heyden" habe er mit "Dorfidylle 1943 bis 1945" Unvergleichliches<br />

geschaffen. Die Allmacht des Naziregimes werde durch den Ortsgruppenleiter des hohenlohischen<br />

Dorfes in diesem Stück jedem gegenwärtig. Szenen aus dem Schauspiel folgten als Kostprobe<br />

Haagscher Drama-Kunst.<br />

Hampele beschrieb in s<strong>eine</strong>r Laudatio, wie sehr sich der Dichter s<strong>eine</strong>r hohenlohischen Heimat<br />

verbunden fühle. Sie sei für Haag ein Geschenk, das verpflichte. Aber auch ein Stück Vergangenheit,<br />

das der Lyriker nicht nur in s<strong>eine</strong>n Gedichten zu konservieren versuche. S<strong>eine</strong> Sehnsucht nach<br />

Tagen, als die "Kulturlandschaft noch k<strong>eine</strong> Produktionslandschaft" gewesen war, zeige sich auch<br />

darin, daß er die Grenzst<strong>eine</strong> sammelte, die der Flurbereinigung zum Opfer fielen. Dabei wisse Haag<br />

sehr wohl, daß auch die alte Dorfidylle manchmal trog, so war beispielsweise der Kirchenschlaf ein<br />

allsonntäglicher Gottesdienstbesucher.<br />

Gottlob Haag, so Hampele, habe sich in letzten Zeit mehr und mehr zeit- und ortspolitischen Themen<br />

zugewandt. Daß die Natur ausgebeutet werde, sei <strong>eine</strong> negative Entwicklung, die er in zahlreichen<br />

Gedichten beschreibe.<br />

Daß die Verleihung der Ehrenbürgerwürde ein besondere Anerkennung sei, die bis jetzt nur vier Bürgern<br />

Niederstettens zuteil wurde, betonte Bürgermeister Finkenberger. Neben den ehemaligen<br />

Bürgermeistern Jakob Schroth und Karl Weber waren dies Luftschiffkapitän Albert Sammt sowie<br />

Fabrikant Wilhelm Bernheim. Mit Gottlob Haag würde nun erstmals <strong>eine</strong>m Künstler diese Ehre zuteil.<br />

Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts solle Gottlob Haag aber k<strong>eine</strong>swegs in bürgerliche Konventionen<br />

einzwängen, sie soll vielmehr s<strong>eine</strong> Leistungen anerkennen. Denn durch <strong>ihn</strong> habe<br />

<strong>Hohenlohe</strong>, die Landschaft und die Menschen, <strong>eine</strong> aussagekräftige <strong>Stimme</strong> <strong>gefunden</strong>.<br />

Dies betonten auch Haags Dichterkollegen, die mit ihrem Freund feierten: Fritz Frank aus Gerabronn-<br />

Oberweiler, Willi Habermann aus Bad Mergentheim, Hans-Dieter Schmidt aus Wertheim sowie<br />

Walter Tausendpfund aus Pegnitz a. d. Pegnitz, der als Verteter der fränkischen Mundart-Theater<br />

gekommen war:<br />

Nachdem Gottlob Haag die Ehrenbürgerurkunde von Finkenberger überreicht wurde, bedankte er sich<br />

auf gut Hohenlohisch - nicht ohne Selbstironie. Zu so viel Lob meinte er: "I habb me ja scho a bißle<br />

gschämt, awwer guat doone <strong>hat</strong>'s mer scho." Dabei weiß Haag, daß er sich mit s<strong>eine</strong>n Gedichten<br />

nicht immer nur Freunde gemacht <strong>hat</strong>. Oft haben <strong>ihn</strong> anonyme Anrufe nachts aus dem Schlaf<br />

gerissen, was <strong>ihn</strong> ärgert, "weil Heimtücker und Feichling mooch i net."<br />

Mit freundlicher Genehmigung der Tauber-Zeitung<br />

Alle Angaben ohne Gewähr und Haftung auf Vollständigkeit. Texte, Bilder und Inhalte dürfen ohne vorherige Zustimmung durch<br />

die Tauber-Zeitung nicht verwendet bzw. veröffentlicht werden.<br />

Herausgeber: Tauber-Zeitung, 97980 Bad Mergentheim Webseite: http://www.tauber-zeitung.de<br />

Download von: http://www.niederstetten.org


© by Tauber-Zeitung, Bad Mergentheim 28. Oktober 1996<br />

Haag versicherte, daß er auch nach dieser Ehrung der gleiche bliebe: "Als Kurt Finkenberger mir die<br />

Ehrenbürgerschaft anbot, sagte ich: "Aber ändern tu ich mi net. Ich bilde mir auch nichts ein - dazu<br />

habe ich schon zu viel erlebt."<br />

Daß sich Gottlob Haag nicht ändern würde, zeige sich schon an s<strong>eine</strong>r Kleidung, meinte<br />

Finkenberger: "Wenn ich ohne Krawatte gekommen wäre, hätten die Leute gesagt: Hätte den s<strong>eine</strong><br />

Frau nicht richtig herrichten können? Wäre Gottlob Haag mit Krawatte gekommen, hätten sie gesagt:<br />

Schon <strong>hat</strong> er sich angepaßt!".<br />

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