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Kanalsanierung im Zeichen von Qualitätsdiskussion und ...

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ISSN 0944-8780 B 6693<br />

Tiefbau-Berufsgenossenschaft<br />

August 2004 8<br />

Kanalbau – <strong>Kanalsanierung</strong> in Bamberg<br />

– <strong>Kanalsanierung</strong> <strong>im</strong> <strong>Zeichen</strong> <strong>von</strong> <strong>Qualitätsdiskussion</strong><br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung<br />

– Aktueller Stand der Rohrvortriebstechnik<br />

– Einsatz <strong>von</strong> Lastaufnahmemitteln<br />

zur Montage <strong>von</strong> Schachtfertigteilen


Heft 8 • 116. Jahrgang • August 2004<br />

AMTLICHES MITTEILUNGSBLATT DER TIEFBAU-BERUFSGENOSSENSCHAFT<br />

www.tiefbaubg.de<br />

Titelbild: <strong>Kanalsanierung</strong> in Bamberg<br />

(Foto: Stadt Bamberg)<br />

Beilagenhinweis:<br />

Der heutigen Ausgabe liegen die Karte mit der Einteilung<br />

der Aufsichtsbezirke des Technischen Aufsichtsdienstes sowie<br />

das aktualisierte TBG-Adressenverzeichnis bei.<br />

Wir bitten unsere Leser um fre<strong>und</strong>liche Beachtung.<br />

Verlag: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co.<br />

Süddeutsche Zweigstelle, Paosostraße 7, 81243 München<br />

Telefon (0 89) 82 99 60-0, Fax (0 89) 82 99 60-10<br />

ESV.Muenchen@ESVmedien.de<br />

www.ESV.info<br />

Verantwortlicher Schriftleiter: Prof. Dipl.-Ing. Manfred Bandmann,<br />

Hauptgeschäftsführer der Tiefbau-Berufsgenossenschaft<br />

Redaktion: Prof. Dipl.-Ing. Univ. Rudolf Scholbeck,<br />

Leiter des Geschäftsbereiches Prävention der Tiefbau-Berufsgenossenschaft,<br />

Dipl.-Ing. (FH) Gerhard Blaasch, Postanschrift: 81237 München,<br />

Ortsanschrift: Landsberger Straße 309, 80687 München,<br />

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redaktion.tiefbau@tiefbau.bgnet.de<br />

Die mit Namen oder Initialen gezeichneten Beiträge entsprechen nicht in jedem Fall<br />

der Meinung der Tiefbau-Berufsgenossenschaft. Für sie trägt die Tiefbau-Berufsgenossenschaft<br />

lediglich die allgemeine pressegesetzliche Verantwortung.<br />

Vertrieb: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Süddeutsche Zweigstelle,<br />

Paosostraße 7, 81243 München, Telefon (0 89) 82 99 60-0, Fax (0 89) 82 99 60-10<br />

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Bezugsbedingungen: Bezugsgebühren <strong>im</strong> Jahresabonnement € 42,–/sfr 72,–; für in<br />

Ausbildung befindliche Bezieher jährlich € 21,–/sfr 36,– (gegen Vorlage einer Studienbzw.<br />

Ausbildungsbescheinigung); Einzelbezug je Heft € 4,–/sfr 7,– (jeweils einschließlich<br />

7 % Mehrwertsteuer <strong>und</strong> zzgl. Versandkosten). Die Bezugsgebühr wird jährlich <strong>im</strong> Voraus<br />

erhoben. Abbestellungen sind mit einer Frist <strong>von</strong> 2 Monaten zum 1.1. jeden Jahres<br />

möglich. Preise für geb<strong>und</strong>ene Ausgaben <strong>und</strong> CD-ROMs früherer Jahrgänge auf Anfrage.<br />

Bei den TBG-Mitgliedsbetrieben ist der Bezugspreis <strong>im</strong> Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />

Anzeigen: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Süddeutsche Zweigstelle,<br />

Paosostraße 7, 81243 München, Telefon (0 89) 82 99 60-0, Fax (0 89) 82 99 60-10<br />

Anzeigenleitung: Peter Taprogge (verantwortlich)<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 39, die auf Wunsch zugesandt wird.<br />

Anzeigenteil außer Verantwortung der Schriftleitung<br />

ISSN: 0944-8780<br />

Druck: Meindl-Druck GmbH, Ohmstraße 8, 85221 Dachau<br />

IVWgeprüfte<br />

Auflage<br />

LA BAU<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

Tiefbau-Berufsgenossenschaft<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertprojekt<br />

<strong>Kanalsanierung</strong> in Bamberg . . . . . . . . . . . . 478<br />

<strong>Kanalsanierung</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Zeichen</strong> <strong>von</strong> <strong>Qualitätsdiskussion</strong><br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung . . . . . . . . . 487<br />

Aktueller Stand der Rohrvortriebstechnik . . 497<br />

Schäden bei HDD-Bohrungen<br />

<strong>im</strong> mürben Fels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503<br />

Abführung <strong>von</strong><br />

belastetem Niederschlagswasser . . . . . . . . 518<br />

Einsatz <strong>von</strong><br />

provisorischen Rohrabsperrgeräten . . . . . . 505<br />

Einsatz <strong>von</strong> Lastaufnahmemitteln<br />

zur Montage <strong>von</strong> Schachtfertigteilen . . . . . 507<br />

Aus dem Unfallgeschehen . . . . . . . . . . . . . 514<br />

Nürnberger Kolloquium zur <strong>Kanalsanierung</strong> 516<br />

Schmale Gräben – Forschungsauftrag . . . . 517<br />

Oldenburger Rohrleitungsforum . . . . . . . . 521<br />

LGA Bayern <strong>und</strong> Güteschutz Kanalbau . . . . 522<br />

Gütegemeinschaft Leitungstiefbau . . . . . . . 523<br />

Georadarsystem – das GIGA-Projekt . . . . . . 524<br />

Geotechnik-Symposium Uni Stuttgart . . . . 525<br />

„Sicher Bauen – wirtschaftlich Bauen!“ . . . 526<br />

Aufbaustudium Wirtschaftswissenschaften . 526<br />

BAULOG 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527<br />

Zukunftsforum Bau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528<br />

Bauen <strong>im</strong> Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529<br />

Verkehrssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530<br />

Stichwort Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530<br />

TBG aktuell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531<br />

Prüfung technischer Arbeitsmittel . . . . . . . 540<br />

Mitteilungen aus der Industrie . . . . . . . . . . 541<br />

Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546<br />

Buchbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 547


TIEFBAU 8/2004<br />

KANALSANIERUNG<br />

IM ZEICHEN VON QUALITÄTSDISKUSSION<br />

UND GRUNDSTÜCKSENTWÄSSERUNG<br />

Vorbemerkung<br />

Dipl.-Ing. Ulrich Winkler, Lemgo<br />

Die Sanierung der deutschen Kanalnetze<br />

bleibt auch 2004 eine technische <strong>und</strong><br />

wirtschaftliche Herausforderung für ihre<br />

Betreiber. Chronisch unzureichende Reinvestitionen<br />

in die Abwassernetze einerseits<br />

<strong>und</strong> entsprechende Schadensbef<strong>und</strong>e<br />

andererseits prägen das Bild. An Sanierungstechnik<br />

fehlt es keineswegs, denn<br />

neben der Möglichkeit, defekte Kanäle<br />

offen zu erneuern, steht mittlerweile ein<br />

Spektrum grabenloser Sanierungsverfahren<br />

zur Verfügung, das kaum noch Wünsche<br />

offen lässt.<br />

Zum Problem wird aber vielfach die Qualität<br />

der Sanierungsergebnisse. Entgegen<br />

abträglichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

ein funktionierendes Qualitätsmanagement<br />

zu etablieren, ist die vermutlich<br />

wichtigste aktuelle Aufgabe <strong>im</strong> <strong>Kanalsanierung</strong>smarkt.<br />

Zugleich gilt es, nun auch<br />

die Instandhaltung der um ein Vielfaches<br />

umfangreicheren privaten Gr<strong>und</strong>leitungsnetze<br />

auf ein Niveau zu heben, das dem in<br />

öffentlichen Kanalisationen wenigstens<br />

nahe kommt. Dem stehen weniger technische<br />

Probleme <strong>im</strong> Weg als politische <strong>und</strong><br />

organisatorische: Die systematische Trennung<br />

der Stadtentwässerung in einen privaten<br />

<strong>und</strong> einen öffentlichen Verantwortungsbereich<br />

hat durch alle Arbeitsgänge hindurch<br />

fatale Konsequenzen, nicht zuletzt für<br />

die Qualität der Sanierung auf den Gr<strong>und</strong>stücken.<br />

Die Ausgangslage<br />

Der Status Quo <strong>im</strong> Untergr<strong>und</strong> ist schnell<br />

auf den Punkt gebracht. 460.000 km öffentlicher<br />

Kanäle sind zu 16 % schadhaft <strong>und</strong><br />

Abb. 1: Der Nachholbedarf für <strong>Kanalsanierung</strong>sinvestitionen<br />

hat inzwischen volkswirtschaftlich<br />

relevante Größenordnungen erreicht<br />

die bis zu 1,5 Mio. km langen Hausanschluss-<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>leitungssysteme weisen<br />

Defektraten <strong>von</strong> 50 % <strong>und</strong> mehr auf. In<br />

Nordrhein-Westfalen etwa müssen in den<br />

nächsten Jahren 7 bis 10 Mrd. € allein in<br />

die öffentlichen Kanäle investiert werden,<br />

während für die privaten Leitungssysteme<br />

bei einer Schadensrate <strong>von</strong> 70 % ca.<br />

12,6 Mrd. € benötigt werden, worin die<br />

vorab fälligen flächendeckenden Inspektionen<br />

<strong>und</strong> Dichtheitsprüfungen noch nicht<br />

einmal enthalten sind.<br />

Für diese werden in NRW ca. 1,6 Mrd. €<br />

veranschlagt [1]. Bis zu 24,2 Mrd. € Investitionen<br />

bei 18 Mio. Einwohnern: 1.350 €<br />

bereits aufgelaufener „Kanal-Schulden“ pro<br />

Einwohner (r<strong>und</strong> 110 Mrd. € für ganz<br />

Deutschland!) machen deutlich, dass es sich<br />

bei der Kanalinstandhaltung nicht um ein<br />

beiläufiges, betriebstechnisches Problem<br />

der Kommunen handelt, sondern um eine<br />

volkswirtschaftliche Frage. Diese Summe<br />

mahnt aber auch, sie richtig zu investieren<br />

<strong>und</strong> das heißt vor Allem: in Qualität <strong>und</strong><br />

dauerhafte Sanierungswirkung.<br />

Rechtlicher Rahmen:<br />

Das Wasserrecht<br />

Der rechtliche Rahmen der <strong>Kanalsanierung</strong><br />

ist überaus komplex <strong>und</strong> es spielen<br />

Abb. 2: Der Abwasserkanal <strong>im</strong> Rechtssystem<br />

WasserrechtWasserhaushaltsgesetz<br />

(WHG):<br />

Betreiberpflichten<br />

nach § 18 b WHG;<br />

a.a.R.d.Technik<br />

Landeswassergesetze<br />

(LWG);<br />

Eigenkontroll-<br />

Verordnungen<br />

Öffentliche<br />

Abwasseranlagen<br />

Abwassersatzungen<br />

Baurecht<br />

Landes-<br />

Bauordnungen<br />

(LBO)<br />

unterschiedliche Rechtsbereiche eine Rolle<br />

(Abb. 2). Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt ist das<br />

Wasserrecht, das die Pflichten jedes Betreibers<br />

<strong>von</strong> Abwasseranlagen in Deutschland<br />

definiert. Gemäß § 18 a WHG ist Abwasser<br />

„so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit<br />

nicht beeinträchtigt wird“. Das<br />

schließt insbesondere auch ein, dass kein<br />

unbehandeltes Abwasser in Gr<strong>und</strong>wasser<br />

<strong>und</strong> Oberflächengewässer gelangt.<br />

§ 18 b WHG wiederum schreibt vor: „Im<br />

Übrigen gelten für Errichtung <strong>und</strong> Betrieb<br />

<strong>von</strong> Abwasseranlagen die allgemein anerkannten<br />

Regeln der Technik.“ Die allgemein<br />

anerkannten Regeln der Technik sind den<br />

einschlägigen DIN- bzw. EN-Regelwerken<br />

bzw. in weiteren technischen Regelwerken<br />

wie den Merk- <strong>und</strong> Arbeitsblättern, z.B. des<br />

Fachverbandes ATV-DVWK, zu entnehmen.<br />

Insofern stellt ein nicht normkonformer Bau<br />

oder Betrieb <strong>von</strong> Abwasseranlagen mittelbar<br />

auch einen Verstoß gegen das Wasserrecht<br />

dar, das sich <strong>im</strong> Übrigen auch in den<br />

zum WHG inhaltlich weitgehend deckungsgleichen<br />

Regelungen der Landeswassergesetze<br />

niederschlägt.<br />

Um rechtssicher zu agieren, gilt es die maßgeblichen<br />

technischen Regelwerke zu kennen<br />

<strong>und</strong> zu beachten. Und das betrifft nicht<br />

nur die Kommunen, sondern auch jeden<br />

Umwelt-<br />

Strafrecht<br />

§ 324 StGB<br />

§ 324 a StGB<br />

HaftungsrechtUmwelthaftungsrechtSchadenshaftung<br />

(BGB)<br />

Amtshaftung<br />

B<strong>und</strong><br />

Land<br />

Kommune<br />

Gr<strong>und</strong>stückseigentümer<br />

487


Gr<strong>und</strong>stückseigentümer, da er <strong>im</strong> Sinne<br />

des § 18 b WHG stets „Betreiber einer Abwasseranlage“<br />

ist, <strong>und</strong> seien es nur 10 m<br />

Abwasserleitung.<br />

Das Normenwerk r<strong>und</strong><br />

um die <strong>Kanalsanierung</strong><br />

Die übergreifende technische Kanal-Norm<br />

ist die europäische Norm EN 752 „Entwässerungssysteme<br />

außerhalb <strong>von</strong> Gebäuden“,<br />

mit ihren insgesamt 7 Teilen. Sie gilt für<br />

Freispiegelsysteme „<strong>von</strong> dem Punkt an, wo<br />

das Abwasser die Gebäude bzw. die Dachentwässerung<br />

verlässt, bis zu dem Punkt,<br />

wo das Abwasser in eine Behandlungsanlage<br />

oder einen Vorfluter eingeleitet wird“.<br />

Der EN 752 ist also die deutsche rechtliche<br />

Zuständigkeitsteilung zwischen öffentlichem<br />

<strong>und</strong> privatem Bereich fremd; gemäß Teil 2<br />

„Anforderungen“ gelten dies- <strong>und</strong> jenseits<br />

der Gr<strong>und</strong>stücksgrenze einheitliche Gr<strong>und</strong>sätze<br />

<strong>und</strong> Anforderungen, nämlich, u.A.<br />

• verstopfungsfreier Betrieb,<br />

• Schutz <strong>von</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Leben<br />

der Öffentlichkeit,<br />

• Erreichung der geforderten Nutzungsdauer<br />

<strong>und</strong> Erhaltung des baulichen<br />

Bestandes,<br />

• Wasserdichtheit der Abwasserkanäle<br />

<strong>und</strong> -leitungen entsprechend den<br />

Prüfungsanforderungen,<br />

• Sicherstellung der geeigneten Zugänglichkeit<br />

für Unterhaltungszwecke.<br />

Zentral für die <strong>Kanalsanierung</strong> ist EN 752<br />

Teil 5 „Sanierung“.<br />

Gleich vorweg wird die Terminologie geklärt,<br />

die der offiziellen Einteilung der Sanierungsverfahren<br />

zu Gr<strong>und</strong>e liegt: Sanierung<br />

beinhaltet danach „alle Maßnahmen, zur<br />

Wiederherstellung oder Verbesserung <strong>von</strong><br />

vorhandenen Entwässerungssystemen“. Teil<br />

der Sanierung ist die Renovierung: „Maßnahmen<br />

zur Verbesserung der aktuellen<br />

Funktionsfähigkeit <strong>von</strong> Abwasserleitungen<br />

<strong>und</strong> -kanälen unter vollständiger oder teilweiser<br />

Einbeziehung ihrer ursprünglichen<br />

Substanz.“ Eine Reparatur liegt vor bei<br />

„Maßnahmen zur Behebung örtlich begrenzter<br />

Schäden.“ Schließlich kann man<br />

auch durch Erneuerung sanieren: „Herstellung<br />

neuer Abwasserleitungen <strong>und</strong> -kanäle<br />

in der bisherigen oder einer anderen Linienführung,<br />

wobei die neuen Anlagen die<br />

Funktion der ursprünglichen Abwasserleitungen<br />

<strong>und</strong> -kanäle einbeziehen“.<br />

Im Weiteren wird zur Sanierung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

festgestellt: „Die Leistungsanforderungen<br />

an ein saniertes System entsprechen<br />

denen an ein neues System.“ Sanierungsergebnisse<br />

dürfen also in der Wirkung hinter<br />

einem Neubau nicht wesentlich zurückbleiben.<br />

Leistungsanforderungen können unter<br />

folgenden Aspekten festgelegt werden:<br />

• hydraulische Leistungsfähigkeit,<br />

• Auswirkungen auf die Umwelt,<br />

• Bauzustand.<br />

Allerdings eröffnet die Norm einen gewissen<br />

Handlungs- <strong>und</strong> Abwägungsspielraum<br />

durch die Feststellung, dass „rechtliche Anforderungen,<br />

öffentliche Erwartungen <strong>und</strong><br />

finanzielle Zwänge die Prioritäten beeinflussen“<br />

können.<br />

EN 752-5 strukturiert darüber hinaus den<br />

Prozess der Sanierungsplanung in 4 Hauptschritte:<br />

• Vorplanung,<br />

• Feststellung <strong>und</strong> Beurteilung<br />

des Ist-Zustandes,<br />

• Erarbeiten der Lösungen,<br />

• Ausführung <strong>und</strong> Kontrolle.<br />

Besonders herausgearbeitet wird, wie vielschichtig<br />

der Sanierungsplanungsprozess<br />

angelegt bzw. durchzuführen ist. So sind<br />

bei der Feststellung <strong>und</strong> Bewertung des Ist-<br />

Zustandes sowohl hydraulische Untersuchungen<br />

als auch bauliche Zustandserfassungen<br />

sowie schließlich Untersuchungen<br />

<strong>von</strong> aktuellen Umwelteinflüssen des Entwässerungssystems<br />

durchzuführen.<br />

Besonders betont <strong>und</strong> erläutert wird darüber<br />

hinaus, dass <strong>im</strong> Zuge der Sanierungsplanung<br />

ganzheitliche Lösungen unter<br />

Berücksichtigung der baulichen, hydraulischen<br />

<strong>und</strong> umweltrelevanten Aspekte zu<br />

erarbeiten sind. Angesichts der personellen<br />

<strong>und</strong> finanziellen Ausstattung der Kommunen<br />

darf unterstellt werden, dass ein derart<br />

mehrd<strong>im</strong>ensional angelegter Planungsprozess<br />

gerade bei kleineren Gemeinden ein<br />

seltener Fall ist. Die Praxis sieht häufig noch<br />

<strong>im</strong>mer so aus, dass auf Kanalschäden mit<br />

akutem Rechtsrisiko <strong>im</strong> Rahmen der finanziellen<br />

Möglichkeiten ad hoc reagiert wird,<br />

wobei bekannte hydraulische Engpässe<br />

(soweit bekannt) nach Möglichkeit berücksichtigt<br />

werden. Eine solche Rechts-reaktive<br />

Min<strong>im</strong>alstrategie erschwert die langfristig<br />

<strong>und</strong> umfassend angelegte Planung <strong>und</strong> vor<br />

Allem die ökonomische Opt<strong>im</strong>ierung der<br />

Sanierungsprozesse.<br />

Charakteristisches Merkmal entsprechender<br />

Verhaltensmuster ist oft ein überdurchschnittlich<br />

hoher oder gar ausschließlicher<br />

Einsatz punktueller Reparaturtechniken<br />

gegenüber Renovierungs- <strong>und</strong> Erneuerungsverfahren:<br />

Mangels Konzept wird am<br />

Netz herumgeflickt, statt es mit System<br />

schwerpunktmäßig zu überarbeiten. Allerdings<br />

stellt ein einseitiger Einsatz <strong>von</strong> Reparaturverfahren<br />

natürlich nicht deren Funktionsfähigkeit<br />

an sich in Frage.<br />

Stand der<br />

Sanierungstechnik<br />

Entsprechend der vorgenannten Definition<br />

unterscheidet man<br />

• Reparaturverfahren<br />

(zur Behebung partieller Defekte),<br />

• Renovierungsverfahren<br />

(zur Behebung <strong>von</strong> Streckenschäden),<br />

• Erneuerungsverfahren<br />

(wobei man offene Erneuerung <strong>von</strong><br />

grabenloser Erneuerung unterscheidet).<br />

Reparaturverfahren<br />

Die klassische Reparaturtechnologie ist das<br />

Packer-gestützte Gel-Injektionsverfahren<br />

des Seal-i-Tryn/Posatryn-Typs, bei dem unmittelbar<br />

<strong>im</strong> Anschluss an die Dichtheitsprüfung<br />

der Rohrverbindung gegebenenfalls<br />

eine Abdichtung durch Injektion eines<br />

Gel-Systems erfolgt. Diese Technologie hat<br />

in den vergangenen Jahren mit dem Aufkommen<br />

konkurrierender Reparatur- <strong>und</strong><br />

Sanierungsverfahren stark an Bedeutung<br />

verloren. Gelegentlich geäußerte Zweifel<br />

am Sanierungsergebnis konnten 2003<br />

durch eine Untersuchung entkräftet werden<br />

[2]. Bei der Dichtheitsprüfung <strong>und</strong><br />

Ausgrabung <strong>von</strong> gelsanierten Muffen nach<br />

mehrjährigem Betrieb konnten auch unter<br />

ungünstigen (d.h. trockenen) Bodenbedingungen<br />

keine Funktionsbeeinträchtigungen<br />

festgestellt werden. Alle geprüften Muffen<br />

waren so dicht wie unmittelbar nach der<br />

Sanierung.<br />

Seit Anfang der 90er Jahre haben partielle<br />

Gewebeauskleidungen schadhafter Rohre<br />

den Injektionsverfahren den Rang als Reparaturverfahren<br />

abgelaufen. Die überwiegend<br />

auf der Materialkombination Glasfaser/Epoxidharz<br />

basierenden Verfahren bieten<br />

neben schneller Durchführung <strong>und</strong> Abdichtungswirkung<br />

auch eine punktuelle<br />

statische Ertüchtigung. So lassen sich z.B.<br />

Scherben durch eine Partialauskleidung in<br />

ihrer Lage stabilisieren. Jedoch sehen sich<br />

Partialauskleidungen dem Vorwurf mangelhafter<br />

Qualität ausgesetzt. Immer wieder<br />

gehen solche Auskleidungen verloren <strong>und</strong><br />

finden sich als Abflusshindernisse <strong>im</strong> Kanal<br />

oder überhaupt erst in der Kläranlage wieder.<br />

Neben Materialmängeln <strong>und</strong> Einbaufehlern<br />

wird <strong>im</strong>mer wieder eine unzureichende<br />

Vorreinigung des Rohres vor der<br />

Installation beanstandet.<br />

Mancherorts, z.B. in Göttingen, wurden<br />

partielle Auskleidungen inzwischen völlig<br />

ausgemustert. Aber auch in Frankfurt, das<br />

der Technik lange sehr positiv gegenüberstand,<br />

geht man langsam auf Distanz, wie<br />

Abb. 3: Partielle Glasfaserauskleidungen: oft<br />

eingesetzt, allerdings nicht überall unumstritten<br />

488 TIEFBAU 8/2004


auf dem 17. Lindauer Seminar <strong>im</strong> März 2004 zu hören war. Solche<br />

Abwärtsentwicklung hat zweifellos mit Marktprozessen zu tun. Ein<br />

drastischer Preisverfall in den vergangenen Jahren lief parallel zu<br />

einer wachsenden Zahl <strong>von</strong> Anbietern dieser Technik. Gewinnspannen<br />

durch mindere Qualität, schnelleren Einbau <strong>und</strong> Verzicht auf<br />

gründliche Vorarbeiten zu erzielen, ist eine unter solchen Bedingungen<br />

praktisch zwangsläufig eintretende Bieterstrategie. Bezeichnenderweise<br />

hat sich 2004 die KMG Rohrtechnik, die mit dem Partliner<br />

einst gewissermaßen den Gattungsnamen des Verfahrens prägte,<br />

selbst inzwischen aus der Technik zurückgezogen, die zusehends zu<br />

einem typischen Subunternehmergewerk wird: Eine Technologie in<br />

der Abwärtsspirale <strong>von</strong> Preis <strong>und</strong> Qualität.<br />

Im Markt derzeit deutlich besser „beleum<strong>und</strong>et“ als die partiellen<br />

Auskleidungen sind die robotergestützten Sanierungstechniken. Mit<br />

Robotersystemen können in nicht begehbaren Kanalnennweiten<br />

unterschiedlichste Arbeiten ausgeführt werden. Ganz vorn in der<br />

Liste der typischen Roboter-Aufgaben steht die Reparatur defekter<br />

Anschlussstutzen durch Injektion <strong>von</strong> Zementmörtel- oder Epoxidharz-Systemen,<br />

häufig nach vorherigem Abfräsen einragender Stutzen.<br />

Es folgt die Abdichtung <strong>und</strong>ichter Muffen <strong>und</strong> die Sanierung<br />

<strong>von</strong> Rissen <strong>und</strong> Scherben. Die Flexibilität der gängigen Roboter-<br />

Systeme ermöglicht ihnen ein breites Einsatzspektrum bei der Behebung<br />

punktueller Defekte <strong>im</strong> Rohr. Erfolgreiche Arbeit ist hier<br />

aber in besonders hohem Maße <strong>von</strong> gutem Personal mit umfangreicher<br />

Praxiserfahrung abhängig.<br />

Überhaupt sind Zustand <strong>und</strong> Sanierung der Anschlussbereiche ein<br />

Thema für sich <strong>und</strong> zwar ein sehr heikles [3]. Nach wie vor <strong>und</strong><br />

trotz aller Sanierungsanstrengungen liegen defekte Anschlüsse <strong>im</strong><br />

Spitzenfeld der Kanalschäden. Ganz offensichtlich wächst dieses<br />

Schadensbild mindestens so schnell nach, wie es wegsaniert wird.<br />

Da aber defekte Anschlüsse ausnahmslos auf Einbaumängel<br />

zurückzuführen sind, ist dies ein alarmierender Bef<strong>und</strong> für die Qualität<br />

<strong>im</strong> Leitungsneubau. Es drängt sich der Eindruck auf, dass bei<br />

der Herstellung <strong>von</strong> Hausanschlusskanälen besonders häufig „gepfuscht“<br />

<strong>und</strong> außerdem seitens der Kommunen vielerorts zu lax<br />

kontrolliert wird – ein Eindruck, der durch den desolaten Zustand<br />

der Anschlusskanäle <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>leitungen zusätzlich bekräftigt wird.<br />

TIEFBAU 8/2004<br />

Abb. 4:<br />

Sanierung eines<br />

Anschlussstutzens<br />

durch einen Roboter<br />

Abb. 5:<br />

Das am weitesten verbreitete<br />

Schadensbild<br />

überhaupt sind<br />

defekte, zumeist<br />

unsachgemäß<br />

installierte Anschlussstutzen,<br />

häufig bei<br />

erheblicher Beschädigung<br />

des Hauptrohrs<br />

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Abb. 6: Gewebeinnenauskleidung eines defekten<br />

Stutzens <strong>im</strong> IKT-Forschungsvorhaben: Es wurden<br />

erhebliche Qualitätsdefizite festgestellt<br />

Geradezu depr<strong>im</strong>ierend ist in diesem Zusammenhang<br />

das Ergebnis eines aktuellen<br />

Forschungsvorhabens des Instituts für<br />

Unterirdische Infrastruktur Gelsenkirchen<br />

(IKT) zur Qualität der grabenlosen Sanierung<br />

defekter Anschlussstutzen, das <strong>im</strong> Juni<br />

2004 veröffentlicht wurde. „Schön, aber<br />

<strong>und</strong>icht“, fasste das IKT den Bef<strong>und</strong> seiner<br />

Untersuchungen [4] zusammen, bei denen<br />

sowohl injizierende Robotersanierungsverfahren<br />

als auch Gewebeauskleidungen<br />

unterschiedlichster Systeme auf dem Prüfstand<br />

standen <strong>und</strong> sich jeweils in den Kategorien<br />

„Standardschaden“ <strong>und</strong> „Extremschaden“<br />

beweisen mussten. Nur ein einziges<br />

„gut“ wurde vergeben (an das KA-TE-<br />

Roboter-System in der Kategorie „Standardschaden“),<br />

ansonsten gab es deutlich mehr<br />

„mangelhaft“ <strong>und</strong> „ungenügend“ als auch<br />

nur „befriedigend“.<br />

Vor Allem stellte sich heraus, dass die<br />

wenigsten Sanierungslösungen einer Wasserdichtheitsprüfung<br />

standhielten. Ein sehr<br />

schlechtes Resultat, das sicher noch zu heftigen<br />

Diskussionen in der Branche führen<br />

wird. Vor Allem aber zeigt dies, wie enorm<br />

wichtig es ist, dem Pfusch be<strong>im</strong> Neubau<br />

konsequent Einhalt zu gebieten, damit<br />

kaum noch sanierbare Schäden erst gar<br />

nicht entstehen. Weitere „Entbürokratisierung“<br />

<strong>und</strong> zusätzlicher Personalabbau bei<br />

den Aufsichtsbehörden drohen diesen bedenklichen<br />

Sachverhalt eher noch zu verschärfen.<br />

Volkswirtschaftlich betrachtet,<br />

wird hier entschieden an der falschen Stelle<br />

gespart!<br />

Renovierungsverfahren<br />

Kurzrohr <strong>und</strong> Langrohr<br />

Wo es mit punktuellen Reparaturen nicht<br />

mehr getan ist, weil die Schadensdichte<br />

keine partiellen Maßnahmen mehr sinnvoll<br />

erscheinen lässt, steht eine breite Auswahl<br />

<strong>von</strong> Renovierungsverfahren zur Auswahl.<br />

Dabei dominieren die Relining-Verfahren<br />

unterschiedlichen Typs, bei denen eine<br />

neue Leitung in der alten installiert wird<br />

(Lang- <strong>und</strong> Kurzrohrrelining) oder der vor-<br />

Abb. 7: Langrohrrelining Abb. 8: PE-HD-Modul be<strong>im</strong> Kurzrohrrelining<br />

handene durch eine Komplettauskleidung<br />

mit einem Liner saniert wird. Lang- <strong>und</strong><br />

Kurzrohrrelining sind seit Jahrzehnten bewährte<br />

Techniken, die, wenn überhaupt,<br />

dann durch materialseitige Innovationen<br />

<strong>von</strong> sich reden machen.<br />

Be<strong>im</strong> Langrohrrelining zieht man einen<br />

Kunststoff-Rohrstrang passender Nennweite<br />

(meist PE-HD) über eine Startbaugrube, bei<br />

kleineren Nennweiten auch über einen<br />

Startschacht, in den alten Kanal ein <strong>und</strong> verfüllt<br />

den entstehenden Ringraum mit einem<br />

Dämmer. Anschlüsse werden über Kopflöcher<br />

manuell angeschlossen. Will man<br />

eine Startbaugrube vermeiden, kann man<br />

statt dessen auch ein Kurzrohrreliningsystem<br />

einsetzen, bei dem einzelne Rohrmodule<br />

nacheinander in die Haltung eingezogen<br />

oder geschoben werden. Die Kopplung<br />

an den bereits bestehenden Rohrstrang<br />

erfolgt bei nicht begehbaren Nennweiten<br />

<strong>im</strong> Schacht. In begehbaren Nennweiten<br />

hingegen werden die Module an<br />

den Einbauort <strong>im</strong> Rohr transportiert <strong>und</strong><br />

dort angekoppelt.<br />

Gegenüber dem Langrohrrelining ist be<strong>im</strong><br />

Kurzrohrrelining die verwendbare Material-<br />

Abb. 9:<br />

Montage <strong>von</strong> Relining-Modulen aus GFK<br />

in einem begehbaren Drachenprofil<br />

palette breiter, da die Rohrmodule nicht die<br />

Flexibilität haben müssen, die be<strong>im</strong> Einziehen<br />

eines Langrohrstranges nötig ist. Zwar<br />

dominieren eindeutig die Kunststoffe (erst<br />

kürzlich stellte egeplast, Greven, mit dem<br />

PP-Modul ein neues Relining-Kurzrohr aus<br />

Polypropylen vor) aber es wurden auch<br />

schon Reliningmaßnahmen mit duktilen<br />

Gussrohren durchgeführt.<br />

Je größer die Nennweiten, desto eher fällt,<br />

schon aus Gründen der Baustellenlogistik<br />

unter- <strong>und</strong> übertage, die Wahl auf Rohre,<br />

die vorgegebene Standsicherheitsanforderungen<br />

bei möglichst geringem Metergewicht<br />

erfüllen. Dies ist eine Domäne der<br />

glasfaserverstärkten Kunststoffe, sei es in der<br />

geschleuderten oder in der gewickelten<br />

Herstellungsvariante. Als zusätzlichen Vorzug<br />

bietet GFK die Möglichkeit, Sonderprofile<br />

aller Nennweiten praktisch ohne Beschränkung<br />

herzustellen, vom Ei- <strong>und</strong><br />

Kastenprofil bis hin zu Maul- <strong>und</strong> Drachenprofilen.<br />

Zudem lassen sich in GFK auf<br />

Gr<strong>und</strong> der Option, Sonderformen in GFK-<br />

Laminattechnik zu fertigen, auch Spools,<br />

wie Segmentbögen mit integrierten Tangentialschächten<br />

herstellen. Diese werden<br />

Abb. 10:<br />

Per Relining <strong>im</strong> alten Kanal installierter neuer<br />

Rohrstrang mit integriertem Tangentialschacht<br />

490 TIEFBAU 8/2004


dann in Montagebaugruben an die installierten<br />

Relining-Rohrstränge angeschlossen.<br />

Positiv ist zu bewerten, dass bei den Rohrrelining-Verfahren<br />

ein werkseitig, qualitätskontrolliertes<br />

Produkt installiert <strong>und</strong> nicht<br />

erst in situ geschaffen wird. Was aber keineswegs<br />

heißt, dass keine Installationsfehler<br />

oder Beschädigungen des Rohrs vor oder<br />

be<strong>im</strong> Einbau stattfinden könnten.<br />

Eine Übergangsform vom Langrohrrelining<br />

zum Schlauchlining sind die Close-Fit-<br />

Lining-Verfahren, bei denen ein werkseitig<br />

TIEFBAU 8/2004<br />

in U-Form vorverformter Kunststoffrohrstrang<br />

<strong>von</strong> einer Haspel über den Kontrollschacht<br />

in die Leitung eingezogen <strong>und</strong> dort<br />

zum Kreisprofil rückverformt wird. Der<br />

unter Erhitzung verformte Liner hat in abgekühltem<br />

Zustand gewissermaßen eine<br />

molekulare Erinnerung an seine ursprüngliche<br />

Kreisform. In diese strebt er zurück,<br />

sobald man ihn unter Druck mit Heißdampf<br />

füllt <strong>und</strong> erhitzt. Sanierungsergebnis ist hier<br />

ein „close-fit“, also ohne Ringspalt an der<br />

Rohrwand anliegender Kunststoffliner. Der<br />

Reiz der Lösung zeigt sich dort, wo es in<br />

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Steinzeug<br />

Abb. 11:<br />

<strong>Kanalsanierung</strong><br />

„<strong>von</strong> der Rolle“.<br />

Vorverformtes<br />

U-Liner-Rohr be<strong>im</strong><br />

Einzug in die zu<br />

sanierende Leitung<br />

Abb. 12:<br />

Deutlich ist am<br />

Endstück des U-Liner-<br />

Rohrs die U-förmige<br />

Einfaltung des Rohrs<br />

zu erkennen, die<br />

nach Einzug durch<br />

Heißdampf in die<br />

Kreisform rückverformt<br />

wird<br />

Kanälen kleinerer <strong>und</strong> mittlerer Nennweiten<br />

hydraulisch knapp hergeht <strong>und</strong> Ringräume<br />

deshalb nicht tolerierbar sind. Die Anschlüsse<br />

können <strong>von</strong> außen über Kopfloch<br />

oder auch <strong>von</strong> innen nach Öffnung des<br />

Liners durch einen Fräsroboter mit auf das<br />

Material abgest<strong>im</strong>mten Formteilen wiederhergestellt<br />

werden.<br />

491


Abb. 13:<br />

Installation eines Schlauchliners<br />

DN 700 <strong>im</strong> Reversionsverfahren<br />

Schlauchlining<br />

Die Sanierungstechnik mit der steilsten<br />

Erfolgskarriere der letzten 15 Jahre ist sicherlich<br />

das Schlauchlining. Auch dieses Verfahren<br />

entstand vor über 30 Jahren letztlich aus<br />

der Überlegung, den Ringraum be<strong>im</strong> Rohrrelining<br />

zu vermeiden <strong>und</strong> ein System zu<br />

schaffen, das über die Schächte installiert<br />

werden kann. Be<strong>im</strong> Schlauchlining wird ein<br />

textiler Schlauch, der mit einem Reaktionsharz<br />

getränkt ist, in die defekte Leitung eingezogen<br />

oder reversiert, <strong>im</strong> Rohr formschlüssig<br />

aufgestellt <strong>und</strong> dann zum (zumindest)<br />

selbsttragenden Langrohrstrang ausgehärtet.<br />

Das Schlauchlining zeichnet sich durch<br />

absolute Formschlüssigkeit aus, denn <strong>im</strong><br />

Unterschied etwa zum Close-Fit-Lining<br />

können hier auch punktuell begrenzte<br />

Abweichungen <strong>von</strong> der Kreisform toleriert<br />

werden (be<strong>im</strong> Close-Fit-System bestünde in<br />

diesem Falle die Gefahr einer Rückverformung<br />

in die gefaltete Transportform). Inzwischen<br />

sind Schlauchliner in Nennweiten<br />

<strong>von</strong> DN 100 bis DN 2000 <strong>und</strong> fallweise<br />

auch mehr installierbar bei Längen bis zu<br />

Abb. 14:<br />

Installation eines Inliners<br />

mit einer Förderbandanlage<br />

500 m je nach Verfahren <strong>und</strong> Nennweite.<br />

Den öffentlichen Sanierungsmarkt teilen<br />

sich 2 Materialfamilien: die Synthesefilzliner<br />

<strong>und</strong> die Liner auf Glasfaserbasis.<br />

Eine weitere Systemunterscheidung betrifft<br />

die Aushärtungstechnik. Neben der Härtung<br />

durch eine mehrstündig zirkulierende Heißwasserfüllung<br />

ist die Aushärtung photoreaktiver<br />

UP-Harze durch Bestrahlung mit einer<br />

durch den Kanal gezogenen UV-Lampen-<br />

Einheit getreten. Dabei beschränkt sich die<br />

Lichthärtung auf die Kombination mit Glasfaserlinern,<br />

während die Synthesefaserliner<br />

hauptsächlich durch Heißwasser, fallweise<br />

aber auch durch Heißdampf ausgehärtet<br />

werden. Dampf ist allerdings auch eine in<br />

der Praxis durchaus häufig genutzte Variante<br />

der Aushärtung <strong>von</strong> Glasfaserlinern.<br />

Glasfaserliner haben gerade in kleinen <strong>und</strong><br />

mittleren Nennweiten gegenüber dem klassischen<br />

Werkstoff Polyesternadelfilz an<br />

Boden gewonnen; dies ist zum Teil darauf<br />

zurückzuführen, dass sich die ausgehärteten<br />

Glasfaserliner durch hohe statische Kennwerte<br />

bei vergleichsweise geringen Wandstärken<br />

auszeichnen <strong>und</strong> insofern „Platz<br />

Alles über Sanierungsverfahren: Das Internet-Portal UNITRACC<br />

Abb. 15: Licht- oder dampfhärtende Glasfaserliner<br />

haben in den letzten Jahren erhebliche Marktanteile<br />

gewinnen können. Hier ein ausgehärteter<br />

Glasfaserliner in einem Industriekanal mitsamt<br />

GFK-beschichtetem Schacht<br />

sparen“, teils aber auch darauf, dass sie,<br />

speziell in der Lichthärtevariante, mit geringerem<br />

Baustellenequipment auskommen<br />

<strong>und</strong> besonders kurze Bauzeiten bieten.<br />

Der begehbare Nennweitenbereich bleibt<br />

aber nach wie vor eine fast ausschließliche<br />

Domäne der Wasser- <strong>und</strong> dampfhärtenden<br />

Synthesefilzliner. Die in großen Sielen<br />

notwendigen Wandstärken sind in reiner<br />

photochemischer Reaktion nicht mehr<br />

Wer richtig in die Tiefe eindringen möchte, was Sanierungs-Know-How angeht, der wird <strong>im</strong> neuen Internet-Portal UNITRACC<br />

bestens bedient, das vom Ingenieurbüro Prof. Dr. Ing. Stein <strong>und</strong> Partner, Bochum, entwickelt wurde <strong>und</strong> betrieben wird. Hier<br />

findet man buchstäblich alles über moderne <strong>Kanalsanierung</strong>sverfahren sehr detailliert <strong>und</strong> didaktisch hervorragend aufbereitet. In<br />

Art <strong>und</strong> Qualität derzeit beispiellos sind die an<strong>im</strong>ierten „virtuellen<br />

Baustellen“ zu sämtlichen gängigen Sanierungstechniken. Das, was<br />

sich normalerweise unsichtbar unter der Erde abspielt, wird hier<br />

in fotorealistischer Genauigkeit sichtbar gemacht. Zielgruppe des<br />

Portals sind neben Lehrenden <strong>und</strong> Lernenden des Rohrleitungstiefbaus<br />

auch <strong>und</strong> gerade die Baupraktiker, denen <strong>im</strong> Portal u.A.<br />

ein breites Spektrum an nützlichen Tools für die planerische <strong>und</strong><br />

organisatorische Tagesarbeit geboten wird. Derzeit ist UNITRACC<br />

<strong>im</strong> Rahmen einer Testphase kostenlos zu „erschnuppern“, ab Herbst<br />

kann man UNITRACC dann gegen eine monatliche, nach Umfang<br />

des Zugriffs gestaffelte Gebühr nutzen. Etliche Basisdienste bleiben<br />

aber dauerhaft kostenfrei. www.unitracc.de<br />

492 TIEFBAU 8/2004


sicher durchzuhärten. Zwar hat man<br />

den Einsatzbereich durch Entwicklung <strong>von</strong><br />

Harzsystemen mit zusätzlichen peroxidischen<br />

Härtern weiter nach oben verschoben,<br />

doch wird man hier <strong>im</strong> Zweifel<br />

eher Dampf statt Licht als Reaktionsauslöser<br />

wählen, oder eben gleich wasserhärtende<br />

Synthesefilzsysteme, die sich vor Allem<br />

in begehbaren Nennweiten vielfach bewährt<br />

haben.<br />

Trotz oder vielleicht auch gerade wegen des<br />

dynamischen Wachstums der Schlauchlinerverfahren<br />

in den letzten Jahren (heute<br />

werden pro Jahr 750 bis 800 km Liner<br />

<strong>im</strong> öffentlichen Kanal installiert), sehen sich<br />

die Schlauchliner gegenwärtig einer<br />

kritischen Diskussion zu ihrer Qualität ausgesetzt.<br />

Ausgelöst <strong>und</strong> beflügelt wurde<br />

diese durch Untersuchungen <strong>von</strong> Auftraggebern<br />

(z.B. Stadtentwässerung Göttingen)<br />

oder durch Forschungsvorhaben<br />

(IKT, Gelsenkirchen).<br />

Bei der Stadtentwässerung Göttingen zog<br />

man anlässlich der 3. Göttinger Abwassertage<br />

<strong>im</strong> Februar 2004 folgende Bilanz der<br />

letzten 10 Jahre: 60 % der Liner waren<br />

mängelfrei, 32 % wiesen tolerierbare<br />

Mängel (optische Mängel ohne Funktionsbeeinträchtigung)<br />

auf. Immerhin 8 % der<br />

Liner aber hatten schwere, die Funktion<br />

beeinträchtigende Mängel. Und das, obwohl<br />

speziell in Göttingen jeder Auftraggeber<br />

weiß, dass ihm <strong>von</strong> der selbst nach<br />

DIN ISO 9001 zertifizierten Stadtentwässerung<br />

besonders kritisch auf die Finger<br />

geschaut wird.<br />

Zwar werden die Göttinger Ansichten <strong>und</strong><br />

Erfahrungen nicht überall geteilt, wie die<br />

Diskussion auf dem 2. Deutschen Schlauchlinertag<br />

<strong>im</strong> Würzburg zeigte; ein Gr<strong>und</strong> zu<br />

erhöhter Wachsamkeit sind sie allemal, zumal<br />

die Untersuchungen des IKT sie in der<br />

Tendenz bestätigen. „Schlauchlining ja –<br />

aber...“ lautet das aktuelle Fazit der Gelsenkirchener<br />

Forscher aus ihren Schlauchliner-<br />

Untersuchungen. In Göttingen hat man<br />

übrigens nicht nur ein Problem identifiziert,<br />

sondern vermutlich auch seine Ursache.<br />

Dort erfasste man nämlich <strong>im</strong> Untersuchungszeitraum<br />

zugleich die Vergabepreise<br />

bei Schlauchlining-Ausschreibungen <strong>und</strong><br />

stellte fest, dass sie <strong>von</strong> 1993 bis 2003 mit<br />

ununterbrochenem linearem Trend gefallen<br />

sind <strong>und</strong> heute schon nicht einmal mehr die<br />

Hälfte der 1993er Werte erreichen.<br />

TIEFBAU 8/2004<br />

Neues Rohr <strong>im</strong> alten Kanal:<br />

Berstlining<br />

Auch wenn der defekte Kanal zugleich<br />

hydraulisch überfordert ist, muss das noch<br />

<strong>im</strong>mer nicht zwingend einen offenen Neubau<br />

nach sich ziehen. Das Berstlining ist<br />

eine technische Variante des Lang- <strong>und</strong><br />

Kurzrohrrelining, die bereits seit vielen<br />

Jahren <strong>im</strong> Einsatz ist, <strong>und</strong> vom Anbieter<br />

TractoTechnik <strong>im</strong>mer wieder technisch opt<strong>im</strong>iert<br />

wurde. Gr<strong>und</strong>sätzlich wird be<strong>im</strong><br />

Bersten die defekte Leitung „in situ“ zerstört,<br />

mechanisch radial verdrängt <strong>und</strong><br />

dann durch eine <strong>im</strong> gleichen Arbeitsgang<br />

nachgezogene neue Rohrleitung ersetzt.<br />

Dabei lässt sich die vorhandene Nennweite<br />

sogar noch in einem gewissen Umfang<br />

erweitern. Allerdings müssen vor dem Berstliningeinsatz<br />

stets die vorhandenen Anschlüsse<br />

per Kopfloch abgekoppelt <strong>und</strong> an<br />

den neuen Rohrstrang mit materialkonformen<br />

Systemen wieder angeschlossen werden.<br />

Verfahrensunterschiede gibt es hinsichtlich<br />

der Art des Berstens der Rohre <strong>und</strong><br />

in Bezug auf den neuen Rohrstrang.<br />

Be<strong>im</strong> dynamischen Berstlining (System<br />

Gr<strong>und</strong>ocrack) wird eine pneumatische<br />

Ramme mit einem vornliegenden Aufweitungsberstkopf<br />

<strong>von</strong> einer Winde am Stahlseil<br />

durch den Abwasserkanal gezogen, zerbricht<br />

diesen durch die Schläge des Berst-<br />

Abb. 16:<br />

Vergabepreise bei<br />

Schlauchlining-<br />

Ausschreibungen<br />

Abb. 17: Berstrakete mit angehängtem<br />

PE-HD-Rohrstrang vor dem<br />

Einfahren in das zu berstende Rohr<br />

kopfes in Scherben <strong>und</strong> verdrängt die<br />

Scherben mit Hilfe eines Aufweitkonus in<br />

den umliegenden Bogen. Der dynamische<br />

Krafteintrag macht Gr<strong>und</strong>ocrack zum<br />

geeigneten Verfahren, wenn stark verdichtete<br />

Böden Widerstand leisten. Ohne sol-<br />

Anzeige<br />

Bauer<br />

493


Abb. 18: Ausgehärteter<br />

Synthesefaser-Schlauchliner<br />

chen <strong>im</strong>pulsartigen Krafteintrag kommt<br />

demgegenüber das statische Berstlining<br />

(System Gr<strong>und</strong>oburst) aus. Hier wird erst<br />

einmal ein mit Schnellkupplungen montierbares<br />

Gestänge durch das Rohr eingeschoben.<br />

An diesem Gestänge zieht man anschließend<br />

einen Berstkopf bzw. ein<br />

Schneidrollenmesser (für Stahl- oder Gussleitungen)<br />

in Richtung Startschacht zurück,<br />

das die vorhandene Leitung zerstört <strong>und</strong><br />

wiederum über einen Aufweitkonus ins<br />

Erdreich verdrängt.<br />

Der Vorteil des erschütterungsfreien Berstens:<br />

Weder sensible Bausubstanz entlang<br />

der Rohrtrasse kann beeinträchtigt werden<br />

noch der Altkanal selbst, der je nach Schadensbild<br />

möglichweise auch nicht mehr<br />

völlig standsicher ist. Mit dem statischen<br />

Bersten können nach Herstellerangaben<br />

Längen bis zu 1.000 m <strong>und</strong> Nennweiten<br />

bis DN 2000 grabenlos erneuert werden.<br />

Ein Sonderfall ist das Press-Zieh-Verfahren:<br />

Hier wird das Altrohr nicht ins Erdreich verdrängt,<br />

sondern die Rohre werden in die<br />

Startbaugrube heraus <strong>und</strong> dort über einen<br />

Berstdorn gezogen. Die Rohrscherben wer-<br />

den dann in der Baugrube gesammelt <strong>und</strong><br />

entsorgt.<br />

In allen 3 Fällen wird entweder ein verschweißter<br />

Langrohrstrang oder ein modulweise<br />

zusammengesetzter Kurzrohrstrang<br />

an den Berst- bzw. Zugkopf angekoppelt<br />

<strong>und</strong> in die Leitungstrasse nachgezogen. Als<br />

Werkstoffe kommen überwiegend PE-HD-<br />

Rohre, aber auch Rohrmodule anderer<br />

Werkstoffe zum Einsatz.<br />

Wie die Qualität sichern?<br />

Wie die Qualität sichern – das ist vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> eine Frage, die nicht nur be<strong>im</strong><br />

Schlauchlining die Gemüter bewegt, sondern<br />

alle Sanierungsverfahren <strong>und</strong> letztlich<br />

auch den Leitungsneubau betrifft. Seit<br />

Jahren redlich bemüht ist man um dieses<br />

Thema bei der Gütegemeinschaft Güteschutz<br />

Kanalbau.<br />

Dass die Zahl der zertifizierten <strong>und</strong> güteüberwachten<br />

Marktteilnehmer kontinuierlich<br />

wächst, hat den Qualitätsmängeln dennoch<br />

keinen wirklichen Einhalt gebieten<br />

können, wenngleich man natürlich nur<br />

mutmaßen kann, was <strong>im</strong> Untergr<strong>und</strong> los<br />

wäre, wenn es überhaupt keine Beschränkungen<br />

gäbe (eine Situation, die wir möglicherweise<br />

bald in der Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung<br />

besichtigen können – mehr dazu<br />

später). Das <strong>von</strong> der Gütegemeinschaft<br />

hierzu regelmäßig vorgebrachte Argument,<br />

die Kommunen würden das System einfach<br />

nicht konsequent genug einfordern, greift<br />

aber möglicherweise zu kurz. In Göttingen<br />

sind die Mängel sicher nicht auf unqualifizierte<br />

oder mangelhaft ausgerüstete, weil<br />

nicht zertifizierte Unternehmen zurückzuführen.<br />

Das ist leider die Crux des Güteschutz-Systems:<br />

Es sichert zwar Mindestanforderungen,<br />

doch ist de facto kein zerti-<br />

Abb. 19:<br />

Geräteeinheit für das<br />

statische Bersten<br />

<strong>von</strong> Abwasserrohren<br />

Aktuelle<br />

Informationen zu<br />

Rohrvortrieb,<br />

Rohrsanierung <strong>und</strong><br />

(grabenlosem)<br />

Leitungsbau<br />

auf Seite<br />

542 bis 545<br />

fizierter Anbieter in der Praxis dadurch automatisch<br />

gehindert, trotz opt<strong>im</strong>aler Ausstattung<br />

eine mangelhafte Sanierungsleistung<br />

abzuliefern.<br />

Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

weisen eben allzu deutlich<br />

„pro Pfusch“ <strong>und</strong> „contra Qualität“ auf.<br />

Eine Schlüsselrolle tragen dabei die kommunalen<br />

Auftraggeber selbst. Gegen die Geizist-geil-Mentalität<br />

der Rechnungsprüfungsämter<br />

vermag sich erfahrungsgemäß kaum<br />

ein technischer Entscheidungsträger durchzusetzen.<br />

Wenn es darum geht, Dumping-<br />

Bieter kritisch zu hinterfragen oder gar <strong>von</strong><br />

der Vergabe auszuschließen, ist politischer<br />

Stress mit den Hütern des Etats programmiert,<br />

selbst wenn man gute vergaberechtliche<br />

Argumente zur Hand hat.<br />

Sanierungsproblem der<br />

Zukunft: Die Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung<br />

Wie anfangs ausgeführt, besteht der weit<br />

überwiegende Teil der Stadtentwässerung<br />

aus Hausanschlusskanälen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>leitungen,<br />

befindet sich zum größten Teil <strong>im</strong><br />

privaten Verantwortungsbereich <strong>und</strong> ist zu<br />

einem ganz erheblichen Prozentsatz <strong>und</strong>icht.<br />

Ganz abgesehen <strong>von</strong> daraus drohenden<br />

Umweltbelastungen, kann solcher Zustand<br />

<strong>von</strong> den Kommunen schon deshalb<br />

nicht hingenommen werden, weil massenhafte<br />

Funktionsmängel in den privaten Netzen<br />

entsprechende Störungen in öffentlichen<br />

Anlagen nach sich ziehen.<br />

Die Fremdwasserproblematik durch in die<br />

Systeme eindringendes Gr<strong>und</strong>wasser führt<br />

nicht „nur“ zu chronischen Betriebsstörungen<br />

in Kanälen <strong>und</strong> Kläranlagen, sondern<br />

belastet die Kommunen mit erheblichen,<br />

prinzipiell vermeidbaren Kosten. Und auch<br />

der Einschätzung, dass kommunale Investitionen<br />

in die öffentliche <strong>Kanalsanierung</strong><br />

letztlich „zum Fenster hinausgeworfen“<br />

sind, sofern die privaten Netze in ihrem<br />

aktuellen desolaten Zustand belassen werden,<br />

ist kaum zu widersprechen. Wasser<br />

ist nun einmal flexibel. Kann es aus einem<br />

kostspielig sanierten Hauptkanal nicht mehr<br />

austreten, entweicht es eben aus dem<br />

nächsten schlechten Anschlusskanal.<br />

Für eindringendes Gr<strong>und</strong>wasser gilt umgekehrt<br />

der gleiche Zusammenhang. Damit<br />

hat die Sanierung technisch gar nichts gebracht<br />

(außer natürlich formaler Rechtssicherheit<br />

für den Betreiber des öffentlichen<br />

Kanals, denn „Täter“ wird nun <strong>im</strong> Zweifel<br />

der Betreiber der Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung...)<br />

Ein Abwassernetz kann nur als<br />

Ganzes betrachtet <strong>und</strong> auch nur als Ganzes<br />

behandelt werden. Von dieser Sichtweise<br />

sind die meisten deutschen Kommunen<br />

allerdings noch weit entfernt, vom Handeln<br />

gar nicht zu reden.<br />

494 TIEFBAU 8/2004


Abb. 20: Reicht bis in den letzten Winkel<br />

des Systems: Flutungsverfahren <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>stückseinsatz<br />

Geeignete Sanierungsverfahren<br />

sind verfügbar<br />

Dabei sind grabenlose Sanierungsverfahren<br />

auch für die Gr<strong>und</strong>leitung bereits verfügbar.<br />

Schlauchlining-Verfahren werden auch<br />

in den Kanälen geringer Nennweite mit<br />

ihren vielfältigen Bögen bereits erfolgreich<br />

installiert. Vom marktführenden Brawoliner-<br />

System wurden 2003 bereits r<strong>und</strong> 123 km<br />

eingebaut, Tendenz steigend. Insgesamt<br />

kann die aktuelle jährliche Schlauchlining-<br />

Installationsleistung etwa auf 250 km geschätzt<br />

werden. Dass hier noch ein weit<br />

größeres Potenzial wartet, zeigt der Blick<br />

auf die anfangs genannte Zahl <strong>von</strong> ca.<br />

750.000 km defekter Gr<strong>und</strong>leitungen. Zwar<br />

muss bei Betrachtung der aktuellen Sachlage<br />

da<strong>von</strong> ausgegangen werden, das die<br />

Mehrzahl der Schadensfälle durch Neubau<br />

behoben werden müssen, doch dann bleibt<br />

noch <strong>im</strong>mer eine erhebliche Nachfrage<br />

nach grabenlosen Lösungen.<br />

Zu denen gehören in diesem Zusammenhang<br />

auch die Flutungsverfahren. Dieser<br />

Verfahrenstyp ist gr<strong>und</strong>sätzlich auch <strong>im</strong><br />

öffentlichen Bereich verfügbar, spielt dort<br />

bislang aber nur eine Nebenrolle. Das<br />

dürfte maßgeblich darauf zurückzuführen<br />

sein, dass Flutungsverfahren bei sachgerechter<br />

Anwendung geeignet sind, für<br />

Dichtheit <strong>von</strong> Leitungen <strong>und</strong> Schächten zu<br />

sorgen, jedoch keinen rechnerisch nachweisbaren<br />

Beitrag zur Wiederherstellung<br />

der Standsicherheit leisten. Sobald dieser<br />

Aspekt ins Spiel kommt weil Statik-relevante<br />

Schäden vorliegen, fällt die Wahl meist auf<br />

andere Verfahren.<br />

TIEFBAU 8/2004<br />

Abb. 21: Mit dem HOUSELINER-Verfahren<br />

lassen sich Anschlusskanäle auch vom Hauptkanal<br />

aus per Schlauchlining auskleiden<br />

Abb. 22: Zukunftsmarkt private Leitungen:<br />

Einbau eines Schlauchliners in einer<br />

Gr<strong>und</strong>stücksentwässerungsleitung DN 150<br />

Anders in Gr<strong>und</strong>leitungsnetzen. Hier ist<br />

Dichtheit das pr<strong>im</strong>är geforderte Sanierungsziel<br />

<strong>und</strong> hier sind große Teile des Systems<br />

weder für offene Baumaßnahmen noch für<br />

partielle Auskleidungen oder für Schlauchliner<br />

erreichbar. Das gilt speziell für Leitungsstränge<br />

unter der Kellersohle bzw. der<br />

Gebäudegr<strong>und</strong>platte. In vielen Fällen dürften<br />

Flutungstechniken die einzige überhaupt<br />

in Frage kommende Lösung sein.<br />

Kleiner Pluspunkt für Flutungsverfahren:<br />

Derzeit verfügen mehr Flutungsverfahren<br />

(exakt 4: Sanipor, Rathosan, Tubogel <strong>und</strong><br />

Staubco) über eine allgemeine bauaufsichtliche<br />

Zulassung des Deutschen Instituts für<br />

Bautechnik als gr<strong>und</strong>leitungsspezifische<br />

Schlauchlinersysteme (momentan 2: Brawoliner<br />

<strong>und</strong> Mr. Pipe-Liner). Allerdings sind<br />

dem Vernehmen nach mehrere DIBT-<br />

Schlauchlinerzulassungen in Arbeit. Die<br />

DIBT-Zulassung ist nach den meisten Landesbauordnungen<br />

obligatorisch, um ein<br />

Sanierungssystem auf privaten Gr<strong>und</strong>stücken<br />

einsetzen zu dürfen.<br />

Ausweg: Projektmanagement<br />

durch Ingenieurbüros<br />

Von entscheidender Bedeutung für Wirtschaftlichkeit<br />

<strong>und</strong> Qualität der Sanierung<br />

auf dem Gr<strong>und</strong>stück wird aber letztlich sein,<br />

wer überhaupt die Auswahl der Sanierungslösung<br />

trifft. Rechtlich ist dies allein der<br />

Gr<strong>und</strong>stückseigentümer, der fachlich jedoch<br />

als allerletzter dazu in der Lage ist. Die<br />

Kommunen ziehen sich überwiegend aus<br />

der Beratungsfunktion zurück. Dies wird <strong>im</strong><br />

Anzeige<br />

Connex<br />

495


Zusammenhang mit dem vorangehenden<br />

Schritt der Zustandskontrolle bzw. Dichtheitsprüfung<br />

schon überaus deutlich. Der<br />

Rückzug findet aber nicht nur statt, weil<br />

die meisten Kommunen weder Geld noch<br />

Personal für das Thema bereitstellen wollen.<br />

Ein wichtiger Gr<strong>und</strong> für die Zurückhaltung<br />

ist offenbar auch die Befürchtung, schon<br />

durch gezielte technische Beratung könne<br />

man unzulässig in den örtlichen Wettbewerb<br />

eingreifen <strong>und</strong> sich massive Kritik aus<br />

der Lokalpolitik zuziehen.<br />

Dabei wären z.B. die Gemeinden in NRW<br />

gemäß § 45 LBO durchaus dazu berechtigt,<br />

die zulässigen Bieter best<strong>im</strong>mten fachlichen<br />

Anforderungen zu unterwerfen <strong>und</strong> per Satzung<br />

zu definieren, wer ein Fachbetrieb ist<br />

<strong>und</strong> wer nicht. Auch das Instrument der<br />

Abwassersatzung böte (b<strong>und</strong>esweit) die<br />

Möglichkeit zu entsprechenden Regelungen.<br />

Dass sie massenhaft genutzt wird, ist<br />

realistischerweise nicht zu erwarten.<br />

Ein nahe liegender <strong>und</strong> empfehlenswerter<br />

Ausweg aus dem Dilemma ist die Betreuung<br />

der Gr<strong>und</strong>stückseigentümer durch fachlich<br />

qualifizierte Ingenieurbüros. Diese könnten<br />

nicht nur die Sanierungsberatung bzw. -planung<br />

übernehmen, sondern auch die Ausschreibung<br />

<strong>von</strong> Sanierungsleistungen für<br />

größere Gemeinschaften betroffener Eigentümer.<br />

Vor Allem aber wären sie in der Lage,<br />

die Qualifikation der Dienstleister zu beurteilen<br />

<strong>und</strong> das Ergebnis der Sanierung unter<br />

Qualitätsaspekten zu bewerten. Dass allerdings<br />

die Gemeinde mit dem bzw. den<br />

Ingenieuren vorab die einzuhaltenden Verfahrens-<br />

<strong>und</strong> Qualitätsstandards für Inspektions-<br />

<strong>und</strong> Sanierungsleistungen sowie für<br />

den Dichtheitsnachweis verbindlich vereinbart,<br />

ist in jedem Falle unumgänglich. Ohne<br />

verbindlichen Rahmen wird die Arbeit auf<br />

dem Gr<strong>und</strong>stück für alle Beteiligten zu<br />

einem rechtlich <strong>und</strong> wirtschaftlich bodenlosen<br />

Sumpf.<br />

Erfolgreiche Sanierungsarbeit auf den<br />

privaten Gr<strong>und</strong>stücken setzt in der Praxis<br />

ein Weiteres unbedingt voraus: dass nämlich<br />

die Kommunen sich <strong>von</strong> den Gr<strong>und</strong>stückseigentümern<br />

nicht nachsagen lassen<br />

müssen, <strong>von</strong> ihnen mehr zu fordern<br />

als sie selbst zu leisten bereit sind. Wer<br />

seine „Hausaufgaben“ in Sachen Sanierung<br />

selbst noch nicht gemacht hat, auf<br />

den kommen äußerst unangenehme Diskussionen<br />

zu, wenn er die Gr<strong>und</strong>stückseigentümer<br />

in die Pflicht nehmen will <strong>und</strong><br />

muss. Auch insofern ist die Stadtentwässerung<br />

<strong>von</strong> der Hauswand bis zur Kläranlage<br />

eine untrennbar zusammenhängende Einheit.<br />

Literatur<br />

[1] Vortrag <strong>von</strong> Prof. Max Dohmann auf<br />

dem 17. Lindauer Seminar<br />

[2] IKF untersucht Langzeitwirkungen <strong>von</strong><br />

Gel-Injektionsverfahren, bi UmweltBau<br />

6/2003, Seite 79<br />

[3] Winkler, U. Sanierung <strong>von</strong> Hausanschlussstutzen<br />

<strong>im</strong> Abwasserkanal, bi<br />

UmweltBau 3/2003, Seite 48 ff.<br />

[4] Schön, aber <strong>und</strong>icht; Stutzen-Sanierung<br />

<strong>im</strong> IKT-Warentest, Pressemitteilung des<br />

Instituts für Unterirdische Infrastruktur,<br />

Gelsenkirchen 6/2004<br />

Bildnachweis<br />

Winkler, KMG Rohrtechnik, IKT, <strong>Kanalsanierung</strong><br />

Kiel, Insituform Rohrtechnik,<br />

Merck, Brochier, TractoTechnik, Amitech,<br />

R+S Rohrtechnik, Stein & Partner<br />

Autor:<br />

Ing.-Büro für Umweltberatung<br />

Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung ONLINE:<br />

Der Überblick über Inspektion <strong>und</strong> Sanierung auf dem Gr<strong>und</strong>stück<br />

Ein Kernproblem für den <strong>von</strong> Prüf- <strong>und</strong> Sanierungsbescheiden betroffenen Besitzer<br />

einer Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung ist sein chronisches Informationsdefizit. Wer weiß<br />

schon, welche Inspektionstechniken in Hausanschluss <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>leitungen zur Verfügung<br />

stehen <strong>und</strong> wo ihre Einsatzgrenzen liegen? Welche modernen Sanierungsverfahren<br />

sind heute in der Gr<strong>und</strong>leitung einsetzbar <strong>und</strong> wo ist welches sinnvoll?<br />

Antworten auf solche wichtigen Fragen bietet (neben jeder Menge Infos zu den<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>lagen der Kanalinstandhaltung auf dem Gr<strong>und</strong>stück) die Website<br />

„Gr<strong>und</strong>stücksentwässerung ONLINE“, die vom Winkler Ingenieurbüro für Umweltberatung,<br />

Lemgo, <strong>und</strong> der ILL Ingenieurgesellschaft für Leitungsbau <strong>und</strong> Leitungsinstandhaltung,<br />

Detmold, betrieben wird. Die hohe Informationsdichte macht das<br />

Portal zu einer wertvollen Informationsquelle nicht nur für Gr<strong>und</strong>stückseigentümer,<br />

sondern auch für Dienstleister in diesem expandierenden Markt <strong>und</strong> für all jene, die<br />

auf Seiten der Kommune mit dem Thema beschäftigt sind. Die Nutzung der Website<br />

ist laut Betreiber „vollständig kostenlos, aber auf gar keinen Fall umsonst“.<br />

www.gr<strong>und</strong>stuecksentwaesserung-online.de<br />

496 TIEFBAU 8/2004

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