Die Neue Hochschule Heft 2/2022
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: 50 Jahre hlb Bundesvereinigung
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: 50 Jahre hlb Bundesvereinigung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
32 50 JAHRE hlb DNH 2 | <strong>2022</strong><br />
Der materielle Hochschullehrer und die<br />
verfassungsmäßige Hochschulstruktur<br />
Ein Aufsatz zu der Verbürgung akademischer Freiheiten an den Fachhochschulen<br />
auch durch diese und zur Stärkung der Bottom-up-Kultur 1 unter Berücksichtigung<br />
der Eigengesetzlichkeiten im Hochschulsystem<br />
Von Rechtsassessor Erik Günther<br />
Foto: hlb_Barbara Fromman<br />
ERIK GÜNTHER<br />
Rechtsreferent<br />
der hlb Bundesvereinigung<br />
erik.guenther@hlb.de<br />
Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz<br />
(GG) besagt, dass Wissenschaft,<br />
Forschung und Lehre frei sind. Das<br />
Grundrecht gewährt damit jedem, der<br />
in Wissenschaft, Forschung und Lehre<br />
tätig ist, ein Recht auf freie wissenschaftliche<br />
Betätigung.<br />
Wenn das Bundesverfassungsgericht<br />
dann richtungsweisend entscheidet,<br />
dass Fachhochschullehrer, denen<br />
die eigenständige Vertretung eines<br />
wissenschaftlichen Faches in Forschung<br />
und Lehre übertragen worden ist, sich<br />
auf die Freiheit von Wissenschaft,<br />
Lehre und Forschung berufen können, 2<br />
werden sie als Berufswissenschaftler<br />
anerkannt. Es kann mit der Zuordnung<br />
zum personellen Schutzbereich des<br />
Grundrechts nicht darum gehen, dass<br />
Hochschullehrer an Fachhochschulen<br />
zu jedermann zählen, sondern ihrem<br />
beruflichen Wirken in der Lehre und<br />
in der Forschung wird von vornherein<br />
die Wissenschaftlichkeit zugesprochen.<br />
<strong>Die</strong>se Einordnung klingt sehr<br />
ähnlich derjenigen des materiellen<br />
Hochschullehrers: Nach dem Hochschulurteil<br />
des Bundesverfassungsgerichts<br />
ist unter Hochschullehrer der akademische<br />
Forscher und Lehrer zu verstehen,<br />
der aufgrund der Habilitation oder<br />
eines sonstigen Qualifikationsbeweises<br />
mit der selbstständigen Vertretung<br />
eines wissenschaftlichen Faches in<br />
Forschung und Lehre betraut ist. 3 Mit<br />
dieser Definition wurde im Kontext der<br />
Gruppenuniversität die Zuordnung zu<br />
einer der typischen Mitgliedergruppen<br />
vorgenommen. Das wurde – gerade auch<br />
im Rahmen der Gesamthochschulen –<br />
zur Abgrenzung von Fachhochschullehrern<br />
genutzt. <strong>Die</strong>se – so die alte Rechtsprechung<br />
4 – gehörten einer anderen<br />
Mitgliedergruppe, nicht der der Universitätsprofessoren<br />
und Lehrstuhlinhaber<br />
an. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
zur BTU Cottbus-Senftenberg<br />
ist diese alte Rechtsprechung<br />
ein gehöriges Stück weit aufgegeben<br />
worden.<br />
Es heißt dazu in der Entscheidung 5<br />
(Orientierungssätze 7a und 7b sowie<br />
Rdnr. 82 nach juris):<br />
„Zum Schutz der freien wissenschaftlichen<br />
Betätigung der Hochschullehrer<br />
und -lehrerinnen in der Gruppenuniversität<br />
wird aus Art 5 Abs 3 S 1<br />
iVm Art 3 Abs 1 GG ein Homogenitätsgebot<br />
für die Zusammensetzung dieser<br />
Gruppe hergeleitet. Bei der Bestimmung<br />
der Gruppen muss sich der Gesetzgeber<br />
an eindeutige konstitutive Merkmale<br />
halten. Dabei darf er, an der typischen<br />
Interessenlage als Unterscheidungsmerkmal<br />
orientiert, in sachlich unterscheidbare<br />
Gruppen sortieren und kann<br />
1 „Beim Top-down-Management werden unternehmensweite Entscheidungen ausschließlich von<br />
der obersten Führungsebene getroffen, während beim Bottom-up-Management alle Teams ein<br />
Mitspracherecht bei diesen Entscheidungen haben.“ (Quelle: https://asana.com/de/resources/<br />
top-down-approach, abgerufen am 07.03.<strong>2022</strong>)<br />
2 BVerfGE 126, 1–29 (Leitsatz 1).<br />
3 BVerfGE 35, 79 (127).<br />
Permalink:<br />
https://doi.org/10.5281/zenodo.6382019<br />
4 BVerfGE 61, 210–259.<br />
5 BVerfGE 139, 148–194.