NÖV - Bezirksregierung Köln - Landesregierung Nordrhein-Westfalen
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<strong>NÖV</strong><br />
Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungswesen<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Ausgabe 2/2011<br />
www.mik.nrw.de
<strong>NÖV</strong><br />
Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungswesen<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Ausgabe 2 / 2011<br />
www.mik.nrw.de
Vorwort<br />
Aufsätze / Abhandlungen<br />
Inhalt<br />
Zur weiteren Entwicklung der amtlichen Grundstückswertermittlung in<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Klaus Mattiseck<br />
50 Jahre Gutachterausschüsse in Deutschland und speziell in NRW<br />
Rainer Höhn, Hans-Wolfgang Schaar<br />
Der Grundstücksmarkt in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> 2010<br />
Andreas Pelke<br />
Die Gutachterausschüsse hebeln die Grundbesitzbewertung nicht aus!<br />
Anmerkungen zum Beitrag „Hebeln die Gutachterausschüsse die Grundbesitzbewertung<br />
aus?“ von Ingo Krause in NWB-EV 1/2011<br />
Klaus Mattiseck, Hans-Wolfgang Schaar<br />
Aufbau einer kreisweit einheitlichen Geodateninfrastruktur – Luxus oder<br />
Notwendigkeit?<br />
Michael Fielenbach, Dr. Bodo Bernsdorf<br />
ERICH-online – Die webbasierte Auswertung der EDM-Kalibrierung für<br />
die Vermessungsverwaltung in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Wolfgang Engelmayer, Walter Knapp, Michael Levin, Burckhardt Ahrens<br />
Generierung von Höhenmodellen aus automatischen Bildzuordnungsverfahren<br />
zur Herstellung von Orthophotos<br />
Stephanie Haas, David Arzdorf<br />
Nachrichten / Aktuelles<br />
Buchbesprechungen<br />
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4 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Von Klaus Mattiseck<br />
Vorwort<br />
Als Schriftleiter der <strong>NÖV</strong> habe ich es sehr bedauert, dass das Heft 1 dieses Jahrgangs erst so spät erscheinen konnte.<br />
Damit verzögerte sich auch etwas die Herausgabe dieses Heftes. Umso mehr freute mich das neue Layout des Titelblattes<br />
und die einheitliche Materialgestaltung des Heftes. Aber damit ist es nicht genug: Sie lernen dank der Öffentlichkeitsarbeit<br />
des Landes auch eine der modernsten Schrifttypen in unserem Nachrichtenblatt kennen.<br />
Nun zum Inhalt des Heftes:<br />
Dieses Jahr blicken wir stolz auf 50 Jahre des Bestehens der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte im Land<br />
NRW zurück. Diesen Anlass haben wir gebührend in einer Festveranstaltung in der altehrwürdigen Stadthalle Wuppertals<br />
feiern dürfen. Der festliche Rahmen wurde erst durch die Kooperation der AGVGA NRW e.V., des Bildungswerks<br />
des VDV e.V., des DVW NRW e.V. sowie des BdVI e.V. ermöglicht, denen ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank<br />
aussprechen möchte.<br />
In seinen Grußworten hat Herr Ministerialdirigent Winkel auf das hohe Ansehen der Gutachterausschüsse in der Gesellschaft,<br />
das diese aufgrund ihrer Unabhängigkeit und der fachlichen Kompetenz ihrer Gutachter genießen, hingewiesen.<br />
Gleichzeitig ist er aber auch auf die anstehende Weiterentwicklung der Grundstückswertermittlung und die<br />
dadurch bedingten Reformen kurz eingegangen, die in mehreren Beiträgen dieses Heftes ausführlicher behandelt werden.<br />
Der Festvortrag wurde von dem nicht nur von mir hochgeschätzten Professor Dr. Weiß gehalten, der nicht zuletzt auch<br />
wegen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit und seiner langjährigen persönlichen Erfahrung auf dem Gebiet der städtebaulichen<br />
Grundstückswertermittlung hierfür prädestiniert war. Ich freue mich, dass wir seinen „wohltemperierten“<br />
Vortrag im nächsten Heft der <strong>NÖV</strong> unseren Lesern noch einmal in Gänze vorstellen, beziehungsweise in Erinnerung<br />
bringen dürfen.<br />
Alles in Allem war es eine gelungene Veranstaltung in einem angemessenen Rahmen.<br />
Die weiteren zusätzlichen Beiträge des Heftes belegen eindrucksvoll die „fachliche Breite“ des öffentlichen Vermessungswesens;<br />
neben zwei rein ingenieurtechnisch ausgerichteten Beiträgen zur EDM-Kalibrierung sowie zur Generation<br />
von Höhenmodellen zeigt ein Aufsatz zum Thema kommunale Geodateninfrastruktur, wie vielseitig das berufliche<br />
Aufgabenspektrum der Geodäsie ist. Insbesondere im Hinblick auf die gegenwärtige Notwendigkeit der Gewinnung des<br />
zukünftigen Berufsnachwuchses, würde ich mir wünschen, dass dies von unseren Lesern in ihr persönliches Umfeld<br />
weiter getragen wird.<br />
Darüber hinaus möchte ich auf die aktuell verlaufende Umstrukturierung im Ministerium für Inneres und Kommunales<br />
NRW hinweisen. Das ursprünglich für das Kataster- und Vermessungswesen zuständige Referat 32 wurde zum 1. September<br />
2011 aufgeteilt in die zwei neu gebildeten Referate 36 und 37. Das Referat 36 ist nunmehr zuständig für die<br />
Grundsatzangelegenheiten im Vermessungs- und Katasterwesen, den Bereich der geodätischen Grundlagen sowie die<br />
Grundstückswertermittlung. Die Zuständigkeit des Referates 37 beinhaltet die Aufgabenbereiche der Geobasisinformationssyteme,<br />
des Geoinformationsmanagements und das Gebührenrecht im Vermessungs- und Katasterwesen und<br />
in der Grundstückswertermittlung.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 5<br />
Aufsätze / Abhandlungen<br />
Zur weiteren Entwicklung der amtlichen Grundstückswertermittlung in<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Klaus Mattiseck<br />
1 Einleitung<br />
Die städtebauliche Grundstückswertermittlung hat vor<br />
dem Hintergrund der gesellschaftlichen und rechtlichen<br />
Entwicklung in Deutschland in den letzten drei<br />
Jahren einen geänderten Stellenwert erhalten, der die<br />
Bedeutung der Gutachterausschüsse des Landes und<br />
des Oberen Gutachterausschuss stärkt, aber diese<br />
Stellen auch vor neue Herausforderungen stellt. Zudem<br />
hat die gerade erlebte Bankenkrise sehr deutlich<br />
gemacht, wie sehr es darauf ankommt, die Immobilien,<br />
die beliehen werden, auch zutreffend zu bewerten;<br />
andernfalls kommt es zu Spekulationen, denen jedes<br />
Fundament fehlt.<br />
Hierdurch wird es noch mehr als bisher erforderlich,<br />
die zur Wahrnehmung der im 1. Teil des 3. Kapitels des<br />
Baugesetzbuches (BauGB)) festgelegten Aufgaben der<br />
Grundstückswertermittlung nach einheitlichen<br />
Grundsätzen wahrzunehmen (vgl. auch Beschluss des<br />
Bundesverfassungsgerichtes vom 07.11.2006 - 1 BvL<br />
10/02 -) und gleichzeitig die erforderlichen Ressourcen<br />
bei den zuständigen Stellen des Landes so effizient<br />
wie möglich einzusetzen.<br />
Dies wiederum erfordert nicht nur eine Bündelung der<br />
zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen<br />
Ressourcen, sondern auch eine grundlegende Überarbeitung<br />
der in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> geltenden Rechtsvorschriften.<br />
Die für die Grundstückswertermittlung zuständige<br />
oberste Landesbehörde, das Ministerium für Inneres<br />
und Kommunales, wird die Steuerung des gesamten<br />
Umstellungsprozesses vornehmen.<br />
Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Schritte von<br />
Seiten des Landes hierzu im Einzelnen eingeleitet werden<br />
sollen.<br />
2 Rechtliche Ausgangssituation und weiteres<br />
Vorgehen in NRW<br />
2.1 Allgemeines<br />
Die Vorsitzenden des Oberen Gutachterausschusses<br />
(OGA) und des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft der<br />
Vorsitzenden der Gutachterausschüsse (AGVGA) haben<br />
bereits vor geraumer Zeit Anregungen zur Vereinheitlichung<br />
in der Grundstückswertermittlung in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
gegeben, die von Seiten der Obersten<br />
Landesbehörde aufgegriffen werden sollten, aus Sicht<br />
des Landes nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der<br />
Bedeutung von Grundstückswerten für das Neue<br />
Kommunale Finanzmanagement.<br />
2.2 Bundesrecht<br />
Mit dem Erbschaftssteuerreformgesetz vom 24. Dezember<br />
2008 (BGBl. I S. 3018) erhielt die geplante<br />
Entwicklung eine besondere Dynamik, die dazu führte,<br />
das soeben erstellte, zeitliche und inhaltliche Konzept<br />
des Landes zu überarbeiten und an die neuen rechtlichen<br />
Grundlagen anzupassen. Hierbei waren aus Sicht<br />
des damaligen Innenministeriums die mit Artikel 4 des<br />
Erbschaftssteuerreformgesetzes vorgenommenen<br />
Änderungen des Baugesetzbuches von Bedeutung,<br />
wonach insbesondere eine flächendeckende Zonierung<br />
der Bodenrichtwerte (neuer § 196 Abs. 1 BauGB) vorgeschrieben<br />
wurde.<br />
Außerdem wurde § 199 Abs. 1 BauGB neu gefasst, mit<br />
dem nunmehr die Bundesregierung ermächtigt wurde,<br />
mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung<br />
Vorschriften über die Anwendung gleicher<br />
Grundsätze bei der Ermittlung der Verkehrswerte und<br />
bei der Ableitung von Bodenrichtwerten und sonstiger<br />
für die Wertermittlung erforderlicher Daten zu erlassen.<br />
Damit wurde die bisherige Befugnis der Bundes-
6 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
regierung erheblich erweitert; gleichzeitig wurde die<br />
Ermächtigung der <strong>Landesregierung</strong>en, durch Rechtsverordnung<br />
die Ermittlung sowie Veröffentlichung der<br />
Bodenrichtwerte zu regeln, auf den Bereich der Veröffentlichung<br />
reduziert.<br />
Seit Erlass der Wertermitlungsverordnung vom 6. Dezember<br />
1988 (BGBL. I S. 2209) hatten sich die Bedingungen<br />
auf dem Grundstücksmarkt tief greifend geändert,<br />
so dass sich das Bundesministerium für Verkehr,<br />
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) entschied, die<br />
Verordnung entsprechend den geänderten Rahmenbedingungen<br />
fortzuentwickeln. Ende 2008 wurde der<br />
beim BMVBS aufgestellte Entwurf einer Immobilienwertermittlungsverordnung<br />
- kurz: ImmoWertV -, der<br />
übrigens noch keine Regelungen zur Ableitung der<br />
Bodenrichtwerte enthielt, den für die Gutachterausschüsse<br />
zuständigen Landesministerien zur Stellungnahme<br />
übersandt. In der daraufhin ergangenen Stellungnahme<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>s wurde aufgrund der<br />
Änderung des § 199 BauGB insbesondere auf die Notwendigkeit<br />
zur Aufnahme von Regelungen zur Ermittlung<br />
der Bodenrichtwerte hingewiesen, die dann auch<br />
tatsächlich in § 10 der ImmoWertV aufgenommen wurden.<br />
Nach ausführlichen Beratungen beschloss die<br />
Bundesregierung am 1. April 2009 die ImmoWertV, der<br />
der Bundesrat mit fünf Maßgaben am 15. Mai 2009<br />
zustimmte. Diesen Maßgaben wiederum wollte die<br />
Bundesregierung nicht in allen Punkten entsprechen,<br />
so dass das BMVBS einen geänderten Entwurf der<br />
ImmoWertV aufstellte, der letztendlich dann von der<br />
Bundesregierung beschlossen wurde und der der Bundesrat<br />
in seiner Sitzung am 7. Mai 2010 zustimmte.<br />
Mit der ImmoWertV vom 19. Mai 2010 (BGBl. I S. 639),<br />
die am 1. Juli 2010 in Kraft trat, war dem BMVBS nunmehr<br />
der „Startschuss“ für die Erarbeitung von zwei<br />
Richtlinien gegeben, mit denen im Einzelnen das Verfahren<br />
zur Ermittlung von Bodenrichtwerten und zur<br />
Ermittlung von Sachwerten geregelt werden sollen.<br />
Die Bodenrichtwertrichtlinie wurde im Bundesanzeiger<br />
vom 11. Februar 2011 (Nr. 24, S. 597) veröffentlicht.<br />
Die Erarbeitung der Richtlinie zur Anwendung des<br />
Sachwertverfahrens ist noch nicht abgeschlossen. Die<br />
Regelungen der im Entwurf vorgelegten Richtlinie basieren<br />
im Wesentlichen auf den Normalherstellungskosten<br />
2010. Dies führt jedoch dazu, dass Gebäude<br />
älteren Herstellungsdatums - ca. 85 % der Gebäude -<br />
nicht nach der NHK 2010 eingeordnet werden können.<br />
Mit Normalherstellungskosten, die nur für die Bewertung<br />
von ca. 15 % der Gebäude geeignet sind, und der<br />
damit zwangsläufig erforderlichen Berechnung von Zu-<br />
und Abschlägen aufgrund besonderer objektspezifischer<br />
Grundstücksmerkmale nach Nr. 6 des Entwurfs<br />
wird der Sonderfall zum Regelfall, außerdem werden<br />
die Zu- und Abschläge so hoch, dass sie den Belangen<br />
des bisherigen Entwurfs selbst nicht mehr genügen.<br />
Dies ist nach Auffassung <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>s neben<br />
anderen Regelungen im Entwurf mit den Grundsätzen<br />
der städtebaulichen Grundstückswertermittlung nicht<br />
vereinbar. Bei der anstehenden Überarbeitung des<br />
Richtlinienentwurfs wirkt auch ein Vertreter NRWs mit;<br />
das Ergebnis bleibt abzuwarten.<br />
2.3 Recht der Grundstückswertermittlung in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Die Grundlagen des Rechts der Grundstückswertermittlung<br />
in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> enthält die Verordnung<br />
über die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte<br />
(Gutachterausschussverordnung NRW - GAVO<br />
NRW) vom 23. März 2004 geändert durch Verordnung<br />
vom 10. Januar 2006 (SGV NRW 231). Hier werden im<br />
Wesentlichen<br />
: die Bildung und Zusammensetzung der Gutachterausschüsse<br />
: die Aufgaben der Gutachterausschüsse und ihrer<br />
Geschäftsstellen<br />
: die Verfahren bei den Gutachterausschüssen und<br />
: die Einrichtung, Aufgaben und Kosten des Oberen<br />
Gutachterausschusses und seiner Geschäftsstelle<br />
geregelt.<br />
Außerdem ist besonders hervorzuheben, dass das<br />
Land Rechtsträger der Gutachterausschüsse ist, und<br />
die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses bei der<br />
Gebietskörperschaft eingerichtet ist, für deren Bereich<br />
der Gutachterausschuss gebildet ist. Die Geschäftsstelle<br />
arbeitet nach Weisung des Gutachterausschusses<br />
oder seines vorsitzenden Mitglieds. Damit wird<br />
sichergestellt, dass die Aufgaben der Geschäftsstelle -<br />
wie z.B. die Einrichtung und Führung der Kaufpreissammlung<br />
oder die vorbereitenden Arbeiten für die<br />
Ermittlung der Bodenrichtwerte - unter Beachtung der<br />
hierzu von Bund und Land ergangenen Rechtsvorschriften<br />
erfolgen. Wegen der übergeordneten Aufgaben<br />
der Gutachterausschüsse nach dem Baugesetzbuch,<br />
die in der Herstellung der Transparenz auf dem<br />
Grundstücksmarkt und in der Erstattung von Gutachten<br />
über den Verkehrswert von bebauten und unbebauten<br />
Grundstücken sowie von Rechten an diesen<br />
liegen, muss die Selbständigkeit und Unabhängigkeit<br />
der Gutachterausschüsse und damit auch ihrer Geschäftstellen<br />
staatlich gewährleistet sein; besondere<br />
Interessenslagen (hierbei könnte es sich auch um<br />
kommunale Interessen handeln) dürfen bei der Wahrnehmung<br />
der Aufgaben der Gutachterausschüsse
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 7<br />
keine Berücksichtigung finden. Nach Alledem ist es nur<br />
folgerichtig, wenn die <strong>Bezirksregierung</strong> als Aufsichtsbehörde<br />
die Einhaltung der Rechtsvorschriften bei der<br />
Aufgabenwahrnehmung der Gutachterausschüsse, die<br />
Einhaltung der den Gutachtern auferlegten Pflichten<br />
sowie die Geschäftsführung der Gutachterausschüsse<br />
und deren Geschäftsstellen prüft (§ 1 Abs. 5 GAVO<br />
NRW) und damit die Gewährleistung des staatlichen<br />
Auftrages der städtebaulichen Grundstückswertermittlung<br />
und seine gleichmäßige Erfüllung im Land sicherstellt.<br />
Zur gleichmäßigen Erfüllung der Aufgaben der Gutachterausschüsse<br />
wurden in NRW bisher zwei Verwaltungsvorschriften,<br />
der Erlass über die Kaufpreissammlungen<br />
der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte<br />
(Kaufpreissammlungs-Erlass - KPS-Erl.) und der<br />
Bodenrichtwert-Erlass - BoRiWErl. NRW -, vom Innenministerium<br />
herausgegeben.<br />
Darüber hinaus hat der Obere Gutachterausschuss<br />
nach § 23 Abs. 2 der GAVO NRW zur Sicherstellung der<br />
Einheitlichkeit im Einvernehmen mit den vorsitzenden<br />
Mitgliedern der Gutachterausschüsse verbindliche<br />
Standards für die Auswertung der wesentlichen Daten<br />
aus der Kaufpreissammlung, nämlich für die Ableitung<br />
von<br />
: Liegenschaftszinssätzen<br />
: Immobilienrichtwerten und<br />
: Marktanpassungsfaktoren<br />
erarbeitet.<br />
Die Standards wurden bisher jedoch noch nicht in Verwaltungsvorschriften<br />
des Landes verbindlich vorgeschrieben.<br />
2.4 Weiteres Vorgehen in NRW<br />
Die nordrhein-westfälischen, für die städtebauliche<br />
Grundstückswertermittlung geltenden Rechtsvorschriften<br />
sind an die bundesrechtlich geänderten Regelungen<br />
des Baugesetzbuches und der ImmoWertV<br />
anzupassen. Dies gilt zum einen für die Regelungen der<br />
GAVO NRW, zum anderen aber auch für die Vorschriften<br />
des KPS-Erl. und des BoRiWErl NRW. Dabei sollen<br />
etwaige Richtlinien des Bundes im Interesse einer bundesweit<br />
einheitlichen Vorgehensweise bei Wahrnehmung<br />
der Aufgaben der Grundstückswertermittlung<br />
berücksichtigt werden. Außerdem sollen im Zuge der<br />
Überarbeitung der Verwaltungsvorschriften die bisherigen<br />
Landesvorschriften zusammengefasst und<br />
gleichzeitig die in der Grundstückswertermittlung gültigen<br />
Standards festgelegt werden.<br />
Am Ende der Überarbeitung soll - ähnlich wie in Rheinland-Pfalz<br />
- ein nordrhein-westfälischer Runderlass zur<br />
Grundstückswertermittlung herausgegeben werden,<br />
der alle zuvor aufgezeigten Inhalte umfasst, auch verbindliche<br />
Standards für die Auswertung der wesentlichen<br />
Daten aus der Kaufpreissammlung. Die Kaufpreissammlung<br />
ist die wichtigste Grundlage für alle<br />
Arbeiten der Grundstückswertermittlung (z.B. die Ableitung<br />
der Bodenrichtwerte). Insofern ist besonders<br />
großer Wert darauf zu legen, dass sie nach im Lande<br />
einheitlichen Gesichtspunkten geführt und ausgewertet<br />
wird.<br />
Auf eine mögliche Gliederung des Runderlasses zur<br />
Grundstückswertermittlung wird in Abschnitt 6 näher<br />
eingegangen.<br />
3 Zonierung der Bodenrichtwerte<br />
In <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> gab es bis zur Verabschiedung<br />
des Erbschaftssteuerreformgesetzes nur wenige Gutachterausschüsse,<br />
die eine Zonierung der Bodenrichtwerte<br />
vorgenommen haben, die überwiegende Anzahl<br />
der Gutachterausschüsse gab bis dahin lagetypische<br />
Bodenrichtwerte heraus.<br />
Da die Zonierung der Bodenrichtwerte nunmehr durch<br />
§ 196 Abs. 1 BauGB vorgegeben wird, weil sie für die<br />
Zwecke der Besteuerung herausragende Bedeutung<br />
hat, entschied die für die Grundstückswertermittlung<br />
zuständige Oberste Landesbehörde, das Innenministerium,<br />
in einem ersten Schritt den Bodenrichtwert -<br />
Erlass vom 2. März 2004 an die neue rechtliche Situation<br />
anzupassen. Hierzu sollten die erforderlichen<br />
Grundlagen in der Arbeitsgruppe „Grundstückswertermittlung“,<br />
die Ende 2008 beim Innenministerium<br />
eingerichtet wurde, erarbeitet werden. Ein erster Entwurf<br />
des neuen Bodenrichtwerterlasses wurde Mitte<br />
2009 über die <strong>Bezirksregierung</strong>en den Gutachterausschüssen<br />
des Landes zur Kenntnis und Beachtung<br />
gegeben. Dieser Entwurf diente auch als Grundlage für<br />
die Vergabe von Fördermitteln für die Ableitung zonaler<br />
Bodenrichtwerte.<br />
Schon bald danach begann auch das BMVBS mit der<br />
Erarbeitung einer eigenen Bodenrichtwertrichtlinie. Da<br />
das Land NRW an der Erarbeitung dieser Richtlinie<br />
beteiligt war, war es bestrebt, den eigenen Entwurf des<br />
Bodenrichtwerterlasses an die Richtlinie des Bundes<br />
anzupassen. Insbesondere an einer Stelle bestanden<br />
jedoch ganz erhebliche Gründe, dies nicht zu tun. Es<br />
gibt nämlich größere Gebiete, für die kein Bodenrichtwert<br />
bestimmt werden kann. Dies gilt für Flächen, die<br />
nach allgemeiner Verkehrsauffassung für absehbare
8 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Zeit nicht an Rechtsgeschäften teilnehmen oder die in<br />
Rechtsgeschäften regelmäßig ungewöhnlichen oder<br />
persönlichen Verhältnissen unterliegen. Derartige<br />
Gebiete werden in NRW abgegrenzt, sie erhalten jedoch<br />
aus fachlichen und rechtlichen Gründen keinen<br />
Bodenrichtwert.<br />
Die Zonierung der Bodenrichtwerte erforderte außerdem<br />
eine Änderung des in NRW eingesetzten Bodenrichtwertinformationssystems<br />
BORIS; diese erfolgte<br />
mit Finanzmitteln des Landes NRW in 2010, so dass<br />
seit Beginn des Jahres 2011 mit der Version 2.0 für alle<br />
Gutachterausschüsse die Möglichkeit besteht, zonale<br />
Bodenrichtwerte in BORIS abzulegen. Nach Kenntnis<br />
des Autors haben dies auch alle Gutachterausschüsse<br />
NRWs - wieder mit finanzieller Unterstützung des Landes<br />
- entsprechend umgesetzt, allerdings nicht in jedem<br />
Fall flächendeckend für ihren Zuständigkeitsbereich.<br />
Die Ermittlung zonaler Bodenrichtwerte in NRW<br />
hat insofern mit kleineren Abstrichen gezeigt, wie flexibel<br />
die Gutachterausschüsse des Landes reagieren<br />
können, um eine landeseinheitliche Vorgehensweise in<br />
NRW in die Realität umzusetzen.<br />
4 Änderung der Gutachterausschussverordnung<br />
Durch die im Zuge der Erbschaftssteuerreform vorgenommene<br />
Änderung des BauGB wird es in einem zweiten<br />
Schritt erforderlich sein, die Regelungen der nordrhein-westfälischen<br />
Gutachterausschussverordnung<br />
entsprechend anzupassen.<br />
Bei dieser Gelegenheit sollen insbesondere<br />
: moderne Verfahren der Bereitstellung von Daten der<br />
Grundstückswertermittlung<br />
: die Pflicht der Mitglieder des Gutachterausschusses<br />
zur regelmäßigen Fortbildung auf dem Gebiet der<br />
Grundstückswertermittlung<br />
: Regelungen zum Mindestumfang der für die Wertermittlung<br />
erforderlichen Daten, zum Grundstücksmarktbericht<br />
und zu Immobilienrichtwerten<br />
: die landeseinheitliche Einrichtung der Kaufpreissammlung<br />
: Regelungen zur Kooperation der für die amtliche<br />
Grundstückswertermittlung zuständigen Stellen<br />
in die Überarbeitung der GAVO einbezogen werden.<br />
Durch eine Experimentierklausel soll es der für die<br />
amtliche Grundstückswertermittlung zuständigen<br />
Obersten Landesbehörde ermöglicht werden, zeitlich<br />
begrenzte Ausnahmen von Vorschriften der GAVO<br />
zuzulassen, um neue Verfahren erproben zu können.<br />
Die Erarbeitung der neuen Regelungen der GAVO erfolgte<br />
in der AG „Grundstückswertermittlung“ und ist<br />
sehr weit fortgeschritten.<br />
5 Kaufpreissammlung<br />
Wichtigste Grundlage für die Wahrnehmung der Aufgaben<br />
in der amtlichen Grundstückswertermittlung ist<br />
die Kaufpreissammlung, die nach § 193 Abs. 5 BauGB<br />
von jedem Gutachterausschuss zu führen ist. Aufgrund<br />
der Kaufpreissammlung ermittelt der Gutachterausschuss<br />
die Bodenrichtwerte und die sonstigen für die<br />
Wertermittlung erforderlichen Daten. Die Ermittlung<br />
dieser Daten muss - wie bereits oben erläutert - nach<br />
landeseinheitlichen Grundsätzen erfolgen, um die Vergleichbarkeit<br />
der Daten im Lande sicherzustellen. Teilweise<br />
werden die Daten in Zusammenarbeit der Gutachterausschüsse<br />
abgeleitet werden müssen, teilweise<br />
werden die Daten vom Oberen Gutachterausschuss<br />
abzuleiten sein. All dies spricht für eine Festlegung<br />
einheitlicher Standards für die Kaufpreissammlung<br />
und für eine zentrale Einrichtung der Kaufpreissammlung<br />
bei einer Stelle. Wie bei dem landeseinheitlichen<br />
Bodenrichtwertsystem bietet sich hierfür die Einrichtung<br />
beim Oberen Gutachterausschuss an, mit gleichzeitiger<br />
Regelung der Zugriffsrechte. Die Umsetzung<br />
dieses großen Zieles erfolgt in einem dritten Schritt.<br />
In einer Unterarbeitsgruppe der AG „Grundstückswertermittlung“<br />
ist ein Datenkatalog zur Kaufpreissammlung<br />
erarbeitet worden, der der zentralen Führung<br />
zugrunde gelegt werden soll. Mit dem Datenkatalog<br />
soll der bisherige im KPS-Erlass festgelegte Katalog<br />
fortgeschrieben und an die aktuellen Anforderungen<br />
angepasst werden; er ist in acht Teile, die Kaufpreisfelder<br />
: der Vorerfassung<br />
: für unbebaute Grundstücke<br />
: für Sachwertobjekte<br />
: für Ertragswertobjekte<br />
: für Wohnungseigentum<br />
: für Erbaugrundstücke Sach- und Ertragswertobjekte<br />
: für Erbbaurechte Sachwertobjekte und<br />
: für Erbbaurechte Ertragswertobjekte<br />
untergliedert. Die einzelnen Teile sollen noch Aussagen<br />
über Pflicht- und Kann-Inhalte erhalten. Dies wird jedoch<br />
erst nach Beschaffung eines Programmsystems<br />
zur Einrichtung und Auswertung der Kaufpreissammlung<br />
für den Oberen Gutachterausschuss entschieden<br />
werden.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 9<br />
Derzeit wird in NRW eine Reihe von Programmen zur<br />
Führung und Auswertung der Kaufpreissammlung<br />
eingesetzt, die auf der Grundlage unterschiedlicher<br />
Standards arbeiten. Eine Vereinheitlichung der Standards<br />
ist zwingend erforderlich, um die Ermittlung der<br />
Bodenrichtwerte und der sonstigen für die Wertermittlung<br />
erforderlichen Daten nach einheitlichen Verfahren<br />
durchführen zu können. Dies müssen alle eingesetzten<br />
Programme leisten können. Um den Gutachterausschüssen<br />
in NRW ihre Programmwahl zu erleichtern<br />
und die Kosten für die Programmbeschaffung und<br />
Programmpflege zu reduzieren, ist von Landesseite<br />
aus vorgesehen, das Programmsystem, das das Land<br />
für den OGA ohnehin beschaffen wird, auch den Gutachterausschüssen<br />
im Land für die Wahrnehmung<br />
ihrer Aufgaben, schließlich sind dies Landesaufgaben,<br />
kostenfrei zur Verfügung zu stellen.<br />
Wenn der einzelne Gutachterausschuss besondere<br />
Aufgaben speziell für den Bereich seiner Gebietskörperschaft<br />
erledigen will, wird er allerdings hieran nicht<br />
gehindert; er muss allerdings die Einhaltung der Mindeststandards,<br />
die - wie oben erläutert - noch festgelegt<br />
werden sollen, sicherstellen.<br />
Es ist geplant, noch in diesem Jahr die Beschaffung<br />
eines Programmsystems für den OGA einzuleiten.<br />
6 Ausblick<br />
In einem vierten Schritt sollen die bis dahin entstandenen<br />
Entwürfe von Verwaltungsvorschriften und bereits<br />
bestehende Standards und Verfahren in einem Runderlass<br />
über die Grundstückswertermittlung zusammengefasst<br />
werden. Eine mögliche Gliederung eines solchen<br />
Runderlasses enthält die Anlage. Der Runderlass<br />
soll modular aufgebaut werden, so dass er jederzeit<br />
aufgrund aktueller Entwicklungen fortgeschrieben<br />
werden kann.<br />
Nach Abschluss der aufgezeigten Arbeiten soll die<br />
amtliche Grundstückswertermittlung den an sie gestellten,<br />
neuen Anforderungen jederzeit gerecht werden<br />
können.<br />
Dipl. Ing. Klaus Mattiseck<br />
Ministerium für Inneres und Kommunales<br />
des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Referat 36<br />
Haroldstr. 5<br />
40119 Düsseldorf<br />
klaus.mattiseck@mik.nrw.de
10 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Anlage<br />
Inhalt/Gliederung des RdErl<br />
zur Grundstückswertermittlung<br />
1 Grundsätze bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Grundstückswertermittlung<br />
1.1 Fortbildung der Mitglieder des Gutachterausschusses und des in der<br />
Grundstückswertermittlung eingesetzten Personals<br />
2 Kaufpreissammlung<br />
3 Bodenrichtwerte<br />
2.1 Führung der Kaufpreissammlung<br />
2.2 Bereitstellung der Kaufpreissammlung<br />
3.1 Ermittlung der Bodenrichtwerte<br />
3.2 Bereitstellung der Bodenrichtwerte<br />
4 Sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten<br />
4.1 Ableitung von Liegenschaftszinssätzen<br />
4.1.1 für Mietwohngrundstücke<br />
4.1.2 für Geschäftsgrundstücke<br />
4.1.3 für gemischt genutzte Grundstücke<br />
4.2 Ableitung von Marktanpassungsfaktoren / Sachwertfaktoren<br />
4.2.1 für Ein- und Zweifamilienhäuser<br />
4.2.2 Erbbaugrundstücksfaktoren<br />
4.3 Ableitung von Umrechnungskoeffizienten für das Wertverhältnis von<br />
sonst gleichartigen Grundstücken<br />
4.3.1 bei unterschiedlichem Maß der baulichen Nutzung<br />
4.4 Ableitung von Vergleichsfaktoren<br />
4.4.1 Gebäudefaktoren (=Immobilienrichtwerte)<br />
4.4.2 Ertragsfaktoren<br />
4.5 Ableitung von Indexreihen (§ 11 ImmoWertV)<br />
4.5.1 Indexreihen für Bodenpreise<br />
4.5.2 Indexreihen für Preise für Eigentumswohnungen<br />
4.5.3 Indexreihen für Preise für Einfamilienhäuser
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 11<br />
50 Jahre Gutachterausschüsse in Deutschland und speziell in NRW<br />
Rainer Höhn, Hans-Wolfgang Schaar<br />
Dieser Beitrag erschien erstmalig in immobilien & bewerten<br />
3/2011, S. 121 ff. Der Nachdruck erfolgt mit<br />
freundlicher Genehmigung der Sprengnetter GmbH,<br />
Sinzig.<br />
Als am 30.10.1960 das Bundesbaugesetz (BBauG) in<br />
Kraft trat und zum ersten Mal die wichtigsten Regelungen<br />
des Bauplanungsrechtes in einem Gesetz zusammengefasst<br />
wurden, schuf der Gesetzgeber etwas<br />
ganz Neues: die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte.<br />
1 Einleitung<br />
Da es sich um eine vollständig neue Einrichtung handelte<br />
und wichtige Organisationsfragen den Ländern<br />
übertragen waren, die in Durchführungsverordnungen<br />
der Länder zum Bundesbaugesetz geregelt wurden,<br />
kam es zur Bildung der meisten Gutachterausschüsse<br />
erst im Laufe des Jahres 1961, also vor 50 Jahren. In<br />
Hagen führte der Gutachterausschuss seine erste<br />
Sitzung am 21.10.1961 durch, in Essen wurde die erste<br />
Sitzung bereits zum 18.04.1961 einberufen. Die Institution<br />
der Gutachterausschüsse ist demnach 50 Jahre<br />
alt.<br />
Anlässlich dieses Jubiläums finden in Deutschland<br />
Erinnerungsveranstaltungen und Feierstunden statt. In<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> wurde das Jubiläum der Gutachterausschüsse<br />
am 13.09.2011 mit einer Veranstaltung<br />
in der Historischen Stadthalle Wuppertal feierlich begangen.<br />
So soll auch dieser Beitrag an die vielfältigen Aufgaben<br />
und die Leistung der Gutachterausschüsse zur Schaffung<br />
von Markttransparenz für alle Bevölkerungskreise<br />
in ganz Deutschland erinnern. Gleichwohl werden bestimmte<br />
Entwicklungen nur für die nordrheinwestfälischen<br />
Gutachterausschüsse dargestellt, weil<br />
zum Einen länderspezifische Besonderheiten existieren<br />
und zum Anderen die Autoren aus <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong> stammen und sich in den Regelungen dieses<br />
Landes vorrangig auskennen.<br />
2 Eine neue Behörde wird eingerichtet – die Organisation<br />
2.1 Wie alles begann<br />
„Wertermittlungsgrundsätze und Wertschätzungen<br />
finden schon in der Bibel Erwähnung (3. Buch Mose<br />
[Leviticus] Kap. 25, Vers 14 ff.; Lukas Kap. 2, Vers 1 bis<br />
7; Jesaja Kap. 5.8). Es dürfte sich hierbei aber nicht um<br />
die Ursprünge handeln, denn Fragen der Bodenschätzung<br />
und der Bodennutzung gehören zu den ältesten<br />
Wissenschaften in allen Kulturen ... Die Immobilienschätzung<br />
war eine priesterliche Aufgabe, und so mancher<br />
Sachverständige wünscht sich heute deren biblischen<br />
Status herbei ([3. Buch, Anm. d. Verf.] Mose<br />
Kap. 27, Vers 14)“ (Kleiber, Kleiber-digital, Teil II, 6, Rn.<br />
105, 106, Stand 26.07.2011).<br />
Die Vorschriften im 19. Jahrhundert zu steuerlichen<br />
Bewertungen, insbesondere die „Leitlinien für die<br />
Sammlung von Pacht- und Kaufpreisen bei den Katasterbeamten“<br />
(1833), das Preußische Grundsteuergesetz<br />
vom 21.05.1861, das Preußische Ergänzungssteuergesetz<br />
vom 14.07.1893 und der Runderlass des<br />
preußischen Finanzministers v. Miquel betreffend die<br />
Sammlung von Grundstückskaufpreisen legten die<br />
Grundsteine für die moderne Wertermittlung. Erste<br />
systematische Kaufpreissammlungen sind bereits im<br />
18. Jahrhundert in den westlichen preußischen Provinzen<br />
nachweisbar 1 . Nachdem Kaufpreise zunächst bei<br />
den Grundbuchämtern gesammelt wurden, ging diese<br />
Aufgabe der steuerlichen Kaufpreissammlungen 1929<br />
auf die staatlichen Katasterämter, in den großen Städten<br />
häufig auch auf kommunale Bewertungsdienststellen<br />
über. Hierin liegt der Grund für die in vielen Bundesländern<br />
heute noch übliche, äußerst bewährte Zuordnung<br />
der amtlichen Wertermittlung zu den Vermessungs-<br />
und Katasterbehörden.<br />
Am 26.11.1936 trat die Verordnung über das Verbot<br />
von Preiserhöhungen (Preisstoppverordnung) in Kraft.<br />
Sie hatte neben der ideologischen (Kriegsvorbereitung)<br />
auch eine ökonomische Komponente: Nach dem<br />
Ersten Weltkrieg war in Deutschland ein kräftiges Wirtschaftswachstum<br />
zu verzeichnen, das mit einem deutlichen<br />
Anstieg der Lohnkosten einher ging. Die welt-<br />
1 a.a.O. Rn. 118, 132, 134
12 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
wirtschaftlichen Ereignisse (Weltwirtschaftkrise,<br />
Schwarzer Freitag 1929) führten u.a. zu Notverordnungen,<br />
die einen weiteren Lohn- und Preisanstieg<br />
verhindern sollten. Nach Errichtung der nationalsozialistischen<br />
Diktatur wurde der Staatshaushalt weitgehend<br />
über die Notenpresse finanziert. Mit dem Preisbildungsgesetz<br />
– Gesetz zur Durchführung des Vierjahresplans<br />
– Bestellung eines Reichskommissars für<br />
die Preisbildung – vom 29. Oktober 1936 wurde erneut<br />
ein Reichskommissar eingesetzt, dessen Aufgabe die<br />
Überwachung der Preisbildung von Gütern jeglicher Art<br />
war – Immobilienpreise eingeschlossen. Die Preisstoppverordnung<br />
vom 26.11.1936 schließlich sollte<br />
jedwede Preissteigerung ausschließen. Damit wurden<br />
indes nicht generell alle Preissteigerungen gestoppt,<br />
denn schon in der Verordnung waren Ausnahmen vorgesehen,<br />
soweit dies aus volkswirtschaftlichen Gründen<br />
oder zur Vermeidung besonderer Härten dringend<br />
erforderlich erschien. In diesem Kontext wurde der<br />
Begriff der „volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preise“<br />
eingeführt, der jedoch niemals definiert wurde.<br />
2.2 Auf dem Weg zum BBauG<br />
Die Preisstoppverordnung galt bis weit nach Ende des<br />
Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Selbst heute gilt ein kleiner Teil<br />
der Vorschrift weiter, s.u. Mit der Währungsreform<br />
wurde 1948 der Preisstopp für Trümmergrundstücke<br />
aufgehoben. In den durch die Liberalisierung der Wirtschaft<br />
geprägten Folgejahren mehrten sich Stimmen<br />
insbesondere auch aus den Gebietskörperschaften<br />
nach einer vollständigen Aufhebung des Preisstopps<br />
auf dem Immobilienmarkt. Insbesondere in den Ballungsräumen<br />
wurde dieser für einen Anstieg der Immobilienpreise<br />
verantwortlich gemacht, denn das Instrument<br />
wurde offenbar nicht konsequent gehandhabt.<br />
Diese Praxis führte zu einer massiven Angebotsverknappung,<br />
denn mit keiner anderen Anlageform<br />
konnten seinerzeit derart hohe Renditen erzielt werden.<br />
Zudem stieg der Anteil nicht beurkundeter Kaufpreisanteile<br />
rasant. Auch die Rechtsprechung hob<br />
zunehmend darauf ab, dass die seit 1936 eingetretene<br />
Entwicklung und Qualitätsverbesserung der Grundstücke<br />
bei der Anwendung der Preisstoppvorschriften zu<br />
berücksichtigen sei.<br />
1952 wurden die Preise für bebaute Grundstücke frei<br />
gegeben. Auch bei Enteignungen nach dem Baulandbeschaffungsgesetz<br />
von 1953 waren seit 1936 eingetretene<br />
Wertveränderungen zu berücksichtigen, soweit<br />
sie auf einer veränderten Kaufkraft der Mark beruhten.<br />
Auf Initiative des Bauausschusses des Deutschen<br />
Städtetags 1954 wurden unter Beteiligung der Städte<br />
Pforzheim, <strong>Köln</strong> und Essen sowie des Siedlungsver-<br />
bands Ruhrkohlenbezirk (heute Regionalverband<br />
Ruhrgebiet) umfangreiche Preisuntersuchungen<br />
durchgeführt. Die Untersuchungen ergaben eine echte<br />
Preissteigerung seit 1936 von im Mittel 149 % (Extremwerte:<br />
Freiburg 280 %, Kiel 111 %)! Resultat dieser<br />
Erkenntnisse war die Schöpfung des Begriffs „reflektierter<br />
Stopppreis“, ein Stopppreis, der die seit<br />
1936 eingetretenen Veränderungen berücksichtigte.<br />
Mit der Einführung des Bundesbaugesetzes entfielen<br />
schließlich 1960 alle Preisstoppvorschriften – mit einer<br />
Ausnahme: Das Grundstücksverkehrsgesetz von 1961<br />
schreibt bis heute eine Genehmigungspflicht für den<br />
Verkauf land- und forstwirtschaftlich genutzter<br />
Grundstücke vor. Die Durchführung ist landesrechtlich<br />
geregelt. In Nordhrein-<strong>Westfalen</strong> unterliegen bis heute<br />
die Verkäufe entsprechender Grundstücke mit mehr<br />
als 1 ha Fläche dem Genehmigungsvorbehalt.<br />
2.3 Rechtsgrundlage Bundesbaugesetz<br />
Bereits im Vorfeld der Einführung des Bundesbaugesetzes<br />
und der damit geplanten Aufhebung der Preisstoppverordnung<br />
hatte der Bundesgesetzgeber die<br />
Notwendigkeit erkannt, unerfahrene, mit den Wertverhältnissen<br />
nicht vertraute Marktteilnehmer vor Übervorteilung<br />
zu schützen und damit eine Chancengleichheit<br />
herzustellen. Der Begriff der „Transparenz auf<br />
dem Immobilienmarkt“ war geboren. Konsequent umgesetzt<br />
wurde dieser Gedanke der Markttransparenz<br />
durch die Aufnahme von Vorschriften zu einer amtlichen<br />
Wertermittlung in das im Entstehen begriffene<br />
Bundesbaugesetz. Institutionen sollten geschaffen<br />
werden, die einerseits den Immobilienmarkt beobachten<br />
und Grundlagendaten wie Bodenrichtwerte ermitteln,<br />
andererseits auch in bestimmten Fällen selbst<br />
Wertgutachten erstatten sollten. Gleichzeitig wurde<br />
diesen die Schaffung von Kaufpreissammlungen übertragen,<br />
die sich bald als wesentlichstes Informationsmedium<br />
herausstellen sollten. Ein von Bundesrat,<br />
Bundestag und Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht<br />
in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten<br />
hatte bereits 1954 die Gesetzgebungskompetenz des<br />
Bundes auf diesem Rechtsgebiet eindeutig bejaht.<br />
Allerdings beschränkt sich der Bundesgesetzgeber bis<br />
heute auf einen groben Rahmen, den die Länder in<br />
eigener Zuständigkeit ausfüllen können.<br />
Die Grundlage für die Einrichtung von „Gutachterausschüssen<br />
für Grundstückswerte und sonstige Wertermittlungen“<br />
findet sich im Bundesbaugesetz (BBauG)<br />
vom 23.06.1960. Nach seinem Inkrafttreten zum<br />
30.10.1960 waren diese Behörden als selbständige und<br />
unabhängige Gremien zu gründen. Ihre Mitglieder sind<br />
mit Ausnahme der vorsitzenden Mitglieder ehrenamtlich<br />
tätig und sollen in der Wertermittlung sachkundig
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 13<br />
und erfahren sein. Bei der Ermittlung von Bodenrichtwerten<br />
ist auch jeweils ein Bediensteter der örtlichen<br />
Finanzbehörde als Gutachter heranzuziehen.<br />
Mit dem Beitritt der neuen Bundesländer am<br />
03.10.1990 waren auch hier Gutachterausschüsse<br />
einzurichten; diese konnten 2010 auf ihr zwanzigjähriges<br />
Bestehen zurückblicken. So wurde der erste Gutachterausschuss<br />
in Mecklenburg-Vorpommern bereits<br />
am 13.09.1990 in der Hansestadt Wismar eingerichtet.<br />
Als Geburtsurkunde des Gutachterausschusswesens in<br />
diesem Bundesland ist ein Schreiben des Ministers des<br />
Innern der DDR, Herrn Dr. Diestel, an den Landessprecher<br />
des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn<br />
Brick, vom 27.09.1990 anzusehen. Hierin wird angewiesen,<br />
in jedem Liegenschaftsamt des Bundeslandes<br />
eine Geschäftsstelle des Gutachterausschusses einzurichten.<br />
In der Organisation spiegeln sich die Partnerschaften<br />
zwischen alten und neuen Bundesländern beim Aufbau<br />
der Verwaltung wieder. So ist eine ähnliche Vielfalt der<br />
organisatorischen Zuordnung wie in den alten Bundesländern<br />
anzutreffen; der in Baden-Württemberg vor<br />
historischem Hintergrund begangene Fehler der Zuordnung<br />
zu jeder Gemeinde wurde glücklicherweise<br />
nicht wiederholt. Mittlerweile wurden durch Organisations-<br />
und Gebietsreformen die Zuständigkeitsbereiche<br />
der Ausschüsse zum Teil mehrfach verändert.<br />
2.4 Umsetzung in den Bundesländern<br />
(Organisation)<br />
Von Beginn an waren die Bundesländer ermächtigt, für<br />
die Gutachterausschüsse landesrechtliche Vorschriften<br />
zu erlassen. Je nach Bundesland heißen diese Gutachterausschussverordnung<br />
oder, weniger verbreitet,<br />
Durchführungsverordnung. Im Folgenden werden diese<br />
landesrechtlichen Vorschriften einheitlich Gutachterausschussverordnung<br />
genannt. Die Ermächtigung<br />
bezog sich im Wesentlichen auf die organisatorische<br />
Zuordnung der Gutachterausschüsse und ihrer gleichzeitig<br />
einzurichtenden Geschäftsstellen, die Möglichkeit,<br />
weitere Aufgaben zuzuweisen sowie die Regelung<br />
von Arbeitsabläufen.<br />
In der Konsequenz dieser landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz<br />
wurden 11 bzw. heute 16 Organisationsformen<br />
geschaffen, die leider auch zu einem höchst<br />
unterschiedlichen Grad der Aufgabenwahrnehmung<br />
geführt haben. Gerade in Bezug auf die in den vergangenen<br />
Jahren erfolgte Übertragung neuer Aufgaben<br />
(vgl. Kap. 3 und 6) wären eine straffe, bundesweit einheitliche<br />
Verordnungsgebung, Organisation und Fachaufsicht<br />
in jeder Hinsicht weitaus effektiver gewesen.<br />
Für die Stadtstaaten Berlin und Hamburg ist je ein<br />
Gutachterausschuss zuständig, in Bremen sind es 2<br />
(Bremen und Bremerhaven). Die übrigen Bundesländer<br />
haben zwischen 4 (Sachen-Anhalt) und 1008 (Baden-<br />
Württemberg) Gutachterausschüsse eingerichtet, vgl.<br />
Abbildung 1. Bundesweit bestehen derzeit 1373 Gutachterausschüsse.<br />
Zuständig sind die Ausschüsse in<br />
der Regel für das Gebiet eines oder mehrerer (Land-)<br />
Kreise und kreisfreier Städte. Einige Länder haben<br />
Ausschüsse auch für kreisangehörige Gemeinden eingerichtet,<br />
die zumeist eine bestimmte Einwohnerzahl<br />
überschreiten müssen. <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> weist seit<br />
1981 auch den Großen kreisangehörigen Gemeinden<br />
eigene Gutachterausschüsse zu, räumt aber gleichzeitig<br />
die Möglichkeit des Zusammenschlusses räumlich<br />
benachbarter Ausschüsse und deren Geschäftsstellen<br />
ein. In Baden-Württemberg sind Gutachterausschüsse<br />
grundsätzlich für jede Gemeinde einzurichten – Ursache<br />
für die große Anzahl und für vielfältige Probleme.<br />
Abb. 1: Gutachterausschüsse in den Ländern<br />
Je nach Landesrecht sind die Gutachterausschüsse<br />
Behörden des Landes (z.B. in Niedersachsen und<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>) oder auch Behörde der Gebietskörperschaft<br />
(z.B. in Baden-Württemberg und in Teilen<br />
Schleswig-Holsteins). Ohne Ansehen der Zuordnung<br />
sind sie in jedem Fall gem. § 192 Abs. 1 BauGB unabhängig<br />
und selbständig. Damit sind sie Behörden außerhalb<br />
einer Behördenhierarchie. Sie unterliegen<br />
keiner fachlichen Weisung, sondern haben ihre Aufgaben<br />
in eigener Verantwortung und nach bestem Wissen<br />
wahrzunehmen. Die Aufsicht über die Einhaltung von<br />
Recht und Gesetz (Rechtsaufsicht) obliegt in der Regel
14 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
der Behörde, die auch die Mitglieder der Ausschüsse<br />
bestellt.<br />
Mitglieder der Gutachterausschüsse sollen in der<br />
Wertermittlung sachkundig und erfahren sein. Diese<br />
Voraussetzungen sind häufig bei Vermessungsingenieuren,<br />
Architekten, Immobilienmaklern und sonstigen<br />
Personen aus Tätigkeitsfeldern rund um Vermarktung,<br />
Entwicklung und Management von Immobilien anzutreffen.<br />
Je nach Landesrecht werden die Ausschussmitglieder<br />
von den <strong>Bezirksregierung</strong>en (so in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>),<br />
Ministerien, Senatsverwaltungen<br />
oder der Gemeinde auf 4 oder 5 Jahre bestellt; eine<br />
Wiederbestellung ist möglich. In Analogie zu den<br />
Höchstaltersgrenzen der öffentlich bestellten und<br />
vereidigten Sachverständigen endet die Amtszeit der<br />
ehrenamtlichen Gutachter häufig mit dem Erreichen<br />
des 70. Lebensjahres.<br />
2.5 Aufgaben des Gutachterausschusses<br />
§ 193 BauGB beschreibt die Aufgaben der Gutachterausschüsse,<br />
die sich natürlich im Laufe der vergangenen<br />
Jahrzehnte erweitert haben und in Zukunft noch<br />
weiter wachsen werden. Im Wesentlichen können die<br />
zentralen Pflichtaufgaben heute mit der Führung und<br />
Auswertung der Kaufpreissammlung, der Ableitung<br />
und Veröffentlichung der Bodenrichtwerte und der<br />
weiteren für die Wertermittlung erforderlichen Daten<br />
sowie der Erstattung von Gutachten über den Verkehrswert<br />
beschrieben werden. Manche Gutachterausschussverordnungen<br />
weisen darüber hinaus noch<br />
weitere Aufgaben zu, wie z.B. in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
die Herausgabe von Grundstücksmarktberichten, die<br />
Mitwirkung oder die Herausgabe von Mietpreisübersichten<br />
oder Mietspiegeln. Kap. 4 stellt die Entwicklung<br />
der Aufgaben chronologisch dar.<br />
2.6 Geschäftsstelle<br />
Der Gutachterausschuss bedient sich einer Geschäftsstelle.<br />
Diese unterstützt den aus ehrenamtlichen Mitgliedern<br />
bestehenden und damit nicht permanent präsenten<br />
Gutachterausschuss bei der Durchführung<br />
seiner Aufgaben. Hierzu gehören insbesondere die<br />
Führung und Auswertung der Kaufpreissammlung, die<br />
Vorbereitung der Beschlüsse über Bodenrichtwerte,<br />
weitere für die Wertermittlung erforderliche Daten und<br />
den Grundstücksmarktbericht, die Vorbereitung der<br />
Verkehrswertgutachten, die Erteilung von Auskünften<br />
sowie die Abwicklung der Geschäftsvorfälle.<br />
Da auch hier die landesrechtlichen Gutachterausschussverordnungen<br />
greifen, sind die Geschäftsstellen<br />
bundesweit unterschiedlich organisiert. In <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong> sind sie zumeist dem Aufgabenbereich<br />
Vermessung, Kataster und Geoinformation der Gebietskörperschaften<br />
zugeordnet, in Ausnahmefällen<br />
auch anderen städtischen Dienstsstellen. Andere Bundesländer<br />
weisen sie der staatlichen Vermessungsverwaltung<br />
oder Dienststellen der Gebietskörperschaften<br />
zu. In Ausnahmefällen sind sie Stabsstellen oder eigene<br />
Ämter.<br />
Obwohl die Geschäftsstellen organisatorisch Dienststellen<br />
der öffentlichen Verwaltung angegliedert sind,<br />
unterstehen sie fachlich der ausschließlichen Weisung<br />
des Gutachterausschusses bzw. dessen vorsitzenden<br />
Mitglieds. Dies ist Folge und Manifest der Unabhängigkeit<br />
und Neutralität der Gutachterausschüsse.<br />
2.7 Obere Gutachterausschüsse<br />
Bereits bei den parlamentarischen Beratungen zum<br />
BBauG hatte der Bundesgesetzgeber die Einrichtung<br />
Oberer Gutachterausschüsse erwogen, jedoch nicht im<br />
Gesetz verankert. Es zeigte sich indes, dass der Gutachterausschuss<br />
im gerichtlichen Verfahren zumeist<br />
nur in erster Instanz mit der Gutachtenerstattung beauftragt<br />
wurde. Höhere Instanzen sahen ihn sodann als<br />
„verbraucht“ an und beauftragten private Sachverständige.<br />
Im Rahmen der BBauG-Novelle von 1976<br />
konnte dieser missliche Umstand abgestellt werden.<br />
Die Rechtsgrundlage findet sich heute in § 198 BauGB.<br />
Niedersachsen richtete als erstes Bundesland 1980<br />
Obere Gutachterausschüsse in den 4 Regierungsbezirken<br />
ein. Später wurden diese dann zu einem Oberen<br />
Gutachterausschuss zusammen gefasst. Nach Änderung<br />
der Gutachterausschussverordnung folgte <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
1981. Erst nach der Wiedervereinigung<br />
der beiden deutschen Staaten erfolgten Neugründungen<br />
in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. 2004 wurde<br />
der Obere Gutachterausschuss in Thüringen berufen.<br />
In Rheinland-Pfalz gibt es einen Oberen Gutachterausschuss<br />
seit 2005.<br />
2008 änderte das Erbschaftsteuerreformgesetz –<br />
gegen den teilweise erbitterten Widerstand süddeutscher<br />
Länder – u.a. § 198 BauGB. Danach sind nunmehr<br />
Obere Gutachterausschüsse oder Zentrale Geschäftsstellen<br />
zwingend einzurichten, wenn in dem<br />
Bereich einer oder mehrer höherer Verwaltungsbehörden<br />
(i.d.R. Regierungsbezirk) mehr als 2 örtliche Gutachterausschüsse<br />
vorhanden sind. Diese Voraussetzung<br />
ist in allen Flächenländern erfüllt. Im Vorfeld dieser<br />
Gesetzesänderung hat Hessen bereits 2007 eine<br />
Zentrale Geschäftsstelle eingerichtet. Das Saarland<br />
folgte vor Kurzem. Mecklenburg-Vorpommern wird<br />
voraussichtlich im Herbst 2011 einen Oberen Gutachterausschuss<br />
bestellen, seine Geschäftsstelle ist bereits<br />
eingerichtet. In den übrigen Bundesländern wird<br />
die Umsetzung der mittlerweile fast 3 Jahre alten ge-
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 15<br />
setzlichen Verpflichtung mehr oder weniger konkret<br />
angegangen bzw. geplant. Aus verfassungsrechtlichen<br />
Gründen sind teilweise zunächst Änderungen der Gutachterausschussverordnungen<br />
erforderlich.<br />
Die Mitglieder der Oberen Gutachterausschüsse werden<br />
entsprechend Landesrecht für die Dauer von 5<br />
Jahren von den zuständigen Ministerien oder den für<br />
Vermessung, Kataster und Geoinformation zuständigen<br />
Landesbehörden berufen.<br />
Obere Gutachterausschüsse haben nach § 198 Abs. 2<br />
BauGB insbesondere die Aufgaben,<br />
: auf Antrag eines Gerichts, in einigen Ländern auch<br />
auf Antrag einer Behörde, ein Obergutachten zu erstatten,<br />
wenn bereits das Gutachten eines örtlichen<br />
Gutachterausschusses vorliegt und<br />
: überregionale Auswertungen und Analysen des<br />
Grundstücksmarktgeschehens zu erstellen.<br />
Das Wort „insbesondere“ eröffnet den Landesverordnungsgebern<br />
die Möglichkeit, den Ausschüssen weitere<br />
Aufgaben zu übertragen. In einigen Ländern hat der<br />
Obere Gutachterausschuss bzw. die Zentrale Geschäftsstelle<br />
bereits die Befugnis, Standards für die<br />
örtlichen Gutachterausschüsse vorzugeben, um die oft<br />
hervorragende Produktqualität zu sichern bzw. zu<br />
verbessern. Auch in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> wird die derzeit<br />
in Überarbeitung befindliche Gutachterausschussverordnung<br />
entsprechende Regelungen enthalten.<br />
Die Geschäftsstellen der Oberen Gutachterausschüsse<br />
sind entweder bei einer <strong>Bezirksregierung</strong> (so in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>)<br />
oder bei der für Vermessung, Kataster<br />
und Geoinformation zuständigen Landesbehörde<br />
eingerichtet. Auch sie unterstehen der alleinigen fachlichen<br />
Weisungsbefugnis des Ausschusses bzw. dessen<br />
vorsitzenden Mitglieds.<br />
3 Arbeitsmethodik in der Aufbauphase<br />
3.1 Kaufpreissammlung<br />
Eine der wesentlichen Aufgaben der Gutachterausschüsse<br />
ist die Führung und Auswertung der Kaufpreissammlung.<br />
Soweit die Geschäftsstellen im Bereich<br />
der staatlichen oder kommunalen Vermessungs-<br />
und Katasterverwaltung angesiedelt waren, gab es<br />
schon zum Teil langjährige Erfahrung mit der Sammlung<br />
von Kaufpreisen zu steuerlichen Zwecken. Oft<br />
mussten die Arbeitsmethoden den neuen Erfordernissen<br />
angepasst werden, denn es galt nun nicht mehr ein<br />
flächendeckendes Steuerkataster neu anzulegen oder<br />
fortzuführen, sondern ausschließlich Kaufverträge<br />
auszuwerten, um hieraus Bodenrichtwerte und sonstige<br />
Marktdaten abzuleiten.<br />
Die ersten Registrierungen von Kaufpreisen muten<br />
heute archaisch an. In dicken Folianten wurden Kaufpreise<br />
mit häufig nur wenigen Informationen zum verkauften<br />
Objekt registriert (Abbildungen 2 bis 4). Auch<br />
die Auswertung dieser Informationen war alles andere<br />
als komfortabel. Mit Papier, Bleistift und Logarithmentafel,<br />
allenfalls unterstützt von einer mechanischen<br />
Brunsviga-Rechenmaschine galt es, die für die Markttransparenz<br />
erforderlichen Daten zu ermitteln. Gleichwohl<br />
können sich die Arbeitsergebnisse auch heute<br />
noch sehen lassen, auch wenn sie „nur“ manuell in<br />
Karten und Lichtpausen eingezeichnet oder als Grafik<br />
in mit der Schreibmaschine geschriebene Berichte<br />
gezeichnet wurden.<br />
Abb. 2: Kaufpreissammlung Essen (1904)<br />
Abb. 3: Kaufpreissammlung Essen (1928)<br />
Abb. 4: Kaufpreissammlung Essen (1961)
16 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Die in der Wertermittlung tätigen Kollegen (Kolleginnen<br />
waren seinerzeit die Ausnahme) entwickelten vor<br />
dem historischen Hintergrund der steuerlichen Kaufpreissammlung<br />
und Bewertung sowie der aktuellen<br />
Erfordernisse ihrer Zeit einen bisweilen phänomenalen<br />
Weitblick. Wie anders ist es zu erklären, dass bereits<br />
lange vor einer gesetzlichen Verpflichtung Vorläufer<br />
von Bodenrichtwertkarten existierten? Derartige Karten<br />
gibt es für <strong>Köln</strong> seit 1895 (vgl. Kap. 7)! Und auch<br />
andere Städte zogen lange vor Inkrafttreten des Baugesetzbuches<br />
und der förmlichen Aufgabe „Gutachterausschuss“<br />
nach. Wie anders ist zu erklären, dass<br />
kommunale Vertreter „reflektierte Stopppreise“ erfanden<br />
(vgl. Kap. 2.2).<br />
Ein wesentlicher Arbeitsschritt zur Markttransparenz<br />
besteht im Auswerten der Kaufverträge aufgrund der<br />
im Vertrag sowie sonstigen Unterlagen enthaltenen<br />
Informationen. Seit vielen Jahren werden hierzu die<br />
Erwerber der Immobilie um zusätzliche Informationen<br />
z.B. zur Ausstattung, zum baulichen Zustand und zur<br />
Ertragssituation gebeten. Auswerten bedeutet folglich<br />
das Nachvollziehen der Kaufpreisbildung: Warum wurde<br />
für diese Immobilie mit den vorhandenen qualitativen<br />
Merkmalen zu diesem Zeitpunkt dieser Preis vereinbart?<br />
Durch Auswerten eines Kaufvertrags entsteht<br />
damit ein Kurzgutachten über die verkaufte Immobilie,<br />
das im Unterschied zum Verkehrswertgutachten keine<br />
detaillierten Beschreibungen und Begründungen enthält.<br />
Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts<br />
revolutionierte die Kaufpreiskartei zum Beispiel in<br />
Essen die Auswertung der Kaufpreissammlung. Zwar<br />
wurde bis zur Einführung der digitalen Kaufpreissammlungen<br />
der Eingang der Kaufverträge chronologisch in<br />
Kaufpreislisten dokumentiert. Doch die Auswertungsergebnisse<br />
wurden auf Karteikarten niedergelegt, die<br />
an den Seiten mit diversen Randlöchern versehen und<br />
damit nach bestimmten Merkmalen ausgewertet werden<br />
konnten (Abbildung 5). Gehörte beispielsweise das<br />
ursprüngliche Gebäudebaujahr in die Gruppe „vor<br />
1919“, wurde an entsprechender Stelle die randseitige<br />
Begrenzung der Karte mit Hilfe einer Kerbzange zerstört<br />
(Langloch). Bei allen anderen Baujahrsgruppen<br />
blieb die Seite unversehrt. Steckte man nun eine Auswertenadel<br />
an die mit „vor 1919“ gekennzeichnete<br />
Stelle durch einen Stapel von Randlochkarten, so fielen<br />
die Karten heraus, die an dieser Stelle gelocht waren<br />
und folglich der entsprechenden Baujahrsgruppe zugeordnet<br />
waren. Auf gleiche Weise konnten diese heraus<br />
gefilterten Karteikarten nach weiteren Kriterien<br />
ausgewertet werden. Die mathematische Auswertung<br />
erfolgte weiterhin durch Abschreiben und manuelle<br />
Weiterverarbeitung der relevanten Informationen der<br />
mechanisch ausgewählten Karteikarten. Erst Mitte der<br />
1980er Jahre begann die Einführung digitaler Kaufpreissammlungen<br />
(vgl. Kap. 5.1).<br />
Abb. 5: Randlochkarte (Kaufpreissammlung Essen)<br />
In der Kaufpreiskarte auf der Basis der Katasterkarte<br />
wurden – wie schon früher bei der steuerlichen Kaufpreissammlung<br />
– die Kaufpreise in ihrem lokalen Kontext<br />
dargestellt. Dadurch konnte sich der Gutachterausschuss<br />
bei Auswertung und Bewertung einen visuellen<br />
Eindruck von den örtlichen Verhältnissen auf dem<br />
Markt verschaffen. Solche analogen Kaufpreiskarten<br />
waren teilweise noch nach der Jahrtausendwende in<br />
Gebrauch, bis sie durch digitale, in der Regel unmittelbar<br />
aus der Kaufpreissammlung gespeiste Karten abgelöst<br />
wurden.<br />
Abb. 6: Analoge Kaufpreiskarte Essen<br />
3.2 Gutachten<br />
In den großen Städten wurden für kommunale Belange<br />
zum Teil seit Ende des 19. Jahrhunderts für unterschiedliche<br />
Aufgabenstellungen Gutachten erstellt. Mit<br />
der Einführung des BBauG waren die Gutachterausschüsse<br />
(und auch die kommunalen Bewertungsstellen)<br />
dem Verkehrswertbegriff verpflichtet. Für die Gutachtenerstellung<br />
wurden umfangreichere Recherchen<br />
erforderlich. Zumeist wurden Gutachten mit Hilfe von<br />
Kurzformularen erstellt. Mit der Zeit wurden sie entsprechend<br />
den Anforderungen der Kunden, der Recht-
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 17<br />
sprechung und dem sich weiter entwickelnden Stand<br />
der Technik folgend immer umfangreicher; auch mussten<br />
die Wertansätze pp. begründet werden (der Sachverständige<br />
befand und befindet sich heute glücklicherweise<br />
nicht mehr in dem oben erwähnten biblischen<br />
Status). Heute verwenden viele Sachverständige<br />
konfektionierte Wertermittlungsprogramme, die ja<br />
letztlich nichts anderes als komfortable Formulare mit<br />
vorgefertigten und damit leider unreflektiert verwendbaren<br />
Begründungen sind. Viele Gutachterausschüsse,<br />
so auch die Ausschüsse in Hagen und Essen, arbeiten<br />
zwar EDV-unterstützt, verwenden jedoch stets individuell<br />
begründete Gutachtentexte.<br />
3.3 Arbeitsgemeinschaft<br />
Theorie und Praxis der Gutachterausschüsse steckten<br />
in diesen ersten Jahren in den Kinderschuhen. Abstimmung<br />
mit den Nachbarn tat not. So berief der<br />
damalige Vorsitzende des Essener Gutachterausschusses,<br />
Martin Tiemann, für den 12. Januar 1968 die<br />
konstituierende Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft der<br />
Vorsitzenden der Gutachterausschüsse im Bereich<br />
Rhein-Ruhr“ ein. 30 Vorsitzende und Leiter der Geschäftsstellen<br />
folgten diesem Ruf. Seit 1976 gehören<br />
der Arbeitsgemeinschaft die vorsitzenden Mitglieder<br />
aller nordrhein-westfälischen Gutachterausschüsse<br />
und später auch des Oberen Gutachterausschusses<br />
an. Der sperrige Name der Gemeinschaft wurde zunächst<br />
durch das Kürzel ArGeVGA, ab 1993 durch die<br />
Abkürzung AGVGA.NRW repräsentiert. Es zeugt von<br />
der Weitsicht der damaligen Mitglieder der Gemeinschaft,<br />
frühzeitig die <strong>Bezirksregierung</strong>en und das Innenministerium<br />
als Aufsichtsbehörden und später<br />
sogar einen Vertreter des zuständigen Bundesministeriums<br />
in die Arbeit eingebunden zu haben.<br />
Die Arbeitsgemeinschaft hat das Ziel,<br />
: Lösungen für aktuelle fachliche Probleme und Fragestellungen<br />
zu erarbeiten und zu koordinieren<br />
: den Gedankenaustausch und die Zusammenarbeit<br />
der Gutachterausschüsse im Sinne eines kundenorientierten<br />
Handelns zu fördern und<br />
: die Standardisierung der Marktberichterstattung<br />
und der Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen<br />
Daten voranzutreiben.<br />
Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft sind in die fachliche<br />
Beratung des Landesgesetzgebers eingebunden.<br />
Aus rechtlichen und steuerlichen Gründen wurde 2003<br />
die AGVGA.NRW e.V. als eingetragener Trägerverein<br />
gegründet.<br />
4 Wie haben sich die Aufgaben der Gutachterausschüsse<br />
in 50 Jahren verändert!<br />
Wie aus den Kapiteln 2 und 3 ersichtlich stand bei der<br />
Gründung der Gutachterausschüsse die Erstellung von<br />
Gutachten über unbebaute und bebaute Grundstücke<br />
(ausgenommen land- oder forstwirtschaftlich genutzte<br />
Grundstücke) im Mittelpunkt der Aufgaben. Selbst<br />
Kaufinteressenten konnten Gutachten beantragen.<br />
Zusätzlich war zur Schaffung von Markttransparenz<br />
die Ermittlung von Richtwerten (heute Bodenrichtwerte)<br />
auf der Grundlage von Kaufpreisen eine vorgeschriebene<br />
Aufgabe. Diese Aufgabenstellungen – unabhängige<br />
Gutachtenerstellung und Ermittlung und<br />
Veröffentlichung von Daten, die dazu beitragen, dass<br />
der Grundstücksmarkt transparent für jedermann wird<br />
– ist vom Grundsatz her bis heute geblieben. Durch<br />
zahlreiche Änderungen in den gesetzlichen Bestimmungen<br />
sind diese Ziele und Aufgaben jedoch präzisiert<br />
und verfeinert worden.<br />
Im Anhang werden die rechtlichen Änderungen für die<br />
Arbeit der Gutachterausschüsse aufgeführt und stichwortartig<br />
skizziert. Es handelt sich dabei in erster Linie<br />
um die Bundesgesetzgebung (Bundesbaugesetz, später<br />
Baugesetzbuch und die Ermächtigung der Bundesregierung<br />
zum Erlass einer Verordnung über die Anwendung<br />
gleicher Grundsätze (Wertermittlungsverordnung,<br />
später Immobilienwertermittlungsverordnung).<br />
Weiterhin hat bereits das Baugesetzbuch den<br />
Ländern durch Ermächtigung das Recht eingeräumt,<br />
organisatorische Regelungen festzulegen und den<br />
Gutachterausschüssen weitere Aufgaben zu übertragen.<br />
Das geschah durch Verordnungen zum Bundesbaugesetz,<br />
später in einigen Ländern Gutachterausschussverordnungen<br />
genannt. Die angegebenen Landesvorschriften<br />
beziehen sich auf <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong>. Sie sind mit (NRW) gekennzeichnet.<br />
Die Bundesregierung hat zusätzlich für die Anwendung<br />
in Bundesbehörden Richtlinien mit detaillierten Ausführungshinweisen<br />
zur Bearbeitung von Wertermittlungsaufgaben<br />
erlassen. Diese Wertermittlungsrichtlinien<br />
(WertR) sind für die Gutachterausschüsse nicht<br />
verbindlich, haben sich aber, da sie den Stand der<br />
Wertermittlungstechnik wiedergeben, weitgehend in<br />
der amtlichen Wertermittlung durchgesetzt. Auch die<br />
Rechtsprechung misst die Qualität von Gutachten<br />
häufig an diesen Richtlinien. Die erste WertR nach<br />
Inkrafttreten des BBauG wurde 1966 herausgegeben.<br />
Durch die Fortentwicklung der Technik, der Rechtsprechung<br />
und der Verfahren sind laufend Anpassungen<br />
erfolgt. Bekannt sind die WertR 76, die WertR 91, die<br />
WertR 2002 und die WertR 2006. Auf die Inhalte der<br />
WertR in den letzten 50 Jahren soll hier nicht näher<br />
eingegangen werden. Es sei jedoch darauf hingewie-
18 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
sen, dass das zuständige Ministerium (heute BMVBS)<br />
nach dem Erlass der ImmoWertV beabsichtigt, die<br />
WertR durch mehrere Richtlinien zu einzelnen Bausteinen<br />
der amtlichen Wertermittlung zu ersetzen. Für<br />
2011 ist die unter Mitwirkung der Länder und der kommunalen<br />
Spitzenverbände erarbeitete „Sachwert-<br />
Richtlinie“ angekündigt.<br />
5 Neue Techniken verändern die Arbeitsmethodik<br />
5.1 Datenhaltung<br />
Wie unter 2. beschrieben mussten die neu gebildeten<br />
Gutachterausschüsse Arbeitsmethoden für die ihnen<br />
übertragenen Aufgaben erst entwickeln. Für die<br />
Sammlung und Auswertung von Kaufpreisen gab es<br />
zunächst keine Vorschriften. Die technische Anleitung<br />
für die Sammlung von Grundstückskaufpreisen wurde<br />
in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> am 01.08.1963 erlassen.<br />
Abb. 7: Erfassungsmaske für die digitale Kaufpreissammlung Hagen<br />
Die Festlegung des Datenkataloges bedeutete aber<br />
nicht, dass alle Gutachterausschüsse sofort Kaufpreisdateien<br />
einrichten konnten. Die Einführung der automatisierten<br />
Kaufpreissammlung war ein längerer Pro-<br />
Nachdem in den ersten Jahren Arbeitsabläufe mit den<br />
vorhandenen Organisationsmitteln entwickelt worden<br />
waren, wurde schnell deutlich, dass insbesondere die<br />
Aufgabe „Verwaltung und Auswertung der Kaufpreissammlung“<br />
nur automationsgestützt sachgerecht<br />
erledigt werden kann (vgl. Kap. 3.1).<br />
Bereits seit 1976 beschäftigte sich die Arbeitsgemeinschaft<br />
der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse in<br />
NRW (AGVGA.NRW) mit der Entwicklung eines einheitlichen<br />
Datenkatalogs für <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>. 1979<br />
wurde der Datenkatalog, der aus ca. 170 eindeutig<br />
beschriebenen Datenfeldern bestand, verabschiedet<br />
und den Gutachterausschüssen zur Anwendung empfohlen.<br />
Für jedes Datenfeld waren auch eindeutige<br />
numerische Verschlüsselungen für die vorgesehenen<br />
Dateninhalte hinterlegt. Die Daten wurden in der Regel<br />
in Großrechnern gespeichert, Selektionen erfolgten<br />
nach starren, vordefinierten Mustern.<br />
zess. In Hagen und Essen wurden 1987 nahezu zeitgleich<br />
automatisierte Kaufpreissammlungen eingeführt.<br />
In diesem Jahr hatten 29 von seinerzeit 82 Gutachterausschüssen<br />
eine automatisierte Kaufpreis-
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 19<br />
sammlung eingerichtet, 1993 führten nur noch 12 Ausschüsse<br />
eine analoge Kaufpreisdatei und 1996 waren<br />
digitale Kaufpreisdateien nahezu flächendeckend in<br />
NRW vorhanden.<br />
Auswerteprogramme und Datenhaltung wurden ständig<br />
dem Stand der Technik angepasst. Starre Großrechnerlösungen<br />
gehören mittlerweile der Vergangenheit<br />
an.<br />
Trotz der einheitlichen Datenbeschreibung (Richtlinien<br />
bestanden allerdings nicht) haben sich unterschiedliche<br />
Formen der Datenbestände und der Datenhaltung<br />
herausgebildet. Für die Erarbeitung von neuen Richtlinien<br />
zur Kaufpreissammlung richtete das Innenministerium<br />
1994 eine Arbeitsgruppe „Digitale Kaufpreissammlung“<br />
ein. Die Arbeitsgruppe erstellte auf der<br />
Grundlage des Kataloges von 1979 einen Maximal- und<br />
einen Minimaldatenkatalog. Der daraufhin in den<br />
Kaufpreissammlungs-Richtlinien 1999 formulierte<br />
zulässige Inhalt der Kaufpreissammlung geht vom<br />
Maximalkatalog aus. Dieser zulässige Inhalt ist 2004 in<br />
die GAVO NRW übernommen worden (vgl. Anlage 4<br />
Nummer 16).<br />
Zur vollständigen Vereinheitlichung führte die Festlegung<br />
des zulässigen Inhalts der Kaufpreissammlung in<br />
NRW aber immer noch nicht. Bei einer Untersuchung in<br />
2010 wurde festgestellt, dass sowohl die Datenstruktur<br />
als auch die Datenhaltung in den Gutachterausschüssen<br />
nach den örtlichen Gegebenheiten erfolgte.<br />
Gleichwohl wurde erreicht, dass ca. 90% der erforderlichen<br />
Daten nach gleichen Grundsätzen erhoben wurden.<br />
Die mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz eingeführten<br />
Änderungen, insbesondere die Nutzbarmachung<br />
der Daten der Gutachterausschüsse für die<br />
steuerliche Bewertung, erfordern jedoch eine noch<br />
größere Einheitlichkeit des Datenbestandes. Das für<br />
die Wertermittlung in NRW zuständige Ministerium für<br />
Inneres und Kommunales erwägt daher mit der Novellierung<br />
der GAVO NRW 2011 eine zentrale Kaufpreisdatei<br />
für NRW beim Oberen Gutachterausschuss NRW<br />
einzurichten.<br />
5.2 Datenauswertung<br />
Bereits bei der Einrichtung der Gutachterausschüsse<br />
durch das BauGB von 1960 lag der Gedanke zugrunde,<br />
dass Wertermittlung von unbebauten und bebauten<br />
Grundstücken auf der empirischen Auswertung tatsächlich<br />
ausgehandelter Kaufpreise beruhen sollte.<br />
Dies war das Heraushebungsmerkmal der Gutachterausschüsse.<br />
Und so ist es nicht verwunderlich, dass<br />
bereits kurze Zeit nach der Einrichtung der Gutachterausschüsse<br />
Verfahrenstechniken gesucht und entwickelt<br />
wurden, die in dem Kaufpreismaterial vorhandenen<br />
Gesetzmäßigkeiten herauszufiltern. Mit dem Fort-<br />
schreiten der EDV lag es nahe, für diese Problemstellung<br />
mathematisch-statistische Verfahren einzusetzen.<br />
Etwa zeitgleich mit den Überlegungen, die Kaufpreise<br />
automatisiert zu verwalten, wurden ab 1976 vom Geodätischen<br />
Institut der damaligen Technischen Universität<br />
Hannover Kontaktstudien mit dem Titel „Mathematische<br />
Statistik bei der Ermittlung von Grundstückswerten“<br />
angeboten. In der Folgezeit entwickelten sich<br />
zahlreiche Untersuchungen und Vorschläge, wertrelevante<br />
Marktinformationen aus dem Kaufpreismaterial<br />
herauszulesen, Modelle zu entwickeln und Kenngrößen<br />
abzuleiten, die es ermöglichen, mit den vorgeschriebenen<br />
Wertermittlungsverfahren marktkonforme Verkehrswerte<br />
zu ermitteln.<br />
1975 veröffentlichte Möckel ein Verfahren zur empirischen<br />
Ableitung von Liegenschaftszinssätzen aus<br />
Kaufpreisen. Bereits 1977 wird die Ableitung von Liegenschaftszinsen<br />
durch das BauGB 76 verpflichtend<br />
eingeführt. 1978 bezeichnete Sprengnetter den Liegenschaftszinssatz<br />
als Marktanpassungsfaktor des<br />
Ertragswertverfahrens.<br />
In demselben Zeitraum entwickelte sich auch das Verständnis<br />
für eine Marktanpassung im Sachwertverfahren.<br />
Bereits 1973 wies Sprengnetter „ auf das generelle<br />
Erfordernis von Marktanpassungen auf der Grundlage<br />
von Nachbewertungen verkaufter Vergleichsobjekte in<br />
sämtlichen Methoden zur Ermittlung des Verkehrswertes“<br />
hin. Sprengnetter formulierte dann 1978: „Würde<br />
der 2. Teil der WertV 2 (Erforderliche Daten) heute neu<br />
konzipiert, so müsste die Herleitung des Marktanpassungsfaktors<br />
für das Sachwertverfahren zwingend mit<br />
aufgenommen bzw. vorgeschrieben werden“. Tatsächlich<br />
wurde die Verpflichtung zur Herleitung von Marktanpassungsfaktoren<br />
für das Sachwertverfahren (neue<br />
Bezeichnung: Sachwertfaktoren) erst mit der Immo-<br />
WertV vom 19.05.2010 eingeführt. Gleichwohl haben<br />
viele Gutachterausschüsse bereits in früheren Jahren<br />
Marktanpassungsfaktoren abgeleitet.<br />
Dies sind nur wenige Beispiele für die zahlreichen Untersuchungen<br />
des Kaufpreismaterials mit Clusteranalysen,<br />
mit Regressions-, Varianz- und Kovarianzanalysen<br />
und sonstigen Methoden.<br />
5.3 Datenbereitstellung<br />
Die fortschreitende Technik der automatisierten Datenverarbeitung<br />
ermöglichte den Gutachterausschüssen<br />
auch, ihre Ergebnisse aus Grundlagenuntersuchungen<br />
und ihre weiteren Produkte insbesondere<br />
2 gemeint ist die WertV 72
20 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Bodenrichtwerte zeitnah Bürgern, Sachverständigen,<br />
Banken und Behörden zur Verfügung zu stellen.<br />
Mit der GAVO NRW 1990 wurden die Gutachterausschüsse<br />
verpflichtet, Feststellungen über den Grundstücksmarkt<br />
zusammenzufassen und zu veröffentlichen,<br />
also Grundstücksmarktberichte herauszugeben.<br />
In Hagen gab der Gutachterausschuss den ersten<br />
Abb. 8: Beispiel einer mathematisch-statistischen Auswertung (Regression) aus Hagen<br />
Wenn anfangs die Gutachterausschüsse weitgehend<br />
lokal Daten und Auskünfte abgaben, eröffneten sich<br />
mit der Einführung des Internet neue Perspektiven.<br />
Frühzeitig erkannten die nordrhein-westfälischen Gutachterausschüsse,<br />
dass sie nach außen als Einheit<br />
auftreten müssen und ihre Produkte den Kunden landesweit<br />
zugänglich machen sollten. Daraus entwickelte<br />
sich die Initiative, ein gemeinsames Internetportal der<br />
nordrhein-westfälischen Gutachterausschüsse zu<br />
schaffen und Bodenrichtwerte dort kostenlos bereitzustellen.<br />
Unter der Federführung der AGVGA.NRW wurde<br />
mit dem Projekt 1998 begonnen. Zunächst wurde<br />
lediglich eine Integration vorhandener Internetauftritte<br />
der Gutachterausschüsse über eine gemeinsame Adresse<br />
und Navigation realisiert. In Phase 2 erfolgte<br />
dann mit Mitteln des Landes NRW die Weiterentwicklung<br />
zu einer GIS-basierten Lösung. Auch die Grundstücksmarktberichte<br />
konnten per Download abgerufen<br />
Grundstücksmarktbericht 1983 heraus. Der erste<br />
Marktbericht in Essen erschien bereits 1965 für den<br />
Zeitraum 1955 – 1965. Danach orientierte sich die<br />
Herausgabe an der Zahl der Sitzungen des Gutachterausschusses<br />
(500. Sitzung 1968, 1000. Sitzung 1974);<br />
ab 1983 erscheinen jährlich Grundstücksmarktberichte.<br />
werden. 2003 nahmen nahezu alle Gutachterausschüsse<br />
an dem Projekt teil und lieferten Bodenrichtwerte<br />
für die Online-Auskunft. Durch die GAVO NRW<br />
2004 wurde das auf Grund der Eigeninitiative der Gutachterausschüsse<br />
entstandene Bodenrichtwertinformationssystem<br />
BORIS.NRW (www.boris.nrw.de) rechtlich<br />
gesichert.<br />
Inzwischen ist das System zu einem umfassenden<br />
Informationssystem zum Immobilienmarkt weiterentwickelt<br />
worden (Änderung GAVO NRW 2008). Neben<br />
Bodenrichtwerten und Grundstücksmarktberichten<br />
können auch Immobilienrichtwerte, allgemeine Preisauskünfte<br />
und web-basierte Bodenrichtwertdienste<br />
genutzt werden. Zukünftig sollen sämtliche Daten und<br />
Produkte der amtlichen Grundstückswertermittlung in<br />
NRW vorrangig über das Informationssystem zum<br />
Immobilienmarkt BORISplus.NRW bereitgestellt werden.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 21<br />
Ähnliche Entwicklungen wie in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
fanden auch in anderen Ländern statt. Seit 2003 arbeitete<br />
eine von der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen<br />
der Länder der Bundesrepublik<br />
Deutschland (AdV) eingerichtete Projektgruppe „Vernetztes<br />
Bodenrichtwertinformationssystem (VBORIS)“<br />
mit dem Ziel, eine bundesweite Lösung zur Bereitstellung<br />
von amtlichen Wertermittlungsinformationen der<br />
Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in den<br />
Ländern der Bundesrepublik Deutschland im Internet<br />
zu konzipieren. Mit ihrem Abschlussbericht legte die<br />
Projektgruppe 2005 eine Modellbeschreibung als Empfehlung<br />
vor.<br />
Mittlerweile bietet die überwiegende Zahl der Gutachterausschüsse<br />
Online-Auskünfte im Internet an.<br />
Abb. 9: Startbildschirm des Amtlichen-Immobilienmarkt-Informationssystems <strong>Nordrhein</strong> <strong>Westfalen</strong> (BORISplus.NRW)<br />
6 Was ist erreicht und was bringt die Zukunft?<br />
Heute sind die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte<br />
trotz noch vorhandener, jedoch erkannter Mängel<br />
aus der deutschen Wertermittlungswelt nicht mehr<br />
weg zu denken. Verschiedentliche Angriffe aus Politik<br />
und Wirtschaft auf ihre Existenz konnten erfolgreich<br />
abgewehrt werden. Dass diese weltweit einzigartige<br />
Institution zu Recht besteht, haben nicht zuletzt die<br />
Immobilienblasen der vergangenen Jahre gezeigt.<br />
Großbritannien, USA, Irland verfügen beispielsweise<br />
über private Marktbeobachtungssysteme und besitzen<br />
nach Wertung des Immobilienunternehmens Jones<br />
Lang LaSalle im „Global Real Estate Transparency<br />
Index 2010“ einen deutlich transparenteren Immobilienmarkt<br />
(Ränge 3, 6,7, Deutschland 10). Dort platzten<br />
jedoch Immobilienblasen, der Wellenschlag war weltweit<br />
spürbar. In Deutschland hingegen hielten sich die<br />
Auswirkungen in Grenzen. Und das ist nicht zuletzt auf<br />
die unparteiischen Gutachterausschüsse zurück zu<br />
führen, die mit ihrer Tätigkeit keinerlei Eigeninteresse<br />
oder wirtschaftliche Ziele verfolgen, sondern für eine<br />
objektive Transparenz sorgen.<br />
In vielen Bereichen sind Bodenrichtwerte und Grundstücksmarktberichte<br />
der Gutachterausschüsse mittlerweile<br />
überwiegend kostenfrei rund um die Uhr im<br />
Internet verfügbar. Die Website boris.nrw.de zählt zu<br />
den Seiten des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> mit den<br />
höchsten Zugriffszahlen. Berlin hat bereits eine Online-<br />
Auskunft aus der Kaufpreissammlung realisiert. Die<br />
Gutachten der örtlichen und der Oberen Gutachterausschüsse<br />
werden wegen ihrer Fachlichkeit und sorg-
22 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
fältigen Recherche hoch geschätzt. Auch als neutrale<br />
Berater der Gebietskörperschaften sind die Ausschüsse<br />
mittlerweile in weiten Bereichen willkommen und<br />
begehrt. So haben sie auch umfangreiche Hilfestellung<br />
bei der Aufstellung der Bilanzen für die Immobilienwerte<br />
der NRW-Gemeinden nach dem „Neuen Kommunalen<br />
Finanzmanagement“ (NKF) geleistet. Ebenso greift<br />
die Finanzverwaltung seit langem auf die Erfahrung<br />
und auf die Marktdaten der Gutachterausschüsse zu.<br />
Das Erbschaftsteuerreformgesetz 2008 hat das<br />
BauGB durch die Verpflichtung zur Ableitung zonaler<br />
Bodenrichtwerte nachhaltig verändert. Gleichzeitig<br />
wurde die Finanzverwaltung verpflichtet, bei der steuerlichen<br />
Grundbesitzbewertung in erster Linie auf die<br />
Grundlagedaten der Gutachterausschüsse (Bodenrichtwerte,<br />
Liegenschaftszinssätze, Sachwertfaktoren,<br />
Vergleichsfaktoren pp.) zurückzugreifen. Dass die<br />
Abstimmung der rechtlichen Grundlagen, insbesondere<br />
zwischen BauGB und dem steuerlichen Bewertungsgesetz<br />
noch verbesserungsbedürftig ist, zeigt ein<br />
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.8.2010 - II R<br />
42/09: Vereinfacht ausgedrückt lautet der Tenor: Wo<br />
kein Bodenrichtwert, da keine Besteuerung des Bodenwerts<br />
einer Immobilie. Aus bewertungsfachlicher<br />
Sicht sollte jedoch nicht der Bodenrichtwert, sondern<br />
ein qualifiziert ermittelter Bodenwert Besteuerungsgrundlage<br />
sein (vgl. hierzu auch Krause [2011] und<br />
Mattiseck/Schaar [2011]).<br />
Einen weiteren wesentlichen Beitrag zur Markttransparenz<br />
und auch als steuerliche Bewertungsgrundlage<br />
werden die Immobilienrichtwerte leisten, die sich in<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> im Aufbau befinden. Hier handelt<br />
es sich um Richtwerte für bebaute Immobilien, die<br />
mittels statistisch ermittelter Korrekturfaktoren an die<br />
speziellen wertrelevanten Eigenschaften der zu bewertenden<br />
Immobilie angepasst werden können.<br />
Eine weitere verantwortungsvolle Aufgabe könnte auf<br />
die Gutachterausschüsse zu kommen, wenn künftig<br />
auch die Grundsteuer auf deren Daten basiert. Derzeit<br />
erfolgen unter Federführung der nordrheinwestfälischen<br />
Finanzverwaltung Verprobungen verschiedener,<br />
zum Teil seit Jahren diskutierter Modelle.<br />
Insbesondere die norddeutschen Länder favorisieren<br />
ein Modell, bei dem die Gutachterausschüsse künftig<br />
die Besteuerungsgrundlagen liefern sollen.<br />
Wenn auch die von den Gutachterausschüssen ermittelten<br />
Marktdaten zunehmend Basis für steuerliche<br />
Bewertungen werden, so darf doch ihre ursprüngliche,<br />
heute immer noch und in Zukunft erst recht aktuelle<br />
Aufgabe nicht in Vergessenheit geraten: Gutachterausschüsse<br />
schaffen Markttransparenz für Immobilientransaktionen.<br />
Dazu führen sie die Kaufpreissammlung,<br />
ermitteln Bodenrichtwerte und die für die Wertermittlung<br />
erforderlichen Daten, geben Marktberichte<br />
heraus und erstatten Verkehrswertgutachten. Sie als<br />
bloße Datenlieferanten und Erfüllungsgehilfen für<br />
steuerliche Bewertungen zu sehen, wie dies der Vorsitzende<br />
eines Steuerberatungsverbands vor Kurzem<br />
allen Ernstes schriftlich äußerte, geht an der tatsächlichen<br />
Aufgabe weit vorbei. Gutachterausschüsse verstehen<br />
sich als neutrale, kompetente Dienstleister für<br />
alle, die qualifizierte Wertermittlungsdaten nutzen<br />
wollen. Die Finanzverwaltung und die steuerberatenden<br />
Berufe sind hierzu ebenso eingeladen.<br />
Zur Bedeutung und künftigen Entwicklung der amtlichen<br />
Wertermittlung und damit auch der Gutachterausschüsse<br />
erarbeitet der Deutsche Städtetag derzeit<br />
ein Dokument, in dem die wichtigsten Positionen in<br />
Form von 5 ausführlich erläuterten Thesen zusammen<br />
gefasst sind. Nach Beschluss durch das Präsidium soll<br />
das Dokument im Herbst 2011 veröffentlicht werden.<br />
These 1:<br />
Für Transparenz auf dem Immobilienmarkt ist die Arbeit<br />
der Gutachterausschüsse unabdingbar. Andere<br />
Institutionen haben hierzu Informationen bereitzustellen.<br />
Eine überregionale Zusammenarbeit ist sicherzustellen.<br />
These 2:<br />
Die Arbeitsfähigkeit und fachliche Kompetenz der Geschäftsstellen<br />
ist dauerhaft sicherzustellen. Die Organisation<br />
der Geschäftsstellen als Teil der öffentlichen<br />
Verwaltung mit fachlicher Bindung allein zum Gutachterausschuss<br />
bedarf keiner Änderung.<br />
These 3:<br />
Die volkswirtschaftliche und steuerliche Bedeutung der<br />
Kaufpreissammlung liegt in der aktiven Nutzung ihres<br />
komplexen Informationsgehalts.<br />
These 4:<br />
Über das bestehende Wertermittlungsrecht hinaus<br />
sind weitere bundesweite Harmonisierungen erforderlich.<br />
These 5:<br />
Die kundenorientierte und professionelle Präsenz der<br />
Gutachterausschüsse im „world.wide.web“ liegt aufgrund<br />
der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Boden-<br />
und Immobilienmarktes im öffentlichen und damit<br />
auch im politischen Interesse. Bereits vorhandene<br />
Angebote via Internet sind sowohl auf der Ebene der<br />
Zuständigkeitsbereiche der Gutacherausschüsse als<br />
auch auf Landes- und Bundesebene weiter auszubauen.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 23<br />
Gutachterausschüsse haben heute längst nicht mehr<br />
nur lokale Bedeutung. Seit der Einführung der Oberen<br />
Gutachterausschüsse werden ihre Marktanalysen auf<br />
Landesebene aggregiert. 2009 erschien der erste Immobilienmarktbericht<br />
Deutschland mit einer bundesweiten<br />
Analyse. Mittlerweile ist der zweite Bericht in<br />
Vorbereitung. Im Vorwort zum ersten bundesweiten<br />
Immobilienmarktbericht sagt Bundesminister Dr. Peter<br />
Ramsauer: „Eine hohe Markttransparenz ist dabei ein<br />
wesentlicher Standortfaktor für Investitionen, was<br />
einer in den letzten Jahren gestiegenen Bedeutung<br />
Deutschlands als Zielmarkt sowohl für nationale als<br />
auch internationale Investoren Rechnung trägt. Globalisierung<br />
und Investitionsbereitschaft sind nicht an<br />
Landesgrenzen gebunden, vielmehr sind Grenzen oft<br />
durch mangelnde Markttransparenz definiert. Immobilienmarktdaten<br />
müssen deutschlandweite Standortvergleiche<br />
ermöglichen.“<br />
7 Beispiele für die Preisentwicklung von Immobilien<br />
in 50 Jahren<br />
Zwei Beispiele sollen die Entwicklung der Immobilienpreise<br />
in den letzten 100 Jahren bzw. seit Bestehen der<br />
Gutachterausschüsse aufzeigen.<br />
In <strong>Köln</strong> wurden seit 1895 Werte dokumentiert. Der<br />
Ausschnitt aus dem Innenstadtbereich zeigt die Wertentwicklung<br />
bis in die Gegenwart (Abbildungen 10-15).<br />
Abb. 10: <strong>Köln</strong> 1895<br />
Abb. 11: <strong>Köln</strong> 1900<br />
Abb. 12: <strong>Köln</strong> 1929
24 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Abb. 13: <strong>Köln</strong> 1936<br />
Abb. 15: <strong>Köln</strong> 2011<br />
Abb. 14: <strong>Köln</strong> 1963<br />
Die Preisentwicklung unbebauter Baugrundstücke für<br />
individuelle Bauweise (1- und 2-<br />
Familienhausgrundstücke) wird in Essen seit 1955<br />
untersucht. Abbildung 13 zeigt die – inflationsunbereinigte<br />
– Preisentwicklung. Heute beträgt der mittlere<br />
Bodenrichtwert für diese Baulandkategorie rd. 260<br />
Euro. Hagen führt eine Bodenpreisindexreihe seit 1963.<br />
450,0<br />
400,0<br />
350,0<br />
300,0<br />
250,0<br />
200,0<br />
150,0<br />
100,0<br />
50,0<br />
0,0<br />
1955<br />
Bodenpreisindexreihe Individuelle Bauweise<br />
1960<br />
1965<br />
1970<br />
1975<br />
1976 = 100<br />
Abb. 16: Preisentwicklung unbebauter Baugrundstücke in Essen<br />
1980<br />
1985<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
2005<br />
2010
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 25<br />
Literaturangaben und Bildnachweis<br />
Arbeitskreis der Gutachterausschüsse und der Oberen<br />
Gutachterausschüsse in der Bundesrepublik Deutschland<br />
(Hrsg.), 2010<br />
Immobilienmarktbericht Deutschland 2009.<br />
www.immobilienmarktbericht-deutschland.info<br />
Dautert, Ernst e.a., 2005<br />
Abschlussbericht zum Betrieb eines vernetzten Bodenrichtwertinformationssystems<br />
(VBORIS) der Gutachterausschüsse<br />
für Grundstückswerte der Länder der<br />
Bundesrepublik Deutschland. Unveröffentlicht.<br />
Decker, Achim, 2003<br />
Preisbildung und Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt<br />
vor und nach der Verordnung über das Verbot<br />
von Preiserhöhungen (Preisstoppverordnung) vom<br />
26. November 1936. Abschnittsarbeit im Rahmen der<br />
Ausbildung der höheren vermessungstechnischen<br />
Verwaltungsbeamten bei der Stadt Essen, Unveröffentlicht.<br />
Deutscher Städtetag, 2011<br />
Zukunft der amtlichen Wertermittlung. Thesenpapier.<br />
Veröffentlichung in Vorbereitung.<br />
Dietrich, Thekla; Höhn, Rainer, 1998<br />
Automatisierung von Führung und Auswertung der<br />
Kaufpreissammlung. Nachrichten aus dem öffentlichen<br />
Vermessungswesen <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>. Innenministerium<br />
NRW, Düsseldorf, S. 61 ff.<br />
Höhn, Rainer, 1977<br />
Auswirkungen der BBauG-Novelle auf die Arbeiten der<br />
Gutachterausschüsse für Grundstückswerte. Vermessungswesen<br />
und Raumordnung, S. 308 ff.<br />
Höhn, Rainer, 2007<br />
25 Jahre Oberer Gutachterausschuss <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong>. Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungswesen<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>. Innenministerium<br />
NRW, Düsseldorf, S. 5 ff.<br />
Höhn, Rainer; Kösters, Susanne; Schaar, Hans-<br />
Wolfgang; Schmeck, Joachim, 2010<br />
Wandel in der behördlichen Wertermittlung – die Gutachterausschüsse<br />
in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> stellen sich.<br />
Zeitschrift für Vermessungswesen (ZfV), S. 280 ff.<br />
Höhn, Rainer; Schaar, Hans-Wolfgang 2007<br />
Standards im behördlichen Gutachterausschusswesen<br />
– Notwendigkeit oder Bürokratismus. Nachrichten aus<br />
dem öffentlichen Vermessungswesen <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong>, S. 50 ff. Innenministerium NRW, Düsseldorf<br />
Höhn, Rainer, 1986<br />
Anwendung der multiplen Regression bei der Kaufpreisauswertung<br />
in einem Landkreis. Vermessungswesen<br />
und Raumordnung, S.91 ff.<br />
Jäger, Ulrich; Pelke, Andreas, 1994<br />
Digitale Kaufpreissammlung in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>.<br />
Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungswesen<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>, S. 95 ff.<br />
Jäger, Ulrich, 1998<br />
Markttransparenz durch Grundstücksmarktberichte.<br />
Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungswesen<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>, S. 39 ff. Innenministerium NRW,<br />
Düsseldorf<br />
Jones Lang LaSalle, Global Real Estate Transparency<br />
Index 2010<br />
http://www.joneslanglasalle.com/pages/greti_home.<br />
aspx<br />
Junge, Volker e.a., 2011<br />
50 Jahre Gutachterausschuss für Grundstückswerte in<br />
Hamburg. Sonderdruck des Landesbetriebs Geoinformation<br />
und Vermessung Hamburg<br />
Kleiber, Wolfgang, 2010<br />
Verkehrswertermittlung von Grundstücken. Bundesanzeiger<br />
Verlag, <strong>Köln</strong><br />
Kleiber, Wolfgang. Kleiber-digital<br />
www.biv-portal.de/immobilien/produkte/kleiberdigital<br />
Kummer, Klaus; Frankenberger, Josef (Hrsg.), 2010<br />
Das deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen.<br />
Wichmann, Heidelberg<br />
Krause, Ingo, 2011<br />
Hebeln die Gutachterausschüsse die Grundbesitzbewertung<br />
aus? Erben + Vermögen, NWB Verlag, Herne<br />
Mattiseck, Klaus; Schaar, Hans-Wolfgang, 2011<br />
Die Gutachterausschüsse hebeln die Grundbesitzbewertung<br />
nicht aus! – Bodenrichtwerte und ihr Bedeutung.<br />
Erben + Vermögen, NWB Verlag, Herne<br />
Möckel, Rainer, 1975<br />
Ermittlung des Liegenschaftszinssatzes und der Restnutzungsdauer<br />
aus Kaufpreisen von Ertragsgrundstücken.<br />
Vermessungswesen und Raumordnung, S.129 ff.
26 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Moll-Amrein, Marianne, 2009<br />
Der Liegenschaftszinssatz in der Immobilienwertermittlung.<br />
Immobilienzeitung Verlagsgesellschaft,<br />
Wiesbaden<br />
Romunde, Walter, 1975<br />
Die Grundstücksbewertung in <strong>Köln</strong>, in: 100 Jahre<br />
stadtkölnisches Vermessungs- und Liegenschaftsamt.<br />
Dokumentation Stadt <strong>Köln</strong><br />
Schaar, Hans-Wolfgang, 2002<br />
Gutachterausschüsse online – Neue Dimensionen der<br />
Markttransparenz. Grundstücksmarkt und Grundstückswert<br />
(GuG), Luchterhand Verlag, Neuwied<br />
Schaar, Hans-Wolfgang, 2008<br />
Kaufpreiskartei – Comeback eines bewährten Verfahrens?<br />
Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG),<br />
Luchterhand Verlag, Neuwied<br />
Schaar, Hans-Wolfgang, 2009<br />
Die Zukunft der amtlichen Wertermittlung, Nachrichten<br />
aus dem öffentlichen Vermessungswesen, Innenministerium<br />
NRW, Düsseldorf<br />
Schmeck, Joachim, 1999<br />
Datenkatalog für die Kaufpreissammlung. Nachrichten<br />
aus dem öffentlichen Vermessungswesen <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong>, S. 33 ff. Innenministerium NRW, Düsseldorf<br />
Sprengnetter, Hans Otto<br />
Immobilienbewertung – Lehrbuch und Kommentar.<br />
Sprengnetter Immobilienbewertung, Sinzig (Stand<br />
27.07.2011)<br />
Tipke, Hans-Joachim, 1976<br />
Organisation der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte<br />
und ihrer Geschäftsstellen. Nachrichten<br />
aus dem öffentlichen Vermessungswesen <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong>, S. 67 ff. Innenministerium NRW, Düsseldorf<br />
Wanzke, Holger, 2003<br />
Auf dem Weg zu einem neuen Produkt: BORIS.NRW –<br />
Bodenrichtwertsystem <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>. Vortrag<br />
bei der 64. Vollversammlung der AGVGA.NRW in Essen<br />
Abb. 1:<br />
Kartengrundlage: NordNordWest, Wikimedia Commons,<br />
lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz by-sa-<br />
2.0-de, URL:<br />
http://creativecommons.org/licenses/bysa/2.0/de/legalcode.<br />
Alle Text- und sonstigen Elemente<br />
wurden von den Autoren hinzugefügt.<br />
Abb. 2 bis 6:<br />
Schaar<br />
Abb. 7 und 8:<br />
Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der<br />
Stadt Hagen<br />
Abb. 9: und 15:<br />
http://www.boris.nrw.de<br />
Abb. 10 bis 14:<br />
siehe Literaturverzeichnis lfd. Nr. 22 (Romunde)<br />
Abb. 16:<br />
Schaar<br />
Dipl.-Ing. Hans-Wolfgang Schaar<br />
Gutachterausschuss für<br />
Grundstückswerte in der Stadt Essen<br />
Rathenaustraße 2<br />
45127 Essen<br />
wolfgang.schaar@amt68.essen.de<br />
Dipl.-Ing. Rainer Höhn<br />
Dienststelle Gutachterausschuss<br />
für Grundstückswerte in der Stadt Hagen<br />
Berliner Platz 22<br />
58089 Hagen<br />
rainer.hoehn@stadt-hagen.de
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 27<br />
Anhang<br />
Nr. In Kraft ab Vorschrift und wesentliche Änderungen<br />
1 30.10.1960 Bundesbaugesetz (BBauG) - §§ 136-144<br />
: Erstmalige Bildung von Gutachterausschüssen bei den kreisfreien Städten und<br />
Landkreisen als Regulativ für die Preisbildung von Immobilien nach endgültiger<br />
Aufhebung des Preisstopps<br />
: Länder sind ermächtigt, Gutachterausschüsse bei kreisangehörigen Gemeinden<br />
oder bei Gemeindeverbänden einzurichten<br />
: Gutachtenerstellung<br />
: Richtwerte für den Grund und Boden in regelmäßigen Abständen – Sonderregelung<br />
für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke<br />
: Sammlung von Kaufpreisen<br />
: Bestellung der Gutachter für 4 Jahre<br />
2 10.12.1960 Erste Verordnung zur Durchführung des Bundesbaugesetzes – Abschnitt IV<br />
(NRW)<br />
: erstmalige organisatorische Regelungen über Gutachterausschüsse und Kaufpreissammlungen<br />
: Einrichtung auch bei einer amtsfreien Gemeinde oder einem Amt auf Antrag<br />
möglich<br />
3 11.09.1961 Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von<br />
Grundstücken Verkehrswertverordnung<br />
: bundeseinheitliche Regelung der Wertermittlungsverfahren (Vergleichswert,<br />
Sachwert, Ertragswert)<br />
: Festschreibung gleicher Grundsätze bei der Wertermittlung<br />
4 01.08.1963 Verordnung über Richtwerte von Grundstücken (RichtwertVO)-(NRW)<br />
: Richtwerte sind für eine Mehrzahl von Grundstücken für baureifes Land, Rohbauland<br />
und Bauerwartungsland jeweils zum Jahresende zu ermitteln (aufgehoben<br />
erst 1980)<br />
: Die Richtwerte sind in Richtwertkarten oder in Listen einzutragen<br />
: Richtwerte sind öffentlich auszulegen nach ortsüblicher Bekanntmachung zu<br />
veröffentlichen<br />
5 10.01.1967 Erste Verordnung zur Änderung der Ersten Verordnung zur Durchführung des<br />
Baugesetzbuches – Abschnitt IV (NRW)<br />
: Ehrenamtliche Gutachter dürfen nicht der Vertretung oder der Verwaltung der<br />
Gebietskörperschaft angehören, bei der der Gutachterausschuss eingerichtet<br />
ist.<br />
6 01.08.1971 Städtebauförderungsgesetz (StBauFG), insbesondere §§ 15, 23 und 41<br />
: Grundstückswerte für Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen sind vom<br />
Gutachterausschuss zu ermitteln<br />
: Ermittlung von sanierungs- und entwicklungsmaßnahmebedingten Werterhöhungen<br />
: Wertermittlung zur Prüfung der Angemessenheit von Kaufpreisen in Sanierungs-<br />
und Entwicklungsgebieten<br />
7 16.08.1972 Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Verordnung über Grundsätze für<br />
die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken und Bekanntmachung der<br />
Neufassung der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes<br />
von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung – WertV)<br />
: Regelungen für Wertermittlungen nach dem StBauFG<br />
: Einführung der wirtschaftlichen Wertminderung zusätzlich zur Wertminderung<br />
wegen Alters<br />
: Klarstellung der Betriebskosten<br />
: Normalherstellungskosten nach Erfahrungssätzen, deren Bezugszeitpunkt
28 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
bekannt ist<br />
8 14.02.1976 Verordnung über die Erhebung von Ausgleichsbeträgen nach §§ 41 und 42 des<br />
Städtebauförderungsgesetzes (AusgleichsbetragV)<br />
: Spezifizierung der Ausgleichsbetragsermittlung nach dem Städtebauförderungsgesetz<br />
(§§ 41,42)<br />
: Ermittlung von lagetypischen Grundwerten für die Anfangs- und Endwerte<br />
9 01.01.1977 Neufassung des Bundesbaugesetzes (BBauG 1976)<br />
: Die geforderte Vereinigung der städtebaulichen Wertermittlung mit der steuerlichen<br />
Bewertung wurde nicht vollzogen, jedoch dem Erfahrungs- und Informationsaustausch<br />
zwischen Gutachterausschüssen und Finanzämtern Rechnung<br />
getragen. Bei der Ermittlung von Bodenrichtwerten wirken erstmalig Bedienstete<br />
der örtlichen Finanzämter mit. Die Kaufpreissammlung ist für Finanzämter<br />
offen.<br />
: Erweiterung der Aufgaben: Gutachten auch über Rechte an Grundstücken,<br />
Wertermittlungen für Entschädigungen für Rechtsverlust und andere Vermögensnachteile<br />
bei Enteignungen, Vorkaufsrechten, Planungsschäden etc.<br />
: Antragsberechtigung ist entsprechend der Aufgabenerweiterung auf Inhabern<br />
von Rechten und Behörden für Entschädigungsermittlungen erweitert worden<br />
: Mitteilungspflichtige Rechtsvorgänge wurden erweitert (Umlegung, Zwangsversteigerung,<br />
Erbbaurechtsverträge, Enteignungsbeschluss etc.)<br />
: Schwerpunktverlagerung bei den Kaufpreisen von der reinen Sammlung auf die<br />
Auswertung. Es sind auf der Grundlage der ausgewerteten Kaufpreise die für<br />
die Wertermittlung wesentlichen Daten, insbesondere Bodenpreisindexreihen,<br />
Umrechnungskoeffizienten und Liegenschaftszinssätze abzuleiten.<br />
: Bodenrichtwertermittlung Ende eines jeden Jahres, es sei denn Länder<br />
bestimmen zweijährigen Turnus.<br />
: Möglichkeit zur Bildung Oberer Gutachterausschüsse<br />
10 01.01.1981 Verordnung über die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte (Gutachterausschussverordnung<br />
NRW – GAVO NRW)<br />
: Gutachterausschüsse werden auch für die Großen kreisangehörigen Städte<br />
(mehr als 60.000 EW) gebildet<br />
: Erweiterung des Aufgabenbereichs, der Gutachterausschuss kann Gutachten<br />
über Miet- oder Pachtwerte und auch Mietwertübersichten erstellen<br />
: Besetzung der Gutachter im Einzelfall geregelt (5 Gutachter bei Bodenrichtwertermittlung,<br />
davon ein Bediensteter des örtlichen Finanzamtes<br />
: Regelungen zur Abberufung von Gutachtern<br />
: Möglichkeit der Übertragung von Befugnissen des Gutachterausschusses auf<br />
seinen Vorsitzenden<br />
: Wesentliche Daten wie Mieten und Bewirtschaftungskosten sind, soweit bekannt,<br />
zu erfassen<br />
: Regelungen zur Bildung des Oberen Gutachterausschusses für Grundstückswerte<br />
in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
11 01.04.1983 Bundeskleingartengesetz (BKleinG)<br />
: Auf Antrag einer Vertragspartei hat der örtlich zuständige Gutachterausschuss<br />
ein Gutachten über den ortsüblichen Pachtzins im erwerbsmäßigen Obst- und<br />
Gemüseanbau zu erstatten.<br />
12 01.01.1990<br />
Gesetz ist v.<br />
8.12.1986<br />
Baugesetzbuch (BauGB) §§ 192-199<br />
: Zusammenfassung des Baurechtes in einem Gesetz,<br />
: StBauFG und AusgleichsbetragV werden aufgehoben<br />
: Vorschriften der Organisation werden weitgehend auf die Länder übertragen<br />
wie z.B. die Bildung und das Tätigwerden der Gutachterausschüsse, die Aufgaben<br />
des Vorsitzenden und der Geschäftsstelle, die Führung und Auswertung<br />
der Kaufpreissammlung, die Ermittlung der Bodenrichtwerte<br />
: Kaufbewerber können Gutachten nicht mehr beantragen
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 29<br />
: Auskünfte aus der Kaufpreissammlung bei berechtigtem Interesse<br />
13 01.01.1990 Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von<br />
Grundstücken (Wertermittlungsverordnung – WertV 88)<br />
: BauGB und WertV 88 treten in den Ländern mit Erlass der Gutachterausschussverordnung<br />
in Kraft, spätestens am 01.01.1990<br />
: Definition der Entwicklungsstufen<br />
: Erstmalig generelle Vorschriften zur Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen<br />
sonstigen Daten<br />
: Einführung des Liquidationswertverfahrens<br />
: Zulässigkeit der Ermittlung eines gedämpften Bodenwertes in besonderen<br />
Fällen (wenn dem Gebäudeabriss Gründe entgegenstehen)<br />
: Regelungen für die Bemessung der Ausgleichsbeträge<br />
: Beim Sachwertverfahren ergeben Bodenwert und Wert der baulichen Anlagen<br />
und der sonstigen Anlagen den Sachwert des Grundstücks<br />
14 24.03.1990 Verordnung über die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte (Gutachterausschussverordnung<br />
NRW – GAVO NRW)<br />
: Bestellung der Gutachter auf fünf Jahre<br />
: Aufgaben noch einmal erweitert (Gutachten nach Landesenteignung- und Entschädigungsgesetz,<br />
Durchführung von Zustandsfeststellungen<br />
: Präzisierung der Aufgaben des Vorsitzenden und der Geschäftsstelle<br />
: Bodenrichtwertermittlung bis 30.04. jedes Jahres<br />
: Sonstige Daten, insbesondere Indexreihen, Umrechnungskoeffizienten, Liegenschaftszinssätze<br />
und Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke hat der Gutachterausschuss<br />
abzuleiten und darüber zu beschließen<br />
: Verwendung von Daten anderer Gutachterausschüsse<br />
: Der Gutachterausschuss soll Feststellungen über den Grundstücksmarkt zusammenfassen<br />
und veröffentlichen (Einführung Grundstücksmarktbericht ohne<br />
Verwendung dieser Bezeichnung)<br />
15 01.01.1998 Gesetz zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden in<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> (NRW) – Art. 12 Nr. 6 Änderung der GAVO NRW<br />
: Für innerhalb eines Kreises liegende Große kreisangehörige Städte oder für den<br />
Kreis und eine oder mehrere Große kreisangehörige Städte innerhalb des Kreises<br />
kann ein gemeinsamer Gutachterausschuss gebildet werden<br />
16 08.04.2004 Verordnung über die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte (Gutachterausschussverordnung<br />
NRW – GAVO NRW)<br />
: Aufgabenerweiterung: auf Antrag kann Mietspiegel erstellt werden, Wertauskünfte<br />
und Stellungnahmen über Grundstückswerte erteilen, individuelle Auswertungen<br />
aus der Kaufpreissammlung in anonymisierter und aggregierter<br />
Form vornehmen<br />
: Begrenzung der Mitgliedschaft im Gutachterausschuss auf den Tag der Vollendung<br />
des 70-sten Lebensjahres<br />
: Der zulässige Inhalt der Kaufpreissammlung und weiterer Datensammlungen<br />
wird in Anlagen genau beschrieben<br />
: Liberalisierung der Verwendung der Daten der Kaufpreissammlung, wenn sie<br />
nicht personenbezogen sind. § 10 Abs. 4: „Die anonymisierte Auskunft aus der<br />
Kaufpreissammlung ist keine Auskunft aus der Kaufpreissammlung im Sinne<br />
des § 195 Abs. 3 BauGB“<br />
: Gleichstellung der nach DIN EN ISO/IEC 17024 (früher DIN EN 45013) zertifizierten<br />
Sachverständigen mit den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen<br />
für Grundstückswertermittlung<br />
: Straffe Terminierung der Aufgaben: Ermittlung der Bodenrichtwerte bis zum<br />
15.02. und Veröffentlichung bis zum 31.03. jedes Jahres, Übermittlung von Daten<br />
für das Bodenrichtwertinformationssystem <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> (BORIS<br />
NRW) bis zum 28.02. jedes Jahres, Veröffentlichung Grundstücksmarktbericht
30 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
17 31.01.2006<br />
bis 31.03.jedes Jahres. Der Obere Gutachterausschuss hat bis zum 15.03. die<br />
von den Gutachterausschüssen übermittelten Bodenrichtwerte und Grundstücksmarktberichte<br />
in BORIS.NRW zu veröffentlichen. Der Landesgrundstücksmarktbericht<br />
ist bis zum 30.04. jedes Jahres herauszugeben.<br />
: Die Aufgaben des Oberen Gutachterausschusses (OGA NRW) werden erweitert<br />
und präzisiert. Einführung von Online-Auskünften für Bodenrichtwerte und<br />
Grundstücksmarktberichte. Der OGA NRW führt das Bodenrichtwertsystem<br />
BORIS.NRW auf der Grundlage der Geobasisdaten der Vermessungs- und Katasterverwaltung.<br />
Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Gutachterausschüsse<br />
für Grundstückswerte (Gutachterausschussverordnung NRW – GAVO NRW)<br />
: Ergänzungen wegen der Terminierung der Aufgaben<br />
: Regelungen zur Aufsicht über die Gutachterausschüsse, die Einhaltung der<br />
Rechtsvorschriften bei der Aufgabenwahrnehmung unterliegt der Aufsicht,<br />
nicht die selbständige und unabhängige Ermittlung von Grundstückswerten<br />
und sonstigen Wertermittlungen<br />
18 01.01.2007 Jahressteuergesetz 2007 Art. 19, Änderung § 196 BauGB<br />
: redaktionelle Änderungen an den Regelungen zu Bodenrichtwerten für steuerliche<br />
Zwecke; der aktuelle Bodenrichtwert tritt an die Stelle des Wertes vom<br />
01.01.1996<br />
19 01.07.2009 Erbschaftsteuerreformgesetz Art. 4, Änderung der §§ 193,196,198,199 BauGB<br />
: Ziel des Gesetzes ist die Verwendung einheitlicher standardisierter Bewertungsdaten<br />
der Gutachterausschüsse (insbesondere Bodenrichtwerte, Liegenschaftszinssätze,<br />
Marktanpassungsfaktoren, Vergleichsfaktoren) für die steuerliche<br />
Bewertung<br />
: Da die Besteuerung nach gleichmäßigen Grundsätzen zu erfolgen hat, ergibt<br />
sich auch für die Bewertung des Grundvermögens das Erfordernis der Gleichmäßigkeit<br />
in der Anwendung von Wertermittlungsverfahren und –modellen.<br />
Dies soll durch folgende Gesetzesänderungen erreicht werden:<br />
: Der Gutachterausschuss ist verpflichtet sonstige zur Wertermittlung erforderliche<br />
Daten zu ermitteln, insbesondere Kapitalisierungszinssätze, Faktoren zur<br />
Anpassung der Sachwerte an den Grundstücksmarkt, Umrechnungskoeffizienten<br />
und Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke<br />
: Bodenrichtwerte sind flächendeckend für Richtwertzonen zu ermitteln<br />
: Obere Gutachterausschüsse oder zentrale Geschäftsstellen mit der Aufgabe<br />
überregionaler Auswertungen und Analysen sind in den Flächenländern mit<br />
mehr als zwei Gutachterausschüssen einzurichten<br />
: Die Ermächtigung einheitliche Grundsätze für die Ermittlung von Bodenrichtwerten<br />
zu verordnen geht von den Ländern auf die Bundesregierung über. Dies<br />
soll die Standardisierung des Ermittlungsverfahrens beschleunigen.<br />
20 01.07.2010 Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von<br />
Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV)<br />
: Anwendung der Vorschrift auch auf Objekte, für die kein Markt besteht<br />
: Trennung von Qualitäts- und Wertermittlungsstichtag<br />
: Verzicht auf die Zustandsstufe „begünstigtes Agrarland“<br />
: Bestimmungen zur Ermittlung von Bodenrichtwerten neu aufgenommen (Verlagerung<br />
der Verordnungsermächtigung von den Ländern auf den Bund)<br />
: Ermittlung von Marktanpassungsfaktoren zur Anpassung des Sachwertes bzw.<br />
finanzmathematischer Werte von Erbbaurechten an die Marktverhältnisse<br />
: Bei den Wertermittlungsverfahren gilt immer Marktanpassung vor Berücksichtigung<br />
von Wertveränderungen für besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale<br />
: Einführung des „vereinfachten“ Ertragswertverfahrens neben dem aus der<br />
WertV 88 übernommenen „normalen“ Ertragswertverfahren. Dabei ist die For-
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 31<br />
21 2011<br />
mulierung „vereinfacht“ irreführend. Bei den Verfahren handelt sich um identische<br />
Modelle, die durch Umstellung der Formel entstanden sind. Ein verändertes<br />
Modell wird durch das Ertragswertverfahren auf der Grundlage periodisch<br />
unterschiedlicher Erträge eingeführt, verwandt mit dem Discounted Cash Flow<br />
Verfahren (DCF-Verfahren)<br />
: Das Liquidationswertverfahren ist nicht mehr ausdrücklich genannt<br />
: Bei der Alterwertminderung ist in der Regel von einem linearen Verlauf auszugehen<br />
Novellierung BauGB (geplant)<br />
: Verbesserung der Überwachung des Zugangs von mitteilungspflichtigen<br />
Rechtsgeschäften (in Diskussion)<br />
22 2011/2012 Novellierung GAVO NRW (geplant)<br />
: Änderung auf Grund des Erbschaftsteuerreformgesetzes<br />
: Maßnahmen zur Standardisierung der Wertermittlungsmodelle<br />
: Einführung einer zentralen Kaufpreisdatei<br />
: Präzisierung und Erweiterung der Aufgaben des Oberen Gutachterausschusses<br />
NRW<br />
: Zusammenfassende Regelung zur Daten- und Produktbereitstellung der amtlichen<br />
Wertermittlung, insbesondere in Online-Verfahren<br />
: Förderung der Zusammenarbeit der Gutachterausschüsse
32 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Der Grundstücksmarkt in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> 2010<br />
Andreas Pelke<br />
Der Grundstücksmarkt in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> ist im<br />
Berichtsjahr 2010 gekennzeichnet durch deutliche<br />
Umsatzsteigerungen. Ungebrochen ist das Interesse<br />
an Ein- und Zweifamilienhäusern. Hier wechselten<br />
45.556 Ein- und Zweifamilienhäuser (+ 5 %) mit einem<br />
Geldumsatz von 8,86 Mrd. Euro (+ 6 %) den Eigentümer.<br />
Noch stärker ist die Nachfrage nach Wohnungseigentum.<br />
Die Zahl der verkauften Eigentumswohnungen<br />
stieg landesweit um neun Prozent an. Nachdem bereits<br />
2009 in den Städten die Nachfrage nach Baugrundstücken<br />
anzog, wurden im Berichtsjahr landesweit 15<br />
Prozent mehr Verkäufe registriert. Auch der Verkauf<br />
von Gewerbegrundstücken zog um 12 Prozent an. Der<br />
rückläufigen Umsatzentwicklung in den letzten Jahren<br />
bei den Mehrfamilienhäusern stehen erstmals wieder<br />
steigende Umsätze gegenüber. Die Zahl der Kauffälle<br />
nahm um neun und der Geldumsatz um 14 Prozent zu.<br />
Einzig bei den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken<br />
nahm die Anzahl der Verkäufe ab.<br />
Düsseldorf<br />
Meerbusch<br />
Langenfeld (Rhld.)<br />
<strong>Köln</strong><br />
Hilden<br />
Ratingen<br />
Bergisch Gladbach<br />
Aachen<br />
Neuss<br />
Bonn<br />
Münster<br />
Pulheim<br />
Monheim am Rhein<br />
Haan<br />
Frechen<br />
Kaarst<br />
Erkrath<br />
Mettmann<br />
Leichlingen (Rhld.)<br />
Brühl<br />
Leverkusen<br />
Mülheim an der Ruhr<br />
Hürth<br />
Duisburg<br />
Dormagen<br />
Krefeld<br />
Abb. 1: Höchste durchschnittliche Baulandpreise 2010 in mittleren Wohnlagen<br />
Der seit 2000 anhaltende Preisrückgang beim Wohnungseigentum<br />
ist gestoppt. Die Preise für Erstverkäufe<br />
von Wohnungseigentum stiegen in einzelnen Regionen<br />
bis zu 3 % an. Erstmals nach 10 Jahren legten<br />
auch bei den Ein- und Zweifamilienhäusern landesweit<br />
die Preise um 1 % zu. Die Preise für Baugrundstücke<br />
blieben weiter konstant.<br />
Spitzenreiter bei den Baulandpreisen in mittleren<br />
Wohnlagen ist die Landeshauptstadt Düsseldorf mit<br />
440 Euro/m², gefolgt von Meerbusch mit 370 Euro/m²<br />
sowie Langenfeld (Rhld.) mit 330 Euro/m². Bei den<br />
guten Wohnlagen rangiert <strong>Köln</strong> mit 810 Euro/m² vor<br />
Düsseldorf mit 670 Euro/m² und Aachen mit 480 Euro/m²<br />
sowie Meerbusch mit 430 Euro/m². Deutlich<br />
günstiger ist die Situation in einigen ländlichen Gebieten.<br />
So liegt der Preis für den Quadratmeter Bauland in<br />
mittleren Wohnlagen beispielsweise in Hallenberg<br />
(Hochsauerlandkreis) bei 30 Euro/m² und in Marienmünster<br />
bei 33 Euro/m² (Kreis Höxter).<br />
370<br />
330<br />
325<br />
320<br />
315<br />
310<br />
300<br />
300<br />
300<br />
290<br />
290<br />
280<br />
275<br />
270<br />
270<br />
270<br />
265<br />
260<br />
260<br />
255<br />
250<br />
250<br />
250<br />
250<br />
250<br />
Euro/m²<br />
440
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 33<br />
Bei nach Regionen differenzierten Baulandpreisen sind<br />
die Grundstücke in der Region Düsseldorf am teuersten.<br />
Dort kostet der Quadratmeter Bauland im Schnitt<br />
280 Euro. Günstiger sind die Grundstücke in der Bergisch/Märkischen<br />
Städteregion mit 194 Euro/m²<br />
knapp gefolgt vom Ruhrgebiet mit 187 Euro/m², den<br />
Regionen Bonn mit 180 Euro/m² und <strong>Köln</strong> mit 169<br />
Grundstückskategorie<br />
Bauland – unbebaute Grundstücke<br />
Ein- u. Zweifamilienhausgrundstücke<br />
Geschosswohnungsbau<br />
Gewerbe- und Industriegrundstücke<br />
Tab. 1: Baulandpreise in den Regionen<br />
Euro/m² sowie der Region Niederrhein mit 154 Euro/m².<br />
Im Münsterland können die Grundstücke mit<br />
124 Euro/m², in der Region Eifel/Rur mit 106 Euro/m²,<br />
in Ostwestfalen/Lippe mit 96 Euro/m² und im Sauer-<br />
und Siegerland mit 87 Euro/m² deutlich preiswerter<br />
erworben werden.<br />
Preisspanne<br />
mittlere Lage<br />
[€/m²]<br />
Mittelwert<br />
mittlere Lage<br />
[€/m²]<br />
Region Bonn 300 bis 50 180<br />
Region <strong>Köln</strong> 325 bis 60 169<br />
Region Düsseldorf 440 bis 170 280<br />
Ruhrgebiet 250 bis 115 187<br />
Bergisch/Märkische Städteregion 240 bis 100 194<br />
Eifel/Rur 300 bis 35 106<br />
Niederrhein 250 bis 100 154<br />
Münsterland 290 bis 50 124<br />
Ostwestfalen/Lippe 210 bis 33 96<br />
Sauer- und Siegerland 155 bis 30 87<br />
Region Bonn - -<br />
Region <strong>Köln</strong> - -<br />
Region Düsseldorf 460 bis 265 313<br />
Ruhrgebiet 250 bis 150 196<br />
Bergisch/Märkische Städteregion 230 bis 155 190<br />
Eifel/Rur - -<br />
Niederrhein 225 bis 145 185<br />
Münsterland 370 bis 80 193<br />
Ostwestfalen/Lippe 230 bis 25 108<br />
Sauer- und Siegerland 140 bis 75 105<br />
Region Bonn 110 bis 20 65<br />
Region <strong>Köln</strong> 125 bis 25 59<br />
Region Düsseldorf 140 bis 50 84<br />
Ruhrgebiet 85 bis 30 49<br />
Bergisch/Märkische Städteregion 85 bis 35 52<br />
Eifel/Rur 110 bis 14 31<br />
Niederrhein 75 bis 20 37<br />
Münsterland 55 bis 8 25<br />
Ostwestfalen/Lippe 65 bis 9 32<br />
Sauer- und Siegerland 60 bis 10 32
34 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Region Düsseldorf<br />
Bergisch/Märkische Städtereg.<br />
Ruhrgebiet<br />
Region Bonn<br />
Region <strong>Köln</strong><br />
Niederrhein<br />
Münsterland<br />
Eifel/Rur<br />
Ostwestfalen/Lippe<br />
Sauer- und Siegerland<br />
87<br />
96<br />
106<br />
124<br />
154<br />
Euro/m²<br />
Abb. 2: Durchschnittliche Baulandpreise 2010 – Individueller Wohnungsbau, mittlere Wohnlage, differenziert nach Regionen<br />
Beim Wohnungseigentum ist ein Anstieg um 9 Prozent<br />
gegenüber dem Vorjahr auf 47.931 verkauften Objekten<br />
bei einem Geldumsatz von 5,78 Mrd. Euro (+ 14 %)<br />
zu verzeichnen. Entlang der Rheinschiene ist es wiederum<br />
am teuersten. Der Quadratmeter Wohnfläche<br />
kostet in Düsseldorf in mittlerer Lage 3.208 Euro/m².<br />
169<br />
187<br />
180<br />
194<br />
280<br />
An zweiter und dritter Stelle stehen Bonn mit 2.780<br />
Euro/m² und Monheim am Rhein mit 2.630 Euro/m².<br />
Dagegen kostet eine Eigentumswohnung in Saerbeck<br />
1.470 Euro/m², in Herford 1.443 Euro/m² und in Lemgo<br />
1.350 Euro/m².<br />
∅ Wohnfläche<br />
[m²]<br />
Kaufpreis/<br />
m² Wohnfläche Mittelwert<br />
[€/m²]<br />
Region Bonn 83 2.340<br />
Region <strong>Köln</strong> 84 2.100<br />
Region Düsseldorf 82 2.390<br />
Ruhrgebiet 87 2.010<br />
Bergisch/Märkische Städteregion 85 2.160<br />
Eifel/Rur 85 1.960<br />
Niederrhein 78 1.980<br />
Münsterland 81 1.940<br />
Ostwestfalen/Lippe 80 1.790<br />
Sauer- und Siegerland 79 1.990<br />
Tab. 2: Durchschnittliche Kaufpreise 2010 für Wohnungseigentum in den Regionen<br />
Erstbezugsfertige Reihenendhäuser oder Doppelhaushälften<br />
im Münsterland kosten mit 208.000 Euro deutlich<br />
weniger als in der Region Düsseldorf mit 305.000<br />
Euro. Die Werte für die anderen Regionen: Bergisch/Märkische<br />
Städteregion 271.000 Euro, <strong>Köln</strong><br />
270.000 Euro, Bonn 267.000 Euro, Niederrhein<br />
248.000 Euro, Ruhrgebiet 244.000 Euro, Eifel/Rur<br />
235.000 Euro, Ostwestfalen/ Lippe 210.000 Euro.<br />
Reihenmittelhäuser sind in der Regel etwas preisgünstiger,<br />
sie kosten in der Region Düsseldorf aber immer<br />
noch 279.000 Euro.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 35<br />
Düsseldorf<br />
Bonn<br />
Monheim am Rhein<br />
Aachen<br />
Kempen<br />
Langenfeld (Rhld.)<br />
Münster<br />
<strong>Köln</strong><br />
Mettmann, Kreis<br />
Essen<br />
Hilden<br />
Sankt Augustin<br />
Rhein-Kreis-Neuss<br />
Dormagen<br />
Gladbeck<br />
Tönisvorst<br />
Wetter (Ruhr)<br />
Sprockhövel<br />
Schwelm<br />
Herdecke<br />
Hattingen<br />
Gevelsberg<br />
Ennepetal<br />
Breckerfeld<br />
Ennepe-Ruhr-Kreis<br />
Solingen<br />
Leverkusen<br />
Neuss<br />
Kreuztal<br />
Krefeld<br />
Rheinisch-Bergischer Kreis<br />
Attendorn<br />
Pulheim<br />
Frechen<br />
Aachen, Städteregion<br />
Rhein-Sieg-Kreis<br />
Siegen-Wittgenstein, Kreis<br />
Lindlar<br />
Viersen, Kreis<br />
Greven<br />
Lünen<br />
Heiligenhaus<br />
Bad Sassendorf<br />
Alfter<br />
Bergisch Gladbach<br />
Marl<br />
Delbrück<br />
Warendorf, Kreis<br />
Soest, Kreis<br />
Olpe, Kreis<br />
Rhein-Erft-Kreis<br />
Soest<br />
Wuppertal<br />
Olpe<br />
Freudenberg<br />
Recklinghausen<br />
Olsberg<br />
Siegburg<br />
Wiehl<br />
Bottrop<br />
Grevenbroich<br />
Würselen<br />
Bad Lippspringe<br />
Bochum<br />
Billerbeck<br />
Hürth<br />
Paderborn, Kreis<br />
Euskirchen, Kreis<br />
Gütersloh<br />
Dorsten<br />
Euro/m²<br />
2.780<br />
2.630<br />
2.580<br />
2.554<br />
2.550<br />
2.531<br />
2.464<br />
2.460<br />
2.460<br />
2.440<br />
2.435<br />
2.400<br />
2.380<br />
2.370<br />
2.364<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.350<br />
2.340<br />
2.310<br />
2.310<br />
2.310<br />
2.280<br />
2.270<br />
2.270<br />
2.270<br />
2.260<br />
2.240<br />
2.238<br />
2.220<br />
2.207<br />
2.199<br />
2.170<br />
2.170<br />
2.170<br />
2.167<br />
2.159<br />
2.150<br />
2.140<br />
2.120<br />
2.117<br />
2.115<br />
2.110<br />
2.100<br />
2.097<br />
2.090<br />
2.070<br />
2.070<br />
2.060<br />
2.060<br />
2.057<br />
2.053<br />
2.050<br />
2.050<br />
2.050<br />
2.050<br />
2.030<br />
2.024<br />
2.020<br />
2.010<br />
2.000<br />
2.000<br />
2.000<br />
Abb. 3: Preise Wohnungseigentum 2010 für Erstverkäufe in €/m² Wohnfläche in mittleren Wohnlagen<br />
3.208
36 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Region Düsseldorf<br />
Bergisch/Märkische Städteregion<br />
Region <strong>Köln</strong><br />
Region Bonn<br />
Niederrhein<br />
Ruhrgebiet<br />
Eifel/Rur<br />
Ostwestfalen/Lippe<br />
Münsterland<br />
210.000<br />
208.000<br />
Gesamtkaufpreis in Euro<br />
248.000<br />
244.000<br />
235.000<br />
271.000<br />
270.000<br />
267.000<br />
305.000<br />
Abb. 4: Durchschnittliche Kaufpreise 2010 für erstbezugsfertige Reihenendhäuser und Doppelhaushälften, differenziert nach Regionen<br />
∅ Grundstücksfläche<br />
[m²]<br />
∅ Wohnfläche<br />
[m²]<br />
Gesamtkaufpreis<br />
Mittelwert<br />
[€]<br />
Region Bonn 320 140 267.000<br />
Region <strong>Köln</strong> 315 135 270.000<br />
Region Düsseldorf 295 135 305.000<br />
Ruhrgebiet 320 130 244.000<br />
Bergisch/Märkische Städteregion 320 135 271.000<br />
Eifel/Rur 340 135 235.000<br />
Niederrhein 320 130 248.000<br />
Münsterland 310 125 208.000<br />
Ostwestfalen/Lippe 320 130 210.000<br />
Sauer- und Siegerland kein Markt für Reihenendhäuser/Doppelhaushälften<br />
Tab. 3: Durchschnittliche Kaufpreise 2010 für erstbezugsfertige Reihenendhäuser oder Doppelhaushälften in den Regionen<br />
Von den Gutachterausschüssen in NRW wurden insgesamt<br />
131.340 Kaufverträge (+ 7 %) über bebaute und<br />
unbebaute Grundstücke mit einem Geldumsatz von<br />
25,54 Milliarden Euro (+ 11 %) und einem Flächenumsatz<br />
von 197,0 km² (- 16 %) mitgeteilt.<br />
Der Grundstücksmarktbericht wird jährlich vom Oberen<br />
Gutachterausschuss für Grundstückswerte im<br />
Land <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> erstellt; Berichtszeitraum<br />
ist das jeweilige Vorjahr. Der Bericht ist das Ergebnis<br />
der Auswertung des Datenmaterials der örtlichen Gutachterausschüsse.<br />
Er informiert umfassend und aktuell<br />
auf 129 Seiten über Umsätze, Preise und Preisentwicklungen<br />
auf allen Grundstücksteilmärkten in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
und enthält Übersichten über die von<br />
den örtlichen Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze<br />
und Bodenpreisindexreihen. Der<br />
Grundstücksmarktbericht NRW enthält wertvolle Informationen<br />
für Bewertungssachverständige aus Wirt-<br />
schaft und Verwaltung und nicht zuletzt für alle Bürger,<br />
die sich mit der Finanzierung und dem Erwerb bzw. der<br />
Veräußerung von Immobilien beschäftigen.<br />
Der Grundstücksmarktbericht NRW 2011 kann in der<br />
gedruckten Ausgabe für 60 Euro beim Oberen Gutachterausschuss<br />
für Grundstückswerte im Land <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>,<br />
Postfach 30 08 65, 40408 Düsseldorf,<br />
Telefon 0211/475-2640, Telefax 0211/475-2900,<br />
E-Mail oga@brd.nrw.de bezogen oder im Internet unter<br />
der Adresse www.boris.nrw.de als PDF-Datei für 45,00<br />
Euro heruntergeladen werden.<br />
Andreas Pelke<br />
<strong>Bezirksregierung</strong> Düsseldorf<br />
Cecilienallee 2<br />
40477 Düsseldorf<br />
andreas.pelke@bezreg-duesseldorf.nrw.de
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 37<br />
Die Gutachterausschüsse hebeln die Grundbesitzbewertung nicht aus!<br />
Anmerkungen zum Beitrag „Hebeln die Gutachterausschüsse die Grundbesitzbewertung<br />
aus?“ von Ingo Krause in NWB-EV 1/2011<br />
Klaus Mattiseck, Hans-Wolfgang Schaar<br />
Gutachterausschüsse und steuerliche Grundbesitzbewertung<br />
Die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte<br />
ermittelten Bodenrichtwerte werden außer zur<br />
Herstellung der vom Gesetzgeber geforderten Markttransparenz<br />
und der Verkehrswertermittlung auch für<br />
Zwecke der steuerlichen Grundbesitzbewertung benötigt.<br />
Grob lassen sich diese beschreiben mit Bewertungen<br />
für die Grunderwerbsteuer (§§ 145 ff. BewG), die<br />
Grundbesitzbewertung (§§ 165 ff.) und Erbschaft- und<br />
Schenkungsteuer (§§ 179 ff.).<br />
In seinem Urteil vom 25.8.2010 - II R 42/09 hatte der<br />
Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Grundbesitzwert<br />
für ein unbebautes Grundstück für einen Bewertungsstichtag<br />
vor dem 1. Juli 2007 vom Finanzamt<br />
nicht festgestellt werden kann, wenn der örtlich zuständige<br />
Gutachterausschuss für dieses Grundstück<br />
keinen Bodenrichtwert ermittelt hat. Das Urteil hat zu<br />
Reaktionen wie einem Artikel in der Zeitschrift NWB –<br />
Erben und Vermögen geführt, die es geboten scheinen<br />
ließen, die Bedeutung der Bodenrichtwerte und die bei<br />
ihrer Ableitung zu beachtenden Randbedingungen in<br />
einem den steuerlichen Bewertungsfachleuten zugänglichen<br />
Medium zu veröffentlichen. Diese Informationen<br />
sind sicherlich auch für die Fachleute der behördlichen<br />
Wertermittlung von besonderem Interesse.<br />
Nachstehend ist der in NWB – Erben und Vermögen<br />
6/2011, S. 205 ff. erschienene Beitrag von Klaus<br />
Mattiseck, MIK NRW und Hans-Wolfgang Schaar,<br />
AGVGA.NRW unverändert wieder gegeben.<br />
Die Schriftleitung dankt dem NWB-Verlag GmbH & Co.<br />
KG, Herne, für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.<br />
Der Beitrag stellt Bodenrichtwerte und ihre Bedeutung<br />
dar. Er zeigt auf, welche Möglichkeiten und Grenzen<br />
auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten bei der<br />
Ableitung bestehen. Eine besondere Situation ergibt<br />
sich bei Gemeinbedarfsflächen. Es stellt sich die Frage,<br />
ob der BFH diese Sachverhalte in seinem Urteil vom<br />
25.8.2010 - II R 42/09 - ausreichend gewürdigt hat.<br />
Der im Rubrum genannte Beitrag von Herrn Krause<br />
bedarf einiger Anmerkungen und Klarstellungen. Er<br />
verkennt ebenso wie der Bundesfinanzhof das Wesen<br />
und die fachliche Bedeutung der von den Gutachterausschüssen<br />
abgeleiteten Bodenrichtwerte. Daraus<br />
werden zwangsläufig unzutreffende Schussfolgerungen<br />
gezogen, die nach Auffassung der Autoren insbesondere<br />
rechtlich bedenklich sind. Eine mögliche Lösung<br />
des auch von den Gutachterausschüssen erkannten<br />
Problems läge in der Änderung der gesetzlichen<br />
Grundlagen.<br />
1 Bodenrichtwerte – Definition und gesetzliche<br />
Grundlagen<br />
§ 196 BauGB definiert Bodenrichtwerte als durchschnittliche<br />
Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung<br />
des unterschiedlichen Entwicklungszustands.<br />
„Bodenrichtwerte sollen ein der Wirklichkeit<br />
entsprechendes Abbild der Wertverhältnisse auf dem<br />
Bodenmarkt liefern (Transparenz des Bodenmarktes)“<br />
1 . Die Gutachterausschüsse leiten Bodenrichtwerte<br />
aus der Kaufpreissammlung und aus weiteren Datensammlungen<br />
ab und veröffentlichen diese digital<br />
oder in Form analoger Karten. In NRW erfolgt die Veröffentlichung<br />
in dem amtlichen Informationssystem<br />
BORISplus.NRW (www.boris.nrw.de).<br />
Mit der Änderung des BauGB im Rahmen der Erbschaftsteuerreform<br />
im Jahre 2009 (BauGB in der Fassung<br />
der Bekanntmachung vom 23. September 2004 -<br />
BGBl. I S.2414 -, das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes<br />
vom 31. Juli 2009 - BGBl. I S. 2585 - geändert worden<br />
ist) erfolgte auch eine Änderung des Verfahrens<br />
der Ermittlung von Bodenrichtwerten; die Definition<br />
der Bodenrichtwerte wurde allerdings von der Änderung<br />
nicht berührt. Nunmehr sind die Bodenrichtwerte<br />
flächendeckend zu ermitteln und zusätzlich Richtwertzonen<br />
zu bilden, die jeweils Gebiete umfassen, die nach<br />
Art und Maß der Nutzung weitgehend übereinstimmen.<br />
1 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger: Baugesetzbuch. § 196<br />
Rn.15; C.H.Beck, München
38 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Zunächst wird an dieser Stelle auf die Bildung von<br />
Bodenrichtwertzonen eingegangen; denn über die<br />
Vorschrift zur Zonenbildung erschließt sich das Wesen<br />
des Bodenrichtwerts. Es sind Zonen für Gebiete zu<br />
bilden, bei denen Art und Nutzung der darin liegenden<br />
Grundstücke weitgehend übereinstimmen. Bewusst<br />
wurde der Begriff „Gebiet“ und nicht etwa das Wort<br />
„Grundstück“ gewählt. Auch die Kommentierung zum<br />
BauGB spricht in diesem Zusammenhang durchweg<br />
von einer „Mehrzahl von Grundstücken“ 2 . Sehr deutlich<br />
formuliert ist dies in der am 11.02.2011 in Kraft<br />
getretenen Bodenrichtwertrichtlinie des Bundesministeriums<br />
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesanzeiger<br />
vom 11. Februar 2011 Nr. 24, S. 597): „Der<br />
Bodenrichtwert ... ist der durchschnittliche Lagewert<br />
des Bodens für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb<br />
eines abgegrenzten Gebiets (Bodenrichtwertzone),<br />
die nach ihren Grundstücksmerkmalen ..., insbesondere<br />
nach Art und Maß der Nutzbarkeit ... weitgehend<br />
übereinstimmen und für die im Wesentlichen<br />
gleiche allgemeine Wertverhältnisse ... vorliegen.“ .<br />
Daraus folgt, dass der Bodenrichtwert nicht für ein<br />
einzelnes Grundstück, sondern eben für ein Gebiet<br />
abzuleiten ist. Würde nämlich der Wert eines einzelnen<br />
Grundstücks bestimmt, handelte es sich um den Wert<br />
des Grundstücks im Sinne eines Verkehrswerts oder<br />
Marktwerts und nicht mehr um einen Richtwert. Der<br />
Begriff Richtwert impliziert darüber hinaus, dass es<br />
sich nicht um den definitiven Wert eines Grundstücks<br />
handelt, sondern dass dieser Wert lediglich als Richtgröße<br />
dient, die entsprechend den wertbeeinflussenden<br />
Merkmalen des Gegenstands der Wertermittlung<br />
weiter zu modifizieren ist. Aus diesem Grunde ist es<br />
nicht Aufgabe der Gutachterausschüsse, Bodenrichtwerte<br />
für einzelne Grundstücke zu ermitteln; dies würde<br />
auch im Widerspruch zur Definition des Bodenrichtwerts<br />
stehen.<br />
2 Datenschutzrechtliche Aspekte<br />
Neben diesem fachlichen spricht ein weiterer rechtlicher<br />
Grund gegen die Ermittlung eines Bodenrichtwerts<br />
für ein Einzelgrundstück. Hat der Gutachterausschuss<br />
einen Bodenrichtwert ermittelt, so muss er ihn<br />
gem. § 196 Abs. 3 BauGB veröffentlichen. Hiergegen<br />
bestehen jedoch erhebliche datenschutzrechtliche<br />
Bedenken, wenn sich die Veröffentlichung auf den<br />
Wert eines Grundstücks allein beziehen würde. Die<br />
Veröffentlichung würde die Bekanntgabe des Bodenwerts<br />
des Grundstücks eines einzelnen Eigentümers<br />
2 a.a.O. § 193 Rn. 123, § 196 Rn.31; C.H.Beck, München<br />
und damit die Preisgabe persönlicher Verhältnisse<br />
bedeuten, denn hier handelte es sich nicht mehr um<br />
den Wert einer Vielzahl von Grundstücken. Gerade die<br />
Preisgabe der persönlichen Verhältnisse eines einzelnen<br />
Eigentümers ist nicht mit dem Datenschutzrecht<br />
vereinbar.<br />
Die Gutachterausschüsse führen nach § 195 BauGB die<br />
Kaufpreissammlung und erhalten dazu eine Abschrift<br />
u.a. jeder Urkunde, mit der ein entgeltlicher Eigentumswechsel<br />
vorbereitet wird. Aus der Kaufpreissammlung<br />
kann nach § 195 Abs. 3 BauGB nach Maßgabe<br />
landesrechtlicher Vorschriften Auskunft erteilt<br />
werden. In <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> regelt § 10 Gutachterausschussverordnung<br />
(GAVO NRW) Näheres. So darf<br />
Auskunft nur erteilt werden, wenn der Empfänger der<br />
Auskunft die Einhaltung der datenschutzrechtlichen<br />
Bestimmungen zusichert. In der Regel werden Auskünfte<br />
anonymisiert, d.h. ohne diejenigen Daten gegeben,<br />
die einen Rückschluss auf die Lage des Grundstücks<br />
und damit auf den Eigentümer zulassen. Die<br />
Angabe von personenbeziehbaren Daten – in der Regel<br />
an Sachverständige – ist nur zulässig, wenn kein Grund<br />
zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange<br />
der Betroffenen beeinträchtigt werden. In anderen<br />
Bundesländern sind die Bedingungen der Auskunftserteilung<br />
so restriktiv geregelt, dass eine nicht anonymisierte<br />
Auskunft unzulässig ist. Nach alledem kann die<br />
Veröffentlichung des Grundstückswerts eines einzelnen<br />
Grundstücks erst recht nicht in Betracht kommen,<br />
sie würde den vorstehenden Regelungen des BauGB<br />
und der entsprechenden Länderverordnungen, aber<br />
auch den Grundsätzen des Datenschutzrechtes widersprechen.<br />
3 Besondere Grundstücksqualitäten<br />
Die flächendeckende Ableitung von Bodenrichtwerten<br />
ruft weitere fachliche und rechtliche Probleme hervor,<br />
auch wenn hiervon nicht Einzelgrundstücke betroffen<br />
sind. Besonders betroffen sind Flächen für den Gemeinbedarf<br />
und werdendes Bauland.<br />
§ 196 BauGB bezieht sich auf Grundstücke unterschiedlichen<br />
Entwicklungszustands. Der Entwicklungszustand<br />
ist in § 5 ImmoWertV definiert. Diese Zustandsstufen<br />
(land- und forstwirtschaftlich genutzte<br />
Grundstücke, Bauerwartungsland, Rohbauland, baureifes<br />
Land) beziehen sich stets „auf Flächen nichtöffentlicher<br />
Nutzung“. 3 Nicht hierunter fallen Flächen mit<br />
3 a.a.O. § 196 Rn. 50
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 39<br />
einer Nutzung zu öffentlichen Zwecken, so genannte<br />
Gemeinbedarfsflächen. Diese besitzen nach herrschender<br />
Meinung keinen eigenen Entwicklungszustand.<br />
Da sie im gewöhnlichen Geschäftsverkehr überdies<br />
nicht gehandelt werden, besteht auch keine Notwendigkeit,<br />
für diese Flächen Bodenrichtwerte zu<br />
ermitteln. 4 Bei der Bewertung von Gemeinbedarfsflächen<br />
ist zu untersuchen, wie sich die künftige Nutzung<br />
darstellt. Eine Fläche, die auch künftig dem Gemeinbedarf<br />
unterliegt, hat einen anderen Wert als eine Fläche,<br />
deren Gemeinbedarfsnutzung endet. Geht die Gemeinbedarfsnutzung<br />
auf einen anderen Träger über, ist<br />
wiederum ein anderer Wert maßgeblich. In jedem Einzelfall<br />
ist eine tiefgreifende Recherche auch der rechtlichen<br />
Sachverhalte erforderlich. Es leuchtet ein, dass<br />
an dieser Stelle ein Wert wenig hilfreich wäre, ein Bodenrichtwert<br />
ließe sich im Sinne seiner Definition auch<br />
gar nicht ermitteln und könnte sogar die Wertverhältnisse<br />
völlig falsch darstellen. Andererseits kann es<br />
nicht Aufgabe der Gutachterausschüsse sein, für alle<br />
möglichen Fallkonstellationen flächendeckend für das<br />
gesamte Gemeindegebiet vorsorglich Bodenrichtwerte<br />
zu ermitteln. Hinzu käme, dass für ein- und dasselbe<br />
Gebiet mehrere Werte ermittelt werden müssten, weil<br />
die zukünftige Nutzung noch gar nicht feststeht. Aus<br />
diesem Grunde formuliert die Bodenrichtwertrichtlinie<br />
des Bundes in Ziffer 5 Abs. 3 eindeutig: „Gemeinbedarfsflächen<br />
[sind] nur zu berücksichtigen, wenn ihre<br />
Zweckbestimmung eine privatwirtschaftliche Nutzung<br />
nicht auf Dauer ausschließt.“ Zwar könnte aus § 196<br />
Abs. 1 Satz 5 gefolgert werden, die Finanzbehörde<br />
könne aufgrund ergänzender Vorgaben den Gutachterausschuss<br />
veranlassen, dennoch einen Bodenrichtwert<br />
für Grundstücke dieser Qualität abzuleiten. Doch<br />
bezieht sich diese Vorgabenbefugnis allein auf den<br />
Umfang der Ableitung und allenfalls noch auf die Form<br />
der Darstellung / Attributierung; wegen der Selbständigkeit<br />
und Unabhängigkeit der Gutachterausschüsse<br />
bleibt diesen allein jedoch das Ergebnis der Bodenrichtwertermittlung<br />
vorbehalten. 5<br />
Etwas einfacher scheint sich die Situation bei werdendem<br />
Bauland darzustellen. Der Gutachterausschuss<br />
könnte durchaus in einer bestimmten Lage des Zuständigkeitsbereichs<br />
Bodenrichtwerte für Bauerwartungsland<br />
oder Rohbauland ermitteln. Dazu stehen ihm<br />
neben den recht selten auftretenden Kaufpreisen auch<br />
deduktive Bewertungsverfahren zur Verfügung. Hierbei<br />
4 a.a.O. § 196 Rn. 50<br />
5 a.a.O. § 196 Rn. 36<br />
wird der Wert abgeleitet, indem u.a. die zu erwartenden<br />
Kosten für die Erschließung, die Bodenordung und<br />
die Baureifmachung vom Wert eines vergleichbaren<br />
baureifen Grundstücks in Abzug gebracht werden. Die<br />
Wartezeit bis zur Baureife ist durch eine entsprechende<br />
Diskontierung zu berücksichtigen. Das Risiko, dass<br />
die erwartete Entwicklung zu einem baureifen Grundstück<br />
aus gleich welchen Gründen nicht eintritt, ist<br />
sachverständig zu bewerten. Die beiden letztgenannten<br />
Werteinflüsse erfordern wiederum eine Einzelfallbeurteilung<br />
zu jedem Ableitungsstichtag der Bodenrichtwerte.<br />
Hinzu kommt, dass selbst innerhalb eines<br />
kleineren räumlichen Bereichs Risiko und Wartezeit für<br />
einzelne Grundstücke oder Teile hiervon unterschiedlich<br />
sein können. Anders als beispielsweise für ein unterschiedliches<br />
Maß der baulichen Nutzung können<br />
hierfür jedoch keine Bewertungs- oder Korrekturtabellen<br />
aufgestellt werden. Die auch hier erforderliche<br />
Einzelfallbewertung steht in krassem Widerspruch zur<br />
rechtlichen Definition des Bodenrichtwerts. Außerdem<br />
könnte der gesetzliche Auftrag zur Herstellung von<br />
Transparenz auf dem Grundstücksmarkt in gewisser<br />
Weise auch konterkariert werden. Nach alledem enthält<br />
Ziffer 3.3.2 des Entwurfs des Bodenrichtwerterlasses<br />
NRW die eindeutige Vorschrift, dass für diese Qualitätsstufen<br />
keine Bodenrichtwerte zu ermitteln sind.<br />
4 Folgerungen<br />
Bodenrichtwerte sind für qualifizierte Ermittlungen des<br />
Verkehrswerts wie des steuerlichen Werts unverzichtbar<br />
und unersetzlich. Die Gutachterausschüsse können<br />
jedoch aus den dargelegten fachlichen und rechtlichen<br />
Gründen Bodenrichtwerte nicht für jedes Gebiet im<br />
Lande ableiten. Sie können indes sehr wohl eine für<br />
ihren Bezirk flächendeckende Aussage treffen über die<br />
Ermittlung von Bodenrichtwerten; diese Aussage bezieht<br />
sich dann auch auf Gebiete in denen keine Bodenrichtwerte<br />
abgeleitet werden können. Sie verhalten<br />
sich damit keinesfalls pflichtwidrig. Für den Sachverständigen<br />
stellt dies für seine Verkehrswertermittlungen<br />
keineswegs ein unüberwindbares Hindernis dar,<br />
denn sein Sachverständigenwissen ermöglicht ihm die<br />
Problemlösung. Anders hingegen die steuerliche Bewertung,<br />
der das Bewertungsgesetz starre Schranken<br />
setzt. Wegen der eindeutigen Bezugnahme auf den<br />
Begriff „Bodenrichtwert“ lehnt die Finanzgerichtsbarkeit<br />
selbst Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses<br />
ab, die die Misere des fehlenden<br />
Richtwerts beheben könnten. Hier hat der Gesetzgeber<br />
offensichtlich Bodenrichtwerte als Allheilmittel angesehen<br />
und ihnen damit eine Eigenschaft beigemessen,<br />
die diese niemals hatten und aus den geschilderten<br />
Gründen niemals haben können. Es bleibt zu hoffen,
40 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
dass der Gesetzgeber – wie auch von Herrn Krause in<br />
dem oben genannten Artikel gefordert – diese Problematik<br />
rasch durch eine Öffnungsklausel entschärft,<br />
nach der bei Fehlen von Bodenrichtwerten eine qualifizierte<br />
Einzelfallbeurteilung auf der Grundlage des Bodenwerts<br />
erfolgen kann. Die Gutachterausschüsse<br />
können der Finanzverwaltung im Rahmen der vielerorts<br />
bewährten und hervorragenden Zusammenarbeit bei<br />
einer qualifizierten Beurteilung Hilfestellung leisten.<br />
Abschließend noch vier Bemerkungen:<br />
: Der dem Urteil des BFH zugrunde liegende Sachverhalt<br />
ist ein Einzelfall. In der weitaus überwiegenden<br />
Zahl der von der Finanzverwaltung zu bearbeitenden<br />
Fälle kommen qualifizierte Bodenrichtwerte zur Anwendung,<br />
so dass die von Herrn Krause in Ziffer III.<br />
seines Beitrags aufgezeigten Folgen auf Ausnahmen<br />
beschränkt sind. Auf dieser Basis den Schluss zu<br />
ziehen, dass Gutachterausschüsse „die Grundbesitzbewertung<br />
aushebeln“ ist nach Auffassung der<br />
Autoren völlig überzogen und im Hinblick auf die<br />
aufgezeigten rechtlichen Aspekte ungerechtfertigt.<br />
: Gutachterausschüsse unterliegen zwar einer<br />
Rechtsaufsicht (in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> ist die <strong>Bezirksregierung</strong><br />
als Landesmittelbehörde zuständig),<br />
sind jedoch nach § 192 BauGB bei der Ermittlung von<br />
Grundstückswerten und bei sonstigen Wertermittlungen<br />
- also auch bei der Ermittlung der zur Wertermittlung<br />
erforderlichen Daten - selbständig, unabhängig<br />
und nicht weisungsgebunden. Die Aufgaben<br />
der Oberen Gutachterausschüsse sind in § 198<br />
BauGB und den Durchführungsverordnungen der<br />
Länder genannt. Dazu zählen die überregionale Auswertung<br />
und Analyse des Grundstücksmarktgeschehens<br />
sowie in bestimmten Fällen die Erstattung von<br />
Obergutachten. Sie sind indes keine Aufsichtsbehörden<br />
und können somit keine Rügen erteilen. Zur<br />
gleichmäßigen Aufgabenerfüllung bei der Ermittlung<br />
der zur Wertermittlung erforderlichen Daten bleibt<br />
unterhalb der Rechtsverordnung nach § 199 Abs. 1<br />
BauGB lediglich der Weg über Verwaltungsvorschriften<br />
zum Verfahren.<br />
: Das Geltendmachen von Regressansprüchen gegen<br />
die Gutachterausschüsse aus Sicht der Finanzverwaltung<br />
käme in NRW wohl schon deswegen nicht in<br />
Betracht, da Rechtsträger der Gutachterausschüsse<br />
das Land NRW ist; dies gilt auch für andere Bundesländer.<br />
Überdies wäre es rechtswidrig, die Ausschüsse<br />
für etwas zu belangen, was sie aus rechtlichen wie<br />
fachlichen Gründen nicht leisten dürfen und auch gar<br />
nicht leisten können.<br />
: Die Erteilung von Weisungen an Gutachterausschüsse<br />
für den konkreten Einzelfall scheidet ohnehin von<br />
Vornherein wegen der Rechtsposition dieser Einrichtungen<br />
aus.<br />
Dipl.-Ing. Klaus Mattiseck<br />
leitet das für die Gutachterausschüsse zuständige<br />
Referat im Ministerium für Inneres und Kommunales<br />
des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Referat 36<br />
Haroldstr. 5<br />
40119 Düsseldorf<br />
klaus.mattiseck@mik.nrw.de<br />
Dipl.-Ing. Hans-Wolfgang Schaar<br />
ist u.a. Vorsitzender des Arbeitskreises Wertermittlung<br />
des Deutschen Städtetags und der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für<br />
Grundstückswerte in NRW (AGVGA.NRW)<br />
Rathenaustraße 2<br />
45127 Essen<br />
Wolfgang.Schaar@amt68.essen.de
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 41<br />
Aufbau einer kreisweit einheitlichen Geodateninfrastruktur – Luxus<br />
oder Notwendigkeit?<br />
Dipl.-Ing. Michael Fielenbach, Dr. Bodo Bernsdorf<br />
Einleitung<br />
Kommunale Selbstverwaltung ist ein Wesensmerkmal<br />
unserer Demokratie und Kreis- und/oder kreisangehörige<br />
Kommunen haben ein großes Aufgabenspektrum.<br />
Als moderne Dienstleister sollen sie in vielen Bereichen<br />
der Daseinsvorsorge mit Serviceangeboten (u.a. Kinder/Jugend,<br />
Gesundheit und Soziales) das „Bürgerleben“<br />
vereinfachen, die Gefahrenabwehr übernehmen<br />
und für öffentliche Sicherheit und Ordnung (Polizei,<br />
Feuerwehr, Rettungsdienste, Katastrophenschutz)<br />
sorgen, den Verbraucherschutz sicherstellen, die Wirtschaft,<br />
Kultur und den Tourismus fördern, den Natur-<br />
und Landschaftsschutz sichern und nicht zuletzt durch<br />
die Vermessungs- und Katasterdienststellen die<br />
Grundlagen für eine nachhaltige Wohnbau- und Infrastrukturplanung<br />
schaffen.<br />
Mit 445.000 Einwohnern gehört der Rhein-Kreis Neuss<br />
(RKN) zu den bevölkerungsreichsten Kreisen Deutschlands.<br />
Und in vielen Rankings, die sich mit der Lebensqualität<br />
und der Wirtschaftskraft der Städte und Kreise<br />
in Deutschland beschäftigen, rangiert der Rhein-Kreis<br />
Neuss ganz oben. Zu den Standortvorteilen zählen u.a.<br />
eine reiche Kulturlandschaft mit ausgezeichneter Verkehrsinfrastruktur<br />
und guter Lage in Europa, ein breitgefächerter<br />
Wirtschaftsbranchenmix und hochqualifizierte<br />
Arbeitskräfte. Vor diesem Hintergrund ist es das<br />
erste Ziel, diese Standortvorteile nicht nur zu sichern<br />
sondern auszubauen und die regionale Anziehungskraft<br />
für Familien und Investoren weiter zu steigern.<br />
Die interkommunale Zusammenarbeit in Stadtplanung<br />
und -entwicklung ist dabei wegen schwierigster Haushaltslagen<br />
und immer neuen europarechtlichen Vorgaben<br />
auf Basis gemeinsam genutzter und solider Geoinformationen<br />
besonders wichtig.<br />
Ein gutes Beispiel stellt die EU-Dienstleistungsrichtlinie<br />
„INSPIRE“ = Infrastructure for Spatial Information in<br />
Europe), dem/den Geodatenzugangsgesetz(en) des<br />
Bundes und der Länder dar, die sich auch in kleineren<br />
und mittleren Kommunen auswirken werden. Sie verpflichtet<br />
die Verwaltungen, vorhandene digitale Geodaten<br />
mit unterschiedlichster Themenzugehörigkeit universell<br />
und nach einheitlichen Standards europaweit<br />
verfügbar zu machen.<br />
Um der Geodatenbedeutung als Steuerungsmittel in<br />
Verwaltung und Politik Rechnung zu tragen, hat der<br />
RKN seine Infrastrukturen zur Geodatenverarbeitung<br />
überprüft und die Notwendigkeit erkannt, diese nicht<br />
nur an die gesetzlichen Vorgaben anzupassen sondern<br />
ein kreisweit einheitliches Managementsystem (Geodateninfrastruktur<br />
Rhein-Kreis Neuss = GDI-RKN) zur<br />
Kommunikation und Nutzung von Geoinformationen<br />
und deren Mehrwertdiensten aufzubauen. Die kreisangehörigen<br />
Kommunen waren in dieses GDI-Konzept<br />
von vorneherein mit einbezogen.<br />
Da Geoinformationen oder Geoinformationssysteme<br />
selbst nicht für die Bedeutung in Politik und Verwaltung<br />
gesorgt haben, sondern deren adäquater Einsatz,<br />
ist beim GDI-Aufbau grundlegend zwischen einem<br />
Geographischen Informationssystem (GIS) und einer<br />
Geodateninfrastruktur (GDI), z.B. im Rhein-Kreis<br />
Neuss (GDI-RKN), zu unterscheiden. Handelt es sich<br />
beim GIS um den Werkzeugsatz, um raumbezogene<br />
Daten zu erfassen, zu verarbeiten und zu analysieren,<br />
zu redigieren und zu präsentieren, steht bei der GDI<br />
eindeutig die Geodatenverteilung/-kommunikation<br />
und Nutzung in anderen Verwaltungssystemen im<br />
Vordergrund. Obwohl die GDI-RKN daher nicht einfach<br />
aus der bestehenden GIS-Architektur abgeleitet werden<br />
konnte, musste sie aber dennoch die kommunale<br />
„GIS-Landschaft“ im RKN konzeptionell integrieren.<br />
Der Weg des RKN mit acht kreisangehörigen Kommunen<br />
belegt, vor welchen Herausforderungen kommunale<br />
Strukturen stehen, geht man das GDI-Thema konkret<br />
an. Spannende Einsichten sind die Folge, die den<br />
„Sinn und die Notwendigkeit“ einer GDI schnell belegen.<br />
Wesentliche Untersuchungsergebnisse<br />
Die Einstiegsmotivation in das Projekt war vielfältig. Im<br />
RKN besteht schon seit Jahren eine kontinuierlich<br />
gewachsene auf MapInfo-Produkten basierende „GIS-<br />
Landschaft“ und ist damit deutlich „sortierter“ aufgestellt<br />
(vgl. Abbildung 1) als andere GDI-Akteure, obwohl<br />
insgesamt kreisweit bereits mehr als 40 Softwareprodukte<br />
im Einsatz sind.
42 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Abb. 1: Software-Ausstattung des RKN<br />
Damit musste zunächst der Umfang der Geodatenbestände<br />
im RKN nebst kreisangehöriger Kommunen<br />
ermittelt werden (Datenbestandsanalyse), zumal es an<br />
einer Übersicht fehlte. Dadurch, dass sich kleinere<br />
RKN-Kommunen, wie Jüchen oder Korschenbroich<br />
erheblich aktiver in die Erhebung einbrachten, als die<br />
„Großen“, wurde als wesentliches Projektergebnis<br />
schnell deutlich, dass kleinere Städte und Gemeinden<br />
trotz Aufgabengleichheit aufgrund der Personalsituation<br />
gar nicht in der Lage sind, das GDI-Thema aufzugreifen<br />
und der RKN sich dort – entsprechend seiner<br />
Aufgabe – als Dienstleister positionieren sollte.<br />
Die Befragung der Produktgruppen in den Verwaltungen<br />
ergab überdies, dass die Arbeit mit Geodaten auf<br />
186 Gesetzen und sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
(Erlasse, Verordnungen; vgl. Tabelle 1 im<br />
Anhang) beruht. Um die Arbeit zu beschleunigen, den<br />
Workflow zu verbessern, Entscheidungen abzusichern<br />
oder besser vorzubereiten, werden Geodaten in den<br />
Verwaltungen - auch in den „Nichttechnischen Ämtern“<br />
- immer häufiger eingesetzt. Die „Datennutzer“<br />
arbeiten dabei innerhalb 112 Themenfeldern und leiten<br />
95 Auswirkungen/Folgen daraus ab. Unter Folgen oder<br />
Auswirkungen werden Aufgabenbereiche wie Überwachung,<br />
Beschränkungen oder auch die Förderung ambulanter<br />
Pflegedienste etc. pp. verstanden. Da zudem<br />
75 % der befragten Ämter in ihren Aufgaben generell<br />
einen Raumbezug erkennen, ist eine schnelle und problemlose<br />
Versorgung/Zugriff mit/auf Geodaten unabdingbar,<br />
will der RKN diese Arbeitsprozesse optimal<br />
unterstützen. Die Notwendigkeit der Geodatenversorgung<br />
wurde auch dadurch bestätigt, dass 82 % der<br />
Befragten Geodaten austauschen, wobei 56 % Geodaten<br />
sowohl beziehen als auch wieder abgeben. Basierend<br />
auf diesem Austausch resultieren intensive Verflechtungen<br />
zwischen den Ämtern (vgl. Abbildung 2).
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 43<br />
Abb. 2: Ämter-Verflechtungen beim Geodatenbezug im Kataster- und Vermessungsamt<br />
Die Studie/Analyse (Konzept) konzentrierte sich v.a.<br />
aber auf den inhaltlich-organisatorischen Teil eines<br />
GDI-Aufbaues. Die systemtechnische Entscheidung<br />
wurde anschließend auf der Ergebnisbasis getroffen.<br />
Die Kernaufgaben waren wie folgt definiert:<br />
Mit Rücksicht auf die bestehende GIS-Landschaft wurde<br />
zunächst eine Leitzieldefinition durchgeführt. Darauf<br />
aufbauend wurde eine IST-Analyse konzipiert und<br />
betrieben, die zunächst alle vorhandenen horizontalen<br />
und vertikalen Geoinformationsstrukturen in der Kreisverwaltung<br />
des RKN erfassen sollte. Im Fokus standen<br />
dabei einerseits die quantitativen und qualitativen<br />
Aspekte der Geodaten (Anzahl der Datensätze, Maßstabsebenen,<br />
abzudeckende Themen etc.), andererseits<br />
aber auch personell – organisatorische Aspekte,<br />
die den systemtechnischen Voraussetzungen zumindest<br />
ebenbürtig waren.<br />
Aus der IST-Analyse wurden konkrete Handlungsanweisungen<br />
für die Vorgehensweise beim Aufbau der<br />
GDI-RKN abgeleitet (Grobkonzept), wobei eine Priorisierung<br />
der Maßnahmen entsprechend der Kosten-<br />
Nutzen-Relationen durchzuführen war, um die Sollkonzeption<br />
in kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen<br />
umzusetzen. Die Geodatenbestandsanalyse war auch<br />
Basis für die Entwicklung eines kreisweit einheitlichen<br />
Metadatenprofils um zukünftig ein interkommunalen<br />
Informationsaustausch von Geodatenbeständen zu<br />
ermöglichen.<br />
Die Ist-Analyse zeigte schon früh, dass trotz der „sortierten<br />
GIS-Landschaft“ erhebliche Medienbrüche in<br />
den Arbeitsabläufen existierten, die einen zügigen<br />
Geodatenaustausch behindern und entsprechende<br />
Konvertierungsaufwände erzeugen. Insgesamt wurden<br />
238 „Primär“-Geodatenbestände unterschiedlichster<br />
Themenbereiche ermittelt (als Datenbestand wird eine<br />
thematisch abgeschlossene Einheit, wie z.B. die „ALK“<br />
oder ein „Baumkataster“ bezeichnet), die aus rund 260<br />
Quellen, wie Internet, E-Mail, DVD etc. gewonnen und<br />
in immerhin 169 Datenformaten weitergeleitet werden.<br />
Diese müssen konvertiert, v.a. aber konsolidiert werden,<br />
um die Ergebnisse weiterverwenden zu können.<br />
Ein hoher Aufwand, der in einer restriktiven Datenabgabe<br />
mündet und auch die „Abgabeseite“ mit hohen
44 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Aufwänden belastet. Lediglich 74 Datensätze wurden<br />
nach Erhebungsergebnis abgegeben, dies aber wieder<br />
in unterschiedlichsten Formaten und über diverse<br />
Medien, so dass letztlich 321 Varietäten zu zählen waren<br />
(vgl. Abbildung 3). D.h., einzelne Datensätze existieren<br />
in diversen Ableitungen, die nicht nur als hoch-<br />
Abb. 3: Geodatenflüsse im RKN<br />
Nutzen der GDI-RKN<br />
Offenkundig liegt „ein“ GDI-Nutzen in der Vermeidung<br />
solcher Ableitungen. Dieser ist vom Personalaufwand<br />
her sicherlich begründ-, aber schwer berechenbar. In<br />
konkreten Fällen konnten in Summe bis zu sieben Mitarbeiterstellen<br />
errechnet werden, die sich mit Datenkonvertierungsarbeiten<br />
befassten, wobei sich jeder<br />
vermutlich nur wenige Minuten am Tag mit diesem<br />
Thema beschäftigte. In Summe ergeben sich daraus<br />
jedoch große – messbare – Aufwände.<br />
Noch wichtiger ist aber, dass eine GDI immer nah am<br />
Original agiert. Ableitungen werden lediglich aus Performance-Gründen<br />
erstellt, wenn z.B. die Produktionsumgebung<br />
durch die Auskunft nicht belastet werden<br />
soll und eine erste Ableitung geschaffen wird. Diese ist<br />
aufgrund der zeitlichen Nähe zum Originaldatenbestand<br />
aber konsistent. Demgegenüber steht die Prozesspraxis,<br />
bei der Ableitungen amtsbezogen „ad hoc“<br />
gradig redundant zu bezeichnen sind sondern auch<br />
zweifelhaft in Aktualität und Eindeutigkeit (Inkonsistenz).<br />
Beim Datenbezug waren es im Schnitt 2,6<br />
Quellen (maximal sieben), bei der Datenabgabe sogar<br />
4,3 Ableitungen (maximal sieben).<br />
erstellt werden, wobei deren Inhalte dann häufig voneinander<br />
abweichen.<br />
Die große Stärke einer GDI (Vermeidung von Inkonsistenzen<br />
und Redundanzen) entfaltet sich dann, wenn<br />
alle Beteiligten an einem Strang ziehen und systemtechnisch<br />
als auch organisatorisch ein „roter Faden<br />
verfolgt wird. Die Studie schlägt daher vor, in den Verwaltungseinrichtungen<br />
jeweils einen GDI-Koordinator<br />
mit Informations-, Moderations- und Abstimmungsaufgaben,<br />
incl. Entscheidungskompetenzen, zu<br />
betrauen, um „Gleichklang“ innerhalb der eigenen<br />
Verwaltung und auch den Verwaltungen untereinander<br />
zu erreichen und den nachhaltigen Aufbau eines fachlich<br />
einheitlichen Diensteangebotes zu sichern. Dabei<br />
sollte der GDI-Betrieb sowohl fachlich als auch technisch<br />
in einer Hand bleiben, wobei sich das Vermessungs-<br />
und Katasteramt des RKN als GDI-Betreiber<br />
aus vielen Gründen anbietet. Umfangreiche Erfahrungen<br />
im Umgang mit einer Vielzahl von Geodatenbeständen<br />
und ein beachtliches Spektrum an Geodienst-
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 45<br />
leistungen, das von vielen Ämtern und auch Kommunen<br />
bereits angenommen wird, sprechen eine klare<br />
Sprache.<br />
Ein weiterer nachhaltiger Nutzen der GDI-RKN Konzeption<br />
ist der sukzessive Aufbau von Metadatenbeständen<br />
auf der Basis eines kreisweit einheitlichen Metadatenprofils.<br />
Die GDI-Nutzer können sich dadurch auf<br />
einfachste Weise über den verfügbaren Geodatenbestand<br />
informieren und gleichzeitig Mehrfacherhebungen<br />
vermeiden. Dadurch lassen sich Abläufe stärker<br />
automatisieren und im Sinne eines übergeordneten<br />
Bürger- und Investorenservice in einer e-government-<br />
Komponente einbinden. Anhand einer Bauanfrage oder<br />
Bauvoranfrage (Amt 63) wird dies deutlich. Zunächst<br />
ist bei 63 zu prüfen, welche weiteren Ämter am Verfahren<br />
überhaupt beteiligt sind. Dazu kann auf bis zu 51<br />
Informationsebenen geforscht werden, ob es berücksichtigungswürdige<br />
Sachverhalte auf der Fläche gibt.<br />
Die Anfrage ergeht an jedes „Amt“, in dem, meist manuell,<br />
die Fläche begutachtet wird. Innerhalb einer GDI<br />
kann sichergestellt werden, dass solche Prozesse zumindest<br />
halbautomatisch durchgeführt werden und<br />
auch außerhalb von Verwaltungsöffnungszeiten online<br />
von Nutzern (Bürger, Investoren usw.) in Erfahrung<br />
gebracht werden können. Natürlich wird es immer<br />
Sachverhalte geben, wo informelles Wissen des Sachbearbeiters<br />
erforderlich ist. Eine GDI wird Arbeits-<br />
/Prüfprozesse besonders bei Vorprüfungen spürbar<br />
beschleunigen.<br />
Abb. 4: Architekturvorschlag mit transparentem Proxy und zentralem Geodaten-Warenlager<br />
Technisch-organisatorischer GDI -Aufbau<br />
Die im Aufbau befindliche GDI-RKN wird die Rollen der<br />
Akteure in den Ämtern und Produktgruppen innerhalb<br />
der Kreisgemeinschaft nicht nur neu zuweisen sondern<br />
durch geeignete Technologien und Aufgabenzuschnitte<br />
gut unterstützen. GDI-Betreiber und Systemdienstleister<br />
übernehmen dafür die Verantwortung.<br />
Geodatenerzeuger, Geodatennutzer, Geodatenbereitsteller,<br />
etc. werden im Bereich der öffentlichen Verwaltung<br />
identifizierbar sein, wobei der „Kreis der Betroffenen“<br />
aber längst nicht ausgeschöpft ist. Mit Priorität<br />
sollten die Wirtschaft über Kammern und Verbände,<br />
die Banken und Versicherungen angesprochen und mit<br />
ihren Interessenslagen einbezogen werden um zukünftig<br />
Geodaten bedarfsgerecht v.a. „extern“ anbieten<br />
und platzieren zu können. Dazu wird das Geodatenpotenzial<br />
zukünftig via Internet auch für „Externe“ nutzbar<br />
und große Teile des RKN-Geodatenangebotes<br />
über ein GeoDataWarehouse (GDW-RKN) verfügbar<br />
gemacht werden. Eine Art Datenzentralisierung, die<br />
nicht dem GDI-Gedanken widerspricht, weil die Fachverantwortung<br />
der Ämter für „ihre“ Geodaten erhalten<br />
bleibt. Im Übrigen wird dadurch die Auskunft vom Produktionsbetrieb<br />
getrennt und eine Dopplung der Infrastruktur<br />
in einer DMZ vermieden (vgl. Abbildung 4); ein<br />
erhebliches Kostenargument.
46 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Auf Basis dieser Konzeption hat der RKN entschieden,<br />
mit der Fa. Intergraph und der Fa. CISS-TDI sowohl die<br />
GDI als auch das GDW im RKN aufzubauen. Das Geo-<br />
DataWarehouse wird dabei in enger Kooperation mit<br />
der Stadt Neuss erstellt. Der Weg über interne Eigenentwicklungen<br />
auf der Basis von Open-Source-<br />
Software wurde vor dem Hintergrund einer separaten<br />
Studie zur Situation des RKN nicht weiter verfolgt.<br />
Eigene Softwareentwicklungen mit allen Belangen<br />
einer Entwicklungsumgebung (Versionsmanagement,<br />
regelmäßigen Bugfixes, Change Management, Updates,<br />
etc.) und dem entsprechenden Personal sind<br />
durch die Kreisverwaltung nicht zu leisten und gehören<br />
auch nicht in den Bereich seiner Pflichtaufgaben. Dabei<br />
sind mobilisierbare Kapazitäten des Rechenzentrumbetreibers<br />
in die Entscheidung mit eingeflossen.<br />
Fazit<br />
Die Ausgangssituation im RKN zeigt, dass in der Vergangenheit<br />
der Focus zu sehr auf eine GIS-<br />
Infrastruktur und deren Weiterentwicklung gelegt wurde.<br />
Mit Einführung des Geodatenmanagements hat der<br />
RKN sowohl die Basis für eine „Konsolidierung“ der<br />
Informationsumgebung als auch für den Aufbau einer<br />
nachhaltigen Geodateninfrastruktur gelegt. Damit ist<br />
das „GDI-Thema“ aber noch nicht „abgedeckt“, wie<br />
etwa die noch bestehenden Konvertierungsaufwände<br />
eindrücklich belegen.<br />
Die GDI-RKN wird kleineren und mittleren kreisangehörigen<br />
Kommunen bei ihrer Aufgabenerfüllung trotz<br />
angespanntester Haushaltslagen und den bereits jetzt<br />
spürbaren Auswirkungen des demographischen Wandels<br />
spürbar helfen und in einigen Bereichen sogar<br />
qualitativ und quantitativ verbessern. Sie sichert den<br />
Kommunen die Rechte an ihren Geodaten und ermöglicht<br />
„Dritten“ gleichzeitig den Zugang zu raumbezogenen<br />
Informationen. Der Zugriff auf die Geodaten<br />
wird dabei über ein kreisweit einheitliches Metadatenportal-RKN<br />
geregelt, das zu einer erheblich größeren<br />
Transparenz bezüglich des Geodatenbestandes führt.<br />
Für Bürger und Investoren ergeben sich zentrale Informationsmöglichkeiten,<br />
die sich insgesamt positiv<br />
auf den Wirtschaftsstandort RKN auswirken werden.<br />
Die GDI-RKN wird sich auch verwaltungsintern positiv<br />
auswirken. Die organisatorischen und personellen<br />
Rahmenbedingungen, die sich durch die Einführung<br />
von ALKIS und die Umstellung auf ETRS´89 ergeben,<br />
bieten ausreichend Potenzial für die notwendigen Entwicklungen<br />
im Vermessungs- und Katasteramt. Dabei<br />
ist individuelles Umdenken der verantwortlich Handelnden<br />
hin zu einer marketing- und bedarfsorientier-<br />
ten Dienstleistungseinrichtung mit deckungsgleichem<br />
Geodatenangebot notwendig.<br />
Betrachtet man die derzeit laufenden Entwicklungen,<br />
wie e-government, e-business, business intelligence,<br />
web-Büro usw. im Zusammenhang, formulieren die<br />
europarechtlichen Vorgaben letztendlich die Abkehr<br />
von ausschließlich technologischen ExpertenGIS-<br />
Lösungen für Verwaltungseinzelarbeitsschritte in der<br />
Verwaltung bei gleichzeitiger Hinwendung zu verwaltungsweiten<br />
und prozessorientierten Anwendungssystemen/-strukturen<br />
(z.B. e-government), in denen Geodaten<br />
verschiedenster Ausprägung einen bedeutenden<br />
Anteil am gesamten Arbeitsprozess haben. Eine GDI ist<br />
danach also genauso zwangsläufige Voraussetzung für<br />
die Realisierung von e-government, wie e-government<br />
für die Umsetzung von INSPIRE. Das Geodatenmanagement<br />
ist in diesem Zusammenhang das „Werkzeug“.<br />
Wenn im Übrigen aber bereits jetzt schon erkennbar<br />
ist, dass weder die Regelungen von INSPIRE noch deren<br />
Umsetzung auf nationaler Ebene (GDI-DE) die<br />
kommunalen Bedarfsstrukturen „erreichen“, die Vorteile<br />
auf kommunaler Ebene aber dennoch gegeben<br />
und entwicklungsnotwendig sind, ist der Aufbau der<br />
GDI-RKN i.V.m. der Einrichtung des Geodatenmanagements<br />
notwendig und sinnvoll zugleich.<br />
Dipl.-Ing. Michael Fielenbach<br />
Leiter Geodatenmanagement<br />
Vermessungs- und Katasteramt<br />
Rhein-Kreis Neuss<br />
Lindenstraße 4-16<br />
41515 Grevenbroich<br />
michael.fielenbach@rhein-kreis-neuss.de<br />
Dr. Bodo Bernsdorf<br />
Geschäftsführer<br />
CFGI GmbH<br />
Jüngststraße 43<br />
59368 Werne an der Lippe<br />
bodo.bernsdorf@cfgi.deDr. Bodo Bernsdorf
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 47<br />
Anhang<br />
Tabelle 1: Rechtlicher Rahmen der Geodatennutzung im RKN<br />
Lfd. NR. Gesetz, Erlass, Verordnung<br />
Verordnungen zum Bundesimmissions-<br />
Lfd. NR. Gesetz, Erlass, Verordnung<br />
1 schutzgesetz 94 Jugendarbeitsschutzgesetz<br />
2 Abstandserlass NRW 95 Jugendgerichtsgesetz<br />
3 Allgem. Verwaltungsrecht 96 Jugendschutzgesetz<br />
4 Allgemeine Schulordnung<br />
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum<br />
97 Kinderbildungsgesetz<br />
5 Schutz gegen Baulärm 98 Kinder-/Jugendhilfegesetz<br />
6 Altlastenverordnung 99 Kommunalwahlrecht<br />
7 Arbeitsgesetze 100 Korruptionsbekämpfungsgesetz<br />
8 Aufenthaltsgesetz 101 Kreisentwicklungskonzept<br />
9 Asylverfahrensgesetz 102 Kreislaufwirtschafts- u. Abfallgesetz<br />
10 Baugesetzbuch 103 Kreisordnung NRW<br />
11 Baunutzungsverordnung 104 Kreistagsbeschluss vom 30.09.1998<br />
12 Bauordnung NRW 105 Kriegsfolgen-Archivierungsgesetz<br />
13 Beamtengesetz NRW 106 Landesabfallgesetz NW<br />
14 Beihilfeverordnung NW 107 Landesentwicklungsprogramm NRW<br />
15 Beschluss Sozialausschuss 108 Landeshaushaltsordnung<br />
16 Bestattungsgesetz / ÖGD-Gesetz 109 Landesreisekostengesetz<br />
17 Betreuungsgesetz 110 Landeswahlrecht<br />
18 Betreuungsbehördengesetz 111 Landeswassergesetz<br />
19 Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz 112 Landschaftsgesetz NRW<br />
20 Bodenrichtwert-Richtlinie 113 Landschaftspläne des RKN<br />
21 Bodenschätzungsgesetz 114 Lastenausgleichsgesetz<br />
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch -<br />
22 Bodenschutzgesetz NRW<br />
Bundesamt für Sicherheit in der Informati-<br />
115 LFGB<br />
23 onstechnik 116 Liegenschaftskatastererlass<br />
24 Bürgerliches Gesetzbuch 117 öffentlich-rechtliche Vereinbarungen<br />
25 Bundesausbildungsförderungsgesetz 118 Ökokontoverordnung<br />
26 Bundesberggesetz 119 Pflegegesetz NRW<br />
27 Bundesbodenschutzgesetz 120 Planungsgesetz NRW<br />
28 Bundesbodenschutzverordnung 121 Planzeichenverordnung<br />
29 Bundeschienenwegeausbaugesetz 122 Raumordnungsgesetz<br />
30 Bundesfernstraßengesetz 123 Raumordnungsverordnung<br />
31 Bundesimmissionsschutzgesetz 124 Rechnungsprüfungsordnung<br />
32 Bundesjagdgesetz 125 Richtlinie Bürgerfunk NRW<br />
Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden<br />
33 Bundesnaturschutzgesetz 126 Vogelarten<br />
Richtlinie zum Einsatz satellitengeodätischer<br />
34 Bundeswahlrecht 127 Verfahren im Vermessungspunktfeld<br />
Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume<br />
sowie der wildlebenden Pflanzen<br />
35 Bundeswaldgesetz 128 und Tiere<br />
Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstel-<br />
36 Datenschutzgesetz NW 129 len<br />
37 Denkmalschutzgesetz 130 Richtlinien für Großraum- und Schwertrans-
48 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Lfd. NR. Gesetz, Erlass, Verordnung Lfd. NR. Gesetz, Erlass, Verordnung<br />
porte<br />
38 Dienstanweisungen 131 Rundverfügungen<br />
39 DIN 132 Satzungen und sonstige Vereinbarungen<br />
40 DWA Regelwerke<br />
Einführungserlass ETRS89/UTM im Liegen-<br />
133<br />
Schadstofffreisetzungs- und -<br />
verbringungsregister<br />
41 schaftskataster 134 Schornsteinfegerhandwerksgesetz<br />
42 Einkommensteuergesetz 135 Schulgesetz NRW<br />
43 Einkommensverordnung 136 Schutzverordnungen<br />
44 Einzelhandelserlass NRW<br />
Einführungserlass zum Landschaftsgesetz für<br />
137 Selbstüberwachungsverordnung Kanal<br />
45 Eingriffe durch Straßenbauvorhaben 138 Sozialgerichtsgesetz<br />
46 Entschädigungsverordnung<br />
Erlass Behandlung von Gewässern im Liegen-<br />
139 Sozialgesetzbuch I<br />
47 schaftskataster<br />
Erlass: Grundsätze für die Planung und Ge-<br />
140 Sozialgesetzbuch II<br />
48 nehmigung von Windkraftanlagen 141 Sozialgesetzbuch IX<br />
49 EU Wasserrahmenrichtlinie 142 Sozialgesetzbuch V<br />
50 EU-Artenschutzverordnung 143 Sozialgesetzbuch X<br />
51 EU-Dienstleistungsrichtlinie<br />
Europäischer Landwirtschaftsfonds für die<br />
144 Sozialgesetzbuch XII<br />
52 Entwicklung des ländlichen Raums 145 Sozialgesetzbuch XIII<br />
53 Europawahlrecht 146 Sozialgesetzbuch, §21 SGB V<br />
54 Feststellungsgesetz 147 Sprengstoffgesetz<br />
55 Feuerschutz-Hilfeleistungsgesetz NRW 148 Strafgesetzbuch<br />
56 Fischereigesetz NRW 149 Straßenbau von A bis Z<br />
57 Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 150 Straßenverkehrsgesetz<br />
58 Flurbereinigungsgesetz 151 Straßenverkehrsordnung<br />
59 Förderrichtlinie Naturschutz 152 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst<br />
60 Forstgesetz NRW 153 Technische Anleitung zum Schutz vor Lärm<br />
Technische Anleitung zum Schutz vor Luftver-<br />
61 Fortführungsvermessungserlass 154 unreinigungen<br />
62 Freizeitlärmerlass 155 Tierschutzgesetz<br />
63 Freizügigkeitsgesetz 156 Tierseuchengesetz<br />
64 Gebührengesetz NRW<br />
Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und<br />
157 Trinkwasserverordnung<br />
65 Binnenschifffahrt 158 Übereinstimmungsrichtlinien<br />
66 Gemarkungsverzeichnis NRW 159 Umgebungslärmrichtlinie<br />
67 Gemeindehaushaltsverordnung NRW 160 Umweltinformationsgesetz (UIG)<br />
68 Gemeindeordnung NRW 161 Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
69 Gemeinschaftsarbeit 162 Unterhaltssicherungsgesetz<br />
70 Geodatenzugangsgesetz 163 Unterhaltsvorschussgesetz<br />
71 GeoInfoDoc 164 Vermessungs- und Katastergesetz NRW<br />
72 GeoInfoErlass 165 Vermessungsgebührenordnung<br />
73 Geruchsimmissionsrichtlinie 166 Vermessungspunkterlass<br />
Verordnung für die amtliche Überwachung von<br />
zum menschlichen Verzehr bestimmten Er-<br />
74 Geschäftsordnung des Kreistages 167 zeugnissen tierischen Ursprungs<br />
75<br />
Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst<br />
168<br />
Verordnung über Hygienevorschriften für<br />
Lebensmittel tierischen Ursprungs
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 49<br />
Lfd. NR. Gesetz, Erlass, Verordnung Lfd. NR. Gesetz, Erlass, Verordnung<br />
76<br />
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen<br />
und in den Angelegenheiten der freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit 169<br />
77 Gesetz über den öfftl. GesDienst NRW 170<br />
78<br />
Gesetz über den Rettungsdienst sowie die<br />
Notfallrettung und den Krankentransport<br />
durch Unternehmen 171<br />
Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre<br />
Krankenhausleistungen 172<br />
Verordnung zum Fallpauschalensystem für<br />
Krankenhäuser<br />
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes<br />
über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster<br />
NRW<br />
Verordnung zur Durchführung des Landschaftsgesetzes<br />
Verordnungen des Ministeriums für Arbeit,<br />
Gesundheit und Soziales NRW<br />
79<br />
80<br />
Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen,<br />
Dolmetscherinnen, Dolmetschern,<br />
Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die<br />
Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen,<br />
ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen,<br />
Zeugen und Dritten 173 Versorgungsmedizinverordnung<br />
81 Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit<br />
Gesetz zur Förderung und Nutzung von<br />
174 Verträge<br />
82 Wohnraum für das Land NRW<br />
Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der<br />
175 Verwaltungsvollstreckungsgesetz<br />
Krankenhäuser und zur Regelung der Kran-<br />
Verwaltungsvorschrift Straßenverkehrsord-<br />
83 kenhauspflegesätze 176 nung<br />
Verwaltungsvorschriften zum Bundesimmissi-<br />
84 Gutachterausschussverordnung 177 onsschutzgesetz<br />
Verwaltungsvorschriften zum Landesimmissi-<br />
85 Härteverordnung 178 onsschutzgesetz<br />
86 Hauptsatzung Rhein-Kreis-Neuss 179 Vormundschaftsgesetz<br />
87 Hygieneverordnung 180 Wasserhaushaltsgesetz<br />
88 Immissionsschutzgesetz NRW 181 Weisungen der <strong>Bezirksregierung</strong> Münster<br />
89 Infektionsschutzgesetz 182 Weisungen des RKN<br />
90 Informationsfreiheitsgesetz 183 Wertermittlungsrichtlinien<br />
91 Inspire 184 Wertermittlungsverordnung<br />
92 IT-Sicherheitsrichtlinien (lokal) 185 Wohn- und Teilhabegesetz<br />
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen<br />
und Richtlinien zur Zustandserfassung und -<br />
93 Jagdgesetz NRW 186 bewertung von Straßen
50 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
ERICH-online – Die webbasierte Auswertung der EDM-Kalibrierung für<br />
die Vermessungsverwaltung in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Wolfgang Engelmayer, Walter Knapp, Michael Levin, Burckhardt Ahrens<br />
1 Einleitung<br />
EDM-Instrumente (DIN 18718), die zur Erledigung hoheitlicher<br />
Vermessungen im VP-Feld eingesetzt werden,<br />
sind regelmäßig zu kalibrieren (Vermessungspunkterlass<br />
1996). Mit der Verwaltungsstrukturreform<br />
2008 (MATTISECK 2009) wurde die Zuständigkeit für<br />
diese Aufgabe zentral auf die <strong>Bezirksregierung</strong> <strong>Köln</strong>,<br />
Abteilung Geobasis NRW übertragen.<br />
Um diese Arbeiten zeitnah mit reduzierten Personalressourcen<br />
zu bewältigen, wurde 2009 das Programm<br />
ERICH (Erfassung von Eichmessungen) (GÜLDENRING<br />
u.a. 2009) entwickelt. Es diente zunächst der Erfassung<br />
und Plausibilisierung der Kalibrierstreckenmessungen<br />
im Felde. Damit war gewährleistet, dass die auf<br />
der Kalibrierstrecke von den Vermessungsstellen erhobenen<br />
Daten in einem einheitlichen Format, vollständig<br />
und weitgehend fehlerfrei vorlagen und der<br />
Auswertesoftware AED (FRÖHLICH 1992) zugeführt<br />
werden konnten. Ab dem 1. November 2009 wurden<br />
ausschließlich mit ERICH erfasste Daten zur Auswertung<br />
angenommen. Dies führte bereits zu einer drastischen<br />
Verkürzung der Bearbeitungszeiten. 2010 konnten<br />
so 780 eingereichte Dateien ausgewertet werden.<br />
Um den Bearbeitungsablauf weiter zu optimieren und<br />
um insbesondere eine tagesaktuelle Auswertung zu<br />
gewährleisten, wurde entschieden, das Erfassungsprogramm<br />
ERICH zu einer webbasierten Lösung inklusive<br />
Berechnungsteil weiterzuentwickeln. Da die bisher zur<br />
Verfügung stehende Auswertesoftware AED nicht den<br />
Anforderungen für eine Serveranwendung entsprach,<br />
musste sie durch ein neues Auswertemodul ersetzt<br />
werden.<br />
2 Fachliche Anforderungen<br />
Ziel der Kalibrierung von EDM-Instrumenten ist die<br />
Bestimmung von geräteabhängigen Einflüssen wie<br />
Nullpunkt-, Frequenz- (Maßstabs-) und zyklische Fehler,<br />
um diese bei späteren Messungen und Auswertungen<br />
zu berücksichtigen (DIN 18709-1).<br />
Der Maßstabsfehler wird auf einem Frequenzmessplatz<br />
gemessen und geht als aktueller Bezugsbrechungsindex<br />
in die Auswertung zur Ermittlung der<br />
übrigen Korrektionen ein. Die Bestimmung des zyklischen<br />
Fehlers erfolgt mit Hilfe von Mess-<br />
Schienenmessungen, die Ermittlung des Nullpunktfehlers<br />
und die Überprüfung des Maßstabs wird anhand<br />
von Kalibrierstreckenmessungen nach dem Verfahren<br />
´Rüeger´ durchgeführt. Der Umfang der Messdaten<br />
sowie deren Auswertung unterscheidet sich bei den<br />
beiden letztgenannten Verfahren nicht wesentlich.<br />
Aufgabe von ERICH-online ist somit die Erfassung und<br />
Auswertung von Mess-Schienenmessungen und Kalibrierstreckenmessungen<br />
sowie die Dokumentation der<br />
Ergebnisse.<br />
3 Realisierung<br />
Nach dem Aufruf der Internet-Anwendung ERICHonline<br />
werden die auf der Kalibriereinrichtung ermittelten<br />
Messungs- und Verwaltungsdaten über die bereitgestellte<br />
Erfassungsmaske eingegeben. Die Eingabedaten<br />
werden dv-technisch aufbereitet und einer Plausibilitätskontrolle<br />
unterzogen, die Beobachtungsdaten,<br />
falls noch nicht erfolgt, auf die Horizontale reduziert<br />
und um Wetter- und Geräteeinflüsse (aktuelle Bezugsbrechungszahl)<br />
korrigiert. Danach werden die Sollstrecken<br />
den gemessenen Strecken zugeordnet. Die Sollstrecken<br />
der Mess-Schiene werden der zum Zeitpunkt<br />
der Messung erfassten mittleren Temperatur angepasst.<br />
Als Grundlage hierfür dienen bekannte Sollwerte,<br />
die auf eine Umgebungstemperatur von 20° C bezogen<br />
sind. Schließlich werden die reduzierten und<br />
korrigierten Beobachtungsdaten einer Ausgleichung<br />
nach der L2-Norm (Minimierung der gewichteten Verbesserungsquadrate<br />
vpv, "Methode der kleinsten<br />
Quadrate") unterzogen.<br />
Für die Bestimmung des Nullpunkt- und Maßstabsfehlers<br />
(K10, K20) bzw. die Bestimmung der zyklischen<br />
Fehler (K11, K12, K21, K22) wird zunächst eine „angeschlossene“<br />
Ausgleichung gerechnet, in der die Kalibrierwerte,<br />
soweit gewünscht, als Ausgleichungsunbekannte<br />
ermittelt werden. Anschließend wird eine Signifikanzprüfung<br />
durchgeführt (t-Test bzw. F-Test, Signifikanzniveau<br />
α = 5%). Da bei mehreren nicht signifikanten<br />
Kalibrierwerten jeder Wert Einfluss auf die Signifikanz<br />
der übrigen Werte haben kann, wird derjenige<br />
Wert mit der geringsten Signifikanz gesucht. Er wird
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 51<br />
verworfen, indem sein Wert zu Null gesetzt und für ihn<br />
in der wiederholten Ausgleichung keine Ausgleichungsunbekannte<br />
angesetzt wird. Stellen sich in den<br />
Folgeausgleichungen weitere Werte als nicht signifikant<br />
heraus, wird dieser Berechnungszyklus so lange<br />
fortgeführt, bis kein nicht signifikanter Wert mehr übrig<br />
bleibt.<br />
Um sicher zu stellen, dass keine groben Beobachtungsfehler<br />
die Berechnung der Kalibrierungsparameter<br />
beeinflussen, wird eine „zwangsfreie“ Ausgleichung<br />
gerechnet. Die hierbei ermittelten Verbesserungen<br />
werden einem statistischen Test, dem „data snooping“<br />
von Baarda (FÖRSTNER 1979) unterzogen. Dazu werden<br />
neben den Verbesserungen die Normierten Verbesserungen<br />
NV ermittelt. Übersteigt NV den kritischen<br />
Wert k = 2.0, so kann mit 95%-iger Sicherheit<br />
ein grober Fehler vermutet werden. Da ein grober Fehler<br />
in einer Strecke Einfluss auf die NV der übrigen<br />
Beobachtungen haben kann, wird diejenige Strecke mit<br />
der größten NV gesucht. Nur sie wird als grob fehlerhaft<br />
verworfen. Anschließend wird die freie Ausgleichung<br />
unter Ausschluss der so gefundenen Strecke<br />
wiederholt. Auch dieser Berechnungszyklus wird so<br />
lange fortgeführt bis keine NV größer k mehr gefunden<br />
wird. Die Strecken, die als möglicherweise grob fehlerbehaftet<br />
festgestellt wurden, werden im Auswerteprotokoll<br />
entsprechend gekennzeichnet.<br />
Zur Wertung, Weitergabe und Dokumentation der Ergebnisse<br />
wurde ein ausführliches Protokoll entwickelt.<br />
Auf dem Deckblatt werden das Datum der Auswertung<br />
mit der genauen Bezeichnung des Prüflings, eine Auflistung<br />
der Sollstrecken der Kalibriereinrichtung mit<br />
den angemessenen Punkten und daran anschließend<br />
die Beobachtungsdaten ausgegeben. Die nächsten<br />
Seiten enthalten Informationen zur Auswertung inklusive<br />
Signifikanztest, eine Zusammenstellung der Berechnungsergebnisse<br />
(Abbildung 1), die Kalibrierwerte<br />
sowie statistische Angaben. Graphiken unterstützen<br />
den Anwender bei der Beurteilung der Ergebnisse (Abbildung<br />
2: Ergebnisgraphik zur Bestimmung der Nullpunkt-<br />
und Maßstabskorrektion; Abbildung 3: Ergebnisgraphik<br />
zur Bestimmung der zyklischen Korrektion).<br />
Bei den Berechnungsergebnissen werden sämtliche<br />
Korrektionsbeträge aufgelistet. Zusätzlich werden die<br />
gemessenen, reduzierten, korrigierten und die Sollstrecken<br />
gegenübergestellt. Die angezeigten Residuen<br />
(Restfehler) ermöglichen eine qualitative Beurteilung<br />
der Messungsergebnisse. Als Nachweis für die Messgenauigkeit<br />
des untersuchten Instruments und zur<br />
Vorlage bei anderen Vermessungsstellen steht das<br />
Kalibrierzertifikat (Abbildung 4) zur Verfügung.<br />
4 Bedienung<br />
Als Systemvoraussetzungen für die Anwendung von<br />
ERICH-online sind der Internetexplorer 8 von Microsoft<br />
sowie ein PDF-Reader zum Lesen und Speichern der<br />
Protokoll- bzw. Ergebnisdateien erforderlich. Beide<br />
können bei Bedarf kostenlos aus dem Internet heruntergeladen<br />
werden. Beim Einsatz von anderen Internetbrowsern<br />
kann die Funktionsweise von ERICHonline<br />
beeinträchtigt sein. Für die Dauer der Kalibrierauswertung<br />
müssen Cookies zugelassen sein. ERICHonline<br />
kann über folgenden Link aufgerufen werden:<br />
http://www.bezregkoeln.nrw.de/brk_internet/organisation/abteilung07_produkte/raumbezug/kalibrierung/tachymeter/erichonline/i<br />
ndex.html<br />
In die Erfassungsmaske (Abbildung 5) sind zunächst<br />
allgemeine Angaben über Tachymeter, Kalibrierstrecke,<br />
Datum der Messung, Vermessungsstelle usw.<br />
einzutragen. Bei meteorologisch nicht korrigierten<br />
Strecken sind Bezugsbrechungszahl und Trägerwellenlänge<br />
des Instrumentenherstellers anzugeben. Frequenzablagen<br />
sind dem Prüfprotokoll zur Frequenzprüfung<br />
zu entnehmen. Wurde der zyklische Phasenfehler<br />
vor einer Kalibrierstreckenauswertung ermittelt,<br />
sind die Fourierkoeffizienten in die jeweiligen Eingabefelder<br />
zu übernehmen. Danach folgen die einzelnen<br />
Messungen auf der Kalibrierstrecke. Bei meteorologisch<br />
nicht reduzierten Messungen sind die Wetterdaten<br />
für die erste Messung zwingend einzutragen. Diese<br />
werden dann für Folgemessungen laufend übernommen,<br />
bis eine neue Eingabe erfolgt.<br />
Für die Erfassung im Felde ist das Programm ERICH<br />
vorgesehen. Die damit erzeugten Dateien können zur<br />
Auswertung in die Benutzeroberfläche geladen und<br />
weiter verarbeitet werden.<br />
Nach der Eingabe aller Daten und dem Aktivieren des<br />
START-Buttons erfolgt die Auswertung. Das Ende der<br />
Berechnung wird in einem zusätzlichen Fenster angezeigt.<br />
Das Ergebnis kann anschließend als PDF-Datei<br />
visualisiert, abgespeichert und ausgedruckt werden.<br />
Weitere Einzelheiten sind der Dokumentation zu entnehmen,<br />
die über die Benutzeroberfläche abgerufen<br />
werden kann.
52 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
5 Fazit<br />
Gerätetechnische Entwicklungen prägen das allgemeine<br />
Leben, webbasierte Anwendungen im Internet werden<br />
immer selbstverständlicher.<br />
Mit der Konzeption und Realisierung von ERICH-online<br />
als webbasiertem Kalibrierverfahren folgt die <strong>Bezirksregierung</strong><br />
<strong>Köln</strong> diesem Zeitgeist und stellt allen Vermessungsstellen<br />
in NRW ein Auswertewerkzeug zur<br />
Verfügung, um sämtliche Arbeitsschritte, von der Erfassung<br />
der Kalibrierdaten im Felde bis zum Ausdruck<br />
des Kalibrierzertifikats, digital und selbständig durch-<br />
Abb. 1: Zusammenstellung der Berechnungsergebnisse<br />
zuführen. Damit wächst allerdings auch die Eigenverantwortung<br />
für eine sach- und fachgerechte Durchführung<br />
der EDM-Kalibrierung, angefangen bei der Messung,<br />
über die Erfassung der Messergebnisse bis hin<br />
zur sachgerechten Analyse und Bewertung der Berechnungsergebnisse.<br />
Neben einer Reihe dv-interner<br />
Datenplausibilisierungen und Berechnungstests können<br />
die Vermessungsstellen hierzu auf eine umfangreiche<br />
Ergebnisdokumentation zurück greifen. Bei<br />
Fragen stehen die zuständigen Mitarbeiter der <strong>Bezirksregierung</strong><br />
<strong>Köln</strong> jederzeit gerne beratend zur Verfügung.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 53<br />
Abb. 2: Ergebnisgraphik zur Bestimmung der Nullpunkt- und Maßstabskorrektion<br />
Abb. 3: Ergebnisgraphik zur Bestimmung der zyklischen Korrektion
54 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Abb. 4: Kalibrierzertifikat
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 55<br />
Abb. 5: Erfassung<br />
Literaturangaben<br />
DIN 18709-1<br />
Begriffe, Kurzzeichen und lfd. Nrn. 9.3.2. Oktober 1995<br />
DIN 18718<br />
Arten und Bauteile von geodätischen Instrumenten,<br />
Erklärung lfd. Nr. 9. Januar 1986<br />
Förstner, W.<br />
Das Rechenprogramm TRINA2 für geodätische Lagenetze<br />
in der Landesvermessung. Nachrichten aus dem<br />
Öffentlichen Vermessungsdienst <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>,<br />
Heft 2, 1979, 12. Jg., S. 125-16.6.<br />
Fröhlich, H.<br />
Auswertung von Eichmessungen für EDM-Geräte mit<br />
AED, Ferd. Dümmler Verlag, Bonn, Dümmlerbuch<br />
78212, S. 38-41.<br />
Güldenring, Levin, Knapp, Riecken, Thönnes<br />
Prozessoptimierung bei der Auswertung von EDM-<br />
Eichstreckenmessungen. Nachrichten aus dem öffent-<br />
lichen Vermessungswesen <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>, Heft<br />
1, 2009, S. 41-43.<br />
Mattiseck, K.<br />
Verwaltungsstrukturreform in der Vermessungs- und<br />
Katasterverwaltung des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>.<br />
Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungswesen<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>, Heft 1, 2009, S. 8/9.<br />
Vermessungspunkterlass - VP-Erl. - RdErl. d. Innenministeriums<br />
vom 12.01.1996. Druck und Vertrieb: Landesvermessungsamt<br />
NRW, Bonn; Nr. 16 Eichung der<br />
Messinstrumente und -geräte.<br />
Burckhardt Ahrens<br />
Wolfgang Engelmayer<br />
Walter Knapp<br />
Michael Levin<br />
<strong>Bezirksregierung</strong> <strong>Köln</strong>, Abteilung 7<br />
Muffendorfer Straße 19-21<br />
53177 Bonn<br />
kalibrierung@bezreg-koeln.nrw.de
56 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Generierung von Höhenmodellen aus automatischen<br />
Bildzuordnungsverfahren zur Herstellung von Orthophotos<br />
Stephanie Haas, David Arzdorf<br />
1 Einleitung<br />
Als Digitales Höhenmodell (DHM) bezeichnet man eine<br />
Menge digital gespeicherter Höhenwerte von regelmäßig<br />
oder unregelmäßig verteilten Oberflächenpunkten,<br />
die die Struktur der Erdoberfläche hinreichend repräsentieren<br />
[GEOBASIS.NRW]. Jedoch ist die Definition<br />
von Digitalen Höhenmodellen in der Literatur oft widersprüchlich.<br />
Deshalb wird hier das DHM als Oberbegriff<br />
für das Digitale Geländemodell (DGM) und das<br />
Digitale Oberflächenmodell (DOM) verstanden. Das<br />
DGM beschreibt die natürliche Geländeform der Erdoberfläche,<br />
hingegen stellt das DOM die Geländeform<br />
der Erdoberfläche samt aller Objekte (Gebäude und<br />
Vegetation) dar.<br />
Digitale Höhenmodelle werden bisher mit Verfahren<br />
wie Laserscanning, Stereoauswertung, topographischer<br />
Aufnahme oder Digitalisierung von analogen<br />
Höhenlinien erzeugt. Nutzungsmöglichkeiten von Höhenmodellen<br />
sind unter anderem die Simulation und<br />
Prognose von Hochwasser (Katastrophenschutz),<br />
Lärmausbreitung, Umweltschutz, die Herstellung von<br />
3D Stadtmodellen, die Versorgungs- und Funknetzplanung<br />
(Sichtbarkeitsanalysen), die Anwendung als Planungsgrundlage<br />
(zur Bauleit-, Raum-, Straßenplanung)<br />
oder als Massenberechnung und die Herstellung von<br />
Orthophotos.<br />
Durch den Einzug von Digitalkameras in die Photogrammetrie<br />
und die stetig steigenden Rechenleistungen<br />
sind automatische Bildzuordnungs- oder auch<br />
Bildkorrelationsverfahren für die Generierung von<br />
Höhenmodellen interessant geworden. Mit deren Hilfe<br />
können aus Luftbildern digitale Höhenmodelle berechnet<br />
werden. Da Luftbilder die Erdoberfläche mit allen<br />
Objekten darstellen, werden über Bildzuordnungsverfahren<br />
DOM abgeleitet.<br />
In diesem Artikel werden DOM mit einem merkmalsbasierten<br />
Bildzuordnungsverfahren (feature based matching,<br />
FBM) und einem modernen cost-basedmatching-Verfahren<br />
(CBM) erzeugt, untersucht und<br />
mit einem aus einer Laserdatenerfassung (Airborne<br />
Laserscanning, ALS) stammenden DOM verglichen.<br />
Anschließend wird überprüft, inwieweit sie zur Herstellung<br />
von Orthophotos benutzt werden können.<br />
Verwendet man bei der Entzerrung von Luftbildern ein<br />
DOM, so ist es möglich, ein wahres (= strenges oder<br />
richtiges, True) Orthophoto zu erzeugen. In einem<br />
wahren Orthophoto werden alle Objekte lagerichtig<br />
abgebildet. Dies bedeutet insbesondere, dass Fassaden<br />
von Gebäuden nicht sichtbar sind, dass Dächer<br />
lagetreu dargestellt werden und dass es keine sichttoten<br />
Räume gibt. Demzufolge muss jeder im Bild sichtbare<br />
Objektteil im verwendeten DOM repräsentiert<br />
werden [WIEDEMANN, A., WICKI, P. 2010]. Die Orthophotos,<br />
die im Rahmen dieser Untersuchung mit<br />
Hilfe der durch Bildkorrelation generierten Höhenmodelle<br />
erzeugt wurden, werden visuell verglichen.<br />
2 Beschreibung des Testdatensatzes und der<br />
verwendeten Software<br />
Zur Verfügung standen orientierte Luftbilder der Düsseldorfer<br />
Innenstadt, die dankenswerterweise vom<br />
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)<br />
bereitgestellt wurden. Die Befliegung mit einer Ultra-<br />
CamXp der Firma Vexcel Imaging GmbH, Österreich,<br />
fand 2009 in 4 Streifen mit einer Längsüberdeckung<br />
von 80 %, Querüberdeckung von 60 % und einer Bodenauflösung<br />
(Ground Sample Distance, GSD) von 15<br />
cm statt. Aus diesen Daten wurde ein Testgebiet mit 6<br />
Bildern und einer Größe von 3,5 km x 2,5 km ausgewählt.<br />
In der Testgebietsfläche befinden sich für die<br />
DOM- und Orthophotoherstellung viele Problemzonen<br />
wie dichte hohe Stadtbebauung, Brücken, Eisenbahnschienen,<br />
Hafenanlagen und Türme (Fernsehturm).<br />
Für dieses Testgebiet kann auf sehr dichte ALS-Daten<br />
der nordrhein-westfälischen Landesvermessung zurückgegriffen<br />
werden. Die Laserdaten wurden zu Beginn<br />
des Jahres 2010 mit einer Dichte von ca. 8 Punkten<br />
pro Quadratmeter aufgenommen.<br />
Die Generierung der digitalen Oberflächenmodelle<br />
erfolgte mit dem Programm MATCH-T DSM der Inpho<br />
GmbH aus Stuttgart. Es lagen zwei Versionen des Programms<br />
vor. Die Version 5.3 benutzt zur Ableitung der<br />
DOM ein merkmalbasiertes Matching (feature based<br />
matching, FBM), welches von Pyramidenstufe zu Pyramidenstufe<br />
(hierarchisch) in einem sequentiellen<br />
multi-Matching angewendet wird. Hierbei wird das<br />
Gebiet in Recheneinheiten aufgeteilt, für die jeweils das
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 57<br />
am besten zueinander passende Bildpaar herausgesucht<br />
wird. Die daraus berechneten Punktwolken werden<br />
zusammengefügt und gefiltert. Die Lage der gefundenen<br />
Punkte kann optional mit einem flächenbasierten<br />
Bildzuordnungsverfahren nach der Methode<br />
der kleinsten Quadrate (least square matching, LSM)<br />
verbessert werden, wobei jedoch ein erhöhter Zeitbedarf<br />
in Kauf genommen werden muss. [LEMAIRE, C.<br />
2008]. Ergebnis dieses Bildzuordnungsverfahren ist<br />
eine Punktwolke.<br />
In der Version 5.4 von MATCH-T DSM ist ein moderneres<br />
cost-based-matching (CBM) implementiert. Beim<br />
CBM werden die Grauwerte jedes einzelnen Pixels<br />
untersucht (pixelbasierte Bildzuordnung). Es findet ein<br />
pixelweises Matching z. B. durch die Berechnung der<br />
absoluten Differenzen statt. Da dieses pixelweise Matching<br />
absolut nicht eindeutig ist, werden mit Hilfe von<br />
verschiedenen Kostenfunktionen 1 pixelweise die Kosten<br />
zwischen dem Referenzbild und dem Vergleichsbild<br />
bestimmt. Werden die Kosten minimal, so wird davon<br />
ausgegangen, dass es sich um korrespondierende Pixel<br />
handelt und die weitere Kostenberechnung für dieses<br />
Pixel kann abgebrochen werden. [HIRSCHMÜLLER, H.<br />
BUCHER, T., 2010] Um die Suche nach gleichen Pixeln<br />
zu vereinfachen, werden zusätzlich Epipolarbilder 2<br />
verwendet. Der große Vorteil von Epipolarbildern ist,<br />
dass der Suchbereich auf eine Linie beschränkt wird<br />
und somit Berechnungen schneller durchgeführt werden<br />
können [HEIPKE, 2009]. Durch die Verwendung<br />
von bestimmten Kostenfunktion wie z.B. Mutual Information<br />
ist CBM tolerant gegenüber radiometrischen<br />
Veränderungen innerhalb sich überlappender Luftbilder.<br />
Ergebnis von CBM ist ein DOM, das je Pixel einen Höhenwert<br />
besitzt. MATCH-T-DSM 5.4 berechnet jedoch<br />
nur für jedes dritte Pixel einen Höhenwert. Damit wird<br />
die Datenmenge des DOM ohne wesentliche inhaltliche<br />
Verluste reduziert und das DOM ist für weitere Verarbeitungsschritte<br />
besser zu verwenden.<br />
1<br />
Kostenfunktionen dienen in der Informatik zur Beurteilung<br />
der Komplexität von Algorithmen. Typische Kostenfunktionen<br />
sind z.B. die Optimierung von Rechenzeit und Speicherplatzbedarf<br />
2<br />
Die Epipolargeometrie bildet die Basis für Epipolarbilder.<br />
[HEIPKE, 2009]. Für die Erstellung von Epipolarbildern benötigt<br />
man die relative Orientierung von zwei Bildern. Diese werden<br />
auf eine gemeinsame Ebene entzerrt, so dass die Epipolarzeilen<br />
parallel sind und mit den Bildzeilen koinzidieren [SCHMIDT,<br />
2009]<br />
3 Untersuchungsergebnisse<br />
3.1 DOM-Generierung<br />
Einfluss auf das Ergebnis der Höhenmodellgenerierung<br />
haben die rekonstruierte Aufnahmegeometrie und die<br />
radiometrische Bildqualität. Die Aufnahmegeometrie<br />
ist abhängig von der Bildblockkonfiguration (Überdeckung<br />
der Luftbilder), der Stabilität der Kamerageometrie<br />
und der Zuverlässigkeit des mathematischen<br />
Kameramodells. Die radiometrische Bildqualität ergibt<br />
sich aus dem Signal-Rauschverhältnis des digitalisierten<br />
Bildsignals [HAALA, N., u. a. 2010]. Die bildbasierte<br />
Generierung von Höhenmodellen wird jedoch wesentlich<br />
durch einen unterschiedlichen Überdeckungsgrad<br />
(Längs- und Querüberdeckung) und die Bodenauflösung<br />
beeinflusst. Mit 80% Längs- und 60% Querüberdeckung<br />
und einer Bodenauflösung von 15 cm sind die<br />
vorliegenden Bilddaten gut für die Anwendung von<br />
Bildzuordnungsverfahren geeignet.<br />
Das Ergebnis des FBM aus der Version 5.3 ist eine<br />
unregelmäßige Punktwolke. In 1 h 17 min wurden<br />
3.717.493 Punkte berechnet, was im Durchschnitt etwa<br />
einer Punktdichte von einem Punkt je Quadratmeter<br />
entspricht. Diese Punkte häufen sich vor allem an im<br />
Luftbild gut erkennbaren Linien und in strukturierten<br />
Gebieten (Abbildung 1). Auf strukturarmen Untergrund,<br />
wie Straßen und stehendem Wasser werden so<br />
gut wie keine Punkte identifiziert.<br />
Beim CBM aus Version 5.4 wurden in 27 min 57 s<br />
18.555.916 Punkte ermittelt. Damit wurden in weniger<br />
als der Hälfte der Zeit fast fünfmal so viele Punkte wie<br />
beim FBM berechnet. Die Punkte aus dem CBM sind<br />
regelmäßig verteilt, da für jedes dritte Pixel ein Höhenwert<br />
bestimmt wird (Abbildung 2). Geringe Abweichungen<br />
der Höhenpunkte vom regelmäßigen Raster<br />
ergeben sich durch Verzerrungen bei der Auswertung<br />
größerer Höhenunterschiede.<br />
Auch hier entstehen in größeren Gewässern (Rhein)<br />
Datenlücken im DOM. Die vorliegenden Laserdaten<br />
haben eine Punktdichte von ca. 8 Punkten/m², sind<br />
unregelmäßig verteilt und enthalten sowohl last-pulse<br />
als auch first-pulse-Reflexionen (Abbildung 3).
58 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Abb. 1: Verteilung der Höhenpunkte bei FBM<br />
Abb. 2: Verteilung der Höhenpunkte bei CBM<br />
Abb. 3: Verteilung der Höhenpunkte bei ALS
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 59<br />
Probleme bei den Laserdaten gibt es vor allem im Bereich<br />
von stehenden Gewässern. Hier können große<br />
Bereiche ohne Reflexionen auftreten. Teilweise sind in<br />
den Laserdaten senkrechte Hauswände mit Höhenpunkten<br />
erfasst, die weder zum DGM noch zum DOM<br />
gehören. Dieser Effekt ist durch den Abtastwinkel des<br />
Lasersensors zu erklären und ist auch in Abbildung 4<br />
zu sehen.<br />
Abb. 4: Profilansicht eines Gebäudes mit ALS-Daten<br />
Außerdem kann es zwischen eng stehenden Gebäudeteilen<br />
oder engen Straßenschluchten zu Datenlücken<br />
kommen, da der Laser hier nicht den Boden erreicht.<br />
Aber auch bei Bildzuordnungsverfahren können tiefe<br />
Straßenschluchten, die nicht in mehreren Bildern zu<br />
sehen sind, zu Datenlücken im DOM führen.<br />
Beim Vergleich der drei DOM mit dem DTMaster der<br />
Firma Inpho zeigt sich, dass die Laserdaten am wenigsten<br />
streuen und die Oberfläche am besten wiedergeben.<br />
Dachformen, Dachgauben, Treppen, Hecken werden<br />
in den Laserdaten am besten dargestellt. Abbildung<br />
4 zeigt die Laserdaten für ein Gebäude mit Dachgauben.<br />
Das Satteldach und die Gauben sind eindeutig<br />
zu identifizieren. Die Hauswände sind senkrecht mit<br />
Höhenpunkten erfasst. Auch im DOM aus CBM sind die<br />
Dachformen und Dachgauben erkennbar, jedoch sind<br />
sie nicht so klar definiert wie in den Laserdaten (Abbildung<br />
5).<br />
Die Kanten, wie z.B. der Dachfirst oder Gauben sind<br />
abgerundeter als in den Laserdaten oder auch in dem<br />
DOM aus FBM. Zwischen den Dachpunkten und den<br />
Bodenpunkten wird eine leicht schräge Ebene erzeugt,<br />
die an ein über das Gebäude geworfenes Tischtuch<br />
erinnert. Es gibt keine scharfe Abgrenzung zwischen<br />
Dachpunkten und Bodenpunkten.<br />
Abb. 5: Profilansicht eines Gebäudes mit CBM-Daten<br />
Beim FBM werden Kanten unter Voraussetzung guter<br />
radiometrischer Verhältnisse als Linie von Höhenpunkten<br />
wiedergegeben (siehe auch Abbildung 1). Die Kanten<br />
der Dachgauben und des Dachfirstes sind hier<br />
ebenfalls erkennbar (Abbildung 6). Senkrechte Wände<br />
sind in diesem DOM nur enthalten, wenn es auf den<br />
umgeklappten Hauswänden Merkmale gab, die vom<br />
FBM gefunden wurden. Überwiegend liegen die Punkte<br />
jedoch auf Gebäudedächern, am Boden oder in der<br />
Vegetation. Auf der rechten Seite des Gebäudes in<br />
Abbildung 6 hat das Bildkorrelationsverfahren keine<br />
Bodenpunkte gefunden, sondern nur Höhenpunkte in<br />
der Vegetation. Zusätzlich stellen sich beim FBM<br />
Schattenflächen als Fehlerquelle heraus. Diese werden<br />
an ihren Begrenzungen zwar gut als Merkmale/Kanten<br />
erkannt, ändern sich jedoch durch die zeitliche Verzögerung<br />
der Aufnahmegeometrie des Nachbarbildes<br />
und führen so zu falschen Höhenauswertungen. Da<br />
Dachgauben einen Schatten auf das Hauptdach werfen<br />
können, ist auch hier mit falschen Höhenauswertungen<br />
zu rechnen.<br />
Bei der Vegetation wird beim CBM das beste Ergebnis<br />
erzielt. Bäume und Sträucher werden differenziert<br />
wieder gegeben. Die Spitzen der Bäume sind abgerundet,<br />
was jedoch dem natürlichen Erscheinungsbild von<br />
Laubbäumen und –sträuchern entspricht. Im DOM aus<br />
FBM ist die Vegetation auch vorhanden, sie ist allerdings<br />
nicht so klar definiert, wie beim CBM. Undeutlich<br />
ist die Vegetation hingegen in den Laserdaten zu erkennen.<br />
Dies liegt daran, dass die Laserdaten für den<br />
Zweck eines DGMs geflogen wurden, also im belaubungsfreien<br />
Zustand. Somit wurden nur wenige Punkte<br />
von der Vegetation reflektiert.
60 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Abb. 6: Profilansicht eines Gebäudes mit FBM-Daten<br />
Die Streuung der drei verschiedenen DOM ist am besten<br />
auf ebenen Flächen wie Wiesen, Straßen und Plätzen<br />
miteinander vergleichbar. Abbildung 7 zeigt eine<br />
gut strukturierte, nicht ganz ebene asphaltierte Fläche<br />
in der Profilansicht. Das ALS-DOM hat eine Streuung<br />
von 10 – 20 cm, das CBM-DOM und das FBM-DOM<br />
eine Streuung von ca. 50 cm, wobei das CBM-DOM<br />
zusätzlich vereinzelt Ausreißer hat, die bis zu 70 cm<br />
streuen. Das Rauschverhältnis der korrelierten Höhenpunkte<br />
ist damit im vorliegenden Datensatz drei- bis<br />
viermal so hoch, wie das der Laserpunkte.<br />
Abb. 7: Profilansicht einer asphaltierten Fläche (weiß = ALS, orange =<br />
CBM, türkis = FBM)<br />
Große Probleme bereiten den Bildkorrelationsverfahren<br />
die Berechnung von Wasserflächen. Hier streuen<br />
die Punkte sehr stark. In einem Rheinausschnitt von<br />
ca. 250 x 250 m streuten die FBM-Höhenpunkte ca. 50<br />
m, beim CBM-DOM sogar 100 m und mehr. Die Laser-<br />
punkte hingegen haben auch im Wasser nur eine<br />
Streuung von 20 cm.<br />
3.2 Orthophotogenerierung<br />
Anschließend wurden mit dem DOM aus FBM und dem<br />
DOM aus CBM Orthophotos mit dem Programm OrthoMaster<br />
der Firma Inpho berechnet. Dafür wurde aus<br />
beiden DOM ein 45 cm–Raster berechnet, welches für<br />
den Entzerrungsprozess genutzt wurde. Die originären<br />
Punktwolken aus dem FBM und CBM konnten nicht für<br />
die Entzerrung mit dem OrthoMaster verwendet werden,<br />
da das Programm dafür ein regelmäßiges Höhenraster<br />
benötigt. Die Rasterweite von 45 cm wurde gewählt,<br />
weil beim CBM-DOM für jedes dritte Pixel (Bodenauflösung<br />
von 15 cm) ein Höhenwert berechnet<br />
wurde. Damit wurden in das CBM-DOM keine zusätzlichen<br />
Punkte interpoliert. Für das Höhenraster aus der<br />
FBM-Punktwolke wurde die Rasterweite von 45 cm<br />
übernommen.<br />
In Gebieten ohne Vegetation und ohne Bebauung entspricht<br />
das DOM dem DGM und die Herstellung des<br />
Orthophotos erfolgt ohne Probleme. In bebauten Gebieten<br />
wird durch die Verwendung eines DOMs ein<br />
True Orthophoto erzeugt. In diesem sollte der Umklappeffekt<br />
der Gebäude berichtigt sein und somit die<br />
Gebäude lagerichtig abgebildet werden. Fassaden<br />
dürften nicht mehr sichtbar sein.<br />
Der Umklappeffekt wird größtenteils berichtigt, sowohl<br />
bei der Verwendung des DOMs aus FBM als auch beim<br />
DOM aus CBM (Abbildungen 8 und 9). Allerdings sind<br />
die Traufkanten der Gebäude oft nicht mehr geradlinig<br />
und wirken unscharf, verwackelt und ausgefranst (Abbildung<br />
10). In den True Orthophotos aus dem CBM-<br />
DOM werden die Kanten der Gebäude insgesamt geradliniger<br />
wiedergegeben als in denen aus dem FBM-<br />
DOM. Die im Luftbild vorhandenen sichttoten Räume<br />
führen in den True Orthophotos in diesen Bereichen zu<br />
Datenlücken (weiße Flächen in Abbildung 9). Diese<br />
Datenlücken aufgrund von berichtigten Umklappeffekten<br />
entstehen nicht nur entlang der Gebäude, sondern<br />
auch in der Vegetation, denn auch Bäume werden aufgerichtet<br />
und dahinter liegende Bereiche erhalten dadurch<br />
Datenlücken.<br />
Mit dem Tool Orthovista von Inpho ist es möglich,<br />
sichttote Bereiche mit Bildinformation aus anderen<br />
Bildern aufzufüllen, wenn diese denn vorhanden sind.<br />
Da sich das vorliegende Testgebiet jedoch nur auf<br />
sechs Luftbilder beschränkt, bestand diese Möglichkeit<br />
nicht.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 61<br />
Abb. 8: Gebäude im Luftbild mit Umklappeffekten<br />
Abb. 9: Gebäude im true Orthophoto mit CBM-DOM<br />
Abb. 10: ungerade Gebäudekante und ehemals sichttoter Bereich im<br />
true Orthophoto<br />
Außergewöhnliche Gebäude, wie Schornsteine und der<br />
Fernsehturm oder Kräne und Leitungen werden in<br />
beiden DOM nur unzureichend generiert. In den True<br />
Orthophotos werden diese Sonderbauwerke oft mit<br />
Versatz oder stark verschwommen dargestellt. Bei<br />
Brücken entstehen die gleichen Effekte wie an den<br />
Gebäudekanten. Die Brückenränder werden nicht geradlinig<br />
dargestellt.<br />
Die Vegetation lässt sich in den DOM erkennen, jedoch<br />
ist eine detailgetreue Modellierung der Vegetation<br />
nicht immer möglich. So wirkt die Vegetation in den<br />
True Orthophotos vereinzelt unscharf und enthält Datenlücken<br />
aufgrund der berichtigten Umklappeffekte.<br />
In Gewässern versagt die Generierung von DOM vollständig.<br />
Sichtbar wird dies in den True Orthophotos bei<br />
Schiffen auf Gewässern oder bei schmalen Brücken,<br />
die völlig fehlerhaft dargestellt werden (Abbildung 11).<br />
Außerdem gibt es in bewegten Gewässern viele Datenlücken<br />
im True Orthophoto. Grund dafür ist wahrscheinlich<br />
die große Streuung der Höhendaten im Gewässer.<br />
Es entstehen imaginäre Erhebungen, die wiederum<br />
sichttote Räume hervorrufen.<br />
Abb. 11: schmale Brücke und Schiff im True Orthophoto<br />
Unabhängig von der Verwendung des DOMs aus FBM<br />
oder CBM werden in den True Orthophotos die Umklappeffekte<br />
der Standardgebäude behoben, das Erscheinungsbild<br />
ist jedoch in beiden Fällen noch nicht<br />
zufriedenstellend. Betrachtet man die True Orthophotos<br />
in den Randgebieten, wo sich weniger Bilder für die<br />
Bildkorrelation überlappt haben und wo die Umklappeffekte<br />
größer werden, so wird das visuelle Ergebnis<br />
schlechter. Für die Berechnung von True Orthophotos<br />
ist demzufolge ein hoher Überdeckungsgrad der Luftbilder<br />
und ein gut bestimmtes Höhenraster notwendig.
62 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
4 Fazit und Ausblick<br />
Die Laserdaten repräsentieren Gebäude und freie Flächen<br />
am besten. In der Vegetation sind die Laserdaten<br />
nicht primär für ein DOM zu verwenden, da bei der<br />
Aufnahme der vorliegenden Laserdaten darauf geachtet<br />
wurde, dass hauptsächlich Bodenpunkte erfasst<br />
wurden. Dennoch kann man nicht generell sagen, dass<br />
das DOM aus Laserdaten besser ist als die DOM aus<br />
CBM und FBM. Hier spielt vor allem die Erfassungsdichte<br />
der Laserdaten eine große Rolle. Bei einem früheren<br />
Test im nördlichen Teil der Stadt Düsseldorf war<br />
das DOM aus FBM im bebauten Gebiet detailreicher als<br />
die Laserdaten. Hier lag die Erfassungsdichte der Laserdaten<br />
nur bei bis zu 4 Punkten je Quadratmeter. Je<br />
weniger Laserpunkte pro Quadratmeter erfasst werden,<br />
umso detailärmer wird das DOM und umso ähnlicher<br />
werden sich das Laser-DOM und die DOM aus den<br />
Bildkorrelationsverfahren.<br />
In der absoluten Höhengenauigkeit sind die Laserdaten<br />
besser, da sie mit 10-20 cm nicht so stark streuen wie<br />
die bildkorrelierten Höhen mit ca. 50 cm. In Bezug auf<br />
die Genauigkeit stellt sich jedoch die Frage, wofür man<br />
die Daten braucht. Für Funknetzplanungen, Hochwassersimulationen,<br />
Lärmausbreitungsberechnungen und<br />
Visualisierungen reicht sicherlich auch die Höhengenauigkeit<br />
der korrelierten DOM aus. Aber auch für die<br />
Luftbildentzerrung ist diese Genauigkeit genügend. Um<br />
ein Orthophoto (kein True Orthophoto) zu erzeugen,<br />
müsste man mit Bildkorrelation erzeugte DOM zu einem<br />
DGM filtern. Dieses DGM wäre sicherlich nicht so<br />
hoch genau, wie das ALS-DGM, aber es hätte die gleiche<br />
Aktualität wie das Luftbild. Soll das Ergebnis der<br />
Entzerrung jedoch ein True Orthophoto sein, so benötigt<br />
man ein DOM, das sehr gut an die örtlichen Gegebenheiten<br />
mit Kanten und Höhensprüngen angepasst<br />
ist und möglichst wenig streut.<br />
Die Berechnung eines True Orthophoto mit den aus<br />
Bildkorrelationsverfahren abgeleiteten DOM zeigt<br />
zweifelsfrei noch kein perfektes visuelles Ergebnis. Um<br />
ein „schönes“ True Orthophoto zu erzeugen, sind sowohl<br />
bei dem DOM aus FBM als auch bei dem DOM aus<br />
CBM aufwändige Bruchkantenmessungen notwendig.<br />
Ein mit CBM bildkorreliertes DOM mit einem Höhenwert<br />
je Pixel scheint ein guter Ansatz zu sein, um in<br />
naher Zukunft ein True Orthophoto ohne manuelle<br />
Unterstützung zu erzeugen. Die Prozesse zur Berechnung<br />
des Höhenmodells bedürfen jedoch noch weiterer<br />
Entwicklungsarbeit, um letztendlich ein DOM zu erhalten,<br />
was insgesamt nicht mehr so „rund und weich“ ist<br />
und welches die Höhensprünge z.B. zwischen Boden<br />
und Gebäudedach scharfkantig wiedergeben kann.<br />
Unabhängig von den beschriebenen Einschränkungen<br />
kommt die Bildkorrelation seit kurzem bei der <strong>Bezirksregierung</strong><br />
<strong>Köln</strong>, Abteilung Geobasis NRW, zum Einsatz.<br />
In Bereichen von großen Tagebauen liegen zwischen<br />
Erfassung des Luftbildes und der ALS-Befliegung oft<br />
mehrere Jahre, so dass das DGM nicht mehr aktuell ist.<br />
Früher wurde das DGM mit mehrtägiger Bruchkantenerfassung<br />
an den neuen Geländezustand angepasst.<br />
Heute wird mittels Bildkorrelationsverfahren in weniger<br />
als einer Stunde ein DGM direkt aus den Luftbildern<br />
bestimmt. Da sich im Tagebaugelände weder<br />
Gebäude noch Vegetation befinden, muss das DOM<br />
nicht weiter gefiltert werden, sondern kann direkt als<br />
DGM verwendet werden. Lediglich einige Tagebaubagger<br />
werden in manueller Nachbearbeitung aus dem<br />
DGM entfernt. Für die Bildkorrelation und anschließende<br />
Orthophotoberechnung im offenen Gelände (Tagebau)<br />
sind die Bildflugdaten nach Landesstandard mit<br />
einer Überlappung von 60/30 und einer Auflösung von<br />
20 cm ausreichend. Aus diesen Ursprungsdaten wird<br />
ein 10m-Raster korreliert, was für die Luftbildentzerrung<br />
problemlos verwendet werden kann.<br />
Mittels Bildkorrelation generierte DOM haben unzweifelhaft<br />
ihre Berechtigung, da sie direkt aus Luftbildern<br />
gewonnen werden und somit die gleiche Aktualität<br />
haben wie die Luftbilder. Je nach Verwendung des<br />
DOMs oder Beschaffenheit der Geländeoberfläche<br />
könnte auf eine kostenintensive Erfassung zum Beispiel<br />
durch Laserscanning oder Bruchkantenerfassung<br />
verzichtet werden. Fast unmöglich wird es jedoch sein,<br />
in dichten Waldgebieten oder auf Feldern aus dem<br />
korrelierten DOM ein DGM zu filtern. Die Bildkorrelationsverfahren<br />
werden in diesen Bereichen so gut wie<br />
keine Bodenpunkte berechnen. Für Nacherfassungen<br />
oder Aktualisierungen Digitaler Höhenmodelle der<br />
Landesvermessung können Bildkorrelationsverfahren<br />
mit gewissen Einschränkungen dennoch eine einfache,<br />
wirtschaftliche und schnelle Lösung sein.<br />
Literaturangaben<br />
LEMAIRE, C. 2008<br />
Aspects of the DSM Production with High Resolution<br />
Images, ISPRS, Volume XXXVII Part BA, S.1143-1146
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 63<br />
HAALA, N., HASTEDT, H., RESSL, C., WOLF, K., 2010<br />
DGPF Projekt: Evaluierung digitaler photogrammetrischer<br />
Luftbildkamerasysteme – Themenschwerpunkt<br />
Höhenmodelle, in ISPRS 3 Ländertagung, Wien, Österreich,<br />
1.-3. Juli 2010<br />
HAALA, N., HASTEDT, H., WOLF, K. , RESSL, C.,<br />
BALTRUSCH, S., 2010<br />
Digital Photogrammetric Camera Evaluation – Generation<br />
of Digital Elevation Models, PFG 02/2010<br />
HEIPKE, 2009<br />
Skript zu den Lehrveranstaltungen Photogrammetrie<br />
und Fernerkundung I – III, Leibniz Universität Hannover,<br />
Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung<br />
HIRSCHMÜLLER, H., 2005<br />
Accurate and Efficient Stereo Processing by Semi-<br />
Global Matching and Mutual Information, IEEE Conference<br />
on Computer Vision and Pattern Recognition<br />
(CVRP), San Diego, CA, USA, 20.-26. Juni 2005<br />
HIRSCHMÜLLER, H. BUCHER, T., 2010<br />
Evaluation of Digital Surface Models by Semi-Global<br />
Matching, in ISPRS 3 Ländertagung, Wien, Österreich,<br />
1.-3. Juli 2010<br />
HIRSCHMÜLLER, H., SCHARSTEIN, D., 2008<br />
Evaluation of Stereo Matching Costs on Images with<br />
Radiometric Differences, IEEE Transactions on Pattern<br />
Analysis and Machine Intelligence, 2008<br />
HIRSCHMÜLLER, H. SCHOLTEN, F., HIRZINGER, G.,<br />
2005<br />
Stereo Vision Based Reconstruction of Huge Urban<br />
Areas from an Air-borne Pushbroom Camera (HRSC),<br />
DAGM, Wien, Österreich, 31. August - 2. September<br />
2005<br />
SCHMIDT, R., 2009<br />
Skript zu den Lehrveranstaltungen Moderne Methoden<br />
in Photogrammetrie und Fernerkundung, Leibniz Universität<br />
Hannover, Institut für Photogrammetrie und<br />
Fernerkundung<br />
WIEDEMANN, A., WICKI, P., 2010<br />
Mythos True Orthophoto – Vom Sinn und Unsinn eines<br />
Produkts, ISPRS 3 Ländertagung, Wien, Österreich, 1.-<br />
3. Juli 2010<br />
GEOBASIS.NRW<br />
Internetseite http://www.bezregkoeln.nrw.de/brk_internet/organisation/abteilung07_<br />
produkte/bildinformationen/index.html, Stand 12.<br />
März 2011<br />
Stephanie Haas<br />
<strong>Bezirksregierung</strong> <strong>Köln</strong>,<br />
Dienstgebäude<br />
Muffendorfer Str. 19-21, 53177 Bonn<br />
stephanie.haas@bezreg-koeln.nrw.de<br />
David Arzdorf<br />
Regierungsvermessungsreferendar der<br />
<strong>Bezirksregierung</strong> <strong>Köln</strong><br />
david.arzdorf@gmx.de
64 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Nachrichten / Aktuelles<br />
Der Online-Shop –<br />
Die zentrale Bereitstellungskomponente von Geobasis NRW<br />
www.geodatenzentrum.nrw.de<br />
Frank Robens, Erich Schäfer<br />
Meist unbemerkt aber nicht ganz unproblematisch: im<br />
Laufe des vergangenen Jahres hat sich Einiges getan<br />
im Geobasisdatenportal – dem Online-Shop der Vermessungsverwaltung<br />
NRW.<br />
Ab September 2010 fand eine umfassende Erweiterung<br />
der im Shop bestell- und online verfügbaren Produkte<br />
statt. Zu den bereits vorhandenen Produkten<br />
kamen z. B. das DGM1L/10L, das DGM25, das DGM50<br />
sowie die Unterscheidung der Produkte DLB10 und<br />
DLB20. Damit einhergehend wurde in enger Anlehnung<br />
an interne Strukturen der Produktbaum hinsichtlich<br />
der Produktnamen und der Bezeichnung der Produktgruppen<br />
umgestellt sowie die Produktauswahlseite<br />
plakativer und ansehnlicher gestaltet. Diese Änderungen<br />
haben die Nutzerführung maßgeblich verbessert,<br />
weil die logische Struktur durch die Überarbeitung<br />
wesentlich konsistenter wurde. Weiterhin wurden Verfügbarkeitsübersichten<br />
bei der Artikelauswahl für nicht<br />
flächendeckend vorliegende Produkte (z. B. den Digitalen<br />
Luftbildern) eingeführt und die Eingabemöglichkeiten<br />
für Bestellgebiete verbessert.<br />
Neben diesen vor allem nutzerorientierten Verbesserungen<br />
wurden außerdem die internen Prozesse optimiert:<br />
Da die Daten, die über den Online-Shop bereitgestellt<br />
werden sollen, zunächst bei IT.NRW entsprechend<br />
aktuell vorgehalten werden müssen, ist eine<br />
regelmäßige Datenlieferung seitens Geobasis NRW<br />
unabdingbar. Durch die Umstellung auf das Programm<br />
RSync, welches die differentielle Synchronisierung von<br />
Dateisystemen ermöglicht, konnte der „händische“<br />
Austausch mittels Datenträger oder via FTP-Server<br />
weitgehend ersetzt und die Übertragung erheblich<br />
einfacher, automatisiert und fehlerrobuster gestaltet<br />
werden. Damit besteht nun außerdem bei vielen Produkten<br />
die Möglichkeit, die Daten schon etwa eine<br />
Woche nach Produktionsabschluss über den Online-<br />
Shop herunterladbar bereitzustellen; also aktueller als<br />
je zuvor!<br />
Unter all diesen Änderungen besonders hervorzuheben<br />
ist allerdings die Umstellung auf das Bezugsystem<br />
ETRS89 in der UTM-Abbildung und das Ende der<br />
DHDN-Gauß-Krüger-Ära. Dadurch, dass Daten im<br />
DHDN90 in der Gauß-Krüger-Abbildung nicht mehr<br />
online per Download sondern nur noch postalisch über<br />
Geobasis NRW bezogen werden konnten, wurden die<br />
Folgen des Bezugsystemwechsels erstmals real spür-<br />
und erlebbar. Diese neue Einschränkung leitete die<br />
schon lange anstehende Übergangsphase ein, die im<br />
Januar 2011 dann konsequent abgeschlossen wurde:<br />
Ab dem 01.01.2011 waren aktuelle Geobasisdaten nur<br />
noch in ETRS89/UTM bestell- und lieferbar.<br />
Dieser Zeitpunkt war gleichzeitig der Stichtag für das<br />
Inkrafttreten der neuen Vermessungs- und Wertermittlungsgebührenordnung<br />
für das Land <strong>Nordrhein</strong>-<br />
<strong>Westfalen</strong> (VermWertGebO NRW), die für die automatisierte<br />
Gebührenermittlung im Online-Shop natürlich<br />
programmtechnisch umgesetzt werden musste. Ein<br />
radikaler Eingriff in eine der Kernkomponenten des<br />
Shops und ein weiterer, zu überwindender Meilenstein!<br />
Für einfache interne Nutzungen, bei denen lediglich<br />
Standardprodukte online bezogen werden sollen,<br />
konnte dies innerhalb des ersten Quartals 2011 realisiert<br />
werden, so dass das Shopsystem nicht nur extern<br />
für die eigentliche Bestellung der Produkte, sondern<br />
auch intern für Verwaltung und Abrechnung der Aufträge<br />
genutzt werden konnte.<br />
Wesentlich problematischer gestaltet(e) sich hingegen<br />
eine vollständige Umsetzung der Gebührenordnung<br />
mit all ihren Optionen. Bis zum heutigen Tage dauern<br />
die Arbeiten zur Implementierung der unterschiedlichen<br />
Gebührenbefreiungen und -ermäßigungen sowie
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 65<br />
der möglichen Vertragsarten an. Als besonders aufwändig<br />
ist in diesem Zusammenhang die Gestaltung<br />
der abgestuften Prozesse zu nennen, die erforderlich<br />
sind, um allen verwaltungs- und gebührenrechtlichen<br />
Anforderungen zu genügen.<br />
Daneben existieren jedoch noch einige weitere Baustellen,<br />
deren Planung parallel zu den übrigen Arbeiten<br />
bereits im März 2011 in enger Zusammenarbeit mit<br />
IT.NRW angegangen wurde. Auf der Aufgabenliste<br />
steht die Abbildung der kompletten Produktpalette mit<br />
vollständiger Umsetzung aller Regelungen der Verm-<br />
WertGebO NRW mit dem Ziel, auch komplexe Vorgänge<br />
(z. B. den Abschluss von Rahmenverträgen mit<br />
mehreren Abrechnungszeitpunkten oder die Lizenzierung<br />
und Abrechnung von Webdiensten) mit all ihren<br />
Besonderheiten über das Shopsystem abwickeln zu<br />
können. Als nächstes To-Do folgt vor allem die Verbesserung<br />
des Bestellvorgangs durch konsequente Führung<br />
und Begleitung des Nutzers mittels informativer<br />
sowie optischer Elemente. Weiterhin soll der Kartenclient<br />
einer umfassenden Erneuerung unterzogen werden,<br />
um für mehr Bedienerfreundlichkeit zu sorgen.<br />
Dies sind nur die größten, für Externe sichtbaren Modifikationen.<br />
Tatsächlich wird es in Summe auf eine vollständige<br />
Erneuerung des Systems hinauslaufen, die<br />
entsprechend umfangreiche Arbeiten erforderlich<br />
macht. Daher kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider<br />
noch keine konkretere Aussage über den möglichen<br />
Zeitpunkt einer „Neueröffnung“ erfolgen als<br />
2012… Hoffentlich!<br />
Bis zu diesem „Relaunch“ wird es jedoch auch noch<br />
einige Erweiterungen in der aktuellen Version geben,<br />
über die man sich vorher auf der Startseite des Shops<br />
informieren kann. So stehen im Moment die Digitalen<br />
Orthophotos im JPEG2000-Format in drei unterschiedlichen<br />
Komprimierungen bereit, um in den Shop<br />
eingebunden zu werden. Folgen werden dann die Rohdaten<br />
der Laserscanning-Befliegungen (DGM1L,<br />
DOM1L), das Digitale Landschaftsmodell 1:50.000<br />
getrennt nach Objektartenbereichen, die 3D-<br />
Gebäudestrukturen im LoD1 sowie die Dienste…<br />
Am besten schauen Sie einfach regelmäßig mal vorbei!<br />
Testen Sie unseren Shop und vielleicht wählen Sie<br />
dann zukünftig eher diesen Weg für den Datenbezug.<br />
Wir freuen uns aber auch über jede konstruktive Kritik<br />
und Ihre Verbesserungsvorschläge!<br />
Frank Robens und Erich Schäfer<br />
<strong>Bezirksregierung</strong> <strong>Köln</strong>, Geobasis NRW, Dezernat 74<br />
Direkter Zugriff mittels Online-Verfahren auf Vermessungsunterlagen<br />
- erste Erfahrungen im Kreis Heinsberg -<br />
Claus-Peter Knaut<br />
1 Einleitung<br />
Die Gebührenordnung für das amtliche Vermessungswesen<br />
und die amtliche Grundstückswertermittlung in<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> (Vermessungs- und Wertermittlungsgebührenordnung<br />
- VermWertGebO NRW) wurde<br />
am 5. Juli 2010 im Einvernehmen mit dem Finanzministerium<br />
vom Minister für Inneres und Kommunales neu<br />
herausgegeben (Seidel, <strong>NÖV</strong> 1/2011). In dieser Gebührenordnung<br />
wurden die Gebührentatbestände an die<br />
veränderte Ausgangssituation bei den Katasterämtern<br />
angepasst; so kann z.B. seit längerem bei den meisten<br />
Katasterämtern der komplette Katasternachweis digital<br />
bereitgestellt werden. Die Möglichkeit auf den digitalen<br />
Datenbestand zuzugreifen, ist in § 4 des Gesetzes<br />
über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster<br />
(Vermessungs- und Katastergesetz - VermKatG<br />
NRW) geregelt. Neu ist z.B. in der Gebührenordnung,<br />
dass die Vermessungsunterlagen zur Herstellung von<br />
amtlichen Lageplänen und Unschädlichkeitszeugnissen<br />
sowie zur Durchführung von Liegenschaftsvermessungen<br />
bei einem direkten Zugriff der Vermessungsstellen<br />
mittels Online-Verfahren kostenfrei zur<br />
Verfügung gestellt werden (§ 2 (3) Nr. 5 VermWertGebO<br />
NRW), wohingegen die manuelle Bereitstellung<br />
online verfügbarer Vermessungsunterlagen nach wie<br />
vor mit einer Gebühr in Höhe von 120,00 Euro von der<br />
Katasterbehörde abgerechnet wird.
66 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 67<br />
2 Ausgangssituation<br />
Bisher wurden den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen<br />
u. Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren<br />
(ÖbVermIng) die Vermessungsunterlagen<br />
in der Regel in analoger Form bereitgestellt. Nach den<br />
Bestimmungen des Fortführungsvermessungserlasses<br />
(FortfVErl.) gehören Auszüge aus der Liegenschaftskarte,<br />
dem Liegenschaftsbuch und aus dem Katasterzahlenwerk<br />
einschließlich der zugehörigen Unterlagen<br />
und Koordinaten aus dem amtlichen Nachweis der<br />
Vermessungspunkte zu den Vermessungsunterlagen<br />
(s. Nr. 3 FortfVErl.). Ergänzend können noch Bearbeitungshinweise<br />
oder Übersichten hinzukommen. Wegen<br />
der teilweise zu langen Bearbeitungszeiten bei der<br />
Erteilung der Vermessungsunterlagen, die zu Unzufriedenheiten<br />
bei den Vermessungsstellen und deren<br />
Kunden führten, boten einige Katasterämter die<br />
Selbstentnahme oder den digitalen Zugriff auf die<br />
Vermessungsunterlagen an. Beim Kreis Heinsberg war<br />
allerdings eine Selbstentnahme nicht möglich. Die<br />
Bearbeitungszeiten konnten jedoch sehr kurz gehalten<br />
werden, da der Katasternachweis zu 96 % auf festgestellte<br />
Grenzen zurückzuführen ist. Insofern kam es an<br />
dieser Stelle nicht zu Unzufriedenheiten zwischen<br />
Vermessungs- und Katasteramt und Kunden.<br />
Startseite des GeoPortals vom Kreis Heinsberg<br />
Auf der linken Seite befindet sich die Navigationsleiste<br />
zum geschützten Bereich wie z. B. für das Vermessungsrissregister<br />
„LinkBase“ der Firma Rosenberger<br />
oder das Kartenauskunftssystem „InkasWeb“.der Firma<br />
Geonet. Über die InkasWeb-Auskunft ist es möglich,<br />
auf den amtlichen Eigentümernachweis und die<br />
Koordinatendatenbank zuzugreifen. In der oberen<br />
Navigationsleiste besteht die Möglichkeit, sich über<br />
Bei den Katasterbehörden, bei denen eine Selbstentnahme<br />
angeboten wurde, trat eine erhebliche Zeitverbesserung<br />
ein. Es verblieb sowohl bei Selbstentnahme<br />
als auch beim digitalen Zugriff aber die Unzufriedenheit<br />
bei den Vermessungsstellen, dass trotz des eigenen<br />
Zeitaufwandes zur Erstellung der Vermessungsunterlagen<br />
immer noch nach der alten Gebührenordnung<br />
abgerechnet werden musste, für die Vermessungsunterlagen<br />
also stets Gebühren anfielen. Insofern war es<br />
richtig, mit der neuen Gebührenordnung die Bestimmungen<br />
zu ändern.<br />
3 Konzeption<br />
Da die Verordnung schon ein halbes Jahr vor dem Inkrafttreten<br />
am 1. Januar 2011 bekannt gemacht wurde,<br />
hatte man sich beim Vermessungs- und Katasteramt<br />
des Kreises Heinsberg Gedanken gemacht, wie man<br />
dieses neue Verfahren am besten umsetzen konnte.<br />
Dazu wurde eine Internetseite geschaffen, die nicht nur<br />
den ÖbVermIng den digitalen Zugriff zu den Katasterakten<br />
mittels Online-Verfahren bieten sollte, die Internetseite<br />
sollte gleichzeitig auch als Informationsbörse<br />
für Vermessungsstellen dienen. Sie informiert über die<br />
Geoinformationen, Geodienste und Geodaten des Kreises<br />
Heinsberg.<br />
Begriffe oder Definitionen zu informieren. Die rechte<br />
Leiste dient dann als Informations- und Kommunikationsplattform<br />
mit den ÖbVermIng.<br />
Mitte November 2010 wurde die Internetseite fertig<br />
gestellt. Es folgte ein Testbetrieb mit einzelnen Öb-<br />
VermIng. Anfang Dezember 2010 wurden alle ÖbVermIng<br />
angeschrieben, die im Kreisgebiet wohnhaft oder
68 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
häufig tätig sind. Sie wurden vorab über die neue Möglichkeit<br />
zur Erstellung von Vermessungsunterlagen<br />
informiert. Gleichzeitig wurde Ihnen eine persönliche<br />
Schulung in den Programmen LinkBase und InkasWeb<br />
angeboten. Von diesem Angebot haben alle Kollegen<br />
Gebrauch gemacht. Anfang Januar 2011 waren die<br />
Einweisungen abgeschlossen. Nach den Schulungen<br />
konnten die ÖbVermIng sofort mit der praktischen<br />
Erprobung des direkten Online-Zugriffs für Vermessungsunterlagen<br />
beginnen. Dies führte dazu, dass<br />
bereits im Dezember 2010 von dem neuen Verfahren<br />
reichlich Gebrauch gemacht wurde. Da auf diese Weise<br />
eigenes Personal entlastet wurde, konnte der Wegfall<br />
der Gebühren bei der Unterlagenerstellung auch im<br />
eigenen Hause vermittelt werden.<br />
4 Ergebnis<br />
Zwischenzeitlich haben 32 ÖbVermIng den direkten<br />
Zugriff mittels Online-Verfahren zu den Vermessungsunterlagen.<br />
Das Ergebnis und die Resonanz sind überraschend<br />
positiv ausgefallen.<br />
Beim Kreis Heinsberg wurden in den letzten Jahren<br />
durchweg 2.000 Anträge im Jahr auf Vermessungsunterlagen<br />
gestellt. Für die Erstellung der Unterlagen<br />
waren ständig 1,5 Mitarbeiter beschäftigt. Seit dem 1.<br />
Januar 2011 bis zum 31. Juli 2011 wurden nur noch 54<br />
Anträge auf Vermessungsunterlagen eingereicht. Von<br />
diesen 54 Anträgen entfallen 33 Anträge auf ÖbVermIng,<br />
13 Anträge auf private Vermessungsstellen und<br />
8 Anträge auf sonstige Stellen.<br />
Bei den 33 Anträgen der ÖbVermIng handelt es sich bis<br />
auf einen Antrag um Anträge, die von auswärtigen<br />
ÖbVermIng gestellt wurden. Befürchtungen, dass es<br />
bei umfangreicheren Vermessungen, mit hohem Aufwand<br />
für die Zusammenstellung der Unterlagen, weiterhin<br />
Anträge zur analogen Bearbeitung geben wird,<br />
sind bisher nicht eingetreten.<br />
Geodaten und Geodatendienste als Grundlage modernen<br />
Verwaltungshandelns<br />
Stefan Ostrau<br />
Unter dem Motto „Geodaten und Geodatendienste als<br />
Grundlage modernen Verwaltungshandelns“ fand am<br />
30.06.2011 im Museum MARTa Herford die erste gemeinsame<br />
Veranstaltung von DVW NRW e. V., VDV e.<br />
V. und BDVI e. V. mit 162 Teilnehmern statt. Für den<br />
DVW NRW e. V. hat die Bezirksgruppe Detmold unter<br />
der Leitung von Herrn Dipl.-Ing. Rolf Grundmann die<br />
Federführung übernommen. Den Anlass für die Veranstaltung<br />
bildeten die immer wieder kritisch hinterfragten<br />
Mehrwerte von Geoinformationen und lokalen GDI-<br />
Initiativen.<br />
In den Eröffnungsreden gingen Herr Dipl.-Ing. Rolf<br />
Grundmann und Herr Dr.-Ing. Stefan Ostrau auf die<br />
derzeitige Situation ein. Angesichts der Google Street<br />
View-Diskussion und der Geodatenzugangsgesetze sei<br />
es zu einer verstärkten öffentlichen Wahrnehmung des<br />
Themas Geoinformationen gekommen – allerdings<br />
weniger unter Nutzenaspekten, sondern insbesondere<br />
Ltd. Kreisvermessungsdirektor<br />
Dipl.-Ing. Claus-Peter Knaut<br />
Kreis Heinsberg<br />
Vermessungs- und Katasteramt<br />
unter Datenschutzgesichtspunkten. Ein Blick in die<br />
eGovernment-Zeitschriften offenbare die derzeitige<br />
Situation: Zwischen Euphorie und kritischer Zurückhaltung.<br />
Von hohem Potential sowie verstreutem Wissen<br />
in der Gesellschaft sei die Rede. Die Geodatenthemen<br />
würden intensiv in der Fachwelt diskutiert, während<br />
die Öffentlichkeit davon bisher kaum Notiz nähme.<br />
Angesichts dieser Situation beabsichtigten Bund und<br />
Länder mit Maßnahmen wie GDI-DE, Bundesgeoreferenzdatengesetz,<br />
WebAtlasDE sowie die Einbindung<br />
der Themen in den IT-Planungsrat die Entwicklung<br />
voranzutreiben. Im Kommunalbereich stellten sich<br />
Fragen dahingehend, ob Verwaltung überhaupt Geoinformationen<br />
benötige, wie diese bedarfsorientiert bereitgestellt<br />
werden könnten und ob Politik und Wirtschaft<br />
den strategischen Nutzen von Geoinformationen<br />
mittlerweile erkannt hätten.
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 69<br />
Veranstaltungsflyer<br />
Im Rahmen der Veranstaltung ist der kommunale Geodateneinsatz<br />
in der Region Ostwestfalen–Lippe<br />
(„Dachmarke GDI-OWL“) daher unter verschiedenen<br />
Aspekten analysiert worden.<br />
In einem ersten Vortragsblock („Braucht Verwaltung<br />
Geoinformationen?“) wurde eine Zwischenbilanz aus<br />
Sicht zweier Kreisverwaltungen durch Herrn Dipl.-Ing.<br />
Markus Schräder (Kreis Lippe) und Herrn Dipl.-Ing.<br />
Carsten Tannhäuser (Kreis Gütersloh) gegeben. Berichtet<br />
wurde u.a. über ein Projekt der Fachhochschule<br />
für öffentliche Verwaltung, in dem der Geodateneinsatz<br />
beim Kreis Lippe analysiert worden sei. Demnach<br />
seien Potentiale und Anforderungen, Geodaten einzusetzen,<br />
fast überall zu erkennen; Mehrwerte entstünden<br />
in nahezu allen Bereichen. Längst nicht alle Geoinformationen<br />
seien aufbereitet. Folglich sei der weitere<br />
Ausbau von GeoGovernment anzustreben. Geodatenportale<br />
als zentrale Zugangsknoten seien auszubauen,<br />
Geokataloge und Geoviewer einzusetzen, was hinsichtlich<br />
der Zugangsoptimierung am Beispiel von Landschaftsplänen<br />
des Kreises Gütersloh verdeutlicht wurde.<br />
Insgesamt sei eine multivalente Nutzung von Geoinformationen<br />
anzustreben.<br />
In einem zweiten Vortragsblock („Wie werden kommunale<br />
Geoinformationen bedarfsorientiert bereitgestellt?“)<br />
wurde eine Zwischenbilanz aus Sicht einer<br />
großen kreisangehörigen Stadt durch Herrn Dipl.-Ing.<br />
Ralf Piechottka und Herrn Roland Segsa (beide Stadt<br />
Detmold) gegeben. Voraussetzung für die bedarfsorientierte<br />
Bereitstellung sei eine zielgerichtete Koordinierung<br />
der GDI in Verbindung mit qualifiziertem Personal<br />
– eine Chance für angehende Geomatiker. Technisch<br />
sei der Zugang zu allen verfügbaren Geoinformationen<br />
über verschiedene Zugangswege (über spezielle<br />
Kartenthemen, allgemeine Fragstellungen oder über<br />
Fachanwendungen) zu gewährleisten. Mittels<br />
Workshops und INTRANET-Mitteilungen konnte der<br />
interne Bekanntheitsgrad maßgeblich gesteigert werden.<br />
Angesichts der verzeichneten 2-stelligen jährlichen<br />
Steigerungsraten (über 2000 Zugriffe/Tag; über<br />
1 Mio/Jahr) hätten sich Geoplattformen im Behördenalltag<br />
bereits etabliert. Die Einbindung weiterer Geoinformationen<br />
sowie interkommunale Kooperationen<br />
könnten zu erheblichen Synergien beitragen.<br />
Teilnehmer der gemeinsamen Veranstaltung<br />
Podiumsdiskussion<br />
In einem dritten Vortragsblock („Erkennen Politik und<br />
Wirtschaft den strategischen Nutzen von Geoinformationen?“)<br />
erläuterten Herr Dipl.-Geogr. Andreas Brodowski<br />
(Stadt Gütersloh) und Herr Dipl.-Ing. Elmar<br />
Schröder (Stadt Paderborn) den Geodateneinsatz aus
70 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Sicht zweier weiterer großer kreisangehöriger Städte.<br />
Wichtig sei die Nutzung von Geoinformationen auf<br />
Basis der Dienste-Architektur sowie die Einhaltung von<br />
Standards (z.B. OGC-Dienste, XPlanung, XErleben,<br />
CityGML). Wirtschaft, Politik, Verbände und Bürger<br />
sollten konsequent in die Nutzung von Standards sowie<br />
in vorhandene Lösungen eingebunden werden. In<br />
Form eines Perspektivwechsels wurde u.a. analysiert,<br />
welche Geoinformationen primär über Externe nachgefragt<br />
werden. Der demografische Wandel beinhalte die<br />
Chance, Geoinformationen verstärkt als interessenneutrale<br />
Entscheidungsgrundlagen heranzuziehen.<br />
Verdeutlicht wurde dieses anhand zahlreicher Anwendungsbeispiele<br />
(Leerstandsmanagement, Bevölkerungsanalysen,<br />
Schulentwicklungsplanung, Serviceoptimierung<br />
im Bereich Feuerwehr/Risikomanagement).<br />
Als Fazit wurde herausgestellt: Nur wenn die Politik<br />
und Wirtschaft wüssten, welche Analyse- und Präsentationsmöglichkeiten<br />
im Geodatenbereich bestünden,<br />
würde ihre enorme strategische Bedeutung erkannt<br />
und die Potenziale ausgeschöpft werden. Verstärkte<br />
Kommunikation sei folglich angesagt.<br />
Ausgewählte Ergebnisse der Diskussion<br />
Festveranstaltung 50 Jahre Gutachterausschüsse<br />
Ein Rückblick zum 13. Wertermittlungstag NRW 2011<br />
Barbara Nagel<br />
Die historische Stadthalle in Wuppertal bildete den<br />
prunkvollen Rahmen für die Feierlichkeiten zum 50jährigen<br />
Bestehen der Gutachterausschüsse in NRW,<br />
die in Verbindung mit dem 13. Wertermittlungstag<br />
NRW begangen wurden.<br />
Als Ehrengäste erschienen Vorsitzende der Oberen<br />
Gutachterausschüsse (OGA), Vertreter der zuständigen<br />
Ministerien des Bundes und der Länder, die Geschäftsstelle<br />
OGA NRW, Vertreter der Bezirksregie-<br />
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit weiteren<br />
Gästen (DDGI-Präsident Herr ÖBVI Udo Stichling,<br />
Wuppertal, und Herr ÖBVI Thomas Hülsmann, Detmold)<br />
wurde über Maßnahmen zur Etablierung von<br />
Geoinformationen diskutiert.<br />
Vier alternativ zu buchende Exkursionen am Nachmittag<br />
rundeten die Veranstaltung ab.<br />
An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich allen<br />
Akteuren für die rundum gelungene Veranstaltung<br />
gedankt. Die Vorträge sind auf der Internetseite des<br />
DVW NRW e.V. veröffentlicht.<br />
Stefan Ostrau<br />
Landesvorsitzender DVW-NRW e.V.<br />
rungen und der kommunalen Spitzenverbände einschließlich<br />
deren Vorsitzenden aus den Fachgremien,<br />
Vertreter der Finanzpräsidenten Rheinland und Münster,<br />
der Universitäten mit wertermittlungsrelevanten<br />
Ausbildungsbereichen in NRW, der Kammern, der Zertifizierungsstellen,<br />
der Verbände (BVS, IVD pp.), der<br />
statistischen Ämter Bund und NRW und nicht zu vergessen<br />
geschätzte ehemalige Kollegen (OGA, AGVGA,<br />
Ministerien, Bez.-Reg. und sonstige herausragende<br />
Persönlichkeiten).
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 71<br />
Das BILDUNGSWERK VDV e.V. und die Arbeitsgemeinschaft<br />
der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse<br />
NRW (AGVGA NRW e.V.) organisierten in Kooperation<br />
mit den Sponsoren DVW NRW e.V. und BDVI e.V. diese<br />
Veranstaltung.<br />
Nach der Begrüßung der Gäste durch Klaus Skindelies,<br />
Geschäftsführer des VDV-Bildungswerks und Wolfgang<br />
Schaar, Vorsitzender der AGVGA NRW, überbrachte<br />
Ministerialdirigent Johannes Winkel die Grußworte des<br />
Ministeriums für Inneres und Kommunales. Dr.-Ing.<br />
Stefan Ostrau begrüßte die Anwesenden im Namen<br />
des DVW NRW e.V. und Rudolf Wehmeyer rundete die<br />
überbrachten Grüße durch seinen Beitrag im Namen<br />
des BDVI NRW e.V. ab.<br />
Im Eröffnungsvortrag „50 Jahre Gutachterausschüsse<br />
für Grundstückswerte nach dem Bundesbaugesetz und<br />
dem Baugesetzbuch“ stellte Prof. Dr.-Ing. Erich Weiß<br />
die Entwicklungen der wesentlichen rechtlichen Grundlagen<br />
in einem geschichtlichen Zusammenhang bis<br />
zum heutigen Tage umfassend dar. Er lobte zu Beginn<br />
seines Vortrages die glückliche Hand der Organisatoren,<br />
die Jubiläumsveranstaltung an einem 13. September<br />
zu begehen, da genau vor 60 Jahren der Deutsche<br />
Bundestag in seiner 162. Sitzung am 13.09.1951 beschloss,<br />
die Vorlage eines bundeseinheitlichen Entwurfes<br />
eines Baugesetzbuches zu fordern, und somit erste<br />
Überlegungen zur Schaffung von Gutachterausschüssen<br />
auf den Weg gebracht wurden.<br />
Das breite Spektrum der demografischen Entwicklung<br />
sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Prognose<br />
dieser Entwicklungen stellte im Folgenden Dr. Tobias<br />
Just (Direktor der Deutschen Bank Research, Frankfurt)<br />
in seinem Vortrag „Wie schwer wiegt die Last der<br />
Demografie auf den Immobilien?“ vor. Er stellte fest,<br />
dass die isolierte Betrachtung von Tendenzen und<br />
Effekten oft zu Fehlinterpretationen führen kann. An<br />
Beispielen aus den Bereichen der Wohnungsmärkte<br />
und der Gewerbeimmobilien stellte Dr. Just seine facettenreichen<br />
Erkenntnisse den Gästen vor.<br />
Es folgte ein weiteres hochaktuelles Thema. Gabriele<br />
Bobka (Chefredakteurin der Zeitschrift „Der Immobilienbewerter“)<br />
referierte über „Ein halbes Jahrhundert<br />
offene Immobilienfonds - Geschichte und Bewertung“.<br />
Insbesondere die von ihr erläuterten Hintergründe und<br />
Zusammenhänge der Immobilenkrisen, die in der konkreten<br />
Bewertung von Fondsimmobilien mündeten,<br />
fanden breiten Anklang.<br />
In einem sehr kurzweiligen Vortrag stellte Bernhard<br />
Bischoff (Sachverständiger für Grundstücksbewertung,<br />
Berlin) „Das Sachwertverfahren auf dem Prüfstand<br />
- Löst die Sachwertrichtlinie alle Probleme?“ vor.<br />
Positiv kritisch setzte er sich mit dem Sachwertverfahren<br />
und der Sachwertrichtlinie auseinander, so dass<br />
anschließend Herr Schaar vorschlug, dass sich der 14.<br />
Wertermittlungstag NRW schwerpunktmäßig mit der<br />
Sachwertrichtlinie befassen soll.<br />
Gespannt waren alle Teilnehmer auf den letzten Vortrag,<br />
denn hier war ein Überraschungsgast angekündigt,<br />
den zunächst nur die „Eingeweihten“ kannten.<br />
Dieser wurde daher auch durch Herrn Schaar entsprechend<br />
angekündigt. Der Kabarettist Jens Neutag stellte<br />
Auszüge aus seinem neuen Programm vor und begeisterte<br />
die Anwesenden mit seiner Show. Nach einem<br />
interessanten und informativen Tag rundete seine<br />
humorige Darbietung die Jubiläumsveranstaltung ab<br />
und bildete den gelungenen Abschluss dieses besonderen<br />
13. Wertermittlungstages.<br />
In diesem Zusammenhang sei an dieser Stelle ein besonderer<br />
Dank den Organisatoren Klaus Skindelies,<br />
(<strong>Bezirksregierung</strong> Düsseldorf), Ricarda Baltz (Stadt<br />
Wuppertal) und Anja Dyx (Stadt Mönchengladbach)<br />
vom BILDUNGSWERK VDV sowie Wolfgang Schaar<br />
(Stadt Essen) von der AGVGA NRW e.V. ausgesprochen.<br />
Barbara Nagel<br />
Fachdienst 62 - Kataster und Geoinformation -<br />
Kreisverwaltung Recklinghausen
72 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Förderkreis Vermessungstechnisches Museum e.V. (Hrsg.)<br />
Buchbesprechungen<br />
Museumshandbuch Teil 2 – Vermessungsgeschichte<br />
Herausgeber:<br />
Im Auftrag des Förderkreises Vermessungstechnisches<br />
Museum e.V. für das Museum für Kunst und<br />
Kulturgeschichte der Stadt Dortmund von Ingo Frhr.<br />
von Stillfried<br />
3. Auflage, September 2009<br />
303 Seiten, gebundene Ausgabe<br />
ISBN 978-3-00-028449-6,<br />
30,00 Euro<br />
Mit seinen über 300 Seiten stellt die überarbeitete und<br />
erweiterte dritte Auflage des Handbuches zur Vermessungsgeschichte<br />
des Museums für Kunst und Kulturgeschichte<br />
der Stadt Dortmund eine umfangsreiche<br />
Veröffentlichung über die Historie des Vermessungswesens<br />
dar. Mit ihrem Werk verfolgen die Autoren das<br />
Ziel, dem Leser diese geschichtliche Entwicklung allgemeinverständlich<br />
nahe zu bringen.<br />
Das Handbuch ist inhaltlich in zwei Teilbereiche gegliedert.<br />
In dem reich bebilderten Ausstellungsteil werden<br />
die Exponate des Museums und die gebräuchlichen<br />
historischen Vermessungsmethoden anhand ihrer<br />
jeweiligen geschichtlichen Einbettung vorgestellt. Ausgehend<br />
von dem für jedermann wahrnehmbaren End-<br />
produkt einer Vermessung, der Karte, wird der Leser<br />
übersichtlich durch die Historie des Vermessungswesens<br />
geführt. Dabei werden dessen Facetten unter<br />
historisch bedeutsamen Blickwinkeln, z. B. aus der<br />
wachsenden Notwendigkeit zur Ortsbestimmung oder<br />
aus Gründen eines geforderten Eigentumsnachweises<br />
heraus, systematisch beleuchtet und nicht zuletzt vor<br />
dem Hintergrund des Einflusses religiöser und politischer<br />
Aspekte erläutert. Hierbei wird von den Autoren,<br />
ausgehend von übergeordneten Schwerpunkten wie<br />
der Erdvermessung, der Landesvermessung, der Katastervermessung<br />
und der Höhenbestimmung ein<br />
Bogen gespannt, der von der Antike bis in die heutige<br />
Zeit reicht und die jeweiligen Messmethoden sowie die<br />
Rechen- und Zeichentechniken im historischen Kontext<br />
aufzeigt.<br />
Im zweiten Teilbereich des Handbuches, dem Aufsatzteil,<br />
werden von den Autoren ausgewählte sowie historisch<br />
relevante Themenbereiche vertieft. Hierzu zählen<br />
Abhandlungen über den Fortschritt in der Rechen-<br />
und Datenverarbeitungstechnik sowie historische Aspekte<br />
der Schwerefeldbestimmung ebenso, wie die<br />
Ausführungen zu der Entstehung und Entwicklung des<br />
Liegenschaftskatasters bis hin zum ALKIS. Darüber<br />
hinaus wird von ihnen Bezug genommen auf jüngere<br />
historische Wendepunkte, wie der heute im vermessungstechnischen<br />
Alltag nicht mehr wegzudenkenden<br />
Satellitengeodäsie.<br />
Abgerundet wird das Handbuch im Anhang durch eine<br />
Zeittafel des Vermessungswesens, die eine Einordnung<br />
der behandelten Themenfelder in den geschichtlichen<br />
Zusammenhang vereinfacht.<br />
Insgesamt handelt es sich bei dem Handbuch um ein<br />
auch für den vermessungstechnischen Laien leicht<br />
verständliches Werk, das durch seine übersichtliche<br />
Gliederung und gute Verständlichkeit die Lust weckt,<br />
sich etwas eingehender mit der Geschichte der Vermessungstechnik<br />
zu befassen. Die reiche Bebilderung
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 73<br />
und die sich auf das Wesentliche konzentrierenden<br />
Texte lockern den fachhistorischen Hintergrund gekonnt<br />
auf und beleben das Interesse an einer intensiveren<br />
Beschäftigung mit der Thematik. Bis zu einem<br />
Besuch des Museums für Kunst und Kulturgeschichte<br />
in Dortmund dürfte dann nur noch ein kleiner Schritt<br />
sein, um die abgebildeten Exponate auch hautnah zu<br />
erleben.<br />
Diese Publikation ist neben dem Geschichtsinteressierten<br />
jedermann zu empfehlen, dessen beruflicher Aufgabenbereich<br />
von vermessungstechnischen Einflüssen<br />
tangiert wird. Es vermittelt dem Leser nicht nur ein<br />
Kauer / Fischer / Loose / Brack (Hrsg.)<br />
profundes Hintergrundwissen über das Entstehen des<br />
Vermessungsberufs sondern auch ein Verständnis<br />
dafür, wie sich dieses Berufsbild durch den technischen<br />
Fortschritt, die Veränderungen im Aufgabenspektrum<br />
sowie die politischen Rahmenbedingungen<br />
seit jeher fortentwickelt und damit auch das Bild des<br />
geodätischen Berufsstandes stetig verändert.<br />
Katja Nitzsche<br />
Ministerium für Inneres und Kommunales<br />
des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Referat 36<br />
Aufbruch in die Geoinformationsgesellschaft mit Microsoft Bing Maps<br />
Leitfaden mit Best-Practise-Beiträgen zur praxisorientierten Entwicklung von Mapping<br />
Mash-ups<br />
Dr. J. Kauer / F. Fischer / C. Loose / P.Brack<br />
Auflage 2011, XII<br />
172 Seiten, 17 x 24 cm, kartoniert<br />
ISBN 978-3-87907-503-4<br />
Wichmann, VDE Verlag GmbH,<br />
29,80 Euro<br />
Auf dem ersten Blick lässt der Titel „Aufbruch in die<br />
Geoinformationsgesellschaft“ die Frage aufkommen,<br />
warum dieser „Aufbruch“ erst jetzt im Jahre 2011<br />
Thema eines Buches sein soll, denkt man doch häufig,<br />
längst in dieser „Geoinformationsgesellschaft“ angekommen<br />
zu sein.<br />
Jedoch wird beim Lesen dieses Buches sehr schnell<br />
deutlich, welch enorme weitere Entwicklungen bevorstehen<br />
und wie sie unser alltägliches Leben und Arbeiten<br />
beeinflussen werden.<br />
Auf Grundlage des Kartendienstes „Bing Maps“ von<br />
Microsoft geht es hier um „Mapping Mash-ups“. Das<br />
sind Programme für internetbasierte Anwendungen,<br />
mit denen auf vorhandene Geodaten aufgesetzt und<br />
diese für individuelle Zwecke aufgearbeitet und präsentiert<br />
werden können.<br />
Nach einem kurzen ersten allgemeinen Teil werden im<br />
zweiten Teil konkrete praktische Anwendungen vorgestellt.<br />
Das reicht von den „Gelben Seiten“ über ein<br />
Hotelbuchungsportal, eine Immobiliensuche, Präsentationen<br />
im journalistischen Bereich (TV- und Zeitungspräsentationen)<br />
bis hin zur Logistiksoftware. Es<br />
scheint fast keinen Bereich zu geben, bei dem nicht<br />
raumbezogene Informationen visualisiert werden<br />
könnten. Das enorme Potential wird insbesondere an<br />
der Darstellung der mobilen Anwendungen deutlich.
74 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Im dritten Teil wird an konkreten Programmierbeispielen<br />
die Erstellung von Mapping Mash-ups gezeigt, so<br />
zum Beispiel wie sich Verhalten und Verfügbarkeit<br />
einer Kartendarstellung der Anwendung entsprechend<br />
steuern lassen. Dadurch wird erkennbar, dass mit überschaubarem<br />
Programmcode vorhandene Geodaten<br />
an verschiedenste Zwecke angepasst und präsentiert<br />
werden können.<br />
In diesem Buch wird durch wenige anschauliche Beispiele<br />
deutlich, welch nahezu grenzenlose Anwendungsmöglichkeiten<br />
der internetbasierte Zugriff auf<br />
Kummer / Frankenberger (Hrsg.)<br />
eine Geodatenquelle (hier Microsoft „Bing Maps“)<br />
bieten kann. Das enorme Wertschöpfungspotential<br />
einer zukünftig eingerichteten Geodateninfrastruktur,<br />
den die Verwaltung aus der breit gefächerten Nutzung<br />
z.B. der ohnehin vorhandenen Geobasisdaten der Kataster-<br />
und Vermessungsverwaltung ziehen kann, bedarf<br />
dann schon keiner weiteren Erläuterung mehr.<br />
Das Deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen<br />
Herausgeber:<br />
Klaus Kummer / Joseph Frankenberger<br />
Auflage des Jahres 2012<br />
481 Seiten, kartoniert<br />
ISBN 978-3-87907-511-9<br />
Wichmann, VDE Verlag GmbH,<br />
73,00 Euro<br />
Das vorliegende Jahrbuch 2012 behandelt neben dem<br />
Teil A „Jahresrückblick“ (Seite 1 - 106) ausführlich im<br />
Teil B (Seite 107-374) den Themenschwerpunkt „AL-<br />
KIS®: Das Amtliche Liegenschaftskatasterinformationssystem“<br />
und füllt glänzend die bestehende Lücke in<br />
der ALKIS®-Literatur. Vorweg gesagt: Die Autoren<br />
werden ihrem Ziel, mit diesem dritten Band die „geodä-<br />
Reimar Hänel<br />
Ministerium für Inneres und Kommunales<br />
des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Referat 37<br />
tische Wikipedia“ zu vervollständigen, mehr als gerecht!<br />
Ohne auf die einzelnen Kapitel im Teil A inhaltlich im<br />
Detail einzugehen, kann festgehalten werden, dass der<br />
aktuelle Band seinem Anspruch gerecht wird, die bestimmenden<br />
Jahresschwerpunkte im amtlichen Vermessungswesen<br />
abzubilden. Die Ausführungen zu<br />
„Gesellschaftliche Verankerung und institutionelles<br />
Gefüge“ (Seite 3 - 24) zeigen eindringlich Chancen und<br />
Risiken. Es wird interessant zu lesen sein, wie ein Jahrbuch<br />
2015 hierzu Stellung bezieht. Gleiches gilt für die<br />
„Aufgabenfelder und Wirkungsbereiche“(Seite 25-76) -<br />
Raumbezug, Geotopographie, Immobilienwertermittlung<br />
u.v.a.m. zeigt diese Beiträge doch, wie sich das<br />
amtliche Vermessungs- und Geoinformationswesen<br />
fachlich neu aufstellt. Die „Technischen Netzwerke und<br />
Transfer“ (Seite 77 - 92) und die „Forschung und Lehre“<br />
(Seite 93 - 106) ergänzen den Teil A und vervollständigen<br />
das aktuelle Bild.<br />
Das Jahrbuch wird zu Recht als Schwerpunktband<br />
„ALKIS®“ bezeichnet. Wer „ALKIS®“ lediglich kennen<br />
lernen möchte, kann auf die durch die AdV im Internet<br />
veröffentlichen Dokumente verwiesen werden, wer<br />
„ALKIS®“ aber verstehen und einen Ausblick auf die<br />
anstehenden Entwicklungen erhalten möchte, dem sei<br />
dieses Jahrbuch wärmstens empfohlen. Die Autoren,<br />
sämtlich in der ALKIS-Entwicklung federführend, geben<br />
ihre Sicht und ihr Know-how preis - lesenswert für<br />
alle, die sich mit den aktuellen Entwicklungen im Lie-
:<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011 75<br />
genschaftskataster vertraut machen wollen. Den Herausgebern<br />
ist es gelungen, die Entwicklungen im Liegenschaftskataster<br />
in prägnanter Kompaktheit aufzubereiten.<br />
Es sei als persönliche Anmerkung zu verstehen,<br />
dass das begleitende ALKIS®-Seminar während<br />
der INTERGEO 2011 eine Fortsetzung finden möge.<br />
Der bereits von anderen Rezensenten genutzte Begriff<br />
der „Leistungsschau des amtlichen Vermessungswesens“<br />
ist auch für diesen Band treffend gewählt. Der<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.)<br />
Geomatiker/Geomatikerin<br />
Vermessungstechniker/Vermessungstechnikerin<br />
Herausgeber:<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung<br />
1. Auflage 2011<br />
194 Seiten, broschiert mit CD-ROM als Beilage mit<br />
weiterführenden Informationsmaterial<br />
ISBN 978-3-7639-4854-3<br />
W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG,<br />
24,90 Euro<br />
Die vorliegende Broschüre des Bertelsmann Verlages<br />
aus der Reihe „Ausbildung gestalten“ informiert über<br />
die neu geschaffenen bzw. neu strukturierten Ausbildungsberufe<br />
zum Geomatiker / zur Geomatikerin sowie<br />
zum Vermessungstechniker / zur Vermessungs-<br />
Themenschwerpunkt ALKIS® wird die weite Verbreitung<br />
des 2010 erstmalig erschienenen Jahrbuchs zu<br />
Recht befördern. Ein Dank gilt allen Autoren und den<br />
Herausgebern!<br />
Dr. Jens Riecken<br />
Ministerium für Inneres und Kommunales<br />
des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Referat 36<br />
technikerin. Letzterer mit den beiden Vertiefungsrichtungen<br />
Vermessung und Bergvermessung.<br />
Ziel des Verfassers ist es, die neue Ausbildungsverordnung<br />
in all ihren Teilen verständlich darzulegen. Darüber<br />
hinaus soll den Ausbildern eine Vielzahl von Vorschlägen<br />
an die Hand gegeben werden, wie sie die<br />
Ausbildung in der Praxis gestalten können. Das Buch<br />
ist auch als E-Book verfügbar.<br />
Die Inhalte der genannten Berufsausbildungen sind das<br />
Ergebnis einer grundlegenden Überarbeitung der Ausbildungsverordnungen<br />
der früheren Berufsbilder Kartograph<br />
/ Kartographin, Vermessungstechniker /<br />
Vermessungstechnikerin und Bergvermessungstechniker<br />
/ Bergvermessungstechnikerin. Diese Ausbildungsberufe<br />
wurden unter dem Oberbegriff „Berufe in<br />
der Geoinformationstechnologie“ zusammengefasst,<br />
neu definiert, an die aktuellen technischen und wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen angepasst und in<br />
der Verordnung des Bundes über die Berufsausbildung<br />
in der Geoinformationstechnologie vom 30. Mai 2010<br />
mit dem notwendigen rechtlichen Rahmen umgeben.<br />
Im vorliegenden Buch werden die Gründe für die Überarbeitung<br />
der Ausbildungsverordnungen dargelegt und<br />
die neu gefassten Berufsausbildungen inhaltlich sowie<br />
strukturell vorgestellt. Dem Verfasser kommt es dabei<br />
nicht auf einen Vergleich der Ausbildungsinhalte zwischen<br />
den alten und neuen Berufen an sondern er geht<br />
gezielt auf die neuen Facetten der Berufsbilder ein.
76 :<strong>NÖV</strong> NRW 2 / 2011<br />
Der Hauptteil des Buches setzt sich sehr intensiv mit<br />
den Fragen zum Bildungsauftrag des Ausbildungsbetriebes<br />
und der Berufsschule sowie dem Ablauf und<br />
den Anforderungen der Zwischen- und Abschlussprüfungen<br />
auseinander. Der Schwerpunkt liegt hierbei in<br />
der Erläuterung der Inhalte und der Umsetzung der<br />
fachbezogenen betrieblichen und schulischen Rahmenlehrpläne.<br />
So werden zeitliche Richtwerte den<br />
vorgeschriebenen Ausbildungsinhalten zugeordnet<br />
und Vorschläge zur Erstellung von Lehrplänen bis hin<br />
zur beispielhaften Darstellung eines Musterlehrplans<br />
unterbreitet. Die Vorzüge einer eher handlungsorientierten<br />
Ausbildung und einer darauf aufbauenden Prüfungsstruktur<br />
mit starkem Praxisbezug werden herausgearbeitet<br />
und erläutert.<br />
Die textlichen Ausführungen beschränken sich hierbei<br />
auf das Wesentliche. Die inhaltliche Gestaltung des<br />
Buches wird geprägt von tabellarischen Gegenüberstellungen,<br />
Beispielen und Abbildungen. Durch die<br />
konsequent verwendeten Querverweise zu den speziellen<br />
Nummern der Ausbildungsrahmenpläne der Ausbildungsverordnung<br />
findet sich der Leser sehr schnell<br />
zurecht und wird in die Lage versetzt, das Buch situationsbezogen<br />
zu nutzen.<br />
Abgerundet wird das Werk durch die Aufführung zahlreicher<br />
weiterführender Informationsquellen. Diesbezüglich<br />
ist besonders die beigefügte CD-ROM zu er-<br />
wähnen. Sie stellt nicht nur ergänzendes Hintergrundmaterial<br />
zum direkten Nachschlagen bzw. zum<br />
Download zur Verfügung, sondern ist mit den dort<br />
aufgelisteten Checklisten, Musterlehrplänen, Beispielaufgaben<br />
sowie den aufgeführten Rechtsvorschriften<br />
auch als Arbeitsgrundlage sehr hilfreich.<br />
Im Fazit ist das Buch insbesondere denjenigen zu empfehlen,<br />
die sich mit den Ausbildungsberufen befassen.<br />
Den Ausbildern, Berufsschullehrern, Prüfern sowie<br />
Auszubildenden bietet das Buch wertvolles Hintergrundwissen.<br />
Es unterstützt bei einer effizienten und<br />
praxisorientierten Planung und Durchführung der Berufsausbildung<br />
und den zugehörigen Prüfungen, liefert<br />
Ideen zu möglichen Vorgehens- und Arbeitsweisen und<br />
bietet praktikable Umsetzungs- und Entscheidungshilfen<br />
an.<br />
Der Verfasser legt sehr viel Wert darauf, die theoretischen<br />
Ausführungen mit etlichen Beispielen zu unterlegen<br />
um damit Praxisnähe zu schaffen. Insbesondere<br />
dies ist den Autoren aus meiner Sicht sehr gut gelungen.<br />
Katja Nitzsche<br />
Ministerium für Inneres und Kommunales<br />
des Landes <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong><br />
Referat 36
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