LGBB_04_2022_web
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karte', denn sie verzeichnet Fernrouten und zeigt<br />
Zwischenstationen oder die Entfernungen zwischen<br />
ihnen, wenn auch ohne Maßeinheit (38f).<br />
Sodann das Straßennetz der römischen Fernstraßen<br />
(Viae Romanae Maiores. Tabula reticuli) von<br />
Sasha Trubetskoy in Form eines modernen U-<br />
Bahn-Streckenplans – sehr beeindruckend! Absolut<br />
faszinierend der älteste bekannte Stadtplan<br />
Roms, die marmorne Forma urbis Romae, die<br />
einzige Romkarte aus der Kaiserzeit. Entstanden<br />
unter Septimius Severus schmückte sie eine Wand<br />
im Friedenstempel auf dem Vespasianforum.<br />
Ihr Format, ein Relief aus 150 Marmorplatten in<br />
elf Reihen mit einer Fläche von 13 mal 18 Metern,<br />
ist spektakulär, das Problem liegt aber darin, dass<br />
sie in tausend Einzelteile zerbrochen ist. Sie diente<br />
wohl Verwaltungszwecken und bildete den<br />
Plan der Stadt mit außerordentlicher Detailtreue<br />
ab. Sämtliche Bauwerke, von Prachtbauten bis<br />
Nutzgebäuden, Straßen und die wichtigsten topographischen<br />
Landmarken finden sich im Maßstab<br />
von etwa 1:240 in dem exakt vermessenen<br />
Grundriss. Bedauerlicherweise ließ man die Platten<br />
im Lauf des Mittelalters verfallen, die Bruchstücke<br />
wurden als Spolien genutzt und sind über<br />
die ganze Stadt verstreut und eingemauert. Nur<br />
10 bis 15 Prozent wurden bislang geborgen, aber<br />
die Fundstücke stellen ein ebenso kolossales wie<br />
unlösbares Puzzle dar. „Anstatt Informationsquelle<br />
ist die Forma urbis somit eher ein Rätsel<br />
voller Pathos, ein Sinnbild für den unwiederbringlichen<br />
Verlust von Roms glanzvollem antiken Gesicht”<br />
(41). Im 17. Jahrhundert übten Bruchstücke<br />
der Forma urbis auf die Kupferstecher und<br />
Architekten Giovanni Battista Piranesi und Luigi<br />
Canina eine starke Faszination aus; sie fertigten<br />
Karten und Pläne an, in denen sie die Bruchstücke<br />
mit den physischen Belegen in Einklang zu<br />
bringen suchten (42–46).<br />
Ein Produkt solcher Forschungen ist der Plastico di<br />
Roma antica, kurz Il Plastico (50f.), die Hauptattraktion<br />
im „Museum der römischen Zivilisation”<br />
im E.U.R.-Viertel, „eine der bemerkenswertesten<br />
Darstellungen Roms, die je geschaffen wurden”<br />
(49), eine Arbeit des Modellbauers Pierino Di<br />
Carlo ab 1932 nach Entwürfen des Architekten<br />
Italo Gismondi, die ihre Arbeit nach dem Ende<br />
der Augusteischen Ausstellung Mostra Augustea<br />
della Ronanità und dem Untergang der Faschisten<br />
noch jahrzehntelang fortsetzten. Grundlage<br />
bildete die severische Forma urbis bis hin zum<br />
Maßstab, der mit 1:250 fast identisch ist.<br />
Einen völlig anderen Zugang zur Stadt Rom zeigen<br />
die Ebstorfer Weltkarte (um 1300), die Ansicht<br />
Roms in der Chronologia Magna des Fra Paolino<br />
Veneto um 1323 und die Ansicht Roms in Fazio<br />
degli Ubertis Dittamondo, eine Miniatur (69),<br />
welche die Pilgerperspektive wiedergibt, also den<br />
Blickwinkel derer einnimmt, die zu Fuß über die<br />
Alpen nach Rom reisten. Im stark vereinfachten<br />
Stadtbild sind nur wenige Wahrzeichen verstreut.<br />
Die Miniatur aus dem Reiseroman Dittamondo, in<br />
dem Fazio degli Uberti im 14. Jahrhundert seine<br />
fiktive Weltreise in Begleitung des antike Geografen<br />
Solinus, greift offensichtlich ein gängiges<br />
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