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LD50 2. Ausgabe 2022

Truppenzeitung der ABC-Abwehr und AFDRU

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THEMA III

RISIKOBETRACHTUNG:

KERNKRAFTWERKE IN

KRIEGSGEBIETEN

Bernhard Traxl

In der Nacht auf den 4. März 2022 kam es

zu Kampfhandlungen in unmittelbarer

Nähe des Kernkraftwerks (KKW) Saporischschja

in der Ukraine. Dabei wurde

auch ein Reaktor getroffen und in einem

Ein Grundsatz für alle bewaffnete Konflikte

sieht vor, dass zwischen zivilen und militärischen

Objekten unterschieden werden

muss. Das Humanitäre Völkerrecht dient in

erster Linie dem Schutz der Zivilbevölkerung.

Im Artikel 56 des 1. Zusatzprotokolls

steht, dass Objekte nicht angegriffen werden

dürfen, wenn dadurch gefährliche

Kräfte freigesetzt werden könnten. Kernkraftwerke

sind darin explizit angeführt. Allerdings

ist dies kein absolutes Verbot.

Wenn die Objekte eine bedeutende und unmittelbare

Unterstützung von Kriegshandlungen

darstellen, dürfen sie mit den gelindesten

Mitteln angegriffen werden. Dabei

ist die Freisetzung von gefährlichen Kräften

tunlichst zu vermeiden. Bei einem

Kernkraftwerk könnte also die Verbindung

Beschädigung von Anlagenteilen kommen.

Ausgenommen davon sind Sicherheitskräfte,

die zur ständigen Sicherung der Anlage

vorgesehen sind.

Die ABC-Risikoanalyse widmet sich ausführlich

dem Thema „Bedrohung durch

eine Konfliktpartei“. Dabei wird die Bedrohung

über die Faktoren Absicht und Möglichkeit

definiert. Eine Bedrohung ist nur

dann gegeben, wenn eine Konfliktpartei sowohl

die Absicht als auch die Möglichkeit

hat, ein Objekt zu zerstören oder für eine

weitere Nutzung unbrauchbar zu machen.

Im Krieg in der Ukraine konnte beobachtet

werden, dass Anlagen zur Energieversorgung

immer wieder gezielt angegriffen wurden.

Eine absichtliche Zerstörung eines Reaktors

durch russische Kräfte ist dennoch

aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich.

Abb. 1: Feuer im Schulungsgebäude des KKW Saporischschja nach dem Beschuss (Bild: www.npr.org/

2022/03/11/1085427380/ukraine-nuclear-power-plant-zaporizhzhia)

Schulungsgebäude ist ein Brand ausgebrochen.

Es stellt sich daher die Frage ob

KKWs bei Kampfhandlungen überhaupt

angegriffen werden dürfen und welche Folgen

ein Beschuss mit militärischen Geschoßen

hätte.

zum Stromnetz unterbrochen werden. Die

Zerstörung des Containments und dem damit

verbundenen Risiko der Freisetzung

von radioaktiver Strahlung ist allerdings

verboten. Es gilt auch der Grundsatz der

Verhältnismäßigkeit. Der militärische

Zweck ist mit den möglichen Gesundheitsund

Umweltschäden abzuwägen.

Es gibt in genannten Artikel 56 auch Pflichten

für den Betreiber von gefährlichen Anlagen.

So sind, falls möglich, beim Erkennen

einer herannahenden Bedrohung Vorkehrungen

zu treffen, sodass es zu keinem

Störfall kommen kann. Ebenfalls verboten

ist die Einrichtung von militärischen Stützpunkten

im Nahbereich von KKWs. Diese

Stützpunkte würden legitime militärische

Ziele darstellen und dürfen angegriffen

werden. Dadurch könnte es auch zu einer

Abb. 2: Sicherheitsbarrieren in einem Kernkraftwerk

(Bild: Kernkraftwerk Gösgen)

Im Faktor „Möglichkeiten“ gilt, dass es eine

Vielzahl an militärischen Einsatzmitteln

gibt, die das Containment zerstören und einen

Störfall mit massivem Austritt von Nukliden

verursachen können. Das Containment

der WWER 1000/320 Reaktoren in

Saporischschja entspricht den heutigen Sicherheitsanforderungen

und kann sogar

den Aufprall eines Flugzeuges (fallendes

Flugzeug mit 10 t Masse bei 750 km/h)

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