Nayara-Heft-Auswahl
Eine kleine Auswahl als Apetizer: Originalbuch DIN a 5 Querformat 24 Seiten mit Einband Poesie von Monika Borth und Bilder von Anja Kraus
Eine kleine Auswahl als Apetizer:
Originalbuch DIN a 5 Querformat 24 Seiten mit Einband
Poesie von Monika Borth und Bilder von Anja Kraus
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Nayara
„Galerie auf Zeit“
Bilder und Poesie
von Anja Kraus und Monika Borth
4
gelassenheit
5
Die Bilder und Zeichnungen von Nayara haben in
mir Stimmungsräume aufgeschlossen. Ich habe
nach eigenen Texten gesucht, die ihre Motive aufgreifen
und eine ähnliche Seelenlage zum Ausdruck
bringen. Einige ihrer Bilder haben mich zu neuen
Gedichten inspiriert.
Der erste Bereich ist das Motiv des Wassers und der
Wasserfrauen. Seit frühester Zeit wird eine Wasserfrau
„Undine“ genannt. Im Märchen sehnt sie sich
danach, in die Welt zu gelangen.
Der zweite Bildbereich führt in den Kosmos schamanischer
Weisheiten. In Nayaras Bildern erscheint
die Nähe zwischen Mensch und Tier immer
wieder als zentrales Motiv: Fische, Vögel, ein Wolf,
ein Löwe … Nach indianischem Glaube begleitet jeden
Menschen ein Krafttier von Geburt an, das ihn
beschützt.
Die Motive Liebe – Abschied – Tod klingen in einem
weiteren Bereich an, besonders schön zu sehen in
der Zeichnung „Trost“: die beiden Köpfe wachsen in
den Ästen eines Baumes, sie sind miteinander verbunden
von Anfang an.
Monika Borth
6
Undine
Wäre ich doch im Wasser geblieben
schwerelos gleitend im Lichtstrahl.
Wer zog mich heraus, wer hieß mich schreien,
dass ich erschrak vor mir selbst?
Wie kann ich unter Menschen gehen,
wie so fest auf die Erde treten?
Wie kann ich ihre Sprache sprechen,
die voller Irrtümer ist?
Wie kann ich frei sein,
wenn sie mich beherrschen?
7
un sogno nell mare
Am Meer
Das Dunkle wird nach oben getrieben. Das
Meer wirft es an den Strand. Strandgut: eine
Puppe, zerbrochene Muscheln, ein aufgelöstes
Hanfseil. Die Puppe landet auf dem Tisch, um
den viele herumstehen. Meine Schwester,
sage ich. Sie richtet sich im Oberkörper auf,
lacht und beginnt zu erzählen: von einer Chorreise
auf die Insel Reichenau. Drei Kirchen auf
einer Insel. Und in jeder haben sie gesungen.
Sie schaltet sich in die stummen Gespräche
ein, die um den Tisch herum geführt werden.
Ihr Körper ist mit Hanfstricke zusammengebunden.
Aus den Muscheln der Widerhall
ihrer Stimme.
strahlenmädchen
8
9
terra mater
Traum
Als ich aus dem Fenster im Dachgeschoss
sehe, breitet sich bis zum Mauervorsprung im
vierten Stock ein See aus, grünlich tief.
Wir werden nicht mehr aus dem Haus
kommen. Warum ist es überhaupt so weit
gestiegen. Ich gehe ins andere Zimmer, in
dem meine Schwester schläft, und wecke sie.
Sie sagt: Na und, es ist doch stehengeblieben!
Jetzt können wir durch die Fenster die Fische
beobachten!
10
11
nias traum
Play it again
Als ich das halb verfallene Schloss betrat, das
keine Wächter mehr hatte, spürte ich die Kälte,
die aus den steinernen Sarkophagen aufstieg,
verstaubt und vergessen hinter Geröll. Mit
langsamen Schritten stieg ich eine leicht
geschwungene Treppe hinauf ohne Geländer.
An der geöffneten Flügeltüre zu einem großen
Saal blieb ich stehen. Der hölzerne Boden
war herausgerissen, schwere Balken verliefen
längs durch den Raum. In der tief stehenden
Sonne flimmerte der Staub und ich glaubte
das Rascheln seidener Ballkleider zu vernehmen.
Eine Melodie stieg leise auf, die Luft war
mit einem mal bewegt von den Drehungen
im Tanz, sehnsüchtig durchzogen die Klänge
den Raum, von der Höhe stürzte ein Saitenton
in plötzliche Tiefe, das Intervall ein Ausdruck
namenlosen Schmerzes. Chopin, Walzer in
a-moll. Der Tanz: ein aufgezogenes Uhrwerk.
Hinter den großen Fenstern das wogende
Grün der Bäume. In zerbrochenen Spiegeln
die Schemen der Träumenden.
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